Wie ein Traum aus 1001 Nacht – Kapitel 5

Khalid war auf Maggies Reaktion vorbereitet: geschocktes Schweigen. Ihm war klar, dass die meisten Menschen in ihrer Welt aus Liebe heirateten. Dass die meisten Kinder innerhalb einer Ehe geboren werden.

    Hatte er nicht selbst einmal aus Liebe geheiratet? Und sich dann geschworen, seine Seele nach Shahinas Tod niemandem mehr zu öffnen?

    Trotzdem ärgerte ihn der entsetzte Ausdruck auf Maggies Gesicht. Vor zwei Wochen hatte sie ihn nicht so abstoßend gefunden! Er kannte eine Menge Frauen, die nahezu alles für einen solchen Antrag getan hätten. Einige hatten es, weiß Gott, versucht.

    „Meinst du das ernst?“ Ihr stockte der Atem.

    Mühsam unterdrückte Khalid seine Enttäuschung. „Es wäre der sinnvollste nächste Schritt.“

    „Sinnvoll, was?“ Ihr Mund verzog sich zu einer Grimasse. Sie hatte kaum erwartet, dass er sie und das Kind einfach ignorieren würde, ganz zu schweigen von einem offenen Liebesbekenntnis. Aber eine Vernunftehe?

    „Denk doch mal darüber nach! Unser Kind hätte eine Familie – Eltern, von denen es geliebt wird. Er oder sie könnte in einem stabilen Umfeld aufwachsen, ohne zwischen zwei Kontinenten und Kulturen zerrissen zu werden. Und wäre obendrein wie du finanziell abgesichert.“

    „Und was, wenn mich Geld und Status nicht interessieren?“

    Er verkniff sich ein sarkastisches Grinsen. Alles wäre einfacher, wenn Maggie Lewis es auf sein Geld abgesehen hätte, doch so schätzte er sie nicht ein. Auch seine Ermittler hatten ihm bestätigt, dass sie eine bescheidene, hart arbeitende Frau war, aufrichtig und zuverlässig.

    „Denk an unser Kind! Das ist doch das Wichtigste. Dein Vater musste dich allein großziehen, und diese Situation war alles andere als perfekt. Damit haben wir etwas gemeinsam, erinnerst du dich? Ich hatte auch keinen guten Vater. Aber wir beide könnten ein Zuhause schaffen, das uns selbst nicht vergönnt war.“

    „Es gibt leider keine Garantie, dass so etwas funktioniert“, wandte sie halbherzig ein. „Und das wäre noch schlimmer für unser Kind.“

    Khalid ergriff ihre Hand und streichelte sie mit dem Daumen. „Du hast mein Wort, Maggie, dass ich dich niemals fortschicken würde. Ich will daran arbeiten, dass wir in Harmonie leben können. Und da wir nicht aus Liebe heiraten, wird unsere Beziehung auch nicht von Emotionen belastet sein. Wir können uns gegenseitig nicht so tief verletzen, wie Liebende es tun.“

    Je mehr er darüber nachdachte, desto gelungener erschien ihm dieses Arrangement. Dennoch las er Zweifel in ihren Augen.

    „Und wenn du dich in eine andere verliebst?“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, diese Ehe würde irgendwann in einem Desaster enden.“

    Er fand es merkwürdig, dass sie nicht auf den Gedanken kam, sich selbst in jemanden verlieben zu können. Nicht, dass er sich ernsthaft darüber Sorgen machen würde. Er wusste, wie man eine Frau zufriedenstellte. Solange sie an seiner Seite war, würde Maggie sich bestimmt nicht nach anderen Männern umsehen.

    „Ich bin nicht der Typ, der sein Herz verliert. In diesem Punkt kannst du dir absolut sicher sein“, murmelte er entschieden. Sein Herz war verschlossen, und er hatte nicht vor, es jemals wieder zu öffnen.

    Maggie war nicht überzeugt. „Warum willst du heiraten? Damit du einen legitimen Erben hast?“

    „Hältst du es für einen Fehler, einem Kind beide Eltern und den Schutz eines Familiennamens zu geben?“ Er richtete sich zu voller Größe auf.

    „Nein, natürlich nicht.“

    „Gut. Denn ich möchte nicht, dass mein Kind unehelich geboren wird.“

    Wenn sein Onkel Hussein legitim gewesen wäre, anstatt einer Liaison zwischen Khalids Großvater und einer Tänzerin zu entstammen, wäre Hussein Scheich geworden. Als ehrlicher, ernsthafter und fleißiger Mann wäre er ein herausragender Herrscher gewesen. Stattdessen war die Krone an seinen jüngeren, nutzlosen Bruder gegangen: Khalids Vater. Ein oberflächlicher Mann, der sich selbst zu wichtig nahm und süchtig nach persönlicher Bestätigung war. Shajehar hatte jahrelang unter ihm gelitten …

    „Also willst du einen Erben haben“, stellte sie fest.

    Er zuckte die Achseln. „Wenn ich den Titel nicht vererben kann, geht er an ein anderes Mitglied meiner Familie. Aber jetzt gibt es ein Kind.“ Ohne es zu wollen, ließ er seinen Blick zu ihrem noch flachen Bauch gleiten. „Bald.“

    Dies war sein Baby. Und Maggie Lewis war seine Frau, auch wenn sie es selbst noch nicht wusste. Die Anziehungskraft zwischen ihnen ließ sich nicht leugnen. Ein einfacher Blick genügte, um sein Blut in Wallung zu bringen.

    „Willst du unserem Baby sein Geburtsrecht absprechen? Und die Gelegenheit, die Kultur seines Vaters kennenzulernen? Willst du es davon abhalten, hier seinen rechtmäßigen Platz einzunehmen?“

    „Du gehst wohl davon aus, dass es ein Junge wird?“

    „Ich werde unser Kind lieben, ganz gleich welches Geschlecht es hat. Ob es deine helle oder meine dunklere Hautfarbe erbt. Es ist unser gemeinsames Kind, und wir müssen unser Bestes tun.“ Er merkte, dass er im Augenblick nicht weiterkam. „Komm, Maggie! Wir reden später darüber. Du brauchst jetzt Ruhe.“

 

Sie fühlte sich überhitzt, schmutzig und erschöpft. Die gestrigen Neuigkeiten setzten ihr noch immer zu. Sie konnte kaum glauben, dass sie bald Mutter wurde. Diese Vorstellung löste die widersprüchlichsten Gefühle in ihr aus.

    Zu allem Überfluss hatte sie an diesem Morgen feststellen müssen, dass sie im Stall nur noch mit leichten Aufgaben betraut wurde. Ein Tag voller überflüssiger Arbeit und neugieriger Blicke hatte ihr Nervenkostüm buchstäblich durchlöchert. Jeder ihrer Schritte wurde überwacht und beurteilt.

    „Komm schon, Tally.“ Sie führte die Stute hinüber zum Pferdepool. Tally spielte mit ihren Ohren und blähte die Nüstern, als sie den Geruch des Wassers witterte.

    „Maggie!“

    Mitten in der Bewegung hielt sie inne und spürte Khalids bohrenden Blick hinter sich. Ganz langsam drehte sie sich zu ihm um.

    „Ich hatte dich gebeten, mit mir zu sprechen.“

    „Wirklich? Die Nachricht, die man mir übermittelte, klang so gar nicht nach einer Einladung, sondern mehr nach einem königlichen Befehl.“ Es kostete all ihre Willenskraft, ihm fest in die Augen zu sehen. „Ich bin keine Bedienstete, die sofort springt, wenn nach ihr verlangt wird.“

    Maggie hatte Mühe, das Pferd neben sich ruhig zu halten. Offenbar spürte die Stute die Spannung, die in der Luft lag.

    Khalid erstarrte. „Trotzdem bist du meine Angestellte“, stieß er hervor. „Oder spielt das gar keine Rolle?“

    „Dann entschuldige ich mich in aller Form, Boss“, gab sie scheinbar gleichmütig zurück. „Mir war nicht klar, dass du über die Arbeit sprechen willst.“

    Mit einer Hand rieb er sich den Nacken. „Entschuldige, Maggie! Das war nicht in Ordnung von mir.“

    Da sie sich selbst so fühlte, als würde sie auf offenem Meer dahintreiben, hatte sie Verständnis für seine Hilflosigkeit. „Akzeptiert. Ich wollte sowieso gerade zu dir kommen, gleich nachdem ich hier fertig bin. Ich nehme meine Arbeit nämlich sehr ernst.“

    „Mach ruhig, ich gehe neben dir her“, sagte er versöhnlich und beobachtete, wie geschickt sie das Pferd mit dem Wasser vertraut machte. „Eine Ehe ist die beste Lösung“, fuhr er fort. „Das weißt du, Maggie.“

    „Nicht aus meiner Perspektive.“ Glaubte er etwa, sie überzeugen zu können, nur weil sie eine mittellose Stallkraft war?

    „Mein Stallmeister hat mit dir wohl nicht über die neuesten Pläne gesprochen?“

    „Welche Pläne?“ Ein Kribbeln huschte über ihren Rücken.

    „Dein Job auf Tallawanta ist bald beendet.“

    Ihr Mund wurde trocken. „Was soll das bedeuten?“

    „Ich schreibe das Gestüt ab. Nachdem es hier in Shajehar so viel zu tun gibt, habe ich keinen Sinn für derartigen Luxus, selbst wenn er rentabel ist.“ Er machte eine kurze Pause. „Deinen Job in Australien gibt es also praktisch nicht mehr.“

    Kalter Schweiß brach auf ihrer Stirn aus, als ihr die Bedeutung seiner Worte klar wurde. „Aber ich brauche eine feste Arbeit, um für das Baby sorgen zu können. Ich will Geld sparen,

um einmal Tiermedizin zu studieren.“ Bis heute war ihr gar nicht klar gewesen, dass Khalid das australische Gestüt finanzierte.

    „Das kannst du auch hier tun“, entgegnete er schlicht.

    Ich spreche nicht einmal die Landessprache, dachte sie panisch.

    „Hier zu bleiben soll für mich also einfacher sein, als in Australien einen neuen Job zu finden?“, fragte sie verbittert. Nicht einmal der Anblick des Pferdes, das sich nach seinem Wassertraining wie ein nasser Hund schüttelte, konnte Maggie aufheitern.

    „Du wirst so oder so eine neue Aufgabe haben“, erinnerte Khalid sie. „Mutter zu sein nimmt einen ziemlich in Anspruch. Aber du wirst nicht allein sein“, versprach er eilig. „Es wird dir an nichts fehlen.“

    „Ich passe nicht in deine Welt.“ Mit einer ungeduldigen Handbewegung machte sie ihn auf ihr Äußeres aufmerksam: schmutzige Stiefel, nass gespritzte Kleidung, zerzauste Haare. „Ich gehöre in keinen Palast. Ich bin ein gewöhnlicher Mensch, der für seinen Lebensunterhalt arbeiten geht.“

    Sein verständnisvoller Blick spann ein unsichtbares Band zwischen ihnen. „Das tue ich ebenfalls, Maggie.“

    Sofort bereute sie ihre Worte. Immerhin wusste sie, wie ernst Khalid seine Verantwortung nahm.

    „Entschuldige, Khalid, das weiß ich natürlich. Aber die Umstände sind extrem verschieden.“ Sorgsam strich sie das Wasser aus Tallys Fell. Es war die perfekte Entschuldigung, Khalid nicht in die Augen sehen zu müssen. „Aber du solltest jemanden heiraten, der eher zu dir passt. Bestimmt hast du auf eine Frau gewartet, die einer einflussreichen Familie entstammt und obendrein schön und elegant ist.“ Verbissen schluckte sie ihren Stolz hinunter und hob kämpferisch ihr Kinn.

    Eine Geste, die Khalid bereits von ihr kannte. Obwohl er ihre Ehrlichkeit bewunderte, wollte er ihre Abwehr um jeden Preis durchbrechen.

    „Die Scheichs von Shajehar sind dafür bekannt, dass sie aus freien Stücken heiraten.“

    Bewusst unterschlug er die Tatsache, dass Faruq erst vor wenigen Monaten eine Verbindung zwischen Khalid und der Prinzessin eines benachbarten Königreichs einzuleiten versucht hatte. Khalid war selbstverständlich von Anfang an gegen diese Entscheidung gewesen. Aber nun würde eine Ehe das Leben seines ungeborenen Kindes absichern, und das war Schicksal. Dass Maggie dadurch ein fester Teil seines Lebens werden würde, war ein zusätzlicher Bonus.

    „Niemand wird dir abnehmen, dass du mich wirklich wolltest“, behauptete sie kühl, hinter ihrer Fassade jedoch verletzte sie dieser Umstand.

    Schweigend versorgte Maggie das Pferd, während Khalid sie nachdenklich betrachtete. Die untergehende Sonne ließ Maggies Haare golden funkeln und verstärkte die Konturen ihrer schlanken Silhouette. Er begehrte sie sehr, und auch wenn sie nicht aus Liebe heirateten, wollte er Maggie doch unbedingt an seiner Seite haben.

    Während der letzten Wochen, in denen er sich in sein neues Amt als Scheich einarbeiten musste, hatte er sie entsetzlich vermisst. Und nun gab es keinen anderen Weg mehr: Maggie gehörte unwiderruflich zu seinem neuen Leben. Daraus ließ sich durchaus das Beste machen!

    „Niemand wird meine Entscheidung infrage stellen, Maggie. Wer dich sieht, wird sofort wissen, dass ich dich wirklich und wahrhaftig wollte.“

    An dem traurigen Blick aus ihren haselnussbraunen Augen, in denen es manchmal grün aufblitzte, erkannte Khalid, dass Maggie ihm kein Wort glaubte. Hatte sie denn niemals in den Spiegel gesehen?

    Für Khalid war es unmöglich, nicht permanent auf ihre hoch erotische Ausstrahlung anzusprechen. Er traute seiner eigenen Libido nicht, die es ihm in Maggies Nähe unmöglich machte, einen rationalen Gedanken zu fassen.

    „Ich werde dich mit Respekt behandeln“, versprach er. „Jedermann wird dich als meine rechtmäßig angetraute Ehefrau betrachten.“

    „Du meinst, du zollst mir den Respekt, der einer Mutter deines Kindes gebührt“, korrigierte sie ihn bitter.

    „Das auch“, gab er zu. „Und ich sichere dir meine Loyalität zu. Ist das ein so übles Angebot? Was erwartet dich zu Hause noch? Hindert es dich tatsächlich daran, ein neues Leben zu beginnen?“

    Mehr brauchte er nicht zu sagen. Die Wahrheit lag offen zwischen ihnen. Nichts und niemand warteten in der Heimat auf Maggie, außer Arbeitslosigkeit, Einsamkeit und die Aussicht darauf, allein ein Kind zu erziehen.

    „Aber wir haben doch nichts gemeinsam“, wandte sie ein.

    Nur mühsam unterdrückte Khalid ein siegessicheres Lächeln. Ihm war klar, dass er gewonnen hatte, auch wenn sie es noch nicht zugab.

    „Die Zeit wird es zeigen“, versprach er. „Vorerst bleiben uns das Kind und unsere Aufrichtigkeit. Das ist ein besserer Anfang, als ihn viele andere haben.“

 

„Komm, mein Kleiner.“ Mit einem Schwung setzte Maggie den kleinen Jungen auf das stämmige Pony.

    Es machte nichts, dass er kein Englisch sprach und sie kein Arabisch. Sein breites Grinsen sagte ihr alles, was sie wissen musste. Schnell kontrollierte sie, ob der Kleine fest in den Steigbügeln stand und die Zügel richtig hielt. Dann wies sie ihn mit Gesten an, sich gerade hinzusetzen und die Schultern durchzudrücken, lächelte aufmunternd und nickte, als er einen korrekten Sitz einnahm.

    Sie griff nach der Longe, und plötzlich kamen ein paar protestierende Laute über seine Lippen.

    „Schenk dem keine Beachtung!“, rief Khalid ein Stück hinter ihr. „Hamed weiß genau, dass er noch nicht allein reiten kann.“

    Maggie warf dem kleinen Reiter einen energischen Blick zu, der ihm verständlich machte, dass sie sich auf keinerlei Diskussion einließ. Dann ließ sie die Longe sinken, und das Pony blieb wie angewurzelt auf einem Fleck stehen.

    „Mir ist klar, dass er nur zu stolz ist, um zuzugeben, dass er Hilfe benötigt“, gab sie zurück. „Ich gebe ihm noch einen Moment, um sich einzukriegen.“

    Khalids Lächeln war voller Anerkennung, und die Anspannung der letzten achtundvierzig Stunden fiel allmählich von Maggie ab. Der Nachmittag, den sie mit Khalid und den Kindern seiner Cousins verbrachte, war weit amüsanter, als sie es sich vorgestellt hatte. Nicht einmal hatten sie über die Hochzeit gesprochen, und die Anwesenheit der Kinder bot eine willkommene Abwechslung von den ernsten Themen, die Maggie und er zu besprechen hatten.

    „Du kennst dich gut mit kleinen Jungs aus“, bemerkte er, und Maggie zuckte die Achseln.

    „Zu Hause habe ich bei einem Projekt mitgearbeitet, das Behinderten das Reiten ermöglicht hat. Die meisten von ihnen waren Kinder, und da habe ich mir ein paar erzieherische Strategien abgeguckt.“

    „Bist du gern mit Kindern zusammen?“

    „Natürlich. Wer ist das nicht?“ Kinder waren schließlich die ehrlichsten Menschen überhaupt.

    „Wolltest du schon immer eigene haben?“

    „Ich denke schon.“ Sie sah ihn direkt an. „Nur war es zu diesem Zeitpunkt nicht gerade geplant. Eines Tages mal, wenn ich …“

    „Wenn du den richtigen Mann dafür getroffen hast?“, hakte er nach.

    Sie nickte kurz. „Und du? Wolltest du immer welche haben?“

    Seine Miene wurde ernst. „Es war nicht unbedingt ein Lebensziel von mir, aber ja. Ich wollte Kinder.“

    Maggie konnte seinen Stimmungswechsel nicht nachvollziehen. Es war nicht leicht, einen Mann wie Khalid zu verstehen.

    Mit einem ermutigenden Lächeln wandte sie sich wieder an Hamed, ihre Aufmerksamkeit galt jedoch Khalid. Er stand mit der kleinen Ayisha auf dem Arm am Rand des Reitplatzes und fütterte ein anderes Pony mit Karotten. Das kleine Mädchen quietschte vor Vergnügen, als das Tier sie beschnupperte. Dabei war sie die einzige unter den Kindern, die gehörigen Respekt vor den Ponys hatte. Es war ein rührendes Bild, wie das winzige Mädchen auf Khalids starken Armen saß, und Maggie verspürte ein leichtes Ziehen in ihrer Brust.

    Er würde ein liebevoller, fürsorglicher Vater sein, dessen war sie sicher. Ihr Kind hätte eine Menge Verpflichtungen, würde aber gleichzeitig unendliche Liebe erfahren. Wenn Maggie Khalid heiratete.

    Und das wünschte sie sich für ihr Baby. Es sollte nicht die Ablehnung erleben müssen, die man ihr selbst entgegengebracht hatte. Khalid hatte zum Glück nichts mit ihrem Vater gemeinsam. Trotz seiner Position und seiner Macht war er der Mann, den sie sich als Vater für ihr Kind wünschte.

    Kann ich mich auf eine lieblose Ehe einlassen, um meinem Kind familiäre Sicherheit zu garantieren? fragte sie sich.

    Khalid würde sie niemals aufrichtig lieben, sondern sie nur als Mutter seines Erben betrachten. Aber in erster Linie ging es eben um den Nachwuchs, um eine eheliche Geburt, um Ehre und Verantwortungsbewusstsein.

    Er blieb auf Distanz und unternahm nicht den geringsten Annäherungsversuch. Diese Ehe würde vermutlich nur auf dem Papier existieren. Dabei sehnte Maggie sich körperlich so sehr nach ihm. Aber vielleicht fühlte sie nur so, weil die Lust etwas Neues für sie war.

    „Du siehst sehr ernst aus.“

    Khalid stand neben ihr, und Maggie brachte Hameds Pony zum Stehen.

    „Ich habe nur nachgedacht“, murmelte sie.

    „Über uns und die Zukunft?“

    Er klang unverschämt zuversichtlich, und am liebsten hätte sie einen Rückzieher gemacht. Aber dafür war es inzwischen zu spät.

    „Khalid, ich werde dich heiraten.“

 

Knapp zwei Wochen später stand Maggie vor ihrem riesigen Schlafzimmerspiegel und blickte in das Gesicht einer Fremden. Es war erstaunlich, was ein Designerkleid, Juwelen und Make-up aus einem Menschen machen konnten. Aus dem Stallmädchen war eine königliche Schönheit geworden.

    Kann ich das alles schaffen? dachte sie zum hundertsten Mal und verspürte eine Million Schmetterlinge im Bauch.

    „Atemberaubend! Unfassbar!“

    Auf dem Absatz fuhr sie herum. „Khalid! Was tust du hier.“

    Er lehnte am Türrahmen, stieß sich jedoch ab und kam langsam auf sie zu. In diesem Augenblick sah er wirklich wie der orientalische Prinz aus, der er war. „Ich bewundere die Braut.“

    „Aber du darfst gar nicht hier sein. Es bringt Unglück, wenn der Bräutigam die Braut vor der Hochzeit sieht.“

    „Unglück?“ Er stieß einen undefinierbaren Laut aus. „Wir tun das doch nur für uns selbst. Außerdem bist du allein an einem Tag, an dem du eigentlich von Familie und Freunden umgeben sein solltest.“ Er nahm ihre Hand in seine. „Aber du hast keine Familie und nicht einmal Freunde zu unserer Hochzeit eingeladen. Deswegen bin ich da. Um ihren Platz einzunehmen. Ich wollte nicht, dass du allein bist, Maggie.“

    „Danke, Khalid“, erwiderte sie leise.

    Er drückte fest ihre Hand, und ein wohliges Gefühl durchströmte ihren ganzen Körper.

    „Du hast recht. Es ist besser, nicht allein zu sein.“ Sie hatte schon zu viel Zeit damit vergeudet, sich zu fragen, wo ihre Mutter und ihre Schwester sich aufhielten. Und immer hatte sie davon geträumt, dass ihre Mutter und Cassie am Tag ihrer Hochzeit bei ihr sein würden. Dass es nicht so war, machte sie traurig.

    Maggie zwang sich zu einem Lächeln. „Ich bekomme eine neue Familie“, brachte sie mühsam hervor. „Es ist ein Neuanfang.“

    Khalid bemerkte die Entschlossenheit in ihrem Blick, aber ihm entging auch der Schmerz darin nicht. Liebevoll legte er einen Arm um sie.

    „Du machst mich sehr glücklich, Maggie. Du wirst diesen Schritt ganz bestimmt niemals bereuen.“

    Verglichen mit seiner ersten Hochzeit war dieser Tag fast unbedeutend. Damals waren dem Ehrentag schon monatelange Feierlichkeiten vorausgegangen. Aber dieses Mal war sein Herz nicht beteiligt. Er und Maggie schlossen zum Wohle ihres gemeinsamen Kindes einen Pakt. Und dennoch hinderte ihn das nicht daran, ihre Traurigkeit fortwischen zu wollen.

 

„Also, liebe Gemahlin, wie gefallen dir die Feierlichkeiten?“ Khalid stand hinter ihr und strich ihr zärtlich über den Rücken.

    Maggies Wangen färbten sich rot. Sie hatten es tatsächlich getan. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Sie war Khalids Frau.

    Seit sie der Eheschließung zugestimmt hatte, war Khalid ihr aus dem Weg gegangen. Keine Sekunde mehr waren sie alleine gewesen. So gesehen hätte es, selbst wenn sie gewollt hätte, nicht einmal die Gelegenheit gegeben, ihr Eheversprechen zurückzuziehen. Bis heute.

    Mittlerweile bedauerte sie zutiefst, dass es nur eine Zweckehe war, die sie und Khalid verband. Seine Nähe brachte ihr Blut zum Kochen, und es war eine Schande, dass er scheinbar beschlossen hatte, sie nicht mehr zu berühren.

    „Es ist wunderbar. So etwas habe ich noch nie erlebt.“

    Seufzend sah sie zu den zahlreichen Gästen, die jenseits eines gigantischen Zelts standen, das festlich geschmückt worden war und in dem nun auch getanzt wurde. In der Luft lag der köstliche Geruch von gebratenem Fleisch. Man hörte Musik, Gelächter und angeregtes Geplauder.

    „Sie scheinen deine Wahl nicht infrage zu stellen“, mutmaßte Maggie vorsichtig. Der ganze Rummel um ihre Person war ihr unheimlich. „Bis jetzt ist mir jeder ausgesprochen freundlich begegnet.“

    „Selbstverständlich. Warum sollte jemand etwas gegen unsere Verbindung haben?“, fragte Khalid verwundert. „Alle können sehen, dass du als Frau einem Scheich ebenbürtig bist. Und gerade heute siehst du umwerfend aus, Maggie.“

    Zögernd drehte sie sich zu ihm um. „Das brauchst du nicht zu sagen. Es gibt keinen Grund, mir zu schmeicheln.“

    „Dir zu schmeicheln?“, echote er. „Maggie, du musst wirklich lernen, mir zu vertrauen. Ich lüge dich nicht an.“

    Aber du übertreibst, argumentierte sie im Stillen. Trotzdem wusste sie seine Bemühungen zu schätzen.

    „Wie lange gehen die Feierlichkeiten eigentlich?“, erkundigte sie sich beiläufig und trank einen Schluck Wasser. Den ganzen Tag über hatte sich die ausgelassene Hochzeitsgesellschaft schon amüsiert, und Maggie wurde allmählich müde.

    „Ein paar Tage.“

    „Wie bitte?“ Das konnte Maggie sich kaum vorstellen. „Ich glaube nicht, dass ich das durchhalte.“

    Er räusperte sich umständlich, bevor er mit amüsiertem Tonfall erwiderte: „Mein Volk ist für sein Durchhaltevermögen bekannt.“

    Das klang bewusst zweideutig, und Maggie wurde, ohne es zu wollen, erneut rot. „Müssen wir tatsächlich die ganze Zeit über dabei sein?“

    „Nein. Während der nächsten Tage wird es noch eine Reihe von Empfängen geben. Und die Feier heute wird sicher noch bis zum Morgen andauern.“ Seine Augen begannen übermütig zu funkeln. „Aber wenn du müde wirst, darfst du dich jederzeit entschuldigen.“

    „Wirklich?“ Plötzlich erschien ihr die Aussicht auf Schlaf unendlich reizvoll. Sie unterdrückte ein Gähnen.

    „Komm“, sagte er sanft und zog sie an der Hand hinter sich her. Um sie herum verstummten die Gespräche, dann schien jeder in ermunterndes Gelächter auszubrechen.

    „Was ist los?“, fragte Maggie irritiert und sah sich um.

    Khalid grinste. „Man beglückwünscht mich, weil ich endlich meine Braut in die Hochzeitsnacht entführe.“

 


Sold out

Sold out

Sold out
Nächster Artikel Wie ein Traum aus 1001 Nacht – Kapitel 4