Finding us - Verfallen

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Die neue sexy Serie der SPIEGEL-Bestsellerautorin von »Calendar Girl«

Aspen Reynolds hat alles, wovon viele träumen. Sie ist reich, attraktiv und steht auf der Forbes-Liste der erfolgreichsten Frauen. Doch sie gehört nicht zu den typischen Park-Avenue-Prinzessinnen. Aus eigener Kraft hat sie ihr Unternehmen zu dem gemacht, was es heute ist. Sie befindet sich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere – und dennoch fehlt ihr etwas im Leben. Etwas, von dem sie glaubt, es nicht zu vermissen. Bis der markante Hank Jensen sie aus einer tödlichen Gefahr rettet. In seinen Armen erlebt sie ungezügelte Leidenschaft und Stunden voller Lust. Er übt eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf sie aus, aber Hank kommt nicht aus ihrer High-Society-Welt. Kann ihre Liebe dennoch bestehen?

Der erste Teil der sexy »Finding Us«-Trilogie


  • Erscheinungstag 24.11.2020
  • Bandnummer 1
  • ISBN / Artikelnummer 9783745751970
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kapitel 1

Hank

New York City war ätzend. Wenn der Job nicht gut und die Bezahlung anständig gewesen wäre, wäre ich von hier verduftet und gleich nach Hause auf meine Ranch zurückgekehrt.

Die Leute hier waren nichts weiter als Drohnen, leblose Hüllen, die durch die Betonwüste hasteten. Immer in der Angst, zu spät zu kommen oder irgendetwas zu verpassen. Und während sie herumhetzten, waren ihre Plastikgesichter voller Hoffnung, als warte der große Durchbruch gleich um die Ecke auf sie. Aber das tat er nicht.

Gott, wie ich diese verfluchte Stadt hasste.

Das Einzige, was sie für mich erträglich machte, waren die Frauen. In New York gab es jede Menge schöner Frauen, die sich danach sehnten, mit einem Kerl wie mir zu schlafen. Sie betrachteten mich als Jungen vom Land. Frischfleisch. Ich hatte nichts dagegen. Schließlich war ich nicht auf der Suche nach der Liebe meines Lebens. Wir hatten alle nur eins im Sinn – einen Orgasmus.

Was schöne Frauen anging, hatte die, die hier immer morgens um Punkt sieben aufkreuzte, meine volle Aufmerksamkeit. Die hatte Klasse. Sie trug meist Kostüme mit engen, bis zur Mitte des Oberschenkels geschlitzten Röcken, die sich an endlos lange Beine schmiegten. Ihre High Heels waren so hoch wie Stelzen. Sie musste ordentlich geübt haben, um jeden verfluchten Tag auf diesen dornenartigen Dingern ’rumlaufen zu können. In einem Paar Cowboystiefel und sonst nichts hätte sie bestimmt verdammt heiß ausgesehen.

Clever war sie auch. Zumindest legte sie Wert darauf, dass jeder sie für smart hielt. Außerdem hatte sie Geld – und zwar tonnenweise. Jeden Tag setzte ein Wagen oder eine glänzende schwarze Limousine sie hier ab. Allerdings nie mit einem Mann an ihrer Seite. Manchmal ertappte ich sie dabei, wie sie über die Sonnenbrille hinweglinste und meine Crew genauer musterte. Zum Teufel, vielleicht checkte sie mich sogar ein- oder zweimal ab. Das hätte mir gefallen. Ich hätte sogar überlegt, den ersten Schritt zu machen. Doch sie spielte nun mal so ganz und gar nicht in meiner Liga. Frauen, die so elegant waren wie sie, fingen mit einem Mann wie mir nichts an. Sie verabredeten sich mit Millionären, die protzige Schlitten besaßen – Männer, die einen Ferrari fuhren und keinen Ford Pick-up.

Meine Firma, Jensen Construction, war beauftragt worden, einen Bereich des Wolkenkratzers zu erweitern, in dem sie arbeitete. Wir sollten eine neue Lobby und weitere zehn Stockwerke hinzufügen. Letzten Endes würden dadurch ein paar Hundert neue Büros im Gebäude entstehen. Und obwohl es mir schwergefallen war, Texas zu verlassen, war der Auftrag viel zu lukrativ gewesen, um ihn sich entgehen zu lassen.

Mein Team und ich verdienten momentan fünfmal so viel wie daheim. Das war die neue Richtung, in die ich meine Firma führen wollte. Wenn die Ausschreibungen sich lohnten, gab ich auch Angebote für Jobs außerhalb der Staatsgrenze ab. Irgendwie hatte ich es geschafft, die Baufirmen hier in New York beharrlich zu unterbieten, und mir so den Auftrag an Land gezogen.

Für mich war es eine Win-win-Situation. Ich hatte immerhin Familie zu Hause, wenn auch weder Frau noch Kinder. Außerdem hatte ich meine Ranch, ein paar Pferde und Butch, meinen gelben Labrador. Den hatte ich allerdings mitgenommen, denn ein Mann lässt seinen besten Freund nicht drei Monate lang allein daheim sitzen. Um die Pferde kümmerte sich mein Bruder, der sie dafür reiten durfte, wann immer er wollte. Ein fairer Deal. Seine Jungs waren begeistert, und ich gelte jetzt als »weltbester Onkel«.

Nachdem ich mich davon überzeugt hatte, dass meine Männer mit Volldampf arbeiteten und alles lief wie geplant, machte ich mich auf in mein Büro. Die schwarze Stretchlimousine tauchte am Bordstein auf, die Sonne spiegelte sich auf der Chromstoßstange wider und blendete mich förmlich, so hell war das Licht. Lässig lehnte ich mich an das Metallgeländer der Treppe, um mir die Show anzuschauen.

Heute war sie wie eine verdammte Erscheinung. Sie hatte auf ihr übliches schwarzes Kostüm verzichtet und dafür ein weißes gewählt, das sich um sämtliche Kurven schmiegte. Sie sah aus wie ein ungezogener Engel. Sie drehte sich um und zog ihre Aktentasche aus dem Wagen. Ihr Hintern war knackig; der weiße Stoff betonte die perfekte Herzform.

Was hätte ich darum gegeben, diesem Po einen Klaps zu geben, damit sie aufschrie und mich dann anbettelte, sie zu vögeln.

Mit ihren langen Beinen lief sie an mir vorbei. Heute hatte sie auch nicht diese große Sonnenbrille auf, die ihre fantastischen Augen verbarg. Die Sonne brach über dem Gebäude hervor, und ihre blauen Augen funkelten im Licht. Langes goldenes Haar flatterte im Wind. Ein roter Schal, den sie um den Hals geschlungen hatte, wehte um ihre Gestalt herum, ein karmesinroter Farbklecks auf einer vollkommenen weißen Leinwand.

Sie kramte in der riesigen braunen Tasche, die über ihrer zarten Schulter hing, das Handy fest am Ohr. Von oben ertönte ein schrilles Quietschen. Instinktiv wandte ich den Kopf und sah hinauf. Ein Haufen langer Metallrohre, der von Ketten zusammengehalten wurde, schwang gefährlich am Kran hin und her. Meine Lady in Weiß blieb genau darunter stehen, und vor meinem geistigen Auge spielte sich die folgende Szene wie in Übelkeit erregender Zeitlupe ab. Ihr Smartphone fiel auf den Beton; die Frau fluchte und beugte sich herab, um es aufzuheben, nichts von der Gefahr ahnend, die über ihr schwebte.

»Vorsicht!«, rief ich und stürmte auf sie zu, wobei ich nach oben deutete. Ihr Blick schoss ebenfalls hoch. Ich hörte, wie Metall über Metall rieb, dann ein lautes Klirren – die schmalen Rohre hatten sich aus der Verankerung gelöst.

Sie wurden nur noch an einer Seite von Ketten gehalten, und schon flogen zweieinhalb Zentimeter starke Metallstangen wie Dolche vom Himmel. Mein innerer Superman reagierte sofort. Ich stürmte los, warf die Frau zu Boden und bedeckte sie mit meinem Körper. Ohne Vorwarnung spürte ich in meiner linken Schulter einen durchdringenden, quälenden Schmerz. Sie schrie unter mir, versuchte, mich von sich zu schieben. Aber ich konnte mich nicht rühren. Meine Schulter brannte höllisch, als sei ich mit einem großen Schlachtermesser niedergestochen worden. Schon die winzigste Bewegung raubte mir den Atem.

Ich sah nur noch rot. Doch diesmal war es nicht ihr Schal. Es war Blut, eine Unmenge von Blut, die sich über ihr weißes Kostüm ergoss, ihm Farbe verlieh.

»Helfen Sie ihm!«, brüllte die Frau und dann leiser: »Alles wird gut.« Kühle Hände und Finger glitten über meine Schläfen und umfingen mein Gesicht. »Bitte, bitte, sehen Sie mich an.«

Mein Oberkörper fühlte sich an, als würde ich zwischen zwei Metallplatten zermalmt, bis ich flach wie ein Pfannkuchen war. Ich lag auf der Seite, konnte mich nicht bewegen. Kurz warf ich einen Blick auf meine linke Schulter, die unerträglich pulsierte, und entdeckte schimmerndes Metall, das ein beträchtliches Stück aus meinem Rücken ragte.

Mir wurde übel, mein Magen drehte sich, und in meinem Mund hatte ich diesen säuerlichen Geschmack wie kurz vorm Kotzen. Ich schloss die Augen, versuchte, tief Luft zu holen, doch der darauffolgende Schmerz brannte sich durch Knochen, Muskeln und Haut. Das Einzige, das mich noch fest in dieser Welt hielt, waren diese graublauen Augen. Sie waren wie kristallklare Seen, erfrischend und einladend.

»So hübsch«, murmelte ich mit trockenen Lippen.

Sie lächelte, und ich schloss die Augen, denn ich wusste, dass ich Gottes Engel nicht länger ansehen konnte, ohne mich in seiner Schönheit zu verlieren und bereitwillig diese irdische Stätte zu verlassen. Sirenen plärrten im Hintergrund, aber mein Engel hielt mich fest. »Alles wird gut«, sagte die Frau leise. »Sie haben mich gerettet. Sie werden es schaffen, halten Sie einfach nur ganz still.«

Ich riskierte es, die Lider für den Bruchteil einer Sekunde zu heben, und der Anblick raubte mir beinahe den Atem. Ihre wunderschönen blauen Augen waren wie wilde, bewegte Seen, Strudel der Furcht.

Es fing an zu regnen. Große, dicke, nasse Tropfen landeten auf meinem Gesicht. Nur dass die Tropfen gar kein Regen waren. Es waren ihre Tränen.

»Sie haben mich gerettet«, flüsterte sie. Ihre Lippen fühlten sich feucht und weich an meiner Stirn an. Ich wollte etwas sagen. Mich wenigstens kurz vorstellen, bevor sie mir wieder genommen wurde. Ihr mitteilen, dass ich Hank hieß und sie wunderschön fand, aber es kam kein Wort heraus. Ich schaffte es nicht. Meine ganze Kraft ging schon fürs Atmen drauf.

Dann spürte ich Arme, die mich hochhoben und mich auf etwas Weiches legten. Vielleicht auf eine Wolke. Mein Engel wurde fortgezogen. Die Zeit schien immer langsamer zu vergehen. Es geschah so vieles um mich herum, doch ich konnte mich auf nichts konzentrieren. Meine ganze Aufmerksamkeit gehörte dem furchtbaren Schmerz, und mit einem kehligen Aufschrei überließ ich mich ihm.

»Ich komme mit Ihnen!«, hörte ich sie sagen, während um uns herum hektisches Treiben herrschte und barsch Anweisungen gerufen wurden. »Dieses Gebäude gehört mir, und er, er … er hat mir das Leben gerettet! Ich schulde ihm einfach alles!«, schrie mein Engel den Leuten zu, die an meinem Gesicht und meiner Brust zerrten und zogen und mich immer tiefer in die Wolke drückten. Einen kurzen Moment lang war ich glücklich, dass sich jemand um mich sorgte. Nein, nicht jemand – sie.

Ich konnte nichts mehr fühlen. Meine Lider wurden schwer, und blindlings tastete ich umher. Eine eiskalte, federleichte Hand schloss sich um meine, nahm mir die Angst.

»Ich bin hier. Ich bin hier. Lassen Sie sich von ihnen helfen.« Ihre Stimme war sanft und süß wie eine Melodie. Dann hüllte die Dunkelheit mich ein.

Aspen

Ich fragte mich, warum das alles so lang dauerte! Es war jetzt Stunden – Stunden – her, seit der Mann, der alles für mich riskiert hatte, in den OP gebracht worden war. Bitte, lieber Gott, lass ihn durchkommen. Er hat mir das Leben gerettet. Ich holte mein Handy heraus und rief meinen Assistenten Oliver an.

»Aspen, wo bist du?«, quasselte er gleich ohne Begrüßung los. »Heute ist direkt neben dem Gebäude ein Mann schwer verletzt worden. Ein Kran hat ein paar Metallrohre verloren.« Seine Stimme klang höher als sonst und überschlug sich fast, als könne er gar nicht schnell genug loswerden, was er zu sagen hatte.

Ich arbeitete nun schon einige Jahre mit Oliver zusammen und war an seine exzentrische Art gewöhnt. Ich wusste schon alles, was er mir sagen wollte, aber er ließ mich nicht zu Wort kommen, deshalb ließ ich ihn weiterreden. »Ich habe bereits unseren Anwalt angerufen; jeden Moment muss jemand im Krankenhaus auftauchen, der sich nach seinen Überlebenschancen erkundigt.«

»Oliver … Oliver, stopp.«

»Was?« Seine Stimme klang leise, verhalten und viel zu hoch. Er holte zittrig Luft.

»Ich bin hier, im Krankenhaus. Der Mann, der verletzt wurde, eer, äh … Er hat sich über mich geworfen. Hat verhindert, dass ich aufgespießt wurde.« Ich konnte nur noch krächzen, ehe ich verstummte. Es kostete mich all meine Kraft, mir das Weinen zu verkneifen.

»Oh mein Gott! Oh mein Gott, Aspen, geht es dir gut? Shit! Ich heule gleich los. Ich darf dich nicht verlieren. Ich liebe dich.« Da war er wieder – mein Dramaking. Seine weiche Stimme brach, und er fing an zu weinen.

»Oliver. Ollie, Schatz, ich weiß. Es geht mir gut.« Ich holte tief Luft. »Der Mann, der mich gerettet hat, ich kenne nicht mal seinen Namen. Hier im Krankenhaus rücken sie keine Informationen heraus. Ich möchte, dass du in Erfahrung bringst, wer er ist und wer seine Notfallkontakte sind.«

»Okay, ja. Verstanden. Sonst noch was?«

»Ich will wissen, wer hier in der Klinik das Sagen hat. Ich muss mich mit ihm oder ihr treffen. Unbedingt.« Olivers schwerer Atem und das Rascheln von Papier drangen durch den Hörer.

»Okay, okay. Schon klar. Gib mir eine Viertelstunde.«

»Danke.« Ich seufzte und sah entsetzt an meinem Kostüm hinunter. »Noch eins, Oliver. Ich muss mich umziehen. Aber schick keinen Kurier. Bring mir ein Kostüm aus dem Schrank in meinem Büro.«

»Warum?«

Ich erschauerte. »Weil meine Kleidung voller Blut ist.« Ein Schluchzen drohte sich Bahn zu brechen, aber ich hielt mir die Hand vor den Mund, um den Laut zu ersticken. Ich durfte keinesfalls die Kontrolle verlieren. Nachdem ich ein paar tiefe Atemzüge gemacht hatte, hatte ich mich wieder im Griff. Halbwegs.

»Oh mein Gott, okay. Ich bin gleich da. Ich liebe dich.«

Unwillkürlich musste ich lächeln. »Ich liebe dich auch, Ollie. Und jetzt mach schnell. Die Leute werfen mir schon misstrauische Blicke zu.« Ich sah zu dem Pärchen, das mir gegenübersaß und mich mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen anstarrte.

Der Tag hätte nicht schlimmer werden können. Nicht nur, dass ein Mann meinetwegen mit dem Tod rang, hinzu kam, dass ein Unfall dieser Größenordnung das Projekt zweifellos um Wochen zurückwerfen würde. Ich hatte den Anteilseignern des Bright Magazine versprochen, dass das Gebäude im nächsten Fiskaljahr in Betrieb genommen werden konnte. Diese Verzögerung würde hohe Kosten verursachen, doch natürlich war das nebensächlich im Vergleich zu dem Leben eines Mannes. Und was, wenn mein Retter uns verklagte? Diese Katastrophe konnte den gesamten Plan zunichtemachen. Wenn er starb, war es sogar noch schlimmer. Ein verdammter Medienzirkus würde ausbrechen. Ich rieb mir die Schläfen in dem Versuch, meine Kopfschmerzen loszuwerden.

Mein Gott! Wann bin ich so kalt geworden? Das Leben eines Mannes hing am seidenen Faden, und ich machte mir wegen der Zeitschrift Gedanken.

Weil du außer der Arbeit nichts hast.

Vor langer Zeit hatte ich beschlossen, mich von nichts und niemandem daran hindern zu lassen, erfolgreich zu sein. Meine Eltern waren schon immer mehr als reich gewesen, gehörten zu den klassischen oberen Zehntausend. Von Jugend an bewegte ich mich also in der High Society. Nach meiner Ausbildung an einer Elite-Universität stampfte ich dann mithilfe meines Trustfonds das Start-up-Unternehmen AIR Bright Enterprises aus dem Boden. Sieben Jahre später war meine Firma Milliarden wert und hatte mir sogar einen Platz auf der Top-Ten-Liste der erfolgreichsten Geschäftsfrauen im Forbes-Magazin verschafft – eine Riesenleistung für eine Frau von gerade mal achtundzwanzig Jahren.

Nach einer halben Stunde fühlte sich die abgestandene Luft um mich herum plötzlich anders an: Oliver war da. Ich spürte seine Anwesenheit schon, bevor ich seine Wingtip-Schuhe auf dem Linoleum klackern hörte. Eilig kam er auf mich zu. Ein Stirnrunzeln lag auf seinem vertrauten, spitz zulaufenden Gesicht. Die bleichen Haarspitzen erweckten den Eindruck, als sei er stundenlang in der Sonne gewesen, doch ich kannte sein Geheimnis – zweimal monatlich ein Besuch in New Yorks elegantestem Friseursalon. Das war eines meiner Geschenke für ihn zum Administrative Professionals Day, an dem die Assistenten und Assistentinnen dieser Welt eine besondere Ehrung erfahren sollten. Ein Kleidersack hing lose über seinem einen Arm, eine Männertasche am anderen, und in der Hand hielt er ein Paar schwarze Pumps. Seine Augen hatten die Größe von Untertassen. Wie angewurzelt blieb er stehen, sowie er mein blutverschmiertes Kostüm sah.

»Oliver!« Ich umarmte ihn stürmisch. Wir hielten einander fest. Er fühlte sich so warm an und strahlte absolute Zuverlässigkeit aus.

Er trat einen Schritt zurück, ohne meine Schulter loszulassen. Seine Lippe zitterte, während er mich genau musterte.

»Prinzessin … ich … Du siehst grauenhaft aus. Bist du sicher, dass es dir gut geht?« Tränen waren ihm in die Augen getreten, rannen seine Wangen hinab, und ich wischte sie mit den Daumen fort und lächelte um seinetwillen.

»So schlimm, ja?«

Er nickte. »Hier, bitte, die neuen Sachen. Ich werde dieses Kostüm da verbrennen.«

Mein Lächeln erreichte meine Augen nicht, doch ich nahm die Klamotten und zog mich auf die Damentoilette zurück. Nachdem ich den schwarzen Hosenanzug und die Pumps, die Oliver mitgebracht hatte, übergestreift hatte, verließ ich die Räumlichkeiten wieder und reichte ihm den Kleidersack mit den verschmutzten Klamotten. Er rollte ihn auf, ging zur nächstbesten Mülltonne und entsorgte alles, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern. Er warf ein Dreitausenddollarkostüm einfach so weg, als handele es sich um ein Stück Kaugummi, das nicht mehr schmeckte. Doch mir war das vollkommen egal. Ich würde das Kostüm sowieso nie wieder tragen. Selbst wenn die Reinigung die Blutflecke hätte entfernen können, würde meine Erinnerung an dieses Erlebnis niemals verblassen. Oliver kannte mich gut.

»Jetzt fühle ich mich besser. Und du?« Er rieb die Hände aneinander und strich seine Anzugjacke glatt.

Ich schob mir das Haar aus Gesicht und Nacken. Oliver kam zu mir. Dann holte er ein schwarzes Haargummi und eine Haarklemme aus der Anzugtasche und kämmte mir geschickt mit den Fingern das Haar. Die sanfte Berührung auf meiner Kopfhaut trug weiter zu meiner Entspannung bei und erinnerte mich daran, dass ich noch da war. Am Leben.

Oliver war nicht nur mein Assistent, sondern auch mein bester Freund. Genau genommen war er, abgesehen von meiner Schwester, mein einziger richtiger Freund. In meiner Welt suchten die meisten Menschen deshalb meine Nähe, weil ich irgendetwas für sie tun konnte. Geld zieht Blutsauger nun mal scharenweise an. Ich zahlte Oliver mehr als meinen fähigsten Managern, aber er war jeden einzelnen Cent wert. Oliver beklagte sich niemals und war immer da, wenn ich ihn brauchte, egal ob bei Tag oder bei Nacht. Er war der perfekte Mann.

»Have I told you lately that I love you?«, summte ich Rod-Stewart-mäßig vor mich hin, legte den Kopf in den Nacken und lächelte.

Er beugte sich vor und küsste meine Schläfe. »Nein, ich glaube nicht.« Er grinste leichthin. »Erzähl mir von dem Mann.«

Oliver fasste mir das Haar zu einem straffen Pferdeschwanz tief im Nacken zusammen. Eine Haarsträhne, die er bewusst ausgespart hatte, wickelte er noch um das elastische Gummi, sodass man es nicht mehr sah. Dann fixierte er das Ganze mit einer Haarnadel. Sicher sah die Frisur makellos aus. Er war unglaublich geschickt, wenn es darum ging, mich zu stylen, mir Kostüme zu kaufen oder mich zu frisieren. Allein schaffte ich es gerade mal, mein Haar trocken zu föhnen und in ein paar Wellen zu legen. In meiner Jugend hatte ich zu viel Zeit mit der Nase in Büchern und zu wenig Zeit mit Freundinnen verbracht, sodass ich selbst einfache Tricks des Hairstylings bis heute nicht beherrschte.

Meine einzige Quelle für Dinge, die man als »mädchenhaft« bezeichnen könnte, war bis heute meine Schwester London. Sie war all das, was ich nicht war. Sie hatte honigfarbene Haut und schwarzes Haar wie unser Vater, während meine Haut so hell und mein Haar so blond war wie bei meiner Mutter. Wir beide hatten die graublauen Augen unseres Vaters geerbt. London hatte keinen großartigen Geschäftssinn, war aber dennoch eine erfolgreiche Innendesignerin, die ganz gut klarkam. Wenn auch keineswegs so gut wie ich selbst; mein Vermögen überstieg das meiner Familie bei Weitem, doch unserer Beziehung hatte das nie geschadet. London war Geld nicht so wichtig, während ich mich umso sicherer fühlte, je mehr ich davon hatte.

»… und ihm gehört das Bauunternehmen, das wir unter Vertrag genommen haben«, holte mich Oliver wieder in die Wirklichkeit zurück.

»Sorry, was hast du gesagt?«

Er verdrehte die Augen. »Ich sagte, er heißt Hank Jensen. Ihm gehört Jensen Construction.«

»Hank?« Der Name ging mir leicht über die Lippen und endete mit einem scharfen Klick. Das passte zu ihm.

»Ha, Hank der Herkules«, erwiderte Oliver lachend. »Sieh dir nur das Bild auf seinem Dienstausweis an.« Er hielt ihn mir hin. Darauf schien der Mann durchaus gut aussehend zu sein, aber in meiner Erinnerung sah er noch besser aus, was lediglich durch den Schmerz in seinen Augen abgeschwächt worden war.

Oliver hatte recht. Der Mann war attraktiv, auf eine wilde, maskuline Art. Er hatte dunkles, volles Haar. Ein gezwungenes Lächeln entblößte gleichmäßige weiße Zähne. Seine grünen Augen, die scharfsinnig blickten, bildeten einen interessanten Kontrast zu seiner gebräunten Haut. Machten mich neugierig auf den Teint seiner Haut, die auf dem Foto unter einem T-Shirt verborgen war. Vielleicht hatte er ja nur braune Arme, und der Rest war weiß? Ich fragte mich, ob ich jemals eine Antwort auf diese Frage bekommen würde. Wahrscheinlich nicht.

»Woher, sagtest du, stammt Mr. Jensen?«

»Texas. Sein Background-Check besagt, dass ihm einige Hektar Land gehören. Laut Internet sieht das Ganze aus wie eine Ranch. Oh, wie charmant, er ist ein Cowboy. Ich liebe Cowboys!« Oliver hantierte mit seinem Handy herum und drehte es um, um mir ein riesiges grünes Stück Land zu zeigen.

»Du liebst Männer.« Ich schnappte mir sein Smartphone, um besser sehen zu können, und war überrascht von der Schönheit der üppigen Landschaft. In meiner Vorstellung bestanden Ranches aus Staub und Kühen wie in einem Western mit John Wayne und nicht wie geradewegs aus Die-Trapp-Familie entsprungen. Sanfte grüne Hügel mit unzähligen Bäumen und einem Bach, der am Anwesen entlangfloss, prägten die Landschaft.

»Nein. Korrektur, meine Liebe: Ich liebe schöne Männer. Aber bei Cowboys flippe ich aus«, entgegnete er grinsend.

»Hast du mir die Information beschafft, die ich brauche, um zu Mr. Jensen vorgelassen zu werden? Ich muss mich davon überzeugen, dass er wieder gesund wird. Und was hat der Anwalt gesagt?«

»Ich kann dir durchaus Zugang verschaffen, aber das wird dich was kosten.«

»Oliver, jeder hat seinen Preis.« Ich grinste und warf ihm einen Seitenblick zu. »Wie viel?«

»Na ja, auf dem Weg hierher hab ich die Direktorin des Krankenhauses angerufen und ihr die Lage geschildert, deine Sorge zum Ausdruck gebracht, ebenso wie dein Interesse am Wohlergehen des Patienten.«

»Komm zur Sache, Ollie.«

»Schon gut, schon gut. Jedenfalls musst du eine ordentliche Spende rausrücken.«

»Okay. Wie viel?«

»Na ja, sie brauchen neue Geräte …«

»Wie viel?«

»Einhundert.« Er wandte den Blick ab und wartete angespannt.

»Gut. Lass die Buchhaltung den Scheck ausstellen. Dieser Mann hat mein Leben gerettet …« Wieder kamen mir fast die Tränen, doch ich konnte es verhindern, indem ich aufstand und die Schultern straffte. »Wen müssen wir aufsuchen?«

»Entschuldigen Sie, Ms. Reynolds?« Eine rothaarige Frau in einer hässlichen Uniform, die viel zu groß war für ihre zierliche Gestalt, gesellte sich zu uns.

»Ja, ich bin Ms. Reynolds. Und Sie sind?«

Sie streckte mir die Hand entgegen. »Jane Maxwell, die Krankenhausdirektorin. Ich bedaure, dass wir uns unter diesen Umständen kennenlernen.« Ihr Blick war warm und aufrichtig. Allerdings konnte man eine persönliche Aufwartung durch die Direktorin wohl auch erwarten, wenn man im Begriff war, ein halbes Vermögen zu spenden.

Ich kam gleich zur Sache. »Dies ist mein Assistent Oliver. Er wird sich in meinem Namen um die Spende in Höhe von einhunderttausend Dollar kümmern.« Ich wollte keine Zeit verschwenden, Zeit, in der es für das Überleben von Hank Jensen zu kämpfen galt.

»Oh, du liebe Güte! Wir können Ihnen gar nicht genug danken!« Ihre Augen waren genauso rund und strahlend wie ihr ganzes Gesicht. »Eine Spende in dieser Höhe wird für unsere Kinderonkologie Wunder wirken.«

Ich warf Oliver einen Blick zu und zog fragend die Augenbraue hoch. Er wandte den puterroten Kopf ab. Er hatte gelogen. Die Frau hatte ihm am Telefon keinen Betrag genannt. Wahrscheinlich hatte sie nicht mal eine Spende erwähnt. Er hatte einfach nur erreichen wollen, dass ich etwas für die Kinderstation spendete. Oliver hatte als Kind eine Leukämieerkrankung überlebt und schleifte mich stets auf Events, bei denen es um Krebs und Kinder ging. Ganz schön gerissen.

»Ich freue mich, Sie unterstützen zu können, Ms. Maxwell. Wenn Sie mir also helfen könnten: Ich wüsste gern, was mit Hank Jensen ist. Kann ich ihn sehen?«

»Er wird gerade operiert, aber ich bringe Sie hinauf auf die Station und sorge dafür, dass Sie ihn besuchen können, sobald er aufgewacht ist. Wir konnten keine Angehörigen ausfindig machen, und da Ihr Büro mehr Informationen über ihn zu haben scheint als wir, scheint es nur angemessen, dass Sie ihn aufsuchen.« Sie zwinkerte mir zu und wandte sich auf dem Absatz um. »Folgen Sie mir bitte.«

Während wir hinter der Direktorin hergingen, beugte ich mich zu Oliver hinüber und flüsterte ihm ins Ohr: »Dafür wirst du büßen.«

»Tu ich doch immer.« Sein Lächeln wurde breiter, und ich schüttelte in gespielter Entrüstung den Kopf.

Nachdem wir es uns im Wartezimmer bequem gemacht hatten, fühlte ich Oliver wegen Hanks nächsten Angehörigen auf den Zahn und versuchte, die Nummer, die in den Akten vermerkt war, anzurufen. Das Handy klingelte immer wieder, ohne dass eine Mailbox ansprang. Ich hätte gedacht, dass heutzutage eigentlich jeder eine hatte, aber anscheinend war dem nicht so. Ich beantwortete eine Reihe von E-Mails auf meinem Handy und veranlasste Oliver, sämtliche Meetings für den heutigen Tag zu canceln.

Wir saßen geschlagene drei Stunden in dem Wartezimmer herum, bevor der Chirurg zu uns kam. Er war von Kopf bis zu seinen Überziehschuhen in OP-Kleidung gehüllt und wurde flankiert von Ms. Maxwell.

»Ms. Reynolds? Ich bin Dr. Nicholls.«

Ich schüttelte ihm die Hand. »Wie geht es Mr. Jensen?« Meine Stimme klang so, als bestünde meine Kehle aus Schleifpapier.

»Den Umständen entsprechend gut. Wir konnten die Metallstange entfernen, die sich durch das Bindegewebe seiner Schulter gebohrt hatte.«

»Oh mein Gott. Sie meinen, das Rohr ist auf der einen Seite eingedrungen und auf der anderen Seite wieder ausgetreten?«

»Kann man so sagen. Doch jetzt ist das Muskelgewebe in seiner Schulter wieder an seinem Platz, und sowohl Eintritts- als auch Austrittsstelle wurden vernäht. Mr. Jensen befindet sich seit dreißig Minuten im Aufwachraum. Müsste jeden Moment aus der Narkose erwachen.«

»Also wird er wieder gesund? Was passiert als Nächstes?«

»Bis das Gewebe vernünftig verheilt ist, wird es etwa vier bis sechs Wochen dauern, in der er eine Schlinge tragen muss, um den Arm ruhigzustellen. Der Verband muss zweimal täglich gewechselt werden. In den ersten beiden Wochen nach seiner Entlassung wird er Hilfe brauchen.«

Erleichtert schloss ich die Augen. Oliver stützte mich, als ich ein stummes Gebet gen Himmel schickte und Gott für Hanks Überleben dankte. Er war verletzt und würde Wochen benötigen, bis er wieder voll einsatzfähig war, aber er würde gesund werden. Das war das Entscheidende. »Ich werde dafür sorgen, dass er rund um die Uhr versorgt ist.«

Oliver holte sein Smartphone hervor und ging ein Stück zur Seite. »Ms. Reynolds braucht eine hervorragend ausgebildete Vollzeit-Krankenschwester …«, hörte ich ihn leise sagen, während er in den Flur wanderte. Mein Ollie war wirklich jeden Cent wert.

»Kann ich ihn sehen?«

»Natürlich. Wie gesagt, er wird jetzt jeden Moment aufwachen. Ich bringe Sie zu ihm.«

Ich machte Oliver ein Zeichen, und er folgte uns mit ein paar Schritten Abstand. Die Direktorin führte uns durch mehrere Türen, hinter denen Geräte wie Metronome piepten und den Heilungsprozess dokumentierten. Überall im Krankenhaus herrschte der scharfe Duft nach Desinfektionsmitteln. Ich massierte mir mit beiden Fingern die Nasenwurzel, um den Geruch nicht ganz so heftig wahrzunehmen. Krankenhäuser erinnerten mich an den Tod.

Ms. Maxwell führte mich zu einer geschlossenen Tür. »Gehen Sie ruhig schon hinein. Wir haben immer noch keine Familienangehörigen erreichen können.«

»Ich auch nicht«, musste ich ihr gestehen. »Informieren Sie mich doch bitte, sobald Sie Erfolg haben.«

Sie nickte und ging dann davon. Ich betrat das Zimmer, während Oliver auf einem Stuhl vor der Tür Stellung bezog, das Handy immer noch am Ohr.

Das Krankenzimmer war überraschend geräumig, aber außer dem Mann in seinem Bett nahm ich nicht allzu viel wahr. Sein Oberkörper war nackt, und um seine Taille hatte man eine dünne Decke gelegt. Ein riesiger Verband verbarg seine gesamte linke Schulter.

Ich schritt hinüber, um meinen schlafenden Retter besser in Augenschein nehmen zu können. Er war ein sexy Riese: weit über eins achtzig, mit mächtigen, muskulösen Armen, breiten Schultern und einem Waschbrettbauch. Mit klopfendem Herzen betrachtete ich jeden Zentimeter eines der schönsten Körper, die ich je gesehen hatte. Keine braunen Arme mit weißem Bauch. Überall glatte goldene Haut.

Hank Jensen war ein Kunstwerk. Ein paar versprengte dunkle Haare beschrieben einen Pfad von seinem Bauchnabel weiter hinunter. Der Rest war von der Decke verhüllt. Im Schlaf wirkte er freundlich, mit fein gemeißelten Zügen, die auch gut auf die große Leinwand oder zu den Modelshootings, die meine Firma organisierte, gepasst hätten. Jobbedingt war ich von gut aussehenden Menschen umgeben, aber noch nie war ich jemandem begegnet, der mir buchstäblich den Atem geraubt hatte. Bis heute.

Ich setzte mich auf den Stuhl neben seinem Bett. Mir gingen alle möglichen Gedanken durch den Kopf, und immer wieder ließ ich im Geiste die Ereignisse des heutigen Tages Revue passieren. Ich streckte den Arm aus und ergriff zögernd die Hand des Mannes. Sie war keineswegs weich wie die Hände von jemandem, der sich vor allem mit schöngeistigen Dingen befasst. Hanks Hände waren die eines Arbeiters. Eines Mannes, der Tag für Tag in der Sonne war und Dinge mit bloßen Händen erschuf. Ich spürte seine rauen Schwielen an meinen Fingern, und eine Woge von Adrenalin durchflutete mich.

Dieser Mann hatte mir das Leben gerettet.

Kapitel 2

Hank

Irgendetwas kitzelte. Es fühlte sich an, als gleite eine Feder meinen Arm hinauf – von meinem Handgelenk bis zur Armbeuge und dann wieder hinunter. Fühlte sich schön an. Ich versuchte, mich zu bewegen. Schmerz explodierte in meiner Brust. Ich biss die Zähne zusammen und atmete scharf aus. Glühende Dornen schienen meinen Körper zu durchbohren, und ich stöhnte. Das Kitzeln hörte auf, und seidenweiche Finger schlossen sich um meine. Was zum Teufel?

»Schon gut, Hank. Ich bin da«, drang eine Frauenstimme an mein Ohr.

Ich wandte meinen Kopf in ihre Richtung und öffnete die Augen. Vor mir am Bett tauchte schemenhaft eine Gestalt auf, die meine Hand hielt. Der sanfte Glorienschein um sie wurde heller, und die Umrisse zeigten sich deutlicher. Mein Engel. Erleichterung flutete jede Faser meines Körpers, was den Schmerz ein wenig dämpfte. Meine trockenen Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln, als ich nun klar erkannte, wen ich da vor mir hatte. Verdammt, die Frau war echt schön. Leuchtend graublaue Augen bildeten einen anziehenden Kontrast zu ihrer Haut und dem dunklen Hosenanzug, den sie trug. Ihre zarten Augenbrauen zogen sich zusammen, während sie mich musterte.

»Engel, mein schöner Engel.« Meine Stimme klang heiser. Mit einem Mal war ich verwirrt und sah mich um. Wie war ich hierhergekommen? Warum saß sie an meinem Bett? Warum lag ich überhaupt im Bett? Aufgrund der weißen Wände und der kratzigen, gestärkten Decken schloss ich, dass ich mich offensichtlich in einem Krankenhauszimmer befand. Ich versuchte, meine Schultern zu bewegen, um den heftigen Schmerz loszuwerden, der mich niederdrückte, aber schon bei der geringsten Bewegung gruben sich mir glühende Schürhaken ins Fleisch.

Sie huschte zu einem Seitentisch hinüber und kehrte mit einem pinkfarbenen Becher zurück. Mit dem Strohhalm zwischen den Fingern führte sie mir den Plastikbecher an den Mund, und ich trank gierig. Meine Kehle war trockener als die Heuballen, die ich meinen Pferden zu fressen gab.

Nachdem ich meinen Durst gestillt hatte, sah ich, wie sie an ihrer Jacke herumnestelte und irgendwelche Falten glattstrich, die es gar nicht gab. Sie biss sich auf die Unterlippe, und ich spürte, wie mir das Herz gegen die Rippen schlug.

»Was ist passiert?« Ich erinnerte mich nur an sehr wenig. An meinem linken Handgelenk zerrte und zog etwas an meiner Haut. Ich tastete mit der rechten Hand danach und erkannte, dass es ein Infusionszugang war. Im Stillen checkte ich meinen Körper durch, beginnend mit meinen Zehen. Sie ließen sich mit Leichtigkeit bewegen. Meine Beine kamen mir da schon deutlich schwerer vor, und jeglicher Versuch meinen Oberkörper zu rühren, schmerzte. Der Schmerz war heftig, aber erträglich. Und immerhin konnte ich mich überhaupt bewegen. Meine linke Schulter schien es am schlimmsten erwischt zu haben. Sie fühlte sich an wie eine ausgebrannte, hohle Eiche. Sie war noch da, allerdings nicht funktionstüchtig.

Vorsichtig ließ ich die rechte Schulter kreisen. Obwohl das problemlos klappte, fiel es mir schwerer als normal. Wahrscheinlich pumpten sie mir durch den Zugang irgendwelche Drogen in den Körper. Als ich das Gleiche noch mal mit der linken Schulter versuchte, schienen sämtliche Nerven in meinem Körper nur darauf gewartet zu haben, um jetzt im Chor lauthals aufzuschreien. Ich biss die Zähne zusammen und hielt nur mit Mühe ein Stöhnen zurück, das sich unbedingt Bahn brechen wollte.

»Mr. Jensen«, begann sie. »Sie hatten einen Unfall. Der Kran ging kaputt, und …«

»Daran kann ich mich so gerade noch erinnern, Darlin’. Aber ich hab keine Ahnung, wie ich mit gestutztem Flügel hier gelandet bin.«

Sie ließ den Blick über meine Brust gleiten. Kaum dass ich sie dabei ertappte, wie sie mich anstarrte, wandte sie den Blick ab, und ihre Wangen färbten sich zartrosa. Die Farbe gefiel mir. »Äh, na ja, Sie haben sich über mich geworfen. Eines der Metallrohre hat Ihre Schulter durchbohrt. Sie haben eine mehrstündige Operation hinter sich.« Wieder schaute sie mir in die Augen. »Ich kann nicht glauben, dass Sie das für eine …«

»Einen Engel in Weiß tun?« Ich schenkte ihr das strahlendste Lächeln, das ich unter den gegebenen Umständen zustande brachte. Ihre Lippen zuckten.

»Eigentlich wollte ich für eine vollkommen Fremde sagen.«

Forschend sah sie mich an, und ihre feinen Züge wirkten irritiert. Irgendetwas machte ihr zu schaffen, aber ich hatte verdammt noch mal keine Ahnung, was. Mein Frauen-Decoder war wegen des Mists in meinem Tropf offenbar außer Gefecht gesetzt.

Instinktiv zuckte ich mit den Schultern, und wieder durchfuhr mich der Schmerz. Ich legte den Kopf in den Nacken und biss die Zähne zusammen, um einen Schrei zu unterdrücken. Wollte ja nicht, dass die Dame mich für ein Weichei hielt.

»Oh mein Gott, alles in Ordnung?«, stieß sie keuchend hervor, und ihre zarten Finger berührten mein Gesicht und meine Brust, wie um den Schaden einzuschätzen.

Die Hände dieser Frau waren anscheinend magisch, denn als sie über meine Haut huschten, spürte ich keinen Schmerz mehr, nur eine tiefe Zufriedenheit. Ihr Duft umfing mich. Sie roch nach süßer Apfelpastete an einem perfekten Sonntagmorgen zu Hause. Das beruhigte mich und trug eine Menge dazu bei, meinen Schmerz zu lindern.

Nachdem ich mich wieder gefasst hatte, nahm ich sie genauestens unter die Lupe. Sie war ganz Frau, steckte aber in einem Anzug. Ums Verrecken konnte ich nicht kapieren, warum zum Teufel sie diesen vollkommenen Körper in so maskulinen Klamotten verbarg.

Ich holte tief Luft, nahm ihre Schönheit in mich auf. »Mein Gott, Sie riechen vielleicht gut.«

Sie lehnte sich zurück und grinste. »Ja, na ja. Danke.«

Gerade, als ich mich nach ihrem Namen erkundigen wollte, kam so ein kleiner Eierkopf in einem ähnlichen Anzug wie ihrem herein. Anscheinend hatte es irgendwann im Ausverkauf zwei zum Preis von einem gegeben. Ich musterte den Mann von Kopf bis Fuß. Ihr Mann war das ganz sicher nicht. Der Typ war ein Winzling. Sie war beinahe fünfzehn Zentimeter größer als er und trug keinen Ring. Eine Frau wie sie datete sicher nur Männer, die wie Barbies Ken aussahen, nicht wie Kens kleiner Bruder, der irgendwie noch in der Pubertät steckte.

»Aspen, der Anwalt ist hier.« Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

»Aspen? Wie der Ort?« Ich nahm ihre Hand, und sie sah mich wieder an. Mein Gott, diese Augen. Ich hätte drin ertrinken können.

»Ja, wie der Ort. Aspen Reynolds. Nett, Sie kennenzulernen, Mr. Jensen.« Mann, war die hübsch.

Eine große Frau in grünem OP-Kittel trat ein. Sie hatte ein Clipboard in der Hand. »Mr. Jensen. Wie geht es Ihnen?« Mein Engel, der jetzt einen Namen hatte, zog sich zurück bis an die Wand, um nicht im Weg zu sein. Der Eierkopf flüsterte ihr etwas ins Ohr. Ich konnte nicht richtig folgen, denn wieder wurden mir die Lider schwer.

»Oh, ging schon mal besser.«

»Wie stark ist Ihr Schmerz auf einer Skala von eins bis zehn?«, fragte sie und kritzelte auf ihrem Clipboard herum, während sie etwas von den Maschinen neben meinem Bett ablas.

»So sechs bis sieben.«

Sie nickte. »Das ist toll. Der Arzt wird gleich hier sein, um mit Ihnen über die OP zu sprechen.«

Kaum war sie draußen, trat ein Mann herein. Er stellte sich mir als Dr. Nicholls vor und ging mit mir die Einzelheiten meines Eingriffs durch. Er meinte, ich hätte Glück gehabt. Wäre das Rohr an einer anderen Stelle eingedrungen, wäre ich jetzt nicht auf dem Wege der Besserung, sondern läge in der Leichenhalle. Seinen Worten zufolge konnte ich in ein paar Tagen womöglich wieder entlassen werden.

Sowie er fertig war, schaute ich zu der fantastischen Frau hin, die in der Ecke stand. Sie machte den Mund auf, als wolle sie etwas sagen, aber ich döste ein und hörte ihre Worte schon nicht mehr.

Ich erwachte erst wieder, während die Krankenschwester meinen Verband wechselte, meinen Blutdruck maß und mich fragte, ob ich etwas essen wolle. Ich war am Verhungern, aber zu müde zum Essen.

»Wo ist die Frau … Aspen?«

Sie lächelte. »Ich habe sie gezwungen zu gehen. Sie hat sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, obwohl sie hier schon Stunden zugebracht hatte. Den ganzen Tag über ist sie geblieben. Hat ordentlich Wind um Sie gemacht und von der Direktorin alle möglichen Dinge verlangt. Anscheinend liegt ihr eine Menge an Ihnen.«

»Kann mir gar nicht vorstellen, wieso. Wir haben uns heute erst kennengelernt.« Ich grinste, und ihre Lippen verzogen sich zu einem wissenden Lächeln, doch sie verkniff sich jeden weiteren Kommentar.

»Ruhen Sie sich aus, Mr. Jensen. Ich bin sicher, Ihre Freundin ist morgen früh gleich wieder hier.«

Ich konnte nicht mehr klar denken, und erneut schlief ich ein.

Ich roch sie, bevor ich sie sah. Ein leichter Vanilleduft schwebte in der Luft, als ich wieder zu mir kam. Sie hielt meine Hand, und ihre sah im Vergleich zu meiner blass und zierlich aus. In der rechten Hand hatte sie ihr Handy und scrollte sich durch die Nachrichten.

Sie hatte noch nicht bemerkt, dass ich wach war, also konnte ich sie ungestört mustern. Seidig goldschimmerndes Haar, dazu ihre makellose Haut. Und wieder trug sie einen dunklen Hosenanzug.

Sie wandte den Kopf und fing meinen Blick auf. Ein entzückendes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Mr. Jensen, Sie sind wach. Wie fühlen Sie sich!?« Sie entzog mir ihre Hand, die ich seltsamerweise schon im nächsten Moment vermisste.

»Besser als gestern.« Ich tastete nach der Fernbedienung für das Bett, und die Technik erwachte surrend zum Leben, hob meinen Oberkörper an, sodass ich mich in halb sitzender Position an das Kopfteil lehnen konnte. Alles kam mir besser vor als gestern. Abgesehen von dem pochenden, dumpfen Schmerz in meiner linken Schulter war ich fast wieder der Alte. Auch die Folgen der OP-Anästhesie waren weitgehend verschwunden.

Die Tür öffnete sich, und herein schlenderte Aspens kleiner Freund an der Seite einer anderen Krankenschwester, diesmal in blauer Dienstkleidung. Die Schwester beeilte sich, meine Vitalzeichen zu kontrollieren und das Schmerzlevel zu ermitteln, drehte und drückte an ein paar Knöpfen herum, dann war sie wieder verschwunden.

»Aspen, der Anwalt erwartet, dass du ihn heute zurückrufst.« Der Winzling sprach so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte.

Sie nickte ihm zu, dann schaute sie mich an. Jetzt wirkte sie wieder so professionell, wie ich sie morgens immer gesehen hatte. Die Schultern gestrafft, der Rücken stocksteif, auf wahnsinnig hohen Absätzen dahinstöckelnd. Ich vermisste den leise sprechenden Engel, der meine Hand hielt. »Mr. Jensen«, sagte sie nun.

»Darlin’, nennen Sie mich Hank. Was soll dieser Anwalts-Hokuspokus?« Ich deutete auf ihren kleinen Freund.

»Mr. Jensen, mein Name ist Oliver, und ich bin Ms. Reynolds’ Assistent bei AIR Bright Enterprises.« Ihr Assistent. Weder ihr Freund noch ihr Ehemann. Ich war selbst überrascht, wie erleichtert ich war. »Unsere Anwälte sind hier, um sich davon zu überzeugen, dass Sie auf dem Wege der Besserung sind, und um mit Ihnen über die juristischen Folgen des gestrigen Unfalls und Ihrer Verletzung zu reden. Der Unfall ereignete sich auf Betriebsgelände, und Scharniere des Krans haben sich als defekt erwiesen.«

Ich nickte, hörte weiter zu.

»Ihr Unternehmen trifft keine Schuld, und auch das Unternehmen nicht, von dem wir den Kran angemietet haben. Es scheint sich also um eine unglückliche Fügung gehandelt zu haben. Da sich die Sache aber auf Firmengelände zugetragen hat und Sie verletzt wurden, obliegt es unserer Verantwortung, Ihren Bedürfnissen Rechnung zu tragen.«

»Ich kann Ihnen nicht folgen. Unfälle passieren. In meiner Branche sogar recht häufig. Das Baugewerbe ist ein schmutziges und manchmal auch gefährliches Geschäft. Gestern – nun ja – sieht so aus, als sei da beides der Fall gewesen. Sagen Sie Ihren schicken Anwälten, dass es mir gut geht. Ich bin hier in null Komma nichts raus und kann wieder arbeiten.«

»Mr. Jensen …« Aspen legte mir die Hand auf den Unterarm. Ihre Berührung traf mich wie ein Stromschlag, und die kleinen Härchen auf meiner Haut richteten sich auf, nur um ihr nahe zu sein. »Wir werden uns um Sie kümmern. Meine Firma wird sämtliche Krankenhauskosten übernehmen und sicherstellen, dass Sie, während Sie sich erholen, versorgt sind.«

Ich wollte gerade widersprechen, doch sie redete schon weiter.

»Ich bin bereit, für Ihre Schmerzen und Ihre Unannehmlichkeiten zu bezahlen. Wenn Sie sich mit Ihren Anwälten in Verbindung setzen wollen, werden wir dafür sorgen, dass Sie eine angemessene finanzielle Entschädigung erhalten.« Sie leckte sich über die Lippen, und ich hatte viel mehr Interesse daran, an bewusster Unterlippe zu saugen, als mir noch mehr von diesem Mist anzuhören.

»Darlin’, lassen Sie mich ein paar Dinge klarstellen. Ich brauche keine Anwälte, und meine Krankenhausrechnungen übernimmt meine Versicherung. Ich sorge schon vierunddreißig Jahre ganz gut für mich selbst und habe nicht vor, jetzt damit aufzuhören. Sie können Ihre Anschwindler – äh Anwälte – zurückpfeifen. Ich werd schon niemanden verklagen, wenn es das ist, was Sie befürchten.« Die Sache mit den Anwälten warf in mir die Frage auf, warum sie tatsächlich hier war. Vielleicht wollte sie nur dafür sorgen, dass ich sie nicht verklagte.

Tief holte sie Luft. »Mr. Jensen …«

»Hank.«

Sie seufzte und blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sogar solche Kleinigkeiten hauten mich total von den Socken.

»Hank, Sie haben ein Recht auf finanzielle Unterstützung während Ihrer Rekonvaleszenz. Sie haben mir das Leben gerettet. Ich werde alles tun, damit Sie wieder ganz gesund werden.«

Energisch sah sie mich an, offensichtlich von dem drängenden Bedürfnis getrieben, mir zu helfen. Ihre Iris hatten eine Farbe, die man so schnell in keinem Buntstiftkasten fand. Diese klaren blaugrauen Augen gaben mir das Gefühl, dass ich allem zugestimmt hätte, worum die Frau mich bat, und alles getan hätte, nur um weiter in sie hineinsehen zu können. Es spielte keine Rolle, warum sie hier war, nur dass sie es war. Ich beschloss, meinen Vorteil daraus zu ziehen.

»Okay, dann weiß ich, was ich will.« Ich war erschöpft von der OP und musste mich ausruhen, aber ich hatte Wochen damit zugebracht, diese Frau in ihren eng anliegenden Klamotten und ihren Nimm-mich-Schuhen zu beobachten. Ich hatte keine Ahnung, wann ich noch mal die Gelegenheit haben würde, ihr so nahe zu sein.

»Jeder hat seinen Preis.« Sie presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen und ließ die Schultern hängen.

Meine Forderung folgte ohne Zögern. »Ich will ein Date mit Ihnen.«

»Ein Date? Sie wollen ein Date?« Ihr Schock war genauso hübsch anzusehen wie ihr Lächeln. Da musste ich mich doch glatt fragen, wie ihr Gesicht wohl aussehen würde, wenn sie vor Lust meinen Namen schrie.

»Okay, zwei Dates.« Ich schenkte ihr meinen besten sexy Blick. Ließ meinen patentierten Sag mir, wie du deine Eier willst, nachdem wir es eine Nacht lang bis zum Umfallen miteinander getrieben haben-Charme spielen. Der ließ mich nie im Stich.

»Das meinen Sie nicht ernst. Ich bin eine sehr wohlhabende Frau, und …«

»Aspen«, mischte sich der Winzling warnend ein.

Entschlossen hielt sie eine Hand in die Höhe, um ihn am Weiterreden zu hindern. Wenn sie wollte, war sie pure Energie und Entschlossenheit. Das gefiel mir. Viel zu sehr, um ehrlich zu sein. Mein bestes Stück regte sich. Ich legte die Hand über meinen Freund, um Peinlichkeiten zu verhindern.

»Sehen Sie, Darlin’, ist mir völlig egal, wie viel Kohle Sie im Portemonnaie haben. Also geben Sie mir jetzt, was ich will, oder nicht?«

Sie holte tief Luft und atmete dann langsam wieder aus. »Na gut. Wir gehen miteinander aus. Wenn Sie wieder fit sind. Wo wohnen Sie?«

»Ich teile mir eine Wohnung mit ein paar von meinen Leuten drüben in der Bronx.« Zwei entsetzte Gesichter starrten mich an, eines wunderschön, das andere verkniffen. »Wie bitte?«

»Dort werden Sie auf keinen Fall weiter wohnen«, sagte sie in strengem Ton. »Oliver …«

»Bin schon dran!« Schon hielt er sich das Handy ans Ohr und begann, irgendwelche Anweisungen hineinzubellen.

»Ich will, dass Mr. Jensens Habseligkeiten zusammengepackt und dorthin gebracht werden nach … warten Sie. Aspen, wohin? Ins Four Seasons?«

Sie schüttelte den Kopf. »In meine Wohnung.«

»Aspen?«

»Tu, was ich sage, Ollie.« Ihr Ton war der einer Frau, die gewöhnt war, Befehle zu erteilen. Einer Frau, die an diese Rolle gewöhnt war. Die sich sogar wohl darin fühlte. Das war so verdammt sexy. Aber wenn ich sie mal in einem privateren Rahmen zu fassen bekäme, wäre mir nichts lieber, als ihr zu zeigen, wie gut ich selbst Befehle erteilen konnte.

Mein lautes Lachen unterbrach das Blickduell zwischen Prinz und Prinzessin.

»Nichts für ungut, doch ich gehe, wohin ich will. Ich schlafe, wo ich schlafen will. Sie haben kein Recht, irgendwas von mir zu verlangen.« Diese ganze Unterhaltung war lächerlich. Leute mit zu viel Geld schienen immer zu glauben, dass ihnen die Welt gehörte, ebenso wie jeder, der darin lebte.

Die Augen meines Engels blickten streng. »Sehen Sie, Hank, Sie wollen doch wieder gesund werden, oder? Ich will, dass Sie gesund werden. Und der beste Weg, wie ich dafür sorgen kann, dass alles gut verheilt und Sie kein Schmerzensgeld von mir verlangen, besteht darin, Sie in meiner Nähe zu haben.« Damit waren ihre Absichten sonnenklar. Es drehte sich tatsächlich ausschließlich ums Geld. »Das Projekt sollte noch acht Wochen dauern, stimmt’s?«

Ich nickte.

»Also, Sie werden für die nächsten acht Wochen in meinem Apartment leben. Ich werde eine Krankenschwester für Sie engagieren und einen Physiotherapeuten, der für Ihre medizinischen Bedürfnisse zuständig ist, und in der Zwischenzeit …«, sie holte tief Luft, »… habe ich meinen Frieden, weil ich weiß, dass ich alles in meiner Macht Stehende getan habe. Sie haben mir das Leben gerettet. Ich muss diese Schuld zurückzahlen. Wenn Sie kein Geld von mir annehmen, dann akzeptieren Sie zumindest mein Hilfsangebot.« Okay, vielleicht interessierte sie sich doch nicht nur für ihre Brieftasche.

Die Frau verhandelte nicht nur hart, sondern auch noch verdammt gut.

»Na gut, Engel.« Eine wunderschöne Röte überzog ihre Wangen. Ich fragte mich, wo sie wohl sonst noch errötete. Es würde mir verdammt viel Spaß machen, es herauszufinden. Bald hatte ich diese Frau sicher um meinen kleinen Finger gewickelt. Lieber wäre es mir allerdings, wenn sie das Gleiche mit meinem Schwanz tun würde, aber das würde wohl seine Zeit dauern. Sie war ein echt harter Knochen. Immer das Heft in der Hand.

Ich wollte erleben, wie mein hübscher Engel es losließ. »In Ordnung. Ich bin bereit, bei Ihnen zu wohnen, bis ich mich gut genug fühle, um mich wieder frei zu bewegen und an die Arbeit zurückzukehren.«

Ihr Lächeln war strahlender als ein nagelneuer, blitzender Penny, und ich freute mich, dass ich der Grund dafür war. »Gut. Danke, Hank. Sie werden es nicht bereuen.«

Aspen

Ich war emotional und körperlich völlig erschöpft. Nachdem ich mich von Hank verabschiedet hatte, sprach ich mit meinen Anwälten über seine Prognose. Sie waren mit den Konditionen, auf die wir uns geeinigt hatten, nicht glücklich und wollten bis zum nächsten Tag ein offizielles Dokument aufsetzen. Sie glaubten nicht daran, dass ein Mensch dermaßen altruistisch sein konnte. Zum Teufel auch, ich war nicht sicher, ob ich überhaupt selbst daran glaubte.

Ihnen zufolge würde Hank, sobald er nicht mehr unter Medikamenteneinfluss stand, erkennen, wie viel ich wert war, und seinen Schnitt machen wollen. Der Unfall war auf meinem Grundstück passiert und wurde von der Haftpflichtversicherung des Unternehmens gedeckt. Genau genommen konnte Hank mir ein hübsches Sümmchen abluchsen, wenn er wollte. Und ich würde bezahlen, und zwar einzig und allein aus Dankbarkeit, dass er mir das Leben gerettet hatte.

Hank. Der Mann brachte mich total auf die Palme. Hätte er sich doch nur auf einen finanziellen Ausgleich eingelassen, dann ginge es uns jetzt allen besser. Er würde als reicher Mann nach Hause gehen, und ich könnte zurückkehren zu … ja, wozu eigentlich? Zu Models? Schauspielern? Zu so vielen hübschen Menschen, dass ich es kaum ertragen konnte? Und die allesamt Plastikgesichter hatten?

Damit wir uns nicht falsch verstehen. Ich liebte meinen Job. Mir ein Imperium aufzubauen, war mein Traum gewesen. Ich war ganz oben angelangt und hatte mehr Geld, als ich bis ans Ende meiner Tage brauchen würde.

Und dann war da Hank. Er besaß eine Ranch in Texas, einen weißen Ford Pick-up und ein kleines Bauunternehmen, das den Zuschlag für das Projekt erhalten hatte, weil sein Angebot mehrere Zehntausend unter dem geblieben war, was mein Team bezahlt hätte. Ein Mann, der sich in seiner Haut total wohlfühlte. Und in was für einer appetitlichen Haut!

Beim Anblick all dieser nackten männlichen Pracht pulsierte das Blut in meinen Adern, und ich kriegte weiche Knie. Es war eine Ewigkeit her, seit ich einen so maskulinen Kerl in meiner Nähe gehabt hatte. Die Männer, mit denen ich ausging, gehörten allesamt zur High Society. Waren Absolventen von Eliteuniversitäten, dick im Geschäft und lausig im Bett. Meine Befriedigung interessierte sie herzlich wenig, solange sie selbst kamen. Hank sah aus wie ein Mann, der wusste, wie er einer Frau Lust bereitete.

Ich ließ mich auf meine tröstlich weiche Couch fallen. Im Penthouse war es ruhig; mit Ausnahme meines Kochs Gustav hatten bereits alle Bediensteten Feierabend gemacht.

Wieder wanderten meine Gedanken zurück zu Hank. Er wollte mit mir ausgehen. Das roch nach dem miesen Aufguss einer uralten Geschichte. Seit Shakespeare seine Version davon in Romeo und Julia festgehalten hatte, hatte sich nicht allzu viel geändert. So eine Konstellation war von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Wir konnten unmöglich allzu viel gemeinsam haben. Ich sah unser erstes Date schon vor mir. Er würde in Jeans, Arbeitsstiefeln und einem weißen T-Shirt auftauchen, das sich über seiner breiten Brust spannte und unter dem das Spiel seiner Wahnsinnsmuskeln zu sehen war.

Langsam wanderte meine Hand über meinen Bauch hinab, erst über mein Shirt, dann über die Hose, während ich mich meinen Fantasien hingab. Hanks Jeans würde seinen Hintern umspannen wie eine zweite Haut. Meine Finger erreichten ihr Ziel zwischen meinen Beinen, legten sich darauf und drückten gegen meine heiße Mitte. Ein Keuchen entfuhr mir, als ich mich auf dem Sofa zurücklehnte und mir vorstellte, dass Hank mich berührte und seine großen Finger um meine Klit kreisen ließ. Er würde mir ins Ohr flüstern, wie sehr er mich vögeln wollte.

Ich öffnete Hosenknopf und Reißverschluss und ließ die Hand unter meinen Spitzenslip wandern. Kühle Finger, die über meinen glatten Venushügel glitten. Ich war überraschend feucht. Hank würde mir mein Höschen herunterziehen und sein Gesicht würde meine Mitte berühren. Er würde mit der Zunge über meine Oberschenkel streichen und sie küssen und dann knurren, während er meinen Slip mit seinen großen Händen zerriss.

Meine Finger massierten das harte Zentrum meiner Lust, während ich mir all das vorstellte. Der Traum-Hank würde mir weit die Beine spreizen. Er würde meinen Hintern fest in seinen Händen halten, mich lange und genüsslich lecken. Dann würde er immer und immer wieder in mich hineinstoßen, bis ich vor Ekstase schrie.

Der Druck in meinem Innern wurde größer, es pulste und kribbelte. Ich schob die Hüften nach oben und drang tief mit zwei Fingern in mich hinein, um zu imitieren, was Hank mit mir tun würde. Einige tiefe Stöße, meine Hüften hoben sich, und dann beendete ich die Pein, indem ich ein paar wilde Kreise um meine geschwollene Klitoris zog.

»Hank!«, rief ich in das leere Zimmer hinein, während ein wilder, wütender Höhepunkt durch mich hindurchtoste.

Schließlich genoss ich das Abebben meiner Lust, während sich der Traum-Hank in Luft auflöste. Mein Gott, so heftig war ich schon lange nicht mehr gekommen. Zu lange. So lang, dass ich einen Mann, der ganz sicher der falsche für mich war, für meine Selbstbefriedigungsfantasien benutzte. Erbärmlich.

In der Küche wusch ich mir – immer noch benommen von meinem Orgasmus – die Hände. In Gedanken war ich noch immer bei jenem Traum-Hank.

Die Tür zu meinem Penthouse schlug zu, und lautes Gepolter ertönte vom Eingang. Ich war gerade auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer, als ich Oliver rufen hörte.

»Sitz! Verdammt, du dumme Promenadenmischung, kennst du nicht mal die Grundkommandos!«, hallte Olivers schrille Stimme von den Wänden meiner Wohnung wider.

Ein gelber Blitz schoss durchs Wohnzimmer und warf dabei einen kleinen Tisch um. Krallen klackerten auf dem Parkettboden, und dann sprang mich ein riesiger Hund an und stieß mich auf die Couch. Ich schrie auf und bedeckte mein Gesicht und meine Brust, während das Tier von der Couch auf meinen Schoß, von dort auf den Boden und wieder zurück sprang. Eine lange pinkfarbene Zunge hing ihm aus dem Maul, und dann fuhr sie mir durchs Gesicht und hinterließ dort eine feuchte Speichelspur. Ich wischte mir den widerlichen Schleim an der Schulter ab.

»Was zum Teufel soll das, Ollie! Nimm diesen Hund von mir runter!«

»Oh mein Gott. Husch, husch, Hund, weg da! Runter, aber sofort.« Er fasste ihn am Halsband, leinte ihn an und zog ihn an seine Seite.

»Tut mir leid, Pen. Du hast gesagt, wir sollen alles von Hank in deine Wohnung schaffen. Das hier …« Er deutete auf den gelben Labrador. »… gehört dazu. Dem Gentleman zufolge, der mir den Hund übergeben hat, heißt er Butch.«

»Butch.« Der Hund drehte sich im Kreis, als er seinen Namen hörte. Vorsichtig streckte ich die Hand aus und tätschelte ihm den Kopf. Er hechelte glücklich und drückte sich dagegen. Ich zog sie fort, und schon hatte ich ein Haarbüschel daran kleben. Hunde. Sie waren schmutzig, sie haarten und machten Haufen, die so groß waren wie sie selbst. Dieses Tier war riesig, genau wie sein Herrchen. Was für ein Albtraum.

Autor

Audrey Carlan
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