Khalid war auf Maggies Reaktion vorbereitet: geschocktes Schweigen. Ihm war klar, dass die meisten Menschen in ihrer Welt aus Liebe heirateten. Dass die meisten Kinder innerhalb einer Ehe geboren werden.
Hatte er nicht selbst einmal aus Liebe geheiratet? Und sich dann geschworen, seine Seele nach Shahinas Tod niemandem mehr zu öffnen?
Trotzdem ärgerte ihn der entsetzte Ausdruck auf Maggies Gesicht. Vor zwei Wochen hatte sie ihn nicht so abstoßend gefunden! Er kannte eine Menge Frauen, die nahezu alles für einen solchen Antrag getan hätten. Einige hatten es, weiß Gott, versucht.
„Meinst du das ernst?“ Ihr stockte der Atem.
Mühsam unterdrückte Khalid seine Enttäuschung. „Es wäre der sinnvollste nächste Schritt.“
„Sinnvoll, was?“ Ihr Mund verzog sich zu einer Grimasse. Sie hatte kaum erwartet, dass er sie und das Kind einfach ignorieren würde, ganz zu schweigen von einem offenen Liebesbekenntnis. Aber eine Vernunftehe?
„Denk doch mal darüber nach! Unser Kind hätte eine Familie – Eltern, von denen es geliebt wird. Er oder sie könnte in einem stabilen Umfeld aufwachsen, ohne zwischen zwei Kontinenten und Kulturen zerrissen zu werden. Und wäre obendrein wie du finanziell abgesichert.“
„Und was, wenn mich Geld und Status nicht interessieren?“
Er verkniff sich ein sarkastisches Grinsen. Alles wäre einfacher, wenn Maggie Lewis es auf sein Geld abgesehen hätte, doch so schätzte er sie nicht ein. Auch seine Ermittler hatten ihm bestätigt, dass sie eine bescheidene, hart arbeitende Frau war, aufrichtig und zuverlässig.
„Denk an unser Kind! Das ist doch das Wichtigste. Dein Vater musste dich allein großziehen, und diese Situation war alles andere als perfekt. Damit haben wir etwas gemeinsam, erinnerst du dich? Ich hatte auch keinen guten Vater. Aber wir beide könnten ein Zuhause schaffen, das uns selbst nicht vergönnt war.“
„Es gibt leider keine Garantie, dass so etwas funktioniert“, wandte sie halbherzig ein. „Und das wäre noch schlimmer für unser Kind.“
Khalid ergriff ihre Hand und streichelte sie mit dem Daumen. „Du hast mein Wort, Maggie, dass ich dich niemals fortschicken würde. Ich will daran arbeiten, dass wir in Harmonie leben können. Und da wir nicht aus Liebe heiraten, wird unsere Beziehung auch nicht von Emotionen belastet sein. Wir können uns gegenseitig nicht so tief verletzen, wie Liebende es tun.“
Je mehr er darüber nachdachte, desto gelungener erschien ihm dieses Arrangement. Dennoch las er Zweifel in ihren Augen.
„Und wenn du dich in eine andere verliebst?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, diese Ehe würde irgendwann in einem Desaster enden.“
Er fand es merkwürdig, dass sie nicht auf den Gedanken kam, sich selbst in jemanden verlieben zu können. Nicht, dass er sich ernsthaft darüber Sorgen machen würde. Er wusste, wie man eine Frau zufriedenstellte. Solange sie an seiner Seite war, würde Maggie sich bestimmt nicht nach anderen Männern umsehen.
„Ich bin nicht der Typ, der sein Herz verliert. In diesem Punkt kannst du dir absolut sicher sein“, murmelte er entschieden. Sein Herz war verschlossen, und er hatte nicht vor, es jemals wieder zu öffnen.
Maggie war nicht überzeugt. „Warum willst du heiraten? Damit du einen legitimen Erben hast?“
„Hältst du es für einen Fehler, einem Kind beide Eltern und den Schutz eines Familiennamens zu geben?“ Er richtete sich zu voller Größe auf.
„Nein, natürlich nicht.“
„Gut. Denn ich möchte nicht, dass mein Kind unehelich geboren wird.“
Wenn sein Onkel Hussein legitim gewesen wäre, anstatt einer Liaison zwischen Khalids Großvater und einer Tänzerin zu entstammen, wäre Hussein Scheich geworden. Als ehrlicher, ernsthafter und fleißiger Mann wäre er ein herausragender Herrscher gewesen. Stattdessen war die Krone an seinen jüngeren, nutzlosen Bruder gegangen: Khalids Vater. Ein oberflächlicher Mann, der sich selbst zu wichtig nahm und süchtig nach persönlicher Bestätigung war. Shajehar hatte jahrelang unter ihm gelitten …
„Also willst du einen Erben haben“, stellte sie fest.
Er zuckte die Achseln. „Wenn ich den Titel nicht vererben kann, geht er an ein anderes Mitglied meiner Familie. Aber jetzt gibt es ein Kind.“ Ohne es zu wollen, ließ er seinen Blick zu ihrem noch flachen Bauch gleiten. „Bald.“
Dies war sein Baby. Und Maggie Lewis war seine Frau, auch wenn sie es selbst noch nicht wusste. Die Anziehungskraft zwischen ihnen ließ sich nicht leugnen. Ein einfacher Blick genügte, um sein Blut in Wallung zu bringen.
„Willst du unserem Baby sein Geburtsrecht absprechen? Und die Gelegenheit, die Kultur seines Vaters kennenzulernen? Willst du es davon abhalten, hier seinen rechtmäßigen Platz einzunehmen?“
„Du gehst wohl davon aus, dass es ein Junge wird?“
„Ich werde unser Kind lieben, ganz gleich welches Geschlecht es hat. Ob es deine helle oder meine dunklere Hautfarbe erbt. Es ist unser gemeinsames Kind, und wir müssen unser Bestes tun.“ Er merkte, dass er im Augenblick nicht weiterkam. „Komm, Maggie! Wir reden später darüber. Du brauchst jetzt Ruhe.“
Sie fühlte sich überhitzt, schmutzig und erschöpft. Die gestrigen Neuigkeiten setzten ihr noch immer zu. Sie konnte kaum glauben, dass sie bald Mutter wurde. Diese Vorstellung löste die widersprüchlichsten Gefühle in ihr aus.
Zu allem Überfluss hatte sie an diesem Morgen feststellen müssen, dass sie im Stall nur noch mit leichten Aufgaben betraut wurde. Ein Tag voller überflüssiger Arbeit und neugieriger Blicke hatte ihr Nervenkostüm buchstäblich durchlöchert. Jeder ihrer Schritte wurde überwacht und beurteilt.
„Komm schon, Tally.“ Sie führte die Stute hinüber zum Pferdepool. Tally spielte mit ihren Ohren und blähte die Nüstern, als sie den Geruch des Wassers witterte.
„Maggie!“
Mitten in der Bewegung hielt sie inne und spürte Khalids bohrenden Blick hinter sich. Ganz langsam drehte sie sich zu ihm um.
„Ich hatte dich gebeten, mit mir zu sprechen.“
„Wirklich? Die Nachricht, die man mir übermittelte, klang so gar nicht nach einer Einladung, sondern mehr nach einem königlichen Befehl.“ Es kostete all ihre Willenskraft, ihm fest in die Augen zu sehen. „Ich bin keine Bedienstete, die sofort springt, wenn nach ihr verlangt wird.“
Maggie hatte Mühe, das Pferd neben sich ruhig zu halten. Offenbar spürte die Stute die Spannung, die in der Luft lag.
Khalid erstarrte. „Trotzdem bist du meine Angestellte“, stieß er hervor. „Oder spielt das gar keine Rolle?“
„Dann entschuldige ich mich in aller Form, Boss“, gab sie scheinbar gleichmütig zurück. „Mir war nicht klar, dass du über die Arbeit sprechen willst.“
Mit einer Hand rieb er sich den Nacken. „Entschuldige, Maggie! Das war nicht in Ordnung von mir.“
Da sie sich selbst so fühlte, als würde sie auf offenem Meer dahintreiben, hatte sie Verständnis für seine Hilflosigkeit. „Akzeptiert. Ich wollte sowieso gerade zu dir kommen, gleich nachdem ich hier fertig bin. Ich nehme meine Arbeit nämlich sehr ernst.“
„Mach ruhig, ich gehe neben dir her“, sagte er versöhnlich und beobachtete, wie geschickt sie das Pferd mit dem Wasser vertraut machte. „Eine Ehe ist die beste Lösung“, fuhr er fort. „Das weißt du, Maggie.“
„Nicht aus meiner Perspektive.“ Glaubte er etwa, sie überzeugen zu können, nur weil sie eine mittellose Stallkraft war?
„Mein Stallmeister hat mit dir wohl nicht über die neuesten Pläne gesprochen?“
„Welche Pläne?“ Ein Kribbeln huschte über ihren Rücken.
„Dein Job auf Tallawanta ist bald beendet.“
Ihr Mund wurde trocken. „Was soll das bedeuten?“
„Ich schreibe das Gestüt ab. Nachdem es hier in Shajehar so viel zu tun gibt, habe ich keinen Sinn für derartigen Luxus, selbst wenn er rentabel ist.“ Er machte eine kurze Pause. „Deinen Job in Australien gibt es also praktisch nicht mehr.“
Kalter Schweiß brach auf ihrer Stirn aus, als ihr die Bedeutung seiner Worte klar wurde. „Aber ich brauche eine feste Arbeit, um für das Baby sorgen zu können. Ich will Geld sparen,