Dirty Sexy Player - Du wirst mir gehören!

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Ich darf sie nicht begehren.

Es ist doch nur ein eiskalter Deal: Ein Weg für sie, ihr Erbe zu bekommen und für mich, endlich die Karriereleiter emporzuklettern.

Ich mag sie noch nicht einmal.

Ich sollte mich nicht in Tagträumen verlieren, was sie unter den strengen Kostümen trägt. Oder sie mir gleich ganz nackt vorstellen, heiß, verschwitzt, in meinem Bett. Oder mich fragen, ob sie genauso leidenschaftlich küsst, wie sie kämpft.

Ich muss mich wirklich zusammenreißen: Ich darf mich nicht in sie verlieben, egal was passiert.

Ich muss sie nur heiraten!

»Provokant, aufregend und unvorhersehbar.«
Audrey Carlan, SPIEGEL-Bestsellerautorin von »Calendar Girl«


  • Erscheinungstag 14.05.2020
  • Bandnummer 1
  • ISBN / Artikelnummer 9783745751574
  • Seitenanzahl 304
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. Kapitel

Weston

»Netter Stein«, sagte ich und bewunderte den Diamantring, den Donovan vor mir auf die Tischplatte gelegt hatte. Ich nahm ihn und betrachtete ihn in der spärlich beleuchteten Lounge des Grand Havana Room, der nur für Mitglieder zugänglichen Zigarrenlounge, die wir oft besuchten, wenn wir uns trafen. Der riesige, von mehreren kleineren Diamanten umgebene Hauptstein hatte bestimmt vier Karat und saß in einer eleganten Platineinfassung. Ein ernsthafter Verlobungsring. Ich hätte auch nichts anderes erwartet von einem der erfolgreichsten Jung-Milliardäre der Welt.

Nur hatte ich nicht gewusst, dass Donovan liiert war.

Natürlich sahen wir uns nicht mehr so oft wie früher. Er leitete mit Cade unser Büro in Tokio, seit wir mit unserer Werbeagentur auf den japanischen Markt expandiert waren. Er schaffte es nur selten in die Staaten, und es war fast ein Jahr her, seit ich Donovan das letzte Mal gesehen hatte. Als er heute Abend unerwartet aufgetaucht war und Nate und mich gebeten hatte, ihn im Club zu treffen, waren wir davon ausgegangen, dass er uns etwas Wichtiges mitzuteilen hatte, allerdings etwas Geschäftliches.

Ein Verlobungsring war allerdings noch einmal ein anderes Kaliber in Sachen Bedeutung. Kein Wunder, dass er es uns persönlich mitteilen wollte.

»Wer ist denn die Glückliche?«, fragte ich und versuchte, nicht allzu gekränkt zu klingen, weil ich gerade erst davon erfuhr. Ein kurzer Blick zu Nate verriet mir, dass auch er zum ersten Mal davon hörte.

»Du stellst die falsche Frage«, sagte Donovan und biss das Endstück seiner Zigarre ab. »Sie muss lauten: Wer ist der Glückliche?«

Verwirrt hob ich eine Augenbraue. Aber nicht überrascht. Donovan war bekannt dafür, in Rätseln zu sprechen. Wenn er so weit war, würde er es schon auflösen. Bis dahin würde ich bei dem Spiel mitmachen.

»Okay.« Ich hielt den Ring ins Licht, um ihn funkeln zu sehen. »Wer ist der Glückliche?«

Donovan zündete seine Zigarre an und paffte ein paarmal, bevor er sie aus dem Mund nahm und antwortete: »Du.«

»Ach, Donovan. Das wäre doch nicht nötig gewesen.« In einer dramatischen Geste schlug ich mir die Hand an die Brust. »Soweit ich weiß, haben wir es uns nie gesagt, aber ich habe dich auch total gern. Trotzdem bin ich, glaube ich, nicht bereit hierfür.« Kopfschüttelnd gab ich ihm den Ring zurück.

Nate verbarg sein Grinsen, indem er einen Schluck von seinem Importbier trank.

»Sehr lustig.« Behutsam legte Donovan den Ring in die kleine Samtschatulle zurück. »Ich mache dir keinen Antrag, Weston, ich mache einen Antrag für dich. In deinem Namen.«

»Ach, wirklich jetzt?« Ich lächelte schief über seinen lahmen Witz. In meiner Jackentasche vibrierte das Handy. Ich fischte es heraus und las rasch die eingegangene Nachricht.

Ich muss dich unbedingt sehen.

Normalerweise war ich für telefonische Sex-Avancen immer zu haben, aber der Abend gehörte meinen Jungs. Ich löschte die Nachricht, ohne nachzuschauen, von wem sie stammte, schaltete das Handy aus und steckte es ein.

Ich richtete mein Augenmerk wieder auf Donovan. »Und wem machst du in meinem Namen einen Heiratsantrag?«

Er zog kräftig an seiner Zigarre, ehe er meine Frage beantwortete. »Ihr Name ist Elizabeth Dyson. Die Alleinerbin des Dyson-Imperiums. Fünfundzwanzig. Schön, gebildet, stilvoll – in jedem Fall eine passende Braut für dich. Eure Verbindung wird unsere Firma aufs nächste Level heben. Wenn du sie heiratest, wird Reach, Inc. die größte Werbeagentur in Europa sein.«

Alle Belustigung wich mir aus dem Gesicht. Er meinte es ernst. Donovan scherzte nie, wenn es ums Geschäft ging. Aber eine Heirat? »Du nimmst mich auf den Arm.«

»Nicht im Geringsten.«

Inzwischen bereute ich es, nicht auf den Absender geschaut zu haben, ehe ich die SMS gelöscht hatte. Ich hätte zu gern einen Vorwand gehabt, um verschwinden zu können.

Aber Donovan war gerade aus Japan zurückgekehrt, es war sein erster Abend in der Stadt, und ich hätte ihn ohnehin nicht sitzen lassen können. Außerdem kannte ich ihn in- und auswendig. Wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte man ihn nur schwer davon abbringen. Am klügsten war, ihm zuzuhören, den Schwachpunkt in seinem Plan zu entdecken und ihm einen Alternativvorschlag zu machen.

Falls diese Strategie keinen Erfolg zeitigte, würde ich ihm mitteilen, dass er mir den Buckel runterrutschen könne, und damit hätte sich die Sache erledigt.

Hoffentlich.

Donovan Kincaid mitzuteilen, dass er mir den Buckel runterrutschen könne, war schwieriger, als es theoretisch klang.

Wenn ich hierbleiben wollte, benötigte ich einen härteren Drink. Ich winkte nach dem Kellner. »Ich hätte gern einen Fireball Shot.« Nate stieß mich an. »Bringen Sie zwei.«

Dann wandte ich mich Donovan zu. »Jetzt erklär mal, worum es eigentlich geht.«

Er nahm einen Zug von seiner Zigarre. »Da gibt es nicht viel zu erklären. Dell Dyson, der Gründer, CEO und Hauptanteilseigner von Dyson Media – Frankreichs Version von Time Warner –, ist vor acht Monaten gestorben und hat seiner Tochter praktisch den ganzen Konzern hinterlassen. Allerdings hat er testamentarisch verfügt, dass sie ihr Erbe erst mit neunundzwanzig antreten darf – es sei denn, sie erfüllt eine bestimmte Bedingung.«

»Ah, ich glaube, ich weiß, worauf es hinausläuft«, sagte Nate und trank einen Schluck von seinem Bier.

Mir war es längst noch nicht klar. Ich wandte mich Nate zu und sah ihn fragend an. »Erklär es mir bitte. Ich kann euch nicht folgen.«

Er stellte seine Flasche ab und neigte den Kopf. »Daddy Dell war altmodisch. Sein Töchterchen erbt erst, wenn es unter der Haube ist.«

»Oh.« Jetzt verstand ich. Ich verzog das Gesicht. »Das ist fies.«

»Fies und frauenverachtend«, pflichtete Donovan mir bei, ohne besonders berührt zu klingen. »Am grundsätzlichen Arrangement ihres Vaters lässt sich nichts ändern. Aber wir können Elizabeth aus ihrer misslichen Lage heraushelfen. Und zwar auf eine Weise, die für uns äußerst vorteilhaft ist. Deshalb müssen wir unseren Fokus darauf richten, sie mit unserem Mann Weston King zu verheiraten …«

Ich setzte zu einem Protest an, aber Donovan hob die Hand, bedeutete mir zu schweigen. »Die Ehe wird nicht lange dauern – nach zwei bis drei Monaten sollte Elizabeths Erbanspruch durchgesetzt sein. Sobald das erledigt ist, wird sie die Fusion von Dysons Werbeabteilung mit Reach durchwinken, und wir werden die größte Agentur auf dem europäischen Markt sein.«

»Einfach so«, sagte ich skeptisch.

»Einfach so.« In Donovans Stimme schwang nicht der leiseste Zweifel mit.

»Und was führt dich zu der Annahme, dass diese Elizabeth das überhaupt möchte?«, fragte ich. »Ich meine, warum sollte sie jemandem – uns – Teile ihres Konzerns überlassen? Und wäre sie überhaupt an mir interessiert?« Eigentlich machte ich mir keine Sorgen über meine Wirkung aufs andere Geschlecht – im Gegenteil –, aber daran wollte ich Donovan jetzt nicht erinnern.

Natürlich hatte er auch auf diesen Einwand die passende Antwort. »Ich habe schon ein Vorgespräch geführt. Sie scheint nicht abgeneigt zu sein. Sie weiß noch nicht, wer ihr Bräutigam sein wird, nur dass ich einen äußerst geeigneten Kandidaten habe. Sie denkt darüber nach. Morgen Nachmittag setzen wir uns zu viert zusammen und besprechen die Einzelheiten. Ich habe schon alle deine Termine abgesagt.«

Gut, dass in dem Moment die Shots kamen. »Du meinst, ich soll bis morgen Nachmittag über all das nachgedacht und eine Entscheidung getroffen haben?«

»Oh, du entscheidest dich natürlich im Sinne der Firma, da mache ich mir keine Gedanken«, sagte Donovan im Brustton der Überzeugung.

Ich spülte den Fireball hinunter. Neigte den Kopf nach rechts und links, schüttelte mich. »Ich muss mal kurz überlegen.«

»Überleg, solange du willst.«

Eigentlich gab es nichts zu überlegen, doch es war ein Vorwand, um auf Donovans Kosten einen weiteren Drink ordern zu können.

Ich gab dem Kellner ein Zeichen, uns noch zwei Shots zu bringen. Dann lehnte ich mich auf dem bequemen Ledersofa zurück und rieb mir die Schläfen, gab vor, über Donovans Idee nachzudenken.

Offen gestanden war ich seit einer Weile irgendwie unzufrieden. Klar, ich genoss die Vorzüge meines Lebens – mein schickes Apartment in Midtown, mein ausschweifendes Sexleben, den Blick aus meinem Büro. Aber leider rückte mein neunundzwanzigster Geburtstag unaufhaltsam näher, und danach würde es im Eiltempo auf die dreißig zugehen. Dreißig! Und wenn es so weit war, was hätte ich dann vorzuweisen?

Okay. Ich war einer von fünf Anteilseignern von Reach, Inc., einer der erfolgreichsten Werbeagenturen der Welt, aber jedermann wusste, dass sie Donovans Baby war.

Was besaß ich, das wirklich meins war?

Vor einem Monat war ich so versessen darauf gewesen, in meinem Leben Ordnung zu schaffen, dass ich kurzentschlossen eine bestimmte Frau gebeten hatte, von L. A. nach New York zu ziehen. Es war nicht mein erster impulsiver Entschluss gewesen, besonders nicht hinsichtlich einer Frau – mit dieser hatte ich das ganze Wochenende splitterfasernackt verbracht –, doch es war der verzweifeltste.

Die Idee war fast genauso verrückt gewesen wie die, eine Fremde zu heiraten, um unsere Agentur voranzubringen.

Sabrina, die nackte Frau aus L. A., war in Harvard eine Kommilitonin von Donovan und mir gewesen. Ich hatte das Glück gehabt, ein magisches Wiedersehenswochenende mit ihr verbringen zu können. Sie hatte etwas an sich – eine Kombination aus ihrem verführerischen Lächeln, ihrem eleganten Auftreten und ihrem messerscharfen Verstand –, das eine Saite in mir zum Schwingen brachte. Neben dem geilen Sex hatten wir auch interessante, herzerwärmende Gespräche geführt und das wollte ich mir bewahren. Ich wollte, dass es mit Sabrina weiterging.

Und das wollte ich so sehr, dass ich Sabrina aufgefordert hatte, bei uns die Stelle der Direktorin im Bereich Marketingstrategie zu übernehmen. Wen kümmerte es, dass der Posten besetzt war?

Klugerweise hatte sie abgelehnt, aber nachdem sie nach Hause geflogen war und sich meine Hormone wieder beruhigt hatten, hatte ich dennoch einen Blick in ihren Lebenslauf geworfen. Wie sich herausstellte, war sie für die Stelle bei Reach hervorragend qualifiziert, und seitdem arbeitete ich daran, sie ganz offiziell zu uns nach New York zu holen.

Falls es mir gelang, sie davon zu überzeugen, den Job doch noch anzunehmen, wäre für mich eine richtige Beziehung mit ihr in Reichweite, wie ich mir hoffnungsvoll immer wieder sagte.

Ich hatte sogar Donovan in den Plan eingeweiht. Hatte er es vergessen?

»Ich möchte keine mir unbekannte Frau heiraten«, erklärte ich nun. »Ich möchte Sabrina Lund nach New York City lotsen und rausfinden, ob wir zusammenpassen oder nicht.«

»Sabrina Lind«, verbesserte Donovan mich.

»Habe ich etwas anderes gesagt?« Ich spürte allmählich die Wirkung des Alkohols.

»Dann lotst du sie eben her«, sagte Nate, ganz die Stimme der Vernunft. »Sie tritt den neuen Job an und lebt sich ein. Und nachdem deine Ehe mit Elizabeth Dyson nach einigen Monaten annulliert wird, kannst du mit Sabrina tun und lassen, was du willst.«

»Ich nehme an, das könnte funktionieren.« Trotzdem, ich war nicht scharf auf eine arrangierte Ehe.

»Falls Sabrina auch in Zukunft Interesse an dir hat«, brummte Donovan.

»Warum denn nicht?«, fragte ich.

»Das wird sie schon«, versicherte Nate mir. »Aber es ist schwierig, in eine neue Stadt zu ziehen, einen neuen Job anzutreten und eine neue Beziehung zu beginnen. Mach es schrittweise, gib ihr Zeit. Und unterdessen tust du der Firma diesen Gefallen.«

Ich verstand die unterschwellige Botschaft in seinen Worten. Sie lautete, dass ich der Firma ein bisschen mehr Engagement schuldete.

Wahrscheinlich machte ich mir zu viele Gedanken.

Ich stürzte den nächsten Fireball hinunter und überlegte, ob es noch einen anderen Grund geben könnte, warum Nate Sinclair sich auf Donovans Seite schlug. Normalerweise hielt er es nämlich wie die Schweizer: Er blieb immer neutral.

»Das sagst du nur, weil du nicht derjenige bist, der heiraten soll.« Ich sah Nate vorwurfsvoll an.

Er senkte den Blick. »Ich bin alt genug, um ihr Vater zu sein. Sie zu heiraten wäre nahezu peinlich.«

Ich richtete den Blick auf Donovan. Auch er trug nichts am Finger.

»Es würde nicht klappen«, sagte er rasch, meine Gedanken erratend. »Niemand würde mir abnehmen, dass ich heirate.«

»Da kann ich dir nicht widersprechen.« Ich war sein bester Freund und kannte ihn in- und auswendig. Ich wusste, dass er mit seiner Selbsteinschätzung recht hatte.

»Du bist der ideale Kandidat«, beharrte er.

»Auch da kann ich dir nicht widersprechen.« Ich grinste breit, zeigte ihm meine Grübchen, denn ich sah von uns dreien tatsächlich am besten aus. Meine Damenslip-Sammlung bewies es. Cade konnte mir durchaus Konkurrenz machen – Frauen schienen auf seine grüblerische Art zu stehen –, aber er war in Japan. Und Dylan Lockes charmanter britischer Akzent entfaltete nur außerhalb Großbritanniens Wirkung auf Frauen, und er verließ unser Londoner Büro so gut wie nie.

Ich war also nicht nur der ideale Kandidat – ich war der einzige Kandidat.

Aber ich würde es nicht tun. Es war verrückt. Total verrückt.

Ich strich mir mit der Hand übers Gesicht, fragte mich, wie lange ich Donovan noch in dem Glauben lassen sollte, dass er mich überreden könnte. Ihn auszuhorchen, ohne in die Falle zu tappen, war eine kitzelige Angelegenheit.

»Ist diese Elizabeth attraktiv?«, erkundigte ich mich also, meine Lippen betäubt vom hochprozentigen Alkohol.

»Wieso?«, fragte Donovan argwöhnisch.

»Na ja, wenn ich sie am Hals habe, könnte ich mit ihr natürlich auch … du weißt schon.«

»Eben hast du gesagt, du könntest sie nicht heiraten, weil du in Sabrina Lind die Liebe deines Lebens gefunden hättest …« Ich sah förmlich den Rauch aus Donovans Ohren wallen.

»Ich habe nicht gesagt, dass Sabrina die Liebe meines Lebens ist. Ich sagte, sie könnte die Liebe meines Lebens sein. Es ist zu früh, um das zu beurteilen.«

»So oder so«, schnaubte Donovan, »es wäre wahrscheinlich eine gute Idee, nicht mit deiner Verlobten zu schlafen.«

Ich wechselte einen Blick mit Nate.

Donovan beobachtete mich, während er über dem Aschenbecher die Asche von seiner Zigarre abklopfte. »Es mag unerfreulich klingen, aber so ist es nun mal«, fügte er hinzu.

Erneut wechselten Nate und ich einen Blick. Womöglich hatten wir eine weniger konventionelle Einstellung zu Sex als unser Geschäftspartner.

Korrektur – wir hatten auf jeden Fall eine weniger konventionelle Einstellung zu Sex. Vor allem Nate. Was ihn in meinen Augen zu einem Gott machte. Aber darum ging es nicht.

Worum es ging, war, dass gute Ideen ins Büro gehörten. Im Schlafzimmer hingegen bevorzugte ich Ideen, die nicht unbedingt als gut galten. Zumindest nicht im landläufigen Sinn.

Ich machte mir ohnehin nur einen Spaß mit Donovan. Ich brauchte keine arrangierte Ehe, um Sex zu haben und ganz bestimmt brauchte ich sie nicht, um der Firma etwas Gutes zu tun. Ich hatte Donovan lange genug zappeln lassen.

»Also, Bruder, das mag vielleicht der gerissenste und tollkühnste Plan sein, den du dir je ausgedacht hast.« Ich klopfte ihm auf die Schulter. Lob, wem Lob gebührt. »Aber ich werde diese Frau nicht heiraten. Das ist mir einfach zu verrückt.«

Donovan lehnte sich zurück, legte den Arm auf die Rückenlehne. Er wirkte völlig entspannt, nahm meine Entscheidung viel zu locker hin, und das bereitete mir Unbehagen. Er war es gewohnt, seinen Willen zu bekommen. Es missfiel ihm, wenn man ihm in seine Pläne hineinpfuschte. Dass er nicht wütend wurde, konnte nur heißen, dass er noch ein Ass im Ärmel hatte.

Was wiederum hieß, dass ich auf der Hut sein musste.

Leider konnte Donovan auch überaus geduldig sein. Deshalb würde ich trotz meines Argwohns warten müssen, bis er bereit war, seine Karten aufzudecken.

Ich schaute zu Nate hinüber, der nur mit den Schultern zuckte, ehe er den Blick eines Mannes auffing, der an der Bar stand.

»Entschuldigt mich«, sagte er. »Ich kenne den Mann. Ich muss ihm Hallo sagen.«

Ich zwinkerte ihm zu, denn es ließ sich nicht sagen, woher Nate ihn kannte – ob von seinen früheren illegalen Geschäften oder von seinen gegenwärtigen sexuellen Eskapaden. So oder so, wahrscheinlich war es eine gute Geschichte, und die würde ich gern hören.

Aber dazu würde es so bald nicht kommen, denn ich saß ja mit Donovan am Tisch und würde mir gleich irgendwelchen weiteren Unsinn anhören müssen, den er sich für mich ausgedacht hatte.

Doch bevor er loslegen konnte, ergriff ich schnell selbst das Wort. »Wie lange bleibst du in der Stadt, Donovan?«, fragte ich ihn.

»Das habe ich noch nicht entschieden. Einige Monate. Vielleicht länger. Cade hält fürs Erste die Stellung in Japan. Und du hast gemeint, du könntest Unterstützung gebrauchen. Nun, hier bin ich.«

»O-kay …« Das waren wichtige Neuigkeiten. Donovan und ich hatten seit Jahren nicht mehr in derselben Stadt gelebt. Seinen und meinen Eltern gehörte King-Kincaid Financial, und in unserer Jugend hatten wir so viel Zeit miteinander verbracht, dass wir praktisch Geschwister waren. Meine einzige Schwester war zehn Jahre jünger als ich, deshalb hatte ich mich vor allem mit Donovan zusammengetan. Er war vier Jahre älter als ich und derjenige gewesen, der mich als Mentor durch alle meine bedeutsamen Ersterlebnisse geführt hatte. Mein erster Alkohol, meine erste Zigarette, meine erste Verabredung, meine erste Firmengründung.

»Freut mich zu hören. Das hättest du mir früher sagen sollen. Ziehst du wieder in …«

»Ich streiche komplett deine Schulden bei mir«, unterbrach er mich.

Jetzt war es raus. Der Teil, bei dem mir die Kinnlade herunterklappte. Das Angebot, bei dem ich mich aufsetzen und zuhören würde.

»Die volle Summe?« Mein Herz pochte wie wild, und in meinen Ohren konnte ich das Blut rauschen hören.

»Die volle Summe. Erledigt.«

Meine Schulden auf einen Schlag getilgt.

Was für eine Wahnsinnserleichterung das sein würde.

Donovan war der Einzige, der wusste, dass ich nicht mein gesamtes eigenes Geld in die Gründung der Agentur gesteckt hatte. Nachdem ich fast die ganze Erbschaft meiner Großmutter dafür verwendet hatte, hatte ich mir den Rest des Startkapitals von ihm geborgt, einen beträchtlichen Betrag, den ich ihm von den Gewinnen, die wir seit der Firmengründung vor fünf Jahren erzielten, nach und nach zurückzahlte.

Ich schuldete ihm noch eine Million.

Selbst für ihn war es ein ziemlicher Batzen Geld, auf den er nun einfach verzichten wollte.

Die Ironie des Ganzen war, dass sich in meinem Treuhandfond inzwischen mehr als zwanzigmal so viel Geld akkumuliert hatte. Ich hätte ihm den Kredit schon vor Jahren zurückzahlen können. Wenn ich es gewollt hätte.

Und wieder war Donovan der Einzige, der wusste, warum ich mich nicht bei meinen privaten Finanzen bediente.

Und da Donovan mir damals bei der Gründung von Reach unter die Arme gegriffen hatte, war er zwangsläufig derjenige, der bei uns das Sagen hatte.

Es war einer der Gründe dafür, warum Reach, Inc. mehr sein Baby war als meines oder unseres.

Und es war der Grund dafür, warum ich mich meistens seinem Willen beugte, statt meinen eigenen Standpunkt durchzusetzen.

»Warum ist dir diese Fusion so wichtig?«, fragte ich, unsicher, was ich von seinem Angebot halten sollte. Es war nicht so, dass Donovan mich ständig an meine Schulden erinnerte. Und es war auch nicht so, dass er nicht großzügig wäre. Er würde, falls nötig, sein letztes Hemd für mich geben.

Aber er wusste auch, was Integrität bedeutete, und verstand, dass ich ein Selfmademan sein wollte. Und das respektierte er.

Und ich wiederum hatte einen riesigen Respekt für ihn, weil er nun doch mein Interesse an dieser Scheinehe geweckt hatte.

Wenn ihm die Sache so wichtig war, dann sollte ich ihm vielleicht wirklich zuhören. Denn andersherum würde auch ich mein letztes Hemd für Donovan geben.

»Nummer eins in Europa, Weston«, sagte er mit einem Funkeln in den Augen. »Reach gibt es erst seit fünf Jahren, und uns auf andere Weise zur europäischen Nummer eins zu machen würde ewig dauern. Der dortige Markt ist viel schwerer zu knacken als der hiesige.«

Ich hatte immer gewusst, dass Donovan ein wettkampforientierter Mensch war, aber das hier war noch einmal eine andere Nummer.

»Und du meinst, mit einer Scheinehe lässt sich das so einfach bewerkstelligen? Mit einem Schwindel?«

Verdammt. Ich konnte nicht glauben, dass ich die Sache tatsächlich in Betracht zog.

»Ganz genau. Ein netter kleiner Schwindel. Ihr macht euch unverzüglich ans Werk. Ihr würdet eine heftige Liebschaft vortäuschen und euch umgehend verloben. Die ganze Geschichte wäre nach vier, höchstens fünf Monaten vorüber. Aber der Nutzen für Reach würde ein Leben lang anhalten. Betrachte es als dein Vermächtnis, Weston.«

Ich trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Das ist komplett irre, Donovan. Komplett irre.«

»Du stehst doch auf irre Sachen«, sagte er und beugte sich zu mir vor. Er wusste genau, wie er mich anpacken musste.

Wie schaffte er das nur jedes Mal? Er war wirklich ein Genie. Wie ein Puppenspieler hielt er alle Fäden in der Hand, zog hier ein bisschen, dort ein bisschen, und willig tanzten alle nach seiner Pfeife, taten genau das, was er wollte. Nicht dass ich es ihm übel nahm. Im Gegenteil, ich bewunderte ihn dafür.

Außerdem war da noch diese eine Sache, die in meinem Leben fehlte.

Nicht dass eine Scheinehe etwas daran ändern würde. Aber vielleicht war der entscheidende Punkt ja ein ganz anderer: die Chance, ein Vermächtnis zu hinterlassen.

Und die Möglichkeit, Donovan etwas zurückzugeben, nach allem, was er für mich getan hatte – diesen Gedanken durfte ich nicht außer Acht lassen.

Außerdem wären meine Schulden getilgt. Und ich wäre mein eigener Herr.

»Ah, scheiß drauf. Ich habe sowieso nichts Besseres vor. Lass uns die Nummer eins in Europa werden.« Offen gestanden klangen die Worte ziemlich gut in meinen Ohren.

Donovans Mundwinkel hoben sich. »Ich wusste, dass auf dich Verlass ist.« Er griff in die Jackentasche, zog die Schatulle heraus und reichte sie mir. Dann nahm er zufrieden einen Schluck von seinem Drink.

Ich steckte die Schatulle in die Innentasche meines Sakkos. Das kleine eckige Behältnis fühlte sich an wie ein Bleigewicht an meiner Brust.

Ich fragte mich, wie schwer der Inhalt der Schatulle mir erst vorkommen würde, wenn er einmal an Elizabeth Dysons Finger steckte.

2. Kapitel

Elizabeth

Ich legte meine Sonnenbrille und meine Louis-Vuitton-Handtasche auf den Tisch im Eingangsbereich der Eigentumswohnung meiner Mutter und ging hinein. Da Juli war und die Sonne schien, wusste ich genau, wo ich sie finden würde – draußen auf dem großzügigen Balkon beim Sonnenbaden.

»Mom«, sagte ich, als ich zu ihr hinaustrat. »Weißt du, was Darrell als Nächstes vorhat?« Ich ließ die ausgedruckte Mail auf ihren Schoß herabsegeln. Dann ging ich zum Tisch, wo Marie Limonade serviert hatte, schenkte mir ein Glas ein und trank es in vier Schlucken aus.

Ich knallte das Glas auf den Tisch und wandte mich zu meiner Mutter um. Sie lag ausgestreckt auf ihrem Lounge-Sessel, frisch aufgetragenen schimmernden Nagellack auf den Fingernägeln. Jetzt arbeitete Marie an den Fußnägeln. Meine Mutter beachtete den Zettel auf ihrem Schoß nicht, was nicht verwunderlich war – der Text war auf Französisch, was meine Mutter nicht allzu gut beherrschte.

Ehrlich gesagt, hatte ich die Mail nur des dramatischen Effekts wegen ausgedruckt.

»Dir auch einen schönen guten Morgen, Darling«, sagte sie und hob das Kinn, um mir ihre Wange für einen Kuss darzubieten.

»Ich bin momentan zu aufgewühlt für den Austausch von Höflichkeiten«, erwiderte ich ungehalten. Aber Marie konnte nichts dafür. »Hallo, Marie, die Limonade schmeckt heute übrigens vorzüglich.«

»Vielen Dank«, sagte sie und schaute vom linken großen Zeh meiner Mutter auf. Oder vielmehr, sie schaute nun auf meine Füße.

»Ihre Schuhe sehen toll aus. Jimmy Choo?«

»Valentino. Ich habe sie zusammen mit diesem Hosenanzug gekauft. Ich glaube, sie sind …« Ich brach mitten im Satz ab – ich war nicht hier, um über Mode zu reden. Denn wenn ich einmal anfing, mit meiner Mutter und ihrer Assistentin über Klamotten zu reden, wäre ich für den Rest des Tages nicht mehr zu gebrauchen.

»Ist nicht so wichtig. Darrell …« Ich warf die Hände in die Luft. Ehrlich, der Neffe meines Vaters würde mich noch ins Grab bringen. Ich war erst fünfundzwanzig. Ich war noch nicht bereit, über den Tod nachzudenken.

»Setz dich, Darling. Sonst gerätst du noch ins Schwitzen. Dann erzählst du mir, was Darrell getan hat.« Mit einer Kopfbewegung deutete meine Mutter auf den Lounge-Sessel neben ihr.

Ich war zu wütend, um mich hinzusetzen, versuchte aber, meine Wut ein wenig zu zügeln.

»Er verkauft den Kinder-Sender. Den Kinder-Sender«, wiederholte ich, als weder meine Mutter noch Marie mit der von mir gewünschten Empörung reagierten. »Und das, nachdem er im letzten Quartal schon zwei Nachrichtensender …« Es war ein Satz, den zu Ende zu sprechen ich mich nicht überwinden konnte. »Wenn ich mit neunundzwanzig die Konzernleitung übernehme, wird von Dyson Media nichts mehr übrig sein!«

Meine Mutter blickte zu Marie, die mich aufmunternd anlächelte. »Es bedeutet vielleicht einfach nur, dass Sie sich um weniger Dinge werden kümmern müssen, wenn Sie Chefin sind«, versuchte die dunkelhaarige Assistentin, die inzwischen eher zur Familie als zum Personal gehörte, mich aufzubauen.

»Mich um weniger Dinge kümmern?« Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte.

Ich stapfte zum Tisch zurück und schenkte mir noch eine Limonade ein, wünschte, sie wäre mit einem Schuss Wodka versetzt. Diesmal nippte ich nur daran und rief mir die Worte meines Therapeuten ins Gedächtnis. Sie dürfen Ihre Stimmung nicht von äußeren Einflüssen abhängig machen. Sie selbst bestimmen, wie Sie sich fühlen. Ich wiederholte dieses Mantra einige Male, dann wandte ich mich wieder meinem Publikum zu.

»Der Konzern ist nur so gut wie die Summe seiner Teile«, erklärte ich so ruhig wie möglich. »Dyson Media ist alles zusammen. Darrell trennt ständig Teile davon ab und verkauft sie an den Höchstbietenden, weil er das Geld einsacken will, solange der Konzern noch ihm gehört. Das bedeutet, dass kaum noch etwas übrig sein wird, wenn ich das Ruder übernehme. Seht ihr das nicht? Bald wird es Dyson Media nicht mehr geben

Und hinzu kam: Wie in aller Welt sollte ich dann die Missetaten meines Vaters wiedergutmachen? Ich würde keine Macht besitzen, hätte keine Arbeitsgrundlage. Mein Cousin hätte sich mit meinem Erbe die Taschen vollgestopft, während ich nur noch den übrig gebliebenen Müll würde zusammenfegen können.

Ich erwartete nicht, dass die beiden mich verstanden. Meine Mutter interessierten geschäftliche Dinge nicht, und Marie hatte sie eingestellt, damit die ihr das Make-up auftrug und mit ihr shoppen ging.

Und im Shoppen war Marie richtig gut, das musste ich ihr lassen. Alles, was ich über Kleidung wusste, wusste ich von ihr. Und ich wusste eine Menge über Kleidung.

Aber gut auszusehen würde das Dyson-Imperium nicht retten. Und vier gottverdammte Jahre zu warten, bis ich Chefin werden würde, kam auch nicht infrage. »Ich muss die Sache regeln. Ich muss etwas Drastisches tun.«

»Aber was willst du denn machen, Darling? Dieser Anwalt hat doch gesagt, es sei aussichtslos, in Berufung zu gehen. Und Darrell wird dich nicht früher als nötig in den Konzern lassen. Aber eins sag ich dir«, meinte sie und beschattete ihre Augen mit der Hand, als sie zu mir aufschaute, »wäre dein Vater nicht bereits tot, ich würde ihn eigenhändig umbringen wegen der Bedingungen, die er an die Erbschaft geknüpft hat. Was für ein Arschloch. Sein einziges Kind so zu behandeln. Ich kann nicht glauben, dass ich so lange bei ihm geblieben bin.«

Sie hatte es zehn Jahre mit ihm ausgehalten. Ich war im zweiten Jahr ihrer Ehe zur Welt gekommen. Sie war nicht seine erste Frau gewesen, und es war nicht ganz klar, ob er damals, als er meine Mutter kennengelernt hatte, tatsächlich schon geschieden gewesen war. Nachdem er Mom verlassen hatte, hatte er noch ein drittes Mal geheiratet. Ich blieb aber sein einziges Kind. Eine Tochter. Vielleicht wäre er aufmerksamer, liebevoller und anwesender gewesen, wenn ich ein Junge geworden wäre.

Ich würde es nie erfahren.

Zumindest stand Mom seit der Scheidung finanziell bestens da. Sie hatte nach wie vor nicht arbeiten müssen und dennoch ihren gewohnten Lebensstil beibehalten können. Ich hatte ausgezeichnete Schulen besucht und von allem immer nur das Beste bekommen. Das beste Spielzeug. Die besten Autos. Mir hatte es an nichts gemangelt – außer an einem Vater.

Mit meinem prall gefüllten Bankkonto hätte ich eigentlich die Augen verschließen und Darrell gewähren lassen können. Ich brauchte Dyson Media nicht. Ich brauchte das Erbe meines Vaters nicht.

Andererseits brauchte ich es sehr wohl. Und zwar aus Gründen, die nur ich selbst verstand.

»Du hast recht. Ich kann nicht in Berufung gehen«, sagte ich. Ich hatte mich ausführlich von einem Anwalt beraten lassen, genau genommen von drei Anwälten, und herausgekommen war, dass es keine juristische Handhabe gab, um vor meinem neunundzwanzigsten Geburtstag mein Erbe antreten zu können. »Aber ich habe mir etwas einfallen lassen.«

»Und das wäre?«

Ich sah zu, wie sie das Schreiben mit den Handflächen hochhob, sorgsam darauf bedacht, es nicht mit den Fingernägeln zu berühren, und es auf den Lounge-Sessel, der neben ihrem stand, legte. Sie hatte wunderbar gebräunte Haut, mit einem leichten Hauch von Gold und Bronze – etwas, das ich von mir nicht behaupten konnte.

Mit meiner hellen Haut und den roten Haaren kam ich mehr nach meinem Vater. Mom war Italienerin und hatte einen entsprechenden mediterranen Teint und dazu blonde Haare. Wenn ich als Kind mit ihr zum Strand gegangen war, hatte sie den Sonnenschein förmlich aufgesaugt, während ich praktisch immer im Neoprenanzug hatte herumlaufen müssen, um mir keinen Sonnenbrand zu holen.

In vielerlei Hinsicht waren wir total gegensätzlich, deshalb zögerte ich jetzt und fragte mich, wie sie auf meinen Entschluss reagieren würde.

Als ich nichts sagte, schaute sie erwartungsvoll zu mir auf. »Darling?«

»Ich könnte heiraten.« Wir sprachen nicht zum ersten Mal darüber, deshalb kam es nicht aus heiterem Himmel.

»Aber du hast doch gesagt, es würde nicht funktionieren. Es gibt momentan keinen Mann in deinem Leben, und einen Fremden in die Sache zu verwickeln, wäre zu riskant. Wie könntest du einem fremden Mann vertrauen?«

Ich ging um den Tisch herum und setzte mich unter den Sonnenschirm in den Schatten.

»Ich habe ja auch Bedenken«, sagte ich zögerlich, »aber Donovan Kincaid ist mit einem Geschäftsvorschlag an mich herangetreten, der vielversprechend klingt.«

Offen gestanden war ich, als Donovan mich um ein erstes informelles Treffen gebeten hatte, davon ausgegangen, dass er es im Auftrag seines Vaters tat und mir einen ihrer Fonds andrehen wollte. Und als er mir dann einen ganz anderen Vorschlag unterbreitet hatte, wäre ich beinahe aufgestanden und gegangen.

Aber der Mann hatte etwas an sich, das mich fesselte. Etwas, das mich ansprach. Er war gerissen und manipulativ, aber auch brillant. Er sprach voller Leidenschaft von seiner Arbeit und den Dingen, die wir seiner Meinung nach gemeinsam erreichen könnten. Ich fühlte mich davon angezogen – nicht in sexueller Hinsicht, obgleich er ein überaus attraktiver Mann war. Es war eher, dass er mich an den Menschen erinnerte, der ich gern gewesen wäre.

Und vielleicht erinnerte er mich auch daran, wie mein Vater zu Lebzeiten hätte sein können, wenn er ein besserer Mensch gewesen wäre.

Als ich mich verabschiedete, sagte ich Donovan, dass ich es mir überlegen würde – obwohl ich eigentlich nicht vorhatte, eine Scheinehe einzugehen. Aber als ich heute Morgen erfahren hatte, dass Darrell den Kinder-Sender verkaufen wollte, hatte ich dann doch begonnen, ernsthaft über Donovans Angebot nachzudenken.

»Donovan Kincaid von King-Kincaid Financial?«, fragte meine Mutter. Offenbar schenkte sie gewissen geschäftlichen Dingen doch Beachtung oder befasste sich zumindest mit den Lifestyle-Seiten einschlägiger Magazine.

»Das ist sein Vater. Donovan besitzt eine Werbeagentur, und er hat mir vorgeschlagen, jemanden aus der Agentur zu heiraten. Es würde absolut echt aussehen, weil es ja echt wäre, und niemand würde mitkriegen, dass es sich um eine Scheinehe handelt.«

»Und was verlangt Mr. Kincaid als Gegenleistung?«, fragte meine Mutter und bedachte mich mit ihrem Schluss-mit-dem-Unsinn-Blick. Sie war eine Trophäenfrau gewesen. Sie kannte sich mit diesen Dingen aus.

Glaubte sie zumindest.

Die Frauen in unserer Familie hatten sich innerhalb einer Generation prächtig weiterentwickelt – mir stand als Geschäftskapital mehr als nur mein Körper zur Verfügung. »Er möchte, dass seine Agentur mit der Werbeabteilung von Dyson Media fusioniert. Es wäre kein großer Verlust für uns. Dyson ist in der Werbung nicht allzu präsent, sondern konzentriert sich vor allem auf das Fernsehgeschäft. Es wäre ein geringer Preis dafür, dass ich die Kontrolle über den Konzern erlange.«

Zumindest hoffte ich das. Ich wusste nicht allzu viel über Dysons Werbeabteilung.

Ehrlich gesagt wusste ich selbst über Dyson Media im Allgemeinen nicht besonders viel.

Ich war nämlich alles andere als eine Geschäftsfrau, um es einmal ganz klar auszudrücken.

Puh! Was tat ich hier eigentlich?

Es war nahezu albern, ich wollte zu schnell zu viel und hatte zu große Träume. Ich stand auf und trat ans Geländer, blickte auf die Straße hinunter.

»War eine dumme Idee«, sagte ich nun. All meine Zuversicht war mit einem Mal verflogen. »Ich bin heute Nachmittag mit Donovan verabredet. Nach unserem ersten Treffen wollte ich sein Angebot eigentlich ablehnen. Aber als ich erfuhr, was Darrell vorhat, dachte ich … keine Ahnung. Ich fand wohl, dass ich irgendetwas unternehmen müsste.«

Ich hörte, wie meine Mutter aufstand und zu mir herüberkam. Im nächsten Moment spürte ich ihre Hand an meiner Taille.

»Du dachtest, du müsstest etwas unternehmen, weil du theoretisch dazu in der Lage wärst«, sagte sie sanft.

Ich seufzte.

»Elizabeth, wenn dir Dyson Media wirklich so wichtig ist, dann solltest du alles tun, um dein Erbe früher antreten zu können. Tut mir leid, dass ich dir keine bessere Ratgeberin bin. Das wäre ich gern, glaub mir. Das Problem ist, dass du die Tochter deines Vaters bist.«

Ich zuckte zusammen.

»Jetzt sieh mich nicht so böse an. Du bist nun mal seine Tochter, und das ist gut so. Denn wenn du nur meine Tochter wärst, würdest du auf so eine Idee gar nicht kommen. Und ich finde es erstaunlich und wunderbar, dass du einen derart kühnen Schritt wagen willst. Dein Vater hätte es aber nicht so weit gebracht, wenn er Selbstzweifel gehabt und seine Ideen als Quatsch abgetan hätte. Und wenn du zu deinem Glück ein solches Risiko eingehen musst, dann tu es. Und falls der Vorschlag von Donovan Kincaid nicht der richtige ist, dann finde einen anderen Weg.«

»Meinst du das ernst?« Ich sah sie dankbar an, und mit einem Mal kam der Plan mir gar nicht mehr so dumm vor.

»Ja, ich meine es ernst. Sei selbstbewusst, wenn du dich mit Donovan Kincaid triffst. Zeig ihm, was du auf dem Kasten hast.« Sie drückte mich fest an sich, und im nächsten Moment rief sie aufgeregt: »Meine Nägel, meine Nägel!«

Sie ließ mich los und blickte prüfend auf ihre Hände. Genau in dem Moment schlug die große Standuhr im Apartment zur vollen Stunde.

»Ist es schon eins?« Ich schaute auf meine Armbanduhr. »Mist. Ich muss los, wenn ich um halb zwei in Midtown sein will. Das wird nichts mehr mit dem Lunch. Dank dir für deinen Rat, Mom, und dafür, dass du mir zugehört hast.« Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange, dann ging ich zu Marie hinüber.

»Im Kühlschrank liegen Hühnchensandwiches«, sagte sie und stand auf, um mich mit einer kurzen Umarmung zu verabschieden. »Nehmen Sie sich eins für unterwegs.«

»Danke. Mach ich.« Ich ging hinein.

»Elizabeth!«, rief meine Mutter mir nach und wartete, bis ich mich zu ihr umgedreht hatte, ehe sie fragte: »Wirst du also an deinem Plan festhalten?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Weiß ich noch nicht. Vielleicht. Ja. Wahrscheinlich. Ich habe den Bräutigam noch nicht kennengelernt. Falls es ein lahmer Typ ist, mache ich nicht mit. Es würde zwar nur eine Scheinehe sein, aber ich habe trotzdem gewisse Ansprüche. Es geht schließlich auch um meinen Ruf.«

»Vielleicht hast du Glück und es ist ein gut aussehender Kerl. Wäre doch nett, wenn es mal andersherum wäre und eine Frau sich einen schicken Trophäenmann zulegt!«

Ich lachte, hatte aber keine großen Erwartungen. Ich nahm mir ihren Rat aber zu Herzen. Falls Donovan Kincaids Plan eine echte Option sein sollte, dann durfte er nicht mitbekommen, dass ich mir meiner Sache alles andere als sicher war. Ich würde mich souverän und selbstbewusst geben müssen, so wie mein Vater es gemacht hätte. Ich musste den Herren bei Reach, Inc. zeigen, dass ich Mumm hatte.

Ich musste beweisen, dass ich bei einem solchen Meeting meinen Mann stehen konnte, dass ich mit meinen Gesprächspartnern auf Augenhöhe war.

3. Kapitel

Weston

»Weston, hör auf herumzurennen und setz dich!«, sagte Donovan beziehungsweise befahl er mir. »Du machst mich ganz kirre.«

Für ihn war es kein Problem, ruhig dazusitzen und seinen After-Lunch-Scotch zu genießen, denn im Gegensatz zu mir hatte er keinen üblen Kater, und in seiner Brusttasche steckte kein tonnenschwerer Verlobungsring.

Ich fuhr mir mit der Hand durchs Haar, ignorierte seine Aufforderung, mich aufs Sofa zu setzen. »Ich weiß nicht, wie du es geschafft hast, mich zu überreden. Hast du mir etwas in den Drink gekippt?« Drinks. Viele Drinks. Ich wusste gar nicht mehr, wie viel ich getrunken hatte.

»Als du eingewilligt hast, warst du noch ziemlich nüchtern, wenn ich mich recht erinnere.«

Ich blickte aus dem Fenster über die Stadt. Unsere Büroräume nahmen das gesamte oberste Stockwerk des King-Kincaid-Gebäudes ein, und die Aussicht war spektakulär. Wir hatten die Räume so gestalten lassen, dass alle Mitarbeiter bodentiefe Fenster hatten, doch die beste Aussicht gab es selbstredend in der Lounge, wo wir unsere Besucher empfingen.

Normalerweise fühlte ich mich machtvoll und selbstgewiss, wenn ich die kleinen beweglichen Punkte weit unten auf dem Bürgersteig betrachtete, aber heute war ich nur nervös und alles andere als selbstsicher; vor allem aber hatte ich derart miese Laune, dass ich die Passanten am liebsten vom Bürgersteig gefegt hätte wie wertlose Bauern auf einem Schachbrett.

»Genauso gut könnte Nate die Sache machen«, sagte ich und wandte mich zu Donovan um. »Zwanzig Jahre Altersunterschied … Das ist doch heutzutage kein Ding. Ist doch sowieso nur eine Scheinehe. Wen sollte es jucken?«

»Es ist wichtig, dass diese Ehe echt aussieht. Die Bosse bei Dyson Media werden ihre Macht nur ungern abgeben, deshalb müssen sie überzeugt sein, dass ihr beiden schwer verliebt seid, damit sie gar nicht erst auf die Idee kommen, eure Ehe zu hinterfragen. Nathan hat einfach nicht die Ausstrahlung eines Bräutigams.«

»Aber ich habe sie?«, fragte ich entnervt, als plötzlich die Eingangstür zur Lounge aufflog.

Wie aufs Stichwort platzte Nate herein.

»Gut, ich komme nicht zu spät.«

Doch, das tat er. Und die Dyson-Lady kam auch zu spät.

»Ich habe mit jemandem aus einem der Design-Teams über Grünschattierungen debattiert. Ich schwöre, die Hälfte der Leute, die wir eingestellt haben, ist farbenblind.«

»Du siehst großartig aus. Hast du nicht mal einen kleinen Kater?« Er hatte, wie ich wusste, am Vorabend genauso viel getrunken wie ich, und trotzdem sah er heute blendend aus. Wie machte er das nur?

Auf dem Weg zur Minibar blieb Nate stehen und schaute herüber, kräuselte die Stirn. »Ein Kater? Unsinn.« Als wäre es ein völlig abwegiger Gedanke. Als ob er noch nie im Leben einen Kater gehabt hätte.

Vielleicht war es ja tatsächlich so. Wenn ich es mir recht überlegte, hatte ich ihn noch nie verkatert gesehen.

Er war wirklich ein Übermensch.

»Hey, Nate, ich habe gerade zu Donovan gesagt, dass wir noch gar nicht richtig darüber nachgedacht haben, ob du nicht auch ein potenzieller Bräutigam wärst und ob …«

»Nein«, sagte er mit abschließender Endgültigkeit.

Donovan zuckte mit den Schultern, wie um zu sagen: Hast du etwas anderes erwartet?

»Das ist doch alles Bullshit. Warum muss ich derjenige sein, der dazu verdammt ist, sich …« Erneut wurde ich unterbrochen, als abermals die Tür aufging. Diesmal war es meine überaus reizende Assistentin Roxie, die der Frau hinter ihr bedeutete einzutreten.

Während die Fremde in die Lounge hereinstolzierte, nahm ich sie in Augenschein. Sie trug High Heels und einen eleganten Designer-Hosenanzug. Der königsblaue Farbton betonte ihren hellen Teint und passte perfekt zu ihren roten, natürlich gewellten langen Haaren. Der Anzug zeugte von einer kühlen Geschäftsattitüde, während der Wasserfallausschnitt, der ein klein wenig Dekolleté zeigte, ihr Erscheinungsbild etwas weicher machte. Das Outfit wirkte gleichermaßen businessmäßig und feminin.

Sie war ein echter Hingucker. Alles an ihr wirkte edel und teuer. Ihr Rücken war kerzengerade, den Kopf hielt sie hoch erhoben. Sie wusste sich zu präsentieren.

Sie war die Art von Frau, die sich die Welt Untertan machte.

»Meine Herren, Miss Elizabeth Dyson«, sagte Roxie mit ihrem ungarischen Akzent.

Donovan sprang auf, um sie zu begrüßen. Nate folgte flugs seinem Beispiel.

Und mir hatte es die Sprache verschlagen.

Im Ernst, mir fehlten die Worte, ich wusste nicht, was ich sagen sollte, war schlagartig verstummt, hatte keine Ahnung, ob ich jemals wieder würde sprechen können.

Die Sache war folgende: Ich war nicht wählerisch, wenn es darum ging, mit welchen Frauen ich ins Bett ging. Groß, klein, vollschlank, dünn. Blond, brünett. Ich mochte sie alle. Die Hautfarbe war mir egal, ebenso der religiöse Hintergrund. Launisch, sportlich: egal. Ich stand auf ältere Frauen genauso wie auf blutjunge Dinger. All diese Sachen spielten keine Rolle. Ich stand auf alle Frauen. Punkt.

Aber dennoch bevorzugte ich einen bestimmten Typ.

Intelligente Frauen.

Das war meine Schwäche. Wenn eine Frau intelligent war und dazu eine fantastische Figur hatte, war ich hin und weg. Sabrina Lind zum Beispiel. Sie war so eine Frau. Jede Menge Grips und dazu ein göttlicher Körper.

Und verdammt, Elizabeth Dyson fiel genau in diese Kategorie.

Sie hatte noch kein Wort gesagt, doch auch so wusste ich, dass sie zu den klügsten Frauen zählte, denen ich je begegnet war. So etwas erkannte ich aus einer Meile Entfernung. Ich hatte einen sechsten Sinn dafür. Es hing damit zusammen, wie sie sich gab; wie sie ihre Kleidung trug; wie sie ihre Haare trug; wie sie ihre Lippen bewegte. Wenn eine Frau etwas im Kopf hatte, sah man es ihr an allem an, was sie der Welt von sich preisgab.

Fuck, Elizabeth Dysons Intelligenz sprang mich förmlich an.

»Weston?« Der Klang von Donovans Stimme verriet mir, dass er mich schon ein paarmal angesprochen hatte, und ich ihn erst jetzt wahrnahm.

Ich schüttelte mich, trat vor und streckte ihr die Hand entgegen. »Hi, Weston King.«

»Das hat Donovan ja eben gesagt«, entgegnete Elizabeth Dyson kühl und schob ihre Hand in meine. Ihr Händedruck war so fest wie ihre Stimme, und sie wirkte ein wenig steif. Aber längst nicht so steif wie mein Schwanz gleich sein würde, falls ich ihn nicht im Zaum hielt.

Ich wich ihrem Blick aus, schaute an ihr vorbei, versuchte mich zu beruhigen.

»Freut mich, Sie kennenzulernen.« Sie bedachte uns alle mit einem kühlen Blick, der an keinem von uns länger hängen blieb. Das rief mir – glücklicherweise – ins Gedächtnis, dass dies eine abgekartete Sache war. Es würde kein Flirten geben, der Frauenheld in mir würde nicht in Aktion treten, wie Donovan am Vorabend betont hatte.

Aber verdammt noch mal, warum eigentlich nicht?

»Dann fangen wir doch einfach an, oder?« Donovan forderte uns mit einer Handbewegung dazu auf, uns zu setzen. Bei den meisten Meetings nahm er automatisch die dominierende Rolle ein, ohne es groß darauf anzulegen, und ich ging davon aus, dass es auch diesmal so sein würde.

Aber während wir auf die Sofas zustrebten, überraschte Elizabeth mich.

»Donovan, einen Moment bitte«, meinte sie, und obwohl er geschwiegen hatte, kam es mir vor, als ob sie ihn unterbrochen hätte. »Bestimmt haben Sie einiges zu sagen, aber ich würde gern als Erste das Wort ergreifen.«

Sie stand immer noch, deshalb wussten wir nicht, was wir tun sollten – ob wir uns hinsetzen oder ebenfalls stehen bleiben sollten. Die Höflichkeit gebot es zu warten, bis der Gast Platz genommen hatte, bevor auch wir uns setzten, und Elizabeth stand weiterhin wie eine Eins.

Diese Worte hätte ich nicht denken dürfen: wie eine Eins stehen. Böser Fehler von mir. Ich musste schnell an etwas denken, das das Gegenteil von sexy war. Zum Beispiel: Zombies, die Menschen in Stücke reißen und sie auffressen.

»Nur zu, setzen Sie sich doch bitte«, sagte sie zu uns und sah dabei vor allem Donovan an.

Und in dem Moment wurde es offenkundig. Sie hatte das Kommando übernommen. Sie hatte das Sagen.

Sie hatte Donovan übertrumpft.

Und irgendetwas daran fand ich unfassbar sexy. Ich versuchte wieder an Zombies zu denken.

Die Untoten reißen Donovan in Stücke.

Wir nahmen Platz. Alle. Einschließlich Elizabeth. Einschließlich Donovan.

Autor

Laurelin Paige
<p>Laurelin Paige ist New-York-Times-, Wall-Street-Journal und USA-Today-Bestsellerautorin. Sie liebt heiße Romances und hat bei jeder Kussszene ein Kribbeln im Bauch. Wenn sie nicht gerade liest oder sexy Geschichten schreibt, singt sie, guckt »Game of Thrones« und »The Walking Dead« oder träumt von Michael Fassbender.</p>
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