Julia Exklusiv Band 284

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  • Erscheinungstag 28.04.2017
  • Bandnummer 0284
  • ISBN / Artikelnummer 9783733709242
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Abby Green, Anne McAllister, Penny Jordan

JULIA EXKLUSIV BAND 284

1. KAPITEL

„Ich heirate sie nicht wegen ihres Aussehens, Adil, sondern weil sie Al-Omar aus vielen guten Gründen eine perfekte Königin sein wird. Wenn ich auf eine Schönheit aus wäre, hätte ich meine vorige Geliebte geheiratet. Aber das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist eine schöne Frau, die mich ablenkt.“

Schockiert saß Prinzessin Samia Binte Rashad al Abbas im Vorzimmer von Sultan Al-Omars Privatbüro. Man hatte ihn nicht unterrichtet, dass sie bereits da war, weil er immer noch telefonierte. Seine Sekretärin war kurz weggegangen und hatte seine Tür versehentlich etwas offen gelassen, sodass Samia die dunkle Stimme des Sultans und seine bestürzende Erklärung ungewollt mit anhören musste.

Wieder sprach er, und diesmal in erschreckend zynischem Ton: „Ja, so mag sie wirken, aber gewisse Leute haben von jeher darauf gesetzt, dass ich mich bei der Wahl meiner Braut konservativ entscheide, und ich möchte die Spekulanten nicht enttäuschen.“

Samias Wangen brannten. Nur zu gut konnte sie sich vorstellen, was der Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung über sie gesagt hatte: Sie sei langweilig.

Selbst wenn Samia das unmissverständliche Gespräch nicht mit angehört hätte, wäre ihr klar gewesen, was der Sultan von Al-Omar mit ihr zu besprechen hatte. Er wollte sie heiraten. Die ganze Nacht über hatte sie kein Auge zugetan und war halb in der Hoffnung hergekommen, das Ganze würde sich als schreckliches Missverständnis herausstellen. Umso mehr traf es sie, dass der Sultan diese Heirat tatsächlich vorhatte. Und nicht nur das; für ihn schien sie bereits beschlossene Sache zu sein.

Bisher war Samia ihm nur ein einziges Mal begegnet, damals vor acht Jahren, als sie mit ihrem Bruder auf einer der legendären königlichen Geburtstagspartys in B’harani, der Hauptstadt von Al-Omar, gewesen war. Kaden hatte gehofft, die Feier würde helfen, sie von ihrer chronischen Schüchternheit zu heilen. Doch Samia hatte sich inmitten der glamourösen Gäste entsetzlich tollpatschig gefühlt und ihre wilden Locken und die Brille mit den dicken Gläsern noch inbrünstiger als sonst gehasst.

Als wenn das nicht schon ausgereicht hätte, war es dann zu jenem peinlichen Zwischenfall gekommen: Vor lauter Aufregung hatte sie einen kleinen antiken Tisch mit Getränken umgestoßen, hatte damit die Aufmerksamkeit aller Gäste auf sich gezogen und war voller Scham in einen spärlich beleuchteten Raum geflüchtet, der sich später als Arbeitszimmer herausstellte …

Samia schüttelte den Kopf und versuchte, die unliebsame Erinnerung zu verdrängen. Wieder drang die Stimme des Sultans an ihr Ohr.

„Adil, ich verstehe dich ja. Als mein Anwalt möchtest du sicherstellen, dass ich die richtige Entscheidung treffe, und ich weiß das auch zu schätzen, aber ich versichere dir, die Prinzessin wird allen Anforderungen gerecht. Ich bin nicht so leichtsinnig, diese Ehe scheitern zu lassen. Für mich stehen die Stabilität und der Ruf meines Landes an erster Stelle, und ich brauche eine Ehefrau, die beides gewährleistet.“

Wie versteinert saß Samia da. Sie hatte genug gehört. Was der Sultan da durchblicken ließ, war die Tatsache, dass sie Welten von den Frauen trennten, mit denen er sich normalerweise umgeben würde. Sie brauchte das Telefonat nicht länger mit anzuhören, um das zu verstehen. Diesen Mann wollte sie nicht heiraten. Und sie dachte nicht daran, weiter hier herumzusitzen und darauf zu warten, gedemütigt zu werden.

Seufzend legte Sultan Sadiq Ibn Kamal Hussein den Hörer auf. Er fühlte sich verkrampft und angespannt und brauchte dringend frische Luft. Grimmig erhob er sich aus seinem Ledersessel, ging zum Fenster und blickte auf den belebten Platz des vornehmen Londoner Viertels herunter, an dem seine Londoner Residenz lag.

Um den unvermeidlichen Augenblick noch ein wenig hinauszuzögern, kehrte Sadiq zum Schreibtisch zurück, wo eine Fotoauswahl für ihn bereitlag. Es waren Schnappschüsse von Prinzessin Samia von Burquat, einem kleinen Emirat am Persischen Golf an der Nordgrenze seines Staates. Sie hatte drei jüngere Halbschwestern, ihr älterer Bruder war nach dem Tod seines Vaters vor zwölf Jahren zum herrschenden Emir des Bundesstaates aufgestiegen.

Nachdenklich blieb Sadiq am Schreibtisch stehen. Auch er war jung gekrönt worden und kannte die Bürde der Verantwortung, wusste, wie erdrückend sie werden konnte. Dennoch machte er sich keine Illusionen. Leicht würde es nicht werden, sich mit dem Emir anzufreunden. Doch wenn die Prinzessin ihn heiratete – und warum sollte sie dazu nicht bereit sein? – wären sie verschwägert.

Sadiq seufzte. Die Fotos zeigten etwas unscharf eine mittelgroße schlanke junge Frau. Der Babyspeck, mit dem er sie vor Jahren auf einer seiner Partys kennengelernt hatte, war verschwunden. Keiner der Schnappschüsse zeigte sie genauer. Die deutlichsten Aufnahmen stammten vom vergangenen Sommer, als sie von einem Segeltörn mit Freunden zurückgekehrt war. Doch selbst auf diesen Fotos stand sie zwischen zwei sehr viel größeren, attraktiveren jungen Damen, und der Schirm einer Baseballkappe verdeckte ihr Gesicht weitgehend.

Was Sadiq gefiel, war, dass keines der Fotos aus der Regenbogenpresse stammte. Offensichtlich mied Prinzessin Samia die typischen High Society Partys. Sie lebte zurückgezogen in London, hatte ihr Studium kürzlich abgeschlossen und arbeitete seither als Archivarin in der Nationalbibliothek. Schon allein deshalb war sie genau richtig für ihn. Er wollte keine Ehefrau, die mit zweifelhafter Vergangenheit oder auch nur dem Hauch eines Skandals behaftet sein könnte. Es hatte schon genug Pressewirbel über ihn und die Damen gegeben, mit denen er ausgegangen war. Aus diesem Grund hatte er Samia vorher gründlich überprüfen lassen, um ganz sicherzugehen, dass es in ihrer Vergangenheit keine dunklen Flecken gab.

Er wollte keine Ehe wie seine Eltern führen, in der von Anfang an Eifersucht und Streit regiert hatten. Er würde nicht in einem Chaosstrudel versinken wie sein Vater, der von seiner Frau in Atem gehalten worden war, die während ihrer Ehe immer wieder gegen den Mann aufbegehrt hatte, den sie nicht hatte heiraten wollen. Es war bekannt, dass sein Vater ihrer Familie in seiner Besessenheit, die berühmte Schönheit zu besitzen, eine unermesslich hohe Summe gezahlt hatte. Sadiq hatte seine Mutter eigentlich nur traurig erlebt und deshalb den größten Teil seines Lebens außer Landes verbracht.

Er brauchte eine ruhige, ausgeglichene Frau, die ihn unterstützen, ihm Erben schenken und ihm gestatten würde, sich aufs Regieren zu konzentrieren. Vor allem aber eine, die ihm weiter keine Gefühle abforderte. Nach allem, was er von Prinzessin Samia wusste, war sie genau die Richtige für ihn.

Mit einer energischen Handbewegung schob er die Fotos zusammen und unter eine Mappe. Ihm blieb keine andere Wahl, er musste den entscheidenden Schritt tun. Seine besten Freunde und auch sein Bruder, der Herrscher eines kleinen unabhängigen Scheichtums innerhalb des Emiratsbündnisses – hatten vor Kurzem geheiratet, und wenn er, Sadiq, weiterhin ledig blieb, würde man ihn für rückgrat- und orientierungslos halten.

Dem Schicksal konnte man nicht entrinnen. Es war Zeit, seine zukünftige Frau zu treffen. Über Gegensprechanlage wies er seine Sekretärin an: „Noor, Sie können die Prinzessin jetzt hereinführen.“

Als er keine Antwort erhielt, seufzte er gereizt. Er war es gewöhnt, dass seine Anweisungen prompt ausgeführt wurden, doch er beherrschte sich. Seine Gereiztheit war auf den bevorstehenden Verlust seiner Freiheit zurückzuführen. Gefasst ging er zur Tür. Die Prinzessin müsste jetzt da sein.

Das Unvermeidliche ließ sich nicht länger aufschieben.

2. KAPITEL

Samia wollte gerade den Türknauf bedienen, als sie hinter sich ein Geräusch hörte.

„Sie gehen schon?“

Die Stimme des Mannes klang dunkel und sinnlich. Samia seufzte resigniert auf. Wäre sie nur schon eher gegangen! Doch die anerzogene Höflichkeit gebot, ihr Vorhaben aufzugeben, sie konnte den Sultan nicht einfach stehen lassen und gehen. Außerdem war es dazu jetzt zu spät.

Steif, betont langsam drehte sie sich um und bereitete sich auf die unvermeidliche Gegenüberstellung mit einem der begehrtesten Junggesellen der Emirate vor. Sie arbeitete inmitten von staubigen Büchern und Kunstgegenständen und hätte nicht weiter von der Glamourwelt dieses Mannes entfernt sein können. Er würde sich hüten, sie zu heiraten, wenn er sie erst einmal vor sich hatte.

Doch jeder klare Gedanke verflog, als sie den Mann sah, der nur wenige Schritte von ihr entfernt stand. Mit seiner groß gewachsenen athletischen Gestalt und den breiten Schultern füllte er seine Bürotür fast aus. Er trug einen maßgeschneiderten dunklen Anzug und musste mindestens einen Meter neunzig groß sein. Die dunkle Haut wies ihn als Mann der Wüste aus, doch seine Augen waren von einem unglaublichen Blau, und er sah sie so eindringlich an, als wollte er bis auf den Grund ihrer Seele blicken.

Im ersten Moment verschlug sein Anblick Samia die Sprache, und sie fühlte sich benommen. Dieser fantastisch aussehende Mann war also der Herrscher des unermesslich reichen Landes Al-Omar!

Er ging etwas zur Seite und bedeutete ihr höflich, sein Büro zu betreten. „Entschuldigen Sie, dass ich Sie warten lassen musste. Bitte kommen Sie herein.“

Was blieb ihr anderes übrig, als der Aufforderung zu folgen? Klopfenden Herzens ging Samia an ihm vorbei, dabei nahm sie einen Hauch seines männlichen Aftershaves wahr. Nervös hielt sie direkt auf den Besuchersessel vor dem mächtigen Schreibtisch zu und drehte sich zum Sultan um, der die Tür hinter ihnen schloss, ohne seinen Gast aus den Augen zu lassen.

Wortlos folgte er Samia in den Raum, und irgendwie konnte sie sich der geballten Energie, die er verströmte, nicht entziehen. Als er näher kam, begann ihr Magen zu flattern.

Anfangs wirkte er ernst, doch dann lächelte er auf eine Art, die ihren Puls jagen ließ und sie vollends durcheinanderbrachte.

„Habe ich etwas gesagt, das Sie verletzt hat?“

Samia konnte ihn nur verständnislos ansehen.

„Sie wollten wieder gehen?“, erinnerte Sadiq sie freundlich.

Ihr schoss das Blut in die Wangen. „Nein … natürlich nicht.“ Eine glatte Lüge! Ihr wurde noch heißer. „Tut mir leid, ich habe einfach …“

Verwirrt musste sie sich eingestehen, dass der Sultan sie einschüchterte. Sie lebte zurückgezogen und hasste es, Aufmerksamkeit zu erregen, aber ein Schattendasein führte sie nicht. Dennoch kam sie sich in Gegenwart dieses Mannes wie ein Schattengewächs vor.

Sadiq tat ihre Unsicherheit mit einer Handbewegung ab. Ganz offensichtlich fühlte die Prinzessin sich unbehaglich, doch auch auf ihn hatte die Begegnung mit ihr eine seltsame Wirkung. Der Klang ihrer leisen, fast rauchigen Stimme elektrisierte ihn, er passte irgendwie nicht zum braven Aussehen der jungen Frau, die eher wie eine graue Maus auf ihn wirkte. Eigentlich sah sie genau aus wie auf den Fotos. Der strenge Hosenanzug und die zugeknöpfte Bluse machten es ihm unmöglich zu erkennen, ob sie überhaupt eine Figur hatte.

Dennoch … ein seltsames Prickeln überlief Sadiq, sein Gespür warnte ihn, nicht voreilig zu urteilen. Er schob die Hände in die Taschen.

Das Brennen in Samias Wangen wurde unerträglich, sie widerstand der Versuchung, den Sultan ebenfalls zu mustern. Tapfer versuchte sie es mit der Übung, die man ihr gegen das Erröten beigebracht hatte: Bewusst rot werden wollen, weil das die gegenteilige Wirkung hatte.

Es half nichts. Die Hitze, die sie durchströmte, wurde immer heftiger.

Immer noch sah der Sultan sie einfach nur an. Samia war sicher, dass sie jetzt knallrot sein musste, aber sie warf tapfer den Kopf zurück. Um alles noch schlimmer zu machen, brach Sadiq das Schweigen und reichte ihr die Hand.

„Wir sind uns schon einmal begegnet, stimmt’s?“

Jetzt kam es … genau, wie sie befürchtet hatte!

Es wurde noch hoffnungsloser, denn er fuhr fort: „Ich wusste doch, dass ich Sie schon irgendwo gesehen hatte, aber ich konnte mich nicht erinnern, wo. Jetzt fällt es mir ein.“

Samia hatte das Gefühl, ihr Herz müsste stillstehen. Stumm betete sie, dass er sich nicht ausgerechnet an ihren schrecklichen Ausrutscher erinnerte, der sich für immer in ihr Gedächtnis eingebrannt hatte.

„Auf einer meiner Partys hatten Sie einen unglücklichen Zusammenstoß mit einem Tischchen voller Getränke.“

Samia fiel ein Stein vom Herzen. An die Sache mit dem Arbeitszimmer erinnerte er sich offenbar nicht! Spontan, voller Dankbarkeit ergriff sie seine Hand, und er drückte sie. Die Berührung seiner Finger war fest und warm und beunruhigend. Am liebsten hätte sie sich ihm schnell wieder entzogen.

„Ja, ich fürchte, das war ich. Ich war ein tollpatschiger Teenager.“ Warum klang sie auf einmal so atemlos?

Immer noch hielt der Sultan ihre Hand und blickte ihr in die Augen. Endlich sagte er nachdenklich: „Ich wusste nicht, dass Sie auch blaue Augen haben. Trugen Sie nicht früher eine Brille?“

„Ich habe mich im letzten Jahr zu einer Laserbehandlung entschlossen.“

„Die blauen Augen haben Sie sicher von ihrer englischen Mutter?“

Seine Stimme war so dunkel und erregend wie sein Aussehen. Samia nickte und versuchte, sich wieder zu fangen. „Sie war halb englischer, halb arabischer Abstammung und starb bei meiner Geburt. Meine Stiefmutter hat mich aufgezogen.“

Der Sultan nickte kurz und gab ihre Hand endlich frei. „Sie ist vor fünf Jahren gestorben, nicht wahr?“

Stumm nickte Samia und tastete hinter ihrem Rücken nach dem Besuchersessel, dabei blickte sie nach unten, um sich dem forschenden Blick dieser blauen Augen zu entziehen. Der Sultan durfte nicht sehen, wie viel Verbitterung die Erinnerung an ihre Stiefmutter in ihr wachrief. Die Frau war eine Tyrannin gewesen, vermutlich, weil sie gewusst hatte, dass sie der über alles geliebten ersten Frau des Emirs nie das Wasser reichen konnte.

Nach einigen Augenblicken schaffte Samia es, den Sultan wieder anzusehen –, und ihr Herz schlug schneller. Er war ein umwerfender Mann, neben ihm kam sie sich langweilig und farblos vor. Wie konnte er sie zu seiner Königin erwählen? Ihr fiel ein, dass er eine konservative Ehefrau suchte, und Panik stieg in ihr auf.

Er deutete auf den Sessel, an den sie sich immer noch wie an einen Rettungsring klammerte. „Wollen Sie sich nicht setzen? Was möchten Sie trinken? Tee oder Kaffee?“

Am liebsten hätte Samia in diesem Augenblick um etwas Stärkeres gebeten. Ein Whisky wäre genau das, was sie jetzt brauchte. „Kaffee bitte.“

Sadiq ging zu seinem Schreibtischsessel zurück, und wie gerufen erschien seine Sekretärin mit einem Tablett. Nachdem sie sich wieder zurückgezogen hatte, versuchte er zu übersehen, dass die Hand der Prinzessin bebte, als sie Sahne in ihren Kaffee gab. Das Mädchen war ein Nervenbündel. Dennoch sah sie ihn trotzig an, und irgendwie gefiel ihm das. Die Damen, mit denen er es zu tun gehabt hatte, gaben sich eher aufreizend oder versuchten, sich anzubiedern.

Fast tat die Prinzessin ihm leid, als er sah, wie sie ihre Tasse hielt. Ein Wunder, dass sie den Weg vom Unterteller zum Mund heil überstand. Da Samia seinem Blick auswich, konnte er sie nun ungeniert betrachten. Nein, eine graue Maus war sie doch nicht, eigentlich sogar recht hübsch. Das rotblonde Haar, das ihr in einem dicken Zopf über die Schulter fiel, schimmerte im Schein der Spätnachmittagssonne, die durch die mächtigen Fenster hereinfiel, und schien mit goldenen Lichtern gesprenkelt zu sein. Einige widerspenstige Locken hatten sich selbstständig gemacht und rahmten ihr zartes herzförmiges Gesicht.

Wie achtzehn sah sie aus, aber natürlich wusste er, dass sie fünfundzwanzig war. Und die helle Haut hatte sie sicher von ihrer englischen Mutter.

Erstaunlich, dass er sich so gut an den Zwischenfall mit dem umgestürzten Tischchen erinnerte. Die Kleine hatte ihm leidgetan, völlig verstört hatte sie gewirkt und mit puterrotem Gesicht wie versteinert dagestanden. Und irgendwie musste danach noch etwas gewesen sein, an das er sich im Moment nicht erinnerte.

Sie hielt die unglaublich langen Wimpern gesenkt, sodass er den Ausdruck in ihren Augen nicht erkennen konnte. Nein, seine zukünftige Braut war eigentlich ganz anders, als er erwartet hatte!

„Also, Prinzessin Samia, möchten Sie mir jetzt nicht verraten, warum Sie gehen wollten?“

Endlich schaffte sie es, ihn voll anzusehen. Noch heißer konnte ihr kaum werden, am liebsten hätte sie den obersten Knopf ihrer Bluse geöffnet, um kühlende Luft an ihre Haut zu lassen. Der Sultan betrachtete sie, als hätte er eine seltene Spezies vor sich. Deutlicher hätte er kaum zeigen können, dass sie ihn kaltließ.

Die Erkenntnis löste etwas in ihr und riss sie aus ihrer Erstarrung.

„Sultan …“, begann sie und verstummte gleich wieder, als er eine Hand hob.

„Sadiq, bitte. Ich bestehe darauf.“

Seine harte Miene ließ sie erschauern. „Also gut, Sadiq.“ Samia atmete tief ein. „Die Wahrheit ist: Ich will Sie nicht heiraten.“

Sie sah, dass er die Lippen zusammenpresste, und in seinen Augen blitzte es auf. „Ich dachte, es wäre üblich, einen Heiratsantrag zu bekommen, ehe man ihn ablehnt.“

Unwillkürlich ballte sie die Hände im Schoß zu Fäusten. „Und ich dachte, es wäre üblich, eine Frau erst zu fragen, ob sie einen heiraten will, statt es einfach vorauszusetzen.“

Nun lehnte der Sultan sich zurück, und seine Augen funkelten gefährlich, was Samia als noch bedrohlicher empfand.

„Ich nehme an, Sie haben Teile meines Telefonats mit angehört?“

Wieder schoss Samia das Blut in die Wangen, jetzt war ihr alles egal. „Ich konnte nicht anders“, erwiderte sie leise. „Die Tür stand halb offen.“

Unvermittelt beugte Sadiq sich vor und erklärte: „Dann muss ich mich entschuldigen. Was ich da gesagt habe, war nicht für Ihre Ohren bestimmt.“

Sie raffte allen Mut zusammen, erhob sich und trat hinter ihren Sessel. „Wieso nicht? Schließlich sprachen Sie über die Vorteile unserer Verbindung. Warum nicht hier und jetzt offen mit mir darüber reden? Wir könnten dann gleich feststellen, ob ich Ihnen konservativ und unscheinbar genug bin.“

Nun nahm das Gesicht des Sultans Farbe an, das einzige Zeichen, dass sie ins Schwarze getroffen hatte. Ansonsten schien ihre Aufregung ihn nicht weiter zu berühren, und Samia wünschte, sie könnte diesem Mann entschlossener gegenübertreten. Erneut ballte sie die Hände zu Fäusten, während Sadiq sich zurücklehnte und sie wieder abschätzend betrachtete.

„Dann machen Sie sich also keine Illusionen. Eine Heirat zwischen uns würde aus rein praktischen Erwägungen und einer Reihe anderer Gründe erfolgen.“

„Keine Sorge. Ich mache mir nicht die geringsten Illusionen“, versicherte Samia ihm verbittert.

„Unsere Verbindung wäre zum Wohl unserer beider Länder.“ Unvermittelt beugte Sadiq sich vor, und in seinen Augen erschien ein kalter Ausdruck, der Samia erschreckte. „In unserem Kulturkreis werden Ehen arrangiert. Kaum jemand dürfte auf einer Liebesheirat bestehen“, setzte er nachsichtig hinzu.

Matt schüttelte sie den Kopf. „Nein. Natürlich nicht.“ Eine Liebesheirat war das Letzte, das sie erwartet hätte oder sich wünschte. Sie hatte miterlebt, wie maßlos der Tod ihrer Mutter ihren Vater getroffen hatte. Jedes Mal, wenn er seine kleine Tochter ansah, hatte Samia seinen stummen Vorwurf gespürt, am Tod ihrer Mutter schuld zu sein.

Sie hatte miterlebt, wie diese unendliche Trauer sich auf alles ausgewirkt und die zweite Frau ihres Vaters verbittert zurückgelassen hatte. Selbst ihren geliebten Bruder hatte diese maßlose Liebe gezeichnet, er war hart und zynisch geworden. Schon vor Jahren hatte Samia sich geschworen, eine so zerstörerische Macht gar nicht erst an sich heranzulassen.

Der Sultan lehnte sich wieder zurück. Samias Antwort schien ihm zu gefallen. Bedeutsam spreizte er die Hände. „Tja, was haben Sie dann gegen unsere Heirat?“

Alles! Sie wäre eine einzige Farce! Ein eiskalter Handel! Samia setzte sich wieder und faltete die Hände im Schoß. „Meine Zukunft stelle ich mir anders vor.“ Schon deshalb hatte sie sich bewusst im Hintergrund gehalten, um für eine arrangierte Ehe gar nicht erst in Betracht zu kommen.

Sadiq runzelte die Stirn. „Aber als älteste Schwester des Emirs von Burquat mussten Sie doch damit rechnen, einem solchen Arrangement nicht entkommen zu können –, obwohl Sie sich Erwägungen dieser Art bisher geschickt entzogen haben.“

Schuldbewusst schwieg Samia. Eins war ihr immer klar gewesen: Sie lebte in einer Männerwelt, in der über eine Frau verfügt wurde. Das hätte ihr Bruder ihr auch sagen können. Für sie hätte es genug Ehekandidaten gegeben, doch Kaden hatte sich stets zurückgehalten. Natürlich wusste Samia, dass er ihr eines Tages eine arrangierte Ehe vorschlagen könnte –, und eine Hochzeit mit Sultan Sadiq Al-Omar musste ihm ideal erscheinen. Durch die damit verbundenen wirtschaftlichen Verknüpfungen würde Burquat ins einundzwanzigste Jahrhundert aufrücken und die dringend benötigte wirtschaftliche Stabilität entwickeln können.

Nur ungern gestand Samia es sich ein, aber sie entstammten tatsächlich einer Welt, in der Ehen um vieles nüchterner und emotionsloser eingegangen wurden als im Westen. Aus Liebe zu heiraten, war für einen orientalischen Herrscher selten und galt als belächelter, wenn nicht gar fragwürdiger Luxus. Heiraten wurden unter Berücksichtigung von Familienbanden, strategischen Allianzen und politischen Zielen arrangiert. Erst recht königliche Ehen.

Samia kam zu einem Schluss. Eigentlich konnte eine praktische arrangierte Ehe ihr nur recht sein. So lief sie keinerlei Gefahr, sich in Sadiq zu verlieben –, und er sich auch nicht in sie. Damit würde sie garantiert eine andere Ehe führen als ihre Eltern …

Sultan Sadiq stand auf, und wieder überkam Samia leise Panik. Wachsam lehnte sie sich zurück und war wütend auf sich selbst, weil sie sich bei diesem Mann klein und unbedeutend vorkam. In der Nationalbibliothek hatte sie dreißig Angestellte unter sich, außerdem war sie es gewöhnt, sich gegen ihren älteren Bruder durchzusetzen. Doch der Sultan hatte es bereits nach wenigen Minuten geschafft, sie einzuschüchtern.

Rastlos ging er im Raum auf und ab, als hätte er Schwierigkeiten damit, länger still zu sitzen. Nun fiel Samia auch ein, dass er als leidenschaftlicher Sportler bekannt war. Sadiq Al-Omar hatte als jüngstes Mannschaftsmitglied an der berühmten internationalen Vendée-Regatta teilgenommen, und da sie selbst gern segelte, imponierte ihr diese Leistung.

Nach arabischer Männertradition hatte Sadiq Al-Omar in den Vereinigten Staaten und England studiert und die exklusive königliche Militärakademie Sandhurst durchlaufen. Und natürlich besaß er eine Flotte von Hubschraubern und Flugzeugen, die er regelmäßig selbst flog. Alles in allem war er ein beachtlicher Mann. Dazu kam sein Ruf als international bekannter Playboy, der Frauen sammelte wie Accessoires.

Und Jahr für Jahr – daran brauchte Samia nicht erst erinnert zu werden – gab er die größten luxuriösesten Geburtstagspartys und brachte dabei astronomische Summen für wohltätige Zwecke zusammen.

Woher sie das alles wusste? Beschämt musste sie sich eingestehen, dass sie die halbe Nacht damit verbracht hatte, aus dem Internet so viel wie möglich über ihn zu erfahren.

Unvermittelt blieb Sadiq stehen und zog eine Braue hoch. „Wollen Sie meinen Heiratsantrag allen Ernstes ablehnen und mir raten, mich anderweitig nach einer Frau umzusehen?“

„Und wenn ich genau das tue?“

Er stemmte die Hände in die Hüften, und unwillkürlich blickte Samia auf sein Hemd, das seinen muskulösen Oberkörper umspannte. Durch die Seide konnte sie sein dunkles Brusthaar schattenhaft ausmachen. Ihr Mund wurde trocken. Komisch, dass sie so stark auf diesen Mann reagierte! Noch keiner hatte diese Wirkung auf sie gehabt. Es war, als erwachte sie auf einmal zum Leben. Die Erkenntnis beunruhigte sie.

„Was dann wäre?“, sagte er scharf. „Dann wäre die Vereinbarung zwischen Ihrem Bruder und mir ernstlich gefährdet. Ich müsste mich dann Ihrer nächsten Schwester zuwenden und prüfen, ob sie für eine Ehe mit mir infrage käme.“

Kreidebleich stand Samia auf. „Aber Sara ist erst zweiundzwanzig.“ Außerdem war sie so furchtsam. Aber das konnte sie dem Sultan natürlich nicht sagen. Als Ältere fühlte sie sich verpflichtet, ihre kleine Schwester zu schützen. „Für eine Ehe mit Ihnen käme sie nicht infrage.“

Seine Miene wurde eisig. „So wie Sie es hinstellen, scheint eine gewisse Abneigung gegen die Ehe bei Ihnen in der Familie zu liegen. Dennoch würde ich eine Heirat mit Ihrer Schwester in Betracht ziehen. Ich wäre dann jedoch nicht mehr verpflichtet, mein Angebot aufrechtzuerhalten, Ihrem Bruder, dem Emir, bei der Erschließung seiner riesigen Ölvorkommen zu helfen. Dann müsste er sich im Ausland nach Geldgebern umsehen, was eine Reihe politischer Komplikationen mit sich bringen würde, die Burquat sich meiner Meinung nach im Moment nicht leisten kann.“

Samia versuchte, ironisch zu lächeln. „Wollen Sie etwa behaupten, Ihre Motive für diese Heirat wären völlig uneigennützig?“, forderte sie ihn heraus. „Bitte halten Sie mich nicht für so dumm. Niemand tut etwas aus reiner Menschenliebe, ohne etwas dafür zu bekommen.“

Nun sah er sie wieder an, und seine Augen funkelten seltsam. „Natürlich nicht. Als Gegenleistung bekomme ich eine hochkarätige Ehefrau – Sie oder Ihre Schwester, die Entscheidung liegt bei Ihnen –, plus eine wichtige Allianz mit einem benachbarten Königreich. Übrigens würde ich einen beachtlichen Anteil der erwirtschafteten Öleinnahmen in einem Treuhandfonds für unsere Kinder anlegen.“

Unsere Kinder. Samia versuchte, das Flattern in ihrem Magen zu ignorieren.

„Burquat braucht eine Allianz mit einem arabischen Nachbarn. Das wissen Sie ebenso gut wie ich, Samia. Und da Ihr Emirat sich der Welt als wahre Goldgrube präsentieren möchte, befindet es sich in einer äußerst angreifbaren Position. Andererseits kann es sich durch Ihre Heirat mit mir wegen der Familienbande meiner Unterstützung auf der ganzen Linie sicher sein.“

Jedes seiner Worte klang für Samia wie Grabgeläut. Genau das hatte ihr Bruder auch gesagt. Sie wusste nicht, ob der Sultan mit dem Verweis auf ihre Schwester als Ehekandidatin nur bluffte, aber das wollte sie lieber nicht herausfinden. Und auch nicht darüber nachdenken, wie leicht sie zu ersetzen war. Sie wollte den Sultan nicht heiraten. Gleichzeitig ging es ihr gegen den Strich, dass er sich kurzerhand für eine andere entscheiden könnte.

Die Kontrolle über ihr Leben drohte ihr zu entgleiten. Eine innere Stimme meldete sich. Was für ein Leben führst du eigentlich? Sie vergrub sich in der Bibliothek und verdrängte den Wunsch nach Kontakten mit anderen Menschen. Längst konnte sie sich nicht mehr einreden, vor ihrer Stiefmutter zu flüchten. Die Frau war tot und würde sie nicht mehr drangsalieren.

Dennoch fürchtete Samia sich davor, aus ihrer behüteten Zufluchtswelt herauszutreten. „Wieso glauben Sie, ich könnte Ihnen eine gute Frau … die Richtige für Sie sein?“, wagte sie sich stockend vor.

Der Sultan schob die Hände in die Hosentaschen und wippte auf den Fersen; er wirkte jetzt noch größer und bedrohlicher.

„Sie sind intelligent und diskret, machen sich nichts aus der Presse und haben es bisher vortrefflich verstanden, sich aus der Öffentlichkeit herauszuhalten. Ich halte Sie für eine Frau, die sich ernsthaft mit den Dingen auseinandersetzt, vor allem, nachdem ich letzten Monat Ihren Artikel im Archivar gelesen habe.“

Samia empfand es keineswegs als schmeichelhaft, dass der Sultan sich die Mühe gemacht hatte, sie zu überprüfen. Ein Artikel im Archivar bestätigte nur einmal mehr, wie langweilig sie war. Musste der Mann sie auch noch daran erinnern, dass Welten sie trennten? Er war ein Playboy! Bei der bloßen Vorstellung, als seine Frau überall im Kreuzfeuer der Medien zu stehen, wurde ihr elend. Ständig kritisch beobachtet zu werden, war demütigend.

Unerbittlich wie eine heranrollende Flutwelle fuhr Sadiq fort. „Vor allem aber sind Sie eine Prinzessin aus einer der ältesten Königsfamilien Arabiens und somit dazu geboren, Königin zu sein. Sollte Ihrem Bruder morgen etwas zustoßen, wären Sie die nächste Thronanwärterin. Und wenn wir verheiratet wären, müssten sie diese Bürde nicht allein tragen. Dann würde ich sicherstellen, dass Burquat als Emirat weiterbesteht.“

Samia wurde es eiskalt. Natürlich wusste sie, dass sie die Nächste in der Thronfolge von Burquat war, aber eigentlich hatte sie nie weiter darüber nachgedacht, was das bedeutete. Kaden erschien ihr so unbesiegbar, dass sie eine derartige Zwangslage nie für möglich gehalten hatte. Aber letztlich hatte Sultan Sadiq recht. Sie befand sich in einer äußert verletzbaren Lage. Theoretisch kannte sie die Grundlagen des Regierens, doch die Praxis mochte ganz anders aussehen. Außerdem wusste sie, dass es für sie nur wenige Ehekandidaten gab, die Burquats Unabhängigkeit gewährleisten würden. Al-Omar war ein großes aufsteigendes Land, und der Umstand, dass der Sultan es nicht nötig hatte, seine eigene Macht durch die Angliederung eines kleineren Emirats zu stärken, gab Samia zu denken. Alles das hatte sie nicht erwartet.

Um sich ihren Gefühlstumult nicht anmerken zu lassen, ging Samia zum Fenster und blickte auf die gepflegten Grünanlagen hinaus. Die heitere, typisch englische Atmosphäre hätte sie normalerweise beruhigt.

Doch im Moment fühlte sie sich atemlos und überrannt. Jeder musste irgendwann im Leben eine kritische Entscheidung treffen, und an diesem Punkt stand sie jetzt. Blieb ihr überhaupt eine andere Wahl?

Hilflos drehte sie sich wieder um. „Das alles kommt für mich viel zu schnell, und ich weiß nicht, wie ich mich entscheiden soll“, gestand sie dem Sultan. „Gestern musste ich nur über das Angebot nachdenken, nach Burquat zurückzukehren, um beim Aufbau der Nationalbibliothek zu helfen, und jetzt … soll ich Königin von Al-Omar werden.“ Gequält blickte sie ihn an, und wieder musste sie feststellen, wie erstaunlich blau seine Augen waren. „Ich kenne Sie ja nicht einmal.“

Sadiqs Miene nahm einen ungeduldigen Ausdruck an, und sein Blick überschattete sich. Es erschreckte Samia, wie leidenschaftslos und kühl er diese Dinge von letztlich so enormer Tragweite anging.

„Um uns kennenzulernen, bleibt uns ein ganzes Leben Zeit. Nicht warten kann dagegen jedoch, dass ich jetzt heiraten und Erben haben muss. Und eins weiß ich genau, Prinzessin Samia: Sie sind für diese Stellung geboren.“

Sie versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, was in ihr vorging. Das sagte der Sultan nur, weil er glaubte, sie würde eine gute Ehefrau und Königin abgeben. Und weil er ein Mann war, den ein Nein nicht abschrecken konnte. Fast hätte sie geschmunzelt. Er erinnerte sie stark an ihren befehlsgewohnten Bruder.

Eins wusste sie: Es gab genug Frauen, die sie bedenkenlos über den Haufen gerannt hätten, um einen Heiratsantrag von Sultan Sadiq zu bekommen. Und im Moment wünschte sie sich nichts sehnlicher, eine von diesen Damen möge ihre Stelle einnehmen. Warum verursachte die Vorstellung ihr dann ein flaues Gefühl im Magen?

„Also ich …“ Sie suchte nach den richtigen Worten. „Ich brauche Zeit, um darüber nachzudenken.“

Sadiqs Züge wurden hart, und Samia hatte das Gefühl, seine Geduld überfordert zu haben. Nervös überlegte sie. Würde er sie jetzt fortschicken, ihr alles Gute wünschen und ihre Schwester heiraten? Warum wehrte sie sich dagegen? Wollte sie nicht genau das?

Dann wurde sein Gesichtsausdruck weicher, und er fuhr leise fort: „Na gut, Samia. Ich gebe Ihnen vierundzwanzig Stunden. Morgen Abend um diese Zeit erwarte ich Sie wieder hier und rechne mit Ihrer Entscheidung.“

Sadiq stand am Fenster seines Privatsalons drei Etagen über dem Büro, in dem er sich vor wenigen Minuten mit Prinzessin Samia getroffen hatte, und blickte auf die in Dämmerlicht getauchte Innenstadt Londons hinaus. In der Luft lag schwerer Sommerblütenduft, und auf einmal vermisste er die Hitze seiner Heimat, den Frieden, der ihn erfüllte, wenn die endlose Wüste von Al-Omar sich nur wenige Schritte entfernt vor seinen Augen ausbreitete.

Gereizt dachte er daran, dass er nun wohl doch länger in Europa bleiben musste als geplant. Vom Fenster konnte er die Sicherheitsleute vor seiner Villa ausmachen, die für ein Staatsoberhaupt unerlässlich waren –, doch das beschäftigte ihn jetzt nicht. Im Moment interessierten ihn weder Politik noch Wirtschaft oder Frauen.

Sadiq runzelte die Stirn. Na ja, so ganz stimmte das nicht. Eine Frau interessierte ihn. Und zum ersten Mal in seinem Leben ging es nicht darum, wann er mit ihr ins Bett gehen würde. Eigentlich war es lange her, seit er einer Liebesnacht entgegengefiebert hatte. Der Gedanke, mit einer Frau zu schlafen, langweilte ihn eher und erfüllte ihn mit einem unangenehmen Vorgeschmack.

Sein Stirnrunzeln vertiefte sich, er fühlte sich unbehaglich. Seit wann langweilte er sich und war zu tieferen Gefühlen nicht mehr fähig? Eigentlich schon lange vor der Hochzeit seiner besten Freunde in Merkazad.

Komisch, aber mitzuerleben, was die Liebe aus seinen Freunden gemacht hatte, erfüllte ihn mit leiser Panik und hatte in ihm etwas freigesetzt, das seit Jahren verschüttet gewesen war. Hatte er sich deshalb so impulsiv entschieden zu heiraten? Aus einer Art Selbstschutz … um zu beweisen, dass er immun gegen das war, was er auf Nadims und Salmans Hochzeit beobachtet hatte, und so unkontrollierbaren Gefühlen nie mehr erliegen würde?

Selbst jetzt noch hatte er jenen fernen Tag vor Augen –, durchlebte die schreckliche Demütigung erneut. Er hatte sich einer Frau mit Herz und Seele preisgegeben und war von ihr höhnisch verschmäht worden …

Wenn er Prinzessin Samia heiratete, war er sicher vor so erniedrigenden Erfahrungen. Bei ihr bestand keine Gefahr, dass er sich in sie verliebte. Oder sie verzweifelt begehrte. Dafür war sie zu unscheinbar, zu nichtssagend. Sein Magen verkrampfte sich. Komisch, aber ihre unergründlichen blauen Augen gingen ihm nicht aus dem Sinn. Und eigentlich war sie auch nicht hässlich. Wenn auch natürlich keine Schönheit. Er hatte immer gewusst, dass die Frau, die er einmal heiratete, eine Rolle übernehmen musste … eine sehr wichtige sogar. Insofern würde es bestenfalls ein Pluspunkt, ein besonderer Luxus sein, wenn sie auch attraktiv war. Die Verantwortung seinem Land gegenüber stand an oberster Stelle.

Alles in allem war die Prinzessin gar nicht so unansehnlich, wie er befürchtet hatte. Sadiq schnitt ein Gesicht. In seinem Leben hatte es mehr als genug Schönheiten gegeben. Es wurde Zeit, dass er alle Kräfte darauf konzentrierte, sein Land zu mehr Wohlstand und wirtschaftlicher Stabilität zu führen. Und eine Frau wie Samia würde ihn dabei unterstützen, ohne ihn mit ihren Reizen abzulenken. Sie war kein kokettes Partygirl und würde bestimmt nicht versuchen, ihn zu bezirzen.

Sadiq entspannte sich, und er widmete seine Aufmerksamkeit den Wirtschaftsnachrichten im Fernsehen. Trotz ihres Zögerns war er sicher, dass die Prinzessin am nächsten Tag wiederkam und ihm die erwartete Antwort gab. Etwas anderes war eigentlich undenkbar.

3. KAPITEL

Vierundzwanzig Stunden später …

„Ich werde Sie nicht heiraten.“

Gerade hatte die Prinzessin Sadiq gegenüber Platz genommen, und er lächelte ihr aufmunternd zu, weil er sicher war, dass sie ihm ihr Jawort geben würde. Im Geist kaufte er ihr bereits eine neue Garderobe, um sie schleunigst aus den braven Kostümen herauszubekommen.

Irritiert runzelte er die Stirn. Er musste sich verhört haben.

„Ich sagte, ich möchte Sie nicht heiraten.“

Ihre Stimme klang rauchig und leise, aber entschlossen. Sadiqs Lächeln verschwand. Fast nonnenhaft saß die Prinzessin vor ihm, das Haar zurückgebunden, sie trug ein strenges Kostüm wie am Vortag, nur diesmal in einem dunkleren Blauton. Ihre bleichen Züge wiesen keinerlei Make-up auf, nicht einmal die bläulich grünen Augen hatte sie betont. Jetzt bemerkte er auch, dass ihre zierliche aristokratische Nase mit feinen Sommersprossen gesprenkelt war.

Sommersprossen. Wann waren Sommersprossen ihm je aufgefallen? Für die Damen, die er kannte, waren Sommersprossen etwa so abstoßend wie Akne. Etwas Unerklärliches entfaltete sich in Sadiq, er lehnte sich zurück und musste sich eingestehen, dass er überrascht war. Es war eine Ewigkeit her, seit jemand ihn abgewiesen hatte. Oder sich so wenig Mühe gegeben hatte, ihn zu beeindrucken.

Samia warf den Kopf zurück, und für eine Sekunde zeigte sich ihre angeborene königliche Würde. Sie mochte die unscheinbarste Prinzessin sein, die ihm je begegnet war, doch sie war königlicher Abstammung und konnte es nicht verleugnen.

Nun presste sie die Lippen zusammen. Seltsam, aber er fragte sich, wie es sein müsste, sie zu küssen. Würde die Prinzessin sie ihm weich und willig darbieten … seinen Kuss erwidern?

Der Sultan traute seinen Ohren nicht, das wusste sie. Schon deshalb hatte sie ihre Zurückweisung wiederholt. Sie bebte innerlich, nachdem sie sich die ganze Nacht hin und her gewälzt hatte und immer wieder zu der brutalen Erkenntnis gekommen war, dass ihr keine andere Wahl blieb, als sich zu fügen.

Doch beim Anblick von Sadiqs siegessicherer Miene war die Rebellin in ihr erwacht. Dies war ihre einzige Chance, der Heirat zu entkommen. Gewissensbisse durfte sie sich jetzt nicht leisten, sonst konnte sie sich nicht durchsetzen. Die Vorstellung, den Sultan zu heiraten, erschien ihr so bedrohlich, dass sie bereit war, alle Geschütze aufzufahren.

Sadiqs dunkle Stimme rief sie auf den Boden der Tatsachen zurück, und ihr Herz begann zu jagen. „Es ist ein Unterschied, ob Sie mich nicht heiraten – oder mich nicht heiraten wollen. In ersterem Fall gibt es nichts zu besprechen. In Letzterem einiges. Also, Samia, wo stehen wir?“

Sie versuchte, seinem durchdringenden Blick auszuweichen. Leicht vorgebeugt saß er da, die Ellenbogen auf den Schreibtisch gestützt und die Fingerspitzen aneinandergelegt.

Wie er ihren Namen ausgesprochen hatte! Wieder wurde es Samia heiß. Dabei war sie schon völlig aufgelöst, weil sie erneut mit dem Mann sprechen musste. Nicht einmal seine Drohung, gegebenenfalls ihre Schwester zu heiraten, konnte sie zu dieser Heirat bewegen.

Heute hatte der Sultan sie nicht warten lassen. Groß und dunkel wie ein Fürst der Finsternis hatte er am Fenster gestanden. Und jetzt gab er sich so locker, als wollten sie übers Wetter plaudern. Er trug nur ein Hemd, keine Krawatte. Der oberste Knopf war offen und gab seinen gebräunten Hals frei. Die Ärmel hatte er aufgekrempelt, sodass Samia seine gebräunten Unterarme sehen konnte, die ihn als Sportler auswiesen. Auf einmal fühlte sie sich seltsam rastlos.

Unvermittelt stand Samia auf. Sie musste auf Abstand gehen. Wenn der Sultan sie so ansah, konnte sie nicht still sitzen, sich erst recht nicht konzentrieren.

Instinktiv verschanzte sie sich hinter dem Besuchersessel. „Also … wir haben wohl doch … manches zu besprechen“, erklärte sie stockend.

Na toll! Jetzt brachte sie nicht einmal einen zusammenhängenden Satz zustande! Wie konnte sie sich auf eine Diskussion mit einem redegewandten Mann wie dem Sultan einlassen? Zögernd wagte Samia sich einige Schritte hinter dem Sessel hervor. Das steife Kostüm beengte sie. Noch nie hatte sie sich in ihren Sachen so gehemmt gefühlt wie in den letzten beiden Tagen. Sie wusste, dass sie kein Stilgefühl besaß; am wohlsten fühlte sie sich in unauffälliger Kleidung.

Immer noch wich sie Sadiqs Blick aus. „Hören Sie, ich, weiß, dass Sie eine Frau suchen, und auf dem Papier mag ich Ihnen als richtige Kandidatin erscheinen …“

Sanft unterbrach er sie. „Sie sind die Richtige.“ Er unterdrückte seine Gereiztheit. Die Prinzessin war seine einzige Kandidatin. Nachdem er auch andere Damen sorgfältig hatte überprüfen lassen, war sie es, auf die seine Wahl gefallen war. Und wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, gab er nicht auf, bis er sein Ziel erreichte.

Endlich wandte Samia sich ihm wieder zu. „Nein, das bin ich nicht!“ Verzweifelt suchte sie nach Möglichkeiten, ihn von sich abzubringen. „Zum Beispiel gehe ich nie aus.“

„Das ist ja wunderbar! Sie mögen ein anderes Bild von mir haben, aber ich bin alles andere als ein Partylöwe.“

Das sollte sie ihm abnehmen? Unmöglich, sich diesen Mann gemütlich am abendlichen Kaminfeuer vorzustellen! „Wollen Sie damit sagen, Sie fänden es gut, dass ich nicht unter Menschen gehe? Das glauben Sie doch selbst nicht. Wie könnte ich als Königin auf Ihren Partys auftreten, wenn die Letzte, auf der ich war, Ihre eigene gewesen sein dürfte? Sicher erscheinen Sie ständig auf Empfängen. Sie bewegen sich in höchsten Gesellschaftskreisen, während ich nicht wüsste, was ich dort tun oder sagen sollte.“

Samia verstummte, weil der Sultan sich entspannt auf die Schreibtischkante gesetzt hatte und auf eine Art lächelte, die sie hilflos machte.

„Natürlich wüssten Sie, was Sie tun und sagen sollten. Sie sind so erzogen worden, es sogar sehr genau zu wissen. Und falls Sie aus der Übung sein sollten, werden Sie es im Handumdrehen wieder lernen.“

Wie konnte sie ihn vom Gegenteil überzeugen? Aufgebracht fuhr Samia sich mit den Fingern durchs Haar, ohne zu bedenken, dass sie es zurückgebunden hatte. Das Band löste sich, doch das war ihr jetzt egal.

Nun blickte sie dem Sultan direkt in die Augen. „Sie wollen mich doch gar nicht heiraten. Ich hasse Partys. Wenn ich mit mehr als drei Menschen zusammenkomme, bin ich stumm wie ein Fisch. Außerdem bin ich weder weltgewandt noch elegant.“ Wie die Damen, an die Sie gewöhnt sind, hätte sie ihm am liebsten vorgehalten.

Fasziniert hatte Sadiq die Prinzessin beobachtet. Ihm wurde bewusst, wie ungewöhnlich, ja einzigartig sie war. Diese Frau war genau die Richtige.

„Hören Sie, Samia, Sie haben den größten Teil Ihres Lebens an einem Königshof verbracht und wurden buchstäblich auf diese Heirat vorbereitet. Wie können Sie also behaupten, nicht dafür geschaffen zu sein?“

Samia spürte, wie sich ihr Zopf immer weiter löste. Als der Sultan aufstand und langsam um sie herumging, wurde ihr so heiß, dass sie das Gefühl hatte, zerfließen zu müssen. Widerstrebend öffnete sie das enge Kostümjäckchen.

Höflich half er ihr, die Jacke abzulegen und hängte sie über die Rückenlehne des Besuchersessels. Zu verblüfft, um sich damit zu beschäftigen, fuhr Samia fort: „Sie brauchen eine Frau, die es gewöhnt ist, sich in eleganten Kreisen zu bewegen, während ich mich in Bibliotheken aufgehalten habe, solange ich zurückdenken kann.“

Die alte Bibliothek im Palast von Burquat war von jeher ihre Zuflucht vor ihrer tyrannischen Stiefmutter Alesha gewesen. Wieder begann Samia, unruhig auf und ab zu gehen, weil Sadiqs Art sie durcheinanderbrachte.

„Sie brauchen eine gleichwertige Partnerin, jemand, der Ihnen ebenbürtig ist.“ Einige Schritte von ihm entfernt blieb sie stehen und sah ihn beschwörend an. Sie musste ihm begreiflich machen, dass sie recht hatte. „Bis zu meinem zwölften Lebensjahr habe ich gestottert. Ich bin von Natur aus so schüchtern, dass ich als Teenager zur Verhaltenstherapeutin geschickt wurde, um dagegen anzugehen.“ Was weitere Spott- und Hämetiraden ihrer Stiefmutter zur Folge gehabt hatte: Sie sei zu nichts nütze, aus ihr würde nie etwas werden. Sie könne nie Königin von Burquat werden, da sie nicht einmal eine Unterhaltung führen könne, ohne zu erröten oder zu stottern.

Während Samia sprach, kam Sadiq näher und blieb mit verschränkten Armen vor ihr stehen. „Aber jetzt stottern Sie nicht mehr. Und ich wette, die Therapeutin hat Ihnen erklärt, das sei nur eine Phase, die Sie durchmachen, wie viele Teenager auch. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Kinder stottern. Meist ist das auf ein Erlebnis in früher Jugend zurückzuführen.“

Erstaunt sah Samia ihn an. Konnte er Gedanken lesen? Sie erinnerte sich noch gut, wie verzweifelt sie als kleines Mädchen versucht hatte, ihre Stiefmutter auf sich aufmerksam zu machen, was sie nur stotternd geschafft hatte. Dem Sultan konnte es doch unmöglich ebenso ergangen sein! Dennoch hatte er wiederholt, was die Therapeutin ihr klarzumachen versucht hatte. Es ausgerechnet von ihm zu hören, war so überraschend, dass Samia keinen Ton hervorbrachte.

Die Prinzessin faszinierte Sadiq von Minute zu Minute mehr. Ihr Haar hatte sich nun völlig gelöst und fiel ihr in rotblonden Wellen über den Rücken. Er musste an sich halten, um nicht hineinzugreifen, es zu lockern. Es war so seidig und duftend … fast ein bisschen wild und passte so gar nicht zum braven Aussehen der Prinzessin.

Er war ihr jetzt so nahe, dass ihm der Größenunterschied auffiel. Prinzessin Samia war viel kleiner war als die Damen, mit denen er üblicherweise ausging. Es überraschte ihn, dass er das Bedürfnis verspürte, sie zu beschützen. Ohne Jackett wirkte sie schmal und zerbrechlich, dennoch ging eine seltsame Stärke von ihr aus. Durch den Stoff der Bluse schimmerte schwach der weiße BH hindurch. Sein Blick glitt zu ihrer schmalen Taille, den leicht gerundeten Hüften. Noch nie war eine Frau, mit der er ins Bett gehen wollte, so spießig gekleidet gewesen. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Blitzschlag. Prinzessin Samia würde seine Frau werden. Er würde mit ihr schlafen –, weil es die Pflicht verlangte. Falls er auch Spaß dabei hatte, wäre das eine angenehme Begleiterscheinung.

Aus der Nähe konnte er unter dem geöffneten Blusenknopf ihre zarte Haut bis zur Mulde zwischen den Brüsten sehen, in der kleine Schweißperlen glitzerten. Ihr musste heiß sein. Auf einmal verspürte er den verrückten Wunsch, die Bluse beiseitezuschieben und ihre Haut zu berühren. Gebannt ließ er den Blick tiefer gleiten, zum Ansatz der erstaunlich vollen Brüste, die sich mit jedem Atemzug hoben und senkten.

Schockiert wurde Sadiq bewusst, dass er diese Frau begehrte, er musste sich zwingen, ihr wieder in die Augen zu sehen. Was er darin las, elektrisierte ihn. Ihre Tiefen schimmerten so bläulich grün wie das Arabische Meer. Einige Strähnen ihrer Locken rahmten ihr Gesicht und ließen sie weicher, so viel weiblicher erscheinen. In diesem Moment war sie fast … wunderschön. Die Entdeckung traf Sadiq völlig unerwartet.

Die Musterung des Sultans machte Samia hilflos. So prüfend hatte noch kein Mann sie betrachtet –, oder solange auf ihre Brüste geblickt. Dennoch war sie weder beleidigt noch schockiert. Eine seltsame Wärme durchströmte sie, nie gekannte Empfindungen stürmten auf sie ein. Als der Sultan um sie herumgegangen war, hatte sie den obersten Blusenknopf öffnen müssen, weil sie kaum noch atmen konnte. Und wie er sie jetzt ansah, als wollte …

„Sie sagten, ich bräuchte jemanden, der es mit mir aufnehmen kann. Genau das haben Sie seit gestern getan.“ Er presste die Lippen zusammen. „Es ist lange her, seit jemand sich meinen Wünschen widersetzt hat. Tag für Tag komme ich mit Leuten zusammen, die sich mir gegenüber ehrfürchtig oder gehemmt verhalten, doch Sie bieten mir die Stirn.“ Ehe Samia etwas erwidern konnte, fuhr er fort: „Das wagen nur wenige. Sie und ich, Prinzessin, wir haben viel gemeinsam und sind einander ebenbürtig.“

Unwillkürlich erbleichte sie. Eins wusste sie: Dieser Mann und sie glichen sich in nichts. Sie hatten nicht das Geringste gemeinsam und waren so verschieden wie Tag und Nacht. „Wir sind uns nicht ähnlich“, widersprach sie vehement. „Ich wüsste wirklich nicht, inwiefern.“

Sadiq ignorierte den Einwand. „Ich weiß, dass Sie einen engen, loyalen Freundeskreis haben.“

Es überraschte Samia, wie viel er über sie recherchiert hatte. „Das sagt doch eigentlich alles über mich und meine Herkunft.“ Sie dachte an eine schmerzliche Episode im College. „Ich konnte nie sicher sein, ob Menschen meine Freundschaft nicht vielleicht nur suchten, weil sie sich davon Vorteile erhofften.“ Als der Sultan ungerührt blieb, gab sie verzweifelt zu bedenken: „Ich bin eine Langweilerin.“

Ungläubig zog er eine Braue hoch. „Eine Langweilerin dürfte sich kaum mit zwei Freundinnen in einem Katamaran aus recyceltem Material über den Atlantik wagen, um die Öffentlichkeit auf gedankenlose Umweltverschmutzung aufmerksam zu machen.“

Samia war fassungslos. „Sie wissen davon?“

Er nickte und sah sie ernst an. „Und ich bin mir nicht sicher, ob ich das für das Verrückteste oder das Tollkühnste halten soll, das mir je untergekommen ist.“

Samia wurde noch verlegener, gleichzeitig machte es sie stolz, dass dieser Mann sie bewunderte. „Mir liegt der Umweltschutz am Herzen … Die anderen beiden waren Freundinnen aus der Unizeit, aber sie konnten die erforderlichen Gelder für den Törn nicht aufbringen. Nachdem ich dann beschlossen hatte, mitzumachen …“ Bescheiden verstummte sie. Es sollte nicht so aussehen, als wäre ihr Beitrag entscheidend für das Projekt gewesen.

Wieder wippte Sadiq auf den Fersen. „In Al-Omar habe ich ein gut eingespieltes Umweltteam, das Ihre Unterstützung brauchen könnte. Ich bin meist anderweitig beschäftigt und kann mich nicht richtig darum kümmern. Wir sind beide in einem Umfeld aufgewachsen, in dem die Luft sehr dünn ist. Durch Ihre Kindheitserfahrungen sind Sie besonders dazu befähigt, sich in andere hineinzuversetzen, was für eine Königin sehr wichtig ist.“

Es widerstrebte Samia, dass der Sultan ständig von Partnerschaft sprach, vor allem, wie verführerisch er ihr vor Augen hielt, wie viel sie als Königin für die Umwelt tun könne. „Sadiq“, begann sie matt, doch er ließ sich nicht beirren.

„Mit anderen Menschen zusammenkommen zu müssen, mag Sie schrecken, aber im Laufe der Zeit werden Sie das als völlig normal empfinden. Außerdem können Sie wohl nicht abstreiten, quasi von Kindesbeinen an mit Politik und Protokoll konfrontiert worden zu sein. Alles das spricht für eine Verbindung mit Ihnen. Ich habe weder Zeit noch Lust, meine zukünftige Frau erst mit all diesen Dingen vertraut machen zu müssen.“

Wieder konnte Samia ihn nur erstaunt ansehen. Es stimmte. Obwohl sie ihrer Stiefmutter möglichst aus dem Weg gegangen war, kannte sie sich in den politischen Belangen des Königshofes aus. Sie hatte lernen müssen zu überleben. Die Kenntnis der Dinge, von denen Sadiq sprach, hatte sich ihr von klein auf wie eine Tätowierung eingebrannt.

„Ich will eine stabile Allianz zwischen Al-Omar, Merkazad und Burquat schaffen. Wir leben in unsicheren Zeiten und müssen uns auf unsere Bündnispartner verlassen können.“

Fasziniert blickte Samia ihm in die unglaublich blauen Augen. Er hatte ja recht. Diese Tatsachen konnte sie ebenso wenig bestreiten wie ihre Abstammung. Sie mochte sich im College und in der staubigen Bibliothek jahrelang versteckt haben, dennoch war sie sich der Verantwortung bewusst, die ihre Herkunft mit sich brachte.

Aus rein persönlichen Gründen, sogar aus Selbstsucht hatte sie sich ihr bisher entzogen. Doch sie hatte Verpflichtungen, musste an ihre Verantwortung denken.

Als spürte Sadiq, dass sie schwankend wurde, kam er näher, und das Atmen fiel ihr schwer. Wieder stieg diese beklemmende Hitze in ihr auf, und ihr wurde bewusst, dass sie nicht aus Verlegenheit so reagierte, sondern weil sie diesen Mann begehrte. Er konnte ihr gefährlich werden.

„Ich …“ Ihre Stimme versagte. Sadiq stand so nahe vor ihr, dass sie seine dunklen Pupillen sehen konnte, die sie in einen Strudel zu saugen schienen und nie gekannte Wünsche in ihr weckten. Mühsam brachte sie hervor: „Ich gebe zu, dass Sie recht haben. Mit allem.“

„Das weiß ich.“

Seine Stimme klang noch dunkler, sie spürte seinen warmen Atem – und nahm den würzigen Duft von Sandelholz wahr. Die Erinnerung daran hatte sie um den Schlaf gebracht.

Ihr Herz schien stillzustehen, als er ihre Lippen leicht mit dem Zeigefinger erkundete. Verrückt, aber sie verspürte den unvernünftigen Wunsch, ihn mit der Zunge zu berühren.

„Das ist schon besser“, sagte er leise. „Warum sind Sie so verkrampft? Sie haben einen hübschen Mund.“

Einen hübschen Mund? Noch nie hatte jemand etwas an ihr hübsch gefunden. Schnell wich Samia zurück, sodass seine Hand von ihren Lippen glitt.

Der Bann war gebrochen.

Sadiq versuchte, sie mit Schmeicheleien und Komplimenten einzulullen! Wie konnte sie auch nur eine Sekunde glauben, der Sultan von Al-Omar, der die schönsten Frauen der Welt besessen hatte, könnte etwas an ihr finden?

Ihre Wangen glühten, sie blickte zu Boden und versuchte, sich wieder zu fangen. Erleichtert atmete sie auf, als auch Sadiq etwas zurücktrat.

Seltsam feierlich erklärte er: „Es ist unvermeidlich, Samia. Geben Sie auf! Ich bin erst zufrieden, wenn Sie Ja sagen.“

Sie kämpfte mit sich, schüttelte nur den Kopf, weil die Stimme ihr nicht gehorchen wollte. Es war völlig unmöglich! Sie konnte es nicht tun!

Als Sadiq seufzte, riskierte sie einen Blick in seine Richtung. Er blickte auf die Uhr, dann zu ihr. „Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber nach einem langen Arbeitstag bin ich hungrig.“

Einen Moment sah Samia ihn unschlüssig an, ihr Magen meldete sich, und sie entspannte sich etwas. In den letzten beiden Tagen war sie so aufgeregt gewesen, dass sie kaum etwas gegessen hatte.

Sadiq schien ihren Gefühlstumult zu spüren, denn er lächelte und kam wieder näher. Sanft hob er ihr Gesicht, sodass sie ihn ansehen musste. „Glauben Sie mir, ich werde nicht ruhen, bis Sie sich bereit erklären, meine Ehefrau und Königin zu werden. Bis dahin sollten wir uns besser kennenlernen. Und etwas essen.“

Sadiq nahm die Kostümjacke und geleitete Samia aus dem Arbeitszimmer. Sie wollte etwas einwenden, doch sie befanden sich bereits in der Eingangshalle, wo Sadiq einige Worte mit dem Butler wechselte, der sich verneigte und Samia höflich bedeutete, Sadiq in einen Raum zu folgen, der das Speisezimmer sein musste.

Es war sehr eindrucksvoll. Die dunklen Wände schmückten Porträts von Sadiqs Ahnen in westlicher Kleidung, ein mächtiger polierter Eichentisch beherrschte den Raum und war am Kopfende für zwei Personen gedeckt.

Hinter einem Stuhl blieb Sadiq stehen und sah Samia erwartungsvoll an. Sie folgte der Aufforderung und nahm Platz. Nun setzte geschäftiges Treiben ein. Der Butler kehrte mit anderen Angestellten zurück, Karten mit einer Speisenauswahl wurden ihnen gereicht. Ohne nachzudenken, entschied Samia sich für irgendetwas.

Als sie einige Augenblicke allein waren, begann sie zögernd: „Sadiq …“

Er schenkte ihr gekühlten Weißwein ein und bemerkte charmant: „Mit dem Fisch haben Sie eine gute Wahl getroffen. Marcel, unser Chefkoch, ist ein Meister seines Fachs und hat für das Pariser Ritz gearbeitet.“

Samia nahm das Glas, das er ihr reichte, dabei spürte sie, dass ihr das Haar nun offen über die Schultern floss. Wie oft hatte sie ihre jüngere Schwester um ihr glattes Haar beneidet, die das Aussehen ihrer Mutter geerbt hatte. Kaden war ebenfalls dunkel und kam mehr nach ihrem Vater. Nur sie, Samia, mit ihrem leicht lockigen rotblonden Haar, war sich irgendwie aus der Art geschlagen vorgekommen. Und ihre Stiefmutter hatte sie mit ihren hämischen Bemerkungen dann noch in dem Gefühl bestärkt, eine Außenseiterin zu sein.

Jetzt kam Samia sich mit dem offenen Haar seltsam verletzlich vor, als würde sie etwas von ihrer Weiblichkeit enthüllen. Aber eigentlich war es kein unangenehmes Gefühl. Als Sadiq sich jetzt zurücklehnte und ihr zulächelte, bekam sie Magenflattern. Wenn er seinen Charme spielen ließ, fühlte sie sich hilflos, und immer öfter war ihr, als könnte er ihre Gedanken lesen.

In den nun folgenden eineinhalb Stunden genossen sie die erlesenen Speisen, und Sadiq schaffte es geschickt, Samia aus der Reserve zu locken. Anfangs wehrte sie sich noch dagegen, doch ebenso sehr hätte sie versuchen können, gegen Stromschnellen anzuschwimmen. Sie konnte nicht sagen, was es war, aber unmerklich geschah etwas mit ihr.

War sie empfänglicher geworden, nachdem Sadiq sie auf das Katamaranabenteuer angesprochen hatte? Oder fühlte sie sich freier, weil er sich nicht daran zu stoßen schien, dass sie so schüchtern war? Das hatte sie bisher niemandem anvertraut, und eigentlich hatte sie ihm ihr Geheimnis auch nur verraten, um ihn von sich abzubringen. Aber damit hatte es nicht geklappt. Er hatte sich sogar mitfühlend gezeigt. Komisch, wie leicht es ihr auf einmal fiel, über sich zu sprechen, wenn auch über unverfängliche Dinge.

Beim Kaffee fühlte Samia sich sehr viel lockerer, fast ein wenig kühn. „Sie sind wirklich gut“, bemerkte sie keck.

Sadiq zog eine Braue hoch. „Gut? Wie meinen Sie das?“

Nun musste Samia aufpassen. Sie saß einem charmanten Staatsmann gegenüber, keinem Ladykiller aus Hollywood. „Sie können Menschen bezaubern.“

Er zuckte nur die Schultern und wurde ernst.

Der Zauber war verflogen. Natürlich. Wie konnte sie so dumm sein? Das Ganze war nur eine Show, die Sadiq gekonnt abzog, um sie zu dieser Heirat zu überreden. Er hatte seinen Charme voll aufgedreht, und sie war darauf hereingefallen wie andere Frauen auch.

Bedeutsam blickte Samia auf die Uhr und sah Sadiq an. „Ich muss morgen frühzeitig aufstehen, um die umgebaute Bibliothek offiziell der Öffentlichkeit zu übergeben.“

„Macht Ihnen die Arbeit dort Spaß?“

Ihr rebellischer Geist regte sich. „Sehr sogar!“, betonte sie. „Und eine Königin, die über ein Bücherreich herrscht, dürfte Ihnen wenig nützen.“

Am liebsten hätte Sadiq sie einfach mit einem Kuss überrumpelt. Während des Essens hatte er Samia für sich gewonnen, das wusste er. So gelöst hatte er sie noch nicht erlebt. Dabei war ihm bewusst geworden, wie attraktiv sie war. Sie so lebendig und temperamentvoll zu erleben, hatte etwas in ihm verändert: Er begehrte sie.

Vor seinen Augen war sie erblüht wie eine Blume in der Sonne.

Doch nun hatte sie sich wieder in sich zurückgezogen, sie presste die vollen Lippen zusammen und hielt den Blick gesenkt. Diskret gab er den Angestellten ein Zeichen und erhob sich. Ihm fiel auf, dass Samia enttäuscht wirkte, als hätte sie nicht erwartet, dass er so leicht aufgab. Zögernd stand sie ebenfalls auf, und wieder verspürte Sadiq den Wunsch, sie zu beschützen.

Komisch, dass er so reagierte. Seine letzte Geliebte war drei Jahre als schönste Frau der Welt gefeiert worden, doch bei ihr hatten sich in ihm nie Beschützerinstinkte geregt. Sein Verlangen hatte bald nachgelassen, während Samia, die im landläufigen Sinn eher hübsch als schön war, seine Sinne entflammte wie bisher kaum eine Frau.

Als Sadiq mit Samia das Speisezimmer verließ, beschloss er, sie auf die Probe zu stellen. An der Haustür drehte sie sich um, als erwartete sie, dass er doch noch versuchen würde, sie umzustimmen. Den Gefallen würde er ihr nicht tun. Höflich hielt er ihr die Jacke, ließ sie jedoch nicht aus den Augen. Was würde sie tun?

Nachdenklich bemerkte er: „Wissen Sie, vielleicht sind Sie doch nicht die richtige Frau für mich.“

Es kostete ihn Mühe, sein Triumphgefühl zu unterdrücken, als sie betroffen in der Bewegung innehielt.

Samia wollte etwas sagen, brachte jedoch keinen Ton hervor. Damit hatte sie nicht gerechnet. Statt erleichtert zu sein, verspürte sie das verrückte Bedürfnis, Sadiq zu versichern, sie könne ihm eine gute Frau sein.

Sie versuchte, sich ihre Empfindungen nicht anmerken zu lassen, und ließ sich in ihre Jacke helfen. „Wenn ich jetzt gehe, würden Sie mich nicht aufhalten, und die Sache mit der Heirat wäre vom Tisch?“

Sadiq lächelte siegessicher. „Glauben Sie wirklich, ich würde Sie so einfach gehen lassen?“

Nun war sie wütend. Er trieb also nur ein Spiel mit ihr! Trotzig griff Samia nach dem Türknauf und versuchte, ihn zu drehen. Vergeblich. Sie saß in der Falle. Gereizt drehte sie sich zu Sadiq um. „Wenn Ihre Tür nicht blockieren würde, könnten Sie mich nicht aufhalten.“

Er hatte sie durchschaut und wusste, dass sie schwankend geworden war!

„Die Tür ist völlig in Ordnung, Samia. Ich wollte nur sehen, wie Sie reagieren, wenn ich Ihnen die Freiheit schenke. Ihr Gesichtsausdruck hat mir verraten, was ich wissen wollte.“

Fluchtartig wandte sie sich wieder der Tür zu, und diesmal ließ sie sich öffnen. Auf der Schwelle blieb Samia stehen, atmete tief ein … als vor ihr ein Blitzlichtgewitter losbrach.

Die Paparazzi.

Hinter sich hörte sie Sadiq eine Verwünschung ausstoßen, undeutlich nahm sie wahr, dass Leibwächter herbeistürzten, um die Fotografen abzuwehren. Blitzschnell packte Sadiq sie von hinten und zog sie schützend an sich, um sie ins Haus zurückzuziehen.

Samia brauchte einen Augenblick, ehe ihr klar wurde, dass es still um sie wurde. Sadiq hielt sie immer noch umfangen, sodass ihre Brüste gegen seinen Oberkörper pressten. Flammende Röte überzog ihr Gesicht, und verlegen befreite sie sich und stolperte rückwärts.

Sadiq fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. „Alles in Ordnung? Was eben passiert ist, tut mir leid. Manchmal liegen die Presseleute auf der Lauer, sobald sie erfahren, dass ich hier bin. Dann lassen sie sich auch nicht von den Leibwächtern abschrecken.“

Er konnte den Druck ihrer festen Brüste immer noch spüren. Wie zierlich Samia war! Wenn sie sich im Bett aneinanderschmiegten, würden sie wunderbar zueinanderpassen … eine völlig neue Erfahrung für ihn, der große Frauen gewöhnt war.

Immer noch stand sie da, das Haar wild zerzaust –, und so unschuldig sexy! Sicher ahnte sie nicht einmal, wie aufregend sie wirkte. Das reizte ihn umso mehr.

„Sie wussten davon?“

Er runzelte sie Stirn. Der anklagende Ton gefiel ihm nicht. „Wie meinen Sie das?“

„Dass draußen die Paparazzi lauern.“ Ihre Stimme bebte. „Jetzt werden überall in den Medien Fotos von mir mit Ihnen erscheinen … wie ich Ihr Haus verlasse.“

Beruhigend nahm er ihren Arm. „Kommen Sie mit ins Arbeitszimmer, Samia. Sie stehen unter Schock.“

Sobald sie den gemütlichen Raum betreten hatten, half Sadiq ihr in einen Sessel, schenkte Cognac in einen Schwenker und reichte ihn Samia.

„Trinken Sie das, dann werden Sie sich besser fühlen.“

Sie nahm das Glas und trank einen Schluck, dann verfolgte sie, wie Sadiq sich ebenfalls einen Cognac einschenkte und ihr gegenüber Platz nahm. Wieder wurde ihr bewusst, wie fantastisch der Mann aussah. Ein merkwürdiges Kribbeln regte sich in ihrem Schoß, sie stellte ihren Drink ab und verschränkte die Arme.

Grimmig erklärte Sadiq: „An die Paparazzi hatte ich nicht gedacht. Natürlich war es nicht meine Absicht, Sie in diese Lage zu bringen.“

Samia atmete tief ein, ihre Entrüstung legte sich. Sie glaubte ihm. Ein Mann wie er hatte es nicht nötig, sich solcher Mittel zu bedienen. Schnell stand sie auf. „Danke für das Abendessen. Und jetzt …“

Nur weg von hier! war alles, was sie denken konnte. Als Sadiq sich ebenfalls erhob, hob sie bittend die Hände.

„Was eben war, müsste Ihnen beweisen, dass ich wirklich nicht die Richtige für Sie bin. Das war mein erster Zusammenstoß mit Paparazzi. Sie brauchen eine Frau, die an so etwas gewöhnt ist und weiß, wie sie sich in solchen Fällen zu verhalten hat.“

Längst war Sadiq sich seiner Sache sicher. Er wollte Samia heiraten, und zwar nicht nur aus praktischen und politischen Erwägungen.

Siegessicher kam er näher, und Samia begann leicht zu zittern. Er war ihr jetzt so nahe, dass sie die Pupillen seiner unglaublich blauen Augen sehen konnte. Sie konnte sagen, was sie wollte, er hatte sie durchschaut. Ihre Reaktion an der Haustür musste sie verraten haben. Verbittert überlegte sie, was sie tun sollte.

„Samia“, sprach er beschwörend auf sie ein, „Ihre Reaktion hat bewiesen, dass Sie unschlüssig sind. Sagen Sie Ja, denn letztlich haben Sie keine andere Wahl. Sie sind von königlichem Geblüt und für die Rolle der Königin geboren. Daran lässt sich nichts ändern. Es zu versuchen, würde bedeuten, das Schicksal, mich und Ihren Bruder herauszufordern.“

Ohne sie aus den Augen zu lassen, zog Sadiq ein kleines Samtetui aus der Tasche und öffnete es. Samia musste einfach darauf blicken. Der überraschend schlichte Ring musste sehr alt sein. Sein goldgefasster Diamant war von ungewöhnlicher Schönheit.

„Der gelbe Saphir gehörte meiner Großmutter väterlicherseits –, er war ein Geschenk meines Großvaters an sie.“

Ein glücklicher Zufall wollte es, dass der Ring sich im Londoner Familiensafe befunden hatte. Ursprünglich hatte Sadiq für seine zukünftige Braut einen traditionellen Diamantring gewählt, doch dann hatte er sich anders entschieden, weil eine so ungewöhnliche Frau wie Prinzessin Samia etwas Besonderes verdiente.

Als sie den Kopf hob, nahm Sadiq ihre Hand und blickte ihr in die Augen, bis sie schwach wurde und stumm seine Finger drückte.

„Prinzessin Samia Binte Rashad al Abbas, würden Sie mir die große Ehre zuteilwerden lassen, meine Frau und Königin von Al-Omar zu werden?“

4. KAPITEL

Sadiqs schicksalsschwere Worte hingen noch in der Luft, als Samia sich unvermittelt an die peinliche Szene im Arbeitszimmer seines Palastes erinnerte … Damals, als sie nach dem Missgeschick mit dem Tischchen von der Party geflohen war und sich in den nächstbesten Raum flüchtete.

Der Mann, der kurz darauf den Raum betrat, bemerkte Samia nicht, die mucksmäuschenstill sitzen blieb und kaum zu atmen wagte. Sie konnte ausmachen, dass er groß, dunkelhaarig und athletisch gebaut war. Langsam ging er zum Fenster, das auf einen prachtvollen Innenhof hinausging, und blickte seltsam traurig hinaus.

Endlich seufzte er, senkte den Kopf und fuhr sich müde durch das kurze Haar. Etwas an seiner Art ging Samia ans Herz, sie konnte seinen Schmerz, seine Einsamkeit fast körperlich spüren. Gerade wollte sie aufstehen und zu ihm gehen, als eine wunderschöne blonde Dame den Raum betrat.

Der Mann drehte sich um, und Samia erkannte den charismatischen Sultan, den sie Stunden zuvor kennengelernt hatte. Beim Anblick der Frau schien die Traurigkeit von ihm abzufallen, er lächelte glücklich. Hier spielte sich etwas ab, das nur die beiden betraf.

Gebannt verfolgte Samia, wie die Frau auf ihn zueilte und sich in seine Arme warf. Etwas erwachte in Samia, am liebsten hätte sie die Fremde fortgestoßen, die der Sultan so leidenschaftlich küsste, dass Samia ein verräterischer Laut entschlüpfte.

Befremdet drehten die beiden sich zu ihr um, und sie rannte wie gehetzt aus dem Raum.

Jetzt blickte sie diesem Mann in die unglaublich blauen Augen und bekam Magenflattern. Nur zu gut erinnerte sie sich daran, wie verletzbar er in jener Nacht gewesen war –, und wie stark sie mit ihm empfunden hatte.

Damals hatte sie eine verborgene, weiche Seite an ihm erlebt, die ihn liebenswert machte.

Doch jetzt hatte sie den herrschgewohnten Sultan vor sich, der nicht aufgeben würde, bis sie sich fügte. Eine seltsame Ruhe überkam Samia. Er hatte ja recht: Wenn sie sich weigerte, würde sie sich gegen ihn, das Schicksal und ihren Bruder auflehnen. Sie durfte sich bei ihrer Entscheidung nicht von Gefühlen leiten lassen, sondern musste kühl und vernünftig abwägen.

„Ich …“ Ihre Stimme klang rau. „Ja, ich möchte Sie heiraten“, hörte sie sich sagen.

Sekundenlang rührte Sadiq sich nicht, dann streifte er Samia den Ring über den Finger und küsste ihr galant die Hand. Seine Lippen waren warm und streiften ihre Haut nur leicht, doch die Berührung elektrisierte sie.

Dann richtete er sich auf, und sein Gesichtsausdruck wurde sachlich. Er hatte erreicht, was er wollte, und war wieder ganz der stolze Herrscher. Die Arbeit ist getan, die Mission erfüllt, dachte Samia ironisch. Geschickt hatte er mit ihren Gefühlen gespielt, jetzt konnte sie nicht mehr zurück.

Was hatte sie nur getan! Ihr Magen begann zu rebellieren, und sie bekam es mit der Angst zu tun. Doch das durfte sie sich nicht anmerken zu lassen. Gefasst entzog sie Sadiq ihre Hand und wich etwas zurück. Aus dem Augenwinkel registrierte sie den funkelnden Ring an ihrem Finger. „Ich muss morgen sehr früh aufstehen. Falls es also nichts mehr zu besprechen gibt …“

Ein schwaches Lächeln überflog Sadiqs Lippen, auch er trat etwas zurück. „Nein, im Moment nichts. Mein Assistent wird dir morgen einen Terminplan zukommen lassen. Vor uns liegen drei arbeitsreiche Wochen, ehe wir zur Hochzeit nach Al-Omar fliegen.“

„Drei Wochen?“, brachte Samia leise hervor. Eine beängstigende Vorstellung! Für sie war die Hochzeit etwas, das noch in ferner Zukunft lag … Und dass er nun zum vertrauten Du übergegangen war, machte die Sache auch nicht leichter.

Wieder ganz Geschäftsmann, nickte Sadiq und begleitete sie zur Tür. „Drei Wochen. Das müsste dir genügend Zeit lassen, um deinen Posten zu übergeben und dich auf die Hochzeit vorzubereiten. Ich melde mich bei dir. Nächste Woche geht eine entsprechende Pressemitteilung heraus. Deinem Bruder wirst du die gute Nachricht sicher schon vorher zukommen lassen wollen.“

Am nächsten Vormittag fand Samia endlich etwas Zeit, um einen Blick auf das Boulevardblatt zu werfen, das sie sich auf dem Weg zur Arbeit gekauft hatte. Ihr stockte der Atem, als sie den sensationslüsternen Fotoaufmacher entdeckte. Wie ein verschrecktes Kaninchen blickte sie in die Kamera, das Haar aufgelöst –, und dieses Kostüm! Samia war zum Weinen zumute. Hinter ihr stand Sadiq wie ein mächtiger Racheengel, der seine Verlobte mit kraftvollen Händen beschützte, während sie wie die sprichwörtliche graue Maus wirkte.

Verlobte. Wieder rebellierte ihr Magen, und Samia zerknüllte die schreckliche Zeitung. Den Verlobungsring hatte sie bewusst zu Hause gelassen. Irgendwie konnte sie immer noch nicht glauben, was passieren würde. Am Abend hatte sie lange mit ihrem Bruder telefoniert, der hörbar erleichtert über die bevorstehende Allianz mit Al-Omar war.

Die Gleichmut, die Samia überkommen hatte, als sie Sadiqs Heiratsantrag annahm, war verflogen. Es sollte die Hochzeit des Jahrhunderts werden –, und sie würde tausend Tode sterben, wenn die Menschen merkten, dass sie es in nichts mit Sadiqs früheren Freundinnen aufnehmen konnte. Himmel, sie würde mit Sadiq schlafen müssen. Verzweiflung übermannte Samia. Was hatte sie ihm schon zu bieten? Sie würde sich damit abfinden müssen, dass er sich eine Geliebte nahm.

Das Schlimmste war, dass sie tatsächlich noch Jungfrau und völlig unerfahren war. Im College hatte sie eine schreckliche Erfahrung gemacht, als ein Junge nach ein, zwei Verabredungen mehr von ihr wollte. Nachdem Samia ihn abgewiesen hatte, war er mit der hämischen Bemerkung davongestürmt: „Ich wollte sowieso nur wegen einer Wette mit dir ins Bett gehen, weil du eine Prinzessin bist. Gut, dass es nicht geklappt hat. Mein Leben ist viel zu kurz, um Zeit mit dir zu vergeuden!“

Seitdem hatte Samia alles Sexuelle verdrängt, um grausamen Vorwürfen und unerwünschten Belästigungen zu entgehen.

Sie verdrängte die schmerzliche Erinnerung und dachte an Sadiq, der sie am frühen Morgen angerufen hatte.

„Ich schicke dir am Wochenende eine persönliche Einkaufsberaterin, Samia. Du brauchst eine Brautausstattung. Und eine umfangreiche Hochzeitsgarderobe. Schon allein die Festlichkeiten in Al-Omar werden drei Tage dauern.“

Samia war matt auf einen Stuhl gesunken. Wie ein gähnender Abgrund lag die Zukunft vor ihr. „Muss die Hochzeit wirklich drei Tage dauern? Warum können wir uns nicht einfach hier standesamtlich trauen lassen?“

Daraufhin hatte Sadiq nur amüsiert gelacht. „Weil ich ein Sultan bin und du eine Prinzessin, die Königin wird. Deshalb brauchst du jetzt auch Personenschutz“, hatte er entschieden. „Ab heute begleiten dich zwei Leibwächter. Die Nachricht mag sich noch nicht herumgesprochen haben, aber genug Leute vermuten oder wissen etwas.“

Samia hatte das Gefühl, schon jetzt in einem goldenen Käfig gefangen zu sein. Als sie aufbegehren wollte, hatte Sadiq sie nicht zu Wort kommen lassen. „Keine Diskussion. Ab sofort stehst du unter meinem Schutz. Es wäre zu gefährlich für dich, weiterzuleben wie bisher. Du heiratest einen der vermögendsten Männer der Welt und vertrittst eines der wenigen Länder, das weiterhin über unermessliche Ölvorkommen verfügt.“

Wenigstens muss ich nicht befürchten, dass er mich meines Geldes wegen heiratet, dachte Samia verbittert.

Fünf Tage später …

Sadiq saß im Vorführsaal eines exklusiven Londoner Modehauses und wartete geduldig. Nachdem Samia durch ein Labyrinth von Räumen zur Auswahl ihrer neuen Garderobe entführt worden war, wurde er von einer Armee schöner Frauen bedient, die aus ihrer Faszination für ihn kein Hehl machten.

Eine neue Blondine brachte ihm Zeitungen. Als sie etwas zu lange um ihn herumschwirrte, schickte Sadiq sie mit einem knappen Danke fort. Vor nicht allzu langer Zeit hätte er mindestens einen zweiten Blick riskiert, doch heute nicht. Damit war jetzt Schluss.

Komisch, dass die Vorstellung, treu zu sein, ihn nicht schreckte. Er war einfach nicht mehr interessiert an Affären.

Am Morgen hatte er Samia abgeholt, um mit ihr einkaufen zu fahren. Obwohl eine erfahrene Stilistin sie beriet, wollte er bei der Auswahl ihrer Garderobe mit dabei sein.

Blass, das Haar streng zurückgebunden, hatte Samia in Jeans und Jacke vor ihrem Apartmentgebäude auf ihn gewartet. Selbst seine Angestellten im Hussein-Palast in B’harani waren eleganter gekleidet als seine Braut. Bei ihrem Anblick hatte er gereizt geschwiegen –, bis ihm aufgefallen war, dass die Jeans ihre aufregend schlanken Beine und den knackigen Po perfekt betonten.

Na ja, vermutlich begehrte er seine Verlobte einfach deshalb, weil er ja irgendetwas für die Frau empfinden musste, an die er sich fürs Leben band. Komisch, aber die Vorstellung erregte ihn.

Rascheln verriet ihm, dass seine Verlobte zurückkehrte, um ihm das erste Modell ihrer neuen Garderobe vorzuführen.

Am liebsten hätte Samia das hauchzarte Etwas von Silberkleid so nach unten gezogen, dass es wenigstens ihre Brüste und die Knie richtig bedeckte. Doch die persönliche Einkaufsberaterin hatte sie in ihrer praktischen Unterwäsche betrachtet und etwas gebrummelt wie: „Tja, da können wir nicht viel tun. Für Kleider dieser Art sind Sie einfach zu klein.“

Tapfer kämpfte Samia gegen ihre Schüchternheit an. Sie kam sich wie eine Sklavin vor, die auf einer Auktion paradieren sollte, und blickte starr nach vorn, um die enttäuschte Miene ihres Zukünftigen nicht sehen zu müssen.

Doch als sie den Vorführsaal betrat, fiel ihr Blick prompt auf Sadiq, der gelöst auf einem cremefarbenen Sofa saß. Ihr Herz schlug schneller, und ihr wurde heiß. In den High Heels fühlte sie sich hilflos und bewegte sich so unsicher wie ein neugeborenes Fohlen.

Sadiq sah sie hinter dem Samtvorhang hervortreten und musterte sie mit Kennerblick.

Noch nie hatte der Anblick einer Frau ihn so erregt.

Autor

Anne McAllister
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