Baccara Collection Band 461

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

HEIßE STUNDEN UNDERCOVER von MARTHA KENNERSON

Dieser Undercover-Einsatz ist eine sexy Herausforderung! Ermittlerin Kathleen soll die Wahrheit über angebliche Sicherheitsverstöße in der Firma von Morgan Kingsley herausfinden. Viel zu schnell kommt sie dem heißen Tycoon näher. Doch wie wird er reagieren, wenn er erfährt, wer sie wirklich ist?

EIN KANDIDAT FÜR SPEZIELLE STUNDEN von JOY AVERY

Lauder Tolson braucht dringend eine Frau. Als Junggeselle hat er keine Chance, in den Senat gewählt zu werden. Seine Ex Willow ist bereit, ihm zu helfen. Kurze nach ihrem ersten Auftritt in der Öffentlichkeit wird aus dem Spiel leidenschaftlicher Ernst! Doch kann Willow ihm je verzeihen, dass er ihr vor Jahren das Herz brach?


ZWEI HERZEN VOR GERICHT von ZURI DAY

Vor Gericht sind sie erbitterte Gegner. Doch insgeheim findet Anwältin Maeve Eddington den gegnerischen Anwalt Victor Cortez unwiderstehlich. Auf gar keinen Fall darf sie sich auf ihn einlassen, wenn sie den wichtigen Prozess nicht verlieren will. Aber das Schicksal hat andere Pläne …


  • Erscheinungstag 08.08.2023
  • Bandnummer 461
  • ISBN / Artikelnummer 0855230461
  • Seitenanzahl 384

Leseprobe

Martha Kennerson, Joy Avery, Zuri Day

BACCARA COLLECTION BAND 461

1. KAPITEL

Kathleen Winston betrat ihr Büro, noch immer geschockt darüber, wie schlecht das Treffen mit ihrem Chef verlaufen war. Die neunundzwanzigjährige Kathleen war die Erbin des milliardenschweren Winston-Construction-Vermögens, arbeitete aber immer noch als Sonderbeauftragte für die OSHA, die Behörde für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Laut schimpfend ließ sie sich auf ihren Stuhl fallen und betrachtete das gerahmte Bild ihrer Eltern auf ihrem Schreibtisch. Sie erinnerte sich lebhaft an den Tag, an dem sie und ihre Geschwister von der Krankheit ihrer Mutter erfahren hatten. Es war der Tag, der ihr Leben verändert hatte.

Ihre Mutter sagen zu hören: „Ich habe Krebs!“, war wie ein Messerstich mitten ins Herz gewesen. Es kam ihr immer noch so vor, als hätte das Gespräch gerade erst stattgefunden und nicht vor sieben Jahren. Anfangs hatte Kathleen es gar nicht glauben können, schließlich zeigte ihre Mutter keine Anzeichen von Krankheit. Sie war immer noch stark, voller Energie und sehr schön. Aber Kathleen erkannte an dem unglücklichen Blick ihres Vaters schnell, wie ernst die Lage war.

Mach dir keine Sorgen, Mom!, dachte Kathleen. Ich werde für die gute Sache weiterkämpfen!

„Was ist los?“ Gilbert Ray betrat Kathleens Büro. Er war ihr Assistent und bester Freund, seit sie Kinder waren. Neben ihrem Chef war er der Einzige im Büro, der über ihren familiären Hintergrund und ihr Vermögen Bescheid wusste.

Unwillkürlich musste sie lächeln, als sie Gilberts Outfit sah. Babyblauer Anzug und weißes Hemd, dazu eine blau-weiße Fliege und blau-weiße Halbschuhe. Kathleen liebte den Mumm ihres Freundes. Er stand dazu, wer er war, und es kümmerte ihn nicht, was andere über ihn dachten.

„Mannomann, siehst du heute wieder ganz schön extravagant aus, Gilbert!“

„Ja, nicht wahr? Aber jetzt sag, was ist passiert?“

„Simpson hat Ermittlungen gegen die Kingsleys und ihr Unternehmen untersagt.“

Gilbert nahm auf einem der Stühle vor dem Schreibtisch Platz. „Ich weiß nicht, warum du dich so aufregst. Du weißt doch, wie ihr schönen, reichen Schickimicki-Leute so etwas handhabt. Wenn ihr wollt, dass etwas verschwindet …“ Er ahmte mit seinen Händen einen Telefonanruf nach, „… dann benutzt ihr euren Joker und ruft einen Freund an.“

Kathleen seufzte. Sie wusste, dass Gilbert immer noch darunter litt, wie sein reicher Freund, mit dem er fast ein Jahr zusammen gewesen war, kürzlich die Beziehung beendet hatte. „Erstens weiß ich, dass du immer noch sauer darüber bist, was Vince getan hat, und ich hasse es, dass er mich dazu gebracht hat, dir zu sagen, was für ein Arsch er ist. Aber ich konnte nicht zulassen, dass du denkst, ihm ist etwas zugestoßen, als er deine Anrufe nicht mehr beantwortet hat.“

„Ich weiß, und ich liebe dich dafür.“

„Zweitens habe ich dir gesagt, dass du aufhören sollst, mich mit vornehmen reichen Leuten in einen Topf zu werfen.“

„Aber du bist nun mal beides. Reich und vornehm, und du weißt es auch.“ Er machte ein finsteres Gesicht.

„Ich bin ein Schmelztiegel aus vielen Dingen“, erklärte sie sachlich.

„Okay, du wunderschöne, langhaarige, kultivierte, erfolgreiche Schmelztiegelin mit den hohen Wangenknochen und den vollen Lippen“, neckte er. „Reich bist du auf jeden Fall.“

„Entschuldigen Sie“, erklang plötzlich eine Stimme, „Miss Winston, Mr. Ray, der Postbote, hat gerade die Post gebracht.“

Gilbert blickte über die Schulter. „Kennen Sie den Korb mit dem großen Postschild auf meinem Schreibtisch? Warum legen Sie die Post nicht einfach dort hinein?“, fragte er sarkastisch.

„Oh … okay.“ Die junge Frau drehte sich um und eilte davon.

„Danke!“, rief Kathleen ihr nach. Sie sah Gilbert durchdringend an. „Was soll das?“

„Was?“

„Warum bist du so unhöflich zu der jungen Frau?“

Gilbert zuckte mit den Schultern. „Sie ist eine Praktikantin.“

„Und du benimmst dich wie eine Zicke. Lass das! Das steht dir nicht.“

„Na schön.“ Gilbert stand auf. „Ich kaufe dem Mädchen einen Keks oder so etwas. Apropos kaufen, wann gibst du mir endlich eine deiner schwarzen Kreditkarten, damit ich dir neue Stühle kaufen kann? Etwas Schöneres als diese Kunstlederdinger, die du deinen Gästen zumutest. Oder noch besser, eine ganz neue Büroeinrichtung für uns beide.“

„Dies ist ein Regierungsbüro. Wir müssen die Möbel akzeptieren, die man uns zur Verfügung stellt. Also finde dich damit ab!“

„Du kannst dein Büro wenigstens mit antikem Nippes und teuren zeitgenössischen Kunstwerken aufhübschen, während ich da draußen in einer Welt voller Grau sitze.“

„Oh, bitte, ausgerechnet du sagst so etwas. Dein farbenfroh ausgestattetes Büro erhellt die ganze Etage.“

„Stimmt. Ich liebe all die Farben in meiner Regenbogenflagge.“

Kathleen lachte.

„Worüber sprachen wir gerade?“ Er tippte mit dem Zeigefinger gegen seine Schläfe. „Ach ja, darüber, dass du reich bist und es immer noch versteckst.“

„Nein, wir haben darüber gesprochen, was Simpson getan hat. Und mein Vater ist reich, nicht ich“, korrigierte sie.

„Und wie nennst du diesen Mega-Treuhandfonds, den du mit fünfundzwanzig bekommen hast, oder den, den du mit dreißig bekommen wirst?“

„Das Vermächtnis meines Vaters – nicht meines“, erklärte Kathleen ausdruckslos. Ihr Handy klingelte, und sie sah auf das Display. „Wo wir gerade von ihm reden …“

„Du sprichst mit ihm. Ich hole uns einen Kaffee. Deiner wie üblich?“

„Ja, danke.“ Gilbert entfernte sich, und Kathleen nahm den Anruf entgegen. „Hi, Dad.“

„Hallo, Kathleen. Wie geht es meiner schönen Tochter?“, fragte er in seiner Muttersprache Französisch.

„Mir geht es gut, Dad. Und dir?“, erwiderte sie auf Englisch.

Keine Antwort. Kathleen wiederholte ihre Antwort und Frage, nur dieses Mal auf Französisch.

Kathleens kreolischer Vater stammte von der nordamerikanischen Insel Sint Maarten. Er und seine Frau, Kathleens Mutter, die aus einer kaukasisch-afrokaribischen Beziehung stammte, hatten ihre Kinder zweisprachig erzogen. Französisch und Englisch. Ihr Vater jedoch unterhielt sich lieber in seiner Muttersprache mit ihr.

„Ich wollte nur bestätigen, dass ich dich heute Abend bei deiner Schwester abhole.“

„Wir haben doch darüber gesprochen, Dad. Ich habe viel zu tun und kann es mir wirklich nicht leisten …“

„Was? Du kannst dir nicht eine kleine Auszeit nehmen, um das Vermächtnis deiner Mutter zu feiern und dabei zu helfen, das Bewusstsein für die Aufgabe ihrer Stiftung zu stärken und Spenden zu sammeln?“

„Das ist nicht fair, Dad. Natürlich ist die Arbeit unserer Stiftung wichtig. Aber das ist mein Job auch. Ich trage dazu bei, dass andere nicht dasselbe durchmachen müssen wie wir.“

„Und ich bin auch stolz auf deine Arbeit. Aber du hast auch eine Verantwortung deiner Familie gegenüber“, erinnerte er sie.

Kathleen seufzte. „Okay, Dad. Es sieht so aus, als hätte sich mein Arbeitspensum gerade ein wenig verringert, also ja, ich werde da sein.“

„Gut. Sieh zu, dass deine Schwester pünktlich ist. Du weißt, wie sie ist, und ich hasse es, zu spät zu kommen“, sagte er mit fester Stimme.

„Ja, Dad, das wissen wir. Wir werden beide fertig sein.“ Kathleen hörte die Stimme ihres Chefs, noch bevor er in ihrer Tür stand. „Dad, ich muss los. Hab dich lieb. Bis später.“

Simpson stand mit den Händen in den Taschen in der Tür. „Die französische Sprache ist wunderschön.“

„Ja, das ist sie“, stimmte sie zu.

„Sie hätten das Telefonat nicht wegen mir beenden müssen“, sagte er und betrat das Büro.

Kathleen ging nicht darauf ein. „Was kann ich für Sie tun, Mr. Simpson?“

„Ich wollte Ihnen sagen, dass ich noch einmal nachgedacht habe und glaube, dass Sie recht haben.“

„Mit den Kingsleys?“ Sie zog die Augenbrauen hoch.

„Alle früheren Anschuldigungen gegen die Kingsleys und ihre Firma haben sich zwar als falsch erwiesen, und Evan Perez, der Mann hinter den falschen Geschichten, sitzt hinter Gittern, aber diese jüngste Behauptung scheint von niemandem zu stammen, den Perez engagiert hat.“

„Nein, stammt sie nicht. Mr. Silva scheint glaubwürdig zu sein und ist nicht Teil einer großen Verschwörung“, zeigte sich Kathleen überzeugt. „Ihm geht es allein um die Sicherheit der Mitarbeiter und darum, dass das Unternehmen eine kompetente Führung hat.“

„Doch wie können wir das mit Sicherheit wissen?“

„Weil er immer noch da ist. Er hat seine Beschwerde nicht zurückgezogen, und er ist auch sehr konkret in seinem Anliegen.“

Simpson nickte. „Das stimmt. Trotzdem, seine Motive sind nicht ganz uneigennützig.“

„Gut, er hat Aktienoptionen, die er gegen schlechtes Management schützen möchte. Daran ist aber nichts auszusetzen. Er behauptet, dass die Kingsleys ihre Angestellten in Gefahr bringen, weil sie die Führung an jemand Unerfahrenen und Ungeeigneten abgegeben haben, der die Firmenpolitik geändert hat. Die Sicherheitspraktiken entsprächen jetzt nicht mehr den OSHA-Normen. Er erklärt, dass diese Änderungen Menschen in Gefahr bringen. Das ist Grund genug, eine Untersuchung durchzuführen. Der Mann hat nicht einmal um Vertraulichkeit gebeten.“

Kathleen erinnerte sich an die ausführliche und schmerzliche Erklärung darüber, dass ihre Mutter an ihrem Arbeitsplatz gefährlichen Chemikalien ausgesetzt gewesen war, was letztlich zu ihrer Krebserkrankung geführt hatte. Das war schwer zu verkraften gewesen. Als Kathleen die Bedenken von Mr. Silva hörte, hatte sie sich wieder einmal gefragt, was passiert wäre, wenn jemand wegen der schlechten Arbeitsbedingungen in der Firma, in der ihre Mutter gearbeitet hatte, die Stimme erhoben hätte. Das Bedürfnis, jemanden dafür zahlen zu lassen, was ihrer Mutter zugestoßen war, befeuerte Kathleens Handlungsdrang. Sie war fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass keine andere Familie das durchmachen musste, was sie durchgemacht hatte. Die Winstons hatten das weibliche Oberhaupt der Familie innerhalb eines Jahres nach jenem ersten Gespräch verloren.

„Wie lange arbeitet er schon für die Kingsleys?“

Kathleen griff nach einer Akte auf ihrem Schreibtisch. „Mal sehen.“ Sie blätterte durch die Seiten. „Zehn Jahre.“

„Es ist nur eine Beschwerde, aber alles in allem wäre es klug, zumindest eine oberflächliche und sehr diskrete Ermittlung durchzuführen. Bei allem, was diese Familie durchgemacht hat, müssen wir aber äußerst diskret und vorsichtig sein.“

„Das kann ich“, versprach sie. „Ich meine, vorsichtig und diskret sein.“

„Ich meine es ernst, Kathleen. Sie müssen umsichtig agieren, und wenn Sie – und das ist ein großes Wenn – etwas finden, dann werden wir handeln. Ich weiß, dass Sie ein Profi sind, aber Sie müssen sicherstellen, dass Ihre persönlichen Gefühle Sie nicht daran hindern, den Job unvoreingenommen zu erledigen.“

„Das wird nicht passieren.“

„Nun denn, wie wollen Sie vorgehen?“

„Ich könnte als Referentin für Sicherheitsrichtlinien auftreten und unsere kostenlose Schulung anbieten.“

Simpson schüttelte den Kopf. „Sie schulen ihre Leute selbst. Verdammt, wir haben sogar einige unserer eigenen Berater zu ihren Seminaren geschickt.“

Kathleen tippte mit den Fingern auf den Schreibtisch. „Sie haben die neuen Vorschriften noch nicht. Ich könnte anbieten, speziell darüber zu sprechen und ihnen bei der Aktualisierung ihrer Schulungsunterlagen zu helfen.“

„Das könnte funktionieren, aber ich warne Sie. Wenn wir uns irren, könnten wir beide unseren Job verlieren.“ Simpson griff in seine Tasche, holte ein Kleenex heraus und wischte sich über die Stirn.

„Ich irre mich nicht, und wenn ich es tue, dann verdiene ich es, meinen Job zu verlieren.“

„Sie haben leicht reden, Kathleen. Sie kommen aus einer reichen Familie. Ich kann es mir finanziell nicht erlauben, meinen Job zu verlieren“, betonte Simpson.

Kathleen kam um ihren Schreibtisch herum, griff nach Simpsons Hand und drückte sie kurz. „Das werden Sie nicht. Ich verspreche es. Mr. Silva hat keine Verbindung zu Mr. Perez. Es gab in letzter Zeit ein paar Veränderungen in der Geschäftsleitung und in der Firmenpolitik, die in der Branche für Aufsehen gesorgt haben. All diese Änderungen könnten legitim sein, aber wir werden es nicht mit Sicherheit wissen, solange wir es nicht überprüfen.“

„Also gut. Ich werde die Vorstandsvorsitzende der Firma, Victoria Kingsley, anrufen und unseren Service als eine Art Entschuldigung für die Nachforschungen anbieten, die sie wegen der falschen Anschuldigungen erdulden mussten.“

„Meinen Sie, das funktioniert?“

„Wir werden sehen.“ Simpson stand auf. „Ich gebe Ihnen Bescheid.“

„Großartig.“

Simpson verließ das Büro. Die Tür war kaum ins Schloss gefallen, da führte Kathleen einen Freudentanz auf. „Ich kriege dich, Kingsley!“

2. KAPITEL

Morgan Kingsley, der neunundzwanzigjährige Vizepräsident der Außendienstsparte von Kingsley Oil and Gas, betrat die Cafeteria des Werks und rieb sich erwartungsvoll die Hände. In diesem Augenblick hatte er nur eines im Sinn: Essen. Der Raum war so gestaltet, dass sich die Mitarbeiter von Kingsley dort wohlfühlen und ein Gefühl von Zuhause haben konnten.

Er betrat den hell erleuchteten, in dezenten Farben gehaltenen Raum, in dem verschiedene Arten von Holz- und Stahltischen mit großen cremefarbenen Lederklappstühlen aufgestellt waren. Er entdeckte seinen Betriebsleiter und guten Freund Adrian Jones in der Schlange am Büfett.

„Was machst du hier so früh am Morgen?“, fragte Adrian.

Morgan nahm ein Tablett und einen Teller und betrachtete die Auswahl. „Frühstücken.“

„Das sehe ich“, erwiderte Adrian und nahm einen Teller mit einem Omelett von einem der Servicemitarbeiter entgegen.

„In letzter Zeit warst du nur zum Lunch oder zum Abendessen hier.“

Morgan füllte seinen Teller mit Eiern, Speck und Pfannkuchen. „Ja, nun, da all diese Ermittlungen vorbei sind und Perez, dieser Mistkerl, hinter Gittern sitzt, kann ich wieder in meine Werkswohnung und jeden Morgen direkt in den Betrieb kommen und das beste Frühstück der Stadt genießen.“

Nachdem sie einige Zeit an der Saft- und Kaffeebar verbracht hatten, machten sie sich auf den Weg zu einem freien Tisch. „Cool“, erwiderte Adrian und gab Sirup über seinen Pfannkuchen. „Du trägst Overall und Arbeitsstiefel? Wo arbeitest du heute?“

„Die Wartungsabteilung ist unterbesetzt, und ich will nicht, dass meine Schweißer in Verzug geraten.“ Morgan griff nach seinem Saftglas.

„Ich könnte ein paar Leute von den südlichen Lagern abziehen, um auszuhelfen.“

„Das ist nicht nötig. Ernest und ich schaffen das schon.“ Morgan steckte sich ein Stück Speck in den Mund.

„Habe ich gerade meinen Namen gehört?“ Ernest Walker, der Wartungsleiter des Werks, näherte sich dem Tisch, in der Hand ein Tablett mit schmutzigem Geschirr.

Adrian und Ernest begrüßten sich. „Ich habe gehört, dass der Chef heute schwere Arbeiten zu erledigen hat.“

„Er schafft das schon“, betonte Ernest.

„Verdammt richtig“, stimmte Morgan zu und stürzte sich auf sein Essen.

„Da sind Sie ja.“ Eine kleine grauhaarige Frau kam an den Tisch. Sie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab.

Morgan und Adrian erhoben sich. „Guten Morgen, Miss Monica“, grüßten alle drei Männer. Miss Monica, wie sie von allen genannt wurde, war die sechzigjährige Service-Leiterin und Chefköchin. Seit fast dreißig Jahren arbeitete sie bei den Kingsleys und gehörte praktisch zur Familie.

Miss Monica war nur einer der vielen Gründe, warum Morgan so froh war, dass das Perez-Fiasko hinter ihm lag und seiner Familie und dem Betrieb nichts mehr anhaben konnte. Das Werk in der Nähe von Port Arthur, Texas, und die Ölplattformen waren sein sicherer Hafen. Der Tod seines Vaters und seines Onkels waren ein schwerer Schlag gewesen, aber seine erweiterte Großfamilie im Betrieb hatte ihm das Aufwachsen ohne sie ein wenig erträglicher gemacht.

Die Liebe seiner Mutter konnte erdrückend sein, und als sie ihnen schließlich erlaubte, Zeit im Werk mit ein paar Leuten zu verbringen, denen sie vertraute und die keine Leibwächter waren, genoss Morgan diese Momente. Das Werk wurde zu seinem zweiten Zuhause, und er beschützte es mit aller Kraft.

„Wir müssen über den Speiseplan reden, den die Ernährungsberaterin neulich geschickt hat.“

„Was stimmt damit nicht, Miss Monica?“ Morgan zog einen Stuhl für sie heran.

Miss Monica setzte sich. „Es ist alles in Ordnung. Eine gesunde, ausgewogene Ernährung ist etwas, was wir alle anstreben sollten. Keiner von uns wird jünger. Tatsächlich arbeitet fast die Hälfte der Leute hier schon, seit es das Werk gibt. Es ist nur, dass es sehr teuer werden wird, so viel Biogemüse von der Firma zu kaufen, die sie uns empfohlen hat.“

Morgan lachte. „Sie haben so recht, Miss Monica, und ich weiß es zu schätzen, wie Sie sich um uns kümmern …“

„Aber …“ Sie verschränkte die Arme.

„Wir haben einige ziemlich solide Vereinbarungen mit einer Reihe von Anbietern. Verträge, die meine Mutter persönlich ausgehandelt hat.“

Miss Monica lachte. „Nun, wenn das so ist, dann bin ich sicher, dass Victoria einen absoluten Tiefpreis bekommen hat. Ich gehe dann wieder in die Küche. Es ist schon bald Zeit fürs Mittagessen. Apropos Mittagessen, die wunderschöne Tochter meiner Freundin …“

„Miss Monica, wir haben bereits darüber gesprochen.“ Morgan half ihr vom Stuhl auf. Ich wünschte wirklich, alle würden aufhören, mich verkuppeln zu wollen. Kann man nicht einfach wieder an die Arbeit gehen und sich an der Tatsache erfreuen, dass niemand wegen der einen oder anderen Sache hinter uns her ist? „Ich weiß Ihre Sorge zu schätzen, aber ich brauche keine Hilfe bei Dates.“

„Ich will nicht helfen, ein Flittchen abzuschleppen“, sagte Miss Monica und schlug spielerisch nach seiner Hand. Morgan presste die Lippen aufeinander, um nicht zu lachen. „Ich versuche nur, Ihnen dabei zu helfen, ein nettes Mädchen zu finden, das Sie heiraten können.“

„Miss Monica …“

„Und nicht so eine wie diese Bonnie Ford, die nur auf Ihr Geld aus war“, fuhr sie fort und schüttelte den Kopf, als hätte er nichts gesagt. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie die Beziehung nutzen wollte, um die Geschäftsinteressen ihrer Familie zu fördern. Lächerlich! Verglichen mit den Raffinerien Ihrer Familie sieht die unbedeutende Raffinerie der Familie Ford wie die hässliche, verhasste Stiefschwester neben der schönen Prinzessin aus. Ganz zu schweigen davon, wie oft sie schon Konkurs angemeldet haben.“

„Das ist lange her“, erwiderte er, obwohl er immer noch eine Mischung aus Wut und Verlegenheit verspürte. Morgan hatte nicht gemerkt, dass seine dreijährige Liebesbeziehung mit Bonnie – zumindest hatte er geglaubt, dass es Liebe war – ihr so wenig bedeutet hatte. Und ganz gewiss hatte er nicht geahnt, dass sie und ihre Eltern nur auf geschäftliche Vorteile aus waren.

„Das meine ich ja. Es ist an der Zeit, dass Sie aufhören, mit diesen dummen kleinen Mädchen zu spielen, und sich eine Frau mit Substanz suchen. Es wird Zeit für eine Ehefrau.“

Morgan sah auf seine Uhr. „Oh, es ist schon spät. Ich muss los.“

„Schön, gehen Sie, aber wir sind mit der Diskussion noch nicht fertig, junger Mann.“ Sie entfernte sich in Richtung Küche.

Doch, sind wir. Das Letzte, was ich brauche, ist eine Ehefrau.

Morgan wusste, dass Miss Monica es gut meinte, aber er war mit seinem Beziehungsleben zufrieden, so wie es jetzt war. Kurze, sexuell befriedigende Affären reichten ihm völlig aus.

Morgan warf seinen Müll weg und stellte sein Geschirr auf den Geschirrwagen. Er war auf dem Weg zum Ausgang, als sein Handy klingelte. „Was gibt’s, Alexander?“, fragte Morgan und blieb kurz vor dem Ausgang stehen.

„China liegt in den Wehen“, antwortete Morgans älterer Bruder und CEO von Kingsley Oil and Gas.

„Oh. Ist mit ihr alles in Ordnung?“

„Sie ist … stark“, erwiderte Alexander.

„Das ist sie“, stimmte Morgan zu,

„Und schön … so verdammt schön“, murmelte Alexander.

Morgan hörte etwas Unbekanntes in der Stimme seines Bruders. Furcht vielleicht. „Alles in Ordnung mit dir, Alexander?“

„Ja, aber ich könnte etwas Unterstützung gebrauchen“, gab er zu.

„Ich bin auf dem Weg.“

„Bist du sicher, Morgan?“

„Bin ich. Wohin soll ich kommen?“

„Frauenklinik. Danke, Mann.“

Morgan konnte die Erleichterung in der Stimme seines Bruders hören. „Ich bin schon unterwegs.“

Morgan steckte sein Telefon ein, drehte sich um und nahm einen anderen Ausgang, um schneller bei seinem Wagen zu sein. Er konnte immer noch nicht glauben, dass es bald einen weiteren Kingsley geben würde. Kurz fragte er sich, ob er selbst auch einmal Vater werden würde …

„Warum habe ich mich nur von dir dazu überreden lassen?“, murmelte Kathleen halblaut und versuchte, einigermaßen still auf dem Stuhl der Visagistin zu sitzen. Sie war gespannt darauf, was bei den Kingsley-Ermittlungen herauskommen würde, und dachte an all die Dinge, die noch erledigt werden mussten, bevor sie loslegen konnte.

„Als ob du mit Dad und mir zu der Irene-Winston-Krebsstiftung gehen könntest, wenn du aussiehst wie …“

„Hannah, ich arbeite in einer Welt, in der all diese Übertreibungen nicht nötig und sogar verpönt sind. Nur weil ich nicht wie eine Glamourgöttin herumlaufe wie du, kleine Schwester, Miss Fernsehköchin, bedeutet das nicht, dass ich nicht gut aussehe.“

„Das habe ich auch nicht gesagt. Ich finde nur, dass du all die wunderbaren Gaben unserer Mutter zur Geltung bringen solltest. Die hohen Wangenknochen, die verführerischen Augen und …“, sie fuhr sich durch ihr eigenes Haar, „… dieses dichte, wunderschöne schwarze Haar.“

Kathleen lachte. „Warum kommen Wesley und Kennedy heute Abend eigentlich nicht?“

„Du weißt, dass unser großer Bruder und unsere Schwester normalerweise immer dabei sind. Aber sie sind genau solche Workaholics wie du und heute geschäftlich unterwegs. Also dachten wir, du könntest ausnahmsweise mal einspringen“, erklärte Hannah.

„Ausnahmsweise?“

„Ja, Kathleen. Du tauchst nur selten bei unseren Events auf, egal, ob es sich um private oder wohltätige handelt.“

Kathleen biss sich auf die Lippe. „Ich mag meine Privatsphäre. Außerdem ist mein Job …“

„Dein Job hat nichts mit deiner Familie zu tun. Hör auf, dich dahinter zu verstecken.“

„Das tue ich nicht“, murmelte sie, wohl wissend, dass ihre Schwester recht hatte. Kathleen hatte die Wohltätigkeitsveranstaltungen genauso gern besucht wie ihre Schwester, bevor ihre Mutter krank wurde. Die Krankheit ihrer Mutter und der Versuch, einen Weg zu finden, mit ihrer Wut umzugehen, beherrschten danach ihr Leben.

„Wie auch immer. Welches Kleid willst du anziehen? Beide sind von Versace.“ Hannah hielt ein schwarzes, tief ausgeschnittenes Spitzenkleid in einer Hand und ein rotes, trägerloses, fließendes Kleid mit hohem Schlitz in der anderen. „Ich an deiner Stelle würde …“

„Ich nehme das schwarze, bitte.“

„Nimm das rote“, erwiderte Hannah. „Du musst deinen knackigen Körper und dein tolles Gesicht zur Geltung bringen, wenn du dir einen anständigen Mann angeln willst.“

„Ich bin nicht auf der Suche nach einem Mann, Hannah.“

„Solltest du aber sein. Du bist neunundzwanzig und hattest seit dem College keine Beziehung mehr.“

„Ich habe mich auf meine Karriere konzentriert. Für mich ist es wichtig, etwas im Leben der Menschen zu bewirken. Ich brauche keine unnötige Ablenkung.“

„Du kannst für deine Sache kämpfen und trotzdem einen Mann haben. Du würdest dich wundern, was großartiger Sex für das Gemüt einer berufstätigen Frau tun kann. Du siehst übrigens fantastisch aus.“ Hannah drehte sich um und umarmte ihre Visagistin. „Lisa, du bist unglaublich.“

„Danke, aber ihr beide bietet eine wunderschöne Projektionsfläche für meine Arbeit. Wir sehen uns morgen früh am Set. Habt einen schönen Abend, Ladys!“, sagte Lisa noch, dann ging sie zur Tür hinaus.

„Am Set?“ Kathleen runzelte die Stirn. „Ich wusste nicht, dass du arbeitest.“

„Nur ein paar Werbespots, während ich in der Stadt bin. Houston ist einer meiner größten Märkte“, erklärte sie stolz.

Kathleens Telefon piepte. Sie griff danach und las die Nachricht. Ein breites Lächeln zog über ihr Gesicht. Soeben hatte sie grünes Licht erhalten, die Kingsleys zu überprüfen. Ihr Chef mochte die Kingsleys für unschuldig halten, aber ihr Bauchgefühl sagte ihr etwas anderes, und Kathleen folgte immer ihrem Bauchgefühl.

„Gute Neuigkeiten?“, fragte Hannah neugierig.

„Hervorragende. Ich habe gerade meinen neuen Auftrag bekommen.“

„Oh. Hier.“ Hannah reichte Kathleen das rote Kleid und ignorierte die Neuigkeit. „Zieh dies mit den sexy rot-goldenen Versace-High-Heels an.“

„Was ziehst du an?“

„Natürlich auch Versace.“ Hannah schenkte ihrer Schwester ein strahlendes Lächeln.

Kathleen betrat das überdimensionierte Ankleidezimmer ihrer Schwester, ließ ihren Bademantel fallen und schlüpfte in das Kleid, das ihre Schwester ausgesucht hatte. Es saß perfekt und setzte ihre Vorzüge gekonnt in Szene. Kathleen starrte in den großen Spiegel und lächelte. Ihre hellen Augen funkelten, das Make-up brachte ihre gold-bronzene Haut wunderschön zur Geltung, ihr schwarzes, lockiges Haar war zu einer eleganten Hochsteckfrisur zusammengebunden.

Hannah betrat das Ankleidezimmer. „Wow, Schwesterherz. Du siehst göttlich aus … und genau wie Mom.“

„Du auch“, erwiderte Kathleen und lächelte Hannah im Spiegel an. Sie drehte sich zu ihrer Schwester. „Ich würde sagen, wir könnten als Zwillinge durchgehen, außer, dass der tiefe Ausschnitt deines Kleides der Fantasie wenig überlässt.“

Hannah drehte sich um. „Der hinten auch nicht“, sagte sie lächelnd.

„Du bist unmöglich, Hannah.“

„Ich weiß.“ Sie lachte. „Wie sieht’s aus? Fertig? Ich habe gerade eine SMS bekommen. Dad ist da, und du weißt, dass er es hasst, zu spät zu kommen.“

„Ich bin bereit.“ Kathleen warf einen letzten Blick in den Spiegel und lächelte. Sie wusste, wie sehr ihre Mutter es geliebt hatte, sich schick zu machen, und dass sie jetzt wirklich glücklich wäre. „Lass uns Mom feiern und eine Menge Geld für die Krebsforschung sammeln.“

Und morgen werde ich damit beginnen, ein weiteres Unternehmen zu erledigen, das die Sicherheit seiner Mitarbeiter nicht zu seiner Priorität macht.

3. KAPITEL

Als Morgan nach einem ereignisreichen Wochenende mit einer Tasse Kaffee in der Hand das Büro des Betriebsleiters betrat, traf er auf seine Mutter, die mitten im Raum stand und aus dem Fenster schaute. Sie trug einen blauen Hosenanzug, der ihre immer noch jugendliche Figur betonte, und bewies einmal mehr, dass Alter nur eine Zahl war. Ihre Tasche lag neben ihrem Schutzhelm auf dem Schreibtisch.

„Mutter, was machst du denn hier?“

Victoria drehte sich um und sah Morgan an. „Guten Morgen, mein Sohn. Mir ist klar, dass wir ein aufregendes Wochenende hinter uns haben und dass du an diesem frühen Montagmorgen noch etwas durcheinander bist, aber ich bin sicher, dass du nicht vergessen hast, wie man seine Mutter begrüßt.“

Morgan seufzte und stellte seine Tasse neben den Helm seiner Mutter. Er beugte sich vor und küsste sie auf die Wange. „Entschuldige, bitte. Guten Morgen, und was verschafft mir die Ehre deines Besuchs? Ist mit dem Baby alles in Ordnung?“

Victorias Gesicht leuchtete vor Stolz. „Alexander dem Dritten geht es wunderbar“, versicherte sie lächelnd und nahm vor dem Schreibtisch Platz. „Ich bin hier, weil ich bei all der Aufregung um die Geburt des kleinen Alexanders ganz vergessen habe zu erwähnen, dass du heute einen Besucher empfangen wirst.“

„Einen Besucher?“ Er griff nach seinem Kaffee.

„Ja. Ich habe am Freitagnachmittag einen Anruf von einer meiner gut platzierten Quellen in unserer Landesregierung erhalten. Man macht uns ein … nennen wir es ein Friedensangebot für all den Ärger, den unsere Firma im letzten Jahr ertragen musste.“

„Tatsächlich. Was für ein Friedensangebot?“ Morgan kniff die Augen zusammen, während sich seine Nackenhaare aufstellten. Im Moment traute Morgan niemandem von irgendeiner Regierungsbehörde.

„Die OSHA schickt einen ihrer Referenten, der unser Schulungsmaterial auf den neuesten Stand bringen und unsere Mitarbeiter über einige neue Vorschriften informieren wird.“

„Was?“ Morgan runzelte die Stirn.

Warum zum Teufel sollte ich einen ihrer Referenten brauchen oder einsetzen wollen?

„Du hast mich gehört, mein Sohn.“

Morgan ging um den Schreibtisch herum und ließ sich auf den Stuhl fallen. Er wusste, dass er besser nicht mit seiner Mutter über Entscheidungen stritt, die sie für das Unternehmen traf, vor allem nicht über solche, die politische Auswirkungen haben könnten. Er musste seine Worte sorgfältig wählen.

„Willst du wirklich jemanden von einer Regierungsbehörde in unserem Unternehmen haben, nach allem, was wir durchgemacht haben? Ich nicht. Ich könnte unsere Ausbilder zu einer Schulung schicken, und die können anschließend alle anderen hier schulen. Du weißt, dass sie ihre eigenen Referenten in unser Schulungszentrum schicken?“, erinnerte er seine Mutter und versuchte, seine Verärgerung unter Kontrolle zu halten.

„Das weiß ich, mein Sohn, aber ich habe leider schon zugestimmt.“

Morgan schüttelte den Kopf. „Wann werden sie hier eintreffen?“

Victoria zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Heute.“

Morgan trank einen Schluck Kaffee. „Ich werde mir anhören, was sie anzubieten haben, aber wenn es nicht unseren Standards entspricht, dann schicke ich sie zum Teufel.“

Victoria erhob sich lächelnd. „Etwas anderes erwarte ich nicht. Also los, gehen wir.“ Sie griff nach ihrem Schutzhelm.

Morgan stand ebenfalls auf. „Wohin gehen wir?“

„Ich würde gern ein paar Leute sprechen. Bring mich einfach zu Adrian, und dann kannst du in seinem Büro auf unseren Gast warten.“

„Ja, Ma’am.“ Morgan bot ihr seinen Arm, und sie verließen das Büro.

Kathleen erreichte das Kingsley-Werk erst kurz vor zehn, später als geplant, da es auf dem Freeway zu einem unerwarteten Stau gekommen war. Sie war beeindruckt von den Sicherheitsvorkehrungen, die es brauchte, um auf das Gelände und in das Werk zu gelangen, fragte sich aber, ob das ein Zeichen dafür war, dass die Kingsleys etwas zu verbergen hatten. Kathleen verließ ihr Fahrzeug, holte ihren Seminarkoffer und ihre Handtasche heraus und machte sich auf den Weg zum Sicherheitsposten.

„Guten Morgen, Ma’am. Kann ich Ihnen helfen?“, grüßte einer der drei Wachmänner.

„Ja.“ Kathleen zückte ihren Ausweis. „Ich bin Kathleen Winston von der OSHA, und ich bin hier, um einige Schulungen durchzuführen.“

„Einen Moment.“ Der Mann griff nach seinem Telefon. Im selben Moment klingelte Kathleens Handy. Sie blickte auf das Display und sah, dass ihr Vater anrief. Ihre Mailbox nahm den Anruf entgegen.

Der Wachmann reichte Kathleen einen Besucherausweis. „Den müssen Sie immer bei sich tragen. Bitte folgen Sie mir. Darf ich Ihnen mit Ihrer Tasche helfen?“

„Nein, danke. Das geht schon.“

Kathleen folgte ihrem Begleiter hinüber zu einem kleinen Truck. Er reichte ihr einen Schutzhelm. „Den müssen Sie aufsetzen.“ Sie stieg in den Truck und setzte den Helm auf, während der Wachmann ihre Sachen einlud.

„Ich heiße übrigens Van, Ma’am“, sagte der Mann, als er sich hinters Lenkrad setzte.

„Freut mich, Sie kennenzulernen“, erwiderte sie lächelnd.

Van gab Kathleen eine Karte der Anlage in Form einer Broschüre, bevor er losfuhr. Er hob die wichtigsten Punkte hervor und erklärte, dass sie zu jedem Ort eine Begleitperson benötigte.

„Werden Sie diese Begleitung sein?“

„Nein, Ma’am. Das ist entweder der Betriebsleiter Adrian Jones oder jemand, den er damit beauftragt.“

Kathleen hatte recherchiert und kannte die Namen der wichtigsten Mitarbeiter und ihre Positionen in der Fabrik, doch nicht von allen waren Fotos verfügbar gewesen. Sie fand es besonders überraschend, wie wenig sie über die Kingsleys herausfinden konnte. Ja, es gab viele Details über ihre jüngsten Probleme, ihre Finanzen und natürlich die Matriarchin der Familie, aber über das Privatleben der Erben gab es kaum Informationen.

Sie fuhren auf ein großes einstöckiges weißes Gebäude zu, auf dem der Name Kingsley stand. „Muss ich dorthin?“

„Irgendwann sicher. Das ist das Verwaltungsgebäude, in dem sich auch das Schulungszentrum befindet. Aber jetzt soll ich Sie zum Büro des Betriebsleiters bringen.“

Sie fuhren schweigend auf einer Art Hauptstraße mitten durch das Werk, und Kathleen war überrascht, ein fünfstöckiges Bürogebäude aus Glas zu sehen, das von mehreren ebenso beeindruckenden Gebäuden unterschiedlicher Größe umgeben war.

Wow! Man sollte niemals nur nach dem Äußeren urteilen, aber dieser Ort ist ziemlich großartig.

„Dieses Werk ist wie eine Kleinstadt.“

„Sie haben noch gar nichts gesehen. Die Kingsleys kümmern sich gut um ihre Leute.“ Sie fuhren auf einen zugewiesenen Parkplatz und stiegen aus dem Wagen.

Das werde ich im Hinterkopf behalten.

Kathleen nahm ihre Sachen und folgte Van in das Gebäude. Ein großer Hispanoamerikaner in Jeans und weißem Button-down-Hemd mit dem Monogramm von Kingsley Oil and Gas über der linken Brusttasche begrüßte sie. „Guten Morgen, Miss Winston. Ich bin Paz Villarreal, Betriebsleiter.“ Er reichte ihr die Hand.

„Freut mich, Sie kennenzulernen.“

„Van. Ich übernehme. Sie können zurück auf Ihren Posten gehen.“

„Danke, Van, dass Sie mich hierhergebracht haben“, sagte Kathleen.

„Sehr gern, Ma’am.“

„Darf ich Ihnen mit Ihrer Tasche helfen?“, bot Paz an.

„Nein, danke. Das geht schon. Wir sind auf dem Weg hierher an Ihrem Schulungszentrum vorbeigekommen. Werde ich nicht dort arbeiten?“

„Später.“ Sie gingen zum Fahrstuhl und fuhren in den fünften Stock. Der Betriebsleiter führte Kathleen einen langen Flur mit Büros auf jeder Seite hinunter. Am Ende des Flurs standen sie vor einer Tür mit einem Schild, auf dem Operations Administration stand. Paz öffnete die Tür, trat zur Seite und ließ Kathleen eintreten.

Es war ganz und gar nicht das, was sie erwartet hatte. Im Empfangsbereich standen zwei Ledersofas mit niedriger Rückenlehne an der linken und rechten Wand, über denen gerahmte Baupläne der Anlage hingen. Ein teurer Perserteppich bedeckte den Boden, und ein langes Aquarium füllte die Rückwand.

„Sehr schön.“

Paz lachte. „Sie haben noch gar nichts gesehen. Folgen Sie mir, bitte.“ Er führte sie zu einer Tür in der Ecke.

Kathleen zog die Stirn kraus. „Keine Empfangsdame?“

„Nicht nötig. Ohne Begleitung kommen Sie nicht hier hinauf, es sei denn, Sie sind ein Mitarbeiter oder ein Kingsley.“ Er führte sie durch die Tür.

Zeit, an die Arbeit zu gehen.

„Sind sie oft hier … die Kingsleys?“ Sie lächelte ihn an.

„Sicher.“

„Wie eng sind sie mit dem Personal verbunden? Ich meine, verbringen sie viel Zeit mit den Angestellten? Was machen sie, wenn sie hier sind?“

Paz sah Kathleen an, als würde sie in einer fremden Sprache sprechen und er kein Wort von dem verstehen, was sie sagte. „Sie arbeiten, wie der Rest von uns auch“, erwiderte er und runzelte die Stirn.

Sie gingen einen weiteren Korridor entlang, vorbei an weiteren Büros, bis sie zu den großen Doppeltüren am Ende des Flurs kamen. „Sie können hier drin warten, Mr. Jones wird gleich bei Ihnen sein.“ Paz öffnete die Tür, und Kathleen trat ein, blieb aber stehen, bevor sie mehr als einen Fuß in den Raum setzen konnte.

„Schon zurück, Adrian?“, sagte eine Baritonstimme, die Kathleen einen ungewohnten Schauer über den Rücken jagte. Sie kam von einem Mann mit dunklem Teint, kurzem Haarschnitt und einem ziemlich attraktiven Dreitagebart. Er trug Jeans und hatte die langen Beine auf den Schreibtisch gelegt, und er las in etwas, das ein Bericht zu sein schien. Als er den Kopf hob und Kathleen dem Blick aus den haselnussbraunen Augen begegnete, hatte sie plötzlich eine trockene Kehle. Sie blinzelte schnell. Das kurzärmelige weiße Hemd, das er trug und auf dessen Brusttasche das Firmenlog prangte, betonte seine breite Brust und die kräftigen Arme.

„Oh, Mann“, flüsterte sie vor sich hin. Kathleen hatte schon viele gut aussehende Männer gesehen, aber dieser Mann war anders als alle anderen. Dieser attraktive Gentleman sah aus wie jemand aus einem der alten Schwarz-Weiß-Western, die sie und ihre Mutter immer so gern zusammen angeschaut hatten. Ihre Mutter pflegte zu sagen: „So sieht ein richtiger Mann aus, Darling.“ Heute sah sie zum ersten Mal einen in natura, und der Gedanke zauberte ein Lächeln auf Kathleens Gesicht.

Morgan ließ seine Papiere langsam auf den Schreibtisch sinken, stellte die Füße auf den Boden und stand auf. Er hatte das Gefühl, als würde sich sein ganzer Körper in Zeitlupe bewegen. Morgan hatte schon viele schöne Frauen gesehen, aber dieses exquisite Geschöpf, das jetzt vor ihm stand, war anders. Ihr herzförmiges Gesicht mit der makellosen Haut war weitgehend ungeschminkt. Sie war etwa einen Kopf kleiner als Morgan, ihr Lächeln war angedeutet, aber umwerfend, und auch wenn sie versuchte, ihren perfekt geformten Körper hinter konservativer Kleidung zu verstecken, konnte Morgan sehen, dass sie Kurven an den richtigen Stellen hatte. Sein Körper reagierte sofort. Etwas, was ihm beim bloßen Anblick einer Frau sonst nie passierte.

Verdammt!

Paz trat vor. „Das ist Kathleen Winston. Kathleen, das ist …“

Er hob die linke Hand und winkte ab. Morgan hatte nichts weiter gehört als ihren Namen. Ihm war warm geworden, er konnte sich nicht konzentrieren, und er verspürte ein plötzliches Verlangen, sie zu berühren. Er hatte schon davon gehört, dass so etwas passierte, aber bisher hatte er es nur im Leben seiner Brüder beobachtet.

Morgan riss sich zusammen. „Sie müssen die Ausbilderin von der OSHA sein.“ Morgan reichte ihr die Hand. „Ich bin …“

„Ja“, unterbrach Kathleen und gab ihm die Hand.

Morgan schüttelte sie und hatte das Gefühl, als würden Funken sprühen.

Reiß dich zusammen!

„Entschuldigen Sie meine rauen Hände.“

Kathleen lächelte und schickte damit einen weiteren Funken durch seinen Körper. Ihr süßer Duft betörte seine Sinne. „Kein Problem.“ Sie zog ihre Hand zurück.

„Darf ich?“ Sie deutete auf einen der zwei großen Ledersessel vor dem Mahagonischreibtisch.

„Bitte.“

Morgan setzte sich wieder auf seinen Stuhl und beobachtete, wie Kathleen schnell vier mittelgroße Ordner aus ihrer Tasche holte und auf den Schreibtisch legte. Er würde sich anhören, was sie zu sagen hatte, sie aber wieder fortschicken, sobald sie fertig war. Diese umwerfend schöne Frau konnte seine Männer auf keinen Fall schulen. Sie würden sich nicht konzentrieren können. Er selbst konnte es jedenfalls nicht.

Kathleen holte noch ihr Tablet aus der Tasche und schaltete es ein. Sie reichte Morgan einen Ordner „Ich habe mir erlaubt, auf einige Mängel in Ihrem Ausbildungsprogramm hinzuweisen.“

„Mängel?“ Morgan schlug verärgert den Ordner auf. „Das ist sehr anmaßend von Ihnen, wenn man bedenkt, dass der Staat unser Material als Teil seines Schulungsprogramms benutzt.“

„Es ist mein Job, dafür zu sorgen, dass alle Sicherheitsmaßnahmen eingehalten werden, egal wessen Name auf dem Gebäude steht.“

„Ich …“

„Hören Sie. Ich bin sicher, Sie sind der Familie Kingsley gegenüber loyal.“

„Sie haben keine Ahnung“, erwiderte Morgan.

„Aber es gibt Dinge, bei denen Loyalität keine Rolle spielt.“

In diesem Moment wurde Morgan klar, dass sie keine Ahnung hatte, mit wem sie sprach. Er erinnerte sich, dass sie ihren Vortrag begonnen hatte, bevor er die Gelegenheit gehabt hatte, sich vorzustellen.

Sie ist arrogant und eine weitere Besserwisserin, wenn es um meine Familie geht.

„Für mich und meine Familie ist Loyalität alles.“

„Hier geht es nicht um Sie oder Ihre Familie. Bei der Verbesserung Ihrer Sicherheitssysteme geht es darum, die Mitarbeiter zu schützen. Soll ich fortfahren?“ Kathleen zog die Augenbrauen hoch.

Das Mädchen hat Mumm.

Die Art, wie sie ihn durchdringend ansah, brachte Morgan völlig durcheinander. Er kreuzte die Arme über seiner Brust und nickte. „Bitte.“

4. KAPITEL

Morgan lehnte sich zurück und beobachtete Kathleen, die ihren Vortrag hielt, während er durch die Seiten ihres Ordners blätterte. Es fiel ihm schwer, sich auf ihre Worte zu konzentrieren, ihre grün-goldenen Augen und ihre sinnlichen Lippen lenkten ihn einfach zu sehr ab.

„Moment, haben Sie gerade gesagt, wir müssten von unserem computerbasierten Schulungsprogramm auf ein gruppenorientiertes, interaktives Programm umstellen?“ Das wird nicht passieren. „Die Industrie, ja, die ganze Welt, wird immer digitaler, und Sie wollen, dass wir einen Schritt zurückgehen?“

„Ja, Statistiken zeigen, dass Menschen in einer Arbeitsgruppe, wie ich sie empfehle, besser reagieren. Sie lernen von Gleichgesinnten, und die Beziehungen zwischen den Mitarbeitern werden gestärkt.“

„Mein Team arbeitet bereits gut zusammen. Meine Leute brauchen keine Wohlfühlveranstaltung, damit sie ihre Arbeit besser machen.“ Er klappte die Mappe zu. „Halten Sie sich an die Updates der Rechtsvorschriften, und ich sorge dafür, dass unsere Systeme auf der Grundlage dieser Änderungen auf den neuesten Stand gebracht werden.“

Kathleen hob das Kinn und hielt seinem Blick stand. „Ich weiß Ihre Meinung zwar zu schätzen, aber sie zählt nicht.“

„Was haben wir denn hier?“, fragte Victoria, als sie mit Adrian im Schlepptau das Büro betrat. Sie legte ihren Helm wieder auf den Schreibtisch.

Morgan und Kathleen erhoben sich. „Victoria Kingsley, Kathleen Winston, die Referentin, die die OSHA geschickt hat“, stellte Morgan sie vor.

Victoria streckte die Hand aus. „Freut mich, Sie kennenzulernen, und willkommen bei Kingsley Oil and Gas. Ich gehe davon aus, die Dinge laufen gut.“

„Nicht ganz“, stellte Morgan fest.

Leider. Dank dieses großen, gut aussehenden Mannes, der einfach viel zu sexy ist.

„Miss Winston scheint der Meinung zu sein, dass wir unser bewährtes computergestütztes Training zu Gunsten ihres interaktiven Programms aufgeben sollen“, erklärte Morgan. Sein Kiefer spannte sich an.

Kathleen starrte Morgan an, bevor sie sich Victoria zuwandte. „Es ist nicht mein Programm, und ich habe nicht vorgeschlagen, dass Sie ihr computergestütztes Training ganz aufgeben – sondern es nur ein bisschen anpassen.“

„Ein bisschen.“ Morgan deutete auf die Ordner auf seinem Schreibtisch. „In Ihrer unnötig langen, wenn auch gut zusammengestellten Präsentation empfehlen Sie, dass wir unser Programm um fünfzig Prozent kürzen.“

„Und es durch eine produktivere Schulungsmethode ersetzen“, konterte sie.

„Das sagen Sie.“ Morgan verschränkte die Arme.

„Sagen mehrere Experten. Woher wissen Sie das eigentlich? Wir sind noch gar nicht bei dem Abschnitt angelangt.“ Kathleen brachte ihre Verärgerung deutlich zum Ausdruck. Sie fand, dass dieser traumhaft gut aussehende Mitarbeiter sich wie ein bockiges Kind benahm.

Ich wette, du stampfst auch mit den Füßen auf und hältst die Luft an, wenn eine Frau nicht auf Kommando auf die Knie geht.

„Ich bin gut im Multitasking und achte auf Details.“

Wieder jagte ein warmer Schauer durch ihren Körper. „Das kann ich mir vorstellen“, murmelte sie.

Victoria lachte, als sie nach ihrem surrenden Telefon griff. „Nun, ich sehe, du hast alles unter Kontrolle, mein Sohn.“ Sie begann, ihre eingehende SMS zu lesen.

„Sohn?“ Kathleen zog die Stirn kraus. Sie war sichtlich schockiert. „Ich dachte, Sie sind der Betriebsleiter.“

„Nein, das bin ich“, sagte der andere Mann und hob die rechte Hand.

Victoria stemmte die Hände in die Hüften. „Morgan Kingsley, hast du dich der jungen Dame nicht richtig vorgestellt?“

„Ich habe es versucht, aber sie hat direkt mit ihrer Präsentation begonnen. Ich glaube, sie war ein wenig überwältigt.“ Morgan grinste.

Kathleen zog eine Augenbraue hoch. „Genau wie Sie“, gab sie zurück, bevor sie sich zurückhalten konnte.

„Touché“, bestätigte Morgan.

„Es reicht.“ Victoria nahm ihre Tasche und ihren Helm. „Ich muss zurück nach Houston.“

„Ich begleite dich nach draußen, Mutter.“

„Nein, das macht Adrian. Du und Miss Winston, ihr macht euch an die Arbeit.“ Victoria drehte sich zu Kathleen. „Ich weiß Ihren Input zwar zu schätzen, und wir werden Ihre Empfehlungen berücksichtigen, aber wir werden weiterhin das tun, was wir für das Beste für unser Unternehmen halten. Wenn Sie das nicht akzeptieren können, muss ich mein Angebot, Ihre Anwesenheit in meinem Werk zuzulassen, leider zurückziehen.“ Ohne ein weiteres Wort verließ sie das Büro.

Gut gemacht, Kathleen – fast wärst du rausgeflogen, bevor du überhaupt angefangen hast.

„Nun, ich denke, das wär’s so weit.“ Kathleen nahm ihre Tasche. „Ich werde mich auf die gesetzlichen Veränderungen konzentrieren, wie Sie es gewünscht haben, Mr. Kingsley.“

„Nennen Sie mich bitte Morgan. Und wenn Sie möchten, können Sie bei der Schulung gern Ihre interaktive Methode anwenden. Wenn das Team der Idee gegenüber aufgeschlossen ist, werde ich in Erwägung ziehen, Ihre Methode in unsere Programme zu integrieren.“

Kathleen schenkte ihm ein kleines Lächeln. „War das jetzt so schwer?“

„Überhaupt nicht. Ich kann ein vernünftiger Mann sein, wenn ich es will, Miss Winston.“

„Ich denke, wir werden herausfinden, wie vernünftig Sie sind, wenn Sie meine Schulung besuchen. Und bitte, nennen Sie mich Kathleen.“

„Gern, Kathleen, aber damit Sie es wissen, ich habe nicht die Absicht, Ihre Schulung zu besuchen“, stellte er sachlich fest.

Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Warum? Haben Sie Angst, Sie könnten feststellen, dass meine Methode besser ist als Ihr Programm?“

„Ganz und gar nicht.“ Sein Gesicht war ausdruckslos. Er hielt ihrem Blick stand.

Kathleen senkte den Blick und griff nach ihrem Rollkoffer. „Soll ich anfangen?“

„Unbedingt.“ Morgan kam um den Schreibtisch herum und wollte ihren Seminarkoffer nehmen.

„Ich nehme ihn“, sagte sie.

„Ich bestehe darauf“, erwiderte er und legte seine große Hand über ihre.

Kathleen verspürte ein Kribbeln im ganzen Körper und zog ihre Hand schnell zurück. Reiß dich zusammen! „Gut.“

„Und wenn ich etwas vorschlagen dürfte … Sie sind doch offen für Vorschläge, oder?“

Verärgert über seinen Sarkasmus, verdrehte Kathleen die Augen. „Ja, natürlich.“

„Sie sollten auf Ihr Parfum verzichten. Meine Männer könnten abgelenkt werden, und ich möchte, dass sie sich auf die Schulung konzentrieren und nicht auf die Referentin.“

Kathleen hob trotzig das Kinn. „Vielleicht sind Sie es, der ein Konzentrationsproblem hat. Ich habe heute nämlich gar kein Parfüm aufgelegt.“ Sie ging um ihn herum und zur Tür hinaus.

Kathleens erster Tag war nicht so schwierig, wie sie es sich vorgestellt hatte. Im Gegenteil. Selbst der erste Kurs, bei dem sie mit Gegenwind vor allem von den erfahrenen Mitarbeitern gerechnet hatte, verlief gut. Jeder schien offen für die Schulung zu sein, einige waren sogar begeistert von der Möglichkeit, neue Methoden auszuprobieren. Abgesehen von dem anfänglichen Problemchen im Büro an diesem Morgen, hatte sie einen guten Tag.

Kathleen kam aber immer noch nicht darüber hinweg, welche Wirkung Morgan Kingsley auf ihren Geist und ihren Körper hatte. Die Anziehungskraft, die er auf sie ausübte, war eine unerwartete Hürde, die sie noch überwinden musste. Das letzte Wort war über Morgan und seinen Betrieb noch nicht gesprochen worden!

Kathleen hatte nur begrenzten Zugang zu den Kingsley-Systemen, aber sie konnte das gesamte Schulungsprogramm einschließlich der archivierten Programme einsehen. Mr. Silva beschuldigte den neuen Chief Operating Officer, den COO, Änderungen an den Richtlinien vorgenommen zu haben, die die Mitarbeiter in Gefahr brächten.

Kathleen durchforstete alte und neue Schulungsunterlagen und fand einen entscheidenden Hinweis. Leider war es nicht das, was sie erwartet hatte. Das Belastende, das sie fand, richtete sich gegen einen berufserfahrenen Schweißer namens Mundos Silva. Kathleen konnte zwar nicht die Personalakte der Mitarbeiter einsehen, aber sie hatte Zugang zu ihren Schulungsunterlagen. Offenbar hatte Mr. Mundos Silva große Schwierigkeiten gehabt, die vorgeschriebenen Schulungen zu bestehen. Aus den Akten ging hervor, dass seine Vorgesetzten ihm in Bereichen, in denen er Schwierigkeiten hatte, Unterstützung angeboten hatten. Leider lehnte Mr. Silva diese Hilfe ab. Kathleen stellte fest, dass der externe Schulungsspezialist empfahl, Mr. Silva auf eine Position zurückzustufen, die seinen derzeitigen Fähigkeiten besser entsprach. Die Empfehlung und der Wechsel traten in Kraft, lange bevor es einen Wechsel in der Leitung gab.

„Verdammt“, sagte Kathleen, nachdem sie die letzte Notiz in seiner Akte gelesen hatte. Sie rief ihren Chef an.

„Kathleen, was gibt es?“, fragte Simpson.

„Ich habe etwas gefunden.“

„Was?“ Sie konnte die Besorgnis in seiner Stimme hören.

„Es geht nicht gegen die Kingsleys, sondern gegen Mr. Silva.“

„Erzählen Sie.“

Nachdem sie alles durchgegangen war, was sie bisher gefunden hatte, las sie die letzte Notiz in der Akte vor. „‚Mr. Silva ist ein geschätzter Mitarbeiter, dem wir im Sinne der Kingsley-Familienpolitik Bleib gesund! helfen sollten.‘“

„Was zum Teufel ist die ‚Bleib gesund!‘-Familienpolitik?“

„Offenbar hat jeder, der länger als fünf Jahre hier ist, Anspruch auf jede Art von Hilfe, die er im Falle einer Krise braucht, um gesund zu bleiben.“

„Was?“

„Ich habe gerade davon gehört. Die Kingsleys kümmern sich um ihre Angestellten. Es gibt sogar etwas für diejenigen, die weniger als fünf Jahre hier arbeiten“, fügte sie hinzu.

„Vielleicht können wir dort einen Job bekommen, wenn wir beide gefeuert sind. Es ist Zeit, nach Hause zu gehen, Kathleen.“

„Noch nicht. Ich muss sicher sein. Außerdem muss ich die Schulung und die Systemaktualisierung abschließen. Dann kann ich gehen, ohne dass jemand den wahren Grund meines Besuchs erfährt.“

„Schön, aber beeilen Sie sich“, sagte er und legte dann auf.

Kathleen hatte das Gefühl, dass Simpson recht hatte, aber aus Gründen, die sie nicht weiter verfolgen wollte, wusste sie einfach, dass sie noch ein wenig länger bleiben musste.

Wegen Morgan …

5. KAPITEL

Morgans Zusicherung, sich von Kathleen fernzuhalten, erwies sich als schwieriger als gedacht. Er verbrachte die nächsten zwei Wochen damit, alles nur Mögliche zu tun, um keine Zeit mit ihr allein zu verbringen. Wann immer sie sich ihm mit Fragen, Bedenken oder Kommentaren näherte, schien sein Gehirn abzuschalten und seinen Hormonen die Kontrolle zu überlassen.

Morgan war mit vielen schönen und willigen Frauen ausgegangen, aber keine von ihnen hatte eine solche Wirkung auf ihn gehabt wie Kathleen. Abgesehen von ihrer Schönheit war es die Leidenschaft für ihre Arbeit, die ihn faszinierte. Und die Art und Weise, wie sie ihn herausforderte, wenn sie glaubte, mit etwas recht zu haben.

Es war ein Montagnachmittag, als Morgan in der Cafeteria nicht weit entfernt von Kathleens Tisch saß. Sie unterhielt sich mit Troy, einem der älteren Schweißer. Die Art, wie sie den Kopf zurückwarf, als sie über das lachte, was dieser zu ihr sagte, nervte ihn, und er hatte keine Ahnung warum.

„Ich bin überrascht, dass Kathleen noch keine Anzeige gegen dich erstattet hat“, sagte Adrian.

„Was?“ Morgan runzelte die Stirn und sah seinen Freund an.

„So wie du mit Blicken über sie herfällst.“

„Ich weiß nicht, wovon du sprichst.“

„Natürlich weißt du es. Frag Kathleen einfach, ob sie mit dir ausgeht“, schlug Adrian vor.

„Sei nicht albern. Erstens arbeitet Kathleen hier. Zweitens ist sie vielleicht verheiratet oder hat zumindest einen Partner. Drittens bin ich nicht …“

„Jetzt sag nicht, dass du nicht interessiert bist, denn ich weiß es besser.“

„Tatsächlich?“

„Wir sind seit über zehn Jahren befreundet, und ich merke, wenn jemand dein Interesse geweckt hat. In Anbetracht der harten Arbeit, die du diese letzten Wochen geleistet hast, würde ich sagen, Kathleen hat mehr als das geschafft.“

Allerdings! Sie macht mich verrückt.

Morgan räusperte sich. „Wie gesagt, sie arbeitet hier …“

„Sie arbeitet hier, aber sie ist keine Angestellte. Und was einen Ehemann oder Partner betrifft, so gibt es keinen.“

„Woher zum Teufel weißt du das?“

„Ist doch egal. Frag die Frau einfach, ob sie mit dir ausgeht. Und besuch mal einen ihrer Kurse. Du wärst überrascht, wie cool sie ist.“

Morgan zog die Augenbraue hoch. „Wäre ich das?“

„Ach, zum Teufel, vielleicht hat Kathleen lieber einen Mann, der sie so zum Lachen bringt wie Troy.“

Morgan sah seinen Freund wütend an. „Wir sollten uns wieder an die Arbeit machen. Diese Container reinigen sich nicht von allein.“ Er stand auf und entsorgte seinen Müll. Adrian hatte recht. Er musste ständig an Kathleen denken, aber er wusste auch, dass er seine Gefühle für sie unter Kontrolle bringen musste, bevor er etwas unternahm. Es war an der Zeit, mit einem seiner Brüder zu sprechen, und er wusste auch, welcher am besten dafür geeignet war.

Morgan stand in dem top eingerichteten Wohnzimmer seines jüngeren Bruders und nahm lächelnd das Bier, das Brice ihm reichte.

„Was führt dich zu mir? Du warst so geheimnisvoll am Telefon.“

Morgan stellte seine Flasche auf den Couchtisch und atmete tief durch. „Da ist diese Frau …“

„Wow … Moment. Du bist wegen einer Frau zu mir gekommen?“ Brice klatschte in die Hände und lachte. „Wer ist diese Frau, die in Morgan Kingsley, dem König der Junggesellen, Mister Keine-Frau-ist-das-Drama-wert, endlich Gefühle geweckt hat?“

„Ihr Name ist Kathleen Winston …“

„Die Referentin von der OSHA?“ Brice runzelte die Stirn.

„Genau die.“

„Verdammt, Mann, sie ist gerade erst angekommen, und du hast schon …“

„Nein, habe ich nicht.“ Morgan stand auf und lief durch den Raum. „Ich habe nichts getan, und das ist das Problem.“

„Ich verstehe nicht.“

Morgan stieß einen hörbaren Seufzer aus. „Ich auch nicht, deshalb bin ich hier. Also, was soll ich tun?“

„In Bezug auf was?“

„Männer …“, war eine sanfte Stimme zu hören. Brooke betrat das Wohnzimmer und gab ihrem Mann einen Kuss. „Ich habe euch gehört.“

Brice lachte. „Du hast gelauscht?“

„Ja. Es ist selten, dass Morgan jemanden um Hilfe bittet, und ich wusste, dass es so spät nicht ums Geschäft gehen kann. Ich liebe dich, mein Schatz, aber ich weiß, dass du mir nichts erzählen wirst, also dachte ich, ich finde besser selbst heraus, was los ist.“

Der Austausch zwischen seinem Bruder und seiner Schwägerin war zwar süß, half ihm im Moment aber nicht weiter. „Ich sollte wohl gehen“, sagte Morgan und bewegte sich in Richtung Tür.

„Du wirst nichts dergleichen tun. Setzt euch … beide.“ Brooke setzte sich auf den Sessel neben Morgan. Sie wandte sich ihm zu. „Mal sehen, ob ich das richtig verstanden habe. Du hast Gefühle für die Referentin von der OSHA. Du bist nicht sicher, ob du ihnen nachgeben sollst, aber du weißt auch nicht, ob du sie ignorieren kannst. Ist das im Wesentlichen die Situation?“

Morgan grinste. „Das trifft es ungefähr.“

„Du hattest doch nie Probleme, mit einer Frau zu reden. Vermutlich ist sie wunderschön.“

„Atemberaubend schön“, bestätigte Morgan.

„Wie all deine Dates. Was macht diese Frau hier so besonders?“ Brooke zog die Augenbrauen zusammen.

„Sie ist so viel mehr als nur schön. Sie ist stark, und sie lässt sich weder von mir noch von den anderen Raubeinen in der Fabrik etwas gefallen. Und sie ist klug. Sie hat einen tadellosen Lebenslauf und kennt sich im Öl- und Gasgeschäft bestens aus. Das ist vermutlich der Grund, weshalb jeder sie zu respektieren scheint.“

„Wow. Ich war mir nicht sicher, ob ich diesen Tag noch erleben würde“, sagte Brice.

„Ich schon.“ Brooke lächelte.

„Wovon redet ihr?“ Morgans Frust über sich selbst und seine Familie wuchs. Er brauchte Antworten.

„Du bist dabei, dich zu verlieben“, stellte Brice fest.

„Ich würde sagen, er hat sich bereits verliebt“, korrigierte Brooke.

„Nein … das habe ich nicht. Verdammt, ich kann nicht einmal mit ihr reden.“

„Das wissen wir“, antworteten die beiden unisono.

„Morgan, frag sie einfach, ob sie mit dir ausgeht. Ich wette, du stellst fest, dass sie auch in dich verliebt ist.“

„Zuerst dachte ich, es könnte so sein. Bis sie herausfand, wer ich bin.“

„Was meint du damit?“ Brooke zog die Stirn kraus.

Nachdem Morgan von seiner ersten Begegnung mit Kathleen berichtet hatte, fügte er hinzu: „Seit dem Tag ist alles nur noch rein professionell.“

Brooke erhob sich, und Morgan und Brice taten es ihr nach. „Du bist ein kluger Kerl und hast ein gutes Herz. Zeig ihr diese Seite von dir. Überwinde deine Angst, und überlege dir einen cleveren Weg, sie um ein Date zu bitten. Das Leben ist zu kurz, um es zu verpassen …“, Brooke sah kurz zu ihrem Mann, bevor sie wieder Morgan ansah, „… oder vor jeder Gelegenheit davonzulaufen, die dein Leben verändern und dir unermessliches Glück bringen könnte.“

Morgan umarmte Brooke. „Danke. Mein Bruder ist ein Glückspilz.“

„Wir haben beide Glück.“ Brooke küsste Brice, dann zog sie sich zurück.

„Sie hat recht.“

„Das weiß ich, aber ich weiß immer noch nicht, was ich tun soll.“

„Du könntest damit beginnen, dich unvoreingenommen dafür zu interessieren, was ihr Schulungsprogramm zu bieten hat.“

Morgan starrte Brice an. „Ich soll ihre gefühlsduselige Schulung mitmachen, um genau was zu tun? Um sie dazu zu bringen, mich zu mögen … mit mir auszugehen?“

„Wenn es das ist, was du willst? Ist es das, was du willst?“

Morgan starrte seinen Bruder an, schwieg aber, als sich sein Körper regte und damit sehr deutlich seine Meinung kundtat. „Danke, Mann. Ich gehe jetzt.“

„Immer wieder gern.“

Morgan verließ das Haus und dachte über die Antwort auf die Frage seines Bruders nach. Er wusste, was er wollte. Und er wusste, was er tun musste, um es zu bekommen.

Kathleen saß geduscht und mit einem langen Nachthemd bekleidet auf dem Kingsizebett in ihrem Hotelzimmer in Port Arthur. Der ganze Raum war nur halb so groß wie ihr Schlafzimmer zu Hause, aber das machte Kathleen nichts aus. Im Gegensatz zu ihren Geschwistern badete sie nicht in ihrem Wohlstand. Obwohl, ein Laster hatte sie: Sie sammelte Kunst, insbesondere Antiquitäten.

Ihr Handy klingelte, sie sah auf das Display und erstarrte. Morgan Kingsley. Kathleen war sich nicht sicher, ob sie den Anruf annehmen oder an die Mailbox weiterleiten sollte, aber bevor sie sich entscheiden konnte, hörte das Klingeln auf. Ein Gefühl der Enttäuschung überkam sie, bis ihr Telefon piepte und sie auf eine eingegangene Nachricht aufmerksam machte. Ihre Enttäuschung wich schnell einer Mischung aus Aufregung und Angst. Kathleen atmete tief aus und spielte die Nachricht ab.

„Guten Abend, Miss Winston. Hier spricht Morgan Kingsley. Verzeihen Sie die Störung, aber ich wollte Ihnen sagen, dass ich morgen früh an Ihrer Schulungseinheit teilnehmen werde. Bis morgen, also.“

Morgans sanfte Baritonstimme schickte ein warmes Gefühl durch ihren Körper. Kathleen spielte die Nachricht mehrmals ab, nicht...

Autor

Martha Kennerson
Mehr erfahren
Joy Avery
Mehr erfahren
Zuri Day
Mehr erfahren