Julia Ärzte zum Verlieben Band 144

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

HEISSE KÜSSE UNTER DEM POLARLICHT von ROBIN GIANNA

Ärztin auf einer Forschungsstation in der Antarktis - danach wird die schöne Jordan endlich mit den Reisen aufhören und sich in London niederlassen. Aber ausgerechnet da verliebt sie sich in den attraktiven Meeresbiologen Zeke Edwards! Ein Mann, der niemals Wurzeln schlagen will …

DREI JAHRE NUR VON DIR GETRÄUMT von MEREDITH WEBBER

Beim Wiedersehen mit Dr. Angus Caruth werden in Kate sinnliche Gefühle geweckt! Ab sofort soll sie mit dem sexy Mediziner eng zusammenarbeiten. Warum nur hat er auch nach drei Jahren diese erregende Wirkung auf sie - und warum hat er nie auf ihren verzweifelten Brief reagiert?

DÜRFEN ÄRZTE HEIMLICH WEINEN? von DEANNE ANDERS

"Plötzlicher Kindstod." Bei Dr. Spencers trauriger Stimme krampft Frannies Herz sich zusammen. Das ist also sein bitteres Geheimnis - er hat ein Kind verloren! Weshalb er nie wieder Vater werden will. Doch dazu ist es nun zu spät. Denn ihre heiße Nacht hatte süße Folgen …


  • Erscheinungstag 16.10.2020
  • Bandnummer 144
  • ISBN / Artikelnummer 9783733715618
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Robin Gianna, Meredith Webber, Deanne Anders

JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN BAND 144

ROBIN GIANNA

Heiße Küsse unter dem Polarlicht

Dr. Zeke Edwards hat sich geschworen, niemals eine feste Beziehung einzugehen. Doch die neue Ärztin in der arktischen Forschungsstation bringt seinen Schwur in große Gefahr. Denn Jordan ist nicht nur so bezaubernd, dass der attraktive Meeresforscher sie unter dem Polarlicht immer wieder heiß küsst. Sie glaubt auch unerschütterlich an die Liebe – für immer …

MEREDITH WEBBER

Drei Jahre nur von dir geträumt

Drei Jahre ist es her: Während eines gemeinsamen Einsatzes auf einer Insel kam ein mächtiger Tropensturm auf. Dr. Angus Caruth und seine junge Kollegin Kate brachten sich in Sicherheit, und plötzlich wurde daraus mehr … Jetzt sehen sie sich überraschend wieder. Aber warum wirkt Kate so ängstlich – als ob sie etwas vor ihm zu verbergen hat?

DEANNE ANDERS

Dürfen Ärzte heimlich weinen?

Sie scheint ihm direkt in die Seele zu schauen: Beim wissenden Blick der hübschen Psychiaterin Frannie Wentworth fühlt Dr. Spencer sich ausgesprochen unwohl. Weshalb er Frannie lieber aus dem Weg geht. Doch als sie beim ausgelassenen Mardi Gras in New Orleans als Rettungsteam zusammenarbeiten müssen, kann er nicht länger vor seinen Gefühlen fliehen …

1. KAPITEL

Das Schiff wurde von den Wellen hin und her geworfen, an Schlaf war überhaupt nicht zu denken. Normalerweise konnte Dr. Jordan Flynn überall schlafen, solange sie die Augenmaske und ihre Kopfhörer trug und beruhigende Geräusche von ihrem Gerät kamen, die sie als ein Einschlafhilfe benutzte. Diesmal half allerdings nichts.

Vielleicht lag es daran, dass sie bei jeder Schieflage aus der oberen Koje ihrer Kabine zu fallen drohte, während das Schiff durch die berüchtigte Drakestraße in Richtung Antarktis fuhr. Oder daran, dass die künstlichen Naturgeräusche vom Band von echten wie dem heulenden Wind übertönt wurden.

Was hätte sie darum gegeben, von diesem Schiff hinunterzugelangen! Jordan kniff die Augen unter der Maske zusammen und schmunzelte dann über sich selbst. Anfang Oktober schien die Sonne hier fast den ganzen Tag, doch Jordan wusste, dass nicht der fahle Lichtschein, der durch das kleine Fenster kam, sie wach hielt. Sie versuchte, an die positiven Seiten des Abenteuers zu denken, auf das sie sich einließ. Und als Ärztin in einer Forschungsstation in der Antarktis zu arbeiten würde auf jeden Fall ein Abenteuer sein.

Die Fletcher-Station war ganz neu, und trotz ihres momentanen Unwohlseins war Jordan immer noch dankbar dafür, dass sie dort für ein halbes Jahr als praktische Ärztin und Chirurgin arbeiten durfte. Außerdem sollte sie die Krankenstation für die etwa eintausend Mitarbeiter einrichten, die in etwa einer Woche eintreffen würden. Außerdem hatte man anscheinend begrüßt, dass die Meeresbiologen beim Sammeln der Unterwasserproben die Erfindung ihrer Eltern testeten.

Momentan befanden sich etwa fünfundsiebzig Personen auf diesem Schiff, die die Forschungsstation mit in Betrieb nehmen würden. Köche und Küchenhilfen, Ingenieure und andere Angestellte sowie natürlich Wissenschaftler.

Jordan dachte an ihre kleine Wohnung in London, ihren Job und ihr vorhersehbares Leben, das sie sich genau so gewünscht hatte, als sie zum ersten Mal überhaupt sesshaft geworden war. Als Ärzte hatten ihre Eltern mit ihr die ganze Welt bereist und ihr somit eine aufregende Kindheit und Jugend beschert, doch nach all den Jahren hatte sie endlich zur Ruhe kommen wollen.

Nach langem Überlegen hatte sie beschlossen, den befristeten Job in der Antarktis anzunehmen. Irgendwann würde sie vermutlich länger an einem Ort wohnen, heiraten und eine Familie gründen und immer in demselben Haus wohnen. Bis dahin allerdings würde sie dieses Abenteuer auskosten, die ärztliche Versorgung in der Forschungsstation gewährleisten und weitere Testergebnisse von der Erfindung ihrer Eltern bekommen, mit der diese das Problem des Barotraumas lösen wollten.

Als das Schiff erneut heftig schlingerte, lenkte Jordan sich ab, indem sie sich vorzustellen versuchte, wie das medizinische Zentrum wohl aussah. Unerklärlicherweise tauchte stattdessen ein wahnsinnig attraktives Gesicht vor ihrem geistigen Auge auf – das Gesicht des Mannes in der Kabine nebenan.

Sie hatte sich mit dem Türschloss abgemüht, während sie das Gleichgewicht zu halten versuchte. In dem Moment war er um die Ecke gekommen und auf die Tür der Nachbarkabine zugegangen. Charmant lächelnd war er stehen geblieben und hatte sie gefragt, ob sie Hilfe bräuchte. Ebenfalls lächelnd hatte sie höflich abgelehnt und es dann geschafft, die Tür zu öffnen. In der Kabine hatte sie die Tür verriegelt und sich schnell in die Koje gelegt.

Da ihr leicht übel gewesen war, hatte ihr der Sinn nicht nach Small Talk gestanden. Doch nun sah sie ihren Kabinennachbarn in dem dunklen Raum vor sich – seine hochgewachsene, muskulöse Gestalt, die dunkle Haut und die braunen Augen. Augen, die Intelligenz und Humor verrieten und sie in ihren Bann geschlagen hatten. Ihr Herz hatte sogar schneller gepocht, was wirklich lächerlich war.

Jordan krauste die Stirn und fragte sich, warum sie an einen Typen dachte, den sie überhaupt nicht kannte. Da der Seegang immer heftiger geworden war, hielt sie sich an den Gitterstäben am Kopfende fest. Zum Glück neigte sie nicht übermäßig dazu, seekrank zu werden, sonst wäre sie vermutlich längst ins angrenzende Bad gekrochen.

Vielleicht war es keine besonders gute Idee gewesen, in der oberen Koje zu schlafen. Da sie allerdings gefürchtet hatte, ihre Ausrüstung könnte durch den Raum geschleudert werden oder von oben herunterfallen, hatte sie sie mit Gurten auf der unteren Koje festgezurrt. Aber möglicherweise spürte sie das Schaukeln hier oben mehr. Gerade als Jordan überlegte, ob sie versuchen sollte, irgendwo auf dem Fußboden zu schlafen, schlingerte das Schiff so heftig hin und her, dass sie aus der Koje fiel.

Unwillkürlich schrie sie auf. Im nächsten Moment prallte sie mit dem Kopf gegen die gegenüberliegende Wand der winzigen Kabine und schlug dann schmerzhaft auf dem Boden auf. „Autsch! Verdammt!“, rief sie.

Danach lag sie einen Augenblick benommen da. Ihr Ellbogen und ihre Schulter schmerzten, ihr Kopf dröhnte. Dann spürte sie etwas Warmes über die Stirn laufen, und als sie diese vorsichtig mit zittriger Hand abtastete, spürte sie Blut. Nachdem sie die Augenmaske abgenommen hatte, tastete sie ihren Haaransatz und anschließend die Kopfhaut ab. Wie sie vermutet hatte, hatte sie sich eine kleine Platzwunde zugezogen. Da diese jedoch immer stark bluteten, bestand kein Grund zur Beunruhigung.

Jordan atmete tief durch, bevor sie sich vorsichtig aufsetzte. Noch während sie überlegte, ob es hier irgendwo einen Spiegel gab, klopfte es dreimal laut an der Tür. Unvermittelt wandte sie den Kopf und betrachtete die graue Metalltür. Erst in diesem Moment merkte sie, dass einer der Ohrstöpsel herausgefallen war.

Tief durchatmend, versuchte sie, sich zusammenzureißen, und nahm den anderen Ohrstöpsel auch heraus, um ihn in die Hosentasche zu stecken.

„Hallo! Alles in Ordnung? Lassen Sie mich rein.“

Na toll! Jordan schloss die Augen und sank gegen die Wand. Sie hätte darauf gewettet, dass es die Stimme ihres attraktiven Kabinennachbarn war. Auf keinen Fall sollte er ihren Kopf abtasten, denn vermutlich würde sie dann wieder so flatterig werden wie eben. Aber das war lächerlich. Sicher, er war attraktiv, doch das waren viele andere Männer auf diesem Schiff auch. Und all diese Männer waren beruflich unterwegs und interessierten sie nicht.

Jordan wollte gerade erwidern, dass alles in Ordnung sei, als sie spürte, wie das Blut ihr über die Stirn lief. Widerstrebend musste sie sich den Tatsachen stellen. Solange das Schiff derart hin und her geworfen wurde, war es sinnvoller, wenn er sich ihre Wunde ansah.

„Okay.“ Als sie aufstehen wollte, fühlte sie sich überraschend zittrig. Also kroch sie auf allen vieren zur Tür und kam sich dabei etwas albern vor, als sie den Knauf drehte und sich anschließend an die Wand daneben lehnte. „Kommen Sie rein.“

Vorsichtig öffnete ihr Kabinennachbar die Tür und ließ den Blick durch die Kabine schweifen. Als er sie entdeckte, trat ein besorgter Ausdruck in seine Augen.

„Sind Sie verletzt?“ Nachdem er das Licht eingeschaltet hatte, kniete er sich neben sie, die linke Hand am Türknauf, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. „Ich habe ein dumpfes Geräusch und dann einen Schrei gehört. Was ist passiert?“

„Ich bin aus dem Bett geschleudert worden und habe mir den Kopf gestoßen. Es blutet, aber nur ein bisschen. Können Sie es sich mal ansehen?“

Als das Schiff im nächsten Moment wieder stark schlingerte, rutschte sie ein Stück zur Seite. Schnell packte ihr Kabinennachbar sie am Arm. „Schaffen wir Sie auf die untere Koje. Es ist das einzige Möbelstück, das im Boden verankert ist.“

„Kein Platz. Ich habe meine Ausrüstung darauf verzurrt.“

„Geniale Idee, die Ausrüstung ist Ihnen wichtiger als Ihr Kopf.“ Er stieß einen verächtlichen Laut aus. „Warten Sie. Ich bin gleich wieder da.“

Jordan lehnte den schmerzenden Kopf an die Wand und hoffte, es wäre kein schlechtes Omen für diese Reise. Andererseits hatten ihre Eltern und sie während ihrer zahlreichen Auslandsaufenthalte die verrücktesten Dinge erlebt, von denen sie immer noch redeten und über die sie immer noch lachten.

Wenige Minuten später hörte sie Schritte, dann betrat ihr Nachbar mit einem Haufen Bettzeug auf dem Arm die Kabine – genau in dem Moment, als das Schiff wieder in Schräglage ging und sie zur anderen Seite rutschte. „Ich verfrachte Sie in die Ecke dahinten, damit Sie nicht wegrutschen, wenn ich mir die Wunde ansehe.“

„Die kleine Jordan Horner saß in einer Ecke und aß ihren Quark mit Molke“, sagte sie leise.

„Sie haben die Verse vertauscht. Ganz zu schweigen davon, dass es seltsam ist, wenn Sie jetzt Kinderreime zitieren.“ Mühelos hob er sie hoch und trug sie in die Ecke, wo er sie vorsichtig absetzte und links und rechts von ihr Bettdecken hinlegte. „Ist Ihnen übel? Sind Sie durcheinander?“

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich keine Gehirnerschütterung habe.“ Vorsichtig berührte Jordan die Beule an ihrem Kopf und zuckte zusammen. „Und dass mir übel ist, ist bei diesem Wellengang ja kein Wunder.“

„Stimmt.“ Als er lächelte, bekam sie sofort weiche Knie. „Ich bin übrigens Ezekiel Edwards. Meine Freunde nennen mich Zeke.“

„Jordan Flynn.“

„Ich weiß. Die Ärztin der Forschungsstation.“ Zeke nickte. „Ich bin Meeresbiologe und Klimaforscher und schreibe gerade an meiner Doktorarbeit. Außerdem bin ich ausgebildeter Sanitäter. Sie sind bei mir also in guten Händen.“

„Woher wissen Sie, dass ich die Ärztin bin?“

„Ich habe Ihren Namen auf der Liste gesehen.“ Wieder lächelte er. „Außerdem hat mir jemand auf diesem Schiff erzählt, dass die Ärztin an Bord umwerfend aussieht. Und als ich Sie vorhin im Flur gesehen habe, wusste ich, dass Sie es sein müssen.“

Sie verdrehte die Augen. „Ist das Ihr üblicher Small Talk, wenn Sie eine Frau kennenlernen?“

Nun lachte er. „Es ist einfach nett, Sie endlich kennenzulernen.“ Nachdem er eine kleine Taschenlampe aus der Hosentasche genommen hatte, kniete er sich vor sie. Dann hob er ihr Kinn, um ihr in die Augen zu sehen.

„Ich habe wirklich keine Gehirnerschütterung.“

„Woher wollen Sie das wissen? Sagen Sie immer Kinderreime zum Spaß auf?“

„Ja. Das haben meine Eltern mich gelehrt, um mich abzulenken, wenn ich mir über etwas Sorgen gemacht habe oder mich verletzt hatte.“ Und in diesem Moment schien sie sich viel eher von seinem Anblick ablenken zu müssen als von ihren Prellungen und dem Schlingern des Schiffs.

„Aha. So etwas habe ich noch nie gehört.“ Er lächelte schief, bevor er die Hand sinken ließ. „Beugen Sie den Kopf nach vorn.“

Er war ihr so nahe, dass sie seinen warmen Atem spürte, während er die Finger vorsichtig durch ihr Haar gleiten ließ. Ihr Herz klopfte etwas schneller, und sie hatte das ungute Gefühl, dass es an seiner Nähe lag. Wenn sie jetzt den Kopf hob, würden ihre Lippen seine berühren und …

Das glaube ich einfach nicht, sagte Jordan sich energisch und machte ein finsteres Gesicht, weil sie sich so albern verhielt. Sie kannte diesen Mann nicht einmal. Warum fühlte sie sich inmitten eines Sturms und mit einer Platzwunde so stark zu ihm hingezogen? Vielleicht hatte sie doch eine Gehirnerschütterung. Oder einen Hirnschaden.

„Es ist nicht so schlimm“, verkündete Zeke, während er weiter vorsichtig ihren Kopf abtastete. „Ich habe Wundkleber dabei, damit kann ich die Wunde gleich versorgen.“

„Ich habe auch welchen. In der blauen Box auf dem Bett.“

„Gut. Ich muss erst das Blut wegwischen. Sitzen Sie still, ich bin gleich wieder da.“

Da das Schiff immer noch so heftig schlingerte, verstärkte sich ihre Übelkeit nun, vielleicht auch wegen der Platzwunde und der Prellungen. Jordan fürchtete, sie könnte sich in Gegenwart des verführerischsten Mannes der Welt übergeben.

Hektisch blickte sie sich nach einem geeigneten Behälter um und entdeckte schließlich zu ihrer Erleichterung einen Papierkorb aus Metall, der bei der nächsten Schräglage ganz in ihrer Nähe über den Boden glitt. Verzweifelt streckte sie die Hand danach aus, doch bevor sie ihn packen konnte, kehrte Zeke zurück. Panisch blickte sie ihn an.

„Könnten Sie … wieder gehen … und … etwas später zurückkommen?“

Das Lächeln, in das sie sich schon verliebt hatte, wurde noch breiter. „Sind Sie seekrank? Bei einem Unwetter wie diesem ist das ganz normal. Außerdem sind Sie verletzt, was, wie Sie sicher wissen, die Übelkeit noch verstärken kann. Hier.“

Er hob den Papierkorb hoch und reichte ihn ihr. Wütend funkelte sie ihn an, während ihr Magen revoltierte. Sie konnte die Übelkeit nicht mehr lange unterdrücken. „Sehen Sie denn nicht, dass ich jetzt allein sein muss? Gehen Sie, bitte!“

„Keine Sorge, Sie sind auf diesem Schiff nicht die Einzige. Es hat keinen Sinn, dagegen anzukämpfen. Danach werden Sie sich besser fühlen, und anschließend versorge ich Ihre Wunde.“

„Ich …“ Zu ihrem Entsetzen konnte sie sich nicht mehr zusammenreißen.

Zeke strich ihr übers Haar und über den Rücken und redete die ganze Zeit beruhigend auf sie ein. Sie nahm kaum wahr, was er sagte, und war sich auch nicht sicher, ob seine nette Art sie noch mehr für ihn einnahm oder ob sie ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst hätte, weil er sie nicht allein ließ. Was für eine Art, einen Mann kennenzulernen!

Doch sie wollte ihn gar nicht kennenlernen, richtig? Jordan kämpfte nicht mehr dagegen an und erbrach sich noch einmal.

Endlich klang die Übelkeit ab. Nachdem Zeke ihr einen nassen Waschlappen und eine Dose mit Pfefferminzbonbons in die Hand gedrückt hatte, wischte Jordan sich den Mund ab. Er verschwand mit dem Eimer, und als er nach wenigen Minuten zurückkehrte, öffnete er die Box, die er mitgebracht hatte.

„Kann ich jetzt die Wunde reinigen, oder soll ich noch warten?“

„Das können Sie.“ Sie steckte sich ein Pfefferminzbonbon in den Mund und lehnte den Kopf an die Wand, damit Zeke die Wunde versorgen konnte.

Es brannte ein wenig, als er diese reinigte. Offenbar wusste er, was er tat, denn er war ebenso routiniert wie vorsichtig. Trotzdem zuckte sie leicht zusammen.

„Ich weiß, es tut weh, aber Sie haben es gleich geschafft“, sagte er. „Dann verklebe ich sie.“

„Warum haben Sie Wundkleber dabei?“

„Dachten Sie, es wäre gelogen, als ich sagte, ich sei ausgebildeter Rettungssanitäter?“

„Ich … hatte es ganz vergessen. Haben Sie erst die Ausbildung zum Sanitäter gemacht und dann angefangen zu promovieren oder andersherum?“, fragte sie, um sich abzulenken, aber auch aus Interesse.

„Ich bin an einem Ort aufgewachsen, an dem Erste-Hilfe-Kenntnisse sich als nützlich erwiesen haben.“ Gerade als sie nachhaken wollte, was er damit meinte, fuhr er fort. „Jetzt verbringe ich viel Zeit in potenziell gefährlichen Gewässern und in Gebirgen und auf Gletschern, wie hier in der Antarktis. Verletzungen durch Korallen und Bisse und Stiche von Meerestieren oder Stürze und andere Verletzungen kommen trotz sorgfältiger Planung manchmal vor. Für den Fall sollte man wissen, wie man sich oder seine Begleiter behandeln muss.“

Jordan nickte, woraufhin er fluchte. „Halten Sie still. Ich trage jetzt den Wundkleber auf. Die Wunde ist ganz klein, also geht es schnell. Nicht bewegen!“

Sie wappnete sich gegen den Schmerz, der allerdings nicht eintrat. „Vielen Dank für alles. Ich … weiß Ihre Hilfe wirklich zu schätzen. Es wäre nicht einfach gewesen, die Wunde selbst zu versorgen.“

„Hoffentlich werde ich Ihre Hilfe nicht brauchen, Dr. Flynn, aber man weiß ja nie, stimmt’s?“ Zeke lächelte noch einmal charmant, bevor er aufstand und die Beine spreizte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. „Bleiben Sie noch einen Moment sitzen. Ich nehme die Sachen von der unteren Koje und befestige sie woanders, damit Sie darin schlafen können.“

Jordan wollte protestieren, denn einige Teile der Ausrüstung waren sehr empfindlich. Falls etwas kaputtging, würde es lange dauern, bis Ersatz mit einem anderen Schiff eintraf. Dann musste sie Zeke recht geben und vertraute darauf, dass er die Sachen gut befestigte. Offenbar lag es an dem Selbstvertrauen und der Stärke, die er ausstrahlte.

Außerdem durfte sie es nicht riskieren, noch einmal aus der oberen Koje zu fallen. Wenn das passierte, wäre sie womöglich nicht in der Lage, alles in der Krankenstation vorzubereiten, bevor das nächste Schiff eintraf.

„Danke noch mal.“

„Sie müssen sich nicht bedanken. Sie werden feststellen, dass wir hier alle ein Team sind.“

Nachdem er ihre Sachen erstaunlich schnell vom Bett genommen und an einer anderen Stelle gesichert sowie die Decke zurückgeschlagen hatte, kehrte Zeke zu ihr zurück. Da sie sich in der Ecke seltsam geborgen fühlte, wusste sie nicht, ob sie überhaupt zu dem Bett zurückkehren wollte. Doch es war vermutlich sein Bettzeug, das er geholt hatte und nun brauchen würde.

„Okay. Das Bett ist fertig.“

Als er sie wieder mitsamt dem Bettzeug hochheben wollte, protestierte sie: „Ich kann gehen.“

„Das glaube ich Ihnen. Aber warum sollten Sie, wenn Sie vermutlich noch wackelig auf den Beinen sind und ich hier bin?“

„Na gut … Ich gebe zu, dass mein Kopf wehtut und ich immer noch weiche Knie habe.“

„Schön, dass Sie so vernünftig sind.“

Kurzerhand hob Zeke sie hoch und trug sie zum Bett, wo er sie vorsichtig ablegte und zudeckte. Jordan musste lächeln, obwohl sie sich albern vorkam. „Ich fühle mich wie ein Kind, das Aua hat.“

„Soll ich einen Kinderreim aufsagen?“ Ebenfalls lächelnd sah er sie an, woraufhin ihr Herz schneller zu pochen begann.

Schließlich riss sie sich zusammen. „Nicht nötig, danke. Aber können Sie mir noch einen Gefallen tun?“

„Der wäre?“

„Meine Augenmaske liegt irgendwo in der Nähe der Tür auf dem Boden.“

„Augenmaske?“ Er lachte. „Ist sie mit Gurkenessenz gefüllt, damit Sie schön bleiben?“

„Sehr komisch. Auf Reisen ist sie sehr praktisch, also machen Sie sich nicht über mich lustig. Ich habe auch Ohrstöpsel aus Schaumstoff. Mit den beiden kann ich auf Reisen oder an seltsamen Orten besser einschlafen.“

„Kann ich mir beides mal leihen, um es auszuprobieren?“

Da seine Augen funkelten, musste sie wieder lächeln. „Klar. Ich habe immer Ersatz dabei.“

Nachdem er die Maske geholt hatte, setzte er sie ihr vorsichtig auf. „Schlafen Sie gut, Jordan Flynn.“

„Gute Nacht, Zeke.“ Regungslos lag Jordan da, bis sie die Tür klicken hörte.

Verdammt! Ja, sie könnte in Schwierigkeiten sein, aber auf keinen Fall würde sie sich in einen Typen wie Ezekiel Edwards verlieben. Sie war keine Frau für eine Affäre, und ihre nächste Beziehung wäre mit einem verlässlichen Mann, der mit ihr zusammen in einem perfekten kleinen Haus in einer schönen Gegend wohnen würde. Und der mit ihr einige Kinder bekommen würde, die regelmäßig ihre Verwandten sehen könnten und in der Nähe ihrer Freunde aufwachsen würden.

Die Antarktis war nicht der Ort, an dem sie diesen Mann finden würde, denn nur Männer wie Zeke reisten für ihre Arbeit um die ganze Welt, so, wie ihre Eltern es getan hatten.

Da sie nicht wusste, wo der andere Ohrstöpsel gelandet war, nahm sie den noch verbliebenen aus der Tasche und steckte ihn sich ins Ohr. Dann versuchte sie, Zeke aus ihren Gedanken zu verbannen, allerdings ohne Erfolg. Doch sobald sie auf der Forschungsstation eintrafen, hätte sie genau wie er alle Hände voll zu tun und würde ihm nur in ihrer Eigenschaft als Kollegin begegnen.

Davon war sie überzeugt. Auch wenn ihr Körper nach seinen Berührungen immer noch prickelte.

2. KAPITEL

Das Schiff rollte bis in die frühen Morgenstunden, und als der Sturm endlich nachließ, atmete Zeke erleichtert auf. Er schlief immer schlecht, egal, wo er war, und schätzte, dass Jordan auch nicht viel Schlaf bekommen hatte.

Als Captain John Stewart über Lautsprecher verkündete, dass alle nun zum Mittagessen die Kabinen verlassen könnten, bevor sie anlegten, konnte Zeke es nicht erwarten, an die frische Luft zu kommen. Im Flur blieb er jedoch stehen und fragte sich, ob es aufdringlich wäre, bei Jordan anzuklopfen und sie zu fragen, wie es ihr ging. Nein, vermutlich nicht, denn sie hatte eine Kopfverletzung.

Also klopfte er. „Jordan? Hier ist Zeke. Wie geht es Ihnen?“

„Gut.“ Ihre Stimme klang gedämpft, aber munter. „Danke noch mal für Ihre Hilfe.“

„Gern geschehen.“ Er schob die Hände in die Hosentaschen und überlegte, ob Jordan ihn hineinbitten würde. Einen Moment wartete er darauf, dass sie die Tür öffnete und er ihr hübsches Gesicht und ihre tiefblauen Augen sehen könnte. Als nichts passierte, wunderte und ärgerte er sich gleichermaßen darüber, dass er so enttäuscht war. Andererseits hätte es ihn wohl nicht überraschen dürfen, denn er hatte unter anderem deswegen die halbe Nacht wach gelegen, weil er an sie gedacht hatte. „Wir sehen uns.“

„Okay.“

Er verdrängte das seltsame Gefühl und ging an Deck, um tief durchzuatmen und mit einigen Leuten zu plaudern, die er kannte. Die Gespräche drehten sich hauptsächlich um die vergangene Nacht und darum, dass es einer der schlimmsten Stürme in der Drakestraße gewesen war, die sie je erlebt hatten. Schließlich ging er zur Brücke, um sich zu erkundigen, wann sie anlegen würden.

„Das Schiff hat heute Nacht ja ganz schön geschaukelt“, sagte er beim Eintreten zu John. „Vor zwei Tagen hast du noch gesagt, es würde wohl eine ruhige Fahrt werden.“

Dieser lachte, blickte allerdings weiter geradeaus. „Tut mir leid. Manchmal schlägt das Wetter innerhalb kürzester Zeit um. Aber wir machen jetzt zwanzig Knoten, und so wird es wohl auch bleiben, bis wir anlegen.“

„Sagt der Mann, der davon überzeugt war, dass wir keinen Wellengang haben werden.“ Zeke überlegte, ob er John erzählen sollte, dass Jordan aus der Koje geschleudert worden war. Andererseits brauchte John nicht nach ihr zu sehen, wenn er es selbst tun konnte.

„Na ja, es erfordert schon Größe, manchmal Irrtümer einzugestehen“, sagte John. „Und ich kann mit Stolz von mir behaupten, dass ich ziemlich groß bin.“

Zeke lachte, weil er wusste, dass John auf seine Leibesfülle anspielte. „Wann sind wir ungefähr da?“

„Ungefähr …“ John blickte auf die Anzeige und dann zum Horizont. „In fünfundvierzig Minuten.“

„So schnell? Dann haben wir ja keine Zeit mehr fürs Mittagessen.“

„Durch die Strömung und die günstigen Winde kommen wir schneller voran. Aber das Essen ist schon fertig, also teilen wir es an alle aus, die noch kommen.“ Der Kapitän zuckte die Schultern. „Es sind sowieso nur Sandwiches. Mehr konnte die Küchencrew bei dem Wetter nicht zubereiten, ich wusste ja nicht, wann der Sturm abflaut. Bei hohem Seegang Eier mit Speck zu essen ist ziemlich schwierig, das weißt du selbst.“

„Das klingt doch gut. Danke. Ich hole mir ein Sandwich, bevor ich meine Ausrüstung zusammenräume. Und danke für den wilden Ritt.“

„Jederzeit.“ Grinsend schüttelte John ihm die Hand. „Wir sehen uns dann wieder in … sechs Monaten?“

„Das ist jedenfalls der Plan, es sei denn, ich muss früher abreisen, damit mein nächstes Stipendium bewilligt wird. Bis dann.“

Da er erst jetzt merkte, wie hungrig er war, eilte Zeke in den Aufenthaltsraum. Am Vorabend hatte er nicht viel gegessen, denn bei Unwetter auf einem Schiff waren weder ein leerer noch ein voller Magen angeraten.

Als er daran dachte, wie er aus dem Schlaf geschreckt war, als er Jordans Aufprall und anschließenden Schrei hörte, hätte er am liebsten wieder nach ihr gesehen. Allerdings hatte sie deutlich gezeigt, dass sie es nicht wollte. Also beschloss er, ihr ebenfalls ein Sandwich mitzunehmen, denn vermutlich war sie auch sehr hungrig.

Doch als er den Aufenthaltsraum betrat, fiel sein Blick sofort auf die große, schlanke Frau mit dem glänzenden, dunklen schulterlangen Haar. Sie stand vor der Vitrine mit den Sandwiches, und sein Herz setzte einen Schlag aus. Anscheinend hatte er recht gehabt.

Zeke ging zu ihr und neigte den Kopf. „Mein Favorit ist das Reuben-Sandwich, aber Pute mit Speck ist auch lecker.“

„Ich hatte schon mit dem vegetarischen geliebäugelt, aber da sind rohe Zwiebeln drauf.“ Jordan rümpfte die Nase, woraufhin er lächeln musste.

„Ich bin ganz bei Ihnen. Rohe Zwiebeln auf einem Sandwich sind ein No-Go für mich.“

„Allerdings.“ Sie lächelte strahlend – zum ersten Mal, seit er ihr begegnet war. Ihre blauen Augen funkelten, und er entdeckte ein Grübchen in ihrer Wange. „Haben Sie eine Ahnung, wann wir anlegen?“

„Captain Stewart sagte eben, in ungefähr fünfundvierzig Minuten. Vorher würde ich mir noch gern Ihren Kopf ansehen. Wie fühlt er sich an?“

„Ehrlich? Er tut weh, und zwar viel mehr als heute Nacht. Aber das ist bei so einer Prellung und einer Platzwunde ja kein Wunder.“

„Gehen wir an Deck, damit ich es mir ansehen kann.“

„Alles gut.“

„Sie sagten gerade, es tut weh.“

„Als könnten Sie etwas dagegen tun. Es braucht nur Zeit zum Heilen.“

„Wenn Sie einen Patienten haben, der die Nachsorge verweigert, ist das für Sie also in Ordnung? Ich möchte mich nur vergewissern, dass die Wunde immer noch verschlossen ist.“ Zeke wusste nicht genau, warum ihre Sturheit ihn so frustrierte. Schließlich war Jordan Ärztin, und wenn sie sich selbst um ihre Wunde kümmern wollte, was ging es ihn an?

Vielleicht weil das dumpfe Geräusch mitten in der Nacht ihn aus den Albträumen aufgeschreckt hatte, die er manchmal hatte, und er immer noch ein wenig durcheinander war. War es nicht normal, sich zu vergewissern, dass es ihr wirklich gut ging?

Nachdem Jordan seinen Blick einen Moment lang erwidert hatte, seufzte sie schließlich übertrieben. „Na gut. Aber können wir bitte irgendwo hingehen, wo uns nicht alle ansprechen und fragen, was passiert ist?“

Er hatte also richtig mit seiner Vermutung gelegen, dass sie keine große Sache daraus machen wollte.

„Ich kenne einen geeigneten Ort.“

Fast hätte er ihre Hand genommen, doch sie hätte diese vertrauliche Geste sicher nicht geschätzt, obwohl sie sich in der Nacht unerwartet nahegekommen waren. Stattdessen ballte Zeke die Hand zur Faust und steckte sie in die Tasche. Die meisten Passagiere standen am Bug, denn man konnte die Antarktis in der Ferne schon sehen. Deshalb führte er Jordan zum Heck um eine Ecke, wo sie allein wären.

Als der Wind ihr das Haar ins Gesicht wehte, band Jordan es zu einem Pferdeschwanz zusammen. Zeke versuchte, sich nicht von ihren feinen Zügen ablenken zu lassen, die ihm schon in der Nacht im gedämpften Licht in der Kabine aufgefallen waren.

Nachdem er tief durchgeatmet hatte, umfasste er vorsichtig ihren Kopf und beugte ihn leicht nach vorn. Er strich das Haar zur Seite, um die Wunde zu begutachten. Offenbar hatte der Wundkleber gehalten, denn sie hatte nicht mehr geblutet.

„Sieht so aus, als würde es verdammt wehtun. Aber die gute Nachricht ist, dass die Wunde immer noch verschlossen ist. Also sollte es gut heilen, es sei denn, Sie stoßen sich wieder den Kopf.“

„Das Gefühl hatte ich auch, aber ich war mir nicht sicher.“ Jordan lächelte ein wenig schief, offenbar weil sie wusste, dass sie unnötig stur gewesen war. „Vielen Dank noch mal für Ihre Hilfe.“

Schockiert über den plötzlichen Drang, sie aufs Haar zu küssen, ließ Zeke die Hände sinken und wich einen Schritt zurück. „Ich frage den Kapitän, wann ich am besten nach unten gehen soll, um meine Sachen zusammenzusammeln, denn das dauert ein bisschen. Wenn ich Sie sehe, sage ich Ihnen Bescheid.“

„Gern. Danke.“

Plötzlich herrschte unbehagliches Schweigen. Zeke lächelte betont locker, bevor er zur Brücke ging, um noch einmal mit John zu reden. Er wünschte, er könnte sehen, ob sie ihm nachblickte. Wäre sie diejenige gewesen, die wegging, hätte sie jedenfalls seine Aufmerksamkeit gefesselt, bis sie außer Sichtweite gewesen wäre.

Jordan Flynn war eine Schönheit. Doch er hatte keine richtige Beziehung mehr geführt, seit er nach der schlimmsten Woche seines Lebens mit seiner letzten Freundin Schluss gemacht hatte, und das wollte er nie wieder erleben.

Nachdem John ihm grünes Licht gegeben hatte, ging Zeke in den Frachtraum, um die Kisten mit der Tauchausrüstung und allen anderen Dingen, die er brauchte, zu suchen. Wenn er seine Sachen als Erster verlud, würden diese auch mit den ersten Transportern in der Station eintreffen. So begann er, alle Kisten auf verschiedenen Wagen zu stapeln.

Als er den ersten Wagen zu den riesigen Ausgangstüren brachte, fiel sein Blick auf ein Pappschild. Darauf waren die Kisten mit der Ausrüstung für die Krankenstation aufgelistet.

Zeke zögerte. Sollte er Jordan helfen, indem er ihre Sachen ebenfalls auf den Wagen stapelte? Vielleicht wusste sie nicht, dass anderenfalls ein weiterer Tag vergehen konnte, bis die Ausrüstung in der Forschungsstation eintraf.

Schließlich schüttelte er den Kopf. Jemandem zu helfen, wenn man gebraucht wurde, war gut und schön – aber wann grenzte es an Einmischung? Nein, er hatte selbst genug Gepäck dabei. Es war die Aufgabe der Crew, Jordan zu helfen. Falls er ihr hier an Bord noch einmal begegnete, könnte er ihr den Ablauf erklären. Ansonsten würde er sich wie immer um seine eigenen Angelegenheiten kümmern und sich auf seine Arbeit konzentrieren.

Sobald das Schiff sich dem Festland näherte, eilte Jordan mit Dutzenden anderer Passagiere zum Bug, um die Aussicht zu bewundern. Es war so aufregend, die ersten Blicke auf den Ort zu erhaschen, den sie in den nächsten sechs Monaten ihr Zuhause nennen würde. Sie hatte so viele faszinierende Fotos von der Küste, den Eisbergen und den Meerestieren gesehen und konnte immer noch nicht fassen, dass sie dies alles jetzt kennenlernte.

Den eisigen Wind im Gesicht, umfasste sie die Reling und fragte sich, ob Zeke Edwards auch hier irgendwo an Deck stand. Warum sie ständig an ihn denken musste, konnte sie sich allerdings nicht erklären. Doch sie musste sich eingestehen, dass sie wünschte, er wäre jetzt bei ihr und würde mit seiner tiefen Stimme und seinem charmanten amerikanischen Akzent über diese Welt sprechen, die sie gleich betreten würde.

Starr betrachtete Jordan einen der unglaublich weißen Eisberge im Wasser, der auf einer Seite so blau schimmerte, dass es ihr den Atem nahm. Er wirkte ziemlich nahe, aber es war vermutlich eine optische Täuschung. Andere flache Eisberge, auf denen Robben lagen, trieben ganz in der Nähe vorbei. Sie wusste, dass es Dutzende von Spezies in der Antarktis gab. Wäre es nicht hilfreich, wenn ein gewisser Meeresbiologe mit warmen Augen und einem einnehmenden Lächeln ihr die hiesige Tierwelt näherbrachte?

„Hübsch, nicht?“

Ihr Herz setzte einen Schlag aus, um dann umso wilder zu pochen. Als hätte sie ihn mit ihren Gedanken heraufbeschworen, stand Zeke Edwards lächelnd und mit geneigtem Kopf neben ihr. Die kalte Luft tat ihr in der Lunge weh, als sie einatmete und sein Lächeln erwiderte, und plötzlich erschien ihr die Landschaft um sie herum noch überwältigender.

„Hübsch? Es ist unbeschreiblich.“

„Die Eisberge sind richtige Naturwunder. Einige sind so groß, dass man ihnen Namen gegeben hat und sie per Satellit überwacht. Captain Stewart umfährt den hier weiträumig, weil das Sonar nicht zeigt, ob er sich unter der Wasseroberfläche auch horizontal ausdehnt. Ich möchte ja nicht so enden wie die Passagiere der Titanic.“

„Ich möchte auch keinen größeren Unfall erleiden als den letzte Nacht. Im eiskalten Wasser unterkühlt man ganz schnell. Dann folgen Krämpfe, Bewusstseinstrübung, Organversagen. Und kurz darauf tritt der Tod ein. Ich möchte noch etwas mehr von der Antarktis sehen, bevor das passiert.“

Zeke lachte, und seine Augen funkelten amüsiert. „Geben Sie mit Ihrem Fachwissen an, Dr. Flynn?“

„Das mache ich bei jeder Gelegenheit.“

Als sie sich anlächelten, musste Jordan an das intime Gefühl in der vergangenen Nacht denken, und sofort klopfte ihr Herz wieder schneller.

„Freut mich zu hören. Ich frische meine medizinischen Kenntnisse immer gern auf.“ Als ihr eine Strähne, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatte, ins Gesicht wehte, steckte er sie unter ihre Kapuze. „Die gute Neuigkeit ist, dass Sie im Moment nicht von Unterkühlung bedroht sind. Das Schiff hat Rettungsboote, und in denen sind Überlebensanzüge aus Neopren. Im Falle eines Falles würden wir es also noch rechtzeitig an Land schaffen.“

„Dann muss ich mir jetzt ja keine Sorgen mehr machen.“ Wieder lachte er, und ihr wurde warm ums Herz. „Ich habe schon an vielen Orten auf der ganzen Welt gelebt, aber normalerweise in heißen Klimazonen. Der Tod durch Erfrieren ist etwas, das ich gern vermeiden möchte.“

„Und warum sind Sie so viel herumgekommen?“

„Meine Eltern sind beide Ärzte und arbeiten für eine internationale Organisation. Ich hatte eine interessante Kindheit und Jugend, aber ich bin froh, dass es vorbei ist. Ich habe nie erfahren, wie es ist, an einem Ort zu leben, jahrelang dieselben Freunde zu haben und in der Nähe meiner Großeltern und anderer Verwandten zu sein. Also freue ich mich darauf, irgendwo sesshaft zu werden.“

Seltsamerweise antwortete Zeke nicht, und seine Miene war ungewöhnlich ernst.

„Also“, fuhr Jordan fort, um das verlegene Schweigen zu brechen. „Reisen Sie viel für Ihre Arbeit?“

„Ja. Aber für einen Meeresbiologen und Klimatologen ist die Forschung in der Antarktis am spannendsten. Ich war schon dreizehn Mal hier.“

„Dreizehn Mal?“ Wow, der Mann war fast genauso wurzellos wie ihre Eltern. „Kommen Sie öfter als einmal im Jahr hierher?“

„Manchmal. Was wir hier über den Klimawandel lernen, ist von unschätzbarem Wert.“

„Zu meiner Schande muss ich zugeben, dass ich gar nicht genau weiß, was ein Meeresbiologe macht. Abgesehen davon, dass er das Meer erforscht.“

„Wir erforschen den Meeresboden und nehmen Proben. Sammeln Daten darüber, wie die Erwärmung und Versauerung der polaren Gewässer sich auf alle Lebewesen auswirkt, vom Plankton bis zum Pinguin.“

„Und die Klimaforschung?“

„Hängt damit zusammen, aber dazu gehören unter anderem Eisbohrungen. Normalerweise konzentriere ich mich bei jeder Reise entweder aufs Festland oder aufs Meer. Das Ziel ist, genug Daten zu gewinnen, um privaten Unternehmen und Regierungen vor Augen zu führen, dass einschneidende Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Erderwärmung zu verlangsamen.“

Der Ausdruck in seinen Augen verriet Leidenschaft, und Jordan fragte sich, aus welchen Beweggründen Zeke forschte. Doch gerade als sie ihn weiter fragen wollte, kam ein junger Mann und sprach sie an.

„Entschuldigung. Sind Sie Dr. Flynn?“

„Ja.“

„Captain Stewart hat mich gebeten, Ihre Ausrüstung auf die Wagen zu laden. Ich soll Ihnen dabei helfen, sie vom Schiff auf den Shuttle zu verladen. Sobald wir anlegen, geht sie in den Frachtraum des Transporters.“

Jordan hatte gehofft, im Frachtraum wären einige Crewmitglieder, die ihr beim Verladen ihrer Ausrüstung auf die Wagen helfen konnten. Zu hören, dass schon alles fertig war, überraschte und freute sie gleichermaßen.

„Oh, vielen Dank. Sollte ich Sie unten treffen?“

„Ja, Ma’am. Sie finden mich an Tür drei.“

Nachdem der junge Mann gegangen war, wandte Jordan sich wieder an Zeke. „Wow, das ist ja eine nette Überraschung! Ich wusste nicht, wie viel Hilfe ich bekommen würde. Ich habe wirklich eine Menge Sachen dabei. Ich muss mich bei Captain Stewart bedanken, weil er daran gedacht hat.“

„Er wird sich bestimmt freuen.“

Irgendetwas am Ausdruck in seinen Augen und der Art, wie er auf den Füßen hin und her wippte, die Hände in den Taschen, kam ihr seltsam vor, und plötzlich wusste sie, warum.

„Sie waren das, stimmt’s? Sie haben ihn gebeten, mir zu helfen!“

„Nein. Ich habe Captain Stewart gebeten, zu fragen, wer Ihnen zur Hand gehen kann.“

„Ich möchte keine Sonderbehandlung, nur weil ich eine Frau bin. Es ist mein Job …“

„Jordan. Manchmal ist es gut, eigenständig zu sein, manchmal kann man sich auch helfen lassen. Und es hat nichts damit zu tun, dass Sie eine Frau sind.“ Zeke sah ihr in die Augen. „Vertrauen Sie auf meine Erfahrung. Wenn man seine Sachen nicht beim ersten Mal vom Schiff runterbekommt, wartet man mindestens einen Tag darauf. Und da Sie das nicht wussten und die Krankenstation bestimmt so schnell wie möglich einrichten wollen, dachte ich, ich beschleunige das Ganze ein bisschen, damit Sie im Notfall fertig sind.“

Jordan war frustriert und dankbar zugleich. Sie musste die Krankenstation so schnell wie möglich einrichten – zum einen, weil sie alle, die mit ihr eintrafen, ärztlich untersuchen musste, zum anderen für etwaige Notfälle, wie Zeke ganz richtig festgestellt hatte. Allerdings schien es ihr, als wäre er etwas kontrollsüchtig.

Sie atmete tief durch. „Das weiß ich zu schätzen, und offen gestanden, freue ich mich, alles schnell dort zu haben. Aber es wäre nett gewesen, wenn Sie mir Bescheid gesagt hätten, denn dann hätte ich die Crew um Hilfe bitten können. Die Leute sollen wissen, dass ich als Ärztin der Forschungsstation hier mit allem fertigwerde.“

„Entschuldigen Sie, dass ich nicht zuerst mit Ihnen gesprochen habe.“ Nun schüttelte er ihr die Hand, und selbst durch den dicken Handschuh übertrug sich seine Körperwärme auf sie. „Viel Erfolg beim Aufbau der Klinik – das ist wirklich eine große Aufgabe. Und lassen Sie sich von Ihrem Hang zur Eigenständigkeit nicht davon abhalten, mich oder andere um Hilfe zu bitten, okay? Wir sehen uns.“

Jordan blickte ihm nach, als er die Metalltreppe hinunterlief, vermutlich zum Frachtraum, um seine Sachen zu verladen.

Was hatte dieser Mann nur an sich, dass sie in seiner Nähe so angespannt war? Er brachte sie aus der Fassung, und sie fühlte sich stark zu ihm hingezogen, was natürlich lächerlich war.

Jordan atmete tief durch. Es hatte keinen Sinn, Gefühle für ihn zu entwickeln. Er führte genau das Leben, das sie hinter sich gelassen hatte. Sie machte diese Reise, weil sie Patienten versorgen und die Erfindung ihrer Eltern testen wollte, oder nicht? Wenn irgendwann der Zeitpunkt kam, an dem sie sich für einen Mann interessieren wollte, dann würde es zu Hause in London passieren. Punkt.

3. KAPITEL

Nachdem er erfahren hatte, dass man die gesamte Tauchausrüstung überprüft und für voll funktionsfähig befunden hatte, veranlasste Zeke, dass im Aquariumraum alles aufgebaut und installiert wurde, was er und die anderen Meeresbiologen für ihre Proben brauchten. Das hatte er in der Antarktis noch nie tun müssen, denn bisher waren alle Forschungsstationen schon fertig eingerichtet und in Betrieb gewesen.

Doch die Fletcher-Forschungsstation war nagelneu, und während es einerseits viel Arbeit bedeutete, ganz von vorn anzufangen, bot es ihm auch die Chance, etwas Besseres zu schaffen. So machte er sich an die Arbeit und verbrachte zuerst Stunden damit, das Aquarium einzurichten und anzuschließen. Irgendwann machte er eine Pause und streckte sich, erfreut, weil er so gut vorankam.

„Schön, dass du schon so weit bist. Dann muss ich dir nicht mehr helfen.“

Zeke blickte zur Tür und sah Bob Shamansky, der für dieselbe Universität im Süden Kaliforniens tätig war wie er. Er hielt einen Karton in den Armen.

„Normalerweise ist es doch genau andersrum“, konterte Zeke. „Ich muss dir wer weiß was vom Meeresboden mitbringen, damit du es untersuchen kannst. Du solltest endlich tauchen lernen, damit du es selbst machen kannst.“

„Warum sollte ich tauchen lernen, wenn ich Leute wie dich habe, die es für mich tun?“ Grinsend stellte Bob den Karton auf einem der langen Tische an der Außenwand ab. „Außerdem ist das Tauchen doch dein Lieblingspart an deinem Job.“

„Einer meiner Lieblingsparts, stimmt. Du weißt gar nicht, was dir entgeht.“

„Ich bleibe im Labor, und ihr Machos könnt im dunklen, eiskalten Wasser tauchen – vielen Dank auch.“

„Ich habe übrigens von deinem letzten Durchbruch mit dem Medikament gegen neurologische Störungen gelesen, das du durch Halogene im Meereswasser gewonnen hast. Gratuliere.“

„Danke. Ja, das freut mich wirklich. Ich habe ungefähr fünf Jahre von der Entwicklung bis zur Zulassung gebraucht. Deine Proben haben auch dazu beigetragen, also gratuliere ich dir auch.“

Das war eine weitere Erinnerung daran, warum die Arbeit, die sie alle hier machten, so wichtig war, und seine Müdigkeit verflog, als Zeke mit dem Aquarium fortfuhr. „Und was soll ich diesmal für dich holen?“

„Das sage ich dir, wenn wir alles eingerichtet haben. Diese Studie ist etwas ganz Neues, und ich bin ziemlich aufgeregt.“

„Was bedeutet, dass du mir ziemlich knifflige Aufgaben stellst.“ Zeke grinste. „Soll ich dir beim Reintragen helfen?“

„Ein Crewmitglied geht mir unten in der Lagerhalle zur Hand, und nach der Schneemobilschulung hilft er mir dabei, alles hierherzutransportieren. Ich glaube, das Training findet in einer Stunde statt. Lust auf ein Wettrennen?“

„Dann bekommen wir Ärger mit dem Stationsleiter, weil wir ein schlechtes Vorbild für die Neuankömmlinge sind.“

„Verdammt! Da wir bald rund um die Uhr Tageslicht haben, können wir nicht mehr im Dunkeln fahren. Das Risiko, in eine Gletscherspalte zu fallen, ist ein ganz schöner Nervenkitzel.“

„Sagt der Mann, der nicht mal tauchen geht. Du hast nur eine große Klappe, Shamansky.“

„Stimmt. Ich bin absolut risikoscheu.“ Bob klopfte ihm auf den Rücken. „Ich hole jetzt meinen Wagen. Wir sehen uns nachher bei der Schulung.“

„An dem blauen Hut über der Sturmhaube erkennt man dich sofort.“

„Ich habe ihn dieses Jahr gegen den orangefarbenen getauscht. Und gegen noch etwas. Aber du musst zum Training kommen, um herauszufinden, was es ist.“

Bob verließ den Raum, und Zeke lachte kopfschüttelnd, bevor er mit seiner Arbeit weitermachte. Als er in den Plastikbehältern wühlte, stellte er fest, dass einige der benötigten Schläuche und Filter fehlten. Ein großer Teil seiner Ausrüstung befand sich noch in der Lagerhalle, aber einige der Boxen standen unter seinem Bett.

Er blickte auf die Uhr. Da sein Zimmer sich ungefähr auf halbem Weg zwischen dem Aquariumraum und der Stelle befand, an der sie mit dem Schneemobil üben würden, konnte er dort nachsehen, um auf dem Rückweg Zeit zu sparen. Also machte er sich auf den Weg über eine geschlossene hohe Brücke, die dieses Gebäude mit dem Komplex B verband, in dem er einquartiert war. Anschließend ging er einen Flur entlang, bis er sein kleines Zimmer fand. Mit einem Bett, einem kleinen Tisch, den er als Schreibtisch nutzte, sowie einem Einbauschrank war es ganz komfortabel. Zum Glück, denn es würde für die nächsten sechs Monate sein Zuhause sein.

Zuhause. Zeke versuchte, nicht an das Zuhause zu denken, in dem er aufgewachsen war. Das nicht mehr existierte, genauso wenig wie seine Eltern. Oder die anderen beiden Menschen, die er geliebt und die ihn nach dem Tod seiner Eltern aufgezogen hatten. Sein Zuhause – wenn man es so nennen konnte – war jetzt San Diego.

Doch es hatte keinen Sinn, sich wieder den Kopf darüber zu zerbrechen. Er hatte aus jenem schrecklichen Ereignis alles über sich gelernt, was er wissen musste, und würde es niemals vergessen.

Zeke zog das Rollo vor dem kleinen Fenster hoch, um den Blick über die Eisfelder draußen schweifen zu lassen. In den Sommermonaten, in denen fast rund um die Uhr die Sonne schien, waren die Verdunkelungsrollos unerlässlich, damit man überhaupt schlafen konnte. Er schlief ja schon schlecht, wenn es dunkel war. Schließlich musste er wieder an Jordan Flynn und ihre Augenmaske denken und lächelte unwillkürlich.

Zeke wandte sich vom Fenster ab und nahm die Dinge aus den Boxen, die er brauchte. Dann zog er den roten Schneeanzug an, den alle bekommen hatten, und machte sich auf den Weg zum Schneemobiltraining. Die Aussicht auf ein Wiedersehen mit Jordan beschwingte ihn und ließ ihn schneller gehen.

Jordan stand neben den großen Schneemobilen, die sie an schwere Motorräder erinnerten. Da sie an so vielen unterschiedlichen Orten gelebt hatte, verfügte sie vermutlich über mehr Erfahrung im Umgang mit den verschiedensten Fahrzeugen als die meisten anderen Menschen und sollte sich auch schnell mit einem Schneemobil vertraut machen.

Aus den Augenwinkeln nahm sie eine große Gestalt wahr, die sich näherte. Obwohl diese denselben roten Schneeanzug wie alle anderen hier trug, wusste sie, dass es Ezekiel Edwards sein musste. Sie krauste die Stirn, weil ihr Herz sofort schneller pochte. Und als sein Blick ihrem begegnete und ein Lächeln seine Lippen umspielte, schien es die eiskalte Luft zu wärmen.

„Bereit für die Einweisung?“, fragte er. „Sind Sie schon einmal mit einem Schneemobil gefahren?“

„Bis jetzt bin ich nur Motorräder und Roller gefahren. Ich sagte Ihnen ja, dass ich überwiegend in heißen Klimazonen gelebt habe, von England einmal abgesehen. Ich schätze, ein Schneemobil fährt sich nicht viel anders als ein Jetski?“

„Es ist ähnlich, ja. Sie müssen nur aufpassen, dass Sie nicht über Gletscherspalten fahren und es riskieren hineinzufallen oder zu dicht ans Schelfeis fahren und ins eiskalte Wasser stürzen. Dann sterben Sie nämlich den Tod, von dem Sie gesprochen haben.“

„Sie machen nur Witze.“

„Was glauben Sie denn, wozu die Einführung gut ist? Alle hier müssen wissen, wie sie sich am sichersten fortbewegen können, vor allem wenn man Feldforschung betreibt.“

„Na, dann freue ich mich, dass Anfänger wie ich eingewiesen werden.“

„Ich würde Ihnen ja Hilfe anbieten, aber ich weiß, wie Sie darauf reagieren. Ich möchte Sie nicht wieder gegen mich aufbringen.“ Nun lächelte er noch strahlender. „Viel Erfolg und viel Spaß.“

Jordan beobachtete, wie Zeke zu einem der Schneemobile ging und sich geschmeidig daraufschwang. Sekunden später heulte der Motor auf. Sie riss sich zusammen, denn bei jeder Begegnung schien er sie in einen Trancezustand zu versetzen. Sie atmete erleichtert auf, als die Einweisung begann und sie sich auf etwas anderes konzentrieren konnte.

Erleichtert, dass sie es ohne Weiteres geschafft hatte, den Motor zu starten, fuhr Jordan los. Sie war schon immer gern Motorrad oder Motorroller gefahren, und das hier machte sogar noch mehr Spaß. Die kalte Luft prickelte im Gesicht, als sie über das Eisfeld brauste und das Schneemobil um die orangefarbenen Pylonen herumsteuerte. Schon jetzt wusste sie, dass sie das Schneemobil bei ihren Exkursionen als Transportmittel bevorzugen würde.

Nachdem sie es an den Nächsten übergeben hatte, ließ sie den Blick zu Zeke schweifen, der gerade den Parcours absolvierte. Seine routinierte Fahrweise bewies, dass er sehr erfahren war, was Jordan nicht überraschte, weil er seinen Worten zufolge schon dreizehn Mal in der Antarktis gewesen war. Das war eine erstaunliche Zahl, denn er konnte nicht viel älter als Mitte dreißig sein. Sicher war er oft zweimal im Jahr hierhergereist, es sei denn, er war schon als Student hergekommen.

Kurz darauf hielt er neben ihr und schenkte ihr sein gewinnendes Lächeln. „Bereit für die nächste Übungseinheit?“

„Ja. Es macht richtig Spaß.“

„Der nächste Teil macht nicht so viel Spaß und ist viel schwieriger, aber sehr wichtig für den Fall, dass man sich von der Station entfernt.“

Dann blickte er an ihr vorbei, und als er lachte, wandte Jordan sich um und sah einen Mann mit einem orangefarbenen Zylinder sowie einem Schal mit Eisbärmuster.

„Sehr schick, Bob!“, rief Zeke. „Aber dir ist sicher klar, dass einige der Neulinge jetzt damit rechnen, dass sie hier Eisbären sehen.“

Der Mann namens Bob lachte ebenfalls und hob den Daumen, bevor er sich lächelnd an Jordan wandte. „Bob Shamansky. Er arbeitet für dieselbe Uni wie ich.“

„Der Hut würde Ihnen auch stehen“, sagte sie zu Zeke. Allerdings konnte sie ihn sich nicht mit einem Zylinder vorstellen, weil er so maskulin und weltgewandt wirkte. „Aber jeder, der zum Arbeiten hierherkommt, sollte wissen, dass es nur am Nordpol Eisbären gibt.“

„Sie würden sich wundern.“ Zeke stieg vom Schneemobil herunter und nahm ein Paar Skier, das in der Nähe lag, um es an das Fahrzeug zu lehnen. „Bob ist Biochemiker und entwickelt neue Medikamente. Vielleicht haben Sie Lust, sich mal mit ihm auszutauschen, Dr. Flynn.“

„Wirklich? Ich weiß, dass man die Meeresflora und – fauna hier für die Entwicklung nutzen kann. Das ist sehr interessant.“

„Ja, auf jeden Fall! Und nun zum schwierigen Teil der Unterrichtseinheit.“ Zeke nahm zwei Seile aus einer der großen Boxen an der Seite und reichte sie dem Stationsleiter Chip Chambers, der die Einführung machte, während sich alle um sie versammelten.

„Okay“, begann dieser. „Man muss wissen, dass in den Eisfeldern überall Gletscherspalten sind. Diejenigen von uns, die schon oft hier waren, haben Erfahrung, woran man sie erkennt. Aber wenn sie mit Schnee bedeckt sind, ist es viel schwieriger.“

„Und woran erkennt man sie dann?“, fragte ein Mann.

„Man kann sie nicht immer erkennen. Und deshalb achten wir darauf, dass die Neulinge immer einen erfahrenen Mitarbeiter an der Seite haben. Wir haben verschiedene Pläne für den Notfall.“ Chip hielt die Seile hoch und begann dann, sie an das Schneemobil zu binden. „Wir binden sie hinten fest … Genau so, stellen den Gashebel auf niedrige Geschwindigkeit und laufen dahinter Ski. Wenn das Schneemobil in eine Gletscherspalte fällt, muss man die Seile losbinden und einfach loslassen.“

„Ich weiß nicht genau, was Sie meinen“, sagte ein anderer Mann.

„Ich zeige es Ihnen.“ Chip setzte sich seitlich auf das Schneemobil, schnallte die Skier an und setzte das Schneemobil zu Jordans Überraschung in Bewegung, sodass es die Seile hinter sich herzog. „Hier ist ein Notschalter. Wenn man stürzt, während man dahinter Ski läuft, betätigt man ihn, um das Schneemobil zu stoppen. Sobald es sich in Bewegung setzt, steht man auf und nimmt die Seile … So … Und lässt sich ziehen.“

Während Jordan zusammen mit den anderen beobachtete, wie er aufstand und sich dann vom Schneemobil ziehen ließ, schien es ihr, als würde er es absichtlich einfach aussehen lassen. Einer der jungen Männer – ein Typ, der ihr erzählt hatte, dass er in der Küche arbeitete – meldete sich zu ihrer Erleichterung freiwillig, denn sie wollte nicht die Erste sein und möglicherweise stürzen.

„Okay“, sagte Chip, der inzwischen zurückgekehrt war. „Skier anschnallen, Geschwindigkeit einstellen, aufstehen und die Seile in die Hand nehmen und sich ziehen lassen. Bereit?“

„Bereit.“

Der junge Mann machte alles genau so, wie Chip es vorgeführt hatte, und es sah aus, als würde alles gut laufen. Dann gab er jedoch zu viel Gas, sodass das Schneemobil sich zu schnell in Bewegung setzte und er stolperte, als er die Seile greifen wollte. Jordan atmete scharf ein, als er auf dem harten Eis zu Boden ging und ein Stück mitgeschliffen wurde, bevor er die Seile losließ.

„Verdammt!“ Zeke rannte hinter dem Schneemobil her, das weiterfuhr, während Jordan und der Stationsleiter zu dem jungen Mann eilten, der sich den Arm hielt und sich im Schnee wälzte.

Sie kniete sich neben ihn. „Sagen Sie mir, wo es wehtut“, forderte sie ihn auf.

„Mein Arm. Die Schulter. Verdammt, ich glaube, sie ist gebrochen.“

„Vielleicht nicht. Wir werden sehen. Aber wir müssen reingehen. Hier draußen ist es zu kalt zum Ausziehen. Wie heißen Sie?“

„Pete. Pete Sanders.“

„Können Sie laufen, Pete?“

„Ich … Ja.“

„Mist! Tut mir leid“, entschuldigte sich Chip. „Aber bei Dr. Flynn sind Sie in guten Händen.“

Zwei andere Männer, die an der Einweisung teilgenommen hatten, kamen zu ihnen, um dem jungen Mann beim Aufstehen zu helfen und sie zum Gebäude zu begleiten. Nach wenigen Augenblicken holte Zeke sie ein.

„Bleib du hier, ich übernehme für dich, Chip.“

„Danke. Ich sehe nach Ihnen, sobald ich hier fertig bin, Pete.“

Chip kehrte zu den anderen zurück, und Zeke stützte Pete und sah dabei Jordan an. „Wo ist er verletzt?“

„Das werde ich gleich feststellen. Am Arm oder an der Schulter.“

„Bringen wir ihn in die Krankenstation? Ist sie schon fertig eingerichtet?“

„Meinen Sie das ernst, Mister Sanitäter?“ Jordan lächelte. „Es ist noch nicht alles fertig, aber ich kann schon Patienten behandeln. Allerdings müssen Sie nicht mitkommen.“

„Vielleicht kann ich Ihnen ja helfen, da Sie dort allein sind, bis das nächste Schiff eintrifft.“

„Das weiß ich zu schätzen.“ Und das tat sie. Natürlich konnte sie einen Bruch oder eine Verrenkung allein behandeln, aber jemand, der ihr assistierte, wäre eine große Hilfe, zumal sie noch keine Arzthelferin hatte.

„Das war ja ein ziemlich aufregendes Manöver, Pete. Schade, dass ich es nicht gefilmt habe“, bemerkte Zeke, während er Pete weiter stützte.

Dieser lachte matt. „Ja. Das werde ich wohl noch lange zu hören bekommen.“

„Dafür bekannt zu sein, dass man bei der Einweisung einen Unfall gebaut hat, ist besser, als wenn niemand weiß, wo man steckt, stimmt’s? Außerdem ist es eine gute Art, sich den Frauen hier in der Forschungsstation vorzustellen, denn alle werden Sie jetzt bemitleiden und sich nach Ihnen erkundigen.“

„So kann man es natürlich auch sehen. Danke dafür.“

„Keine Ursache.“

Zeke grinste Pete an, und Jordan musste ebenfalls lächeln, weil er diesen von seinen Schmerzen ablenkte, was zweifellos seine Absicht gewesen war.

Während sie langsam durch das lange Gebäude gingen, erwies Zeke sich tatsächlich als große Hilfe. Unter anderem wusste er, wo sich der Aufzug befand, sodass sie keine Treppen steigen mussten.

„Okay, ziehen wir Ihnen die Jacke und das Hemd aus“, verkündete Jordan, nachdem sie Pete auf die Untersuchungsliege verfrachtet hatten. Vorsichtig streiften Zeke und sie ihm erst die Jacke und anschließend sein Flanellhemd ab, unter dem er ein ziemlich enges Langarmshirt trug.

„Ich sage es nur ungern, aber wir müssen das Shirt aufschneiden. Wenn wir versuchen würden, es Ihnen über den Kopf zu ziehen, könnte es ziemlich schmerzhaft werden. Okay?“

„Auch das noch. Ich habe für das ganze Jahr nur einen Seesack mit Klamotten dabei. Aber es ist okay.“

„Ich hole eine Schere und übernehme das, Dr. Flynn“, erbot sich Zeke. „Und keine Angst, Pete, wir können uns jederzeit Sachen hierherschicken lassen. Es dauert nur ein bisschen, bis sie eintreffen.“ Nachdem er eine Schere geholt hatte, schnitt er das Shirt geschickt auf und hatte es Pete zu Jordans Überraschung schnell abgestreift. Auch wenn er ausgebildeter Sanitäter war, wandte er seine Kenntnisse sicher nicht oft an.

Langsam tastete sie nun Petes Arm, Ellbogen und Schulter ab, und als dieser schließlich aufschrie, sah sie Zeke an.

„Ich schätze, die Schulter ist luxiert, meinen Sie auch?“, fragte er.

Das hatte sie vorher auch vermutet, und ihre Untersuchung hatte es bestätigt. Jordan nickte. „Sehr wahrscheinlich. Das ist schmerzhaft, aber immer noch besser als ein Bruch. Ich hole das mobile Röntgengerät, um sicherzugehen. Spüren Sie Taubheitsgefühl oder ein Prickeln im Arm, Pete? Können Sie ihn bewegen?“

„Ich kann ihn kaum bewegen. Taub ist er auch und tut verdammt weh.“

„Wie würden Sie den Schmerz auf einer Skala von eins bis zehn einordnen?“

„Acht. Oder neun.“ Pete verzog das Gesicht.

„Okay. Ich bin gleich wieder da.“ Jordan holte das Röntgengerät, und nachdem sie Pete und sich eine Bleischürze angelegt und Zeke ebenfalls eine gegeben hatte, machte sie zwei Aufnahmen. Zeke stand hinter ihr, um über ihre Schulter einen Blick auf den Monitor zu werfen. Er wirkte so groß und machte sie schrecklich nervös, denn sein maskuliner Duft stieg ihr in die Nase, und sein Atem fächelte ihr Ohr. Entsetzt über sich selbst, versuchte sie nicht daran zu denken, wie nahe er ihr war und wie stark sie immer auf ihn reagierte. Stattdessen konzentrierte sie sich auf ihre Diagnose.

„Ja, die Schulter ist tatsächlich luxiert, also ausgekugelt, aber der glenohumerale Ligamentkomplex ist nur angerissen. Das ist der Gelenkkopf zwischen Ihrem Schulterbein und dem Oberarmknochen. Sehen Sie?“ Sie deutete auf das Röntgenbild. „Ich werde sie wieder einrenken.“

„Ist es dann wieder in Ordnung?“, fragte Pete.

„Das Schultergelenk wird noch für eine Weile empfindlich sein, und Sie müssen eine Schlinge tragen, um sie zu schonen und damit die Bänder heilen. Und ja, dann ist alles wieder gut. Aber Sie müssen aufpassen, dass Sie sich nicht wieder an der Schulter verletzen. Ich gebe Ihnen ein Muskelrelaxans und ein Schmerzmittel, damit es nicht so wehtut.“

„Soll ich die Medikamente raussuchen?“, fragte Zeke.

„Das wäre toll. Allerdings ist alles völlig durcheinander. Ich hatte die Sachen sortiert, aber dieses verrückte Erdbeben in der Drakestraße hat alles durcheinandergewürfelt, genau wie mich. Sie müssen also danach suchen.“

Das Funkeln und die Wärme in seinen braunen Augen bewiesen ihr, dass auch er an die Nacht dachte, und sie hatte ein seltsames Gefühl im Bauch, als sie sein Lächeln erwiderte.

Entgeistert sah Pete sie an. „Es gab ein Erdbeben? Als wir auf dem Schiff waren?“

„Nein, nein.“ Das Blut stieg ihr ins Gesicht, als Jordan bewusst wurde, dass sie im Begriff war, mit Zeke zu flirten, was sie auf keinen Fall wollte. Zumal es ihr viel zu viel Spaß machte. „Das war nur ein Scherz zwischen Dr. Edwards und mir.“

„Dr. Flynn scheint genauso unfallgefährdet zu sein wie Sie, Pete. Aber hoffentlich verunglückt sie nicht, wenn sie Ihre Schulter einrenkt.“

„Das ist auch nur Spaß, Pete.“ Stirnrunzelnd blickte Jordan Zeke an. In Gegenwart von Patienten Witze zu machen war gut und schön, aber er durfte Pete nicht den Eindruck vermitteln, dass sie nicht wusste, was sie tat.

Zum Glück wirkte Pete jedoch nicht entsetzt, sondern lachte. Nachdem Jordan ihn nach seinen Daten gefragt hatte, gab sie diese im Computer ein. Dann fasste sie ihre Diagnose, das Ergebnis der Röntgenuntersuchung und ihren Behandlungsplan zusammen, während Zeke die Medikamente heraussuchte und Wasser holte, um es Pete zu geben. Sie war wirklich froh, dass er sie begleitet hatte.

Sobald die Tabletten wirkten, stellte sie sich neben Pete und umfasste seinen Arm und seine Schulter. „Sind Sie bereit? Es wird wehtun.“

Zeke nahm seine andere Hand. „Halten Sie sich an mir fest. Ich helfe Ihnen, es durchzustehen.“

Pete nickte und presste die Lippen zusammen, und Jordan beobachtete, wie er Zekes Hand so fest drückte, dass es unangenehm sein musste. Sie konzentrierte sich darauf, das ausgekugelte Schultergelenk wieder einzurenken, was ihr schließlich auch gelang. „Fertig! Das war gar nicht so schlimm, stimmt’s?“ Sie trat von der Liege zurück und lächelte ihren Patienten an, der daraufhin tief durchatmete.

„Doch, es hat verdammt wehgetan. Aber es fühlt sich jetzt schon viel besser an.“

„Gut. Ich hole Ihnen jetzt eine Schlinge. Also sitzen Sie still, bis wir Ihren Arm fixiert haben. Ich …“

„Ich habe eine aus dem Lagerraum mitgebracht“, verkündete Zeke und hielt die Schlinge hoch. „Ich lege sie an.“

Ohne auf ihre Antwort zu warten, legte er Pete die Schlinge an. Jordan wollte ihm erst Anweisungen geben, überlegte es sich dann jedoch anders. Offenbar wusste er genau, was er tat. Und offenbar hatte er auch gern das Sagen, selbst wenn es gar nicht der Fall war. Allerdings wollte sie sie sich nicht beschweren, denn er war Pete und ihr eine große Hilfe.

Da sie nur dastehen und zusehen konnte, ertappte sie sich dabei, wie sie seine langen Wimpern betrachtete. Und dann seine Augen, die aufblitzten, als er Pete zum Lachen brachte.

Der Mann war einfach zu charmant – und obendrein attraktiv. Sie wollte sich nicht von ihrer Arbeit oder von den Tests für ihre Eltern ablenken lassen. Deshalb würde sie sich nicht von einem Typen in Versuchung führen lassen, der all das verkörperte, was sie sich nicht für ihre Zukunft wünschte. Und seine verführerischen braunen Augen und sein Lächeln änderten nichts daran.

„Pete, ich möchte, dass Sie übermorgen wiederkommen und berichten, wie es Ihnen geht. Ich gebe Ihnen Schmerztabletten mit.“ Nachdem Jordan die Dosierung auf einen Zettel geschrieben hatte, reichte sie Pete diesen zusammen mit dem Medikament. „Und es tut mir leid, aber in den nächsten zwei Wochen dürfen sie weder Schneemobil fahren noch sonst irgendetwas tun, wobei sie Ihren Arm oder Ihre Schulter belasten. Ich schlage vor, dass Sie sich heute erst mal eine Weile ausruhen, bevor sie mit Ihrer Arbeit weitermachen.“

„Mache ich. Danke.“

Nachdem er ihr zugenickt und Zeke die Hand geschüttelt hatte, verließ Pete den Raum, sodass sie allein waren. Wieder blickten sie sich an, und sofort knisterte es zwischen ihnen. Um sich abzulenken, wandte Jordan sich ab und nahm das Papier von der Untersuchungsliege. Nachdem sie es zusammengeknüllt und in den Mülleimer getan hatte, warf sie Zeke einen betont gleichgültigen Blick zu, in der Hoffnung, die spannungsgeladene Atmosphäre zu entschärfen.

„Sie … können hervorragend mit Patienten umgehen“, brachte sie hervor. „Ich bin beeindruckt, weil Sie nicht einmal gezuckt haben, als er Ihre Hand fast zerquetscht hätte.“

„Im Laufe der Jahre habe ich viele Verletzte versorgt. Einem Menschen, der Schmerzen hat, die Hand zu reichen ist das Mindeste, was ich tun kann.“

„Ich schätze, Sie gehen jetzt wieder zur Einweisung?“

„Nein. Sie ist fast zu Ende, und es gibt genug Leute, die den Anfängern helfen können, falls nötig.“

Zeke stand einfach nur da, die Hände in den Hosentaschen, und wippte ein wenig auf den Füßen hin und her. Sein unergründlicher Gesichtsausdruck ließ ihr albernes Herz wieder wie wild pochen und nahm ihr den Atem.

„Gut, wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden … Ich muss mit der Arbeit anfangen. Ich muss noch eine Menge organisieren, bevor mehr Mitarbeiter hier eintreffen, denn sobald das der Fall ist, werde ich einige der Wissenschaftler bitten, beim Tauchen die von meinen Eltern entworfenen Ohrstöpsel zu testen, die unter Wasser für besseren Druckausgleich sorgen sollen.“

Verblüfft zog er die Brauen hoch. „Was? Was meinen Sie?“

Angesichts seines schockierten Gesichtsausdrucks wurde ihr klar, dass sie früher mit ihm über die Ohrstöpsel hätte reden sollen, weil er hier im Rahmen seiner Arbeit auch tauchen würde. Warum hatte sie es nicht getan? Schließlich war sie unter anderem deshalb in die Antarktis gereist. Und wer eignete sich besser als Testperson als er?

„Meine Eltern haben Ohrstöpsel entwickelt, mit denen sie Probleme mit Barotraumen auszumerzen oder zumindest zu reduzieren hoffen. Ich bin eine erfahrene Taucherin und werde sie hier testen und suche außerdem Freiwillige, die mitmachen.“ Jordan befeuchtete sich die Lippen. „Haben Sie Interesse daran, bei dem Versuch mitzuwirken und ab und zu mit mir tauchen zu gehen?“ Sie wusste, dass sie viel mehr Zeit mit Zeke verbringen würde, wenn er jetzt Ja sagte.

4. KAPITEL

Völlig verblüfft starrte Zeke sie an. Hätte Jordan ihm gesagt, sie sei eigentlich keine Ärztin, wäre er nicht weniger überrascht gewesen. „Sie tauchen?“

„Ja. Es ist das Hobby meiner Eltern. Oder vielmehr ihre Leidenschaft, gleich nach der Medizin. Ich habe Ihnen ja erzählt, dass sie in Krankenhäusern auf der ganzen Welt gearbeitet haben, und ich bin in meiner Kindheit und Jugend viel mit ihnen getaucht. Mein Dad hat vor seinem Medizinstudium Biomedizintechnik studiert und ist eine Art Amateurerfinder. Meine Mutter liebt die Unterwasserfotografie und hat auch schon Fotos an große Magazine verkauft. Ich versuche mich auch darin, aber mir fehlt das künstlerische Auge.“

Es dauerte einen Moment, bis er antworten konnte, weil er immer noch verblüfft darüber war, dass sie bisher noch nicht erwähnt hatte, dass sie auch tauchte. „Und was ist das für eine Erfindung?“

„Ohrstöpsel, die den Druck im Gehörgang ausgleichen, ohne dass der Taucher die Ohren manuell freimachen muss. Meine Eltern haben gerade damit angefangen, es an unterschiedlichen Orten zu testen. Als ich diese Chance bekam, hier zu arbeiten, hielten wir drei es für eine tolle Gelegenheit, herauszufinden, ob die Stöpsel in extrem kalten Gewässern anders funktionieren.“

„Und Sie brauchen Freiwillige, die sie benutzen. Aber warum wollen Sie auch tauchen?“

„Da ich hier in der Krankenstation arbeite, kann ich ohnehin nur gelegentlich mitkommen. Und das möchte ich tun, um die Taucher sofort zu befragen, nach Möglichkeit ihre Vitalfunktionen zu messen und … Okay, ich gebe es zu.“ Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie ihn mit ihren wunderschönen blauen Augen ansah. „Ich kann es gar nicht erwarten, zu sehen, wie es unter dem Eis ist. Andererseits habe ich auch Angst davor.“

„Angst? Warum?“

„Sie müssten doch am besten wissen, dass es ganz anders ist, als zum Beispiel in der Karibik zu tauchen. Stimmt’s?“

„Stimmt.“ Und plötzlich wusste er, dass er sich mehr als alles andere wünschte, derjenige zu sein, der Jordan hier bei ihrem ersten Tauchgang begleitete. Und dafür sorgte, dass ihr nichts passierte. „Ich würde sehr gern an Ihren Tests teilnehmen. Die übrigen Meeresbiologen kommen mit dem nächsten Schiff. Soll ich sie nach ihrer Ankunft hier über Ihre Tests informieren? Dann können wir beide einen Tauchgang planen.“

„Klingt perfekt. Ich hätte mir denken können, dass Sie sich gleich hineinstürzen. Und wissen Sie was? Ich lasse meinen Drang zur Eigenständigkeit außer Acht, um Ihnen zu sagen, dass ich es wirklich zu schätzen weiß. Es wird mir sehr helfen, wenn Sie an den Tests teilnehmen und mit Ihren Kollegen darüber sprechen.“

Ihr Lächeln und der Ausdruck in ihren Augen spiegelten ihre große Freude wider. Zeke empfand große Vorfreude bei der Vorstellung, ihr zu helfen. Bei der Vorstellung, mehr Zeit mit ihr zu verbringen und mit ihr zu tauchen. Dann rief er sich jedoch ins Gedächtnis, dass er keine Gefühle für Jordan entwickeln durfte, dass er nur als Kollege für sie da sein würde und alles andere nicht infrage kam.

Er konnte nicht leugnen, dass die Anziehungskraft, die er für Jordan empfand, bei jeder Begegnung stärker zu werden schien. Aber seine Gefühle spielten keine Rolle. Sie mochte vielleicht gar nicht an einer Beziehung interessiert sein, doch wenn sie es war, verdiente sie jemanden, auf den sie sich in jeder Hinsicht verlassen konnte.

Und dieser Mann war er ganz bestimmt nicht.

Zeke arbeitete noch schneller, um alles fertig zu haben, wenn der Rest der Belegschaft eintraf, damit Jordan und er so schnell wie möglich tauchen gehen konnten. Zusammen mit einigen anderen Kollegen verbrachte er den ganzen Tag auf dem Schelfeis, um mit Kettensägen, Bohrern und Wärme zwei große Löcher im Abstand von zwölf Metern ins Eis zu bohren. Sobald sie fertig waren, freute er sich noch mehr auf den ersten Tauchgang und Jordans Reaktion.

Er vermutete, dass sie begeistert sein würde, und zählte schon die Stunden, bis das nächste Schiff mit den anderen Wissenschaftlern eintreffen würde.

Anschließend beendete er die Einrichtung des Aquariums und testete es, um zu gewährleisten, dass es richtig lief. Er überprüfte erst die Filtersysteme, die bereits seit vierundzwanzig Stunden liefen, und anschließend die Wasserqualität. Alle Systeme funktionierten, und er wusste, dass die anderen Meeresbiologen froh sein würden, dass er bereits alles fertiggestellt hatte. Sobald sie anfingen zu tauchen, würden sie Algen, Plankton und andere Proben von Meeresflora und – fauna nehmen, um daran zu forschen und sie in einigen Fällen wieder ins Meer zurückzubringen.

Widerstrebend machte er sich schließlich an die Büroarbeit, damit diese fertig wäre, wenn die anderen kamen. Das Schiff sollte Chile vor einer Stunde verlassen haben, was bedeutete, dass sie in zwei Tagen loslegen konnten.

Zuerst musste er seine neueste wissenschaftliche Arbeit korrigieren, die bald in einer Fachzeitschrift erscheinen sollte. Diese Studie war abgeschlossen und stellte einen wichtigen Teil der komplexen Daten dar, die er für seinen nächsten Förderantrag vorlegen musste.

Sein aktuelles Forschungsprojekt würde die gesamten fünf Monate seines Aufenthalts hier in Anspruch nehmen, doch er musste Ausgangsdaten für die erste Bewerbungsfrist vorlegen, und die war bereits in einem Monat, nämlich Anfang November. Für jedes Stipendium gab es mindestens zehn Bewerber, und die Feldforschung, die Zusammenstellung der Ausgangsdaten sowie der Entwurf würden viel Arbeit kosten.

Er musste also unbedingt einer der Ersten sein, die sich bewarben. Und da er auf der internationalen Klimakonferenz im nächsten Jahr sprechen würde, brauchte er zusätzliche, unanfechtbare Beweise dafür, wie das Ozonloch über der Antarktis sich weiterhin auf Städte an der Küste und seine Bewohner auswirken würde. Seine ganze Arbeit drehte sich darum, Wege aufzuzeigen, wie man das Schmelzen des ewigen Eises und den Anstieg der Wassertemperatur reduzieren konnte.

Er wusste aus erster Hand, dass der Klimawandel bereits viele Menschenleben gekostet hatte. Und wenn er versagte, würden es noch mehr sein.

Zeke atmete tief durch. Er würde es schaffen. Und dann würde er verschiedene Staatsoberhäupter und private Unternehmen überzeugen, die daran interessiert waren, gemeinsam eine Veränderung herbeizuführen.

Das freundliche Gesicht seines Großvaters und das liebenswerte seiner Großmutter tauchten vor seinem geistigen Auge auf, und mit der Trauer und den Schuldgefühlen stellte sich eine vertraute Entschlossenheit ein. Zeke rief den Koordinator des Fuhrparks an, um sicherzustellen, dass sie eine Pistenraupe oder einen Geländewagen mit Sechsradantrieb hatten. Er wollte damit zum Schelfeis gelangen, nachdem seine Kollegen eingetroffen wären. Sobald er genügend Proben gesammelt hätte, würde er mit dem Papierkram weitermachen.

„Vielleicht willst du deine Reservierung wieder streichen“, verkündete Bob Shamansky, der im nächsten Moment den Raum betrat. „Sieht so aus, als müssten wir beide uns für eine Weile erst mal mit Büroarbeit beschäftigen.“

„Was? Warum?“

„Ich habe gerade gehört, dass John Stewart den Stationsleiter informiert hat, dass er wegen der Wetterbedingungen nicht in Chile auslaufen kann. In der Drakestraße tobt gerade ein Sturm von vierzig Knoten, und er will kein Risiko eingehen. Er wartet erst mal ein paar Tage, ob der Sturm abflaut.“

„Verdammt!“ Zeke presste die Handflächen auf den Tisch und überlegte, wie er vorher mit der Feldforschung beginnen konnte. „Vielleicht kannst du mich zum Tauchen begleiten. Du musst einfach nur ein Seil auswerfen, wenn etwas passiert.“

„Du brauchst eher jemanden, der mit dir tauchen kann, falls dir unter Wasser etwas passiert. Genau deshalb ist es nämlich nichts für mich.“

„Ja.“ Allein zu tauchen war schon unter normalen Umständen keine gute Idee. Hier in der Antarktis wäre es geradezu idiotisch. „Mal sehen, ob unter denen, die schon hier sind, jemand tauchen kann.“

Von einer Person wusste er bereits. Jordan Flynn. Wäre sie daran interessiert, nur mit ihm zu tauchen? Ihre Augen hatten gefunkelt, als sie vom Tauchen sprach. Also würde die Antwort vermutlich Ja lauten.

„Kann sein“, erwiderte Bob. „Keine Sorge. So, wie ich dich kenne, hast du das Stipendium schon so gut wie in der Tasche.“ Dann klopfte er ihm auf die Schulter. „Zeit fürs erste Mittagessen. Warum gehst du nicht in die Kantine und fragst, ob unter den Leuten jemand ist, der taucht?“

„Es ist einen Versuch wert.“ Ohne große Hoffnung, dass er jemanden finden würde, ging Zeke in die Kantine. Und tatsächlich fand er niemanden. Da er innerlich zu aufgewühlt war, um sich wieder an den Schreibtisch zu setzen, beschloss er, Jordan zu fragen, ob sie mit ihm tauchen würde und falls ja, wann. Und es war nicht nur ein Vorwand, um sie zu sehen. Er musste so schnell wie möglich damit anfangen, Proben zu nehmen.

Allerdings musste er sich eingestehen, dass die Vorstellung, Jordan zu sehen, ihn beschwingte.

Zeke traf sie im Lagerraum der Krankenstation an, wo sie im Schneidersitz auf dem Boden saß, vor sich Tüten mit Arzneimitteln und anderem medizinischen Bedarfsmaterial, neben sich diverse Reißverschlusstaschen. Da sie den Kopf nach vorn gebeugt hatte und ihr das Haar ins Gesicht fiel, konnte er ihr Profil nicht erkennen. Unwillkürlich blieb er kurz stehen und wünschte, er hätte einen Vorwand, um die Hand durch ihr weiches Haar gleiten zu lassen.

Schließlich räusperte er sich. „Ich wollte mit Ihnen reden, aber anscheinend sind Sie beschäftigt.“

Nun hob Jordan den Kopf, strich sich das Haar hinters Ohr und lächelte ihn an. „Nein, ich packe nur die Notfalltaschen.“

„Und was tun Sie rein?“

„Medikamente, Spritzen und andere wichtige Dinge. Dann kennzeichne ich jede Tasche – Katheter, Injektionslösungen, Traumata, Kreislauf, Tropf. Das Übliche.“

„Das Übliche für die Antarktis. Ich bin beeindruckt, dass eine Krankenhausärztin weiß, was man hier draußen alles benötigen könnte.“

„Na ja, ich will ehrlich sein, so gern ich andere beeindrucke. Man hat mir vor meiner Abreise eine Liste gegeben.“ Lächelnd hielt sie ein Blatt hoch. „Möchten Sie einen Blick darauf werfen, um zu sehen, ob etwas fehlt?“

Zeke setzte sich neben sie und beugte sich zu ihr hinüber, um die Liste zu überfliegen. Dass seine Schulter dabei ihre berührte, gefiel ihm. „Scheint vollständig zu sein. Sie sind also startklar, falls sich draußen ein Unfall ereignet oder jemand erkrankt, Dr. Flynn.“

Autor

Meredith Webber
Bevor Meredith Webber sich entschloss, Arztromane zu schreiben, war sie als Lehrerin tätig, besaß ein eigenes Geschäft, jobbte im Reisebüro und in einem Schweinezuchtbetrieb, arbeitete auf Baustellen, war Sozialarbeiterin für Behinderte und half beim medizinischen Notdienst.
Aber all das genügte ihr nicht, und sie suchte nach einer neuen Herausforderung, die sie...
Mehr erfahren
Robin Gianna
Mehr erfahren
Deanne Anders
Mehr erfahren