Wie ein Traum aus 1001 Nacht – Kapitel 9

Khalid verließ gerade sein Büro und ging den Flur entlang, als er plötzlich glockenhelles Gelächter hörte. Irritiert blieb er stehen und warf einen Blick in den Raum, aus dem die Geräusche kamen.

    Unzählige Frauen saßen darin und unterhielten sich angeregt. In ihren farbenfrohen, traditionellen Gewändern wirkten sie wie ein Schwarm bunter Vögel. Anhand der Kleidung erkannte Khalid ebenfalls, dass sie von weither aus den Bergen angereist waren.

    Die Gruppe hatte sich um mehrere Tabletts mit süßen Pasteten und dampfendem Tee geschart. Sein Blick blieb an einer Gestalt in bernsteinfarbener Seide hängen. Stürmisches Verlangen überfiel ihn bei der Erinnerung an die letzte Nacht, als er diese reizenden Kurven eng an seinem Körper gespürt hatte.

    Maggie sprach Arabisch, etwas umständlich, aber trotzdem fließend.

    „Ein Glück für mich, dass Sie Geduld mit meinen spärlichen Versuchen haben, Ihre Sprache zu erlernen.“

    Wieder kicherten die Frauen vergnügt und überschlugen sich förmlich mit Komplimenten darüber, wie schnell ihre Königliche Hoheit dazulernen würde. Khalid war wie vom Donner gerührt. Zwar hatte er gewusst, dass Maggie gute Fortschritte mit ihrem Sprachunterricht machte – der Privatlehrer zahlte sich wahrlich aus –, aber so sicher hatte er sie bisher nie reden hören.

    „Es ist mir wichtig, Ihre Sprache zu kennen“, erklärte sie den Frauen. „Shajehar ist jetzt meine Heimat. Außerdem möchte ich eines Tages gern an der Universität studieren. Und dafür muss ich natürlich die Seminare verstehen können.“

    Daraufhin überschütteten die Besucherinnen Maggie förmlich mit ihren Fragen. Durfte eine Frau wirklich an der Universität studieren? Galt das etwa für alle Frauen?

    Maggie beantwortete die Fragen mithilfe einer Vertreterin der Bildungsbehörde, die neben ihr stand. Sie berichtete sogar von neuen Stipendien für Anwärter, die weit außerhalb der Städte lebten. Über eben diese Stipendien hatte sie schon vor wenigen Wochen mit Khalid gesprochen.

    „Auf diese Weise können Ihre Kinder eines Tages in der Stadt studieren“, fuhr sie fort. „Aber zuerst müssen sie die Schule abschließen, die für sie gebaut werden wird.“

    Eifrig diskutierten die Anwesenden über die Einwände, die ihre Männer gegen diese neuen Pläne haben könnten. Offenbar war es alles andere als selbstverständlich, dass sie ihren Töchtern erlaubten, sich unterrichten zu lassen.

    In diesem Moment hob Maggie den Blick und bemerkte Khalid, der sie schweigend beobachtete. Flammende Röte überzog ihre Wangen, und mit einem Mal erstarben die Gespräche. Alle Blicke waren auf Khalid gerichtet.

    Hastig wandte er sich ab. Ihm war gar nicht klar gewesen, wie die Besucherinnen auf seine Anwesenheit reagieren würden. Ganz offensichtlich waren sie durchweg erschrocken und eingeschüchtert.

    Es war schade, dass diese Besprechung schon zu einem Ende kam. Mit ihrem informellen Austausch hatte Maggie weit mehr erreicht und erfahren als Khalid, der nur offizielle Wege beschritten hatte, um die Dorfbewohner aus den Berggebieten dazu zu bewegen, die neuen Schulen zu unterstützen.

    Am meisten beschäftigte ihn allerdings die Art, wie sich ihre Miene verändert hatte, sobald sie ihn erblickte. Jetzt glich ihr Gesicht einer zurückhaltenden Maske und entbehrte jeder Begeisterung, die Khalid noch wenige Momente zuvor hingerissen beobachtet hatte.

    Mit anderen strahlte und lachte sie, aber niemals mit ihm. Das ärgerte Khalid zutiefst. Er war es leid, ständig ausgeschlossen und wie ein Fremder behandelt zu werden – außer im Bett. Nur dort schien sie lebendig zu werden und verwandelte sich in seinen Armen zu einer leidenschaftlichen Verführerin. Obwohl sie in letzter Zeit auch in dieser Hinsicht an Spontanität verloren hatte.

    Sie schien völlig in ihre Mitarbeit an der Schulreform vertieft zu sein. Auch Khalid stürzte sich in die Arbeit, nachdem der Umgang mit Maggie immer spärlicher und anstrengender wurde.

    Früher wäre ihm das sogar äußerst recht gewesen, dass eine Frau nicht klammerte. Seit der Beziehung zu Shahina war er ein Einzelgänger ohne jegliche emotionale Verpflichtungen gewesen. Aber inzwischen hatte sich etwas verändert.

 

Spätestens seit dem Tag, als er zufällig das Foto von sich und Shahina zu Gesicht bekam. Da war ihm klar geworden, dass diese Liebe – so echt sie gewesen sein mochte – nichts weiter als eine schwache Erinnerung an längst vergangene Zeiten war. Und er hatte gemerkt, dass er geradezu gierig nach mehr als nur einer blassen Erinnerung war, um seinem Leben einen Sinn zu geben.

    „Khalid.“ Maggie klang leicht außer Atem, als sie zu ihm trat.

    Der dünne Stoff ihres Gewands umspielte ihre weibliche Figur, und Khalid spürte, wie sein Puls sich beschleunigte. Er konnte nicht genug von ihr bekommen, von ihrem Duft, ihrer Wärme.

    „Khalid?“, wiederholte sie fragend.

    Schweigend führte er Maggie durch die Halle zurück zu seinem Büro. „Ich hatte nicht erwartet, dich in diesem Bereich des Palasts anzutreffen“, murmelte er ausweichend, während er sie weiter in sein privates Hinterzimmer schob und die Tür hinter ihnen schloss.

    Ihre Augen weiteten sich, dann wich sie vor ihm zurück, und Khalid schluckte. Nachts war Maggie so zugänglich, doch am Tag gab sie sich kühl und distanziert. Stets schien sie damit beschäftigt zu sein, ihre Sprachkenntnisse und ihr Wissen über die Kultur ihrer neuen Heimat zu verbessern. Außerdem unternahm sie viel mit Khalids Tante Sheila.

    Aber ihn störte, wie wenig Zeit er selbst mit seiner Frau verbrachte. Er wollte ihr tagsüber Neuigkeiten erzählen, sich mit ihr über alltägliche Dinge unterhalten. Dieser Wunsch nach Nähe war für Khalid ziemlich beunruhigend. Immerhin hatte er sich jahrelang darin geübt, niemanden an sich heranzulassen. Doch jeder Tag in Maggies Gegenwart hatte seine Abwehr mehr geschwächt.

    Fasziniert beobachtete er, wie sie eine Hand gegen ihren Rücken stützte und sich leicht dehnte. Diese Bewegung sorgte dafür, dass sich ihre Rundungen noch deutlicher gegen den feinen Stoff abzeichneten, und Khalid rang um Fassung. Seit die Schwangerschaft deutlich sichtbar war, schien er Maggie beinahe mehr zu begehren als schon zuvor.

    „Komm, ich will dir etwas zeigen!“ Zärtlich nahm er ihre Hand.

    „Warum lächelst du?“, erkundigte sie sich vorsichtig.

    „Ich dachte nur gerade, dass ich ein Vermögen sparen könnte, wenn ich die Vorbereitung der Schulreform in deine und Sheilas Hände legen würde. Eure informellen Informationsveranstaltungen haben sich bislang als unbezahlbar erwiesen.“

    „Wirklich? Die Frauen verstehen sich außerordentlich gut mit deiner Tante. Sie respektieren sie und vertrauen ihr.“ Ein Strahlen huschte über Maggies Gesicht, bevor sie sich eilig abwandte.

    „Aber heute war sie doch gar nicht da“, bemerkte er nachdrücklich. Maggie hatte die Besprechung allein geführt und sich dabei großartig geschlagen.

    Sie hob nur leicht die Schultern. „Die Frauen waren sehr höflich.“

    „Vielleicht waren sie auch erfreut darüber, allein mit dir reden zu können“, warf er ein. „Hast du daran mal gedacht?“

    Maggie schüttelte den Kopf. „Sie freuen sich darüber, ihre Kinder in die Schule schicken zu können.“

    Wieder zeigte sie für fremde Menschen mehr Enthusiasmus als für ihren eigenen Mann. Allmählich wurde Khalid eifersüchtig auf die Aufmerksamkeit, die seine Maggie anderen Personen zuteilwerden ließ.

    „Hier“, begann er etwas schroff. „Ich wollte dir die letzten Pläne zeigen. Sie wurden mir gerade erst zugeschickt.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, zog er sie hinter sich her zu einem Tisch, auf dem er ein paar Papierrollen ausgebreitet hatte. Khalid fiel auf, dass Maggie ihm nur widerwillig folgte.

    „Sieh mal“, fuhr er unbeeindruckt fort. „Der Architekt hat hier tatsächlich noch Extraraum hinzugefügt. An einigen Tagen pro Woche soll sich dort eine Krankenschwester um Mütter und ihre Babys kümmern.“

    „Wirklich?“ Angeregt beugte sie sich vor und stützte sich mit einer Hand auf dem Mahagonitisch ab. „Das war doch einer unserer Vorschläge. Die Frauen werden außer sich sein vor Freude. Immerhin ist ihre medizinische Versorgung teilweise äußerst dürftig, von moralischer Unterstützung einmal ganz abgesehen.“

    Geduldig beantwortete Khalid all ihre Fragen, zeigte ihr die entsprechenden Orte auf einer Karte der Provinzregionen und strich dabei immer wieder die Blaupausen glatt, so als könnte das seine Nerven beruhigen.

    Er begehrte seine Frau, hier und jetzt. Entschlossen stellte er sich direkt hinter sie und ließ seine Hände an ihrem Rücken hinuntergleiten. Dann umfasste er ihren festen Po, und Maggie erstarrte.

    „Khalid?“ Ihre Stimme klang messerscharf. „Was tust du da?“

    „Ich will dich“, stieß er heiser hervor und trat noch dichter an sie heran, um ihren Hals zu küssen.

    „Nein! Nicht jetzt.“

    „Oh, doch. Jetzt!“

    „Und du bekommst immer, was du willst, oder?“, zischte sie, und Khalid fuhr zusammen.

    War es möglich, dass sie tatsächlich keine Lust auf ihn hatte? Er konnte es kaum glauben. Andererseits war es doch unmöglich für sie, ihre Leidenschaft nachts vorzutäuschen. Was sollte er nun glauben?

    Mit den Händen fuhr er leicht über ihre Brüste. Die Spitzen waren hart aufgerichtet, und Khalids Männlichkeit reagierte sofort mit heftigem Pochen. Maggie zitterte leicht, und er fragte sich, warum sie sich trotzdem so sperrig gab.

    „Willst du damit sagen, du möchtest wirklich nicht?“

    „Ich …“

    Sie brach ab, während Khalid den Stoff ihres Kleids mit einer Hand zusammenraffte und höher zog.

    „Was, Maggie?“ Er ließ nicht zu, dass sie sich von ihm abwandte. „Sag mir ins Gesicht, dass du nicht willst! Dann werde ich sofort aufhören.“

    Er war bereits sehr erregt und musste sich mit aller Kraft zusammenreißen, um seinem Verlangen nicht nachzugeben.

    „Khalid, bitte, ich …“ Ihre Worte verklangen zu einem Seufzer, nachdem er seine Hand unter ihr Kleid schob und mit den Fingern am Saum ihres Höschens spielte.

    Stöhnend drehte sie sich leicht in seinen Armen und teilte ihre Schenkel, um ihm noch näher sein zu können.

    „Dann sag, dass du mich willst!“, verlangte er mit erstickter Stimme.

    „Ich … ja. Ich will dich, Khalid.“ Maggie verlor beinahe den Halt, als er entschlossen die Hand in ihren Slip schob und ihr zeigte, wie gut er die geheimsten Wünsche einer Frau verstand.

    Sie gehörte ihm, ihm ganz allein. Seine Geliebte, seine Frau! Khalid wurde von seinen starken Gefühlen regelrecht überwältigt und hatte im Augenblick nur das Bedürfnis, seinen Hunger nach der zauberhaften Maggie zu stillen – obgleich das unmöglich zu sein schien. Er würde sie immer begehren, immer in ihrer Nähe sein wollen, sie an seiner Seite wissen. Das ging weit über sexuelles Verlangen hinaus.

    „Lass mich dich ins Paradies entführen, Geliebte“, flüsterte er in ihr Ohr und gab sich der Magie hin, die sie beide verband.

 

„Noch einmal meinen herzlichen Glückwunsch zu deiner Frau. Du hast eine gute Wahl getroffen, mein Freund.“

    Khalid folgte König Osmans Blick und entdeckte Maggie, die auf der anderen Seite des Raums in ein Gespräch mit einem internationalen Ölmagnaten vertieft war. Sein Unternehmen unternahm Bohrungen an der Grenze zwischen Shajehar und Osmans Königreich.

    In den letzten Monaten seit ihrer Ankunft in Shajehar war Maggie regelrecht aufgeblüht. Sie hatte sich perfekt in ihre neue Rolle als Ehefrau des Scheichs eingelebt und deutlich an Schüchternheit verloren, je besser sie die Sprache beherrschte und vertrauter ihr die Kultur wurde. Für Khalid war es, als würde er einer Knospe dabei zusehen, wie sie sich zu ihrer vollen Pracht entwickelte.

    „Danke, Osman. Deine Glückwünsche bedeuten mir viel.“

    Maggie war einfach umwerfend. Inzwischen war sie im siebten Monat schwanger und wirkte auf Khalid anziehender als je zuvor. Sie war elegant, sexy und strahlte pures Mutterglück und Lebensfreude aus.

    Und ihm entging die Körpersprache des Ölmoguls nicht. Er sah ebenfalls eine anziehende Frau in Maggie, auch wenn er sich ausgesprochen respektvoll verhielt.

    Mühsam unterdrückte Khalid den Impuls, seine Frau in die Arme zu reißen und mit ihr in seine Privaträume zu verschwinden, so wie einige seiner Vorfahren es vermutlich mit ihren Bräuten getan hätten.

    Voller Wärme lachte Maggie über etwas, das ihr Gesprächspartner gesagt hatte, und Khalid verspürte augenblicklich eine brennende Eifersucht. Wann hatte sie ihn zum letzten Mal auf diese Weise angelächelt? Ihm gefiel nicht, dass sie sich einem Fremden gegenüber so aufgeschlossen zeigte, während sie sich ihm gegenüber mehr als kühl verhielt. Sie entglitt ihm Tag für Tag mehr, trotz der Intimitäten, die sie teilten.

    „Kein Wunder, dass du nicht daran interessiert warst, meine Tochter zu heiraten“, fuhr Osman fort. „Nicht nachdem du diese kostbare Perle entdeckt hast.“

    „Deine Tochter ist eine entzückende Frau“, antwortete Khalid höflich. „Es war mir eine Ehre, dass du den Vorschlag meines Bruders aufgreifen und eine Verbindung zwischen unseren beiden Familien herstellen wolltest.“

    Vor allem aber war Khalid erleichtert gewesen, dass Osman die Nachricht von Khalids neueren Heiratsplänen gleichmütig aufnahm.

    „Ach, Fatin wäre nichts für dich. Das ist mir inzwischen klar.“

    Am liebsten hätte Khalid Osman in den Nebenraum entführt, von wo aus er Maggie nicht weiter beäugen konnte. Ihre Wirkung auf seine männlichen Gäste missfiel ihm zunehmend, und speziell der alte König galt in Frauenfragen als regelrechter Casanova.

    „Ich habe mich vorhin sehr angeregt mit deiner Frau unterhalten“, gestand Osman unumwunden. „Sie scheint ausgesprochen intelligent zu sein. Äußerst erfrischend. Vor allem weiß sie, wann man nur zuhören sollte und wann man am besten das Wort ergreift.“ Seine Augen unter den buschigen Brauen wurden ernst. „Du bist ein glücklicher Mann, mein Freund. Vielleicht mehr, als du glaubst.“

    Dieser Kommentar, der so gar nicht zu Osmans üblicherweise recht oberflächlichen Bemerkungen über Frauen passte, überraschte Khalid. Er hätte seinen alten Bekannten nicht für so scharfsinnig gehalten.

    Dabei lag Osman goldrichtig. Khalid schätzte Maggies Verstand und schnelle Auffassungsgabe außerordentlich. Sie war ihm in der Entwicklung seiner Bildungsreform eine unverzichtbare Hilfe geworden.

    „Dem kann ich nur zustimmen“, brummte er. „Ich könnte mir keine bessere Frau vorstellen.“

    Trotzdem nagten Enttäuschung und Zweifel an ihm. Sie war eine fähige Kollegin, eine unwiderstehliche Verführerin und würde bald die Mutter seines Kindes sein. Doch das reichte nicht. Khalid wünschte sich … einfach mehr. Er wollte die Distanz zwischen ihnen beiden wieder aufheben.

    Unwillkürlich dachte er an das Glück und die Nähe, die er mit Shahina geteilt hatte. Das war es, was er wollte. Eine aufrichtige Partnerschaft, kein zweckmäßiges Arrangement, das von unausgesprochenen Regeln erstickt wurde.

    Er wollte keinen bedeutungslosen Abklatsch seiner ersten Ehe, sondern eine einzigartige, spezielle Beziehung, die für sich allein stand.

    Er und Maggie sollten wahrhaftig zusammenleben – als Mann und Frau, in jeder Hinsicht. Jahrelang hatte Khalid sich genau davor in Acht genommen. Aber als er jetzt beobachtete, wie Maggie im hinteren Bereich des Zimmers seinen Onkel, seine Tante und eine ganze Reihe von Diplomaten in ihren Bann zog, wurde ihm eines bewusst. Niemals würde er sich mit dem Wenigen zufriedengeben, das seine Frau ihm momentan zudachte.

    Was geschah wohl, wenn er die Barrieren, die sie beide zwischen sich errichtet hatten, einfach durchbrach? Wenn er sich seiner Ehefrau ganz und gar öffnete? Würde sie ihm dann im Gegenzug ebenfalls ihr Innerstes anvertrauen?

    Das musste er unbedingt herausfinden!

 

Ich halte das nicht länger aus, dachte Maggie verzweifelt. Ich kann einfach nicht mehr.

    Ihr Gesicht schmerzte vom ewigen höflichen Lächeln. Aber das war rein gar nichts im Vergleich zu dem bitteren Schmerz in ihrer Brust. So durfte es nicht weitergehen.

    Wie betäubt lauschte sie den Verabschiedungsfloskeln zwischen Khalid und König Osman. Während des gesamten Empfangs hatte sie Khalids sengende Blicke gespürt, die ihr praktisch überallhin gefolgt waren. Ihr Verlangen war zwar erwacht, aber Sex allein genügte ihr nicht mehr.

    Vier Monate lang hatte sie nun ihr Bestes gegeben, ihr Schicksal zu akzeptieren: eine lieblose eheliche Verbindung. Es fiel ihr schwer, die Tatsache anzunehmen, dass Khalid ihre Gefühle niemals erwidern würde. Er liebte noch immer seine Shahina.

    Mit einem Geist konnte und wollte Maggie es nicht aufnehmen. Sie war es leid, es überhaupt zu versuchen. Leidenschaft ohne Liebe war – wie sie bitter lernen musste – nichts weiter als eine leere Hülle.

    „Komm, Maggie“, erklang Khalids tiefe Stimme dicht an ihrem Ohr. Er zog sie an sich. „Es ist an der Zeit, ins Bett zu gehen.“

    Bereitwillig ließ sie sich in die Privatgemächer führen, aber dort riss sie sich energisch von ihm los. Jede weitere Berührung würde ihre Entscheidung nur schwerer machen. Sie verdiente mehr in dieser Ehe. Zumindest sollte sie sich einen Rest Würde und Respekt vor sich selbst bewahren …

    Ich muss diese unselige Beziehung beenden, sagte sie sich fest und sah die Verwunderung in Khalids Augen.

    „Maggie, was ist los?“

    Die Erinnerungen an ihre erotischen Abenteuer wallten in ihr auf. Sie hatte sich buchstäblich an Khalid verkauft – für ihre Sicherheit und die ihres Babys. Alles im Glauben daran, dass die wahre Liebe nachwachsen könnte.

    Aber dieser Traum schien ausgeträumt. Es war an der Zeit, auf eigenen Füßen zu stehen. Solange sie an diesem Arrangement festhielt, würde sie nicht glücklich werden.

    „Ich gehe zu Bett.“ Ihre Stimme klang seltsam ruhig. Aber nun war die Entscheidung getroffen, und Maggie fühlte sich endlich von den widersprüchlichen Gefühlen befreit, die sie so lange geplagt hatten.

    „Genau das habe ich doch auch vor, Liebes.“

    Er streckte den Arm nach ihr aus, aber sie wich einen Schritt zurück. Allein dieses Kosewort war für sie ein Schlag ins Gesicht. Ohne Zweifel hatte er es für zahlreiche Frauen benutzt, die ihm während der letzten Jahre zur Befriedigung seiner körperlichen Bedürfnisse gedient hatten. Maggie war da keine Ausnahme.

    Sie fühlte sich leer und ausgebrannt, jenseits von Hoffnung und Vertrauen in die Zukunft.

    „Nein“, widersprach sie kalt, obwohl es ihr schwerfiel, Khalid abzuweisen. „Ich möchte schlafen.“

    „Es war ja auch ein langer Abend“, lenkte er ein, und seine tiefe Stimme ließ sie erneut nach etwas verlangen, das sie nicht begehren durfte. „Vielleicht willst du zunächst mal ein Bad nehmen?“

    Möglicherweise auch in duftendem, schaumigem Wasser verführt werden?

    „Nein.“ Wie oft hatte Khalid sie beim Baden überrascht und dann in die unbeschreibliche Welt der körperlichen Liebe entführt? Das durfte sie heute nicht zulassen. „Ich sehne mich heute wirklich nach Ruhe und würde gerne in das zweite Schlafzimmer ausweichen.“

    Er hob die Augenbrauen. „Nicht nötig“, erwiderte er knapp. „Ich respektiere deinen Wunsch und werde dir heute Nacht nicht zu nahe kommen.“

    Seine Miene war total starr, und trotzdem musste Maggie mit ihrer Willenskraft kämpfen. Aber jetzt durfte sie nicht klein beigeben.

    Hastig schüttelte sie den Kopf. „Ich möchte allein schlafen – ab jetzt.“

    Khalid baute sich vor ihr auf, auf seinem Gesicht ein Ausdruck völligen Unglaubens. Die Nasenflügel bebten, die Hände hatte er zu Fäusten geballt.

    Früher hätte sie dieser Anblick beeindruckt, aber heute ließ sie sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Sie wappnete sich gegen ihre eigenen Empfindungen.

    „Wenn dir die Nächte mit mir unangenehm sind, weil du schwanger bist, hättest du mir das sagen können. Ich bin kein selbstsüchtiges Monster!“

    Nein, du bist ein ehrenhafter Mann. Aber unsere Beziehung zerstört mich Stück für Stück.

    „Es geht nicht um das Kind, Khalid. Es geht um mich. Ich möchte keinen Sex mit dir haben.“

    Lügner, schrie eine Stimme in ihrem Innern. Du wirst dich immer nach ihm verzehren!

    Aber nur einen Teil von Khalid zu haben brachte sie förmlich um. Ihre Körper verstanden sich blendend, aber ihre Herzen …

    Seine Augen wurden schmaler, und er schüttelte leicht den Kopf.

    „Ich will dich nicht“, platzte es aus ihr heraus, bevor sie es sich anders überlegen konnte. „Und ich kann diese Ehe nicht fortsetzen.“

    „Du verlässt mich?“, stieß er ungläubig hervor und starrte sie entsetzt an. Natürlich spürte auch er, wie weit sie sich voneinander entfernt hatten, damit hatte er trotzdem nicht gerechnet. Es war doch nicht möglich, dass sie ihn nicht länger begehrte. Er spürte, dass sie zumindest in diesem Punkt log.

    „Das kann nicht dein Ernst sein!“ Khalid würde sie auf keinen Fall gehen lassen.

    „Noch nie in meinem Leben habe ich etwas so ernst gemeint“, gab sie scheinbar ungerührt zurück. Ihre Miene war reglos.

    Ein ungeahnt starker Schmerz durchfuhr Khalid, als ihm klar wurde, dass Maggie sich die Sache gut überlegt hatte.

    Wütend und stolz warf er den Kopf in den Nacken. „Du bist meine Frau, das hast du wohl vergessen“, knurrte er und ging einen Schritt auf sie zu. „Niemand lässt sich im Königshaus von Shajehar scheiden. Du gehörst zu mir, und das wird auch so bleiben.“ Sein Herz pochte wie wild. „Ich werde dich nicht gehen lassen.“

    Seine Reaktion kam für Maggie nicht unerwartet, und sie ließ sich von seiner versteckten Drohung nicht sonderlich beeindrucken.

    „Ich habe nicht vor, Shajehar zu verlassen. Mir ist klar, worauf ich mich eingelassen habe und dass es keinen einfachen Ausweg gibt.“

    Khalid rang nach Luft. Ihre kühlen Worte taten ihm fast körperlich weh. Für seine Ohren klang es so, als empfände Maggie ihre gemeinsame Beziehung lediglich als eine lästige Pflicht.

    Dabei hatte er ihr ein Heim gegeben, in dem sie sich wohlfühlte und respektiert wurde. Er hatte ihr Kleider und Juwelen geschenkt, sorgte für die Sicherheit ihres Kindes, und auf körperlicher Ebene waren er und Maggie wie füreinander geschaffen.

    Er konnte es schlichtweg nicht fassen, dass sie ihn nicht mehr wollte.

    „Dann sag mir bitte, wie du dir unsere Zukunft vorstellst!“

    Entschlossen hielt sie seinem harten Blick stand. „Ich brauche Abstand. Freiraum. Vor der Welt werde ich weiterhin deine Ehefrau sein, aber wir sollten nicht als Mann und Frau zusammenleben. Unser Kind erziehen wir gemeinsam, wie abgesprochen. Ich werde auch meine Pflichten gegenüber der königlichen Familie erfüllen, aber …“

    „Nicht im Ehebett“, vervollständigte er für sie und konnte dabei nicht auf einen sarkastischen Unterton verzichten.

    Stumm sah sie ihn aus großen Augen an. Ihr hübsches Gesicht war blass und angespannt, und Khalid fiel auf, dass sie mehr Make-up als üblich trug. Überschminkte sie damit dunkle Schatten und Sorgenfalten?

    Sein Blick fiel auf ihre Hände, die sie mit gespreizten Fingern auf ihren Bauch gelegt hatte. Plötzlich überkam ihn das Gefühl, sie wollte damit unbewusst ihr Kind vor seinem Zorn schützen. Ihm wurde übel bei diesem Gedanken, und er wich hastig ein paar Schritte zurück.

    „Warum, Maggie?“

    Sie schwieg lange, und Khalids Nerven waren mittlerweile zum Zerreißen gespannt. Endlich öffnete Maggie den Mund, um ihm zu antworten.

    „Es war niemals eine echte Ehe, Khalid, sondern nur eine Zweckbeziehung. Und dabei sollten wir es auch belassen.“ Sie schluckte ein paar Mal. „Es hat lange gedauert, aber schlussendlich habe ich feststellen müssen, dass ich nicht mit einem Mann intim sein kann, wenn keine Liebe im Spiel ist.“

 


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