„Wie weit ist es noch?“
Khalid warf Maggie einen prüfenden Seitenblick zu und suchte in ihrem Gesicht nach Ermüdungserscheinungen. Sie saß kerzengerade da und hatte die Hände im Schoß gefaltet. Offenbar machte ihr die Fahrt über die holperigen Bergstraßen nicht zu schaffen.
„Nicht mehr weit, vielleicht noch zwanzig Minuten auf diesem Weg.“
Stille. Ihre Gespräche waren knapp und auf das Wesentliche beschränkt.
Tat er das Richtige, indem er wenigstens vorerst ihren Wunsch nach Abstand respektierte?
Vor zwei Tagen, als sie ihm mit starrer Miene das Ende ihrer Ehe verkündete, schien sie völlig emotionslos gewesen zu sein. Wie eine leblose Puppe. Oder eine Frau, die emotional so überbelastet war, dass sie sich restlos verschloss.
Das machte Khalid mehr Angst als das, was Maggie zu ihm gesagt hatte. Deshalb verzichtete er auch darauf, ihr vordergründig zu beweisen, dass sie seinen Verführungskünsten nicht würde widerstehen können. Denn das brachte sie beide keinen einzigen Schritt weiter – ganz im Gegenteil.
Ich kann nicht mit einem Mann intim sein, wenn keine Liebe im Spiel ist. Diese Worte hatten sich förmlich in sein Gehirn gebrannt, und er dachte pausenlos darüber nach.
Über ihre Gefühle füreinander hatten sie nie gesprochen. Aber nun mit Sicherheit zu wissen, dass sie ihn nicht liebte, traf Khalid bis ins Mark. Im Augenblick wollte er nicht über dieses Thema reden, dafür war sie bei Weitem zu verletzlich. Deshalb gab er ihr Zeit, sich wieder zu sammeln.
Schließlich musste Maggie mit vielem fertig werden. War es da ein Wunder, dass sie ausgebrannt war und möglicherweise überreagierte? Schwangerschaftshormone. Das neue Leben in einem fremden Land. Der enorme Druck des königlichen Protokolls und aller damit zusammenhängenden Verpflichtungen. Die körperliche Erschöpfung durch die fortgeschrittene Schwangerschaft. Angst vor dem Unbekannten. Trauer um die problematische Vergangenheit, die sie hinter sich lassen musste. Und nicht zuletzt Khalids ständige Lust auf sie, die er nicht immer gut zu verbergen wusste …
Aber er musste ihr Zeit geben. Wenn das Baby erst einmal geboren war, würde ohnehin alles anders werden. Dafür würde er schon sorgen.
„Was hältst du von der Dorfschule?“
„Sie ist großartig!“ Ihre Begeisterung war echt, und wieder einmal musste Khalid zähneknirschend hinnehmen, dass er selbst nicht diese Wirkung auf Maggie hatte.
„Du warst toll“, murmelte er. „Die Kinder lieben dich, und auch ihre Eltern waren ganz hingerissen.“
Voller Genugtuung hatte er beobachtet, wie die Kleinen neugierig um seine Frau herumgetollt waren und ihr von ihrem Leben in den Bergen berichtet hatten. Am liebsten hätte er sich zu ihr gesetzt, anstatt sich mit dem Dorfältesten zu unterhalten.
„Erzähl mal, was die Frauen zu den neuen Schulplänen sagen“, ermunterte Khalid sie. Er wollte ihre Stimme hören, ihre Ideen, ihre Vorstellungen und Eindrücke.
Vor allem aber wollte er sich von den Geistern der Vergangenheit ablenken, die mit eiskalten Fingern nach ihm griffen. Sein Magen krampfte sich zusammen, und Khalid umklammerte nervös das Lenkrad.
Damals war er schon einmal mit einer Frau diesen Weg hinaufgefahren, und fast die ganze Zeit über hatten sie zusammen gelacht. Aber Shahina war nicht mehr lebend zurückgekommen.
Die Sonne stand hoch am Himmel, als sie die schmale Brücke überquerten, die das Schloss über einer tiefen Kluft mit dem Rest der Bergstraße verband. Es wirkte wie eine beeindruckende Festung – gedrungen und fast schon beängstigend – und erhob sich über reines Felsgestein, um hoch über dem darunter gelegenen Dorf und der geschlungenen Bergstraße zu thronen.
Maggie beachtete die massive, mit Eisen beschlagene Holztür kaum, ebenso wenig wie die dicken Steinwände oder die eisernen Schmiedearbeiten an den wenigen Fenstern, die zur Bergseite hinausführten.
Ihre Gedanken drehten sich ausschließlich um den Mann an ihrer Seite. Seine behutsame Hilfe – eine Hand an ihrem Ellenbogen und eine an ihrer Taille – war die pure Seelenqual. Sein