Stolz und heißes Verlangen

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Diese sinnlichen Kurven, diese verlockend roten Lippen … Kaum sieht er seine Exgeliebte Lucy wieder, muss der griechische Milliardär Jax Antonakos daran denken, dass er mit ihr den besten und heißesten Sex seines Lebens hatte. Doch er darf nicht vergessen: Lucy hat ihn auch betrogen und belogen - was er ihr niemals vergeben wird! Als es trotz allem bald erregender denn je zwischen ihnen knistert, beschließt er, sie noch ein letztes Mal zu verführen. Und zwar ganz nach seinen Regeln - damit sie lernt: Mit einem Mann wie ihm spielt man nicht!


  • Erscheinungstag 21.11.2017
  • Bandnummer 2310
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708764
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Adrenalin rauschte durch seine Adern, als Jax Antonakos aus dem sündhaft teuren Rennwagen stieg. Sofort wurde er von einer aufgeregten Menschentraube umringt. Nur ein Showrennen für einen wohltätigen Zweck, rief er sich in Erinnerung.

Er nahm den Helm ab, darunter kam wirres schwarzes Haar zum Vorschein, und jetzt konnte man auch seine smaragdgrünen Augen funkeln sehen. Das Blitzlichtgewitter startete, die Journalisten feuerten ihr Fragenbombardement ab, schöne Frauen drängten sich um ihn. Für die Welt, in der Jax sich bewegte, war das normal. Alles wie gehabt.

Jax blendete den Trubel aus und machte sich auf den Weg, um dem Gewinner zu gratulieren – dem Weltmeister.

„Für einen Mann, der seit Jahren keine Rennen mehr fährt, warst du ein verdammt harter Gegner.“ Dirk lachte breit. „Willst du nicht vielleicht doch lieber hinter deinem Schreibtisch hervorkommen und wieder im Motorsport einsteigen?“

„Bestimmt nicht“, ertönte da eine weibliche Stimme an seiner Seite. „Jax ist ein Finanzgenie.“ Bevor Jax reagieren konnte, schlang die Brünette auch schon den Arm um ihn. „Danke, dass du eingesprungen bist, nachdem Stefan abgesagt hat. Dafür werde ich dir ewig dankbar sein.“

„Kat.“ Mit einem knappen Nicken begrüßte Jax die Frau. Natürlich richteten sich alle Kameras sofort auf die beiden, um das Paar abzulichten. Doch Jax und Kat Valtinos waren kein Paar, sosehr die Medien und die beiden Familien sich eine Heirat auch wünschten.

Mit einem entschuldigenden Lächeln löste Jax sich aus der Umarmung. Er mochte Kat, aber sollte sein Vater noch immer auf den Zusammenschluss der beiden großen Unternehmen und die Gründung einer Wirtschaftsdynastie durch Heirat hoffen, so würde diese Hoffnung enttäuscht werden. Ein Foto wie dieses würde nur erneut Illusionen schüren.

„Komm, stoßen wir mit einem Drink zusammen an“, schlug Kat vor. „Du weißt, wie viel es mir bedeutet, dass du so kurzfristig für mich hergeflogen bist und …“

„Für den guten Zweck“, berichtigte er. „Schließlich bist du eine Freundin …“

„Eine Freundin, die viel mehr sein könnte“, wisperte sie ihm zu.

„Das Rennen hat Spaß gemacht.“ Ganz bewusst ignorierte er ihren Flirtversuch. Es gab keine nette Art, Kat klarzumachen, dass sie ihre Zeit vergeudete – und vor allem warum. Mit seinem Ruf als Frauenheld wäre es die reine Heuchelei. Die Erinnerungen an die gemeinsame Teenagerzeit waren sicher gut und amüsant, aber er würde niemals eine Frau heiraten, die mit jedem einzelnen seiner Freunde geschlafen hatte. Man mochte das Doppelmoral nennen, aber so war es nun mal für ihn.

Außerdem wollte er grundsätzlich nicht heiraten, er brauchte keine Ehefrau. Und er war auch nicht gewillt, die Enkel zu produzieren, auf die sein Vater, Heracles Antonakos, so ungeduldig wartete. Elternschaft war gleichzusetzen mit einem Minenfeld, das wusste Jax besser als jeder andere … bei der unglücklichen Kindheit, die er hinter sich hatte. Die einzige Konstante für ihn war das Drama gewesen.

Seine Eltern hatten sich scheiden lassen, kaum dass er laufen konnte. Es war eine schmutzige Scheidung gewesen, und in den folgenden fünfundzwanzig Jahren hatte der Vater die Existenz des jüngeren Sohnes komplett ignoriert. Argo war der Erstgeborene aus erster Ehe. Kaum Witwer, hatte Heracles sich in die zweite Ehe gestürzt, und er hatte seiner zweiten Frau, Jax’ Mutter, nie ihre Untreue vergeben. Jax hatte den Preis für die Affäre seiner Mutter gezahlt, in mehr als nur einer Hinsicht. Für ihn hatte es nach dem Trennungsdesaster nie mehr einen sicheren Hafen gegeben, der ihn vor den ständig wechselnden Beziehungen seiner Mutter hätte schützen können, auf Unterstützung des Vaters hatte er vergeblich gehofft. Er hatte ganz allein mit Marianas Scheidungen, Selbstmordversuchen und Aufenthalten in diversen Reha-Kliniken zurechtkommen müssen.

Eine seiner ersten Kindheitserinnerungen war, dass er sich im Küchenschrank vor seiner Mutter versteckte. Da musste er ungefähr drei gewesen sein, aber alt genug, um zu wissen, dass er Prügel beziehen würde, sollte sie ihn finden, bevor der Wutanfall abgeklungen war. Sein Vater hatte ihn mitleidslos der Mutter überlassen, einer Mutter, die vor der Kamera ein umschwärmter Filmstar war, hinter verschlossenen Türen aber ein medikamentensüchtiges, unberechenbares Wrack.

Dann, mit sechsundzwanzig, hatte sich alles geändert. Sein Halbbruder Argo war bei einem Überfall ums Leben gekommen, und ohne jede Vorwarnung hatte Heracles Antonakos seine gesamte Aufmerksamkeit auf den jüngeren Sohn gelenkt, mit dem er jahrelang nichts hatte zu tun haben wollen. Jax’ Mutter war zu dem Zeitpunkt bereits tot, und Jax konnte sich den abrupten Sinneswandel nicht erklären. Zwar galt ihm jetzt die väterliche Zuwendung, nach der er sich seine gesamte Kindheit gesehnt hatte, aber er fragte sich auch, ob und wie lange dieser Zustand anhalten würde. Auch hatte er inzwischen festgestellt, dass das Leben als Antonakos-Erbe keineswegs ein Zuckerschlecken war und ihn ständig vor neue Herausforderungen stellte.

Als der Sohn eines der reichsten Männer der Welt stand Jax mehr Geld zur Verfügung, als er je im Leben ausgeben konnte. In ganz Europa war er bekannt, überall, wo er auftauchte, belagerten ihn die Paparazzi, die schönsten Frauen umschwärmten ihn, jagten ihn wie die lohnende Beute, die er scheinbar war. Immerhin fand er Erfüllung in seinem Job.

Einer von Jax’ Leibwächtern hielt ihm jetzt ein Smartphone hin, und mit schmalen Lippen nahm Jax es an. Er wusste, von wem der Anruf kam. Und ja, schon drang Heracles’ Tirade an sein Ohr. Er habe unverantwortlich sein Leben bei diesem Rennen aufs Spiel gesetzt. Jax hörte sich den wütenden Sermon kommentarlos an, wusste er inzwischen aus Erfahrung, dass jedes mögliche Argument sinnlos war, jedes Wort von ihm würde die Rage des Vaters nur weiter anfachen. Seit Argos’ überraschendem Tod hätte Heracles den zweiten Sohn am liebsten in Watte gepackt, damit ihm nur ja nichts passierte. Zwar gefiel Jax diese neue Fürsorge, doch die damit verbundenen Einschränkungen störten ihn.

Die fünf Leibwächter akzeptierte Jax nur um des lieben Friedens willen, dafür hatte er in anderen Bereichen seinen Kopf durchgesetzt. Er verbrachte seine Freizeit noch immer mit Tiefseetauchen, Bergsteigen und Fliegen. Und er schlief auch noch immer mit allen Frauen, mit denen er schlafen wollte. Frauen, bei denen nicht einmal sein Vater erwarten würde, dass er sie heiratete …

Und warum auch nicht? Er liebte seine Freiheit, hasste es, wenn jemand ihm vorschreiben wollte, was er zu tun und zu lassen hatte. Die wenige Male, die er sich nicht an dieses Motto gehalten hatte, waren prompt in einer Katastrophe geendet, und zwar in Form von Frauen. Deshalb achtete er jetzt umso genauer darauf, dass ihm das nicht mehr passierte. Nein, er brauchte keine Ehefrau, und er wollte auch keine Kinder. Und nichts, weder die steten verschleierten Anspielungen noch die offenen Bitten seines Vaters, würde das ändern.

Und daher … mit einem zynischen kleinen Lächeln sah er Kat entgegen, die mit strahlenden Augen und zwei Gläsern in der Hand auf ihn zukam.

„Ich hasse es, dass du hier arbeitest“, zischte Kreon Thiarkis seiner Tochter zu, als sie ihm den Drink servierte. „Das ist erniedrigend.“

„Ehrliche Arbeit ist niemals erniedrigend.“ Grübchen bildeten sich in ihren Wangen, als sie ihren Vater besänftigend anlächelte. „Sei kein solcher Snob, Dad.“

Kreon verkniff sich einen weiteren Kommentar. Zum einen wollte er seine Tochter nicht kränken, zum anderen wollte er auch nicht den strengen Vater spielen und sie verschrecken, war sie doch erst vor einem halben Jahr in sein Leben getreten und hatte bis dahin nie wirklich ein Elternteil gehabt, das sich um sie gekümmert hätte. Stolz und unabhängig, wie sie war, hatte die einundzwanzigjährige Lucy erst den Kontakt zu Kreon gesucht, als sie sich wirklich nicht mehr allein zu helfen wusste. Mit ihrer kleinen Tochter war sie bei ihm aufgetaucht, finanziell abgebrannt und halb verhungert. Wenn er jetzt an Bella, seine Enkelin, dachte, ging ihm das Herz auf. Die Kleine hatte Licht und Freude in sein Leben und das seiner Frau gebracht. Iola und er hatten zu spät geheiratet, um noch eine Familie zu gründen. Es war ihm eine nie versiegende Freude, Tochter und Enkelin in seinem Haus zu haben, dennoch war er der festen Überzeugung, dass Lucy einen Ehemann brauchte, für die Zeit, wenn er einmal nicht mehr sein würde.

Einen Mann zu finden wäre auch überhaupt keine Schwierigkeit, wäre Lucy nicht so starrsinnig. Seine Tochter war eine ausgesprochen hübsche junge Frau. Männer verrenkten sich den Hals nach ihr. Mit den rotgoldenen Locken, die ihr lang über den Rücken flossen, der schimmernden porzellanen Haut und den großen blauen Augen war sie eine klassische Schönheit. Hier in dem Hotel, in dem sie arbeitete, bekam sie von allen Bedienungen das meiste Trinkgeld, und der Eigentümer, ein Freund von Kreon, hielt große Stücke auf sie.

Lucy war froh um den Job, auch wenn es ihren Vater ärgerte, dass sie die Stelle als Kellnerin angenommen hatte. Aber eine alleinerziehende Mutter hatte es nicht leicht, auch wenn sie wirklich dankbar für die Hilfe und die Unterstützung ihres Vaters und ihrer Stiefmutter war, die sie mit offenen Armen aufgenommen hatten. Ihr Vater war der Sohn eines Griechen, der eine Engländerin geheiratet hatte, und so war Kreon in London aufgewachsen.

Die freie Unterkunft nahm Lucy gerne an, genau wie auch Iolas Hilfe mit Bella, dennoch war sie entschlossen, dem älteren Paar nicht zur Last zu fallen oder deren herzliche Großzügigkeit auszunutzen. Ja, sie hatte dringend Hilfe gebraucht, als sie zuerst in Athen angekommen war, aber sie tat alles, um auf eigenen Füßen zu stehen. Mit dem, was sie hier verdiente, konnte sie zumindest alles Notwendige für Bella und sich kaufen. Es war wichtig für ihren Stolz, dass sie ihren Unterhalt selbst bestritt.

Andreus, Besitzer des Hotels und ihr Chef, gab ihr mit einem Wink zu verstehen, dass er etwas mit ihr zu besprechen hatte.

„Morgen um elf findet ein Geschäftstreffen im hinteren Konferenzraum statt“, informierte er sie. „Angesetzt ist es für zwei Stunden. Ich möchte, dass du die Herrschaften bedienst. Ich zahle dir dafür eine volle Schicht.“

„Das dürfte kein Problem sein, Iola wird sicher auf Bella aufpassen.“ Sie machte sich wieder an die Arbeit, als der nächste Gast nach ihr winkte.

Der Mann gab seine Bestellung ab und plauderte dann mit ihr, versuchte, ihre Telefonnummer zu erhalten. Lucy wimmelte seinen Annäherungsversuch freundlich, aber bestimmt ab. Sie hatte kein Interesse an Verabredungen. Als neunzehnjährige Jungfrau hatte sie sich ein Mal darauf eingelassen, ohne auch nur zu ahnen, dass es sich um nichts weiter als einen lockeren Flirt handelte. Und dann war es auch schon zu spät gewesen. Schwanger war sie von Bellas Vater mit solcher Verachtung behandelt worden, dass Erniedrigung und Scham eine tiefe Narbe auf ihrer Seele hinterlassen hatten, die noch heute wie Feuer brannte. Deshalb erlaubte sie es sich auch nur selten, an damals … oder an ihn zu denken.

Allerdings hatte es keinen Sinn, sich wegen vergangener Fehler zu grämen, das hatte Lucy schon als Kind lernen müssen. Einmal im staatlichen Pflegesystem, war man den Launen anderer ausgesetzt, deshalb fiel es ihr unglaublich schwer, anderen Menschen zu vertrauen. Sie brauchte das Gefühl von Unabhängigkeit und Selbstständigkeit, sonst fühlte sie sich wie in einer Falle.

Langsam jedoch wurde es besser, gestand sie sich ein. Zum ersten Mal in ihrem Leben wagte sie daran zu denken, Wurzeln zu schlagen. So zufrieden wie jetzt war sie seit Jahren nicht gewesen, und sie überlegte schon, wie ihre weiteren Schritte aussehen sollten, damit es voranging und sie Bella ein gutes, ein besseres Leben garantieren konnte. Wahrscheinlich würde sie das Angebot ihres Vaters annehmen und sich eine Ausbildung von ihm finanzieren lassen, damit sie dann eine vernünftig bezahlte Anstellung fand, statt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten. Es war an der Zeit, einige langfristige Entscheidungen zu treffen und erwachsen zu werden.

„Du bist so viel mehr wert, als dass du diese Drecksarbeit erledigen musst“, hatte Bellas Vater ihr damals vor zwei Jahren in Spanien noch gesagt.

Tja, so schnell platzten Träume, nicht wahr? Wenn Lucy daran dachte, zog sich ihr Herz krampfhaft zusammen, so wie jetzt, als sie an der Theke darauf wartete, dass der Barmann die Getränke für ihre Bestellung fertig machte.

Ihre Freundin Tara, die zusammen mit ihr gekellnert hatte, hatte es sehr viel realistischer gesehen.

„Er geht mit dir ins Bett und lässt dich fallen, sobald er sich mit dir langweilt“, hatte sie Lucy gewarnt. „Typen wie er bleiben nicht bei Mädchen wie uns. Wir sind gerade gut genug für ein bisschen Spaß.“

Jetzt bildeten sich feine Schweißperlen über ihrer Oberlippe, Lucy schalt sich dafür, dass sie ausgerechnet jetzt daran dachte. Jedes Mal, wenn sie sich erinnerte, wie naiv und dumm sie damals gewesen war, würde sie am liebsten vergehen vor Scham. Sie war schließlich nicht als behütete Prinzessin aufgewachsen, sie hatte doch gewusst, wie Männer waren. Sie hätte es besser wissen müssen. Bis heute gelang es ihr nicht, sich ihr überstürztes und unüberlegtes Verhalten zu verzeihen.

Doch als Lucy am Ende ihrer Schicht nach Hause zu dem kleinen Stadthaus ihres Vaters kam und leise hinauf in das Zimmer ging, das sie und Bella sich teilten, sah alles schon gar nicht mehr so schlimm aus, im Gegenteil. Bella schlummerte selig in ihrem Bettchen. Schwarze Locken umrahmten das hübsche Gesichtchen, die langen dichten Wimpern, die sich über den strahlend grünen Augen geschlossen hatten, warfen Schatten auf die feinen Wangen. Bella war einfach herzallerliebst, ein kleiner Engel. Nein, Lucy mochte ja so einiges bereuen, aber Bella würde sie niemals missen wollen.

„Komm doch am Samstagabend mit uns zusammen zum Dinner“, drängte Iola, eine kurvige Mittvierzigerin mit dunklem Haar, sie am nächsten Morgen nach dem Frühstück. „Dein Vater würde sich so sehr freuen.“

Lucy errötete, während sie ihrer Tochter die Frühstücksreste von Gesicht und Händen wischte. Natürlich wusste sie, dass Kreon sich freuen würde … genau wie sie wusste, dass sie dann die Avancen mindestens zweier junger Männer würde abwehren müssen, die ihr Vater handverlesen in das Restaurant bestellt hätte. Im Moment schien es das einzige Ziel ihres Vaters zu sein, einen passenden Ehemann für sie zu finden. So tolerant der Mann auch war, in der Beziehung war Kreon altmodisch. Er weigerte sich zu akzeptieren, dass Lucy als alleinerziehende Mutter durchs Leben gehen wollte.

„Mama … Mama …“ Bella war begeistert, als Lucy sie aus dem Hochstuhl befreite und auf den Boden stellte, damit sie, wenn auch noch tapsig, durchs Zimmer laufen konnte. So fing sie Bella auch eiligst auf, bevor die Kleine über die Spielzeugkiste gefallen wäre, und zauste ihr die dunklen Locken. Die nicht zu bändigende Lockenmähne hatte sie definitiv von ihrer Mutter geerbt, wenn auch nicht die Farbe.

Lucy kam sich vor wie ein verwöhntes trotziges Kind, weil sie sich sträubte, ihrem Vater den simplen Gefallen zu tun und mit zum Essen auszugehen. „Im Moment habe ich wirklich kein Interesse, jemanden kennenzulernen“, sagte sie zerknirscht. „Vielleicht in ein paar Monaten …“, setzte sie wenig überzeugend nach.

„Du hast ganz allein Schweres durchstehen müssen“, meinte Iola verständnisvoll. „Dein Vater ist eben ein Mann, er versteht das nicht. Ich habe versucht, ihm zu erklären, dass du erst heilen musst … mehr Zeit brauchst …“

„Genau das ist es.“ Impulsiv umarmte Lucy die Ältere. „Ich bin einfach noch nicht so weit. Aber ich kann auch nicht sagen, ob ich jemals wieder dazu bereit sein werde.“

„Nicht alle Männer sind wie Bellas Vater“, meinte Iola leise. „Niemand weiß das besser als ich. Ich habe eine Menge Frösche küssen müssen, bevor ich meinen Prinzen gefunden habe.“

Lucy lachte. Ihre Stiefmutter verstand genau. Wenig später verabschiedete sie sich von ihr und ihrer Tochter, um zur Arbeit zu gehen.

Iola war die persönliche Assistentin ihres Vaters gewesen, der als Immobilienmakler gearbeitet hatte, bis das Geschäft den Bankrott hatte anmelden müssen. Kreon musste ein ziemlich turbulentes Leben geführt haben, und er war geradezu brutal ehrlich zu Lucy gewesen, hatte nichts beschönigt oder die eigenen Fehler verschwiegen, angefangen von seinen Fehlern mit ihrer inzwischen verstorbenen Mutter bis hin zu der Gefängnisstrafe, zu der er als junger Mann wegen seiner Verwicklung in ein illegales Schneeballsystem verurteilt worden war. So ganz genau wusste Lucy aber noch immer nicht, wie Kreon seinen luxuriösen Lebensstil finanzierte. Sie wusste, dass er regelmäßig spielte und in das eine oder andere wohl eher halbseidene Projekt involviert war. Doch was immer er tat, er schien erfolgreich damit zu sein, und tiefer graben wollte Lucy auch gar nicht, bot Kreon doch Bella und ihr ein Heim und eine Fürsorge, die sie bisher nie gekannt hatte.

Es gab eben nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch viele Grautöne. Niemand war perfekt. Selbst damals, als sie so hoffnungslos in Jax verliebt gewesen war, hatte sie gewusst, dass Jax seine Schwächen hatte. Er war launisch, herrisch und arrogant, und sie hatten sich oft gestritten. Lucy war zwar klein, aber deswegen ließ sie sich ganz bestimmt nicht herumschubsen. Sie hatte ihren eigenen Kopf und zudem ein feuriges Temperament. Selbst wenn Jax sie nicht hätte fallen lassen, wäre es niemals gut gegangen mit ihnen. Und schließlich war sie nicht die Einzige auf der Welt, der das Herz gebrochen worden war. Sie hatte es überlebt, und es hatte sie nur stärker gemacht.

Im Hotel Palati angekommen, führte der Manager sie nach hinten in den Konferenzsaal, der gerade erst aufwendig renoviert worden war. Manchmal träumte Lucy davon, eine von den selbstsicheren eleganten Geschäftsfrauen zu sein, die sie hier im Hotel sah, doch leider hatte sie keinen guten Start ins Leben gehabt. Nach der Affäre ihrer Mutter mit einem anderen Mann hatten ihre Eltern sich getrennt.

„Annabel hat immer geglaubt, noch einen Besseren zu finden“, hatte ihr Vater ihr erzählt. „Damals war ich nicht reich, verließ mich auf meinen Verstand, aber Annabel hatte große Pläne. Wir lebten damals in London, und sie wollte ihre eigene Kindertagesstätte auf die Beine stellen. Mein Vater war nach Griechenland zurückgekehrt, nachdem meine Mutter gestorben war, und wurde krank. Ich musste einfach zu ihm. Bei meinem Abflug ahnte ich nicht, dass Annabel schwanger war. Als ich sie dann anrief, um ihr Bescheid zu geben, dass ich zurückkommen würde, teilte sie mir kurz und bündig mit, dass es aus sei zwischen uns. Sie hätte einen anderen kennengelernt. Nach allem, was du mir erzählt hast, muss das um die Zeit gewesen sein, als sie ihre Diagnose erhielt. Ich denke, sie wollte mich einfach nicht in der Nähe haben, obwohl sie mein Kind unter dem Herzen trug. Das werde ich nie verstehen.“

Lucy verstand das auch nicht, denn wenn sie Kreon erzählen hörte, war sie sicher, dass er ihre Mutter geliebt hatte. Zu ihrer größten Verwunderung hatte sie von ihm dann auch von zwei weiteren Töchtern erfahren, die Annabel vor ihr zur Welt gebracht hatte und die bei der Großmutter in England aufgewachsen waren. Die Neuigkeit hatte Lucy die Sprache verschlagen.

Irgendwo auf der Welt hatte sie also zwei Halbschwestern. Eines Tages, so nahm sie sich vor, würde sie nach den beiden suchen, auch wenn sie noch nicht wusste, wie sie das anstellen sollte. Nachforschungen dieser Art kosteten Geld, und sie hatte ja nicht einmal die Namen, denn die hatte Kreon ihr nicht nennen können. Annabels Mutter hatte er ebenfalls nie kennengelernt, seine Bitte, der Frau vorgestellt zu werden, hatte Annabel abgeblockt. Seines Wissens nach hatte sie damals auch keinen Kontakt zu den beiden Mädchen gehalten. Für ihn war das die Warnung gewesen, dass Annabel doch eher oberflächlich war.

Lucy war keineswegs derart oberflächlich. Sie liebte Bella mehr als ihr Leben, sie würde immer alles für sie tun. Die Kleine war das Beste, was ihr in ihrem Leben passiert war. Und hätte sie sich nicht hoffnungslos in Jax verliebt, dann wäre sie auch nicht so am Boden zerstört gewesen, als er verschwunden war. Gott, sie war komplett zusammengebrochen, hatte sich in ihrer Verzweiflung zu völlig idiotischen Dingen hinreißen lassen. Man hatte sie von der Yacht seines Vaters geworfen und sie gewarnt, sich noch einmal blicken zu lassen, hatte sie auf Übelste beschimpft und erniedrigt.

Es war ja auch verrückt von ihr gewesen sich einzubilden, sie hätte mehr für Jax sein können als ein kurzfristiges Abenteuer. Eines von vielen. Ihrem Vater hatte sie nicht die ganze Wahrheit erzählt, hatte nur angedeutet, Bella sei das Produkt eines One-Night-Stands in Spanien. Würde Kreon die volle Wahrheit erfahren, würde er vermutlich auf Rache sinnen.

Wenn sie also die Wahrheit verschwieg, dann nur, um ihren Vater davor zu bewahren, etwas Unüberlegtes zu tun. Der Beschützerinstinkt war extrem in Kreon. Er war schon an die Decke gegangen, als er gehört hatte, dass Lucy kein Dach über dem Kopf gehabt hatte, obwohl Bellas Vater ein reicher Mann war. Und dass Bellas Vater auch noch Grieche war, hatte Kreon keineswegs besänftigt, schließlich war er sehr stolz auf seine Nationalität.

Lucy allerdings wusste, dass die Superreichen praktisch unnahbar waren. Diese Leute besaßen Macht und Geld, um sich vom Rest der Welt abzuschotten. Das sah sie jeden Tag in den Gesellschaftsnachrichten, wo Jax mit seinen fünf Leibwächtern und irgendeiner schönen Frau am Arm gezeigt wurde. Jax Antonakos, Selfmade-Milliardär und erfolgreicher Unternehmer, zudem mit einem milliardenschweren Daddy im Rücken.

Ihre Hände zitterten leicht, als sie den Servierwagen mit Geschirr belud. Inzwischen hasste sie Jax mit der gleichen Intensität, mit der sie ihn einst geliebt hatte. Sie würde ihm nie verzeihen, dass er sie ohne einen Penny in Spanien hatte sitzen lassen. Ihr Pech, dass sie auch noch schwanger gewesen war. Aber mit Pech hatte Lucy ja genügend Erfahrung gemacht.

Eine Gruppe Geschäftsmänner drängte sich in den Konferenzsaal, und diskret drückte Lucy sich an die Wand. Sie würde warten, bis alle sich gesetzt hatten, bevor sie den Kaffee servierte. Draußen vor dem Saal wurde plötzlich Raunen laut, schwere Schritte waren zu hören, dann aufgeregtes Getuschel. Das konnte nur heißen, dass irgendjemand von Bedeutung gerade angekommen war. Und schon wurde auch die Tür mit einer Kraft aufgestoßen, dass die Angeln quietschten, zwei massige Kerle in dunklen Anzügen mit Headsets marschierten in den Raum, überprüften alles genauestens mit ernsten Miene. Drei weitere dieser bulligen Kerle kamen in den Raum … Du meine Güte, ein solcher Aufwand für ein Geschäftstreffen! Am liebsten hätte Lucy losgeprustet.

Doch der Drang zu lachen verging ihr abrupt, als Jax in der Tür zum Saal erschien …

2. KAPITEL

Sobald Lucy das dunkle Haar und die grünen Augen erkannte, die so leuchtend aus dem bronzefarbenen Gesicht strahlten, hätte sie am liebsten die Beine in die Hand genommen und wäre losgerannt. Nur mit Mühe beherrschte sie sich. Warum sollte sie fliehen? Wovor? Sie hatte sich nichts zuschulden kommen lassen. Falls jemand sich schämen musste, dann eindeutig Jax.

Paare trennten sich, aber deshalb musste es nicht hässlich werden. Sie war schließlich keine Stalkerin, es hatte kein Grund bestanden, ihr zu drohen. Sie wäre auch von allein gegangen.

Wenn Lucy sich jetzt in Erinnerung rief, was damals alles passiert war, ruckte ihr Kinn automatisch ein Stück höher. Glücklicherweise sah Jax sich nicht genauer in dem Saal um. Es war zwar ein runder Tisch, aber seine ganze Haltung besagte, dass er am Kopfende saß, so unlogisch es klingen mochte. Er war der Mittelpunkt, dem die Aufmerksamkeit aller Anwesenden galt.

Den Drang zu rennen hatte Lucy besiegt, aber es ärgerte sie, dass sie sich erneut in der benachteiligten Position befand. Manchmal hatte sie sich vorgestellt, wie sie in einem schicken Designerkleid durch einen mondänen Nachtclub schwebte, in dem auch Jax Gast war, und sie würde ihn verächtlich ignorieren, während er ihr sehnsüchtig nachstarrte. In der Realität jedoch war sie es jetzt, die ihn nur anstarren konnte.

Autor

Lynne Graham
Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen.

Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem...
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