Gewagter Pakt mit dem griechischen Tycoon

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Vernunftehe - Fremdgehen erlaubt! Die warmherzige Letty schließt mit dem griechischen Tycoon Leo Romanos einen gewagten Pakt. Sie weiß, dass Leo sie nur als Betreuung für seine vier verwaisten Neffen und Nichten braucht. Im Gegenzug bewahrt er ihre Familie vor dem Ruin. Doch entgegen aller Vernunft verliebt Letty sich Hals über Kopf in den attraktiven Playboy. Und als er sie sinnlich verführt, scheint ihr Glück perfekt. Doch dann ertappt sie ihn mit einer anderen! Ihr Herz bricht, während sie sich verzweifelt fragt: Kann Leo niemals treu sein?
  • Erscheinungstag 06.02.2024
  • Bandnummer 2469
  • ISBN / Artikelnummer 9783963691768
  • Laufzeit 04:40:00
  • Audio Format mp3-Download
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Leseprobe

1. KAPITEL

Leo Romanos, milliardenschwerer Reeder-Erbe, schreckte bei Anbruch der Dämmerung aus dem Schlaf hoch, weil kleine Gestalten sich an ihn schmiegten.

Das passierte nicht zum ersten Mal, und er hatte sich sofort mit Pyjamas eingedeckt, eine Premiere in seinem Leben. Außerdem hatte er eine Armee von Nannys angeheuert, um eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung für seine vier Nichten und Neffen sicherzustellen.

Leider ging sein Plan nicht auf. Die traumatisierten Kinder seiner verstorbenen Schwester krochen Nacht für Nacht in sein Bett.

Die fünfjährige Popi hielt den zehn Monate alten Theon in den Armen, die dreijährige Sybella drückte den zwei Jahre alten Cosmo dicht an sich. Trotz seiner Bemühungen, ihnen ein Zuhause zu bieten, fühlten sich die Kleinen leider alles andere als sicher und geborgen.

Ihnen zuliebe war Leo nun auch zum ultimativen Opfer bereit. Er würde heiraten, damit die vier Kinder wieder eine Mutter hatten.

Sein Vater und seine Stiefmutter hatten sich geweigert, die Kinder bei sich aufzunehmen, und auch er kam allmählich an seine Grenzen.

Leo war davon ausgegangen, dass er, nachdem er die Nannys engagiert hatte, seine normale Alltagsroutine wiederaufnehmen konnte – ein Leben auf der Überholspur, mit viel Arbeit, gelegentlichen Partys und regelmäßigen Dates. Doch da hatte er sich gründlich verrechnet. Sein wunderschön geschmeidiges Leben hatte sich in dem Moment in Luft aufgelöst, als seine fünfjährige Nichte in herzzerreißendes Schluchzen ausgebrochen war, nachdem er an einem Abend verkündet hatte, nicht zum Essen nach Hause zu kommen.

Seitdem versank er immer tiefer in Schuldgefühlen, die ihn zu ersticken drohten.

Die Kinder brauchten mehr, als er ihnen bieten konnte. Was bedeutete, dass er heiraten und ihnen eine Mutter geben musste, die sich um all die Dinge kümmerte, zu denen er keine Lust hatte. Damit wären dann alle glücklich und zufrieden, und er könnte nachts endlich wieder ungestört schlafen.

Und er wusste auch genau, wo er diese Frau finden würde: Vor sechs Jahren hatte man ihm den Vorschlag gemacht, eine Tochter des Livas-Clans zu heiraten. Eine Zweckehe, mit der sich praktischerweise zwei große, in Konkurrenz stehende Reeder-Dynastien vereinen ließen und die ihn zum Erben beider Imperien machen würde. Diese Verbindung garantierte ihm einen enormen Profit, außerdem war die potenzielle Braut eine ausgesprochene Schönheit.

Trotzdem hatte er sich nicht durchringen können. Er liebte seine Freiheit über alles, und die Livas-Tochter hatte ein erschreckendes Interesse an ehelicher Treue durchblicken lassen.

Da er die Ehe als eine Institution betrachtete, die in erster Linie dazu diente, Geschäftsinteressen zu verfolgen und Erben zu zeugen, aber keinen Raum für heißen Sex und Abenteuer ließ – beides unverzichtbar in seinem Leben –, hatte er sich zurückgezogen.

Doch nun sah die Sache anders aus. Vier kleine Kinder, die regelmäßig seinen Schlaf störten, sorgten dafür, dass er seine Erwartungen deutlich nach unten schraubte. Soweit er wusste, war Elexis Livas noch zu haben, und er war nun bereit für einen Deal …

Isidore Livas empfing Leo in seinem Büro in Athen und teilte ihm mit, dass seine Tochter Elexis kurz davor war, sich zu verloben, also nicht mehr zur Verfügung stand.

„Aber ich habe eine Enkelin“, informierte er Leo überraschend. „Wie Sie sicher wissen, war mein Sohn unglücklicherweise vom rechten Weg abgekommen“, fügte er grimmig hinzu.

Leo nickte. Vom rechten Weg abgekommen – das war noch milde ausgedrückt. Julian Livas, Sohn aus erster Ehe von Isidore Livas, hatte traurige Berühmtheit durch seine Alkohol- und Drogenexzesse erlangt und war auf tragische Weise jung gestorben.

„Vor zwei Monaten erfuhr ich, dass mein Sohn eine Tochter mit einer Frau in London hatte, ein uneheliches Kind“, bemerkte der konservative Isidore missbilligend. „Letty ist vierundzwanzig und Single. Also, falls Sie Interesse haben, könnten Sie mich immer noch beerben, Leo. Elexis’ zukünftiger Mann ist ein Medienmogul, der keinerlei Ambitionen hegt, mein Unternehmen zu führen. Und ich würde mich allmählich gerne aus dem Geschäft zurückziehen und zur Ruhe setzen.“

„Und diese Letty?“, hakte Leo vorsichtig nach. Was für ein scheußlicher Name …

Der alte Herr zog eine Grimasse. „Nun, mit Elexis lässt sie sich natürlich nicht vergleichen. Sie ist ziemlich schlicht und etwas mollig. Aber sie würde einer Ehe bestimmt sofort zustimmen, denn sie braucht dringend Geld für ihre Familie.“

Schlicht und mollig klang nun so gar nicht verlockend. Seine zukünftige Frau sollte schon vorzeigbar sein, wenn er auch keine Granate im Bett erwartete. Verwirrt zog Leo die dunklen Brauen zusammen. „Warum unterstützen Sie denn die Familie nicht?“

Sofort verschloss sich Isidores Miene. „Sie hat mich um Hilfe gebeten, aber ich habe abgelehnt. Wenn mein Sohn schon nicht bereit war, die Mutter zu heiraten, kann man von mir nicht erwarten, dass ich seine Tochter finanziell unterstütze, zumal sie ja inzwischen erwachsen ist.“

„Und doch sind Sie bereit, das Mädchen als Erbin einzusetzen“, bemerkte Leo trocken.

„Wenn Letty Sie heiratet, dann will ich sie gerne akzeptieren. In ihren Adern fließt schließlich das Blut der Livas’.“ Missbilligend fügte er hinzu: „Leider ist sie alles andere als standesgemäß erzogen worden, sie spricht nicht mal Griechisch und ist nicht mit unseren Sitten und Gebräuchen vertraut. Wenn ich richtig informiert bin, arbeitet sie als Pflegerin in einem Seniorenheim.“

Leo konnte sich so eine Arbeit nicht mal vorstellen. Mit dem sprichwörtlichen silbernen Löffel im Mund geboren, hatte er nicht den geringsten Schimmer, wie weniger privilegierte Menschen lebten. „Sie halten Ihre Enkeltochter also für den mütterlichen Typ?“

„Wenn man bedenkt, wie sehr sie sich um ihre Mutter und ihre Geschwister kümmert, würde ich sagen, ja.“

Diese Aussage entlockte Leo ein weiteres Stirnrunzeln. „Geschwister? Hatte Julian denn mehr als ein Kind mit ihrer Mutter?“

„Nein. Nur Letty ist Julians Kind. Die beiden jüngeren Kinder, zwei Jungs, stammen von einem anderen Mann.“ Jetzt war Isidores Missbilligung beinahe mit Händen greifbar. „Sicher hat diese Beziehung ebenfalls nicht gehalten.“

„Erzählen Sie Letty, was ich ihr zu bieten habe, und schicken Sie sie zu mir“, erklärte Leo mit der Arroganz seiner reichen Vorfahren. „Wenn ich sie akzeptabel finde, bin ich bereit, sie zu heiraten. Zum Wohl der Kinder lege ich natürlich großen Wert darauf, dass sie eine anständige Frau ist.“

Der ältere Herr lachte spöttisch. „Leo, was wissen Sie schon über anständige Frauen?“

Leo zuckte zusammen. Das hatte gesessen. Wie auch immer, er war sich seiner Verantwortung gegenüber seinen Nichten und Neffen sehr wohl bewusst, und er würde ihnen keine garstige Stiefmutter vorsetzen, wie er eine hatte ertragen müssen. Tatsächlich wusste er mehr über berechnende, grausame und launische Frauen, als er je hatte erfahren wollen.

Auf seinem Rückflug noch London beschloss Leo, ein paar Hintergrundinformationen über seine potenzielle Braut einzuholen, und beauftragte seinen Assistenten damit. In seinem Londoner Büro fand er die Mappe mit den gewünschten Informationen dann bereits auf seinem Schreibtisch vor. Und diese Informationen erwiesen sich als unerwartet spannend. Juliet Harbison, genannt Letty, war eine weitaus reizvollere mögliche Heiratskandidaten, als er erwartet hatte.

Leos Interesse war geweckt.

Nicht ahnend, welche umwälzenden Veränderungen sich im Hintergrund anbahnten, funkelte Letty den Kredithai auf ihrer Türschwelle wütend an. „Sie verstoßen gegen das Gesetz“, informierte sie ihn scharf. „Es ist nicht erlaubt, Schuldner zu Hause zu belästigen.“

„Ich bin berechtigt, mein Geld einzufordern“, konterte er barsch. Er war ein kleiner, dürrer Mann in einem ungebügelten Anzug. Ein weiterer Kerl, unrasiert und mit aggressiver Miene, stand hinter ihm aufgebaut – Joe, sein Handlanger. Neulich hatte er versucht, Lettys kleinen Bruder zu schlagen, weil der ihnen beim letzten Mal Paroli geboten hatte. Erst als Letty bedrohlich den Kricketschläger geschwungen hatte, der immer griffbereit neben der Tür stand, war er zurückgewichen.

„Sie kriegen Ihr Geld, sobald ich bezahlt wurde, so wie im letzten Monat und im Monat davor.“ Sie straffte die Schultern, und der Blick aus ihren grünen Augen war fest und furchtlos. „Ich kann Ihnen nicht geben, was ich nicht habe.“

„Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass Sie reiche Verwandte haben.“

Zornesröte färbte Lettys Wangen. Hatte einer ihrer Brüder etwa diese gefährliche Katze aus dem Sack gelassen? „Ich habe gefragt. Von der Seite ist keine Hilfe zu erwarten.“

„Vielleicht überlegt die reiche Verwandtschaft es sich ja anders, falls Sie einen bedauerlichen Unfall haben.“ Joe grinste drohend, wobei er schiefe, ungepflegte Zähne zeigte.

„Wenn ich einen Unfall habe, sehen Sie keinen Penny mehr.“ Rasch warf sie die Tür zu. Es war sinnlos, dieses Gespräch fortzusetzen.

Reiche Verwandtschaft, dachte sie bitter und erinnerte sich schaudernd an das Treffen mit ihrem griechischen Großvater anlässlich seiner Geschäftsreise nach London. Ein kalter, unfreundlicher Mann, der sich mehr für ihre uneheliche Herkunft zu interessieren schien als für die Tatsache, dass sie existierte. Isidore Livas zu kontaktieren hatte sich leider als Sackgasse erwiesen. Letty hatte schnell begriffen, dass er ihr nicht den ersehnten Rettungsanker zuwerfen würde, im Gegenteil.

Während ihre Mutter Gillian mühsam und mit schmerzverzerrter Miene auf Krücken durch die winzige Küche ihrer Sozialwohnung humpelte, um mehr schlecht als recht zu putzen, bereitete Letty eine preiswerte, aber nahrhafte Mahlzeit für die Familie zu. Ihre beiden Brüder saßen über ihren Hausaufgaben am Tisch im Wohnzimmer. Tim war dreizehn, Kyle neun. Den beiden Jungs zumindest gestand sie zu, etwas weniger nutzlos zu sein als der Rest der männlichen Weltbevölkerung.

Bis jetzt gab es keine Ritter in schimmernder Rüstung in Lettys Erfahrungsschatz bezüglich Männern. Ihr Vater Julian war ein attraktiver, aber verantwortungsloser Taugenichts gewesen, der die Finger nicht von Alkohol und Drogen lassen konnte. Irgendwann war er dann ganz unter die Räder gekommen und früh gestorben.

Doch auf tragische Weise hatte die Begegnung mit ihm Gillians ganzes Leben aus der Bahn geworfen. Sie hatten sich im Internat kennengelernt, und Gillian war schnell schwanger geworden. Als sie sich weigerte, einen Abbruch vornehmen zu lassen, hatten ihre Eltern sie kurzerhand auf die Straße gesetzt, sich nicht mehr um sie gekümmert. Von da an hatte sie sich alleine durchschlagen müssen, und zwar recht erfolgreich. Als alleinerziehende Mutter hatte sie es mit viel Mühe und unter harten Entbehrungen geschafft, eine Ausbildung zur Krankenschwester zu machen. Ihr Leben war in geregelten Bahnen verlaufen, bis sie sich erneut verliebt hatte.

Beim Gedanken an ihren Stiefvater Robbie verzog Letty das Gesicht. Unter der Fassade des hart arbeitenden und sympathischen Ehemanns verbarg sich ein notorischer Womanizer. Als Gillian es nicht mehr ausgehalten hatte, war sie mit ihrer kleinen Tochter weggezogen. Nach der Scheidung war es mit ihrem Lebensstandard steil bergab gegangen. Leider hatte Robbie sich als ebenso schwach entpuppt wie Julian. Aber wenigstens kümmerte er sich auch nach der Scheidung noch um seine beiden Söhne.

Um bloß ja nie in ihrem Leben in die Situation zu kommen, von einem Mann abhängig zu sein, hatte Letty sich in der Schule immer ganz besonders angestrengt. Aber mit welchem Ergebnis? Zwar hatte sie ein Stipendium ergattern können, um die Hochschulreife zu erwerben. Und es war ihr dank hervorragender Noten sogar gelungen, einen Studienplatz für Medizin in Oxford zu bekommen. Doch dann hatte das Schicksal erneut zugeschlagen.

Letty hatte gerade drei Jahre ihres Medizinstudiums hinter sich, als Gillians Gesundheitszustand sich drastisch verschlechterte. Aufgrund ihrer fortschreitenden Arthrose musste sie ihre Arbeit aufgeben und wurde zum Sozialfall. Zwei Jahre war Letty nach Hause zurückgekehrt, denn ihre Mutter konnte die Wohnung kaum noch verlassen, was zum Teil auch daran lag, dass der Fahrstuhl in ihrem Wohnblock chronisch außer Betrieb war.

Der soziale Abstieg war unausweichlich gewesen: ungesicherte Kredite, steigende Zinsen …

Auf ihrem klapprigen Motorrad fuhr Letty zur Arbeit. Nachdem sie die Maschine geparkt hatte, betrat sie das Pflegeheim, wo sie als Nachtwache beschäftigt war. Sie verdiente recht ordentlich, die Arbeit gefiel ihr, und sie kam gut mit ihren Kolleginnen aus. Ihr Medizinstudium würde sie so bald wie möglich fortsetzen, aber im Moment lag dieses Ziel leider noch in weiter Ferne.

Bis ihre Mutter die dringend benötigte Hüft-OP hinter sich hatte, konnte Letty sie unmöglich mit den beiden Jungs alleine lassen. Doch die Warteliste für die OP war lang, und eine Privatklinik konnten sie sich nicht leisten. Auf lange Sicht würde Gillian sich eine barrierearme Wohnung suchen müssen, das ließ sich aber erst realisieren, sobald sie von ihren Schulden runter war.

Letty hatte sich gerade aus ihrer Lederkluft geschält und ihre Arbeitsklamotten angezogen, da vibrierte ihr Handy. Alarmiert ging sie ran, denn sie rechnete ständig mit irgendeiner Katastrophennachricht, zum Beispiel, dass ihre Mutter gestürzt war. Doch es war nicht einer ihrer Brüder, sondern ihr Großvater.

„Falls du wirklich bereit bist, alles zu tun, was nötig ist, um deiner Familie zu helfen, solltest du dich mal mit Leo unterhalten. Ich sende dir seine Telefonnummer per SMS. Falls du mit Leo einig wirst, lade ich dich gerne zu mir nach Hause ein und führe dich in die griechische Gesellschaft ein“, informierte der alte Herr sie in einem Ton, als erwiese er ihr den größten Gefallen.

„Ah … okay. Vielen Dank“, erwiderte Letty. Um Himmels willen, wie kam er nur darauf, dass sie Wert darauf legte, in die griechische Gesellschaft eingeführt zu werden? Und was meinte er damit, dass sie sich mit irgendeinem Typen namens Leo einig werden sollte, um ihrer Familie zu helfen? Vielleicht war ihr Großvater ja doch nicht kalt wie ein Fisch und wollte ihr ernsthaft helfen. Sie sollte damit aufhören, immer das Haar in der Suppe zu suchen, und stattdessen damit anfangen, an das Gute im Menschen zu glauben.

Nachdem sie am nächsten Morgen von der Arbeit gekommen war, rief sie kurz entschlossen bei der Nummer an, die ihr Großvater ihr gegeben hatte.

„VR Shipping“, meldete sich eine Frau.

„Hallo, mein Name ist Letty Harbison. Ich würde gerne mit … Leo sprechen?“

„Einen Moment, bitte.“

Im Hintergrund war leises Stimmengemurmel zu hören. Wollte dieser ominöse Leo ihr eine besser bezahlte Arbeit anbieten? Offensichtlich war er ein Geschäftsmann.

„Mr. Romanos würde Sie gerne heute um zehn in seinem Londoner Büro treffen.“ Die Frau gab Letty die Adresse.

„Tut mir leid, geht das nicht später? Ich arbeite nachts und muss jetzt schlafen.“

„Leider hat Mr. Romanos später keinen Termin frei. Er ist ein viel beschäftigter Mann.“

Letty verdrehte die Augen. „Na gut, dann also zehn Uhr.“ Für den Fall, dass ihr Großvater es wirklich gut mit ihr meinte, wollte sie diesen Leo unbedingt aufsuchen, um herauszufinden, was er ihr anzubieten hatte. Zu dumm nur, dass sie es nicht mehr schaffen würde, sich vorher noch umzuziehen und frisch zu machen. Ach, egal, dann erschien sie eben in ihrer Motorradkluft zu dem Termin.

„Wollen Sie ein Paket abliefern?“, erkundigte sich die aufgestylte junge Frau am Empfang leicht hochmütig.

„Nein, ich habe einen Termin mit Mr. Leo … Romanos, so heißt er doch? Um zehn Uhr.“

Die Rezeptionistin maß Letty mit einem missbilligenden Blick. Ganz offensichtlich passte sie nicht in Leos Beuteschema, und die junge Frau fragte sich, wieso ihr Boss sich ausgerechnet für diese Besucherin extra einen Termin freigeschaufelt hatte.

Müde ließ Letty sich auf die Besuchercouch sinken. Ihr war ganz schwindelig vor Erschöpfung, weil sie durch die dauernden Nachtschichten nie genug Schlaf bekam. Unter halb gesenkten Lidern ließ sie den Blick durch den Raum schweifen. Das Interieur wirkte modern und stylisch. Wie kam ihr Großvater nur auf die Idee, dass ausgerechnet sie hierherpasste? Okay, die Grundlage einer Büroangestellten konnte sie vorweisen, doch sie bezweifelte, dass sie damit den Anforderungen in einem Unternehmen wie diesem genügte.

„Ihr Zehn-Uhr-Termin schläft in der Rezeption“, wurde Leo von seiner Assistentin informiert.

Leo riss die Augen auf. Sie schlief? Theos … Wie konnte sie angesichts der Tatsache, gleich ihren potenziellen Ehemann zu treffen, in Ruhe schlafen? Es kam ihm gar nicht in den Sinn, dass Isidore Livas seine Enkelin nicht über den eigentlichen Zweck dieses Treffens informiert hatte.

Leo begab sich höchstpersönlich zur Rezeption, womit er für weitere Irritationen an diesem Vormittag sorgte. Dann sah er sie, lang ausgestreckt auf der Besuchercouch. Fast verschmolz ihre Gestalt mit dem schwarzen Leder der Couch. Leder? Warum in Gottes Namen trug sie Lederkleidung und klobige Motorradstiefel?

Verwirrt blieb er neben der Couch stehen und musterte die schlafende junge Frau, registrierte den schlichten Pferdeschwanz, der so lang war, dass er fast den Boden berührte. Ihr Haar war von einem warmen Honigblond. Alle im Livas-Clan sind blond, dachte Leo geistesabwesend, während sein Blick auf einem verführerisch runden Po in schwarzem Leder und langen, schlanken Beinen haften blieb.

Das vom Schlaf rosige Gesicht hatte sie in eine Hand geschmiegt, ihre Lippen waren voll und rot. Besonders groß war sie nicht. Im Gegenteil, sie war sogar relativ klein – noch so ein Merkmal der Livas’. Mit Glück reichte sie ihm bis zur Brust. Doch unscheinbar war sie nun gar nicht und mit Sicherheit nicht mollig. Sie war wohlproportioniert, mit Kurven an genau den richtigen Stellen. Nur ein Mann mit einer Frau und einer Tochter so dürr wie Bohnenstangen konnte Letty als mollig bezeichnen.

Zu gerne hätte Leo herausgefunden, was sich unter der hochgeschlossenen Lederjacke verbarg, und noch lieber hätte er Letty einfach hochgehoben und in sein Büro getragen … Doch jetzt war höfliche Zurückhaltung das weise Gebot der Stunde, und Leo verhielt sich immer weise.

„Letty“, sagte er leise, um sie zu wecken. „Letty …“

Theos, was für ein scheußlicher Name. Juliet klang so viel hübscher. Also beschloss er, sie Juliet zu nennen.

Letty bewegte sich seufzend, und ihre Lider flatterten, während sie widerstrebend aufwachte. Auf einen Arm gestützt richtete sie sich auf, und ihre Augen weiteten sich, als sie den Mann neben der Couch entdeckte.

Himmel, war sie so erschöpft, dass sie jetzt schon Halluzinationen hatte? Sie blinzelte, aber die Gestalt verschwand nicht: eine imposante, hochgewachsene Erscheinung in einem maßgeschneiderten Anzug, der so perfekt saß, dass der Mann wie ein Model wirkte. Fehlte nur noch die schnittige weiße Jacht im Hintergrund.

Er hatte kurz geschnittenes schwarzes Haar, ein kantiges, schmales Gesicht mit einer perfekten Nase und einem schön geschwungenen Mund. Und seine Augen … da könnte sie glatt ins Schwärmen geraten, obwohl das so gar nicht ihre Art war. Er hatte dunkle, samtweiche Augen, umgeben von langen, dunklen Wimpern, die Iris war goldgesprenkelt. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie ihn anstarrte. Auch das war sonst nicht ihre Art, es sei denn, sie wollte einen aufdringlichen Kerl abschrecken. Doch dieser Mann war einfach atemberaubend attraktiv.

Jetzt hielt er ihr die Hand hin. „Ich bin Leo Romanos“, erklärte er mit leisem Stolz.

Letty konnte es gar nicht abwarten, ihn zu googeln, um so viel wie möglich über ihn herauszufinden.

Aber eines konnte sie jetzt schon über ihn sagen: Er war mindestens ebenso arrogant wie ihr Großvater, wenn auch auf andere Art. Leo Romanos war es gewohnt, die Leute springen zu lassen, das nahm er als selbstverständlich hin.

„Letty Harbison“, sagte sie. Erst jetzt wurde ihr peinlich bewusst, dass sie in aller Öffentlichkeit auf seinem Sofa eingeschlafen war. Was musste er nur von ihr denken!

„Kann ich mich hier irgendwo frisch machen?“ Sie wich seinem forschenden Blick aus, verärgert über sich selbst, weil sie ihn angestarrt hatte. Sie starrte keine Männer an und fühlte sich unbehaglich, weil sie bei ihm mit ihrer eisernen Regel gebrochen hatte.

Er deutete in den Bereich hinter dem Empfang, wo die Waschräume lagen.

Letty schoss hoch und stand auf. Erstaunt stellte sie fest, dass sie sich in seiner Gegenwart auf positive Weise klein und verletzlich fühlte. So was war ihr ja noch nie passiert …

Rasch verschwand sie im Waschraum. Ihr zerzauster Anblick im Spiegel entlockte ihr einen frustrierten Seufzer. Um ihr Haar in Ordnung zu bringen, löste sie das Haargummi, sodass die honigblonde Mähne ungebändigt über ihre Schultern fiel. Mit den Fingern kämmte sie die Strähnen zurück, was auch nicht viel half.

Weil ihr viel zu heiß war, öffnete sie den Reißverschluss ihrer Lederjacke. Sie wusch sich die Hände und wünschte, sie hätte einen Lippenstift eingesteckt. Ach, egal, das hätte auch nichts genützt. Es brauchte mehr als einen Hauch Lippenstift, um ihr den Anschein einer tüchtigen Office Managerin zu verleihen, denn in diesem Unternehmen sah ja selbst die Empfangsmitarbeiterin wie eine Miss World aus.

Als sie den Waschraum verließ, wurde sie von einer anderen Mitarbeiterin des Unternehmens erwartet. „Hier entlang, bitte. Ich bringe Sie jetzt zu Mr. Romanos’ Büro. Möchten Sie eine Tasse Kaffee?“

„Ja, sehr gerne“, sagte Letty dankbar. Obwohl sie selten Kaffee trank, könnte eine Dosis Koffein jetzt wahrscheinlich nicht schaden, damit sie endlich richtig wach wurde. „Schwarz bitte, ohne Zucker.“

Aus irgendeinem Grund hatte Leo vage gehofft, dass Juliet wie durch ein Wunder in einem normalen Outfit und dezent geschminkt durch seine Tür spazieren würde. Was natürlich nicht geschah. Stattdessen trug sie jetzt das Haar offen und die schwere Lederjacke über dem Arm.

Bewundernd betrachtete er die Flut honigblonder Haare, die ihr bis zu den wohlgerundeten Hüften reichte. Wow! Jetzt richtete sie den Blick ihrer unglaublich grünen Augen auf ihn, aufmerksam und fragend. Ihre Jacke presste sie gegen die Brust, als wollte sie die Rundung ihrer Brüste unter dem schlichten schwarzen T-Shirt verbergen.

Leo mochte kurvige Frauen im Allgemeinen und Brüste im Besonderen. Ihre waren garantiert echt, ein Produkt der Natur, nicht das eines talentierten Schönheitschirurgen. Er spürte, wie er bei ihrem Anblick hart wurde, und das schockierte ihn nun wirklich. So etwas war ihm in der Öffentlichkeit schon sehr lange nicht mehr passiert. Rasch setzte er sich in seinen Sessel hinter dem Schreibtisch.

In dem Moment erschien seine Assistentin mit einem Tablett und schenkte ihnen Kaffee ein.

„Normalerweise trinke ich keinen Kaffee, aber heute brauche ich einen, um wach zu werden“, erklärte Letty mit einem kleinen Lächeln, das ihr ovales Gesicht erhellte. „Entschuldigen Sie bitte meinen Aufzug, aber ich war erst um acht mit meiner Schicht fertig und hatte keine Zeit mehr, mich umzuziehen.“

„Warum die Motorradkluft?“

„Ich fahre mit dem Motorrad, das ist viel billiger und praktischer als ein Auto. Besonders in der Rushhour.“ Genüsslich nippte sie an ihrem Kaffee. „Hm, ehrlich gesagt verstehe ich nicht recht, weshalb mein Großvater auf diesem Treffen mit Ihnen bestanden hat. Wollen Sie mir einen Job anbieten?“

Aha, so war das also. Isidore überließ ihm die Drecksarbeit. „Ich habe einen Vorschlag, den Sie vielleicht überdenken möchten.“

„Hat Isidore etwa zufällig erwähnt, dass ich dringend Geld brauche?“ Lettys cremefarbene Haut überzog sich mit einem rosigen Schimmer.

„Ihr Großvater hat Sie eingeladen, ihn Isidore zu nennen?“, bemerkte Leo erstaunt.

„Oh, er hat mich zu gar nichts eingeladen“, gab Letty amüsiert zurück. „Um ehrlich zu sein, er tut sich reichlich schwer damit, dass wir miteinander verwandt sind.“

„Das muss eine ziemliche Enttäuschung sein.“

„Nicht wirklich. Ich hatte keine Wunder erwartet, aber in Anbetracht der Tatsache, dass mein Vater nie einen Penny Kindesunterhalt gezahlt hat, ist die Familie bis jetzt ja billig davongekommen. Meine Mutter legte immer großen Wert auf ihre Unabhängigkeit, aber zurzeit ist es ihr leider nicht möglich, für sich selbst zu sorgen. Also musste ich einspringen …“

„Und an der Stelle komme ich ins Spiel“, warf Leo ein. „Ihr Großvater möchte gerne mit mir fusionieren und sich aus dem Geschäftsleben zurückziehen. Die Führung beider Unternehmen überlässt er dann mir. Seine Bedingung ist, dass ich Sie heirate.“

Im Raum war es plötzlich ganz still.

„Sie sollen mich heiraten, um seine Reederei zu übernehmen?“, stieß Letty ungläubig hervor. „Das ist … unverschämt! Ich wusste ja, dass mein Großvater völlig hinterwäldlerische Ansichten hat, aber nicht, dass er verrückt ist!“

„Dann muss ich wohl auch verrückt sein“, sagte Leo weich, „denn ich bin bereit, auf den Deal einzugehen. Allerdings brauche ich aus etwas anderen Gründen dringend eine Ehefrau …“

Letty konnte es kaum glauben. „Sie brauchen eine Frau?“ Da müssten doch Dutzende Schlange stehen …

„Vor sechs Monaten sind meine Schwester und ihr Mann bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Seitdem kümmere ich mich um ihre vier kleinen Kinder. Ich brauche eine Frau, die mich bei dieser Aufgabe unterstützt“, erklärte er lapidar.

Autor

Lynne Graham
Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen.

Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem...
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