Baccara Collection Band 443

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DIESES WILDE FEUER von VICKI LEWIS THOMPSON
Sexy Cowboy Cade ist zurück auf der Thunder Mountain Ranch! Lexi gerät in einen wilden Strudel von Gefühlen. Denn sie begehrt ihn noch so heftig wie damals – bevor er sie verließ. Zu gern würde sie Cade erneut in ihrem Bett haben. Aber diesmal, ohne sich in ihn zu verlieben?

SINNLICHES VERLANGEN UNTER DEM NORDLICHT von JILLIAN BURNS
Was für ein faszinierender Mann: TV-Moderatorin Serena spürt eine magische Anziehungskraft, als sie auf dem Flughafen in Alaska den Piloten Max Taggert erblickt. Dunkle Geheimnisse ranken sich um den breitschultrigen Einzelgänger, und Serena will jedes einzelne lüften …

DREISSIG NÄCHTE UND EIN JA? von KATHIE DENOSKY
Einen Playboy heiraten? Bloß nicht! Jessie ist überzeugt, dass sich Nate niemals ändern wird. Eine Ehe mit ihm kommt für sie trotz ihrer Schwangerschaft nicht infrage. Aber nichts hat sie auf Nates verführerischen Vorschlag vorbereitet, den er ihr darauf macht …


  • Erscheinungstag 22.03.2022
  • Bandnummer 443
  • ISBN / Artikelnummer 9783751508278
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Vicki Lewis Thompson, Jillian Burns, Kathie DeNosky

BACCARA COLLECTION BAND 443

VICKI LEWIS THOMPSON

Dieses wilde Feuer

Damals floh Cade vor seinen Gefühlen aus Wyoming: Seine Freundin Lexi wollte heiraten – er bestimmt nicht! Jetzt kehrt er auf die Thunder Mountain Ranch zurück, und als er Lexi wiedersieht, erkennt er, was er für einen Riesenfehler gemacht hat. Er will sie! Doch obwohl sie heiß mit ihm flirtet, macht sie ihm eins schnell klar: Niemals würde sie ihn heiraten.

JILLIAN BURNS

Sinnliches Verlangen unter dem Nordlicht

Pilot Max Taggert ist überzeugt, dass er anderen Menschen immer Unglück bringt. Weshalb er sich jede Beziehung mit der attraktiven TV-Journalistin Serena Sandstone verbietet, um sie nicht zu gefährden. Zu spät erkennt er, dass er die Rechnung ohne Serena gemacht hat. In den eiskalten Nächten in Alaska hat sie etwas Heißes mit ihm vor …

KATHIE DENOSKY

Dreißig Nächte und ein Ja?

„Heirate mich!“ Selbstverständlich macht Nate der schönen Jessica einen Antrag. Schließlich hatte die sinnliche Nacht, die sie vor einem halben Jahr miteinander verbracht haben, süße Folgen. Als Jessica den Antrag ablehnt, hat Nate eine andere Idee: Einen Monat soll sie auf seiner Ranch bleiben. Dreißig Nächte werden reichen, um sie zu überzeugen, oder?

PROLOG

Mit den Stiefeln in der Hand schlichen sich Cade Gallagher und Damon Harrison durch die Vordertür der Ranch. Die antike Standuhr im Wohnzimmer schlug Mitternacht. Die Regeln zu brechen, war ein ernstes Vergehen, aber in diesem Fall unvermeidlich.

Nachdem er die Tür behutsam geschlossen hatte, vermied Cade auf dem Weg über die Veranda sorgsam jedes knarrende Dielenbrett. Bei den Stufen, die nach unten führten, setzte er sich hin, um die Stiefel anzuziehen.

Damon ließ sich auf der ersten Stufe nieder. „Hast du das Messer?“, fragte er krächzend, denn er war gerade im Stimmbruch.

„Ja.“ Cades Stimmbruch lag bereits Monate zurück, und er musste sich bereits alle zwei Tage rasieren. „Hast du an die Streichhölzer gedacht?“

„Na klar.“

Cade schlüpfte in den zweiten Stiefel und stand auf. „Bereit?“

„Ja.“

Leise stiegen sie die wenigen Stufen hinab und machten sich auf den Weg zu dem Wäldchen hinter der großen Koppel. Sie hatten sich den Platz schon vor einer Woche ausgesucht und nur noch auf den Vollmond gewartet. Der Mond wurde immer wieder von vorbeiziehenden Wolken verhüllt, aber glücklicherweise waren es keine Regenwolken.

Als sie die kleine Lichtung erreicht hatten, schaute Cade sich aufmerksam um. Er war das erste Pflegekind, das die Padgetts aufgenommen hatten. Diese Vorrangstellung nutzte er, um uneingeschränkt die Führung zu beanspruchen. Damon hatte das nie infrage gestellt. „Scheint alles in Ordnung zu sein. Niemand hat sich an unserer Feuerstelle zu schaffen gemacht.“

„Zum Glück.“ Damon zog eine Streichholzschachtel aus der Hosentasche, strich ein Streichholz an und hielt es an einen kleinen Stapel aus trockenem Laub und kleinen Ästen. Um die Feuerstelle hatten sie einen Kreis aus Steinen gelegt. Fast augenblicklich fingen Laub und Äste Feuer.

„Wir müssen uns beeilen.“ Cade setzte sich im Schneidersitz an das Lagerfeuer. Er klappte sein Taschenmesser auf und hielt die Klinge in die Flammen. „Das Feuer wird nicht lange brennen.“

Damon streckte eine Hand aus. „Dann tu es einfach.“

„Vielleicht solltest du es selbst machen.“

„Nein, lieber du.“ Er schloss die Augen und hielt Cade die Handfläche hin.

Offensichtlich hatte er Angst. Cade überlegte, ob er seinem Freund vorschlagen sollte, die ganze Sache einfach zu vergessen. Aber das würde Damon nicht gefallen, denn er wollte keinesfalls als Feigling gelten. Cade hatte noch nie jemanden mit einem Messer geschnitten. Da es jedoch seine Idee gewesen war, musste er es jetzt auch durchziehen. Er holte tief Luft, ergriff Damons Hand und machte einen kleinen Schnitt unterhalb des Daumens. Blutstropfen quollen hervor.

Damon war zusammengezuckt und hielt die Augen noch immer geschlossen. Er wirkte ein wenig blass, aber das konnte auch am Mondlicht liegen.

Cade ließ die Hand seines Freundes los und fügte sich selbst an der gleichen Stelle ebenfalls eine Schnittwunde zu. Es tat weh. Aber das war nichts im Vergleich zu der Prügel, die er von seinem alten Herrn bezogen hatte. „Okay. Ich bin so weit.“

Damon öffnete die Augen. „Wir wollten doch etwas sagen. Aber ich kann mich nicht mehr genau an den Wortlaut erinnern.“

„Schon gut, ich weiß es auswendig.“ Sie pressten die Handflächen an den Schnittwunden gegeneinander, und Cade sagte die Worte auf, die sie gemeinsam aufgeschrieben hatten.

„Auf die Thunder Mountain Ranch im Staat Wyoming schwören wir, dass wir immer aufrichtig sein und die Schwachen beschützen werden. Mit diesem Blutsschwur verbinden wir uns zur Thunder Mountain Bruderschaft. Loyalität ist unser oberstes Gebot.“

„Was macht ihr beiden hier draußen?“

Mit einem unterdrückten Fluch sprangen die beiden auf die Füße, als Finn O’Roarke die Lichtung betrat. Er war erst vor zwei Wochen auf die Ranch gekommen und befand sich noch in der Eingewöhnungsphase. Er fast so alt wie Damon und Cade, wirkte aber noch viel kindlicher.

Cade fand seine Stimme als Erster wieder. „Verdammt, Finn. Schleich dich nie wieder so an uns heran. Fast hätte ich dich mit dem Messer angegriffen.“

Finn runzelte die Stirn. „Ihr dürft nicht hier draußen sein. So lautet die Hausordnung.“

„Ja, das wissen wir“, erwiderte Damon gereizt. „Aber wir hatten etwas zu erledigen.“

„Ihr seid jetzt Blutsbrüder.“ Die Sehnsucht in Finns Blick war trotz der spärlichen Beleuchtung kaum zu übersehen.

Cade kam dieser Blick bekannt vor. Er konnte sich nur zu gut daran erinnern, wie es sich anfühlte, ein Außenseiter zu sein und nirgends dazuzugehören. Er schaute kurz zu Damon. Sie hatten dies hier bereits vor Finns Ankunft auf der Ranch geplant. Sie waren sehr angetan von der Vorstellung, Blutsbrüder zu sein. Das war vielleicht noch cooler, als dieselben Eltern zu haben.

Doch jetzt stand Finn vor ihnen. Vermutlich würde er komplett ausrasten, wenn sie ihn fragten, ob er mitmachen wollte. Cade konnte das gut verstehen. Es war bestimmt nicht leicht, in eine Pflegeeinrichtung zu kommen, in der die anderen Jungen bereits befreundet waren. Er hob die Augenbrauen und hoffte, Damon würde seine stumme Frage verstehen.

Der stieß einen Seufzer aus. „Meinetwegen.“

Cade wandte sich an Finn. „Möchtest du unser Blutsbruder sein?“

„Ich hätte nichts dagegen.“ Finns Versuch, gleichgültig zu klingen, misslang gründlich.

„Du musst dir in die Hand schneiden. Oder soll ich das machen?“

Finn schob das Kinn vor. „Nein, das kann ich selbst.“

Cade unterdrückte ein Lachen. Finn wusste nicht, dass Damon es nicht fertiggebracht hatte, sich selbst zu schneiden. Und das musste er auch nicht erfahren. Cade würde seinen neuen Blutsbruder auf keinen Fall verraten. Mit dem Griff nach vorn reichte er Finn das Messer.

„Wo soll ich schneiden?“

„Hier“, antwortete Cade und hielt die Hand mit der Schnittwunde hoch.

„Okay.“ Der Kleine mochte noch wie ein Baby aussehen, aber er hatte Mumm in den Knochen. Ohne Zögern fügte er sich an der richtigen Stelle eine Schnittwunde zu. „Und was jetzt?“

„Drück deine Hand gegen meine, während ich die Worte spreche. Und dann machst du das Gleiche mit Damon. Auf diese Weise bist du mit uns beiden verbunden.“

Finn folgte den Anweisungen. Als sie die Zeremonie beendet hatten, war das Feuer fast erloschen. Trotzdem sorgte Cade dafür, dass sie nicht womöglich einen Waldbrand verursachten. Er nahm eine Handvoll Erde und warf sie auf die Glut.

„Wir müssen die Glut ganz ersticken.“

Finn und Damon halfen ihm dabei, mehr Erde auf die Feuerstelle zu werfen. Wenn herauskäme, dass sie im Wald Feuer gemacht hatten, würden sie aus der Einrichtung verwiesen und vermutlich in einer Jugendstrafanstalt landen. Cade konnte nicht für die beiden anderen sprechen, aber er wollte das auf gar keinen Fall. Die Thunder Mountain Ranch war das Beste, was ihm hatte passieren können.

Finn warf eine weitere Handvoll Erde auf die Feuerstelle. „Ich habe die Worte gehört, die ihr gesagt habt. Aber was hat das eigentlich zu bedeuten? Ich meine die Sache mit der Bruderschaft.“

„Das fragst du jetzt?“, knurrte Damon.

„Schon in Ordnung.“ Cade verspürte das Bedürfnis, eine Lanze für den Jungen zu brechen, der tapferer war, als er aussah. „Er war bei der Planung nicht dabei.“ Er wandte sich an Finn. „Das bedeutet, dass wir nicht lügen oder stehlen. Und wir werden nicht zulassen, dass jemand misshandelt wird.“

„Verstehe. Das ist cool.“

„Und wir sind ab jetzt Brüder. Das heißt, dass wir füreinander sterben würden.“

Finn zog scharf den Atem ein. „Ehrlich? So richtig tot?“

„Das wird wahrscheinlich nicht nötig sein. Aber es ist das Wichtigste an unserer Bruderschaft. Im Grunde bedeutet es, dass wir zusammenhalten, aufeinander aufpassen und Freunde sind. Für immer.“

„Oh.“ Finn lächelte. „Das ist für mich in Ordnung.“

In diesem Moment tauchte der Mond hinter einer Wolke auf und beschien sie mit seinem silbrigen Licht. Cade kam es vor wie ein Zeichen, aber er erwähnte das nicht, weil er nicht zu rührselig werden wollte. „Ja, für mich auch. Ich denke, wir gehen jetzt besser ins Haus zurück. Bevor Rosie und Herb merken, dass wir nicht in unseren Betten liegen.“

Auf dem Rückweg musste er immer wieder Damon und Finn anschauen. Brüder. Er hatte noch nie einen gehabt. Und jetzt gleich zwei.

Das fühlte sich verdammt gut an.

1. KAPITEL

Colorado, fünfzehn Jahre später

„Das hier hat gute Chancen, in einer Katastrophe zu enden, Ringo.“ Cade bückte sich, um den grau getigerten Kater hinter den Ohren zu kraulen. Augenblicklich begann Ringo zu schnurren, und das beruhigende Geräusch hob augenblicklich Cades Stimmung. Aber nur ein wenig. Wann immer er einen Blick auf das schwarze Pferd warf, das ihn über die niedrige Tür seiner Box beobachtete, zog sich sein Magen schmerzhaft zusammen.

Es war kaum zwei Stunden her, dass der Chef der Ranch Circle T, und damit Cades Vorgesetzter, geschworen hatte, den schwarzen Wallach namens Hematite an einen Pferdemetzger zu verkaufen. Dick Thornwood gehörte zu der Art von Mistkerlen, die so etwas tatsächlich tun würde. Daher war Cade nach Colorado Springs gefahren und hatte sein Bankkonto geleert. In seiner Brieftasche befand sich jetzt mehr Bargeld, als Thornwood im Schlachthaus bekommen würde. Es wäre also logisch, wenn er das Pferd stattdessen an Cade verkaufen würde.

Aber Logik gehörte nicht zu Thornwoods starken Seiten. Besonders deshalb nicht, weil sein Stolz verletzt worden war. Als er am frühen Nachmittag beschlossen hatte, Hematite zu reiten, war das keine gute Idee gewesen. Vor allem deshalb nicht, weil er es im Beisein seiner neuen Freundin getan hatte. Cade hatte vergeblich versucht, seinem Chef die Sache auszureden. Das Pferd hatte Thornwood wie erwartet innerhalb kürzester Zeit abgeworfen.

Das hatte Cade kommen sehen. Hematite war noch nicht lange im Training und galt als schwieriges Pferd. Als Fohlen war er misshandelt worden, und es hatte nicht viel genützt, ihn kastrieren zu lassen. Er hatte gerade begonnen, Vertrauen zu Cade zu fassen. Heute war es Cade zum ersten Mal gelungen, dem Wallach einen Sattel aufzulegen. Unglücklicherweise hatte Thornwood das gesehen und beschlossen, vor seiner Freundin eine Show abzuziehen.

Und als er im Staub lag, war ihr nichts Besseres eingefallen, als zu lachen. Thornwood hatte ihr gesagt, sie solle ihre Sachen packen und ins Haus gehen. Danach hatte er sich bebend vor Zorn dem Pferd genähert. Zu Cades Erleichterung hatte er keine Schusswaffe bei sich. Stattdessen fällte er Hematites Todesurteil und stapfte immer noch wutentbrannt ins Haus zurück.

Cade war ziemlich nervös gewesen, als er sich auf den Weg zur Bank gemacht hatte. Deshalb hatte er den Vorarbeiter Douglas gebeten, Hematite im Auge zu behalten. Zum Glück war während seiner Abwesenheit nichts weiter geschehen. Thornwood war vermutlich gerade damit beschäftigt, sich zu betrinken. Cade hatte sich in einem Schnellrestaurant etwas zu essen besorgt, damit er nachts im Stall bleiben und auf das Pferd aufpassen konnte.

Beim Geräusch von Schritten auf dem Boden des Stalles beschleunigte sich Cades Herzschlag. Aber es war nicht Thornwood, sondern Douglas, der vermutlich nach ihnen sehen wollte.

„Dieser Kater betet dich geradezu an. Man könnte meinen, du hättest dir die Taschen mit Katzenleckerchen vollgestopft.“ Douglas schob seinen Hut zurück und lehnte sich an Hematites Box. „Du solltest den Kater mitnehmen, wenn du gehst. Sonst stirbt er womöglich an gebrochenem Herzen.“

„Wer sagt, dass ich gehen werde?“

„Ich habe dein Gesicht gesehen, als Thornwood das Todesurteil über das Pferd verhängt hat. Du hast ausgesehen, als ob du ihn umbringen wolltest.“

„Diese Idee ist mir tatsächlich in den Sinn gekommen. Aber ich habe beschlossen, dass er das nicht wert ist.“ Cade kraulte Ringos Rücken. Der Kater machte einen Buckel und schnurrte noch lauter. „Du hast recht. Meine Zeit hier ist um. Aber ich muss noch den Transport organisieren.“

„Deswegen wollte ich mit dir sprechen. Ich leihe dir meinen Pferdeanhänger.“

Erfreut blickte Cade auf. „Wirklich? Brauchst du ihn nicht selbst?“

Douglas zuckte die Schultern. „Nicht bis zum nächsten Frühjahr. Es genügt, wenn du ihn mir im April zurückgibst.“

„So lange werde ich den Hänger nicht brauchen. Ich habe einen Kumpel drüben auf der Ranch Bar Z angerufen. Er sagte mir, dass sie möglicherweise noch jemanden brauchen. Zumindest während des Sommers. Ich fahre hin, sobald ich Thornwood dazu gebracht habe, mir dieses Pferd zu verkaufen.“

Der Vorarbeiter stieß einen Seufzer aus. „Ich weiß nicht. Er kommt mir komplett verrückt vor.“

„Thornwood oder das Pferd?“

„Thornwood. Das Pferd ist einfach nur völlig verängstigt.“

„Genau. Hematite kann nicht hierbleiben. Schon vor dem Vorfall heute dachte ich, dass Thornwood und Hematite eine schlechte Kombination abgeben.“

„Hast du dein Zeug schon gepackt?“

Cade nickte. „Ich habe schon seit einer Weile damit gerechnet, dass es zu einem Desaster kommt. Ich wollte vorbereitet sein. Ich …“

Beim Geräusch von schweren Schritten und dem Klirren von Sporen blieben Cade die Worte im Halse stecken. Mit hämmerndem Herzen richtete er sich auf, als Dick Thornwood auf sie zukam. In der einen Hand hielt er eine Peitsche, in der anderen ein Seil. Seine hellen Augen funkelten vor Zorn.

Douglas fluchte leise, und Ringo versteckte sich hinter einem Heuballen.

Als Cade seinem Boss in die Augen blickte, verlangsamte sich sein Herzschlag, und eine seltsame Ruhe erfüllte ihn. Er kannte diesen unheiligen Gesichtsausdruck nur allzu gut. Diese Schlägertypen ähnelten einander. Sein Vater hatte genauso ausgesehen, nachdem er getrunken hatte. Nur, dass er seine Wut an Cade und dessen Mutter ausgelassen hatte anstatt an einem Pferd. Als Cade alt genug war, um ihn aufzuhalten, hatte sein Vater die Familie verlassen.

Er stellte sich vor die Boxentür und ließ Thornwood nicht aus den Augen. „Ich werde Ihnen das Pferd abkaufen.“

Thornwood baute sich vor ihm auf. Der Alkoholdunst, den er verströmte, verschlug Cade fast den Atem. „Der Gaul steht nicht zum Verkauf.“

„Ich dachte, Sie wollten ihn schlachten lassen.“

„Ich habe es mir anders überlegt.“ Er streckte eine Hand zur Boxentür aus. „Gehen Sie mir aus dem Weg.“

„Nein.“

Thornwoods Nasenflügel bebten. „Ich sagte, Sie sollen mir aus dem Weg gehen, Cowboy.“

„Nein.“

Thornwood ließ das Seil fallen und schwang drohend die Peitsche. „Verschwinden Sie. Auf der Stelle.“

„Wenn Sie mich mit der Peitsche auch nur einmal berühren, klage ich Sie wegen Körperverletzung an. Und ich habe einen Zeugen.“

In Thornwoods Gesicht zuckte ein Muskel. „Sie sind gefeuert, Sie elender Bastard.“

„In Ordnung.“

„Und ich werde Ihnen den verfluchten Gaul nicht verkaufen.“

„Warum nicht?“, fragte Cade in sachlichem Ton. „Ich gebe Ihnen mehr, als Sie im Schlachthaus für ihn bekommen würden. Und Sie wären ihn ein für allemal los. Genau wie mich.“

Thornwoods Gesicht färbte sich rot. „Ich ziehe es vor, Ihnen eine unvergessliche Abreibung zu verpassen. Und dieser verdammten Schindmähre auch. Ihr kostbarer Zeuge wird den Mund halten, wenn er weiß, was gut für ihn ist.“

Cade hob die Augenbrauen. „Sie glauben, dass Douglas für Sie lügen würde?“

„Allerdings.“ Thornwood schlug mit der Peitsche gegen die Boxentür.

„Darauf würde ich mich nicht verlassen.“ Cade trat einen Schritt vor. „Wenn Sie auf einen Kampf aus sind, nur zu. Versuchen Sie Ihr Glück.“

Ein kurzes Aufflackern in Thornwoods glasigen Augen sagte Cade alles, was er wissen musste. Brutale Schlägertypen wie Thornwood zogen Kämpfe vor, die sie mit Sicherheit gewinnen würden. Trotz seiner Peitsche war sich Thornwood dessen nicht mehr so sicher.

Er kniff die Lippen zusammen und machte einen Schritt zurück. „Sie sind die Mühe nicht wert. Verschwinden Sie von meiner Ranch. Und nehmen Sie diesen Klepper mit.“

„Oh, nein. So läuft das nicht. Sie werden ihn mir nicht einfach überlassen, sondern verkaufen. Ich habe nicht die Absicht, ins Gefängnis zu wandern, weil Sie mich bezichtigen, ich hätte Ihnen ein Pferd gestohlen.“

„Wie viel Geld haben Sie?“

Cade nannte ihm einen Betrag. Es war alles, was er in der Brieftasche hatte, abzüglich einer kleinen Summe, die ihn über Wasser halten würde, bis er einen neuen Job fand.

„Geben Sie das Geld Lindstrom. Er wird sich um alles Weitere kümmern.“

Mit diesen Worten verließ Thornwood den Stall.

Douglas ließ geräuschvoll den angehaltenen Atem entweichen. „Das war verdammt knapp.“

„Er ist genau wie mein alter Herr. Sobald man diesen Typen die Stirn bietet, ziehen sie den Schwanz ein.“

„Nicht immer.“

„Nein, nicht immer.“ Cade hatte seinen Vater herausgefordert, bevor er ihm gewachsen war. Die Narben auf seinem Körper legten Zeugnis dafür ab. Er entnahm seiner Brieftasche ein Bündel Dollarnoten. „Ich will einen ordentlichen Kaufvertrag. Mit seiner Unterschrift.“

„Ich werde dafür sorgen. In der Zwischenzeit kannst du den Hänger ankoppeln und das Pferd verladen. Ich gebe dir den Kaufvertrag, bevor du aufbrichst.“

„Danke. Ich brauche auch sein Halfter und einen Führstrick. Nur leihweise. Ist das ein Problem?“

„Nein. Wenn er es überhaupt bemerkt, sage ich ihm, dass du beides zurückbringst, wenn du den Hänger wieder bei mir ablieferst.“

„Ohne dich würde ich das nicht schaffen. Ich weiß deine Hilfe wirklich zu schätzen.“

„Es ist mir eine Freude.“

„Ich werde nicht sehr weit weg sein. Wir können hin und wieder ein Bier zusammen trinken.“

„Das wäre schön.“ Der Vorarbeiter steckte das Geld in die Hosentasche. „Jetzt sieh zu, dass du Land gewinnst. Bevor er seine Meinung ändert.“

„Du hast recht. Bis gleich.“ Cade fischte seinen Wagenschlüssel aus der Hosentasche und machte sich auf den Weg zu seinem Truck. Er würde den brummigen alten Vorarbeiter vermissen.

Es war nicht weiter überraschend, dass ihm Douglas von Beginn an sympathisch gewesen war. Er ähnelte Cades Pflegevater. Sie waren ungefähr im gleichen Alter und beide von der gleichen drahtigen Statur. Darüber hinaus strahlten beide Männer eine ähnliche Ruhe und Sachlichkeit aus. Cade war schon lange nicht mehr auf der Thunder Mountain Ranch gewesen. Wenn er es recht überlegte, seit fünf Jahren. Verdammt.

Er telefonierte regelmäßig mit Herb und Rosie und ließ weder Weihnachten noch die Geburtstage aus. Aber er hatte sich nie zu einem Besuch bei ihnen durchringen können. Wegen Lexi. Er wusste, dass das kein guter Grund war. Es war höchste Zeit, dass er seinen Mut zusammennahm und hinfuhr. Allerdings konnte er nicht damit rechnen, dass er in einem neuen Job so bald Urlaub bekäme.

Er stieg in seinen Truck, fuhr hinter die Schlafbaracke und koppelte den Pferdehänger des Vorarbeiters an. Dann nahm er sich einen Augenblick Zeit, um seinen Freund auf der Ranch Bar Z anzurufen, um sich zu vergewissern, dass er dort übernachten konnte. Morgen würde er sich bei dem Eigentümer wegen eines Jobs vorstellen. Wenn er Glück hatte, wäre er nicht einen Tag arbeitslos. Das war umso wichtiger, als er jetzt noch ein Maul zu füttern hatte.

Thornwood dazu zu bringen, ihm das Pferd zu verkaufen, schien ihm plötzlich der leichtere Teil der Rettungsmission zu sein. Nun galt es, dieses übernervöse Tier auf den Hänger zu bekommen. Der vorherige Besitzer hatte das nur mithilfe von starken Beruhigungsmitteln bewerkstelligen können. Cade erinnerte sich noch gut daran, wie das sedierte Pferd vom Hänger getaumelt war.

Diesmal würde Hematite ohne Drogen auskommen müssen. Keine leichte Aufgabe. Während er den Truck samt Hänger vor die Stalltür fuhr, bemühte Cade sich, möglichst ruhig zu bleiben. Nachdem er die Rampe ausgeklappt hatte, holte er ein paar Mal tief Luft und betrat dann das Stallgebäude.

Sein Verhalten und seine Ausstrahlung würden das Pferd beeinflussen. Je gelassener er selbst war, desto reibungsloser würde der Verladevorgang vonstattengehen. Vor seinem inneren Auge malte er sich aus, wie das Pferd ruhig seine Box verließ, durch die Stallgasse schritt und schließlich ohne Zögern über die Rampe auf den Hänger ging.

Er nahm sich einen ausgefransten Führstrick aus der Sattelkammer und näherte sich Hematites Box. Das Pferd beobachtete ihn mit aufgerichteten Ohren. Da niemand sonst in der Nähe war, beschloss Cade, eine in den Augen anderer vermutlich etwas seltsame Methode anzuwenden. Er begann zu singen, und zwar den Song „Red River Valley“. Seit seiner Zeit auf der Thunder Mountain Ranch verfügte er über ein reichhaltiges Repertoire an Lagerfeuerliedern. In der Regel wirkten sie wie ein Zauber, wenn es darum ging, nervöse Pferde zu beruhigen.

Er hatte Hematite erst ein paarmal etwas vorgesungen. Das Pferd hatte sich möglicherweise noch nicht daran gewöhnt, aber es war einen Versuch wert. Also fuhr er damit fort, das etwas schnulzige Liebeslied zu singen, während er die Boxentür öffnete und langsam hineinging.

Hematite schnaubte aufgeregt und wich zurück. Immer noch singend befestigte Cade scheinbar beiläufig den Strick am Halfter des Pferdes. Dann drehte er sich um und verließ die Box mit festen Schritten, als ob er davon ausgehen würde, dass das Tier ihm folgte. Das tat es.

Cade beendete die letzte Strophe des Lieds und begann ein neues. Er sang im Takt des stetigen Klapperns der Hufe auf dem Zementboden. Dabei stellte er sich bildlich vor, wie das Pferd anstandslos auf den Hänger gehen würde.

Während er das Stalltor passierte und die Rampe hinaufging, sang er unbeirrt weiter. Drei Minuten später war das Pferd verladen und die Anhängertür gesichert. Cade stand lächelnd neben dem Hänger und schüttelte ungläubig den Kopf. Ab heute würde er sich diesem Pferd nie mehr nähern, ohne ihm ein Ständchen zu bringen.

„Das war der raffinierteste Trick, den ich je gesehen habe.“ Douglas näherte sich aus der Richtung des Haupthauses. „Hast du dem Pferd wirklich etwas vorgesungen?“

„Äh, ja.“ Cade musste lachen.

„Du bist nicht gerade ein Opernsänger, aber es hat nicht schlecht geklungen. Ich habe schon davon gehört, dass Musik hilft, eine Herde Rinder zu beruhigen. Aber ich habe nie daran gedacht, es bei Pferden auszuprobieren. Wie lange machst du das schon?“

„Drei oder vier Jahre, schätze ich.“

„Wie bist du darauf gekommen?“

„Durch Zufall. Bei einem Ausritt habe ich vor mich hin gesummt und gespürt, wie mein Pferd sich entspannte. Von da an habe ich während der Arbeit mit schwierigen Pferden immer gesummt. Es schien tatsächlich zu helfen. Deshalb habe ich es mit Singen versucht. Ich weiß nicht, ob Singen besser ist als Summen, aber ich singe lieber.“

„Ich will verdammt sein.“ Douglas rieb sich nachdenklich das Kinn. „Das muss ich auch versuchen. Allerdings klinge ich wie ein Ochsenfrosch, also funktioniert es bei mir vielleicht nicht. Ich kann es kaum fassen. Ich kenne dich jetzt schon fast zwei Jahre und habe nie bemerkt, dass du ein singender Cowboy bist.“

Cade lachte. „So weit würde ich nicht gehen.“

„Doch. Du bist ein Cowboy. Du singst. Fall abgeschlossen. Oh, hier ist dein Kaufvertrag und die Rechnung. Thornwood hat brav unterschrieben. Er ist so betrunken, dass ihm alles egal ist.“

„Danke.“ Cade warf einen Blick auf die Papiere und faltete sie zusammen. „Du hast meine Telefonnummer. Wenn er dir das Leben schwer machen sollte, sobald er wieder nüchtern ist, lass es mich wissen.“

„Ich bezweifle, dass er das tun wird. Ich nehme an, dass er morgen eine ganz neue Geschichte erfinden wird. Er wird vermutlich allen erzählen, er hätte dir einen großen Gefallen getan, indem er dir das Pferd so billig gelassen hätte. Weil er so ein großzügiger Mensch ist und du ihm leidgetan hast.“

„Er kann meinetwegen herumerzählen, was er möchte. Solange er mich und das Pferd in Ruhe lässt.“

„Ich glaube, das wird er. Aber wenn ich den Eindruck bekomme, dass er auf dem Kriegspfad ist, lass ich es dich wissen.“

„Danke für alles, Douglas.“ Cade schüttelte dem Vorarbeiter die Hand. „Und vergiss nicht, dass wir demnächst ein Bier zusammen trinken.“

„Darauf freue ich mich schon.“

Cade stieg in seinen Truck und sah sich noch einmal an dem Ort um, der für achtzehn Monate sein Zuhause gewesen war. Jedenfalls fast ein Zuhause. Der einzige Ort, der diesen Namen wirklich verdiente, war die Thunder Mountain Ranch. Thornwood war ein lausiger Chef gewesen, aber Douglas hatte das wettgemacht. Daher hatte Cade gemischte Gefühle, als er den Motor anließ und Circle T verließ.

Er befand sich schon auf der Hauptstraße, als Ringo beschloss, seine Anwesenheit preiszugeben. Der Kater kroch hinter der Sitzbank hervor und ließ sich neben Cade auf der verschlissenen Sitzfläche nieder. Sofort begann er zu schnurren.

Cade seufzte. Eigentlich sollte er kehrtmachen und den Kater zurück zur Ranch bringen. „Sieh mal, ich fahre zu einer anderen Ranch, auf der es bestimmt schon eine Katze gibt. Vielleicht bist du dort nicht willkommen. Und was dann?“

Der Kater blinzelte ihn an und schnurrte lauter.

Cade wurde die Kehle eng. Er hatte noch nie eigene Tiere besessen. Hunde und Katzen waren auf der Thunder Mountain Ranch zahlreich vertreten, aber sie wurden von allen Jungen gleichermaßen gepflegt und geliebt. Cade erinnerte sich an jedes einzelne Tier, aber so eine enge Verbindung wie zu Ringo hatte er mit keinem von ihnen gehabt. Offenbar teilte Ringo dieses Gefühl, denn er war bereit, Cade zu folgen, wohin auch immer ihn sein Weg führen mochte.

„Also gut, Kater. Wir finden schon eine Lösung.“

Als ob er verstanden hätte, dass der Fall abgeschlossen war, drehte Ringo sich auf die Seite, schloss die Augen und machte ein Nickerchen.

Ein solches Vertrauen gab es nur selten. Cade hatte es nicht oft erfahren. Er konnte die Menschen, die ihm bedingungslos vertrauten, an einer Hand abzählen. Herb, Rosie, Damon, Finn und Douglas. Lexi nicht.

Wenn Ringo ihm sein Vertrauen schenkte, wäre er ein Dummkopf, es nicht anzunehmen und dankbar dafür zu sein. Er würde alles daransetzen, dieses Vertrauen nicht zu enttäuschen. Er wusste, wie es sich anfühlte, verraten und verlassen zu werden. Das wollte er keinem anderen Geschöpf antun.

Lexi dachte vermutlich, dass er sie verraten und verlassen hatte. Aber er hatte immer sorgsam darauf geachtet, ihr keine Versprechen zu machen, die er nicht halten konnte. Jedenfalls redete er sich das ein, wenn Schuldgefühle und die Erinnerung an ihren Zorn und ihre Tränen ihn heimsuchten. Für Lexi gab es Dinge, die selbstverständlich waren und über die ein stilles Einvernehmen herrschte. Aber nicht für ihn. Er gehörte zu den Menschen, die alles aussprachen. Und er hatte ihr niemals in Aussicht gestellt, sie zu heiraten.

Die Ranch Bar Z lag nur fünfundvierzig Minuten mit dem Auto von Circle T entfernt. Cade hatte bereits die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als sein Telefon klingelte. Er nahm es aus der Halterung am Armaturenbrett. Vermutlich handelte es sich bei dem Anrufer um seinen Freund von Bar Z oder um Douglas.

Aber das war nicht der Fall. Ungläubig blickte er auf den Namen auf dem Display. Lexi Simmons. Das war merkwürdig. Als ob sie gespürt hätte, dass er an sie dachte, und seine Nummer gewählt hatte.

Er glaubte jedoch nicht an Telepathie, und er bezweifelte außerdem, dass sie aus diesem Grund anrufen würde. Eine unangenehme Ahnung beschlich ihn. Wahrscheinlich würde ihm nicht gefallen, was sie zu sagen hatte. Mit hämmerndem Herzen meldete er sich, während er nach einer geeigneten Stelle Ausschau hielt, um an den Straßenrand zu fahren.

„Cade?“ Der melodische Klang ihrer Stimme traf ihn mitten ins Herz. „Kannst du reden?“

„In einer Minute“, antwortete er atemlos. Seine Atemlosigkeit gefiel ihm nicht, aber es gab wenig, was er dagegen tun konnte. Lexi. Du lieber Himmel. „Ich fahre gerade und habe ein Pferd hinten im Hänger. Warte kurz, bis ich angehalten habe.“

„Okay. Ich warte.“

Er steckte das Telefon zurück in die Halterung und brachte den Truck am Straßenrand behutsam zum Stehen, damit das Pferd nicht ins Straucheln geriet. Dann nahm er das Telefon wieder zur Hand. „Es kann losgehen. Ist etwas passiert?“

„Es geht um Rosie. Sie … Herb hat sie ins Krankenhaus gebracht.“

„Warum? Was ist los?“, fragte Cade benommen.

„Wir wissen es nicht genau. Die Ärzte müssen noch einige Untersuchungen durchführen. Also sollten wir keine voreiligen Schlüsse ziehen.“

„Verdammt, Lexi. Was stimmt nicht mit ihr?“

„Sie könnte … Sie hat möglicherweise einen Herzinfarkt erlitten.“

„Nein. Oh, nein.“ Cade wurde von Panik ergriffen. „Das kann nicht sein. Sie ist doch viel zu jung dafür. Sie kann keinen Herzinfarkt haben. Sie …“

„Vielleicht ist es ja nichts Ernstes. Aber Herb hat Angst. Er hat mich gebeten, auf die Ranch zu kommen und mich hier um alles zu kümmern.“

„Hat er dich auch gebeten, mich anzurufen?“

„Nein. Das habe ich aus eigenem Antrieb getan. Ich fand, du solltest es wissen.“

„Ja, natürlich muss ich es wissen. Ich bin jetzt in der Nähe von Colorado Springs. Ich komme, so schnell es geht.“

„Kannst du wirklich kommen? Wohin wolltest du denn fahren, bevor ich angerufen habe?“

„Das spielt keine Rolle. Ich habe meine Pläne geändert.“

„Aber du hast ein Pferd im Hänger.“

„Und die Ranch hat einen Stall.“

„Stimmt.“ Sie zögerte kurz. „Also bist du allein unterwegs?“

„Nein.“

„Oh.“

Unwillkürlich lächelte er. Er kannte diesen Tonfall. Sie rechnete damit, dass ihr seine Antwort nicht gefallen würde. „Ich habe einen Kater dabei.“

„Ach so.“

„Ja. Er hat beschlossen, mir auf meinem Ausflug Gesellschaft zu leisten. Gibt es auf der Ranch im Moment Katzen?“

„Keine einzige.“

„Und Hunde?“

„Auch nicht.“

„Dann ist ja alles in Ordnung. Hast du Damon und Finn angerufen?“

„Ich habe ihre Nummern nicht.“

Also hatte sie nur seine Telefonnummer. Seit fünf Jahren hatte sie diese Nummer gespeichert. Er sollte da nicht zu viel hineininterpretieren, aber er tat es trotzdem. „Ich sage ihnen Bescheid. Und wenn du irgendetwas Neues über Mom erfährst, ruf mich bitte an. Ich sehe dich in ein paar Stunden.“

„Gut. Das ist gut.“ Sie legte auf.

Cade überlegte, ob sie sich wohl auf ihr Wiedersehen freute. Der Gedanke an ihre Begegnung machte ihn ziemlich nervös, aber da er keine andere Wahl hatte, entdeckte er, dass er sie wirklich gern wiedersehen würde. Er fragte sich, ob sie sich verändert hatte.

Ihre braunen Augen waren auf jeden Fall noch dieselben, aber bestimmt trug sie ihr Haar anders. Sie hatte sich oft über ihre Haarfarbe beklagt. Ihm gefiel das dunkle Braun, und er hoffte, dass sie es nicht gefärbt hatte.

Als er zu Weihnachten mit seiner Pflegemutter telefoniert hatte, berichtete sie ihm, dass Lexi sich gerade von ihrem derzeitigen Freund getrennt hatte. Und jetzt lag Rosie im Krankenhaus. Wie konnte er nur an Lexi und ihre Liebesbeziehungen denken, während die Frau, die seinem Herzen näher war als seine leibliche Mutter, in einem Krankenhausbett lag?

Zuerst rief er seinen Freund auf Bar Z an, um ihm zu sagen, dass er erst einmal nicht kommen könnte. Dann nutzte er die Konferenzschaltungsfunktion, um Damon und Finn zu unterrichten. Er wollte keine Zeit damit verschwenden, alles zweimal zu erzählen.

Schließlich hatte er sie beide in der Leitung. „Hört zu, ich habe nicht viel Zeit. Lexi hat von der Ranch angerufen. Mom liegt im Krankenhaus, möglicherweise mit einem Herzinfarkt. Ich fahre gleich hin. Könnt ihr auch so schnell wie möglich kommen?“

„Natürlich“, antwortete Damon sofort. „Ich schicke dir eine Textnachricht, sobald ich ein Flugticket habe.“

„Für mich gilt das Gleiche“, sagte Finn. „Wird sie wieder gesund?“

„Ja.“ Cade schob das Kinn vor. „Sie muss einfach wieder gesund werden.“

2. KAPITEL

Nachdem Lexi das Gespräch mit Cade beendet hatte, schlüpfte sie in ihre Jeansjacke und ging ins Stallgebäude, um eine Box für Cades Pferd vorzubereiten. Sie nahm sich eine Mistgabel und schaufelte Stroh auf den Boden der Box. Dann füllte sie die Raufe mit Heu. Die körperliche Arbeit tat ihr gut, dennoch hörte sie nicht auf zu zittern.

Seine Stimme hatte sich so vertraut angehört. Und doch irgendwie anders. Älter und ein bisschen müde. Sie fragte sich, wohin er wohl um zehn Uhr abends mit seinem Pferd unterwegs gewesen sein mochte. Und dazu noch mit einer Katze.

Sie hatte den Eindruck, dass er im Umzug begriffen war. Einen Ort zu verlassen, um woanders neu anzufangen. Wie immer seine Pläne auch ausgesehen haben mochten, er hatte sie geändert, sobald er von Rosies Erkrankung erfahren hatte. Dafür war Lexi dankbar. Und sie fand es sehr einnehmend.

Seine Bereitschaft, alles stehen und liegen zu lassen, weil die Padgetts ihn brauchten, milderte die Ablehnung gegen ihn, die sie im Lauf der Jahre aufgebaut hatte. In den vergangenen fünf Jahren hatte er sich kein einziges Mal auf der Ranch blicken lassen. Damon und Finn waren dagegen immer mal wieder vorbeigekommen. Allerdings hatten sie hier auch keine Ex-Freundin, die sie meiden wollten.

Lexi wusste nicht genau, wie viele Jungen im Lauf der Jahre auf der Ranch gelebt hatten. Sie schätzte, dass es ungefähr zwei Dutzend gewesen sein mochten. Es waren nie mehr als elf Kinder zur gleichen Zeit hier gewesen. In den letzten Jahren hatte sie sich bereit erklärt, allen, die Interesse hatten, kostenlose Reitstunden zu geben. Seit Rosie und Herb in den Ruhestand gegangen waren, hatten viele der ehemaligen Zöglinge der Ranch einen Besuch abgestattet. Lexi war jedes Mal herausgefahren, um sie zu begrüßen und über ihr Leben auf dem Laufenden zu bleiben.

Die drei jungen Männer, die sich selbst die Thunder Mountain Bruderschaft nannten, waren diejenigen, die Rosie und Herb am meisten am Herzen lagen. Lexi hörte es in ihrem Tonfall, wenn die beiden über sie sprachen. Sie konnte verstehen, wie es dazu gekommen war. Cade, Damon und Finn hatten am längsten hier gelebt und waren Lexi immer als besonders liebenswert erschienen. Besonders der unglaublich sture und sexy Cade Gallagher.

Er war das erste Kind gewesen, das Rosie in Pflege genommen hatte. Mit ihm hatte alles begonnen. Rosie war eine Kollegin von Lexis Mutter auf dem Jugendamt gewesen. Und als Rosie beschlossen hatte, die Ranch in ein Pflegeheim zu verwandeln, waren Lexis Eltern die Ersten gewesen, die ihre Hilfe bei der Renovierung und Ausstattung angeboten hatten.

Als die Ranch schließlich nicht mehr genügend Platz geboten hatte, halfen ihre Eltern beim Bau von drei Hütten und einem Waschhaus für die älteren Kinder. Lexi war fast immer dabei gewesen und im Lauf der Zeit so etwas wie eine Tochter für die Padgetts geworden.

Sie war dreizehn Jahre alt gewesen, als alles begonnen hatte. Ungefähr im gleichen Alter wie die Kinder, die Rosie und Herb aufnahmen. Sie hatte mit den Jungen zunächst nie viel anfangen können. Sie waren ihr wie ungeschickte Tölpel vorgekommen, mit denen sie nicht ihre Zeit verschwenden wollte. Das änderte sich schlagartig, als sie sechzehn wurde.

Das Bild des siebzehnjährigen Cade, der mit offenem Hemd und zurückgeschobenem Hut an einem heißen Sommertag aus dem Stall kam, versetzte sie immer noch in Erregung. Er hatte über einen von Damons Witzen gelacht, und mit seinen weißen Zähnen, die in dem gebräunten Gesicht aufblitzten, war er der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte.

Von diesem Tag an schwärmte Lexi insgeheim für ihn. Aber sie gab vor, sich genauso wenig aus ihm zu machen wie vorher. In der Schule waren viele Mädchen hinter ihm her, und sie wollte auf keinen Fall zu dieser Schar von Groupies gehören. Sie rechnete fest damit, dass er eine seiner ständig kichernden Bewunderinnen zum Abschlussball einladen würde.

Aber zu ihrer großen Überraschung fragte er sie. Und er wirkte ziemlich nervös dabei, als ob er erwartete, zurückgewiesen zu werden. Mit klopfendem Herzen willigte sie ein. In diesem Moment änderte sich alles. Sie beide wurden unzertrennlich. Auf die Highschool folgte das College, und aus den schüchternen Berührungen wurden heiße, verschwitzte Nächte auf der Sitzbank seines Pick-ups.

Lexi ging davon aus, dass Liebe, großartiger Sex und eine tiefe, unkomplizierte Freundschaft in einem Heiratsantrag münden würden. Aber da lag sie falsch. Ihr nicht vorhandener Verlobungsring wurde zu einem stehenden Witz zwischen ihren Freundinnen. Schließlich fasste Lexi sich ein Herz und fragte ihn nach seinen Absichten.

Zwischen ihnen gab es nur einen einzigen großen Streit, aber der hatte es in sich. Er erfuhr, dass sie ihn heiraten wollte, und sie erfuhr, dass das für ihn nicht infrage kam. Daraufhin verließ er die Stadt, und sie weinte jede Nacht in ihr Kissen, bis ihre Freundinnen sich einschalteten und sie vorübergehend mit irgendjemandes Cousin verkuppelten.

Das lief immerhin so gut, dass sie wieder anfing, sich zu verabreden. Obwohl sie derzeit nicht gebunden war, hatte sie immerhin seit Cade zwei ernsthafte Beziehungen geführt. Sie redete sich ein, dass sie über Cade hinweg war.

Aber wenn allein der Klang seiner Stimme am Telefon genügte, um sie in ein zitterndes Nervenbündel zu verwandeln, hatte sie sich wohl etwas vorgemacht. Als er gesagt hatte, er sei nicht allein, zog sich ihr Magen schmerzhaft zusammen, weil sie dachte, er würde eine Frau mitbringen. Ihre Erleichterung, als sie erfuhr, dass es sichnur um eine Katze handelte, war grenzenlos. Sie war noch lange nicht über Cade Gallagher hinweg.

Sie stellte die Mistgabel an ihren Platz zurück und ging wieder ins Haus. Auf ihrem Handy suchte sie nach der Entfernung zwischen Colorado Springs und Sheridan. Die Fahrtzeit lag ungefähr bei sieben Stunden. Das bedeutete, Cade würde noch vor dem Morgengrauen ankommen. Sie sollte die Wartezeit nutzen, um etwas zu schlafen. Aber das war vermutlich leichter gesagt als getan.

Sie wanderte durch das Haus, das sie so gut kannte, als wäre sie darin aufgewachsen. Das weitläufige Gebäude mit seinen fünf Schlafzimmern, der großen Küche, dem Spielzimmer, dem gemütlichen Wohnzimmer und der großzügig geschnittenen Veranda kam ihr vor wie ein Zuhause. Ihr kleines Apartment in Sheridan genügte ihr im Moment. Aber sie träumte davon, eines Tages ein Haus wie dieses hier zu besitzen.

Im Wohnzimmer schaltete sie das Licht aus, setzte sich auf das bequeme Sofa vor dem offenen Kamin, in dem kein Feuer brannte, und entledigte sich ihrer Stiefel. Ohne Rosie und Herb fühlte sich das Haus leer an. Eigentlich sollten die beiden ihren wohlverdienten Ruhestand genießen, anstatt sich im Krankenhaus um Rosies Gesundheitszustand zu sorgen.

Das war nicht fair. Aber Lexi hatte durch die Bekanntschaft mit den zahlreichen Pflegekindern hier bereits gelernt, dass das Leben nun mal nicht fair war. Die meisten der Geschichten, die sie zu hören bekommen hatte, waren sehr traurig. Und oft zeugten Narben von einer Vergangenheit, in der Gewalt eine zentrale Rolle gespielt hatte. Sie hatte Cades körperliche Narben gesehen. Aber sie hatte den seelischen Narben, die er davongetragen hatte, zu wenig Beachtung geschenkt und viel zu viel von ihm erwartet.

Sie nahm die Decke, die Rosie gehäkelt hatte, von der Rückenlehne des Sofas, hüllte sich darin ein und kuschelte sich in die weichen Kissen. Sie hatte keine Ahnung, ob Cade sich in den letzten fünf Jahren verändert hatte. Aber sie hatte das auf jeden Fall getan.

Damals glaubte sie, eine Ehe mit Cade wäre alles, was sie sich in diesem Leben erträumte. Stattdessen hatte sie eine Karriere als Reitlehrerin begonnen, die ihre wildesten Hoffnungen übertraf. Sie gab oft Reitstunden und Lehrgänge in dieser Gegend, aber ihr Ruf hatte sich verbreitet, und sie erhielt Anfragen aus dem ganzen Staat.

Wenn ihr Geschäft weiterhin so gut lief, konnte sie damit rechnen, auch Aufträge aus anderen Landesteilen zu erhalten. Sie trug sich nicht mit dem Gedanken, in absehbarer Zeit zu heiraten. Das sollte sie im Kopf behalten, wenn sie über ihre Gefühle für Cade nachdachte.

Obwohl er ihr immer noch weiche Knie verursachte, war sie nicht mehr das bedürftige Mädchen, das er verlassen hatte. Ja, vor fünf Jahren war er ihr vorgekommen wie die personifizierte Verführung, aber vielleicht hatte er sich ja verändert. Wenn sie Glück hatte, war er sogar fett geworden.

Während sie bei dem Gedanken an einen pummeligen Cade lächeln musste, schlief sie ein. Natürlich träumte sie davon, nackt mit Cade im Bett zu liegen. Sie hatten so wilden Sex, dass das Kopfteil rhythmisch gegen die Wand knallte. Das war seltsam, denn sie hatte nie in einem Bett mit ihm geschlafen. Nur in seinem Truck.

Er rief ihren Namen, und sie … Moment mal.

Es war gar nicht das Kopfteil des Bettes, das gegen die Wand stieß. Es war jemand, der an die Haustür klopfte. Cade.

„Lexi?“ Erneutes Klopfen. „Bist du da?“

„Ja!“ Während sie sich aus der Decke wickelte, kam sie umständlich auf die Füße. „Ich komme.“ Sie dachte an ihren Traum und kicherte. Die Standuhr schlug halb fünf. Dafür, dass er einen Pferdehänger gezogen hatte, hatte er die Strecke in bemerkenswert kurzer Zeit geschafft.

Sie kämmte sich mit den Fingern das Haar und eilte auf Strümpfen zur Tür. Ihr Herz hämmerte, während sie öffnete. Bitte, lass ihn fett geworden sein. Ihr stummes Gebet blieb unerhört. Schlank und muskulös wie eh und je stand Cade unter der eingeschalteten Verandaleuchte vor der Tür. Sein Dreitagebart tat ein Übriges, um seine Attraktivität noch zu steigern.

Dunkle Wimpern umkränzten seine moosgrünen Augen, die sie in den letzten fünf Jahren nur in ihren Träumen gesehen hatte. Sein Blick zeigte Besorgnis. Ihr Herzschlag setzte kurz aus. Er war immer noch ein sexy Cowboy. Vielleicht sogar noch mehr, als er es mit dreiundzwanzig gewesen war. Ihr Körper reagierte mit einem peinlichen Erregungszustand.

„Gibt es Neuigkeiten von Rosie?“ Er hörte sich müde an.

Sie räusperte sich. „Nein, leider nicht.“

Er seufzte. „Das habe ich auch nicht erwartet. Du sagtest ja, du würdest mich anrufen.“ Er musterte ihr Gesicht, als würde er etwas darin suchen.

Falls er erwartete, Verlangen darin zu sehen, wurde er nicht enttäuscht. Früher hatten sie Trost in den Armen des anderen gefunden. „Du hast nicht lange gebraucht.“

„Ja.“ Er trat einen Schritt näher.

Sie hielt den Atem an. Würde er sie in die Arme nehmen? Das wäre eine schlechte Idee. Aus einer Umarmung konnte leicht mehr werden. Würde er sie küssen? Würde sie seinen Kuss erwidern?

Er fluchte leise und wich zurück. „Ich sollte ins Krankenhaus fahren.“

„Stimmt.“ Gut. Er übte sich in Zurückhaltung. Das war gut für sie beide. „Wenn du den Hänger abkoppelst, kannst du gleich weiterfahren. Ich kümmere mich um dein Pferd.“

Er bedachte sie mit einem schiefen Grinsen. „Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Wie gut kennst du den Song ‚Red River Valley‘?“

„Wie bitte?“ Sein Lächeln brachte sie ganz aus dem Konzept.

„Schon gut. Lass uns mit dem Kater anfangen. Er heißt Ringo. Er ist ein blinder Passagier, deshalb habe ich nichts für ihn dabei. Weder Katzentoilette noch Futter.“

„Eine Toilette für ihn kann ich zurechtbasteln. Und ich wette, dass Rosie etliche Thunfischdosen in der Vorratskammer hat. Sie macht immer noch den Auflauf mit Thunfisch und Kartoffeln.“

„Den mochte ich immer sehr. Es ist fünf Jahre her, seit ich ihn zuletzt gegessen habe.“

„Bestimmt macht sie dir einen. Wenn sie wieder auf den Beinen und zu Hause ist.“

Cades Gesicht verdüsterte sich. „Sie wird wieder nach Haus kommen. Und sie wird gesund werden.“

„Natürlich wird sie das.“ Sie teilte die unterschwellige Panik, die sie in seinem Blick erkannte. „Sie werden das Problem finden und behandeln. Und dann wird sie so gut wie neu sein.“

„Ich kümmere mich mal um Ringo.“ Cade verließ die Veranda, um seinen Kater ins Haus zu holen.

Lexi fand das rührend. Mehr noch, als wenn er einen Hund mitgebracht hätte. Viele Männer mochten Hunde viel lieber als Katzen. Ihrer Meinung nach zeugte es von einer ausgeprägten inneren Kraft, wenn ein Mann eine enge Bindung zu einer Katze einging. Katzen waren unabhängiger und schwerer zu kontrollieren als Hunde. Lexi seufzte. Offenbar hegte sie immer noch starke Gefühle für Cade. Er musste nur mit einem Kater im Schlepptau hier aufkreuzen, und sie war drauf und dran, sich in seine Arme zu werfen. Sie musste vorsichtig sein.

Mit einer grau getigerten Katze auf dem Arm kehrte er zurück. „Er ist daran gewöhnt, im Stall zu leben. Aber ich befürchte, wenn ich ihn dort allein lasse, wird er abhauen. Eigentlich will er meistens dort sein, wo ich bin. Deshalb würde er sich wohl auf die Suche nach mir begeben.“

Das überraschte Lexi nicht. Cade war schon immer wie ein Magnet für Tiere gewesen. Und eigentlich auch für Menschen. Sie war nur eine von vielen, die die Nähe dieses warmherzigen, aber komplizierten Mannes suchten. Sie trat beiseite, um Cade ins Haus zu lassen. Ringo beäugte sie argwöhnisch. Als ob er sie verdächtigte, ihn von der Person, die er anbetete, trennen zu wollen.

Lexi besaß genug Erfahrung mit Katzen, um zu wissen, dass es keine gute Idee war, den Kater in dem großen Haus herumstreifen zu lassen. Es gab viel zu viele mögliche Verstecke, in die er sich verkriechen konnte. „Ich mache eine Dose Thunfisch auf, und wir locken ihn damit ins Gästebad. Das Futter wird ihn ablenken, damit du unbemerkt aus dem Bad schlüpfen kannst.“

„Gute Idee.“

„Ich bin gleich wieder da.“ Sie machte sich auf den Weg in die Küche.

„Du siehst übrigens großartig aus.“

Sie warf ihm einen Blick über die Schulter zu. In seinen grünen Augen erkannte sie Wärme und Bewunderung „Danke. Du auch.“

Mit klopfendem Herzen betrat sie die Küche. Sie kannte diesen Blick nur allzu gut. Er hatte sie in der Vergangenheit in große Schwierigkeiten gebracht. Schwierigkeiten, die sie derzeit überhaupt nicht gebrauchen konnte.

In Rosies Vorratskammer war alles übersichtlich angeordnet. Lexi hatte keine Probleme, den Thunfisch zu finden. Als sie mit der Dose zu dem elektrischen Dosenöffner auf dem Küchentresen ging, hörte sie, wie Cade leise und in beruhigendem Tonfall auf seinen Kater einredete. Der sanfte Klang seiner tiefen Stimme weckte noch mehr aufregende Erinnerungen in Lexi. Sie schob die Dose unter die Klinge und schaltete das Gerät ein, damit das durchdringende Geräusch des Motors seine Stimme übertönte.

Sein Murmeln brach abrupt ab. „Hey!“

Eine Sekunde später strich Ringo um ihre Beine. Sein frenetisches Miauen legte nah, dass er den Thunfisch gerochen hatte.

„Tut mir leid.“ Cade trat zu ihr. „Er ist mir einfach vom Arm gesprungen. Ich schätze, er ist ziemlich hungrig.“

„Wie ist es mit dir?“

„Ich esse etwas, wenn ich Mom gesehen habe.“

„In Ordnung.“ Lexi unterdrückte das Bedürfnis, ihm ein Sandwich für die Fahrt aufzudrängen. Sie wollte nicht wieder in ihre frühere Rolle der fürsorglichen Freundin zurückfallen. Er war ein erwachsener Mann und hatte es in den letzten fünf Jahren auch ohne ihre Hilfe geschafft, für sich selbst zu sorgen.

Sie öffnete einen Küchenschrank, nahm eine Schale heraus und füllte den Thunfisch hinein. „Ich wette, wenn ich das hier ins Bad trage, wird er mir folgen. Du könntest jetzt das Pferd abladen und damit etwas Zeit sparen.“

„Gut. Lass mich mal sehen, ob Mom Karotten hat.“ Er öffnete den Kühlschrank und stöberte im Gemüsefach herum. „Ja, da sind welche. Dann verschwinde ich jetzt.“ Er stieß die Kühlschranktür mit der Hüfte zu und verließ mit ein paar Karotten in der Hand die Küche. Dabei behielt er den Kater im Auge. Ringo schlängelte sich noch immer um Lexis Beine und gab Töne von sich, als stünde er kurz vor dem Hungertod.

Als Lexi hörte, wie sich die Eingangstür schloss, ging sie mit der Schale in der Hand zum Gästebad. Der Kater folgte ihr auf den Fersen. Sobald sie die Schale auf die Fliesen gestellt hatte, machte Ringo sich begierig darüber her. Leise zog sie sich zurück und schloss die Tür. Um eine Katzentoilette würde sie sich später kümmern.

Sie schlüpfte in Stiefel und Jacke und verließ das Haus gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie ein großes schwarzes Pferd langsam rückwärts die Rampe des Hängers hinunterschritt. Cade ging dicht neben dem Tier und hielt den Führstrick lose. Und er sang.

Er hatte eine angenehme Singstimme. Das hatte sie im Lauf der Jahre ganz vergessen. Aber sie erinnerte sich jetzt daran, als sie ihn „Red River Valley“ hatte singen hören. Die Kinder hatten das Lied oft am Lagerfeuer angestimmt. Damals hatte sie sich mit den anderen über den rührseligen Text lustig gemacht. Aber heute Abend verspürte sie bei den Worten einen schmerzhaften Stich im Herzen.

Cade vollendete den Verladevorgang und blieb am Ende der Rampe stehen, um das Pferd mit einer Karotte zu belohnen. Offenbar hatte sein Gesang das Tier beruhigt. Durch ihren Beruf hatte sie einen Reitlehrer kennengelernt, der seine Schüler dazu ermutigte, zu summen oder zu singen, wenn sie nervös waren. Lexi hatte diese Methode übernommen, um ängstliche Reiter zu beruhigen. Aber sie hatte nie daran gedacht, sie auch bei Pferden einzusetzen. Von jetzt an würde sie das tun.

Um das Pferd nicht zu beunruhigen, verließ sie langsam die Veranda und näherte sich Cade. Das schwarze Fell des Tieres glänzte im diffusen Licht der Außenbeleuchtung. „Er ist eine Schönheit, Cade.“

„Ich musste ihn kaufen, damit mein ehemaliger Chef seinen Zorn nicht an ihm auslassen konnte. Wäre er dortgeblieben, hätte das früher oder später mit seinem Tod geendet.“

Lexi erschauderte. „Dann bin ich froh darüber, dass du ihn gekauft hast. Wie heißt er?“ Behutsam trat sie noch einen Schritt näher.

„Hematite. Als Fohlen wurde er schlecht behandelt. Als Zweijähriger wurde er als Problempferd angesehen und vor einem Monat billig an meinen Chef verkauft. Thornwood hat von mir erwartet, dass ich das Pferd sozusagen wieder in Ordnung bringe.“

„Es sieht aus, als würdest du gute Fortschritte machen. Er hat beim Abladen keine Probleme gemacht.“

„Und ich bin verdammt erleichtert, dass es so gut gelaufen ist. Denn dafür gab es keine Garantie.“

„Was Pferde anbelangt, gibt es keine Garantien.“ Lexi ließ den Blick über das Pferd schweifen. „Im Moment kommt er mir lammfromm vor. Soll ich ihn übernehmen? Ich weiß, wie erpicht du darauf bist, ins Krankenhaus zu fahren.“

„Das bin ich. Trotzdem halte ich es für das Beste, wenn ich ihn selbst in den Stall bringe. Zeig mir nur, welches seine Box ist.“

„Gut, dann folge mir.“ Sie wollte nicht weiter in ihn dringen. Cade kannte das Pferd schließlich besser als sie. Sie öffnete das zweiflügelige Stalltor und schaltete das Licht in der Stallgasse an. „Die zweite Box auf der rechten Seite. Ich habe frisch eingestreut und Heu in die Raufe gegeben. Die Tränke ist eingeschaltet.“ Sie ging zu der Box und machte die Tür auf.

„Danke. Das ist großartig.“ Er führte Hematite in sein neues Zuhause, öffnete den Karabinerhaken des Führstricks und strich dem Pferd über den Hals. „Du bist jetzt in Sicherheit, Kumpel. In ein paar Stunden bin ich wieder da und sehe nach dir.“

Hematite stupste mit den Nüstern gegen Cades Arm. Dann ging er zur Raufe und begann zu fressen.

Cade stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, verließ die Box und schloss die Tür. Während er den Führstrick aufrollte, beobachtete er das Pferd. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass er verstanden hat, was ich ihm gesagt habe. Ich habe ihn noch nie so entspannt gesehen.“

„Zumindest hat er deine Erleichterung gespürt.“

„Ich bin tatsächlich erleichtert. Ich hatte keine Ahnung, wie der Transport verlaufen würde. Und jetzt habe ich ihn wohlbehalten aus der Hölle in den Himmel gebracht.“ Er bedachte Lexi mit einem dankbaren Blick. „Danke, dass du das möglich gemacht hast.“

Sie zuckte die Schultern. „Mir musst du nicht danken. Ich habe nur getan, was Rosie und Herb gewollt hätten.“

„Trotzdem. Ich weiß es zu schätzen.“ Er blickte sich um, als würde er seine Umgebung erst jetzt wahrnehmen. „Moment mal, warum sind hier drei fremde Pferde? Ich dachte, Rosie und Herb wollten nur Navarre und Isabeau behalten.“

„Das frage ich mich auch. Bei meinem letzten Besuch waren nur die beiden hier. Das ist allerdings schon eine Weile her. Als Herb heute Abend anrief, war er ziemlich durcheinander. Aber soweit ich es verstanden habe, sind die drei anderen Pensionspferde.“

Cade runzelte die Stirn. „Pensionspferde? Warum?“

„Das musst du Rosie und Herb fragen. Ich weiß es nicht. Ich glaube, sie brauchen eine Beschäftigung. Das würde zu ihnen passen.“

Er rückte seinen Hut mit einer typischen, ihr sehr vertrauten Handbewegung zurecht. „Stimmt. Es ist ihnen wichtig, nützlich zu sein. Dem Himmel sei Dank dafür. Ich frage mich oft, was aus mir geworden wäre, wenn sie nicht gewesen wären …“ Er brach ab und schluckte trocken.

Bei seinen Worten verspürte Lexi einen schmerzhaften Stich im Herzen. „Ich weiß.“

„Ja, das tust du. Besser als sonst jemand. Lexi, ich …“

„Fahr zu Rosie“, unterbrach sie ihn. Sie war nicht bereit für ein tiefgründiges Gespräch. „Wir sind beide müde. Wir können später reden.“

Er nickte. „In Ordnung. Aber ich möchte dir so viel sagen. Ich habe dich jeden einzelnen Tag vermisst.“

Sie schluckte ihre impulsive Erwiderung herunter. Sie hatte ihn auch vermisst. Aber das würde sie nicht zugeben. „Fahr zu Rosie.“

Er wandte sich zum Gehen, drehte sich jedoch abrupt um und trat mit ausgestreckten Armen zu ihr. Bevor sie protestieren konnte, hatte er sie schon in die Arme genommen und seine Lippen auf ihre gedrückt. Es war ein harter frustrierter Kuss. Keine Zärtlichkeit, nur Verlangen und Verwirrung. Er war vorbei, noch ehe sie reagieren konnte.

Er verließ den Stall ohne einen Blick zurück. Mit hämmerndem Herzen legte sie die Finger auf ihren Mund. Sie liebte ihn noch immer. Mit jeder Faser ihres Herzens. Und auch er liebte sie noch immer. Aber wie sie vor fünf Jahren gelernt hatte, genügte das nicht.

3. KAPITEL

Cade mochte keine Krankenhäuser, besonders dieses hier nicht. Seine Mutter war hier gestorben, als er kaum dreizehn gewesen war. Damals hatte er noch keine genaue Vorstellung der Krankheit Krebs gehabt. Jahre später kam er zu dem Schluss, dass ihre eigentliche Todesursache Hoffnungslosigkeit gewesen war. Das gehörte jedoch nicht zu den medizinischen Begriffen. Also wurde Krebs in den Totenschein eingetragen.

Hierher zurückzukehren erforderte eine erhebliche Entschlossenheit seinerseits. Aber Rosie lag in einem dieser Zimmer, also musste er gegen seine inneren Dämonen ankämpfen.

Als er den Raum betrat, bot sich ihm ein auf furchtbare Weise vertrauter Anblick. Rosie schien in dem sterilen weißen Bett zu schlafen. Sie war an mehrere Monitore angeschlossen. Herb stand von seinem Stuhl neben ihrem Bett auf und nahm ihn schweigend in die Arme. Sein Pflegevater wirkte knochiger und zerbrechlicher, als Cade es in Erinnerung hatte.

Zum ersten Mal traf ihn die Erkenntnis, dass diese Menschen, deren Fürsorge und Zuneigung ihn vor dem Untergang bewahrt hatten, nun selbst verletzlich und schutzbedürftig waren. Dieser Gedanke schob sich in den Vordergrund. Das konnte er schaffen.

Herb ließ ihn los und führte ihn auf den Korridor hinaus. „Sie ist endlich eingeschlafen“, flüsterte er. „Ich möchte sie nicht aufwecken, obwohl sie sich sehr freuen würde, dich zu sehen. Hat Lexi dich angerufen?“

„Ja, das hat sie.“

Herb nickte. „Das überrascht mich nicht. Sie ist gut in solchen Dingen. Du hast dich beeilt, hierherzukommen.“

„Ich bin gleich nach ihrem Anruf losgefahren.“

„Hat dein Chef dir freigegeben?“

„Ich habe gekündigt.“ Eigentlich war er gefeuert worden, aber jetzt war nicht der Zeitpunkt, die ganze Geschichte zu erzählen.

„Hoffentlich nicht wegen Rosie.“

„Nein. Ich war gerade auf dem Weg zu einem möglichen neuen Job, als Lexi anrief. Es ist alles in Ordnung, Dad. Ich kann so lange bleiben, wie ihr mich braucht.“

Herbs graue Augen wurden feucht, und er wandte verlegen den Blick ab. „Das ist … gut zu wissen. Es wird schon wieder werden.“ Er räusperte sich und sah Cade an. „Nur ein Schlagloch auf der Straße.“

„Genau. Mehr ist es nicht. Das habe ich auch nie gedacht. Aber da ich gerade zwischen zwei Jobs war, schien die Gelegenheit für einen Besuch günstig.“

„Ich bin froh, dass du gekommen bist. Es tut gut, dich zu sehen, mein Sohn.“ Er deutete auf die Tür zu Rosies Zimmer. „Ich sollte wieder hineingehen. Ich will sie nicht allein lassen für den Fall, dass einer dieser Monitore verrücktspielt. Wenn du die ganze Nacht unterwegs warst, brauchst du jetzt sicher etwas zu essen oder zumindest einen Kaffee.“

„Nur Kaffee. Ich hole welchen. Soll ich dir einen mitbringen?“

„Das wäre nett.“ Herb zog seine Brieftasche hervor.

„Steck dein Geld wieder ein. Der Kaffee geht auf mich. Hör mal, ich würde dich gern etwas fragen.“

„Ja?“

„Was machen die drei fremden Pferde in eurem Stall?“

„Woher weißt du davon?“, fragte Herb bestürzt.

„Ich habe seit Neuestem ein eigenes Pferd. Und ich habe es in eurem Stall untergestellt.“

„Oh.“ Herb rieb sich die Bartstoppeln am Kinn. „Rosie und ich haben beschlossen, dass wir die vielen Boxen nicht ungenutzt lassen wollen.“

Cade lächelte amüsiert. „Ihr habt euch gelangweilt, oder?“

„Ja, das könnte man sagen.“

„Ich hole uns jetzt Kaffee. Bin gleich zurück.“

Cade fand einen Kaffeeautomaten im Warteraum. Als die braune Flüssigkeit in den ersten Becher strömte, stieß Cade den angehaltenen Atem aus. Bis jetzt hatte er sich ganz gut gehalten, aber er konnte eine Pause gebrauchen. Gut, dass er Damon und Finn angerufen hatte.

Das erinnerte ihn daran, einen Blick auf sein Telefon zu werfen. Damon hatte ihm eine Textnachricht geschickt, in der er seine Ankunft am Flughafen um ein Uhr ankündigte und fragte, ob er sich einen Mietwagen nehmen solle. Während der zweite Becher gefüllt wurde, schrieb Cade ihm zurück, dass er ihn abholen würde. Und auf Damons Frage, wie es Rosie gehe, antwortete er, dass sie gerade schlief.

Das war nicht viel, aber mehr wusste Cade derzeit nicht.

Als er mit dem Kaffee zu Rosies Krankenzimmer zurückkehrte, stand Herb auf dem Korridor und unterhielt sich mit einer brünetten Frau in den Fünfzigern. Sie hatte ihn noch nicht bemerkt, und Cade blieb stehen, um sich zu sammeln. Janine Simmons, Lexis Mutter.

Herb blickte in seine Richtung. „Ah, da ist Cade. Die Krankenschwestern haben uns rausgeworfen, mein Sohn. Sie überprüfen die Vitalzeichen und so weiter.“

Janine sah aus, als hätte sie sich keine Zeit für ihr Haar oder Make-up genommen, um so schnell wie möglich hierherzukommen. Ihre Augen glichen denen von Lexis. Vor allem deshalb war sie Cade immer sehr vertraut und zugänglich vorgekommen. Doch jetzt maß sie ihn mit einem unfreundlichen Blick. „Hallo, Cade.“

„Schön, Sie zu sehen, Mrs. Simmons.“ Er gab einen der Becher seinem Dad und bot ihr den anderen an. „Der gehört Ihnen, wenn Sie möchten.“ Das war ein äußerst schwaches Friedensangebot. Vor fünf Jahren hatte er ihrer Tochter das Herz gebrochen. Ein Becher Kaffee aus dem Automaten konnte das nicht wiedergutmachen.

„Danke, aber ich fahre gleich wieder zurück. Mein Mann ist auf einer Zahnarzttagung in Billings. Also muss ich nach Hause und die Hunde füttern.“ Sie umarmte Herb. „Ich bin in ein paar Stunden wieder hier. Ruf mich an, wenn du etwas brauchst.“

„Danke, Janine, das werde ich.“

Ihr Blick glitt zu Cade. „Gut, dass Sie da sind.“

„Ich weiß.“ Er akzeptierte den Vorwurf in ihrer Stimme. Er hatte ihn verdient. Aus vielen Gründen.

Nachdem sie gegangen war, legte Herb eine Hand auf die Schultern seines Pflegesohnes. „Lass dir von ihr keine Schuldgefühle einreden.“

„Aber ich bin schuldig. Erst habe ich ihre Tochter enttäuscht, und dann habe ich mich wegen der Situation zwischen Lexi und mir davon abhalten lassen, euch zu besuchen.“

„Das ist Schnee von gestern. Du bist jetzt hier, und das ist alles, was zählt. Es hat wenig Sinn, über die Vergangenheit nachzugrübeln. Du solltest dir nur die schönen Dinge ins Gedächtnis rufen.“

Cade fühlte sich durch diese Worte ein wenig getröstet. „Du hast mir gefehlt.“ Bis jetzt hatte er nicht gewusst, wie sehr.

„Du hast mir auch gefehlt. Aber ich möchte nicht, dass einer von euch sich verpflichtet fühlt, uns zu besuchen.“ Herb nippte an seinem Becher und verzog angewidert das Gesicht.

„Ich weiß. Eine scheußliche Brühe. Aber etwas anderes konnte ich nicht finden.“

„Macht nichts. In solchen Situationen bekommt man immer schrecklichen Kaffee. Das scheint eine Regel zu sein.“

Cade lächelte. Er war erleichtert, dass Herb seinen Humor nicht verloren hatte. „Damon hat mir eine Nachricht geschickt. Ich hole ihn um ein Uhr vom Flughafen ab.“

Herb hob erstaunt die Augenbrauen. „Hat Lexi ihn auch angerufen?“

„Nein, ich.“ Cade nahm einen Schluck Kaffee, weil er das Koffein brauchte. „Finn ebenfalls.“

„Du machst mir allmählich Angst, mein Junge. Rosie liegt nicht im Sterben, weißt du? Es ist vermutlich nur eine Verdauungsstörung.“

Wenn Cade es nicht besser gewusst hätte, wäre er auf Herbs gespielte Sorglosigkeit hereingefallen. Aber dafür kannte er seinen Pflegevater viel zu gut.

Aber er würde das Spiel mitmachen. „Das ist mir klar. Wir haben nur nach einem Vorwand gesucht, euch beiden ein bisschen auf die Nerven zu gehen.“

„Cade?“ Rosies Stimme drang durch die halb geschlossene Tür. „Bist du das da draußen?“

„Ja, Ma’am.“

Rosie gab einen Laut der Ungeduld von sich und wandte sich an die Krankenschwestern, die sich immer noch in ihrem Zimmer aufhielten. „Hallo, meine Damen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich wieder präsentabel herrichten könnten. Ich muss meinen Sohn umarmen.“

Die beiden lachten. „Rosie, Sie verwandeln sich doch nicht etwa in eine schwierige Patientin?“

„Nur wenn dieses Blutdruckmessen den ganzen Vormittag dauert, Sally.“

Es folgten weitere Scherze und mehr Gelächter. Cade war nicht überrascht, dass Rosie mit den Schwestern offenbar so gut bekannt war. Sie hatte lange Jahre ihres Berufslebens im Sozialdienst verbracht und kannte fast jeden in der Stadt.

„Cade?“, rief Rosie, nachdem die Schwestern den Raum verlassen hatten. „Komm schon herein, mein Sohn.“

„Gib mir das“, sagte Herb und nahm Cade den Kaffeebecher ab.

Cade zog seinen Hut ab, setzte ein zuversichtliches Lächeln auf und betrat das Zimmer.

Rosie sah ein wenig blass aus, und ihr blondes Haar wirkte zerzaust. Aber ihre blauen Augen strahlten ihn liebevoll an. „Setz dich zu mir, du großer Dummkopf.“

Er hielt den Atem an. Sie bedeutete ihm so viel. Herb hatte recht damit, dass Schuldgefühle zu nichts führten. Er würde versuchen, ihnen keine weitere Beachtung zu schenken. Aber er konnte nichts gegen sein Bedauern tun, so lange ferngeblieben zu sein.

Er beugte sie vor und umarmte Rosie behutsam. Der Geruch nach Desinfektionsmitteln erinnerte ihn an schlimme Zeiten. Doch außerdem umhüllte ihn der für Rosie so typische blumige Duft, den er mit guten Zeiten in Verbindung brachte. „Ich liebe dich, Mom.“

„Ich liebe dich auch. Aber ich hoffe, du hast deinen Job nicht gefährdet, um mich zu besuchen.“

„Nein.“ Er küsste sie auf die Wange und zog sich zurück. „Du hast dir den perfekten Zeitpunkt ausgesucht.“

„Ich bin froh, dass ich keine Umstände mache“, erwiderte sie ironisch. „Aber inwiefern perfekt?“

„Er hat gestern Abend gekündigt“, sagte Herb, während er den Raum betrat. „Ich vermute, dahinter steckt eine interessante Geschichte, denn er hat ein Pferd mitgebracht.“

„Und eine Katze. Aber das war nicht geplant.“

Rosie lächelte. „Ganz wie in alten Zeiten, als ihr Jungs jedes streunende Viech mit nach Hause gebracht habt. Wo hast du deine Tiere untergebracht?“

„Auf der Ranch. In Lexis Obhut.“

„Also hast du schon mit ihr gesprochen?“, fragte Rosie mit einem durchtriebenen Funkeln in den Augen.

„Ja, Ma’am.“ Er musste an den Kuss denken und hoffte, dass er nicht rot wurde.

„Und wie war es?“

„Gut.“ Dieses Thema gefiel ihm nicht besonders. „Aber genug davon. Ich möchte gern wissen, wie es dir geht.“

Rosie lächelte amüsiert. „Du versuchst doch nicht etwa, das Thema zu wechseln?“

„Schon möglich. Aber im Ernst, was sagen die Ärzte?“

„Sie sind sich immer noch nicht sicher, obwohl ich jede Wette eingehe, dass es nur eine schwere Verdauungsstörung ist.“ Rosie schob das Kinn vor, als ob sie keine andere Diagnose akzeptieren würde.

„Es müssen noch weitere Untersuchungen durchgeführt werden. Morgen wissen wir wahrscheinlich schon mehr. Wie Rosie sagte, ist es vermutlich nichts Ernstes. Aber wir wollen sichergehen.“

Cade nickte. „Das möchte ich auch.“

„Wie dem auch sein mag, ich bin in guten Händen, wie du siehst. Ich wette, du bist die Nacht durchgefahren. Du wirkst müde. Du solltest zur Ranch fahren und dich ausruhen.“

„Mir geht es gut.“

„Du siehst aus wie der Tod auf Rädern. Herb, sag ihm, er soll nach Hause fahren. Und du solltest das auch tun. Ich komme hier schon zurecht.“

Herb warf Cade einen Blick zu. „Ich bleibe noch ein wenig. Aber sie hat recht. Fahr nach Hause und schlaf dich aus. Du kannst später wiederkommen. Nachdem du Damon abgeholt hast.“

„Kommt Damon etwa auch?“, fragte Rosie aufgeregt.

„Heute Mittag.“ Zu spät erkannte Cade, dass ihrer aller Anwesenheit Rosie womöglich mehr beunruhigen würde als trösten. „Finn kommt auch. Aber deshalb denken wir noch lange nicht …“

„Dass ich demnächst ins Gras beiße? Hoffentlich nicht. Falls Herb nicht etwas weiß, das er mir vorenthält.“

„Ich schwöre dir, dass es nicht so ist.“ Herb hob die Hände. „Ich hatte damit nichts zu tun. Lexi hat Cade angerufen, und Cade hat den beiden anderen Bescheid gesagt.“

Rosie schüttelte den Kopf. „Und dann stellt sich vermutlich heraus, dass lediglich meine Verdauung verrücktgespielt hat. Was hat Lexi dir nur erzählt, dass du wie ein Irrer an mein Krankenlager gefahren bist?“

„Es ist meine Schuld.“ Verlegen strich Herb sich übers Kinn. „Du hattest die klassischen Anzeichen einer Herzattacke. Als ich mit Lexi telefoniert habe, war ich vielleicht ein bisschen … durcheinander.“

„Oh.“ Rosies Gesicht wurde weich, als sie ihren Mann anblickte. „Ich habe dir wohl einen ziemlichen Schrecken eingejagt.“

Herb zuckte die Schultern. „Äh … Ja, ich hatte Angst.“

„Und die hast du immer noch“, erwiderte sie mit sanfter Stimme.

„Ein bisschen. Aber du siehst schon viel besser aus. Und ich bin sicher, dass es nichts Ernstes ist. Jedenfalls sind unsere Jungs bald alle hier, und das ist doch ein Grund zur Freude, oder?“

„Natürlich.“ Rosie wandte sich an Cade. „Wenn du mit ihnen sprichst, sagst du ihnen bitte, dass ich nicht an der Schwelle des Todes stehe? Und sorg dafür, dass sie mir keine Blumen mitbringen. Mich deprimiert die Vorstellung, so lange hier sein zu müssen, dass Blumen sich lohnen.“

„Verstanden.“ Cade hatte nicht an Blumen gedacht. Vor allem deshalb, weil alle Läden geschlossen waren. Aber Damon und Finn könnten auf die Idee verfallen, ihr welche mitzubringen.

Ein Signalton kündigte eine neue Nachricht auf seinem Handy an. „Das könnte Finn sein.“ Er zückte das Telefon. „Ja. Er kommt kurz nach drei Uhr an.“

Rosie seufzte. „Ich mag gar nicht daran denken, was die Flugtickets gekostet haben. Aber es ist nun einmal geschehen, und es ist schön, euch alle wiederzusehen.“

„Ich bin sicher, es war ihnen egal, was die Tickets gekostet haben.“ So wie es für ihn keine Rolle gespielt hatte, die Chance auf einen neuen Job zu verlieren. Manche Dinge waren einfach wichtiger.

„Du hast vermutlich recht.“ Rosie lächelte ihn liebevoll an. „So seid ihr Jungs eben. Ich vermute, ihr wollt in eurer alten Hütte übernachten. Aber die Betten sind nicht gemacht, und es wurde seit Monaten nicht geputzt.“

„Das macht doch nichts. Bewahrst du das Bettzeug immer noch in dem großen Schrank im Foyer auf?“

„Ja, aber wenn ihr im Haus übernachtet, macht das weniger Arbeit.“

„Aber es macht längst nicht so viel Spaß.“

„Vermutlich nicht.“ Sie warf ihm einen undurchdringlichen Blick zu. „Vielleicht hilft Lexi euch, die Hütte wieder bewohnbar zu machen.“

„Nein, ich schaffe das schon.“ Seine Beziehung zu Lexi war kompliziert genug. Er wollte sie nicht auch noch mit Aufgaben behelligen, die eigentlich seine waren.

„Fahr nach Hause, Cade.“ Rosie machte eine Handbewegung, als wollte sie eine Schar aufdringlicher Gänse verscheuchen. „Du hast noch einiges zu erledigen.“

„Okay.“ Er küsste sie auf die Wange und verließ das Zimmer.

Ja, er hatte noch einiges zu erledigen, einschließlich seiner Beziehung zu Lexi. Aus der Ferne betrachtet war es ihm richtig vorgekommen, sie gehen zu lassen. Aber dieser Kuss hatte alles verändert.

Autor

Kathie De Nosky
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