Julia Ärzte zum Verlieben Band 149

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IST ES FÜR IMMER, DR. LAWSON? von ANNIE CLAYDON

Sich in einen sexy Chirurgen zu verlieben, war bestimmt nicht Hannahs Plan! Aber genau das passiert, als die Rettungssanitäterin bei einem Wettbewerb mit Dr. Matt Lawson ein Team bildet. Spontan lädt sie ihn in ihre kleine Welt ein - die sie sonst mit niemandem teilt …

ERSTE HILFE FÜR DIE GROSSE LIEBE von SUE MACKAY

Notärztin Brennas Herz brach, als ihr Verlobter sie vor sechs Jahren verließ. Doch nun ist Hunter zurück in Vancouver Island. Und eines ist geblieben: Noch immer ist er der Einzige, den Brenna will. Aber soll sie riskieren, dass er ihr Herz zum zweiten Mal bricht?

HEIRATSANTRAG IM PARADIES von DIANNE DRAKE

Chirurgin Layla liebt den Luxus in New York City, Arlo ist Arzt in einem kleinen Dschungel-Krankenhaus. Doch als sie ein paar Wochen in Thailand zusammenarbeiten, knistert es heiß vor Lust und Liebe! Kann es für sie trotz ihrer unterschiedlichen Welten eine gemeinsame Zukunft geben?


  • Erscheinungstag 05.03.2021
  • Bandnummer 149
  • ISBN / Artikelnummer 9783751501569
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Annie Claydon, Sue MacKay, Dianne Drake

JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN BAND 149

ANNIE CLAYDON

Ist es für immer, Dr. Lawson?

Wie kann ich Hannah von mir überzeugen? fragt sich Chirurg Matt Lawson. Sie sind ein Team bei einem medizinischen Wettbewerb, bei dem es um das Ansehen des Krankenhauses geht. Es quält Matt, dass die schöne Rettungssanitäterin ihm nicht traut. Bis plötzlich nach einem Unfall, bei dem sie gemeinsam das Opfer versorgen, etwas in ihren Augen aufleuchtet – Liebe?

SUE MACKAY

Erste Hilfe für die große Liebe

Bei ihren gefährlichen Rettungseinsätzen arbeiten sie Hand in Hand, und Hunter bewundert, wie furchtlos die Notärztin Brenna dabei ist. Aber zugleich ist er überzeugt, dass Brenna etwas hinter ihrem riskanten Wagemut verbirgt: ihre Gefühle! Sie hat Angst, zum zweiten Mal von der großen Liebe ihres Lebens verlassen zu werden. Von ihm …

DIANNE DRAKE

Heiratsantrag im Paradies

Die schöne Chirurgin Layla weiß genau, worauf sie sich einlässt, als sie ein paar Wochen in einem kleinen Dschungel-Krankenhaus ihrem Ex Dr. Arlo Benedict hilft. Sie weiß auch, dass Arlo genau dieses einfache Leben will – und sie bestimmt nicht. Ihr Zuhause ist New York! Was sie nicht weiß: Wie soll sie diesem idealistischen Traumdoc nur widerstehen?

1. KAPITEL

Stille senkte sich herab, als der Juryvorsitzende die Bühne betrat, und dreißig Teilnehmende warteten gespannt auf die Verkündung der Sieger.

Hannahs Freundin Sophie hatte die Hände auf die Oberschenkel gestützt, um ihre Rückenmuskeln zu dehnen. Der Hindernisparcours hatte es in sich gehabt.

Hannah legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Geht es dir gut?“

Sophie blickte lächelnd auf. „Ja, auch wenn ich morgen Muskelkater haben werde. Und ich glaube, du hast eine echte Chance, Hannah. Bei mir bin ich da nicht so sicher.“

Doch es ging um mehr als nur einen persönlichen Sieg. Hannah und Sophie arbeiteten schon seit fünf Jahren zusammen auf einem Krankenwagen des Hamblewell Hospital. Als das Krankenhaus sich für die Hospital Challenge von Arial TV angemeldet hatte, um einen großzügigen Bargeldpreis zu gewinnen, hatten sie sich gemeinsam beworben.

Hannah nahm Sophies Hand und drückte sie fest. Auf dem Platz hinter dem Krankenhaus war eine Bühne aufgebaut. Der Sommertag war heiß, und unter den Zuschauern herrschte fast eine Atmosphäre wie auf dem Jahrmarkt. Der Juryvorsitzende griff nach dem Mikrofon und klopfte ein paar Mal darauf.

„Mach schon“, murmelte Sophie.

„Die Jury hat sich entschieden …“

Mit einem Mal funktionierte das Mikrofon nicht mehr, und Hannah verdrehte die Augen. Sie wollten es wohl besonders aufregend machen. Noch einmal klopfte der Mann auf das Mikrofon, dann kam ein anderer hinzu, um das Problem zu lösen.

„Tut mir leid. Also, wie Sie alle wissen, werden die heutigen Gewinner bei der Hospital Challenge in Hertfordschire für das Hamblewell Hospital antreten. Ich hoffe, dass Sie nächste Woche alle wiederkommen, um die Gewinner anzufeuern. Wie Sie wissen, dürfen wir nur zwei Siegerinnern oder Sieger küren, und die Teilnehmer haben es uns ganz schön schwer gemacht.“

Er legte eine Pause ein. Alle hielten die Luft an, und wenn der Mann nicht endlich zum Punkt käme, würden bald die ersten in Ohnmacht fallen. Nur gut, dass es genug medizinisches Fachpersonal vor Ort gab.

„Hannah Greene!“

Hannah hörte den Jubel – ganz weit weg. Sie spürte, wie Sophie sie an sich drückte.

„Geh schon!“ Sophie ließ sie los und schob sie in Richtung Bühne, wo die gesamte Jury aufgestanden war und klatschte.

Hannah wollte nicht alleine gehen. Sie hatte gedacht, dass beide Namen zusammen verlesen werden würden. Sie konnte doch nicht ohne ihre Freundin da hoch.

„Du hast gewonnen, Hannah! Geh dem Mann die Hand schütteln.“ Sophie schob sie noch einmal von sich, und vor ihr öffnete sich ein Weg, der sie zum Podium führte.

Sophie würde bestimmt als Nächste ausgerufen werden. Die Jury hatte doch gesehen, wie sie sich gegenseitig angefeuert hatten. Hannah kletterte auf die Bühne, schüttelte die Hände der Jurymitglieder und drehte sich dann zum Publikum. Sie reckte die Arme in die Luft. Jubel brandete auf, und Sophie hüpfte vor Freude auf und ab.

Der Juror lächelte und wartete, bis die Zuschauer sich wieder beruhigt hatten. „Und Hannahs Begleitung für die Hospital Challenge ist … Matt Lawson.“

Wie bitte?

Hannah versuchte zu lächeln, aber der Sieg war ihr plötzlich nichts mehr wert. Sie wusste nicht einmal, wer Matt Lawson war. Die Menschenmenge teilte sich noch einmal, und ein Mann kam auf die Bühne zu. Er schüttelte links und rechts ein paar Hände.

Doch, Hannah kannte ihn, auch wenn sie seinen Namen noch nie gehört hatte. Er war angeblich ein richtig guter Chirurg, wobei die Frauen im Krankenhaus mehr darüber sprachen, wie gut er aussah.

Seine von der Sonne gebleichten Haare und die gebräunte Haut ließen vermuten, dass er sehr viel Zeit im Freien verbrachte. Hannah hatte sich immer vorgestellt, dass er blaue Augen haben würde – und ihn dann fest der Kategorie: „Gucken ja, anfassen nein“, zugeteilt.

Sie spürte, wie sie rot wurde, während er den Jurymitgliedern die Hände schüttelte. Dann grinste er Hannah an. Ja. Blaue Augen. Noch viel verlockender, als sie es sich vorgestellt hatte. Dunkelblau wie das Mittelmeer.

Dort würde er sich bestimmt gut machen. In einem Urlaub, den sie nicht vorhatte, zu nehmen. Aber doch nicht hier, im echten Leben. Er gratulierte ihr und winkte den Zuschauern zu.

Sie stand da und versuchte zu lächeln, während die Zeit sich ins scheinbar Unendliche ausdehnte. Dann durften sie endlich die Bühne verlassen. Sophie wartete unten schon auf sie und nahm sie noch einmal in den Arm.

„Oh, wie aufregend! Und der absolute Traummann als Partner!“

Hannah stiegen vor Enttäuschung und Erschöpfung Tränen in die Augen. „Ich will den nicht. Ich will dich!“

Sophie stieß die Luft aus. „Du warst so viel besser als ich. Und er auch. Hast du gesehen, wie er über die Kletterwand geflogen ist?“

Ja, das hatte sie gesehen. Matt Lawson war in der zweiten Gruppe gewesen, und auch er hatte die steile Wand bezwingen müssen. Dabei hatte er genauso gut – wenn nicht sogar noch besser – ausgesehen wie in den Korridoren des Krankenhauses.

„Ich kann das nicht allein, Sophie. Wir sind doch ein Team!“

„Dann musst du dich eben an einen neuen Teampartner gewöhnen. Und ich werde dich die ganze Zeit anfeuern.“

„Aber es tut mir so leid …“

„Unfug. Wir haben doch gesagt, wir freuen uns auch, wenn nur eine von uns gewinnt, oder?“

Das hatten sie wirklich gesagt. „Du unterstützt mich aber wirklich weiter, oder? Ohne dich schaffe ich das nicht.“

„Na klar. So schnell wirst du mich nicht los. Du gewinnst für uns beide, einverstanden?“

Matt hätte nie geglaubt, dass er gewinnen würde. Er war angeblich der Einzige aus dem Chirurgenteam, der die Kletterwand bezwingen konnte, und so hatte er sich von den anderen dazu überreden lassen, sich anzumelden.

Er hatte zugesehen, wie Hannah und ihre Partnerin den Parcours bewältigt hatten. Sie waren beide fit, aber Hannah war ganz eindeutig die Stärkere. Manchmal hatte sie auf Sophie gewartet, damit sie weiter zusammenbleiben konnten.

Sie waren ein gutes Team und trugen passende T-Shirts mit dem Logo ihres Ambulanzdienstes. Rettungssanitäter mussten sich bei der Arbeit aufeinander verlassen können. Wie Hannah es jetzt wohl fand, mit ihm zusammen den nächsten Wettbewerb bestreiten zu müssen? Ihre Begeisterung hatte deutlich nachgelassen, als er auf die Bühne gerufen worden war.

Jetzt kam sie jedoch auf ihn zu und lächelte. „Herzlichen Glückwunsch.“

„Danke. Ganz schöne Überraschung.“ Er wusste seltsamerweise nicht, was er sagen sollte. „Für mich zumindest. Dass du gewinnst, war klar.“

Sie lief rot an. Das passte gut zu ihrem Lächeln. „Ach was, du bist gleich beim ersten Mal über die Kletterwand gekommen. Ich habe zwei Anläufe gebraucht.“

Das hatte er zwar gesehen, doch er war sich sicher, dass sie es mit ihrer Beweglichkeit und Kraft beim ersten Mal hätte schaffen können. Aber sie hatte ihre Partnerin unterstützen wollen und dafür einen zweiten Anlauf in Kauf genommen.

„Ich freue mich schon auf die nächste Runde.“

Hannah nickte. „Sollen wir uns vorher treffen, um zu trainieren?“

Das klang verlockender, als er erwartet hatte. Hannah besaß eine natürliche Schönheit, die von ein wenig Staub und Schweiß noch betont wurde. Heute Morgen schon war ihm ihr glänzendes, kastanienbraunes Haar aufgefallen, das sie zu einem strengen Pferdeschwanz zurückgekämmt hatte. Im Laufe des Tages hatte er immer mehr ihren Mut und ihre Hartnäckigkeit bewundert. Jetzt waren ihre Haare zerzaust, und sie war müde – aber dennoch strahlte sie.

„Ich kann leider nicht. Mein Dienstplan ist komplett voll. Und da wir sowieso nicht wissen, was wir nächsten Samstag machen müssen, reicht es vermutlich, wenn wir einfach weitertrainieren wie bisher.“

Das war offenbar nicht die Antwort, die Hannah erwartete hatte, aber er konnte ja schlecht ein paar geplante Operationen absagen.

„Okay, gut. Dann trainiere ich weiter mit Sophie. Wenn das für dich in Ordnung ist.“ Sie zeigte auf ihre Partnerin, die gerade auf sie beide zukam.

„Natürlich.“

Sie und Sophie funktionierten gut zusammen. So etwas hatte er auch schon bei anderen Menschen beobachtet, aber aus eigener Erfahrung kannte er es leider nicht. Er hatte Kollegen und Kolleginnen in der Chirurgie, aber von ihnen kannte er nur die beruflichen Stärken und Schwächen, jedoch nichts Privates. Hannah und Sophie hingegen waren offensichtlich Freundinnen – worum er sie beinahe ein wenig beneidete.

„Hallo, ich bin Sophie. Herzlichen Glückwunsch. Du warst echt gut und hast den Sieg ehrlich verdient.“ Sophie streckte ihm die Hand hin, und Matt ergriff sie. Sophie war offener als Hannah, und ihr Lächeln wirkte freier, doch es erreichte nicht die hintersten Ecken seiner Seele, wie es Hannahs Lächeln getan hatte. Andererseits hatte sie in seiner Seele nichts zu suchen, die war allein seine Sache.

„Danke. Du und Hannah, ihr seid ein tolles Team.“

Sophie legte Hannah einen Arm und die Schultern und lachte. „Ich bin heute an meine Grenzen gestoßen. Aber ihr zwei könntet den ganzen Wettbewerb gewinnen.“

Darüber hatte Matt noch gar nicht nachgedacht. Er hatte heute nur eine vernünftige Leistung abliefern und dann nach Hause gehen wollen. Aber jetzt wollte er auch plötzlich mehr. Er wollte gewinnen – mit Hannah an seiner Seite.

„Das Krankenhaus könnte das Geld jedenfalls gut gebrauchen.“

„Wir verlassen uns alle auf euch.“ Sophie lachte. „Aber lasst euch bloß nicht unter Druck setzen.“

Sophie war ihm sofort sympathisch gewesen. Sie war die Art Frau, mit der er normalerweise seine Freizeit verbrachte. Hübsch, mit blondem Haar und blauen Augen. Sie schien unkompliziert und fröhlich. Hannah hingegen …

Hannah war faszinierend. Wunderschön. Und definitiv keine Frau, mit der man etwas anfangen sollte, denn eine Verbindung mit ihr war vermutlich nicht so leicht wieder zu brechen. Was für ein Unfug, dachte er. Hier würde sich niemand an irgendjemanden binden. Das hier war gewissermaßen Arbeit, denn das Geld würde schließlich dem Krankenhaus zugutekommen.

„Wir müssen jetzt los.“ Hannah ließ ihren Blick über die Menge schweifen, als suche sie jemanden. „Wir sehen uns dann am Samstag?“

Eine ganze Woche kam ihm plötzlich viel zu lang vor. Aber Matt hatte nicht damit gerechnet, heute zu gewinnen, und musste das weitere Training dann einlegen, wenn seine Arbeit es zuließ. „Ja, in Ordnung“, sagte er. „Falls etwas ist, weißt du, wo du mich findest?“

„Ja, in der Chirurgie.“

Matt sah zu, wie die beiden Frauen sich entfernten. Sophie erzählte etwas und gestikulierte dabei wild mit den Händen. Hannah hörte aufmerksam zu. Er fragte sich, ob sie wohl jemals entspannter war?

„Mum!“ Ein Junge von etwa sechs Jahren rannte quer über den Rasen auf sie zu, gefolgt von einer älteren Frau. Selbst wenn der Junge nicht gerufen hätte, hätte Matt sofort gesehen, dass er Hannahs Sohn war. Er hatte die gleichen hellbraunen Augen und rotbraunen Haare. Hannah streckte die Arme aus und ließ sich auf die Knie sinken.

Wenn sie nur halb so viel Begeisterung für den Parcours aufgewendet hätte, wäre sie über die Hindernisse geflogen, statt sich mühsam hinüberzuziehen. Jetzt veranstaltete sie mit ihrem Sohn einen kleinen Siegestanz. Matt selbst konnte sich eine ganz andere Art Siegestanz mit ihr vorstellen, aber allein die Vorstellung war schon unangemessen. Und so verlockend, dass er sie nur schwer aus seinem Kopf verbannen konnte.

Erinnerungen verblassen, sagte er sich. Vor allem wenn man ein Mensch war, der ständig von einem Ort zum anderen zog und niemals dauerhafte Freundschaften mit jemandem schloss.

Seit seinem achten Lebensjahr reiste er schon mit leichtem Gepäck, immer auf der Flucht vor schlimmen Erinnerungen. Doch genau diese holten ihn in diesem Moment wieder ein und schoben sich vor das Bild von Hannah und ihrer Familie.

Matt hatte gewusst, dass sein Vater ein Hitzkopf war und seine Mutter manchmal verletzte und zum Weinen brachte. Aber er hatte damals nicht gewusst, dass seine Mutter ihn vor dem Schlimmsten bewahrte, indem sie ihn in diesen Situationen in seinem Kinderzimmer einschloss oder zu einem Freund schickte. Später war ihm dann oft aufgefallen, dass seine Mutter stöhnte, wenn sie sich vorbeugte oder den Arm nach etwas ausstreckte. Sie hatte zwar nie sichtbare Verletzungen, aber als Matt älter wurde, verstand er, dass sein Vater sie immer dort schlug, wo man es nicht sah.

Und auch ihn hatte er einmal geschlagen. Nur einmal, aber Matt erinnerte sich an die Schmerzen und die Angst. Es war furchtbar gewesen, aber zumindest hatte es seine Mutter endlich dazu gebracht, ihre Taschen zu packen und zu gehen.

Zuerst war das Nomadenleben aufregend gewesen, eine Art Freiheit, von der Matt nicht gewusst hatte, dass es sie gab. Unter dem Mädchennamen seiner Mutter hatten sie in einer neuen Stadt ein neues Leben angefangen. Aber dann hatte sein Vater sie gefunden, und sie hatten wieder flüchten müssen. Wieder ein neues Leben, wieder eine neue Stadt. Matt wusste nicht mehr, wie viele neue Leben es gegeben hatte. Irgendwann hatte er aufgehört, nach Freunden zu suchen, weil er gewusst hatte, dass sie sowieso bald wieder weiterziehen mussten.

Matt sah zu, wie Hannah mit ihrem Sohn spielte. Sie sahen glücklich und zufrieden aus. Sie musste nicht aufpassen, nicht ständig über die Schulter schauen.

Doch dann schaute Hannah über ihre Schulter. Zu ihm. Und ertappte ihn dabei, wie er sie anstarrte. Schnell hob er die Hand und lächelte, und sie tat es ihm gleich. Dann drehte er sich weg und ging. Er hatte nicht das Recht, sich nach Hannahs Wärme zu sehnen. Sie war nächste Woche seine Teampartnerin, mehr nicht. Danach würde er wieder weiterziehen.

2. KAPITEL

Blaulicht, aber keine Sirenen. Zwar musste der Patient schnell ins Krankenhaus, aber Hannah musste seinen angestrengten Atem hören können. Und Sophie musste in der Lage sein, Hannah zu hören, sollte die ihr zurufen, sofort anzuhalten.

Der Krankenwagen schwankte leicht, als sie in die Krankenhausauffahrt einbogen. Sophie war stolz auf ihre Fahrkünste, aber im Moment hatten sie es wirklich eilig. Sie hatte den Notfall durchgegeben und dann das Gaspedal durchgedrückt.

Vor dem Eingang zur Notaufnahme hielten sie an. Hannah konzentrierte sich weiter auf den Patienten – einen mittelalten Mann, der von einem Bus angefahren worden war –, während Sophie die hinteren Türen öffnete. Ein großer Mann in OP-Kleidung wartete schon draußen.

„Was machst du denn hier?“, fragte Sophie.

„Ich helfe nur aus.“ Matt lächelte, aber als Sophie und Hannah die Trage aus dem Wagen zogen und in das Gebäude schoben, hielt er seine Augen auf den Patienten gerichtet. Es war nicht unüblich, dass die Ärzte aus der Notaufnahme Spezialisten um Hilfe riefen, wenn sie zu beschäftigt waren.

Er zog Handschuhe an und hörte zu, während Hannah ihm den Namen des Patienten – Ben – nannte und ihre bisherigen Untersuchungen erklärte. Die Symptome wiesen auf einen Spannungspneumothorax hin, und wenn der nicht behandelt wurde, wurde es für Ben lebensgefährlich.

„Du musst ihn bitte mit mir hochheben. Ich scheine heute solo unterwegs zu sein.“ Matt sprach ganz leise zu Hannah, damit Ben ihn nicht hörte.

„Ich kann hierbleiben. Wir haben Mittagspause.“

„Danke.“ Sein warmherziges Lächeln sorgte dafür, dass Hannahs Puls sich beschleunigte. Schnell zog sie sich Kittel und Handschuhe an.

Gemeinsam hoben sie Ben auf das Bett, und Sophie klappte die Trage zusammen, um sie zurück in den Wagen zu bringen. Matt sprach beruhigend auf Ben ein, während er ihn rasch untersuchte. Hannah bereitete das Ultraschallgerät vor und hielt Matt die Sonde hin.

„Oh, danke.“ Matt sah sich aufmerksam das Bild auf dem Ultraschallmonitor an. Kurz runzelte er die Stirn, bevor er seine Entscheidung verkündete. „Du hast recht, das ist ein Spannungspneumothorax. Ich lege eine Drainage. Kannst du mir assistieren?“

Hannah nickte. Ben war bei Bewusstsein, und Matt hatte das Wort Notfall weggelassen, um ihn nicht zu alarmieren. Sie hatten wirklich keine Zeit zu verlieren. Hannah hatte Ben das Hemd schon im Krankenwagen ausgezogen. Jetzt hob sie lächelnd seinen Arm an und legte ihn über seinen Kopf.

„Was … was …“ Ben bewegte sich.

„Der Arzt wird einen Eingriff vornehmen, damit Sie besser atmen können. Bleiben Sie bitte so ruhig wie möglich liegen.“ Hannah versuchte, Ben zu beruhigen und gleichzeitig Matt nicht im Weg zu sein. Noch nie war ihr der Körper eines anderen Menschen so bewusst gewesen, der so nah neben ihr arbeitete.

Ben zuckte zusammen, als Matt die eine Seite seiner Brust abtupfte.

„Ben, es ist gleich vorbei“, sagte Matt. „Ich spritze Ihnen jetzt ein Betäubungsmittel. Sehen Sie Hannah an, nicht mich.“

Es tat gut, eine entspannte Stimme zu hören, wenn man Angst und Schmerzen hatte. Ben beruhigte sich gleich.

„Jetzt bitte ganz stillhalten.“ Sie hörte Matts Stimme hinter sich und beugte sich vor in Vorbereitung auf die Reaktion, die eine Spritze in Bens Brust hervorrufen würde. Matt war schnell und geübt, aber Schmerzen blieben Schmerzen.

Ben stöhnte und klammerte sich fest an ihre Hand. Hannah hörte das Zischen der Luft, als die Spannung aus der Pleurahöhle entlassen wurde.

„Schon vorbei. Das haben Sie gut gemacht.“ Matt lächelte Ben an und untersuchte ihn noch einmal, um sicherzustellen, dass der Eingriff erfolgreich gewesen war. „Hannah und ich sind übrigens Teamkollegen, wissen Sie das schon? Wir nehmen an einem Wettbewerb teil, um Geld für das Krankenhaus zu gewinnen.“

Dahinter steckte mehr als nur ein freundliches Plaudern. Matt wollte herausfinden, ob Ben zuhören und antworten konnte.

„Da haben Sie ja Glück mit Ihrer Partnerin.“ Bens Gesicht wurde schon wieder rosiger.

„Absolut.“ Matt lächelte, und Hannah lief eine Gänsehaut über den Rücken. Was albern war. Matt hatte das nur für Ben, nicht für sie gesagt. „Ich hoffe sehr, dass sie mich mitzieht.“

Hannah lächelte Ben an. „So haben wir aber nicht gewettet.“

„Sagen Sie mir einfach Bescheid, wenn er Probleme macht.“ Ben drückte noch einmal ihre Hand, und sie drückte zurück.

„Danke. Da werde ich vielleicht drauf zurückkommen.“

Matt lachte. Sein Blick war zufrieden. Ben war nicht mehr so außer Atem und munterer. Während Matt seinen Blutdruck überprüfte, kam eine Ärztin, die übernehmen konnte.

Hannah verabschiedete sich von Ben, und als sie die Kabine verließ, sah sie, dass Matt den geschäftigen Raum schon durchquert hatte und an der Tür auf sie wartete. Hannah zog Schürze und Handschuhe aus und ging zu ihm.

„Die ersten Anzeichen eines Spannungspneumothorax zu erkennen ist gar nicht leicht. Vor allem nicht hinten im Krankenwagen.“

Hannah nickte. Matts lockere, humorvolle Art hatte ihr nicht verraten, was er dachte, aber jetzt war sie froh, dass er mit ihrem Vorgehen einverstanden war. „Wir waren so nah am Krankenhaus, und die Symptome waren nicht eindeutig. Eine Thoraxdrainage im Krankenwagen durchzuführen ist alles andere als ideal, und deswegen dachte ich, wir beeilen uns lieber, damit hier jemand eine richtige Diagnose stellen kann.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. Matts Blick machte sie furchtbar unsicher.

„Ich muss dir nicht bestätigen, dass du die richtige Entscheidung getroffen hast, oder?“

„Nein, musst du nicht.“ Eigentlich schon – aber das hatte mehr mit seinen blauen Augen und seinem Lächeln zu tun als mit seinem medizinischen Fachwissen.

Diese Augen. Und die Erinnerung daran, wie es war, Seite an Seite mit ihm zu arbeiten. Ihre Sinne waren völlig verwirrt. Plötzlich meinte sie, viel zu dicht neben ihm zu stehen.

„Ich muss weiter. Sophie wartet wahrscheinlich schon mit dem Mittagessen auf mich.“

Matt nickte freundlich. „Dann bis Samstag.“

„Ja, bis Samstag.“ Hannah überlegte, was sie Nettes sagen könnte, aber ihr fiel nichts ein.

Als er sich entfernte, musste sie ihm einfach hinterhersehen, wobei sie sich einredete, dass sie das natürlich nur tat, um zu überlegen, ob seine breiten Schultern ihnen am Samstag helfen würden, zu gewinnen. Sie zuckte zusammen, als Sophie wie aus dem Nichts neben ihr auftauchte.

„Ich glaube, was die Teamarbeit angeht, musst du dir keine Sorgen machen.“

Hannah zuckte mit den Schultern. „Aber es wird mit ihm ganz anders sein. Wir zwei wissen doch immer, was zu tun ist.“

„Ja, rede dir das nur weiter ein. Ihr beide saht aus, als ob ihr gegenseitig eure Gedanken lesen könntet.“ Sophie grinste sie an. „Komm, ich könnte einen Tee gebrauchen.“

Hannah nickte. Bis Samstag gab es noch viel zu tun, und sie hatte keine Zeit, nervös zu sein.

Die vier Teams hatten sich bereits um halb acht auf dem Platz hinter dem Hamblewell Hospital versammelt. Es war der erste von vier Samstagen, an denen ein Team ausgewählt werden würde, um Hertfordshire im Finale der Hospital Challenge zu vertreten. Viele von Hannahs Freundinnen und Kollegen waren gekommen, und die anderen Teams hatten ebenfalls Unterstützung mitgebracht.

Hannah hatte drei rote T-Shirts mit dem Logo ihres Krankenhauses auf der Rückseite erhalten. Eines davon trug sie jetzt. Die anderen Teams würden blaue, grüne und gelbe T-Shirts tragen, sodass die Kameras sie gut auseinanderhalten konnten. Es gab ein großes Zelt, zu dem noch niemand Zutritt hatte, das aber alle neugierig musterten.

Matt war nirgendwo zu sehen. Hannah hatte die anderen schon mit Handschlag begrüßt und achtete aus den Augenwinkeln auf ein zweites rotes Shirt, das ihn ankündigen würde.

Endlich. Er kam über den Rasen auf sie zu, im roten T-Shirt, mit Cargohose und Turnschuhen. Da sie immer noch nicht wussten, welche Aufgaben auf sie zukommen würden, hatte Hannah sich für die gleiche Kleidung entschieden.

„Hallo.“ Sie hätte ihn gern gefragt, warum zum Teufel er so spät war, aber das wäre bestimmt kein guter Anfang für ihre neue Partnerschaft.

„Entschuldige, dass ich so spät bin.“ Matt sah auf die Uhr. Er war gar nicht zu spät, aber alle anderen waren eine halbe Stunde zu früh gekommen. „Ich war noch kurz im Büro.“

„Um echte Arbeit zu erledigen?“ Hannah versuchte zu lächeln.

Matt zuckte mit den Schultern. „Das hier fühlt sich auch gerade überraschend echt an.“

Ein Hinweis darauf, dass er gar nicht so entspannt war, wie er tat. Er lachte plötzlich. „Hast du auch aufmunternde Worte von der Personalabteilung bekommen?“

„Du meinst den subtilen Hinweis, dass alle Augen auf uns gerichtet sind und der gute Ruf unseres Krankenhauses von uns abhängt? Und was das Krankenhaus alles mit dem Geld machen könnte?“

„Ja, da fühlt man sich doch gleich viel besser.“ Seine Augen funkelten.

Hannah spürte, wie sie sich entspannte. „Unbedingt. Was gibt es Besseres als einen hohen Erwartungsdruck, um jemandem Flügel zu verleihen? Ich bin gespannt, was die anderen Teams so können.“

Er nickte und wies mit dem Kopf zum Rand der Wiese, wo nicht so viele Menschen standen. Hannah folgte ihm in den Schatten des Klinikgebäudes.

„Mein Büro ist gleich da oben.“

Hannahs Blick folgte der Richtung seines Zeigefingers. Die Fenster der Chirurgie lagen im ersten Stock. Aha, Matt war gar nicht zum Arbeiten dort gewesen.

„Was hast du gesehen?“

„Ich dachte, dass wir uns zuerst die Konkurrenz anschauen sollten. Wir sind nicht die Einzigen, die sich nicht gut kennen. Guck dir die Blauen und die Grünen an.“

Hannah musterte die Teams. Das Team mit den grünen T-Shirts klatschte gerade ab. Sie hatte vorhin schon beobachtet, dass die beiden das vor allem für die Leute um sie herum zu tun schienen. „Stimmt. Die benehmen sich zu demonstrativ.“

Er nickte. „Und die Blauen haben einander meist den Rücken zugewandt.“

„Aber die Gelben scheinen sich gut zu verstehen.“

„Ja, die kenne ich. Jack und Laura. Sie arbeiten für das Cravenhurst Hospital. Genau wie du und Sophie fahren sie zusammen einen Krankenwagen.“

Matt sah plötzlich unangenehm berührt aus. Hannah hatte versucht, ihre Gefühle vor ihm zu verbergen, aber er wusste wohl, dass sie das hier lieber mit Sophie zusammen gemacht hätte.

„Also gut, dann haben nur die Gelben uns voraus, dass sie sich gut kennen.“

Matt runzelte die Stirn. „Vielleicht sollten wir uns einfach vorstellen, dass wir einen Pneumothorax behandeln müssen. Das haben wir doch schon mal gut hingekriegt.“

Er hatte recht. Das hier war rein beruflich. Sie würde in ihm nicht den Mann sehen, sondern den Kollegen. Was nicht leicht war, denn Matt war durch und durch ein Mann, und sie reagierte auf ihn, wie eine Frau nun einmal reagierte. Dabei hatte sie sich doch geschworen, nie mehr einem Mann zu vertrauen.

Schluss damit! ermahnte sie sich. Sie würden ein Team bilden und gegenseitig ihre Schwächen ausgleichen, so, wie sie es auch mit Sophie tat.

„Vielleicht sollten wir uns gleich unsere größte Schwäche gestehen“, sagte sie also. „Ich kann anfangen.“

Er schüttelte den Kopf und legte eine Hand auf ihren Arm. Plötzlich bestand ihre größte Schwäche nicht mehr aus der Tatsache, dass sie alles bis ins Kleinste planen musste, sondern aus ihrer Reaktion auf Matts Berührung.

„Wie wäre es stattdessen“, sagte er, „wenn du mir sagst, was meine größte Schwäche ist? Und wenn du darauf kommst, sage ich dir deine.“

„Okay …“

„Und bis dahin konzentrieren wir uns lieber auf unsere Stärken. Die brauchen wir, wenn wir gewinnen wollen.“ Er strahlte sie an. „Und wir wollen doch gewinnen, oder?“

„Und wie. High Five?“ Hannah hatte gerade gesehen, dass die Grünen sich schon wieder abgeklatscht hatten, und dieses Mal hatte es noch weniger zuversichtlich ausgesehen als vorher.

„Da stehst du drauf?“ Er sah sie an, und sie erschauerte.

„Nein, nicht wirklich.“

„Dann lassen wir es. Auch wenn die Personalabteilung es bestimmt gern sehen würde.“

Sie mochte seinen Humor. Ihm waren echte Antworten wichtig, nicht das, was andere Leute taten oder dachten.

„Wie lange müssen wir wohl noch warten?“

Die Produktionscrew lief hin und her, aber noch schien sich niemand für die Teilnehmer zu interessieren.

Matt lachte. „Wahrscheinlich bis der Erste vor Spannung umfällt.“

Das würde bestimmt nicht er sein, so entspannt wie er wirkte.

Matt war das Warten gewöhnt. Im Operationssaal war es wichtig, ruhig und gelassen zu bleiben, wenn ein Leben auf dem Spiel stand und schon der kleinste Fehler zu großen Schwierigkeiten führen konnte. Bereit zu sein hieß für ihn, nicht unruhig an der Leine zu zerren.

Nun waren sie in einen abgesperrten Bereich an einer Seite des Zelts gerufen worden, aber noch immer schien es nicht loszugehen. Matt setzte sich auf eine Bank, und Hannah ließ sich neben ihm nieder. Er konnte die Anspannung spüren, die von ihr ausging. Vielleicht würde ein Gespräch sie entspannen.

„Der kleine Junge letzte Woche, war das dein Sohn?“

„Ja.“ Sie schenkte ihm ihr fröhliches, offenes Lächeln, das er letzte Woche schon einmal hatte beobachten dürfen. „Er heißt Sam.“

„Wie alt ist er?“

„Sechs.“

„Und wo ist er heute? Bei seinem Vater?“

Hannahs Lächeln schwand. Das war wohl nicht die richtige Frage gewesen.

„Nein, bei meiner Mutter. Sie bringt ihn später her, wenn die Ergebnisse verkündet werden. Sam und ich leben allein. Sein Vater spielt keine Rolle in unserem Leben.“

„Tut mir leid, ich wollte nicht neugierig sein.“

„Schon gut.“ Ihre Augen funkelten. „Wenn wir ein echtes Team sein wollen, sollten wir uns vermutlich sowieso ein wenig besser kennenlernen.“

„Okay. Matthew Robin Lawson. Sechsunddreißig. In Newcastle geboren, Single. Ich bin seit einem Jahr hier und habe vorher in Glasgow gearbeitet.“

„Du bist schon rumgekommen, oder?“ Als Matt sie fragend ansah, lächelte sie. „Du klingst nicht nach Newcastle.“

„Stimmt. Ich habe keine Familie. Nur meine Mutter, und die wohnt in Devon. Ich gehe einfach immer dahin, wo ein toller Job auf mich wartet.“

Das klang auch für ihn selbst mit einem Mal, als ob in seinem Leben etwas fehlte. Etwas Wichtiges, das Hannah zu haben schien: eine Familie und gute Freunde. Aber er kannte es nicht anders – er war schon immer Außenseiter gewesen und fühlte sich damit wohl.

„Und du beobachtest gern Leute.“ Das kam aus dem Nichts, und in Kombination mit der Wärme in Hannahs Augen ließ es ihn fast von der Bank fallen.

„Vermutlich schon. Wir sind oft umgezogen, und wenn man ständig das neue Kind in der Schule ist, ist es gut, erst einmal nur dazusitzen und zuzugucken.“

Sie schien auch den Teil zu verstehen, den er nicht gesagt hatte. Es fühlte sich gut an, einfach akzeptiert zu werden.

„Und du?“

„Hannah … Muss ich dir meinen Zweitnamen verraten?“

„Ist er so schlimm?“

Sie grinste. „Hannah Eloise Greene.“

„Eloise ist doch okay.“ Der Name passte gut zu ihrer weicheren Seite.

„Ein bisschen mädchenhaft, oder? Ich hätte gern etwas …“ Sie wedelte mit der Hand, als ob sie das passende Wort aus der Luft greifen könnte. „Etwas Abenteuerliches, vielleicht.“

„Flash? Jet?“

Hannah lachte, und Matt dachte schnell weiter nach. „Wie wäre es mit Olympia, wenn es etwas Klassisches sein darf? Oder Juno?“

„Nein, Olympia oder Juno ist viel zu elegant für mich. Und eine meiner Freundinnen hat ihren Sohn tatsächlich Jet genannt.“

Matt lachte. „Dann also Flash. Der Blitz.“

„Okay. Hannah Flash Greene. Klingt doch gut. Sechsundzwanzig Jahre, hier in diesem Krankenhaus geboren. Mein Vater ist vor sechs Jahren gestorben, und Sams Vater und ich haben uns getrennt, noch bevor Sam geboren wurde. Meine Mutter und ich haben zusammen ein Haus gekauft, und sie kümmert sich um Sam, wenn ich arbeite.“

„Es ist doch bestimmt schön für sie, wenn sie so viel Zeit mit ihrem Enkelsohn verbringen kann.“ Matt hatte seine Großeltern nie kennengelernt, und von seinen Onkeln und Tanten kannte er nur die Namen.

„Ja, nach dem Tod meines Dads wusste sie nicht, was sie mit sich anfangen sollte. Ich war nicht da und …“ Hannah zuckte mit den Schultern. Da war wohl etwas, was sie nicht sagen wollte, und er würde sie nicht drängen. Er hatte ja nur plaudern und keine Geheimnisse erfahren wollen.

„Liebe Teilnehmer und Teilnehmerinnen, bitte hier entlang“, rief eine der Produktionsassistentinnen, und sie sprangen beide auf.

Sie wussten bereits, dass im Zelt Kameras standen und sie die am besten ignorieren sollten. Das Zelt selbst war in vier Bereiche unterteilt, die so voneinander abgetrennt waren, dass man nicht hineinsehen konnte.

Eine Frau gab Matt einen Briefumschlag. „Darin findet ihr alles, was ihr braucht. Haltet euch an die roten Markierungen.“ Sie zeigte auf eine Tür aus Stoff, die einen roten Pfeil trug.

Hannah öffnete den Reißverschluss, und Matt sah aufgebockte Tische mit medizinischen Geräten vor sich. Auf der anderen Seite des Zelts wurde gerade eine zweite Tür geöffnet, die wieder nach draußen führte. Dort stand ein kleines rotes Auto. Sie betraten ihren Raum, und jemand schloss die Tür hinter ihnen. Es war seltsam, ganz allein mit Hannah zu sein. Nun ja, nicht allein – sie wurden ja von den Kameras beobachtet. Er öffnete den Umschlag.

„Autoschlüssel und eine Landkarte. Ein Telefon. Ah, Anweisungen.“ Er gab Hannah die Dokumente und blickte ihr über die Schulter.

Sie sah sich alles schnell an. „Wir sollen alles mitnehmen, von dem wir glauben, es zu brauchen, und warten, bis das Telefon klingelt. Mit dem Auto fahren wir zu einem Notfall, der sich irgendwo in dem roten Kreis auf der Karte abspielt. Wir wissen noch nicht, wo oder um welche Art Notfall es sich handelt.“

„Klingt doch nach einem ganz normalen Arbeitstag für dich.“ Matt grinste sie an und legte die Karte auf einen der Kartons, die auf dem Tisch standen.

Hannah studierte die Karte und runzelte die Stirn. „Der rote Ring liegt gute dreißig Meilen von hier.“

„Wir können hier warten, bis das Telefon klingelt, aber dann bleiben wir vielleicht im Stau stecken.“ Hannah nickte und sah zu ihm auf.

„Also, was sagst du, Flash? Mit so was kennst du dich besser aus als ich.“

Sie nickte. „Wir fahren los. Wir gucken, was in den Kartons ist, und nehmen nur die Mengen mit, die wir vermutlich benötigen.“ Sie zeigte auf eine Box mit Verbandmaterial. „Selbst wenn wir das alles brauchen würden, sind wir nur zu zweit und könnten gar nicht so viele Verbände legen.“

„Stimmt. Wie wäre es, wenn du die Sachen zusammenstellst und ich packe sie ins Auto?“

Sie zog die Augenbrauen hoch. „Bist du sicher?“

„Absolut. Ich bin daran gewöhnt, alles dazuhaben, was ich brauche. Deswegen überlasse ich dir die Entscheidung.“

„Na gut, Robin.“ Er blickte sie überrascht an, und sie lachte. „Nimm doch schon mal den Defibrillator und den Sauerstofftank.“

Nach fünfzehn Minuten waren sie fertig. Hannah hatte Plastiktüten genommen, um so viele Sachen wie möglich einzupacken. Sie hatten Kartons umgepackt und mit Marker beschriftet. Sie nahmen auch einige große, verschließbare Tüten mit, denn wenn die hier waren, hatten sie bestimmt irgendeinen Zweck. Außerdem packten sie eine Tasche mit Sandwiches und sechs kleine Wasserflaschen ein, die vor die Rücksitze passten.

„Kannst du sehen, was die anderen machen?“, fragte Matt, als er aus dem Carport fuhr.

Hannah drehte den Kopf und schaute aus dem Beifahrerfenster.„Ja, die Gelben sind schon weg. Sie arbeiten ja auch bei der Ambulanz, deswegen sind sie bestimmt ähnlich vorgegangen wie wir. Aber die Grünen und Blauen scheinen zu warten.“

Sie drehte sich um und sah sich ihre Fracht an. „Hoffentlich haben wir alles richtig gemacht.“

„Nun ist es zu spät. Wir gucken jetzt nach vorne, nicht zurück.“

Matt spürte seine Aufregung. Hier ging es nicht nur ums Gewinnen und das Bargeld, sondern mit einem Mal auch um sie beide, Flash und Robin, zusammen unterwegs.

3. KAPITEL

Hannah hatte einen Standort ausgewählt, von dem aus man gut alle großen Straßen in verschiedene Richtungen erreichen konnte und der fast genau im Zentrum des roten Kreises lag. Sie stiegen aus und vertraten sich die Beine. Obwohl es erst halb elf war, öffnete sie eines der Sandwichpakete. Wer wusste schon, wann sie das nächste Mal zum Essen kommen würden?

Nach zehn Minuten klingelte das Telefon. Matt antwortete, hörte aufmerksam zu und schrieb etwas auf die Rückseite der Landkarte.

„Im Lloyd’s Court. Ein Mann ist zusammengebrochen. Weitere Infos gibt es noch nicht.“

Hannah verdrehte die Augen und warf die Sandwichverpackung in den nächsten Mülleimer. „Nicht mal, wo er ist oder was er haben könnte?“

„Im Laufe der nächsten halben Stunde kriegen wir weitere Einzelheiten. Kennst du Lloyd’s Court?“

Sie nickte. „Ja, das ist ein riesiger Landschaftspark. Da suchen wir ewig.“

Matt reichte ihr den Autoschlüssel. „Dann beeilen wir uns lieber.“

Als Hannah in die breite Allee einbog, die ins Zentrum des Parks führte, erhielt Matt den nächsten Anruf. Er hörte erneut zu und wandte sich dann an Hannah.

„Unser Patient hatte wahrscheinlich einen Herzinfarkt. Es gab nur einen Anruf von ihm. Seinen genauen Standort konnte er nicht nennen, aber er sagte, er sei eine halbe Stunde im Park herumgelaufen und sei von lauter Bäumen umgeben. Er heißt Justin Travers, und ich habe seine Telefonnummer, aber er geht nicht ran.“

Adrenalin schoss durch ihre Adern. „Wofür haben wir sie dann?“

„Das frage ich mich auch …“ Matt tippte auf dem Telefon herum, während Hannah sich auf die Straße konzentrierte. Sie bog auf den Parkplatz neben dem Besucherzentrum ein, hielt an, stieg aus und öffnete den Kofferraum.

Sie zog die Kartons heraus und überlegte, was sie für ihren kleinen Spaziergang brauchen würden. „Was machst du, Matt?“

„Ich suche nur … ah! Da ist es!“

„Was?“, fragte sie leicht genervt.

Matt erschien ihr viel zu entspannt. Sie hatten doch einen Notfall. Okay, es war ein gespielter Notfall, aber trotzdem.

„Ich habe im Internet nach Justin Travers gesucht. Und ihn gefunden. Er geht gern walken und … Schau.“ Hannah warf einen Blick auf das Telefon und zog zwei Rucksäcke hervor.

„Es gibt ihn doch nicht wirklich, Matt. Er ist bestimmt nicht bei Facebook.“

„Wer weiß. Was würdest du machen, wenn die Situation echt wäre? Du würdest doch mehr über ihn herausfinden wollen, oder?“

Jetzt reichte er ihr das Telefon, und Hannah sah sich die Webseite an. Der Typ war selbstständiger IT-Consultant, und sein Hobby war Walken. Neulich war er auf dem Kilimandscharo gewesen. Seine Nummer wurde auch angezeigt. Als sie herunterscrollte, sah sie sein zweites Hobby: Hospital Challenge gucken. Das konnte doch kein Zufall sein.

„Da hattest du wohl recht.“ Plötzlich schämte sie sich. Matt war also doch voll bei der Sache.

Er schüttelte den Kopf. „Wir haben beide recht. Wir müssen los und unseren Suchbereich vergrößern. So trainiert, wie er ist, kommt er in einer halben Stunde bestimmt weiter als die meisten anderen.“

„Was schlägst du vor?“

„Richtige Walker gehen gern streng geradeaus. Und wenn er das gemacht hat … Zweieinhalb Meilen von hier gibt es ein Wäldchen.“ Matt zeigte Richtung Westen.

„Sollen wir das versuchen?“

Im Osten waren auch Bäume zu sehen, die schon nach einer Meile begannen. Dahinter lag eine Wiese.

„Ist ein Risiko. Normalerweise hätten wir jetzt Suchtrupps, die sich in alle Richtungen aufteilen würden. Bei uns geht das nicht, weil die Anweisungen lauten, dass wir beide zusammen am Unfallort sein müssen.“

Hannah drehte sich nach Westen und betrachtete den Hügel dort. War das nicht die richtige Herausforderung für einen erfahrenen Wanderer? Als sie Matt ansah, blickte der sie ganz ruhig und voller Zuversicht an.

„Okay. Ich bin einverstanden. Wir gehen nach Westen.“

Matt nahm den schwereren der beiden Rucksäcke und steckte noch zwei Flaschen Wasser ein. Er eilte los. Hannah wollte ihm schon nach wenigen Metern sagen, dass sie sich ihre Kräfte gut einteilen mussten, aber genau das tat er wahrscheinlich gerade. Sie betrachtete seinen Rücken und biss die Zähne zusammen. Sie war zu stolz, um sich abhängen zu lassen.

Aber nach einer Meile wurde ihr schwindelig, und die Muskeln in ihrem Rücken und ihren Beinen kreischten vor Schmerz. Sie blieb stehen und warf ihren Rucksack auf den Boden. Matt blieb ebenfalls stehen.

„Vielleicht sollten wir was trinken …“ Ein paar Minuten ausruhen, dann würde sie weiterkönnen.

Matt wartete auf sie. Er tat so, als müsste er in aller Ruhe die Karte studieren, obwohl er ganz genau wusste, dass sie auf den kleinen Wald zugingen, der sich oben auf dem Hügel gegen den Horizont abzeichnete.

„Trink noch was.“ Er reichte ihr die halb leere Flasche, die sie ins Gras gelegt hatte. Dann griff er nach ihrem Rucksack.

„Nein, Matt, das geht schon.“

„Wir müssen uns beeilen. Wenn ich müde werde, gebe ich ihn dir zurück.“

Er klang ruhig. Sanft sogar. Sie war einen ganz anderen Ton gewöhnt, wenn es um Ausdauertraining ging.

„Du darfst mir nicht die Erlaubnis geben, aufzugeben.“

Er grinste. „Ich gebe dir überhaupt keine Erlaubnis. Nur die, weiterzugehen. Ich brauche dich doch noch, wenn wir ankommen. Schaffst du das?“

Das zusätzliche Gewicht hielt ihn zurück, aber er ging weiter. Ohne den Rucksack war es viel leichter. Hannah holte auf und ging neben ihm.

„Du glaubst wohl nicht an ein bisschen Ermutigung?“

„Du meinst, ich soll dich anbrüllen? Nein, daran glaube ich wirklich nicht.“ Er presste die Lippen zusammen.

„Manchmal brauche ich so einen Stups.“

Er nickte. „Verstehe ich. Aber von mir kriegst du ihn nicht.“

Er blieb wortkarg, und das lag nicht nur an seinem schweren Gepäck. Er schien immer so locker, aber dahinter schimmerten Prinzipien durch, denen er wohl treu blieb.

„Na gut. Dann muss ich mich bei Bedarf eben selbst anbrüllen.“

„Das wäre gut.“ Plötzlich grinste er wieder. Seine tiefblauen Augen halfen Hannah auch dabei, sich zusammenzureißen, denn bei ihrem Anblick schlug ihr Herz schneller und ihre Beine schienen neue Kraft zu schöpfen.

„Ich kann meinen Rucksack wieder nehmen.“

Er nickte. „Okay. Den ganzen Weg halte ich das sonst auch nicht durch.“

Er hatte seine Stärken. So wie sie ihre Stärken hatte. Und diese Stärken gemeinsam zu entdecken und einzusetzen war eine aufregende Herausforderung.

Matt hatte schon verstanden, was Hannah von ihm wollte, und natürlich wusste er, dass es nichts mit echter Aggression zu tun hatte, wenn man jemanden anfeuerte. Es sollte einfach helfen, sich wieder auf das Ziel zu konzentrieren.

Dennoch konnte er so etwas nicht.

Es war schon über fünfundzwanzig Jahre her, dass er sich vor der Wut seines Vaters hatte schützen müssen. Alles, was er getan und gesagt hatte, war immer so kalkuliert gewesen, dass es seinem Vater gefallen würde. Denn der konnte sich über die kleinsten Dinge aufregen.

Hannah ein wenig unter Druck zu setzen, damit sie ihre Reserven mobilisierte, wäre damit natürlich nicht zu vergleichen gewesen. Aber dennoch, irgendetwas in ihm sperrte sich dagegen. So war er einfach nicht. So hatte er nie sein wollen.

Als sie ihm den Rucksack wieder abnahm, stieg ihm ihr Duft in die Nase – obwohl sie verschwitzt war, konnte er ihre süße Frische riechen, was seinen Körper auf eine Weise erregte, die er seit Langem nicht verspürt hatte. Bei der kurzen Berührung ihrer Hände schien nicht nur er etwas zu fühlen, denn Hannah zog schnell ihre Hand fort.

„Sollen wir uns doch kurz aufteilen?“ Sie hatten den Waldrand erreicht, und Hannah nahm ihm die Karte ab und legte sie auf den Boden. Die Bäume vor ihnen reichten weit in beide Richtungen.

„Gute Idee. Ich laufe hier entlang, du nimmst den Weg durch die Mitte.“ Matt hatte sich für den unebeneren Teil des Hangs entschieden. Vielleicht würde die zusätzliche Anstrengung ihn vergessen lassen, wie Hannahs Haare im Sonnenlicht schimmerten und wie ihr verschwitztes T-Shirt sich an ihre Kurven schmiegte.

„Dann hast du ja schon wieder die schwierigere Aufgabe.“

„Keine Sorge, wir haben bestimmt noch genügend Herausforderungen vor uns.“

Hannah lächelte. „Okay, danke, ich muss da nicht unbedingt rumklettern.“

Nun gingen sie langsamer und versuchten, sich gegenseitig nicht aus dem Blickfeld zu verlieren. Sie suchten nach Zeichen des Mannes, den sie finden mussten. Matt sah etwas Blaues, aber als er darauf zueilte, war es nur eine Plastiktüte, die im Wind flatterte.

„Siehst du was?“, hörte er Hannah rufen.

„Nein, nichts.“ Matt ging weiter. Jetzt wurde der Wald schmaler, und nach einer Kurve gelangte er auf ihren Pfad.

„Wo ist er dann? Haben wir falsch gedacht, Matt?“ Sie schien erschöpft nach dem langen Weg.

„Ich glaube nicht.“

Hannah straffte die Schultern. „Okay, wir gehen noch jetzt hier durch und suchen danach noch einmal alles ab. Wenn wir dann ganz sicher sind, dass er nicht hier ist, müssen wir uns was anderes überlegen.“

Sie waren weitere zehn Minuten unterwegs, bis Matt endlich etwas entdeckte. Tief zwischen den Bäumen, aber von der Sonne beschienen, lehnte ein Mann an einem Baumstamm. Sie zwängten sich durch das Unterholz. Ein Ast zerkratzte Matts Arm, und er hielt ihn zurück, damit er Hannah nicht ins Gesicht schlug. Sie ging geduckt an ihm vorbei und rannte auf den Mann zu.

Matt hatte keine Ahnung, was sie jetzt machen sollten. Sie würden doch nicht versuchen, einen Mann wiederzubeleben, der in Wahrheit gar nicht krank war. Da öffnete der Mann die Augen und grinste Hannah an, die sich vor ihm hinkniete.

„Hallo. Habt ihr mich also gefunden.“ Er zeigte mit dem Daumen nach hinten. „Da müsst ihr hin.“

Hannah blieb, wo sie war. „Geht es dir gut?“

Der Mann lachte. „Na klar. Wir versuchen zwar, alles so authentisch wie möglich aussehen zu lassen, aber ein echter Herzinfarkt muss es dann doch nicht sein.“

Sie runzelte die Stirn. „Hast du was zu trinken?“

Matt suchte nach der Wasserflasche im Gepäck. Der Patient war nicht echt, aber Hannah schien sich trotzdem Sorgen zu machen. Zu Recht, denn der Mann hatte die ganze Zeit in der heißen Sonne gesessen, und sein Gesicht war schon ganz rot.

„Das wäre wirklich eine gute Idee“, sagte der Mann. „Ich muss wohl noch eine Weile hierbleiben. Danke. Aber jetzt müsst ihr weiter. Fünf Minuten in diese Richtung.“

Hannah stand auf und sah Matt fragend an. Er zuckte nur mit den Schultern. Sie gingen den Hügel hinunter durch den Wald, und dann meinte er etwas zu erkennen. Ein gut getarntes Zelt. Sie gingen darauf zu, und Matt beugte sich vor, um hineinzusehen. Darin standen mehrere Menschen und vier Tische in den verschiedenen Team-Farben. Er hielt für Hannah die Zeltklappe auf.

„Gut gemacht.“ Eine junge Frau kam auf sie zu und strahlte. „Da drüben ist euer Tisch.“

„Sofort.“ Hannah klang streng und schien den Wettbewerb völlig vergessen zu haben. „Ich muss kurz mit einem Verantwortlichen sprechen.“

„Die Zeit läuft“, sagte die Frau mit gerunzelter Stirn.

„Dann wäre es schön, wenn du dich beeilst.“

Hannah sah Matt entschuldigend an, aber er nickte.

Die Frau winkte einem Mann zu, der auf sie zukam. „Gibt’s ein Problem?“

„Ja. Der Mann da draußen liegt mitten in der Sonne und hat nichts zu trinken. Wir haben ihm unser Wasser gegeben. Er ist schon ganz rot im Gesicht. Hoffentlich kriegt er keinen Sonnenstich.“

Matt grinste. Flash war in Bestform.

Der Mann kratzte sich den Kopf. „Hat er gesagt, dass es ihm schlecht geht?“

„Nein, aber Vorsicht ist besser als Nachsicht, oder? Ich dachte mir, dass Sie bestimmt Bescheid wissen wollen.“ Hannah zuckte mit den Schultern. „Gesundheit und Sicherheit und so …“

Sie versuchte, freundlich zu bleiben, aber hinter ihrem Lächeln sah er ihre Ernsthaftigkeit. Matts medizinische Entscheidungen wurden niemals infrage gestellt. Hannah hingegen hatte bestimmt oft mit ähnlichen Situationen zu kämpfen, und sie schien genau zu wissen, wie sie ihren Willen durchsetzen konnte, ohne sich streiten zu müssen.

„Natürlich. Danke, dass Sie Bescheid gegeben haben. Wir kümmern uns darum. Wir können ihn ja in den Schatten setzen, etwas näher am Weg. Und wir geben ihm Wasser. Klingt das gut?“

„Das klingt wunderbar. Vielen Dank.“ Hannah lächelte noch einmal und wandte sich dann um.

„Das ist sehr fair von dir. Die anderen Teams werden ihn wohl schneller entdecken, wenn er näher am Weg liegt.“

„Was hätten wir denn sonst machen sollen?“

„Ich wollte damit nur sagen, wie gut ich es finde, dass meine Partnerin nicht nur auf unseren Sieg aus ist.“

Hannah stemmte die Hände in die Hüften. „Warte nur ab, was passiert, wenn du nicht sofort zu diesem Tisch da gehst. Los jetzt.“

Fast war er verlockt, herauszufinden, was dann passieren würde. Hannah würde alles mit ihm machen können, was sie wollte – je intensiver, desto besser. Peinlicherweise schien sie seine Gedanken lesen zu können, denn sie zog die Augenbrauen hoch.

Matt drehte sich schnell um und ging auf den Tisch zu.

4. KAPITEL

Fast eine Stunde erklärten sie zwei Jurorinnen, was sie mit dem Inhalt ihrer Rucksäcke gemacht und wie sie den Patienten behandelt hätten. Nach etwa einer halben Stunde tauchte das gelbe Team auf, die Blauen und Grünen waren immer noch nicht zu sehen. Schließlich durften Matt und Hannah gehen. Einer der Produktionsassistenten brachte sie zu einem Kleinbus, der sie zurück zum Parkplatz brachte.

Matt setzte sich in das rote Auto und steckte den Schlüssel ins Zündschloss. Hannah streckte die Hand aus.

„Dein Arm blutet.“ Aus der Hosentasche zog sie ein Päckchen mit antiseptischen Feuchttüchern, die sie wohl aus dem Rucksack genommen haben musste.

Matt hatte nebenbei mitbekommen, dass ein paar Dornen sein T-Shirt zerrissen und auch seinen Arm zerkratzt hatten. Seine Schulter brannte. Jetzt sah er, dass ein wenig Blut geflossen war.

„Schon gut.“

Sie sah ihn mit einem Blick an, den vermutlich all ihre Patienten zu sehen bekamen, die sich nicht ordentlich behandeln lassen wollten.

„Du bist also einer von diesen Männern. Ich sag’s auch niemandem, aber ich fände es gut, wenn du in den nächsten vier Wochen so gesund wie möglich bleiben würdest. Deswegen musst du jetzt da durch.“

Das Brennen war ihm etwas zu dicht an der Narbe auf seiner Schulter, die er niemandem zeigte. Aber er verhielt sich so, wie es dann wohl alle Patienten taten, die Hannahs Charme erlagen. Er zog den Ärmel hoch und war beruhigt, als er merkte, dass das große, rote Mal so nicht zu sehen war.

„Oh, das sieht fies aus.“ Hannah verzog den Mund. „Jetzt beiß die Zähne zusammen.“

„Au! Was hast du gemacht?“ Wenn er sich schon so jämmerlich verhielt, dann konnte er sich auch gleich richtig anstellen.

„Da war noch ein Dorn in der Wunde.“ Hannah hielt einen hässlichen Stachel zwischen den Fingern. „Und ich glaube, da ist noch einer. Achtung …“

Aber dieses Mal war er vorbereitet und zeigte seine Schmerzen nicht. Hannah tupfte die Wunde ab und klebte ein Pflaster darauf. „Das sollte halten. Aber …“

„Ich soll die Wunde auswaschen, wenn ich zu Hause bin, richtig? Das weiß ich doch.“ Matt zog den Ärmel wieder herunter.

„Ja, natürlich. Entschuldige, die Macht der Gewohnheit.“

Sie lehnte sich zurück und sah nach draußen, wo das Gras im Sonnenlicht glänzte. Matt wollte plötzlich nicht mehr losfahren. Er war so daran gewöhnt, mit anderen Menschen nur über die Arbeit zu sprechen, dass er Small Talk eigentlich immer ablehnte. Mit Hannah war es etwas anderes.

„Du kennst diesen Park ziemlich gut, oder?“

„Als ich klein war, sind wir immer Sonntagnachmittag hergekommen, und mein Vater hat mir beigebracht, einen Drachen steigen zu lassen.“

Es war bestimmt schön, solche Erinnerungen zu haben, an die man mit einem Lächeln zurückdenken konnte.

„Wolltest du nie woanders wohnen?“

„Nein. Als mein Vater gestorben ist, war ich gerade eine Weile woanders, und als ich wiederkam, war er schon tot. Ich konnte meine Mutter nicht wieder allein lassen.“

„Das tut mir leid. Das war bestimmt schwer.“

„Vor allem für meine Mum.“ Hannah zuckte mit den Schultern, als wäre ihre eigene Trauer nicht so wichtig. „Mein Dad wusste, dass ich auf dem Weg zu ihm war, aber er hat leider nicht mehr so lang durchhalten können.“

Eine Träne lief ihr über die Wange, und sie wischte sie ungeduldig weg. Matt wollte sie gern trösten, aber er wusste nicht, ob sie das annehmen würde.

„Ich schätze mal, es gibt eigentlich gar nicht viel, was man denjenigen noch sagen kann, die man liebt. Weil sie es sowieso wissen.“

Sie nickte. „Das glaube ich auch. Oder ich hoffe es zumindest. Vor allem tut es mir leid, dass ich Dad nie sagen konnte, dass er sich um Mum keine Sorgen machen muss, weil ich mich um sie kümmere.“

„Auch das hat er doch bestimmt gewusst. So wie du sicher immer weißt, was dein Sohn denkt.“ Matt hatte eigentlich überhaupt kein Recht, Ratschläge in Familienangelegenheiten zu geben. Als Kind hatte er andere Familien immer nur von außen beobachten können.

Hannah lachte plötzlich. „Das stimmt allerdings. Im Moment denke ich zum Glück noch schneller als Sam, sonst könnte ich nie mit ihm Schritt halten.“

Matt lächelte.

„Es wäre schön gewesen“, sagte Hannah, „wenn Sam meinen Vater noch kennengelernt hätte. Sie hätten sich gut verstanden.“

„Hast du ihm denn gezeigt, wie man einen Drachen steigen lässt?“

„Nein, leider noch nicht.“ Sie sah ihn mit großen Augen an. „Aber das ist eine gute Idee. Vielleicht sollten wir das demnächst mal machen.“

Er konnte die Frage nicht aussprechen – ob Hannah ihn dann anrufen und mitnehmen würde. Er wusste nämlich auch nicht, wie man einen Drachen steigen ließ.

Er zuckte zusammen, als jemand an das Autofenster klopfte. Hannah drückte auf den Knopf, um es zu öffnen. Das gelbe Team war nun auch wieder da und ging zum gelben Auto. Die Produktionsassistentin lächelte.

„Ihr Lieben, ihr solltet wirklich zurück zum Krankenhaus fahren. Da gibt es noch ein paar Interviews, und wenn die anderen Teams zurückkommen, verkünden wir die Gewinner.“

„Wo sind denn die anderen beiden Teams? Wisst ihr das?“ Hannahs Kampfgeist kam zurück, und die junge Frau schüttelte den Kopf.

„Tut mir leid.“

„Kein Problem.“ Hannah schloss das Fenster. „Wahrscheinlich darf sie es nicht sagen.“

Matt startete den Motor. „Das finden wir schon heraus.“

Hannah hätte sich zurückhalten sollen. Normalerweise erzählte sie immer nur ganz kurz, dass sie im Ausland gewesen und sofort zurückgekommen war, als ihr Vater gestorben war.

Über die Schuld, die sie auffraß, sagte sie nichts. Darüber, dass sie ihren Freund auf eine Reise begleitet hatte, die sein Traum gewesen war, nicht ihrer. John war ihr Traum gewesen, und sie war ihm gefolgt.

Ihr Vater hatte sie vorher gefragt, was sie wirklich wollte, und sie hatte gesagt: Genau das! Sie wolle die Welt sehen. Er hatte ihr jedoch nicht geglaubt und sich, wie ihre Mutter, Sorgen gemacht. Dennoch hatten sie sie gehen lassen und ihr am Flughafen nachgewinkt, mit einem festgetackerten Lächeln auf den Lippen.

Und das war das letzte Mal, dass sie ihren Vater gesehen hatte. Als sie das Telegramm bekam, das zwischen mehreren Postämtern hin und her geschickt worden war, hatte sie ihre Mutter angerufen und erfahren, dass er bereits im Sterben lag. Dieses Mal war es John gewesen, der sie zum Flughafen gebracht und gewinkt hatte, doch dabei hatte er deutlich fröhlicher gewirkt als ihre Eltern. Und das war auch das letzte Mal gewesen, dass sie ihn gesehen hatte. Als sie zu Hause angekommen war, war ihr Vater schon gestorben, und sie hatte sich nie bei ihm entschuldigen können.

Matt bog auf die Straße hinter dem Krankenhaus ein – und dort standen schon ihre Mutter und Sam. Sie warteten ganz vorne im Zuschauerbereich, und Sam wedelte mit der roten Flagge, die sie gemeinsam gebastelt hatten. Matt hielt mit dem Auto direkt vor ihm an.

„Mum! Mum!“, schrie Sam, so laut er konnte. Hannah stieg aus dem Auto.

„Mum! Hast du gewonnen?“

„Das steht noch nicht fest.“ Hannah strich ihm über die Wange. „Aber wir haben uns Mühe gegeben, und das ist das Wichtigste.“

Sam überkam seine Enttäuschung schnell und sprang wieder mit der Flagge in der Faust auf und ab. Als Matt ebenfalls ausstieg, reckt Sam den Kopf, um ihn zu sehen, doch als Matt ihm zuwinkte, versteckte er sich schnell hinter Hannah.

Sie winkte Matt zu sich. „Sam, das ist Matt.“

„Hallo, Sam.“ Matt hockte sich hin, ließ dem Jungen jedoch genügend Platz und wartete lächelnd, bis er seine Angst überwunden hatte. „Das ist ja eine tolle Flagge.“

„Hab ich selbst gemacht.“ Sam wedelte sie noch einmal hin und her.

Matt nickte ernst. „Das sieht man. Wir haben sie auch gleich gesehen, als wir hier ankamen.“

Das gefiel Sam. Er fing an zu plappern, als Matt aufstand und auch Hannahs Mutter begrüßte. Sie warf Hannah einen Blick zu. Einen eindeutigen Blick – Mum gefielen starke, stille Kerle, und gute Manieren beeindruckten sie immer.

Nun hatten auch die anderen Menschen das rote Auto entdeckt. Ihre Unterstützer jubelten ihnen zu und hielten ein mit dem Namen des Krankenhauses beschriftetes Banner hoch.

Hannah hob Sam über die Absperrung, wobei sie ihre müden Muskeln spürte. Er wedelte begeistert mit der Flagge, und weil er noch besser sehen wollte, streckte er die Arme nach Matt aus, der kurz zögerte und ihn dann mit einem Lächeln entgegennahm. Dabei berührten sich kurz Hannahs und Matts Hände, und sofort schoss ein Blitz durch ihre Brust.

Er setzte sich den Jungen auf die Schultern und hielt ihn fest, damit er nicht herunterfiel. Sam jubelte.

Hannah tippte Sam ans Knie. „Bleib ruhig sitzen, ja? Sonst fällst du runter.“

Matt schüttelte den Kopf. „Keine Sorge, ich halte ihn fest.“

Genau so wäre es gewesen, wenn Sam einen Vater gehabt hätte. Wenn John nicht gesagt hätte, dass er mit einem Kind nichts zu tun haben wollte. Er war so mit sich selbst beschäftigt gewesen, dass sie und das kleine Würmchen, das sie miteinander geschaffen hatten, ihn nicht interessiert hatten. Hannah verspürte einen Kloß im Hals und bemerkte, dass ihre Mutter sie ansah.

„Kannst du kurz hierbleiben, Matt? Dann parke ich das Auto.“ Sie wollte nur einen Moment allein sein, damit sie nicht noch länger über das Bild einer vollständigen Familie nachdenken musste.

„Ähm … klar.“ Matt war offensichtlich nicht an Kinder gewöhnt. Aber wenn Sam runterwollte, würde ihre Mutter ihm helfen.

„Schlüssel?“

„In meiner Tasche.“ Matt wollte Sam nicht loslassen, auch wenn eine Hand vermutlich gereicht hätte. Hannah sah die Umrisse des Schlüssels in seiner Hosentasche. Ihr Mund wurde plötzlich ganz trocken.

„Okay. Dann …“ Sie unterbrach sich. Sie musste Matt doch nicht jedes Mal warnen, wenn sie ihm nahe kam. Doch sein kurzes Stocken zeigte ihr, dass er ihre Berührung deutlich spürte. Sie fischte mit zwei Fingern nach dem Schlüssel und trat schnell zurück, als sie ihn gefunden hatte. Ihre Faust schloss sich so fest darum, dass sich das spitze Metall in ihre Handfläche bohrte.

„Ich gehe kurz das Auto abstellen, Sam. Bleibst du hier, mit Matt und Grandma?“ Sam nickte nur kurz.

Auf dem Parkplatz traf Hannah auf Sophie. Sie legte ihr den Arm um die Schultern, während sie gemeinsam zurückgingen.

„Er hat sich also mit Sam angefreundet. Wie war er?“

Wunderbar. Eine Herausforderung. „Ähm … er hat Kondition.“

„Ich mag Männer mit Kondition.“ Sophie lachte, und Hannah stieß sie in die Seite.

„Wir sind zusammen einen Hügel raufgeklettert. Und er kann gut Probleme lösen.“

„Ja? Ich liebe Männer, die Probleme lösen können.“

„Ach ja? Dann versuch es doch mal selbst mit ihm.“ Sofort wünschte Hannah sich, sie könnte ihre Worte zurücknehmen. Sophie sollte es definitiv nicht mit Matt versuchen.

„Nein, danke. Er gehört dir.“ Sophie beendete ihr Gespräch ganz plötzlich und stürmte auf Sam zu. „Hey, Sam. Du bist ja groß geworden!“

Sam beugte sich vor und tippte Sophie auf den Kopf. Sie lachte.

„Wir müssen reingehen“, sagte Matt. „Sophie, kommst du mit?“

Es war nett von ihm, dass er Sophie so einschloss. Sie hatte schließlich dazu beigetragen, dass sie hier gelandet waren.

„Nein, schon okay.“ Sophie grinste Hannahs Mutter verschwörerisch zu. „Aber nehmt Sam mit.“

Der Weg zum Empfangsbereich war kurz, aber die Zuschauer jubelten ihnen zu und machten schließlich sogar eine Welle. Hannah spürte die Erwartungen aller und musste schlucken. Aber Sam winkte begeistert mit seiner Flagge, bis Matt ihn von den Schultern nahm. Hannah umarmte ihn noch einmal. „Und jetzt lauf zurück zu Grandma, ja? Matt und ich müssen noch etwas erledigen, aber ich bin bald wieder da.“

Hannah winkte ihrer Mutter zu, damit sie Sam auf dem Weg nicht aus den Augen verlor.

„Ich kann ihn doch hinbringen …“ Matt sah besorgt aus, aber Hannah schüttelte den Kopf.

„Das kann er schon selbst.“

Und tatsächlich nahm Sophie ihn gleich entgegen. Sam drehte sich sofort wieder um und winkte seiner Mutter.

„Er ist toll“, sagte Matt. „Aber bestimmt kein einfaches Kind, oder?“

„Die besten sind nie die einfachsten“, sagte Hannah.

Matt nickte nachdenklich. Dann drehte er sich plötzlich weg, als müsste er sich von Sams Anblick losreißen.

Sie hatten eine Reihe von Fragen beantworten müssen, die gar nicht so einfach gewesen waren. Trotzdem hatte es Spaß gemacht, und sie hofften, dass sie sich gut geschlagen hatten. Ihre Antworten würden damit verrechnet werden, dass sie den angeblichen Patienten als Erste erreicht hatten. Matt war sich ziemlich sicher, dass sie medizinisch alles richtig gemacht hatten, aber vielleicht hatten sie etwas anderes übersehen?

Hannah wurde immer nervöser, und Matt überlegte, was er sagen könnte. Aber ihm fiel nichts ein, weil er auch aufgeregt war.

Das Schwierigste an diesem Tag war jedoch die Zeit mit Sam auf seinen Schultern gewesen. Diese Verantwortung zu übernehmen, wenn auch nur für ein paar Minuten. Sam hingegen hatte überhaupt keine Angst gehabt, sondern sich ganz selbstverständlich an ihm festgehalten.

Aber er sollte nicht allzu viel hineininterpretieren. Hannahs Mutter und Sophie hatten schließlich auch ein Auge auf ihn gehabt. Und der Gedanke, dass er, Matt, irgendwie dazugehören könnte, war wirklich unangemessen. Genauso wie sein immer stärkerer Wunsch, Hannah zu berühren.

Endlich wurden die vier Teams zusammengerufen. Kameras waren auf sie gerichtet, um sofort ihre Reaktionen einzufangen. Eine der Jurorinnen fasste zusammen, was die Teams geleistet hatten. Hannah stand unruhig neben Matt.

Er beugte sich vor, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern. Dabei legte er eine Hand vor seinen Mund, damit die Kameras ihn nicht erwischten. Selbst jetzt noch roch Hannah so frisch, dass er ihren Duft nicht ausblenden konnte. „Wir sollten eine Wette starten, wie lange sie es hinauszögern.“

Sie sah zu ihm auf. „Zwei Minuten.“

„Okay, ich sage dreißig Sekunden. Der Verlierer bezahlt den nächsten Kaffee.“ Matt war sich sicher, dass der Juror bestimmt noch drei Minuten reden würde, aber wenn er Hannah dafür einen Kaffee würde ausgeben können, war er doch eigentlich der Gewinner, oder?

Sie sah ihn skeptisch an. Schnell richtete Matt seinen Blick auf die Uhr, und Hannah tat es ihm nach. Der Sekundenzeiger tickte vor sich hin, und sie stupste ihn an, als die zwei Minuten vorbei waren. Oh ja, dieses Lächeln war ihm einige Kaffees wert.

„Du hast gewonnen.“ Gerade als er das sagte, wurde die Jurorin lauter.

„Und die Gewinner sind … Matt und Hannah für das Hamblewell Hospital.“

Die Menschen jubelten, und Matt sah, wie Sam auf und ab sprang und den Siegestanz zum Besten gab, den Matt letzte Woche schon beobachtet hatte. Hannah schien von der guten Neuigkeit wie gelähmt zu sein, während er die Hände der vielen Gratulierenden schüttelte. Dann bahnten sie sich den Weg hinauf auf die Bühne. Auch die Jurorin schüttelte ihnen die Hand und gab ihnen je eine Medaille, die sie sich um den Hals legten. Matt blieb neben Hannah stehen und ließ sich von dem Jubel berauschen. Das hier war mehr, als er sich hatte vorstellen können – mit Hannah gemeinsam gewinnen.

Es folgten weitere Glückwünsche und Fotos. Und dann waren sie plötzlich allein.

„Gut gemacht, Flash.“

„Du auch, Robin.“ Sie runzelte die Stirn. „Willst du nicht lieber Flash sein? Robin klingt, als wärst du mein Sidekick.“

„Hey, du bleibst bei deinem Zweitnamen, ich bei meinem. An den habe ich mich im Laufe der Jahre gewöhnt.“ Eigentlich waren ihm beide seiner Namen nicht besonders wichtig, Aber von Hannahs Lippen klangen sie mit einem Mal ganz besonders.

Er nahm seine Medaille ab. „Ob Sam die haben will?“

„Nein, die hast du dir verdient. Er kann meine haben.“

Matt legte ihr sie trotzdem in die Hand. „Nimm die auch. Dann kann er sich gleich zwei umhängen.“

Hannah sah zu ihm auf. „Komm doch mit, und gib sie ihm selbst. Dann kann er sich bedanken. Wir werden wahrscheinlich noch was trinken gehen, bevor ich mich zu Hause aufs Sofa schmeiße. Du bist herzlich eingeladen.“

Matt hätte nichts lieber getan. Er wollte gern noch eine Weile mit Hannah verbringen und sie besser kennenlernen, aber das war wirklich keine gute Idee.

„Danke, aber ich muss nach Hause. Hab noch was zu tun.“ Das war eine Lüge, und so klang er auch. „Und mein Sofa klingt auch verlockend.“

Sie sah ihn kurz forschend an, nickte dann aber. „Dann vielen Dank für diesen schönen Tag. Und für die Medaille. Sam wird sich bestimmt freuen.“

Matt sah ihr nach. Sie kniete vor Sam nieder und legte ihm die erste Medaille um den Hals. Matt schmerzte das Herz, als er sah, wie der Junge sie in die Hand nahm und genau untersuchte. Hannah zeigte hinter sich in seine Richtung und begann, sich umzudrehen.

Da wandte er sich schnell ab. Er durfte sie nicht so beobachten, so gierig nach jedem Detail. Er ging los und spürte mit einem Mal, wie schwer sein Körper war. Die Glieder waren müde, und die Wunde an seiner Schulter schmerzte. Er sollte nach Hause gehen und duschen. Und vor allem sollte er Hannah vergessen, bis er sie nächste Woche wiedersehen würde.

5. KAPITEL

Hannah versuchte, nicht ständig an Matt zu denken. Dass Sam die ganze Zeit von ihm redete, machte die Sache nicht leichter, und auch ihre Mutter meinte, dass er so nett sei, und fragte sich, ob er wohl eine Familie habe.

Sophie wusste die Antwort. „Er ist definitiv Single.“

Hannah lehnte sich auf dem Beifahrersitz des Krankenwagens zurück. „Woher weißt du das?“

„Ich habe mit einer der Krankenschwestern aus der Orthopädie gesprochen. Er ist oft bei ihnen, weil er Patienten von dort operiert.“

„Und die haben ein Dossier über ihn angelegt?“

„Jupp. Er wohnt gleich um die Ecke vom Krankenhaus. Er ist seit einem Jahr hier und hat keine Freundin, und das, obwohl er doch wirklich wie ein Gott aussieht.“ Sophie runzelte die Stirn. „Vielleicht hat er irgendein dunkles Geheimnis.“

Das hatte Hannah auch schon überlegt. „Vielleicht will er auch einfach sein Privatleben privat halten.“

„Das heißt, du weißt etwas?“

„Nein. Wir gehen nur nicht alle so begeistert aus wie du. Ich hab doch auch seit Jahren keinen Partner. Aber das überrascht wahrscheinlich niemanden, ich sehe ja auch nicht aus wie eine Göttin.“

„Sei nicht albern. Du bist eine Supergöttin.“ Sophie zog eine Grimasse. „Du glaubst nur einfach nicht, dass es einen Mann da draußen gibt, der dich nicht gleich wieder verlässt.“

„Außerdem habe ich einen Sechsjährigen und einen Job. Da habe ich gar keine Zeit für Verabredungen.“ Bestimmt würde sie sich die Zeit nehmen können, das wusste Hannah – ihre Mutter sagte ja auch immer, sie solle sich mehr um sich kümmern. Aber die Schuldgefühle hielten sie davon ab. Sie hatte ihren Vater vernachlässigt und würde das Versprechen, das sie ihm erst nach seinem Tod gegeben hatte, nicht brechen. Sie würde sich nie wieder verlocken lassen, zu glauben, dass sie verliebt sei, und die Menschen enttäuschen, die sie liebte.

„Bist du sicher, dass du nicht für Matt eine Ausnahme machen könntest?“ Sophie grinste und seufzte gleichzeitig, als das Funkgerät sich meldete.

Gut. Endlich etwas anderes, über das Hannah nachdenken konnte. So würde sie Matts breite Schultern vergessen und nicht mehr überlegen, was wohl geschehen würde, wenn es einer Frau zufällig mit Absicht gelingen würde, seine harte Schale zu durchbrechen. Sie hatte das Feuer und die Entschlossenheit dahinter kurz gesehen, und es hatte sie erbeben lassen.

„Dann mal los.“ Sophie warf Hannah einen Blick zu, bevor sie den Motor anließ.

Der zweite Teil des Wettbewerbs fand im Krankenhaus des blauen Teams statt. Matt hatte Hannah geschrieben, dass er um halb acht dort sein und ihr Kaffee mitbringen würde. Schließlich hatte er ja ihre Wette verloren. Hannah hatte einen Cafe Latte ohne Zucker bestellt, und fast sofort war ein Smiley zurückgekommen.

Matt war zwischen all den Menschen gleich auszumachen. Das lag zum einen an seiner Größe, zum anderen an den blonden Haaren und dem roten T-Shirt. Er stand neben den Fans des blauen Teams und unterhielt sich mit einem etwa dreizehnjährigen Mädchen im Rollstuhl, das bestimmt aus dem Krankenhaus nach draußen gebracht worden war. Hannah ging zu ihm und wollte ihm gerade auf die Schulter tippen, da drehte er sich um, als hätte er sie gespürt.

„Ah, da bist du ja.“ Er hielt zwei große Becher in der Hand und reichte ihr einen. „Latte ohne Zucker. Mia, das ist Hannah.“

„Hallo, Mia.“ Hannah lächelte das Mädchen an. „Du willst wohl die Blauen anfeuern?“

„Und Dr. Matt“, sagte sie. „Er ist mein Arzt.“

Matt grinste. „Das ist sehr lieb von dir. Wenn du mir zuguckst, werde ich bestimmt noch schneller rennen.“ Er zeigte auf einen großen Bildschirm, der an einer Seite aufgebaut worden war. Offenbar würden sie, begleitet von Kameras, wieder woanders hinfahren.

„Da muss er sich aber anstrengen, sonst hänge ich ihn ab.“ Hannah zwinkerte Mia zu, und die grinste.

Matt lachte. „Hannah ist übrigens Notfallsanitäterin.“

Mias Augen leuchteten. „Das will ich auch später mal machen!“

„Das ist keine leichte Arbeit“, sagte Hannah, „aber ich liebe sie sehr. Mein absoluter Traumjob.“

Hannah fragte sich, was Mia wohl hatte und ob sie mit den körperlichen Anforderungen zurechtkommen würde.

„Wenn es dir wieder besser geht, kannst du machen, was du willst“, sagte Matt.

Die Frau neben Mia – ihre Mutter – meldete sich erstmalig zu Wort. „Und Sie unterstützen uns weiter dabei.“

„Es ist mir ein Vergnügen. Ich freue mich sehr, dass es Mia so gut geht.“ Matt beugte sich noch einmal zu ihr hinunter. „Kommst du später noch einmal raus?“

„Ja, ich muss doch dich und Hannah anfeuern“

Hannah lächelte ihr zu. „Danke. Wir Sanitäterinnen müssen zusammenhalten.“Sie ließen die beiden dort stehen und gingen quer über den Rasen zum Empfangszelt.

„Ich wusste gar nicht“, sagte Hannah, „dass du auch hier arbeitest.“

„Ab und an übernehme ich Operationen. Mia hat starke Skoliose, das ist mein Spezialgebiet.“

„Sie mag dich sehr.“ Hannah hatte die Erfahrung gemacht, dass man Patienten trauen konnte, wenn es darum ging, den Arzt einzuschätzen.

„Sie ist wahnsinnig tapfer und entschlossen. Als ich sie zum ersten Mal gesehen habe, hat sie mir eine Liste gegeben mit all den Dingen, die sie nach der Operation machen will.“

Hannah lachte. „Und?“

„Sieht ganz gut aus. Die Arbeit mit der Physiotherapeutin läuft. Bald kann sie die ersten Sachen abhaken.“

„Es ist bestimmt schön, dass du immer wieder schauen kannst, wie es deinen Patienten geht. Das ist bei mir ja leider nur selten der Fall.“

„Manche lerne ich nicht so gut kennen, weil sie ja anästhesiert sind“, sagte er trocken. „Aber ich versuche, immer nachzufragen, vor allem bei den Kindern. Es ist so wichtig, dass sie …“ Er zuckte mit den Schultern. „Dass sie einen guten Start ins Leben haben.“

Hannah nickte. Was das anging, hatte sie Glück gehabt. Alle späteren Fehler waren ihre eigenen gewesen. Und Matt? Es schien ihr, als wäre sein Leben durch die Fehler anderer Leute geformt worden.

Dieses Mal wurden die Teams eines nach dem anderen aufgerufen. Sie mussten ewig warten, bekamen dann jedoch feste Stiefel, Arbeitshandschuhe, Jacken und Schutzhelme ausgehändigt. Einer der Produktionsassistenten fuhr sie zu einer Reihe alter Lagerhäuser, die leer standen und auf den Abriss warteten. Dann fuhr er weg, ohne etwas zu sagen.

„Und jetzt?“ Hannah sah sich um. Der Ort schien vollkommen verlassen, auch wenn es irgendwo Kameras geben musste.

„Ich gehe in die Richtung“, sagte Matt und zeigte nach links. „Geh du doch da lang, und schau, ob du irgendwas findest.“

„Okay. Geh aber nur so weit, dass wir uns noch hören.“

Er nickte und ließ sie allein. Hannah betrachtete die bröselnden Ziegel der Lagerhäuser. Sie hatten Schutzhelme – also würden sie vermutlich reingehen müssen. Aber in welches?

„Hannah! Hier!“

Sie rannte zu Matt, der wohl etwas gesehen oder gehört hatte.

„Ich glaube, da hat jemand gerufen …“ Er verstummte, und jetzt hörte Hannah es auch. Eine leise Frauenstimme, die um Hilfe rief.

„Das scheint von da drüben zu kommen. Auf der anderen Seite.“

Matt nickte, und sie eilten zusammen über den mit Schutt bedeckten Platz bis zum Ende der Gebäudereihe. Hannah spürte etwas am Fuß, und Schmerz schoss ihr ins Knie.

Sie schrie kurz auf, als ihr Fall abgefangen wurde. Matt hatte sie festgehalten und drückte sie nun an sich, ein Arm fest um ihre Taille und der andere … Er zog die Hand schnell zurück, aber es war zu spät. Sie hatte den Druck seiner Finger an ihrer Hüfte ganz deutlich gespürt.

„Tut mir leid. Alles in Ordnung?“

Hannah war sich nicht sicher. Vielleicht waren es die plötzliche Nähe und seine blauen Augen, die ihre Beine in Wackelpudding verwandelt hatten, aber vielleicht auch der Schock, dass sie fast auf diese scharfen Steine gefallen wäre.

„Ja, danke.“ Er konnte sie jetzt wirklich loslassen. Auch wenn jede Faser ihres Körpers etwas anderes behauptete.

Er nickte und zögerte einen kurzen Moment. Hannah hätte schwören können, dass er das Gleiche spürte. Diese Hitze und eine Anziehungskraft, die sich gegen jegliche Vernunft durchsetzte. Matt bückte sich, um ihren Helm aufzuheben.

Ihr Knie schmerzte, aber sie konnte weiterlaufen. „Geh du vor, ich komme nach.“

„Nein, ich warte.“ Er klang überhaupt nicht ungeduldig – und er hatte recht, sie sollten zusammenbleiben. Mit Sophie hätte sie das auch so gemacht. Hannah konnte an nichts anderes mehr denken als an seine starken Arme. Sie versuchte, sich zu konzentrieren, und beugte und streckte ihr Bein einige Male. Es tat nicht mehr so weh.

„Alles in Ordnung.“ Sie ging los, und Matt blieb neben ihr, um sie zu beobachten. Als sie das andere Ende des Grundstücks erreicht hatten, wurde die Stimme lauter.

„Da oben.“

In einem der oberen Fenster war etwas Rotes zu sehen. Als sie näher kamen, erkannten sie, dass eine Frau einen Schal schwenkte.

„Ist alles okay?“, rief Hannah. Die Frau wirkte panisch und ängstlich, und Hannah musste sich daran erinnern, dass sie nur schauspielerte.

Autor

Sue MacKay
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Dianne Drake
Diane, eine relative neue Erscheinung im Liebesromanbetrieb, ist am meisten für ihre Sachliteratur unter dem Namen JJ Despain bekannt. Sie hat mehr als sieben Sachbücher geschrieben, und ihre Magazin Artikel erschienen in zahlreichen Zeitschriften. Zusätzlich zu ihrer Schreibtätigkeit, unterrichtet Dianne jedes Jahr in dutzenden von Schreibkursen.
Dianne`s offizieller Bildungshintergrund besteht...
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Annie Claydon

Annie Claydon wurde mit einer großen Leidenschaft für das Lesen gesegnet, in ihrer Kindheit verbrachte sie viel Zeit hinter Buchdeckeln. Später machte sie ihren Abschluss in Englischer Literatur und gab sich danach vorerst vollständig ihrer Liebe zu romantischen Geschichten hin. Sie las nicht länger bloß, sondern verbrachte einen langen und...

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