Wie ein Traum aus 1001 Nacht – Kapitel 11

Maggies Wahrnehmung funktionierte nicht mehr richtig. Vor allem verspürte sie unfassbar starke Schmerzen, aber sie hörte auch Stimmen, die hastig aufeinander einsprachen. Dann merkte sie, wie mehrere Hände sich darum bemühten, ihren Körper vorsichtig zu bewegen, bevor wieder alles in dichtem Nebel versank.

    Neue Geräusche weckten sie. Ein lautes Hämmern und wieder diese Stimmen.

    Ist das mein Herzschlag? dachte sie wie betäubt. Oder verliere ich das Blut, das mein Kind so dringend braucht? Vielleicht ist es ein Helikopter …

    Sie öffnete den Mund, um zu sprechen, brachte jedoch keinen Ton über die Lippen. Ständig hörte sie dabei, wie ihr Name gerufen wurde, wieder und wieder. Plötzlich wurde alles schwarz.

    Beim nächsten Mal waren es die Schmerzen, die sie erneut zur Besinnung brachten. Ihre Finger wurden so sehr zusammengequetscht, dass sie zu brechen drohten, und fremde Wärme durchströmte ihre Hand. Sie kannte diese Wärme und auch die leicht raue Haut. Khalid! Er war hier, er hatte sie gefunden. Jetzt würde alles gut werden.

    Maggie mühte sich durch den Nebel, der sie in die Tiefe zu ziehen drohte. Sie wollte ihm eine Antwort geben, die er bemerkte und verstehen konnte.

    Fremde Stimmen erreichten sie, harte Worte, die sie nicht verstehen konnte. Darüber erklang Khalids dringender Tonfall.

    „Tun Sie, was Sie tun müssen! Alles, was nötig ist, aber retten Sie meine Frau. Das ist alles, was zählt!“

    Noch einen Moment lang versuchte sie, mit Khalid Kontakt aufzunehmen, dann sank sie von Neuem in die Bewusstlosigkeit.

    Als sie endlich wieder zu sich kam, fühlte sie … nichts. Keine Schmerzen, kein Unbehagen, gar nichts. Sie lag auf dem Rücken, und ihre Finger ruhten lose in einer warmen Hand.

    Khalid, dachte sie. Ich habe nicht geträumt. Er ist die ganze Zeit über da gewesen.

    Wärme durchflutete ihren Körper, die sie nicht ganz einordnen konnte. War es nur Erleichterung? War es Liebe? Hoffnung?

    Nach und nach erwachten auch ihre Sinne, die Augenlider flatterten, und ihre Mundwinkel zuckten leicht. Sie wollte seinen Namen sagen, doch es dauerte eine Weile, bis sie ihren staubtrockenen Mund befeuchtet hatte und sprechen konnte.

    „Khalid“, flüsterte sie. „Khalid.“

    „Maggie! Maggie, Liebste, du bist endlich wach.“ Aber es war nicht Khalids Stimme, die sie hörte, es war Sheilas.

    Maggie drehte ihren Kopf nur wenige Millimeter und sah in das Gesicht der Freundin. Khalids Tante schien über Nacht gealtert zu sein. Tiefe Kummerfalten zeichneten sich auf ihren Zügen ab.

    „Es ist alles in Ordnung“, versicherte sie Maggie, und Sheilas müder Blick hellte sich auf. „Du bist jetzt in Sicherheit.“

    Kalte Angst packte Maggie. „Das Baby?“ Es war nicht mehr als ein hilfloses Krächzen.

    „Du hast eine kleine Tochter. Sie ist per Kaiserschnitt zur Welt gekommen und muss noch eine Weile auf der Intensivstation bleiben.“

    Maggie hatte das Gefühl, als würde ihr eine tonnenschwere Last abgenommen. „Wie geht es ihr? Bitte, die Wahrheit!“ Es war ihre Schuld, dass dieses Kind zu früh das Licht der Welt erblickt hatte.

    „Sie ist recht klein und braucht eine zusätzliche Überwachung. Während der Geburt kam es zu Komplikationen. Aber sie erholt sich gut und wird von Stunde zu Stunde stärker.“

    Prüfend betrachtete Maggie das Gesicht der Freundin, um zu sehen, ob diese sie mit ihrem Optimismus nur beruhigen wollte.

    „Khalid war die ganze Zeit über bei dir“, berichtete Sheila. „Er ist nicht von deiner Seite gewichen. Im Augenblick sieht er nur kurz nach dem Baby.“

    Maggie konnte diesen Plattitüden keinen Glauben schenken. Aber die Sorge um ihr Kind ließ ihr kaum Platz für Enttäuschung über Khalids Abwesenheit. Und sie wusste zu schätzen, dass seine Tante ihn in Schutz zu nehmen versuchte.

    Was habe ich denn erwartet? dachte Maggie. Dass er an meinem Bett wacht?

    Schließlich wusste sie, wo seine Priorität lag – bei ihrem gemeinsamen Kind. Das war alles, was ihn interessierte …

    „Maggie.“ Beruhigend drückte Sheila ihre Hand. „Dein kleines Mädchen und du, ihr seid hier in den besten Händen.“ Sie machte eine kurze Pause, um die richtigen Worte zu finden. „Khalid wird erleichtert sein, wenn er hört, dass du wieder bei Bewusstsein bist. Er hat sich fürchterliche Sorgen um euch beide gemacht. Aber jetzt wird alles gut werden, du wirst sehen.“

    Mit Mühe schenkte Maggie ihr ein Lächeln zum Abschied, dann ergab sie sich traurig ihrer bleiernen Müdigkeit. Nichts und niemand konnte ihre Ehe retten …

 

Khalid stand neben dem Bett seiner Frau und sah hinunter in ihr blasses Gesicht. Die Einschätzung der Ärzte, dass sie sich bald wieder erholen würde, beruhigte ihn keineswegs. Die Angst um sie brachte ihn fast um. Er wollte mit eigenen Augen sehen, dass es ihr besser ging.

    Mit einem tiefen Seufzer verschränkte er die Hände hinter dem Rücken. Sein schlechtes Gewissen nagte erbarmungslos an ihm. Schließlich hatte er ihr dies alles angetan. Seinetwegen wäre Maggie beinahe gestorben und sein Kind mit ihr.

    Es war seine Schuld. Er hätte für sie da sein müssen, er hätte sie fahren sollen.

    Und niemals hätte er dieser unsäglichen Trennung zustimmen dürfen. Stattdessen hätten sie beide daran arbeiten sollen, ihre Differenzen zu überbrücken. Insbesondere die unwürdige Verleugnung seiner Gefühle für Maggie! Weil er geglaubt hatte, niemals wieder so tief empfinden zu können, war er feige gewesen. Zu ängstlich, eine Liebe zuzulassen, die er möglicherweise irgendwann wieder verlor.

    Maggies Rettung nach dem Unfall kam buchstäblich in letzter Sekunde. Während der Notoperation war nicht klar, ob sie und das Baby es schaffen würden. Und die ganze Zeit über war Khalid einfach nur nutzlos gewesen. Ihm war nichts weiter übrig geblieben, als geduldig Maggies Hand zu halten und ihr gut zuzureden. Allein die Möglichkeit, sie durch einen grausamen Streich des Schicksals zu verlieren, hatte ihn bis ins Mark erschüttert. Selbst jetzt saß ihm die Angst noch in den Knochen.

    Khalid konnte kaum fassen, wie zart und verletzlich Maggie aussah. Seine Hände fingen unkontrolliert an zu zittern, als er bemerkte, dass sie langsam die Augen öffnete.

    „Khalid“, hauchte sie kaum hörbar.

    „Hier, Liebling, trink das!“, sagte er und schenkte ihr eilig ein Glas Wasser ein. Mit einer Hand stützte er Maggie am Rücken, mit der anderen half er ihr beim Trinken.

    „Wie fühlst du dich, Maggie?“, erkundigte er sich fast schüchtern und zwang sich, einen Schritt zurückzutreten.

    Sie verzog die Lippen, brachte jedoch kein Lächeln zustande. „Ich bin am Leben.“

    „Du hast mir eine Heidenangst eingejagt“, gestand er, bevor er sich zurückhalten konnte.

    Ihr Blick glitt an ihm vorbei. „Unsere Tochter. Wie geht es ihr?“

    „Immer besser.“ Er war stolz auf die unglaubliche Kraft dieses kleinen Wesens. Mit dieser Kraft hatte die Kleine auch ihm geholfen, die letzten Stunden zu überstehen. „Sie ist wunderschön, wie ihre Mutter.“

    Jetzt sah sie ihn direkt an, und er las Erstaunen in ihren Augen. „Wirklich? Kümmert man sich auch gut um sie?“

    Khalid nickte ernst. „Fest versprochen. Sie hatte keinen leichten Start ins Leben, aber ihre Werte sind inzwischen gut. Hier!“ Zögernd trat er wieder ans Bett und zückte sein Mobiltelefon. „Du möchtest sie bestimmt sehen.“

    Er rief ein paar Fotos auf, die er gerade von dem Baby gemacht hatte. Dann reichte er Maggie das Telefon und zuckte zusammen, als ihm auffiel, wie sorgfältig sie es vermied, ihn zu berühren.

    Es tat ihm weh, dass sie sich so sehr von ihm zurückzog. Aber er hatte es nicht anders verdient. Ihm wurde schlecht, wenn er daran dachte, was alles bei dem Unfall hätte passieren können. Ließ sie ihn seinen Fehler wiedergutmachen, oder würde sie ihm nie verzeihen?

    Daran konnte und wollte er im Moment nicht denken.

    Maggie blickte gerührt auf die Fotos, in ihren Augen glitzerten Tränen. „Sie ist zauberhaft. Und so winzig. Bist du ganz sicher, dass mit ihr alles in Ordnung ist?“

    Er nickte. „Die Ärzte sind mit ihren Fortschritten äußerst zufrieden.“ Allerdings waren die ersten Stunden recht kritisch gewesen, aber das sparte Khalid vorerst aus.

    „Ich möchte sie sehen“, wisperte Maggie.

„Das wirst du. Schon ganz bald.“ Er schluckte. Wenn er sich nicht so gedankenlos verhalten hätte, wäre dies alles nicht passiert.

    Mit wackligen Knien setzte er sich auf einen Stuhl, der neben Maggies Bett stand. Er konnte die angespannte Situation zwischen ihnen nicht länger ertragen. Zu viel war in den letzten Stunden geschehen, seit er Maggies Seidenschal in den Rosenbüschen gefunden hatte.

    Mit beiden Händen ergriff er ihre Hand und küsste sie. „Oh, Maggie, es tut mir alles so leid.“ Ein unterdrücktes Schluchzen schnitt ihm das Wort ab.

    „Bitte, Khalid“, flüsterte sie erstickt. „Bitte nicht!“

    „Nicht weinen, Maggie.“ Vorsichtig legte er beide Arme um sie, und ein Gefühl der Wärme und Zufriedenheit breitete sich in seinem Herzen aus.

    Sie war seine Frau, und er würde sie niemals aufgeben – wie schwierig es auch zwischen ihnen werden mochte.

    „Ich habe es nicht geschafft, auf dich aufzupassen. Ich habe versagt und meine Familie damit in Gefahr gebracht.“ Sein Tonfall klang gepresst, und Maggie spürte, wie sehr Khalid um Fassung rang.

    Trotzdem ging sie noch davon aus, dass er sich in erster Linie um das Baby sorgte. Ihm galt all seine Liebe, nicht ihr.

    „Ist schon gut, Khalid“, beruhigte sie ihn. „Es ist vorbei, und dein Kind ist in Sicherheit.“

    Du bist in Sicherheit“, berichtigte er sie. „Ich dachte, ich hätte euch beide verloren.“

    Mit einer Hand fuhr er sich unwirsch über das unrasierte Gesicht. „Dich dort so zu sehen“, begann er kopfschüttelnd. „Bewusstlos. Es war, als würde mich jeder Albtraum meiner Vergangenheit einholen.“

    Die Vergangenheit? überlegte sie kurz. Natürlich! Wie konnte ich das bloß vergessen?

    „Shahina“, murmelte sie tonlos. Der Unfall musste ihn an den Tod seiner ersten Frau erinnert haben.

    Er nickte, und sein Mund glich einer schmalen Linie. „Wie konnte ich das nur geschehen lassen? Sie starb keine zehn Kilometer von der Stelle entfernt, wo du von der Straße abgekommen bist.“

    Ihr Mund wurde ganz trocken bei dieser schrecklichen Vorstellung. Kein Wunder, dass Khalid so fürchterlich angespannt war.

    „Ich hätte dich gar nicht erst mit in die Berge nehmen dürfen. Ich hätte wissen müssen, dass es zu gefährlich ist, besonders für eine hochschwangere Frau. Man ist zu weit von jeder medizinischen Hilfe entfernt.“ Er seufzte hilflos auf.

    Maggies eigene Schuldgefühle waren nichts im Vergleich zu dem, was sie in seinem Gesicht las. Dabei war Khalid für gewöhnlich so kontrolliert und übersichtlich. Jetzt allerdings schien er völlig den Halt verloren zu haben.

    Instinktiv hob Maggie einen schmerzenden Arm und streichelte behutsam Khalids Wange.

    Er schloss die Augen. „Ich verdiene dich nicht, Maggie. Wie kann ich jemals von dir erwarten, dass du mir vergibst, wenn ich es selbst nicht einmal schaffe?“

    „Khalid …“

    „Aber ich muss dich trotzdem fragen. Ich muss einfach.“

    „Khalid, da gibt es nichts zu verzeihen.“

    „Wie?“ Irritiert hob er den Kopf. „Was ist mit unserer Ehe?“

    „Bitte hör auf!“ Sie wollte nicht, dass er aussprach, welch großer Fehler ihre Hochzeit gewesen war. Maggie brachte es nicht über sich, ihm vorzuwerfen, dass er sie nicht lieben konnte. Hatte er etwa seine Meinung über eine mögliche Scheidung geändert?

    „Ich muss weitersprechen, Maggie. Ich war blind, taub und stumm. Und ich habe dich ins Unglück gestürzt.“ Bebend holte er Luft. „Dauernd habe ich nur die Vorteile dieser Ehe ausgekostet, gedankenlos, ohne dabei Rücksicht auf deine Gefühle zu nehmen. Das war selbstsüchtig und egoistisch. Ich bin emotional auf Distanz geblieben, weil ich nicht glauben wollte, dass ich je wieder lieben könnte. Du verdienst mehr als das.“

    Jetzt würde er ihr die Freiheit zugestehen, die sie dringend brauchte. Warum fühlte sie sich dann wie eine Verurteilte, der die Todesstrafe drohte? Verzweifelt versuchte Maggie, ihm ihre Hand zu entziehen, doch sein Griff lockerte sich nicht.

    „Erst als du dich gegen mich aufgelehnt und mir deinen Körper verweigert hast – mehr noch, deine Zuneigung –, ist mir klar geworden, was ich getan habe. Und auch erst dann habe ich begriffen, was du mir bedeutest.“

    Ihr Atem kam stoßweise, und die Schmerzen in ihrer Brust wurden unerträglich.

    „Ich schäme mich so, Maggie. Ich schäme mich wirklich dafür, dass ich zu feige war, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Ich hätte merken müssen, wie schlecht und ungerecht ich dich behandle.“

    „Khalid, lass es jetzt! Ich weiß, wie du fühlst. Du brauchst nichts weiter zu erklären.“ Ihr Herz war ohnehin schon gebrochen.

    „Dann bist du viel schlauer als ich, mein Liebling. Ich habe zu lange gebraucht, um meine eigenen Gefühle zu verstehen und zu akzeptieren, wie sehr ich mich in deine Stärke, deine Schönheit und deinen Charme verliebt habe. In deine Zärtlichkeit, deine Wärme, deine Entschlossenheit. All diese Dinge machen dich zu dem besonderen Menschen, der du bist.“

    Fassungslos starrte sie ihn an und konnte seinen Worten kaum noch folgen.

    „Ich dachte, zwischen uns gäbe es nur Sympathie, Respekt, sogar atemberaubende Leidenschaft – eben alles außer Liebe. Es war leichter, mir einzureden, du wärst so etwas wie eine sexy Fantasiegestalt“, gab er kleinlaut zu und bedeckte ihre Handfläche mit kleinen Küssen. „Ich mochte dich für deinen interessanten Geist, deine Ideen und Pläne und die Art, wie du dich an ein Leben in einem fremden Land gewöhnt hast.“

    „Und dafür, dass ich dein Baby unter dem Herzen trug?“

    Wieder nickte er. „Das war natürlich noch ein logischer Grund. Und eine willkommene Entschuldigung, um dich zu einer Heirat zu überreden.“

    „Eine Entschuldigung?“, wiederholte sie und runzelte die Stirn.

    „Ich war zu dem Zeitpunkt schon fest entschlossen, dich zu einem Teil meines Lebens zu machen. Die Schwangerschaft hat mich zwar überrascht, aber den nächsten Schritt habe ich nie bereut.“ Er schenkte ihr ein überwältigend strahlendes Lächeln. „Nach der ersten Nacht wusste ich, dass ich mehr von dir will. Und ich wollte mich auf keinen Fall abweisen lassen. Deshalb hat man dich nach Shajehar beordert. Ich hatte vor, dich erneut in mein Bett zu locken.“

    Sie traute ihren Ohren kaum. „Khalid, es gibt keinen Grund mehr, mir etwas vorzumachen.“ Vermutlich versuchte er um des Babys willen etwas zwischen ihnen aufzubauen, das jeglicher Basis entbehrte.

    „Etwas vormachen? Ich sage dir die Wahrheit, Liebste. Ich verehre dich schon seit Monaten, habe es mir aber nicht eingestanden. Hussein wusste es. Sheila ebenfalls. Aber sie haben sich zurückgehalten, bis Hussein mich nachmittags auf der Burg zur Rede gestellt hat.“

    „Aber er sagte, er hätte dich und Shahina zusammen erlebt und dass ich die Wahrheit hören sollte.“ Jetzt hatte sie es laut ausgesprochen und das Thema seiner ersten großen Liebe in den Raum gestellt. Nachdenklich sah sie auf ihre Bettdecke hinunter.

    „Das hast du gehört?“

    Zögernd nickte sie. „Du sagtest, ich wäre anders als sie. Und dass du diesen Unterschied spürst, wann immer du mich ansiehst.“ Tapfer biss sie sich auf die Unterlippe, um nicht sofort in Tränen auszubrechen.

    „Genauso ist es auch, meine Süße“, sagte er und streichelte ihr Haar. „Shahina war meine erste große Liebe. Wir kannten uns schon unser ganzes Leben, und die Liebe zwischen uns ist quasi mit uns gewachsen. Das war etwas Besonderes, und ich war überzeugt, nie wieder eine Frau so lieben zu können.“

    Maggie hielt den Atem an.

    „Ich hätte nie gedacht, dass die Liebe mich mitten ins Herz treffen würde. Dass ich einer Frau begegnen würde, die mir mehr bedeutet als mein Leben.“ Mit einem Finger fuhr er über ihre Lippen. „Du hast mir gezeigt, dass man die Vergangenheit ruhen lassen muss. Ich liebe dich, Maggie, mit Leib und Seele und von ganzem Herzen. Es ist, als wäre mein Herz von einem Blitz getroffen worden. Und ich bin kein unerfahrener Jugendlicher mehr, ich weiß, was ich vom Leben erwarte. Ich will dich und niemanden sonst. Für immer und bis in alle Ewigkeit. Empfindest du denn auch etwas für mich? Genug, um meine Entschuldigung zu akzeptieren und bei mir zu bleiben?“

    Tränen liefen ihr über die Wangen. „Du stehst noch unter Schock. Mein Unfall hat dich an Shahina erinnert.“

    „Nein, Liebste, und sag so etwas nicht mehr! Trotz meiner Erinnerungen galt meine Angst nur dir allein. Dir und unserem Kind natürlich. Was ich für dich empfinde, ist echt und real.“ Er sah sie mit weit aufgerissenen Augen an. „Ohne dich bin ich nichts.“

    Dann küsste er sie leicht auf den Mund, und Maggie spürte plötzlich Schmetterlinge in ihrem Bauch. „Aber ich habe doch selbst gehört, wie du …“

    „Mein Onkel hat mir ins Gewissen geredet, weil ich unserer Ehe keine echte Chance gegeben habe. Ich war mir gerade erst über meine Gefühle für dich klar geworden und merkte mit einem Mal, wie wenig ich dir für dein Vertrauen, deine Loyalität und deine Leidenschaft zurückgegeben habe. Meine Schuldgefühle haben mich fast erstickt.“ Er stöhnte leise auf. „Ich wusste genau, dass ich dich liebe und du für mich das Wichtigste auf dieser Welt bist. Und ich konnte den Gedanken nicht ertragen, dich zu verlieren. Ich war wie von Sinnen vor Angst. Du hast dich zu Recht immer weiter von mir entfernt, und ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie ich dein Vertrauen zurückgewinnen könnte, damit du mir eine zweite Chance gibst.“

    Mit beiden Händen umfasste er ihr Gesicht. „Ich wünschte, ich hätte einen Weg gefunden. Ich wollte dir den Hof machen, dir meine Liebe gestehen. Stattdessen war ich wie gelähmt und habe befürchtet, ich könnte dich bedrängen. Mir war nicht klar, wie ich dich erobern sollte.“ Erneut schloss er die Augen und atmete tief durch.

    „Khalid.“ Sein Name klang so wunderbar in ihren Ohren. Fasziniert starrte sie ihren Mann an, der ihr zum ersten Mal seine intimsten Empfindungen schilderte.

    „Kannst du mir vergeben, Maggie? Dafür, dass ich dir nicht früher von meiner Liebe erzählt habe? Ich habe dir so unendlich wehgetan“, fügte er leise hinzu.

    Beruhigend legte sie einen Finger an seine Lippen. In ihrem Innern verspürte sie eine einzigartige Wärme, eine Liebe, die sie nie zuvor erlebt hatte.

    „Ich sage es noch einmal, Khalid. Es gibt nichts, das ich dir verzeihen müsste.“

    Lange sahen sie sich schweigend in die Augen.

    „Das kannst du nicht ernst meinen, Maggie.“

    Sie lächelte über seinen hoffnungsvollen Blick. „Doch, das tue ich.“

    „Dann sag es“, bat er sie eindringlich. „Sag mir, was ich hören muss!“

    „Ich liebe dich, Khalid.“ Zum ersten Mal sprach sie laut aus, was sie schon lange spürte.

    Jedes weitere Wort war überflüssig. Khalid zog Maggie in seine Arme und besiegelte ihre Liebe mit einem endlos langen Kuss.

 

Gerade verabschiedete Maggie die letzten Frauen der kleinen Dorfgemeinschaft, für die eine neue Schule gebaut worden war. Die Besprechungen waren hervorragend verlaufen. Man hatte sogar in Erwägung gezogen, bald Seminare für Erwachsene anzubieten.

    Lächelnd machte Maggie sich auf den Rückweg durch den duftenden Garten. Khalid hatte ganze Arbeit geleistet und schließlich auch die Dorfältesten davon überzeugt, dass für junge Mädchen schulische Bildung ebenso wichtig war wie für Jungs. Als nächsten Schritt wollte er durchsetzen, dass die Ehefrauen ebenfalls studieren durften, wenn diese es wollten. Und Maggie hatte keinen Zweifel am Erfolg dieser Mission. Wenn er wollte, konnte Khalid ausgesprochen überzeugend sein.

    „Worüber amüsierst du dich, Liebste?“

    Sie fand ihn im Schatten einiger blühender Büsche. In seinen starken Armen hielt er ihren kleinen Schatz, eingewickelt in eine kuschelweiche Decke.

    Jasmine war inzwischen sechs Monate alt, mit runden Apfelbäckchen und einer süßen Stupsnase. Sie hatte das rabenschwarze Haar ihres Vaters geerbt und besaß ein äußerst sonniges Gemüt. Den ganzen Tag über lachte oder strahlte sie, aber im Augenblick sah man ihr an, dass sie hungrig war.

    „Ich habe gerade darüber nachgedacht, wie gut du darin bist, deinen Willen durchzusetzen“, entgegnete sie schmunzelnd. „Eure Majestät.“ Verführerisch ließ sie ihre Hüften schwingen, und Khalid erstarrte.

    „Und das von dir“, sagte er mit gespielter Strenge, und in seinen Augen blitzte es auf. Nach wie vor war Maggie für ihn die erotischste Frau, die er jemals gesehen hatte. „Wer hat denn durchgesetzt, dass wir Urlaub in den Bergen machen?“

    Sie zwinkerte ihm zu. „Bereust du es etwa?“

    „Keineswegs. Du hattest recht. Ich kann dich und Jasmine nicht ewig in Watte packen, so gern ich es tun würde.“ Mit einem Arm hielt er seine Tochter, mit dem anderen zog er seine Frau zu sich heran, um sie zu küssen.

    Sie waren eine Familie, eine unendlich glückliche Familie …

 

– ENDE –

 


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