Tiffany Saison Band 4

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HEUTE NACHT - DAS FEST DER LIEBE von MAGUIRE, MEG
Schnee, Eis - und ganz schön heiß! Als Carrie sich mit Daniel einen Mietwagen teilt, weil ihre Flüge ausgefallen sind, steigt die Temperatur mit jeder Meile. Der Schneesturm wird schlimmer, es ist die Weihnachtsnacht - da ist ein Motelzimmer für zwei die beste Lösung …

LIEB MICH, FREMDER! von KELLY, LESLIE
Eigentlich wollte Noelle nur ein sexy Dress für eine Weihnachtsparty shoppen. Aber in der Umkleidekabine fällt ihr ein Traummann buchstäblich in den Schoß! Den sie sich wunderbar als Geschenk für sich selbst vorstellen kann. Mit nichts als einer hübschen roten Schleife bekleidet …

HEIMLICHE WEIHNACHTSWÜNSCHE von RAWLINS, DEBBI
Sobald Jack Carrington das Übernahmeangebot unterschreibt, geht Carlys größter Weihnachtswunsch in Erfüllung: Endlich in den Weihnachtsurlaub aufbrechen und zum ersten Mal seit Jahren wieder mit ihren Eltern feiern. Aber als sie Jack gegenübersteht, erwacht in ihr plötzlich ein ganz anderer Wunsch …


  • Erscheinungstag 20.10.2015
  • Bandnummer 4
  • ISBN / Artikelnummer 9783733752255
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Meg Maguire, Leslie Kelly, Debbi Rawlins

TIFFANY SAISON BAND 4

MEG MAGUIRE

Heute Nacht – das Fest der Liebe

Der Flug nach Oregon ist wegen eines Schneesturms gestrichen! Zum Glück erwischt Daniel den letzten Mietwagen – aber er muss ihn ausgerechnet mit Carrie Baxter teilen. In der Highschool war sie die Freundin seines besten Freundes, und Daniel zeigte ihr die kalte Schulter. Doch während der Fahrt am Heiligabend taut Carrie ihn mehr und mehr auf …

LESLIE KELLY

Lieb mich, Fremder!

Er hat sie doch nur geküsst! Trotzdem ist dieser eine Kuss der Fremden aus der Umkleidekabine für Mark unvergesslich. Schade, dass er sie nie wieder sehen wird. Doch dann wird der Detective in ein Frauenhaus gerufen, in dem Geschenke kurz vor dem Fest spurlos verschwunden sind. Überraschung: Die engagierte Leiterin ist die sexy Fremde …

DEBBI RAWLINS

Heimliche Weihnachtswünsche

Was nicht auf Jack Carringtons Wunschliste steht: der Verkauf des familieneigenen Unternehmens. Was allerdings auf den ersten Blick ganz oben auf seiner Wunschliste landet, ist die aufregende Carly Wyatt, die ihn zum Unterschreiben bewegen soll! Ob sie die verführerische Mistelzweig-Strategie fährt, wenn langsam die Weihnachtsbeleuchtung in Chicago ausgeht?

1. KAPITEL

Carrie lehnte sich zur Seite, um zu sehen, ob die Schlange, in der sie stand, bereits kürzer geworden war. Doch es schien sich immer noch nichts verändert zu haben. Es ging einfach nicht weiter.

„Alle Kunden, die einen Wagen reserviert haben, kommen bitte zum rechten Schalter“, verkündete ein Angestellter der Mietwagen-Agentur erneut. „Die anderen bleiben bitte links. Wir werden uns Mühe geben, Ihren Wünschen nachzukommen.“

Carrie zwang sich, ruhig zu bleiben, aber es sah nicht gut aus. Ihr Flug von Sacramento nach Portland würde wohl nicht das Einzige bleiben, was heute nicht klappte. Der für West-Oregon ungewöhnliche Schneesturm war zwar verglichen mit den Wetterverhältnissen im Mittleren Westen lächerlich, aber er genügte, um die Region ins Chaos zu stürzen. Jeder in dieser Schlange hatte dieselbe Idee – niemand wollte auf den nächsten Flug Richtung Norden warten, denn das könnte einen Tag oder vielleicht sogar noch länger dauern. Stattdessen wollte jeder einen Wagen mieten und die Nacht durchfahren, damit er am Weihnachtsmorgen zu Hause ist.

In der Schlange befanden sich Geschäftsleute, die wahrscheinlich auch Kinder hatten und die auf die Ankunft ihrer Väter ebenso sehnsüchtig warteten wie auf die Geschenke vom Weihnachtsmann. Es gab auch Familien wie die junge Mutter ein paar Meter vor Carrie, die ein Baby auf dem Arm trug, dessen rosige, pausbäckige Wange auf ihrer Schulter ruhte. Und es gab sie, Carrie, die keine Kinder hatte, aber deren jüngerer Bruder Shawn morgen Mittag an der Bahnstation in Grafton ankommen würde. Um nichts auf der Welt würde sie den Moment vermissen wollen, ihm neben ihrer Mutter und ihrem Vater auf dem Bahnsteig zuzuwinken. Sie hatte Shawn seit zwei Jahren nicht mehr gesehen. Nicht mehr, seit sie ihn das letzte Mal zum Abschied umarmt hatte, bevor er zu seinem zweiten Einsatz in Afghanistan ausgeschifft worden war. Normalerweise hätte sie immer Leuten mit Kindern den Vorrang gelassen. Aber dieses Mal brauchte sie genauso dringend einen Mietwagen wie sie.

Jemand, der nicht so dringend einen Wagen benötigte, war allem Anschein nach der Mann, der vor ihr stand. Sie hatte sein Gesicht nicht gesehen, aber er musste wie sie ungefähr Anfang dreißig sein, und er war Single oder zumindest kinderlos. Das wusste sie, weil sie ein Handygespräch mitgehört hatte, als sie sich vor einer halben Stunde hinter ihn an der Schlange angestellt hatte. Er hatte seine Mutter begrüßt, ihr erklärt, dass sein Flug gestrichen worden war und dass er sich wieder melden würde, wenn er mehr wüsste. Das war alles gewesen. Kein „Sag den Kindern, ich komme so schnell ich kann“. Kein Folgegespräch mit einer Ehefrau. Er hatte müde und schlecht gelaunt geklungen. Seine ganze Haltung strahlte aus, dass diese Reise nur eine Verpflichtung und nichts weiter war.

Du, dachte Carrie, und starrte auf seinen Nacken, über seiner schwarzen, nach Rauch riechenden Jacke, du solltest die Nacht hier im Flughafen verbringen, wenn der Agentur die Wagen ausgehen. Lass die Menschen, die sich nach Hause sehnen, ihren Wunsch erfüllt bekommen.

Sie betrachtete sein kurzes dunkles Haar und versuchte, etwas zu finden, das sie kritisieren könnte. Doch es gab nichts zu bemängeln. Auch nicht an dem olivfarbenen Seesack, den er sich über die Schulter geschwungen hatte. Der erinnerte sie schließlich an ihren Bruder. Und dann der Hintern in der Jeans – verdammt, er war so wohlgeformt und knackig, dass man daran beim besten Willen nichts aussetzen konnte.

In der Zwischenzeit war Bewegung in die Schlange gekommen, und die junge Mutter mit dem Baby stand jetzt am Schalter. Carrie wäre also gleich nach dem übel gelaunten Mann vor ihr an der Reihe. Gott sei Dank! Sie konnte fast nicht mehr stillstehen. Es war ein Wunder, dass ihr niemand in der Grundschule den Stempel „ADHS“ aufgedrückt hatte. Aber ihre Mutter hatte gemeint, dass sie einfach nur zu viele „Hummeln im Hintern“ hätte, und hatte sie im Sportverein angemeldet. In der Highschool hatte sie als Leichtathletin sogar an Landesmeisterschaften teilgenommen und später für ihre Leistungen ein Stipendium erhalten. Was würde sie jetzt für einen Sport-BH geben! Allerdings war es nicht sicher, was die Flughafensicherheit mit einer Frau anfangen würde, die durch den Terminal sprintete, um nicht verrückt zu werden.

„Der Nächste bitte!“, rief der Angestellte aus, und der Miesepeter trat vor.

„Ich nehme, was ich bekommen kann“, meinte der Mann.

„Wir haben noch genau einen Wagen“, erwiderte der Angestellte, während er etwas eintippte.

Carries Herz setzte einen Moment aus.

„Ich hoffe, Sie fahren gerne Kleinwagen“, fügte er dann mit einem Lächeln hinzu, und sie trat aus einem Anflug von Verzweiflung vor.

„Warten Sie! Entschuldigung“, sagte sie halb zu dem Angestellten, halb zu dem Mann vor dem Schalter. „Es gibt wirklich nur noch einen Wagen?“

In der Schlange hinter ihr, in der ein Dutzend oder mehr Leute warteten, breitete sich ein Raunen aus.

Der Angestellte schien sich zu wappnen, als er sich den Leuten zuwandte. „Das stimmt. Es steht nur noch ein Wagen zur Verfügung. Ich schlage vor, dass sie es nebenan versuchen. Vielleicht haben die ja mehr Autos.“

„Wann kommt der nächste Wagen zurück?“, rief jemand.

„Versuchen Sie es bei der Autovermietung nebenan“, wiederholte der Mann. „Es tut mir leid, aber durch die gestrichenen Flüge haben wir eine größere Nachfrage als erwartet.“

Das rief noch mehr frustriertes Gemurmel hervor, aber viele Leute bewegten sich auch und liefen zur Schlange des anderen Schalters hinüber, um dort ihr Glück zu versuchen. Carrie war das egal. Sie wollte in überhaupt keiner Schlange mehr stehen. Sie wollte endlich losfahren, und dieser Griesgram hatte den letzten Wagen nicht verdient.

„Könnten Sie bitte noch einmal nachschauen?“, fragte sie, während sie neben dem Mann stand, als ob sie ein Paar wären. Sie schaute ihn nicht an, aber sie konnte spüren, wie schlecht gelaunt er war. „Bitte“, sagte sie. „Ich muss unbedingt morgen früh zu Hause sein.“

„Wollen wir das nicht alle?“, murmelte der Angestellte. „Es tut mir leid, Ma’am, aber wir sind ausgebucht.“

Carrie wandte sich dem Muffel an ihrer Seite zu und schaute in haselnussbraune Augen und einen dunklen Drei-Tage-Bart. Ein seltsam vertrautes Gefühl durchfuhr sie. Ein Gefühl, das sie nicht deuten konnte. Aber eines war sicher. Dieser Mann war unverschämt gut aussehend. Hatte sie hier jemanden vor sich, der bekannt war?

„Ich gebe Ihnen einhundert Dollar“, bot sie. „Bitte! Einhundert Dollar, wenn Sie mir diesen Mietwagen überlassen.“

„Ma’am“, begann der Angestellte, doch der schlecht gelaunte Mann unterbrach ihn, als er die Frau, die neben ihm stand, mit zusammengezogenen Augenbrauen anstarrte. „Carrie?“

„Wie bitte?“

„Carrie Baxter.“

Sie blinzelte. „Ja. Kenne ich Sie?“

Seine Augen verdunkelten sich bei ihrer Frage. Er hätte wahrscheinlich die Stirn gerunzelt, wenn er nicht sowieso schon so grimmig ausgesehen hätte. Sie betrachtete ihn, und erneut überfiel sie ein Gefühl des Vertrauten. Im Bett war sie ganz bestimmt nicht mit ihm gewesen. Sie hätte sich an einen so gut aussehenden Mann erinnert. Er hatte ein markantes Gesicht und Augen mit einem unglaublich intensiven Blick.

Oh, verflixt. Warte mal. Diese Augen!

Ein erstauntes „Daniel?“ entfuhr ihren Lippen.

Daniel Barber. Ach, du meine Güte! Der beste Freund ihres Highschool-Freundes. Er kam in der Schule beim Aufrufen immer vor ihr, bis Andrea Batagglia in die Stadt zog und sich symbolisch betrachtet im Alphabet zwischen sie drängte. Er sah immer noch so verärgert und missmutig aus, wie er es bereits als Teenager getan hatte. Und er zeigte ebenso wenig Mitgefühl wie am Tag, als er ihre Beziehung zerstört hatte.

„Willst du nach Hause fahren?“, fragte er. „Nach Grafton?“

„Ja.“ Oh … „Du auch?“

„Ja.“

Oh …? Oh, nein! Acht Stunden mit Daniel Barber in einem Wagen zu sitzen, bei Eis und Schnee wahrscheinlich noch länger, wäre unerträglich.

„Zweihundert Dollar?“, wagte sie sich vor.

„Lass uns doch den Wagen gemeinsam nehmen“, erwiderte er steif. Sein Ton verriet, dass ihm dieses Angebot niemals in den Sinn gekommen wäre, wenn mehr Autos zur Verfügung gestanden hätten.

Hatte sie überhaupt eine Chance, als stundenlang in einem Wagen mit der Erwachsenen-Version des ewig schlecht gelaunten Teenagers zu sitzen, der sie in der Highschool immer ein wenig eingeschüchtert und sie finster angeschaut hatte, wenn sie ihn und ihren Freund in einem ihrer unsinnigen Jungsgesprächen gestört hatte. Der sie vielleicht zweimal in der insgesamt zwölfjährigen Kleinstadt-Schulzeit angelächelt hatte. Der zwischen ihrem Lauftraining auf der Tribüne geraucht und sie durch die Treppen hinweg kühl und irgendwie geheimnisvoll angeschaut hatte. Er hatte auch Bass in der Band ihres Freundes gespielt und sie mit verächtlichen Blicken dafür gestraft, wenn sie beim Üben dabei war. Und er hatte mutwillig ihre Beziehung mit Matt zerstört.

Aber jetzt, dreizehn Jahre später, waren sie nur noch Fremde. Zwei Menschen Anfang dreißig, die in die gleiche Richtung fahren wollten und die beide nur einen Wunsch hatten: an Weihnachten zu Hause zu sein.

„Also gut“, erklärte sie. „So machen wir es. Wir können uns mit dem Fahren abwechseln.“ Und auch mit dem Schlafen. Auf diese Weise würden sie nicht viel miteinander reden müssen.

Daniel wandte sich wieder dem Angestellten zu und unterschrieb den Vertrag, während Carrie ihren Führerschein reichte, sodass er mit ihrer Versicherung abgedeckt war. Aus heiterem Himmel war ihr Schicksal für einige Stunden mit dem Mann verknüpft, der ihre Teenagerjahre so schwierig gemacht hatte.

Daniel Barber, der ihr niemals auch nur einen Blick geschenkt hatte, der nicht feindlich oder zumindest verärgert gewesen war.

Daniel Barber, der einen Keil zwischen sie und ihre erste Liebe getrieben und Matt dazu gebracht hatte, ihr Herz zwei Tage vor dem Abschlussball zu brechen, indem er Schluss machte.

Er war die Geißel ihrer Jugend gewesen und würde jetzt für eine unangenehme Autofahrt sorgen.

Obwohl – sie warf ihm einen verstohlenen Blick zu. Der ungezogene Ignorant von damals hatte sich in einen verdammt gut aussehenden Mann verwandelt.

2. KAPITEL

„Ernsthaft?“, fragte Daniel, als sie vor dem Mietwagen auf dem fast leeren Parkplatz standen.

Der Wagen war klein. Und dazu noch ein typisches Frauenauto. Ein beigefarbener Fiat 500 mit roten Sitzen. Unter anderen Umständen wäre Carrie entzückt gewesen, aber es gab einen Grund, warum dieser Wagen als Letzter vermietet wurde. Mit diesem winzigen Gefährt bei Eis und Schnee hinauszufahren war nicht gerade ein kluger Zug.

Aber klug zu sein war ein Luxus, den sie sich beide im Moment nicht leisten konnten. „Er ist hübsch“, verteidigte sie den Wagen.

„Ein richtiges Auto muss nicht hübsch sein, sondern sicher und PS unter der Haube haben.“

„Hör auf, bevor du noch sein Selbstbewusstsein ruinierst.“ Sie nahm Daniel den Schlüssel aus der Hand und öffnete den Kofferraum, um ihr Gepäck zu verstauen. „Ich werde zuerst fahren. Ich möchte ihn kennenlernen, bevor der Straßenzustand bedenklich wird.“

Daniel schien das nichts auszumachen und ging zur Beifahrerseite hinüber. Er setzte sich und sah zu, wie Carrie sich mit dem Wagen vertraut machte.

„Schnall dich an“, forderte sie ihn auf und fuhr los, nachdem sie ihm ihr Handy gereicht hatte. „Öffne das integrierte Navy und sieh zu, ob du Grafton eingeben kannst.“

„Nein.“ Er steckte das Handy in den Becherhalter zwischen ihnen.

„Doch“, entgegnete sie und warf ihm einen herausfordernden Blick zu, als sie den Wagen vom Parkplatz hinaus auf die Straße fuhr. „Ich werde mich nicht bei diesem Wetter verirren, nur weil du deinen Willen durchsetzen willst.“

„Und ich werde nicht über fünfhundert Meilen einer Roboterstimme zuhören, die uns erklärt, dass wir auf der I-5 Nord bleiben sollen.“

„Dann sag mir bitte, wie ich die I-5 finde, du Genie.“

Er wies gelassen auf ein Schild, das gut sichtbar an der nächsten Biegung der Straße stand.

Sie runzelte die Stirn. „Also gut, aber ich bin für das Radio zuständig.“ Sobald sie auf dem Freeway waren, suchte sie nach dem frechsten, poppigsten Sender, den sie finden konnte. Einfach nur, um ihn zu bestrafen.

„Du bist sehr viel bestimmter, als ich dich in Erinnerung habe“, bemerkte Daniel.

Sie überlegte und musste ihm recht geben. Ihr Verhalten war aber nur Schutz, denn sie erwartete, dass er sich herrisch und taktlos verhalten würde. Eben wie Daniel Barber.

„Menschen verändern sich in dreizehn Jahren“, erklärte sie. Und sie konnten in dieser Zeit atemberaubend attraktiv werden. Was sie allerdings vollkommen kalt ließ.

„Bist du zu unserem Zehn-Jahres-Klassentreffen gefahren?“, fragte er.

„Ja, bin ich.“ Und obwohl es über ein Jahrzehnt her war, dass sie Daniel das letzte Mal sah, hatte sie sich doch das ganze Treffen über gefragt, wann er auftauchen würde.

Und ob sie immer noch wütend auf ihn war. War sie noch wütend auf ihn? Nein, nicht wirklich. Sie und Matt wären sowieso nicht für den Traualtar bestimmt gewesen. Wahrscheinlich hätten sie noch eine kurze Fernbeziehung geführt, als sie beide auf unterschiedliche Colleges gingen, und sich dann in den Weihnachtsferien getrennt. Trotzdem hätte Daniel sich nicht einmischen dürfen.

„War Matt auch da?“, fragte er.

„Ja.“

„Habt ihr eure kleine Highschool-Romanze fortsetzen können?“, fragte er mit einem leicht abfälligen Unterton.

Oh, du meinst die zweieinhalb Jahre dauernde prägendste Beziehung meines Lebens? Die du ruinierst hast, indem du Matt wer weiß was für Schauergeschichten über mich erzählt hast? Du meinst diese kleine Geschichte?

„Nein“, erwiderte sie kühl. „Wir haben ein paarmal zusammen getanzt, aber er ist jetzt verheiratet und hat ein Baby. Habt ihr beiden keinen Kontakt mehr?“

„Facebook ist nicht wirklich mein Ding.“

„Telefon und Handys auch nicht?“, entgegnete sie. „Matts Handy schien sehr gut zu funktionieren, und soweit ich mich erinnern kann, hat er auch ein Festnetz-Telefon.“

Sie hörte, wie er leise verächtlich schnaubte. Dieses Geräusch brachte Erinnerungen zurück. Wenn sie eines kannte, dann war es Verachtung und Spott von Daniel Barber.

„Er scheint glücklich zu sein“, erklärte sie. „Ich habe seine Frau kennengelernt, und sie ist wirklich nett. Sie leben nur zehn Kilometer von meinen Eltern entfernt.“

„Ist sie hübsch?“

„Seine Frau? Ja. Sehr sogar.“

„Hat dich das unangenehm berührt?“

Du lieber Himmel! Musste er sogar nach dreizehn Jahren noch genauso sein wie früher? So gemein und immer darauf bedacht, Leute zu verunsichern?“

„Nein. Wir sind seit Jahren getrennt. Warum sollte es unangenehm sein? Selbst wenn die Frau noch so attraktiv ist.“

„Selbst wenn er derjenige war, der Schluss gemacht hat?“

Sie biss die Zähne zusammen. „Warum fragst du? Willst du dir Notizen über emotionale Reaktionen bei Menschen machen?“ Er könnte sie bei Gott gebrauchen. Sie warf einen Blick zur Seite und sah ihn im schwachen Schein der Armaturenbeleuchtung lächeln. Oh doch, auch er hatte Gefühle, aber sie hatten alle was mit Selbstzufriedenheit und Verachtung zu tun.

„Bist du immer noch wütend auf mich, weil du damals ja offensichtlich etwas unglaublich Abstoßendes über mich herausgefunden hast?“, fragte sie. „Es muss so schlimm gewesen sein, dass du Matt davon überzeugen musstest, mich zu verlassen?“

Könnte Loyalität tatsächlich auf seiner kurzen Liste von Überzeugungen und Gefühlen stehen?

Als er nicht antwortete, drehte sie das Radio lauter. „Ich wollte mich nur ein wenig unterhalten“, erklärte sie und ärgerte sich, dass er sich noch nicht einmal die Mühe machte, das Geschehene zu leugnen.

Nach zwei Stunden Fahrt verließ Carrie den Freeway in der Nähe von Red Bluff. „Ich werde noch weitere hundert Meilen fahren, aber ich brauche jetzt einen Boxenstopp.“

„Wie du willst.“

Sie fuhr mit dem Wagen an eine Tankstelle. Daniel tankte, während Carrie sich einen Kaffee besorgte und sich die Beine vertrat. Sie schaute durch das Schaufenster des Tankstellenladens hinaus und betrachtete die ihr vertraute Person, wie sie neben dem kleinen Wagen stand und Benzin einfüllte. Er schien sich nicht sehr verändert zu haben. Er benahm sich immer noch gleich, hatte denselben herzlosen Sinn für Humor. Aber sein Äußeres war verändert. Er war jetzt ein wenig größer und sehr viel breiter. Seine Schultern und seine Brust wirkten breit in seiner Jacke, und seine Oberschenkel waren muskulös. Sein Hinterteil war knackig und füllte die Jeans gut aus. Er war jetzt ein Mann, trug aber immer noch die Lasten seiner Jugend mit sich herum.

Er hatte auch noch denselben Blick. Sie schloss ihre Augen und fühlte, wie sich langsam ein pochender Kopfschmerz anbahnte.

Und der traurigste Teil war, dass es einmal eine Zeit gegeben hatte, in der die Gedanken an ihn sie wachgehalten hatte. Als ihr Körper vor Sehnsucht nach seinem geprickelt hatte, obwohl sie damals mit Matt zusammen gewesen war. Sie hatte damals daran gedacht, sich von Matt zu trennen, und darunter gelitten, dass sie solche Gedanken hatte. Was musste man für ein abscheuliches Monster sein, wenn man sich zu dem besten Freund seines Freundes hingezogen fühlte. Was für ein Typ von Mädchen musste man sein, um so etwas zu tun?

Sie wusste heute, dass sie all die Zeichen falsch gedeutet hatte. Sie hatte pure Lust mit romantischen Gefühlen verwechselt. Sie hatte Daniel begehrt, das war alles gewesen. Sie hatte viel zu viel hineininterpretiert, und sie hatte sich so schuldig gefühlt, dass sie fast mit Matt Schluss gemacht hätte. Bis er es dann für sie erledigt hatte.

Doch als sie sich wieder hinter das Lenkrad setzte, entschloss sie sich, dieser Sache noch einmal genauer nachzugehen. Sie weigerte sich zu glauben, dass sie jemanden so begehren könnte, wenn sie nicht gespürt hätte, dass sich in seinem Inneren etwas Wertvolles verbarg.

Als sie sich wieder auf der I-5 befanden, stellte sie das Radio leiser und wagte sich erneut an eine Unterhaltung heran.

„Nun, ich nehme an, dass keiner von uns beiden in Sacramento lebt, ansonsten würden wir diesen Trip in unseren eigenen Wagen machen. Wo lebst du jetzt?“

„Coalinga.“

„Ist das in der Nähe von Fresno?“

„Mehr oder weniger. Wohnst du noch in San Francisco?“

Was war denn das? Er ging tatsächlich auf ihren Versuch, eine Unterhaltung zu beginnen, ein.

„Ja“, erwiderte sie. „Sunset.“

Seltsam, er erinnerte sich, auf welches College sie gegangen war. Aber schließlich war es fast peinlich, an wie viele Dinge sie sich erinnerte. Zum Beispiel, wie seine alte Jacke gerochen hat. Sie hatte die graue Kapuzenjacke über der Stuhllehne in der Küche von Matts Eltern gefunden. Sie hatte dem Impuls nachgegeben und die Jacke an ihre Nase gehalten und tief eingeatmet. Sie hatte den leichten Geruch von Zigarettenrauch wahrgenommen, aber auch andere Dinge. Es war der Duft heranreifender Männlichkeit, dem von Matt ähnlich, aber doch anders.

Er hatte sie neugierig gemacht, ob seine Küsse anders als die von Matt schmecken würden. Dieser Duft hatte viele Fragen in ihr geweckt, für die sie sich schuldig gefühlt hatte. Ihr war dadurch klar geworden, dass Märchen und Liebesromane nicht recht hatten. Man konnte jemanden lieben und einen anderen Menschen begehren.

Natürlich hatte sie sich immer wieder gefragt, was diese Anziehungskraft, die Daniel auf sie ausübte, bedeutete. Liebte sie Matt nicht genug? War sie zu sehr auf sich selbst bezogen und egoistisch? Schließlich war Matt umso vieles netter und liebenswerter als Daniel.

„Worin hast du deinen Abschluss gemacht?“, fragte Daniel nach einer Weile.

„Betriebswirtschaft.“

„Und wozu benutzt du ihn?“, fragte er. Sie konnte nicht sagen, ob er es schon wieder spöttisch meinte, obwohl er Geschäftsleute wohl im Allgemeinen verachtete. Er war wahrscheinlich im letzten überlebenden Plattenladen angestellt. Oder professioneller Störenfried, der, wo er konnte, Leute aus dem Gleichgewicht brachte.

„Ich leite ein Kletter-Studio“, erklärte Carrie ihm.

„Wie bitte?“

„Du weißt schon, diese Orte, in denen du in einer Halle klettern lernen kannst. Das Beste zwischen San Francisco und San Jose“, trällerte sie, indem sie die TV-Werbung nachmachte. „Mit einer Halle, die über zweihundert Meter hoch ist und in der du über siebzig Aufstiege findest, für jeden Leistungslevel etwas.“

„Das ist merkwürdig.“

„Ja, ein bisschen, aber es wirft ordentlich Gewinn ab, und sie geben mir freie Hand, wenn ich neue Dinge einführen will. Es ist auch eine gute Sache, um Kontakte zu knüpfen, da ich mich eines Tages selbstständig machen will. Außerdem habe ich jetzt durchtrainierte Arme, und es hängen immer Männer mit nacktem Oberkörper in den Wänden.“

Als er nicht auf ihren kleinen Witz einging, wechselte sie das Thema. „Spielst du immer noch Bass?“

„Nein.“

„Das ist schade. Du warst noch einer der halbwegs Talentierten in dieser Band.“

„Halbwegs talentiert ist nicht genug, um sich als Musiker berufen zu fühlen. Ich habe sowieso nur Bass gespielt, um bei Matt herumhängen zu können.“

Sie dachte über seine Worte nach. Sie hatte immer vermutet, dass sein Zuhause keine Idylle war. Als sie älter wurde und neue Freunde aus zerrütteten Familien kennenlernte, war ihr erst richtig klar geworden, wie schrecklich manche Kindheiten waren. Sie wusste, dass er am Ende seiner Highschool-Zeit bei seiner Großmutter gelebt hatte. Carrie hoffte, dass sie in den nächsten Stunden den Mut haben würde, ihn ein wenig auszufragen.

Für eine Weile herrschte Schweigen in dem kleinen Fiat. Carrie ertappte sich dabei, wie sie vor Müdigkeit blinzeln musste. Sie trug Kontaktlinsen, und ihre Augen waren überanstrengt. „Ich hasse es, nachts zu fahren.“

„Ich werde jetzt übernehmen.“

„Das ist wohl das Beste.“ Je näher sie der Grenze von Oregon kamen, umso böiger wurde der Wind. „Ich werde fahren, bis wir in Shasta sind.“

Sie wechselten eine halbe Stunde später die Sitze. Carrie war erleichtert, denn ihre Kopfschmerzen hatten sich verstärkt. Sie seufzte, als Daniel zurück auf den Freeway fuhr. „Wir sollten jetzt bereits in Grafton sein. Ich könnte längst mit dem zweiten Glas Wein gemütlich bei meiner Mutter sitzen und den Anblick des Christbaumes genießen.“

Daniel verriet nichts über seine eigenen Pläne, und sie überlegte, wie sie aussehen könnten. Sie war nie in dem Haus seiner Eltern gewesen – ein kleines, etwas heruntergekommenes Haus am Stadtrand, auf dessen Vorgartenrasen immer ein Auto stand, das langsam vor sich hinrostete. Es war einer jener Orte, an denen sich die Bierpackungen stapelten und die Leute sich viel stritten. Herzliche Weihnachtsgrüße von den Barbers.

„Hat dein Dad jemals den Wagen repariert, der immer auf dem Rasen vor eurem Haus stand?“

„Nein. Er hat nie etwas zu Ende gebracht.“

„Leben sie immer noch in dem Haus in der Nähe des Teiches?“, fragte sie.

Er nickte. „Ja.“

„Wirst du dort über Weihnachten schlafen?“

Es hatte leicht zu regnen begonnen, und Daniel stellte die Scheibenwischer an. „Nein, bei meiner Großmutter. Meine Mutter sollte mich in Portland abholen und mich zu ihr fahren. Ich bin sicher, dass sie froh ist, dass der Schneesturm ihr diese Arbeit abgenommen hat.“

„Das Haus deiner Großmutter … Jetzt kann ich mir vorstellen, wie du mit ihr Tee trinkst und selbst gemachte Kekse isst.“

„Kaum das Bild, das zu meiner Großmutter passt, aber sie kann gute Kekse backen.“

„Mit Zuckerguss?“

Er schüttelte den Kopf. „Lebkuchen.“

„Glühwein?“

„Ich trinke nicht“, gestand er nach einer Pause.

„Oh.“ Interessant.

„Zumindest nicht seit einigen Jahren.“

„Gibt es Gründe dafür?“

„Ja.“

„Alkoholsucht?“

Er lachte leise. „Nein. Eher weil mich Alkohol in einen noch unerträglicheren Zeitgenossen verwandelt, als ich es normalerweise bereits bin.“

„Ah.“ Carries Herz wurde ein wenig weicher, als sie sein Eingeständnis hörte. „Nun, das ist ein guter Grund, abstinent zu bleiben. Mir gefällt, was ein Glas Wein bei mir auslöst. Es gibt meinem Gehirn die Erlaubnis, für ein oder zwei Stunden einmal nicht alles zu hinterfragen.“

Er lächelte leicht, den Blick auf die Straße gerichtet. „Du warst lustig, wenn du betrunken warst.“

„Ach, du liebe Güte! Ich trinke nicht mehr so viel wie damals auf den Partys.“

Wer wusste, wie peinlich sie auf nüchterne Betrachter gewirkt haben musste. Wie peinlich sie auf Daniel gewirkt haben musste. Sie erinnerte sich an eine Party im Haus eines der beliebten Mädchen. Sie wusste nicht, wie viele Gläser Sprite mit Wodka sie getrunken hatte. Daniel kam spät auf diese Party und auch nur deswegen, weil Matt ihn fast genötigt hatte. Er war nüchtern gewesen, sie betrunken. Sie erinnerte sich, wie sie auf dem Boden gesessen und über irgendetwas gekichert hatte. Einige der Gäste waren mit einem Videospiel beschäftigt gewesen, und Daniel hatte sich neben sie gesetzt. Sie wusste nicht mehr, was sie zu ihm gesagt hatte, aber selbst nach so langer Zeit kannte sie noch jedes Wort seiner Antwort.

Du bist ganz schön hinüber, nicht wahr? Er hatte es mit einem leichten Lächeln gesagt und einem Glimmen in den Augen, das sie trotz des Humors für echte Zuneigung gehalten hatte. Nicht, dass man ihrem Urteilsvermögen zu diesem Zeitpunkt hätte trauen können. Wahrscheinlich hatte er sie nur verspottet.

„Ich bleibe jetzt bei Bier und Wein. Mäßigung ist das Stichwort“, meinte sie. „Rauchst du immer noch?“

Daniel schüttelte den Kopf.

Sie lachte. „Glaubst du, ich würde den Rauch nicht riechen?“

„Ich habe mit dem Rauchen aufgehört, als ich zweiundzwanzig war.“

„Dann ist es höchste Zeit, dass du deinen … Verdammt, pass auf!“ Ein großer Lieferwagen schlingerte vor ihnen auf der Fahrbahn.

Daniel warf einen Blick nach hinten und wechselte rasch nach links auf die Überholspur. „Jesus.“ Er wirkte ebenso erschrocken wie sie.

„Es hat sich stellenweise Glatteis gebildet.“ Sie legte eine Hand auf ihr wild schlagendes Herz und sah in den Außenspiegel. Der Lastwagen hatte sich wieder gefangen und fuhr normal weiter. „Du hast gut reagiert, Barber“, lobte sie Daniel.

„Was hast du eben sagen wollen? Wofür ist es höchste Zeit?“, fragte er nach einer kleinen Pause.

„Du solltest deine Jacke waschen. Sie riecht nach Rauch.“

„Das ist von meinem Job.“ Sein Ton hatte sich verändert. Er klang jetzt leicht defensiv.

„Was hast du denn für einen Job? Türsteher?“ Es war der einzige Beruf, der ihr einfiel, bei dem man in einer Jacke den Rauch anderer Menschen abbekommen würde.

„Ich bin Feuerwehrmann in einer Einheit für Wald- und Flächenbrandeinsätze.“

Sie blinzelte. „Oh.“

„Diese Jacke steckte in der gleichen Tasche wie das Hemd, das ich als Letztes getragen habe“, erklärte er und roch an seinem Ärmel. „Ich habe es erst bemerkt, als ich fast im Flieger saß.“

„Wald- und Flächenbrandeinsätze“, murmelte sie. „Das ist sehr … männlich.“ Und bewundernswert, was sie aber nicht zeigen wollte.

„Es ist ein Job“, erklärte Daniel. „Aber ein interessanter.“

Interessant und gefährlich. Ah! Jetzt, da sie es gedacht hatte, musste Carrie lachen. „Du hattest schon immer einen versteckten Todeswunsch. Genau wie mein Bruder. Er kommt morgen aus Afghanistan zurück.“

„Shawn ist beim Militär? Verdammt.“ Nach einem Moment fügte er hinzu: „Es war allerdings vorauszusehen. Für ihn kam eigentlich nur die Armee und Profi-Football infrage.“

Sie lächelte, überrascht, dass er sich noch an den Namen ihres Bruders erinnerte. „Ich wünschte mir, dass er den Profi-Football gewählt hätte. Das Risiko eines Schädelbasisbruches wäre geringer als jene Gefahren, denen er sich jeden Tag stellen muss.“

„Das glaube ich dir gerne.“

„Wie denkt deine Familie über deine Laufbahn als Feuerwehrmann?“

Er zuckte die Schultern. „Wir reden nicht viel. Es scheint für sie in Ordnung zu sein. Wahrscheinlich sind sie beeindruckt, dass ich überhaupt einen Job habe.“

„Und was ist mit deiner Freundin?“, fragte Carrie und hatte auf einmal einen Kloß im Hals. „Ich weiß nicht, ob ich schlafen könnte, wenn mein Freund sich inmitten eines Flächenbrandes befinden würde. Es ist ja schon schlimm genug, es in den Nachrichten zu sehen. Wie furchtbar muss es erst sein, wenn sich jemand, den du liebst, dort befindet.“

„Damit habe ich keine Erfahrung. Es gibt keine Frau, die mich genug liebt, um sich Sorgen um mich zu machen.“

Sie starrte auf die Bewegungen der Scheibenwischer und war hin- und hergerissen zwischen einem Gefühl der Traurigkeit und der Erleichterung. Die Traurigkeit war neu. Daniel war früher immer zu abweisend gewesen, um Sympathie hervorzurufen. Warum um alles in der Welt sollte es sie kümmern, dass dieser Mann Single war?

Sie war über ihn seit Jahren hinweg. Über beides – über die Sehnsucht nach ihm und über die Bitterkeit, die er stets in ihr hervorgerufen hatte. Und das Letztere sollte das Erste ausgetrieben haben. Sollte!

Er war immer noch schwierig und unzugänglich.

Sie lebten zweihundert Meilen voneinander entfernt.

Sie schob diese Gedanken zur Seite. „Wie ist es dazu gekommen, dass du Feuerwehrmann wurdest?“ Es war ein Job, der Teamwork erforderte. Das passte so gar nicht zu dem Daniel Barber, den sie kannte.

„Ich habe das eine oder andere ausprobiert, scheiterte aber daran, dass ich mit Menschen umgehen musste.“

„Was du nicht sagst.“

Er warf ihr einen komischen Blick zu, und Carry lachte. „Entschuldige, dieser Witz war zu platt.“

„Wie auch immer. Ich weiß selbst nicht, wie es passiert ist. Ich habe einmal an einem Vortrag über diese Arbeit teilgenommen. Es hat mich interessiert und wird auch gut bezahlt. Also habe ich mich ausbilden lassen.“

„Und sie ist interessant?“

Er nickte. „Ich werde das tun, bis ich sterbe.“

Die Art und Weise, wie er es sagte, rief einen Schauer bei ihr hervor. Da unterschied er sich von ihrem Bruder. Shawn liebte das Abenteuer und den Adrenalinkick, aber Daniel schien wirklich Todessehnsucht zu haben. Zumindest kümmerte er sich nicht genug um seine eigene Sicherheit. Er war schon als Kind auf zwanzig Meter hohe Bäume geklettert und hatte auf jedem Schulausflug irgendetwas angestellt. Er war immer zu wagemutig, zu impulsiv gewesen.

„Du rettest also Bäume vor dem Flammentod“, bemerkte sie nachdenklich.

„Ja. Das gehört auch zu mir.“

Tat es das? Sie kannten sich beide seit dem Kindergarten. Wie kam es, dass Carrie überhaupt nicht das Gefühl hatte, diesen Mann zu kennen?

„Du bist ein komischer Kauz, Daniel.“

„Ich kann mich nicht erinnern, dich nach deiner Meinung gefragt zu haben.“

„Ich kann mich nicht erinnern, dass du dich jemals um die Meinung anderer Leute gekümmert hast.“ Am wenigsten um die von ihr. Die nervende Freundin seines besten Freundes, das war alles, was sie je für ihn gewesen war. Eine Streberin, die während der Bandproben die Stimmung der Band gestört hatte.

„Nur wenn es dir egal ist, was andere denken, gerätst du in so viele Konfliktsituationen, wie es bei mir der Fall war“, erklärte Daniel abwesend.

Sie runzelte die Stirn und dachte über seine Worte nach. „Das stimmt wahrscheinlich. Ich ging wohl immer davon aus, dass du dich gerne schlägst – und wenn es nur verbal war.“

„Ich bin überrascht, dass du überhaupt an mich gedacht hast.“

„Du warst Matts bester Freund“, meinte sie bedächtig. „Und es war mir nicht entgangen, dass ich nie richtig von dir anerkannt worden war.“

„Das hast du falsch aufgefasst“, erklärte Daniel. „Matt und du, ihr habt wunderbar zusammengepasst.“

Sie erwartete, dass jetzt etwas Gemeines kommen würde. Dass sie gut zusammenpassten, weil sie beide ehrgeizig und langweilig waren.

„Fahr fort“, meinte sie. „Erklär mir, was du damit meinst.“

„Was gibt es da zu erklären? Es ist die Wahrheit. Ihr beide habt gut zusammengepasst und euch verdient.“

„Und …?“ Sie machte eine Bewegung mit der Hand. „Ich weiß es von Matt, dass er sich von mir getrennt hat, weil du es ihm geraten hast.“

„Und nichts“, fügte er achselzuckend hinzu. „Er war ein guter Junge. Du ein nettes Mädchen. Ich habe ihm nie geraten, sich von dir zu trennen.“

„Du hast ihm aber etwas gesagt. Ich habe es aus seinem Mund gehört. Er meinte, ihr beide hättet lange miteinander geredet, und ihm war dadurch klar geworden, dass er die Beziehung zu mir beenden müsste. Vergib mir also, wenn ich angenommen habe, dass du etwas Gemeines über mich gesagt haben musst.“

„Gib mir noch etwas Zeit, dann werde ich es auch tun.“

Sie seufzte und spürte, wie ihre Kopfschmerzen noch stärker wurden. „Wir müssen noch vierhundert Meilen fahren.“

3. KAPITEL

Daniel bemerkte mit Sorge, dass der Schneeregen immer stärker wurde. Die Temperaturen waren in der letzten Stunde wieder angestiegen, aber je weiter sie gen Norden kommen würden, umso kälter würde es wieder werden. Diese wässrigen Flocken würden bald zu Eis und Schnee werden, und er hatte nicht sehr viel Vertrauen in diesen kleinen Mietwagen.

Auf dem Highway war es ruhig. Was für ein Wunder! Nur die Verzweifelten und Dummen waren zu dieser Zeit und bei diesem Wetter unterwegs. Die schlauen Leute saßen in ihrem warmen Zuhause und tranken genüsslich Eggnogg mit ihren Lieben oder was immer nette Leute in den Weihnachtstagen taten. Er hatte seit ungefähr sechs Jahren kein Weihnachten mehr gefeiert.

Wenn er allein unterwegs gewesen wäre, hätte er einige Red Bulls getrunken und wäre durchgefahren. Aber die Gefahr, von der Straße abzukommen und dort mit Carrie die ganze Nacht verbringen zu müssen … Nein, allein diese Fahrt war schon Strafe genug für sie.

Er hatte diese Reise überhaupt nicht machen wollen. Er hätte es auch nicht getan, wenn seine Großmutter ihn nicht darum gebeten hätte.

„Das ist wahrscheinlich mein letztes Weihnachten“, hatte sie ihm erklärt. Sie war zweiundachtzig und keine Frau, die zur Dramatik neigte, und wenn sie spürte, dass es ihr letzter Winter war, glaubte er ihr. „Es gibt nur eines, worum ich dich bitte. Bringe bitte für einen verflixten Tag alle zusammen. Stell alle Verletzungen und Demütigungen, die du erfahren hast, zur Seite und schenk mir ein schönes Weihnachtsfest, damit ich mich an alle erinnern kann, wo immer ich auch hingehen werde.“

Er hatte nicht zweimal darüber nachdenken müssen. Wenn es das war, was sie wollte, dann würde er es für sie tun. Er würde die Eltern, die ihm gleichgültig waren, umarmen, den Groll hinunterschlucken, jede dumme Bemerkung ignorieren, die sein Vater bei jedem Glas Bier machen würde, sich selbst dem Alkohol fernhalten und einen kühlen Kopf behalten. Für seine Großmutter. Das hatte sie verdient. Er liebte sie, was er von niemandem sonst auf der Welt sagen konnte. Wer wusste, was aus ihm geworden wäre, wenn sie ihn nicht die letzten beiden Jahre der Highschool zu sich genommen hätte. Wahrscheinlich hätte er die Schule abgebrochen, irgendeinen Unsinn angestellt und wäre ins Jugendgefängnis gekommen. Und alles nur, um von zu Hause wegzukommen.

Deswegen würde Grandma bekommen, was Grandma wollte.

Er warf Carrie einen Blick zu und fragte sich, wie viele Menschen sie wohl liebte. Wahrscheinlich hundert. Und wahrscheinlich wurde sie von allen zurückgeliebt. Er beneidete sie noch nicht einmal darum, dass sie ein glückliches Weihnachten inmitten von Familie und Freunden in Grafton erwartete. Er wüsste ja noch nicht einmal, wie er all diese Nettigkeit und Liebe ertragen sollte.

Er erinnerte sich, dass er eine Dokumentarsendung über Pferdeflüsterer gesehen hatte und dieses enge Gefühl in seiner Brust bekam. Was immer das für ein Gefühl gewesen war, er kannte es nicht. Er hasste es, wenn bei ihm Gefühle hervorgerufen wurden. Er vermied es, Welpen oder Kätzchen zu betreuen. So niedliche Tiere machten ihn genau wie Babys verletzlich. Wenn er sich um eines kümmerte, würde er seine eigene Unzulänglichkeit spüren und zu weinen beginnen und wahrscheinlich für den Rest seines Lebens eine Therapie brauchen. Jedes Mal, wenn ein Kollege eine Mail über einen Feuerwehrmann sendete, der ein Tier gerettet hatte, schickte Daniel es sofort weiter. Er konnte das Gefühl, das diese Nachricht in ihm hervorrief, nicht ertragen. Es war, als ob jemand sein Herz zusammendrücken würde.

Das letzte Mal hatte er vor vier Jahren geweint, als ein Kollege bei einem Waldbrand außerhalb vom Yosemite Park ums Leben gekommen war. Er hatte so stark darauf reagiert, dass er eine Panikattacke bekam und mit Schock in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste.

Das würde nicht noch einmal passieren.

Gott möge ihm beistehen, wenn seine Grandma wirklich sterben sollte.

Neben ihm hatte Carrie ein Sweatshirt als Kissen benutzt und sich gegen das Wagenfenster gelehnt. Er fragte sich, ob sie schlief.

Er fragte sich, ob sie immer noch schnarchte.

Er fragte sich, ob sie immer noch das gleiche Shampoo wie in der Highschool benutzte. Das, was ihre Haare nach Erdbeeren duften ließ.

Daniel zuckte zusammen, als sie schließlich nach einer Stunde Pause das Wort an ihn richtete. „Es ist nach Mitternacht.“

„Ja.“

„Frohe Weihnachten, Daniel.“

„Oh ja, richtig. Die wünsche ich dir auch.“

„Du kannst den Sender wechseln, wenn du möchtest.“

Er hatte vergessen, dass das Radio an war. Die Werbung und die Popsongs waren in das gleichmäßige Geräusch übergegangen, das die Scheibenwischer machten. Er stellte das Radio ab.

„Jetzt geht es wirklich los.“ Carrie setzte sich auf und ballte ihren Sweater im Schoß zusammen. Sie hatte recht. Der Schneeregen hatte sich in Schneeflocken verwandelt. Das würde nicht gut enden. Der Westen Oregons war nicht für Schnee und Eis ausgerüstet. Bereits fünfzehn Zentimeter Schnee konnten einen ganzen Landstrich lahmlegen.

„Wenn es zu schlimm wird, werden wir ein Hotel finden“, bot er an und hoffte, dass es freie Zimmer gab und die meisten Menschen ihren Zielort bereits erreicht hatten.

„Oder eine Krippe“, spaßte Carrie. „Falls meine jungfräuliche Geburt früher beginnen sollte.“ Sie strich über das Sweater-Knäuel in ihrem Schoß.

Daniel grinste und verdrängte dann rasch die Eifersucht, die ihn durchfuhr. Er wusste ohne Zweifel, dass sie keine Jungfrau mehr war. Er war einmal mit Matt, ihr und einem weiteren Freund campen gegangen, und die Laute aus dem Nebenzelt waren eindeutig gewesen. Aber es kümmerte ihn nicht, ob sie oder irgendeine andere Frau Jungfrau war oder nicht. Es kümmerte ihn nicht, was für intime Dinge Matt über sie verraten hatte. Weder wie sich ihr Körper anfühlte noch wie sie sich verhielt, wenn sie erregt war, oder welche Dinge sie flüsterte. Es interessierte ihn nicht die Bohne. Absolut nicht.

Du lieber Himmel, bin ich ein Idiot.

Allmählich machte sich die späte Stunde bemerkbar. Daniel hätte sich vorwerfen können, dass er nicht ein wenig geschlafen hatte, als Carrie gefahren war, aber er wusste, dass ihm das nie gelungen wäre. Er war viel zu schockiert darüber, sich in einer derartigen Situation wiederzufinden. Er war mit der Frau, über die hinwegzukommen er Jahre gebraucht hatte, in einem winzigen Wagen eingeschlossen. Erst drei Jahre nach seinem Highschool-Abschluss hatte er aufgehört, ständig an sie zu denken, von ihr zu träumen oder sich ihr Gesicht in bestimmten lustvollen Situationen vorzustellen. Drei Jahre hatte er gebraucht, obwohl er sie nie geküsst und niemals ihre Hand gehalten hatte. An schlafen war also in dieser Nacht nicht zu denken.

„Oregon heißt uns willkommen“, murmelte Carrie, als ein Schild am Straßenrand verriet, dass sie die Grenze überquert hatten. Der Wind war noch stärker geworden, als sie Siskiyou erreichten.

„Schau mal in deinem schlauen Handy nach.“ Daniel wies mit dem Kopf auf den Becherhalter. „Sieh mal nach, wie das Wetter im Rogue Valley aussieht.“ Auch wenn das Wissen nichts änderte – es gab nur eine vernünftige Straße, die man nehmen konnte.

„Auch das noch“, stöhnte sie. „Ich habe nur einen Balken. Das bedeutet, wir haben hier schlechten Empfang.“

Er warf Carrie einen verstohlenen Blick zu, während sie etwas in ihrem Handy eintippte. Sie hatte immer noch eine wundervolle Haut. Ihr Haar trug sie kürzer und in Stufen geschnitten, aber sie hatte es nicht hellblond gefärbt oder sonst die Farbe verändert. Es war noch lang genug, damit sie einen Pferdeschwanz tragen konnte. Er konnte wetten, dass sie immer noch joggte. Laufen hatte immer zu ihrem Leben gehört.

Er hatte versteckt hinter den Sitzen und Bänken auf der Tribüne geraucht und sie beim Training beobachtet. Er hatte immer gedacht, dass sie mit ihrem wippenden Pferdeschwanz aussah, als ob sie aus ihrer spießigen Heimatstadt hinaus zu einem besseren Ort laufen würde. Es hatte ihm immer gefallen, dass sie hübsch genug war, um eines der beliebtesten Mädchen zu sein, ohne sich um ihr Aussehen zu kümmern. Sie hatte fast nie Make-up getragen, und es machte ihr nichts aus, beim Training verschwitzt und zerzaust auszusehen.

„In Ashland liegen die Temperaturen um den Gefrierpunkt“, meinte sie. „Leicht überfrierende Nässe. Es scheint aber nicht so schlimm zu sein.“

„Und was ist mit Grass Pass?“

Sie gab den Namen ein und wartete. „Ein Grad über null und starker Regen.“

Das könnte unangenehm werden, wenn die Temperatur noch weiter fiel. Vor allem, weil der Wagen auf Eis so verkehrssicher wie ein Puck war.

„Wenn es noch schlimmer wird, sollten wir einen Halt machen. Zumindest bis die Straßen gestreut sind.“

Carrie wirkte alarmiert.

„Was ist?“, fragte Daniel.

Sie sank in den Sitz zurück. „Nichts. Du hast recht. Wir müssen vernünftig sein. Es ist nur so, dass ich wirklich, wirklich gerne Shawn am Bahnhof begrüßen würde.“

„Oh, stimmt.“

Oh Mann, was für ein Gefühl war das, jemanden zu vermissen? Daniel liebte seine Großmutter, aber er war sich nicht sicher, ob er sie vermisste. Sie war so in den Schlamassel seiner Kindheit und Jugend verwoben, dass es schwer war, sich nach ihr zu sehnen. Außerdem bedeutete ein Treffen immer ein Wiedersehen mit Grafton. Ein Ort, an den er wenig gute, dafür aber tonnenweise schlechte Erinnerungen hatte. Warum vermisste er Matt nicht? Sein bester Freund, in dessen Haus er wer weiß wie oft Zuflucht gesucht und mit dem er in einer Band gespielt hatte, wie schlecht sie auch gewesen sein mochte. Es hatte ihm nie etwas ausgemacht. Ihm gefiel es sowieso nicht, bekannt zu sein. Jeder, der Daniel wirklich gut kannte – Matt, seine Großmutter, der eine nette Psychologe –, wusste, wie verletzlich er war und dass er Mauern um sich herum gebaut hatte, um Menschen von sich fernzuhalten.

Daniel hatte Carrie auch nicht vermisst. Er hatte sich die Jahre nach dem Abschluss nach ihr verzehrt. Aber das war etwas anderes gewesen.

Neben ihm rutschte Carrie unruhig auf dem Sitz hin und her.

„Ist alles in Ordnung?“

„Ich bin nur unruhig. Das ist bei mir auf langen Autoreisen immer so.“

„Du konntest noch nie still sitzen.“

Sie lächelt, dachte er. Er konnte es nicht sehen, es aber wie eine warme Brise spüren.

„Du …“ Er schnappte nach Luft, als der Wagen plötzlich außer Kontrolle geriet.

Carrie schrie auf und klammerte sich am Sitz fest, als der Wagen an den Leitplanken entlangschlitterte. Metall traf auf Metall. Es quietschte und kreischte, und Funken sprangen. Mit laut klopfendem Herzen trat Daniel immer wieder auf die Bremse, bis der Wagen schließlich zum Halt kam.

„Du meine Güte!“, stieß Carrie hervor. Hinter den Leitplanken ging es steil nach unten. Es war nur ein tiefer Graben, aber durch Daniels Körper hätte nicht mehr Adrenalin pumpen können, wenn es der Grand Canyon gewesen wäre.

Er stieß laut den Atem aus. „Verdammt!“

Ein Scheinwerfer und der Seitenspiegel waren beschädigt, aber der Wagen fuhr noch, und am Armaturenbrett leuchtete keine Kontrollleuchte auf. Offensichtlich war sonst noch alles intakt.

„Glücklicherweise sind wir versichert“, meinte Carrie, nachdem ihr Atem wieder normaler ging.

Er war zu schockiert, um zu lachen, sondern sank überwältigt von einer Mischung aus Entsetzen, Erleichterung und Schuld auf das Lenkrad. Du lieber Himmel, er hätte sie umbringen können.

Er setzte sich auf. „Jetzt ist Schluss. Wir werden irgendwo anhalten.“ Er würde keine Minute länger mehr fahren, als notwendig war.

Er fuhr Richtung Ashland, aber obwohl sie mit zehn Meilen die Stunde dahinkrochen, rutschte der Wagen manchmal weg. Es schneite dicke, nasse Flocken, und obwohl die Temperatur langsam über null stieg, hatte sich stellenweise gefährliches Glatteis gebildet. Wahrscheinlich bekam Carrie nicht alles mit, da ihre Hände nicht am Lenkrad lagen, und sie konnte auch nicht spüren, wie müde er nach diesem erneuten Adrenalin-Flash und einer langen, harten Woche war. Obwohl der Winter normalerweise nicht so unbarmherzig wie Waldbrände war, konnten die Straßenverhältnisse doch zu Gefahren führen. Daniel hatte drei Tage zuvor im Südwesten von Nevada einige Tage geholfen, einen Flächenbrand einzudämmen, und er schlief nach einem Einsatz immer schlecht. Es ging bereits auf ein Uhr nachts zu, und er war erschöpft und müde bis in die Knochen.

Er verließ die Straße bei der nächsten Abfahrt. „Wir werden früh weiterfahren“, versprach er. „Wenn der Morgen anbricht, werden die Straßen gestreut sein. Es ist besser, irgendwo in einem Motel ein wenig Schlaf zu bekommen, als in dem winzigen Wagen am Straßenrand im Niemandsland auszuharren.“

„Du hast recht.“

„Kannst du dein allwissendes Handy fragen, ob es irgendwo in der Nähe ein Motel gibt?“

„Klar.“

„Oh, warte. Ich sehe eins.“ Ein Reklameschild leuchtete durch den fallenden Schnee.

„Das war leicht“, bemerkte Carrie.

Doch das war es leider nicht. Als sie näher kamen, zeigten rote Neonlichter an, dass alle Zimmer belegt waren. Daniel fuhr trotzdem unter die Überdachung des Parkplatzes und war froh, dass sie sich nicht den Hals auf dem vereisten Asphalt brechen würden.

Sie stiegen aus, und Carrie tätschelte die Motorhaube des Wagens. „Armes Ding, hat ein Auge und ein Ohr verloren“, meinte sie traurig und spielte auf den ramponierten Scheinwerfer und den Seitenspiegel an.

„Besser er als wir.“ Er betrat das Motel und ging auf die Rezeption zu.

„Es tut mir sehr leid, aber wir sind ausgebucht“, erklärte die Frau hinter dem Tresen mit einem Stirnrunzeln. „Auf dem Weg nach Norden sind viele Reisende hier hängen geblieben.“

„Gibt es in der Nähe noch andere Hotels?“, fragte Carrie.

„Ja, zwei, aber wie wir gehört haben, ist das La Quinta bereits voll. Im Evergreen soll es noch wenige Zimmer geben. Das ist ungefähr drei Meilen von hier. Sie müssen einfach nur die Straße weiterfahren.“

„Danke“, sagte Carrie. „Wir werden es dort versuchen.“

Die Straßenverhältnisse waren innerhalb der letzten zehn Minuten noch schlechter geworden. Sie war praktisch spiegelglatt, und nirgendwo war ein Streuwagen zu sehen.

„Jesus“, murmelte Daniel. „Schlimmer könnte es nicht sein. Es wäre besser gewesen, wenn dieses Motel ein Zimmer für uns gehabt hätte.“

Bereits nach einigen Metern verlor der Wagen fast wieder die Kontrolle, und Daniel war gezwungen, nahezu im Schritttempo zu fahren.

Nach einer Weile, die beiden wie eine Ewigkeit vorkam, erschien das Neonzeichen des Evergreen Motor Inns vor ihnen auf der Straße. Falls es hier keine Zimmer gäbe, wäre trotzdem nicht an Weiterfahren zu denken. In diesem Fall würden sie bitten müssen, sich ein paar Stunden in der Lobby aufhalten zu dürfen, bis die Straßen gestreut wären.

„Das Schild ‚Zimmer frei‘ leuchtet auf“, meinte Carrie hoffnungsvoll. Nachdem sie geparkt hatten, holte sie ihren Koffer aus dem Kofferraum, und Daniel wäre fast auf dem Eis ausgerutscht, als er ihrem Beispiel folgte. Irgendwie gelang es ihnen, über das Eis zum Eingang des Motels hinüberzuschlittern.

„Frohe Weihnachten“, sagte Carrie, als die Angestellte den Blick vom Bildschirm des Computers nahm.

„Frohe Weihnachten. Ihr beide seid ja mutig, bei diesem Wetter zu fahren.“

„Bitte, sagen Sie uns, dass Sie noch Zimmer frei haben“, meinte Carrie und setzte den Koffer vor der Rezeption ab.

„Sie haben Glück! Wir haben noch eins.“

Daniel zog fragend die Augenbrauen hoch.

„Okay“, meinte Carrie. „Aber hat es getrennte Betten?“

Die Rezeptionistin lächelte. „Ihr beide seid nicht zusammen?“

Beide schüttelten energisch den Kopf.

„Es tut mir sehr leid, aber es ist nur ein Bett. Allerdings ein sehr großes“, erwiderte die Frau. „Es ist die Hochzeitssuite.“

Daniel warf Carrie einen fast verzweifelten Blick zu. Du lieber Himmel, machte das Schicksal sich über sie lustig?

„Wir nehmen es“, erklärte Carrie. Was hatten sie sonst für eine Wahl? Daniel reichte der Angestellten seine Kreditkarte.

Autor

Debbi Rawlins

Endlich daheim – so fühlt Debbi Rawlins sich, seit sie mit ihrem Mann in Las Vegas, Nevada, lebt. Nach viel zu vielen Umzügen beabsichtigt sie nicht, noch ein einziges Mal den Wohnort zu wechseln. Debbie Rawlins stammt ursprünglich aus Hawaii, heiratete in Maui und lebte danach u.a. in Cincinnati, Chicago,...

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Leslie Kelly ist als Romance-Autorin bekannt für ihre zauberhaften Charaktere, die geistreichen Dialoge und ihren frechen Humor. Das hat ihr 2006 den Romantic Times Award und weitere Award-Nominierungen eingebracht. Seit Erscheinen ihres ersten Buches 1999 hat sie mehr als dreißig sexy-freche Liebesgeschichten für Harlequin geschrieben.

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Bevor Meg Maguire Schriftstellerin wurde arbeitete sie in einem Plattenladen, als Barista in einem Coffee – Shop und als annehmbare Designerin. Heute liebt sie es sexy Geschichten über starke Charaktere zu schreiben. Meg Maguire lebt mit ihrem Ehemann im Norden von Boston. Wenn sie nicht gerade neue Geschichten erfindet oder...
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