Liebe meines Lebens Band 32

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ENTSCHEIDUNG DES SCHICKSALS von CHRISTINE FLYNN

Der elegante Gabe Kendrick gilt als heißester Anwärter auf das Amt des Senators. Allerdings fehlt ihm dazu die passende Frau. Er weiß genau, zu wem er sich hingezogen fühlt, aber die bezaubernde Addie kommt für seine Berater nicht infrage. Schließlich ist sie nur die Gärtnerin des prächtigen Familienanwesens …

EIN DIAMANT FÜR KATE von MOYRA TARLING

Er kann sie nicht sehen, aber sie ist alles für ihn! Nach einem Unfall ist Marsh erblindet und braucht Hilfe. Er ahnt nicht, dass die Frau, die sich so liebevoll um ihn kümmert und immer für seine kleine mutterlose Tochter da ist, seine Jugendliebe Kate ist. Hat sie ihm verziehen, was damals passierte?


  • Erscheinungstag 31.05.2025
  • Bandnummer 32
  • ISBN / Artikelnummer 9783751532440
  • Seitenanzahl 288
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Christine Flynn, Moyra Tarling

LIEBE MEINES LEBENS BAND 32

Christine Flynn

1. KAPITEL

Sie sagten, dass er eine Ehefrau brauchte. Eine aus bestem Hause, der es nichts ausmachte, ihre Abende allein zu verbringen und ohne Vorwarnung Gäste zu empfangen. Eine besondere Frau, die den Ansprüchen seiner Familie, der Presse und der Wähler genügte. Laut Meinungsumfragen hatten verheiratete Männer ein besseres Image und galten als vertrauenswürdiger.

Mit gerunzelter Stirn stand Gabe Kendrick am Fenster seines Schlafzimmers, die Hände in den Taschen der Kakihose, die breiten Schultern straff in dem weißen Poloshirt. Als Senator im Parlament von Virginia wusste er, dass politische Entscheidungen oft kalt und berechnend waren. Aber den Rat, „sich eine Frau zu suchen“, hatte er von seinem Vater und seinem Onkel Charles dann doch nicht erwartet, als er gestern Abend auf dem Anwesen seiner Familie eingetroffen war.

Auf Anhieb fiel ihm keine Frau ein, mit der er das Wochenende, geschweige denn den Rest seines Lebens verbringen wollte.

Der Gedanke ließ die Falten auf seiner Stirn noch tiefer werden. Bei der Besprechung am Abend zuvor war es um die langfristige Planung seiner weiteren politischen Karriere gegangen. Einen exzellenten Ruf besaß er bereits. Er hatte Geld. Sein Bekanntheitsgrad war hoch. Seit seine Mutter vor fünfunddreißig Jahren auf die Thronfolge im Königreich Luzandria verzichtet hatte, um seinen Vater zu heiraten, kannte jeder den Namen Kendrick.

Sein Vater war damals selbst ein junger Senator gewesen, nicht viel älter als Gabe mit seinen dreiunddreißig Jahren. Seine Mutter war wahrscheinlich eine der am häufigsten fotografierten Frauen der Welt. Er, sein Bruder und die beiden Schwestern waren auf den Titelseiten der Magazine aufgewachsen. Reporter und Paparazzi folgten ihnen überallhin.

Einen Namen hatte er also schon.

Was ihm noch fehlte, war die perfekte Frau an seiner Seite. Aber eine Ehe war für ihn einfach noch kein Thema. Er hatte keine Zeit für eine Beziehung. Und wenn er erst angekündigt hatte, dass er für das Amt des Gouverneurs kandidieren wollte, würde er noch weniger davon haben. Schon jetzt verbrachte er viel zu wenig Zeit mit seinen Eltern und Geschwistern.

Automatisch sah er auf die Uhr und verzog das Gesicht. In genau diesem Moment sollte er mit ihnen frühstücken.

Er liebte seine Familie. Der gutmütige Wettbewerb, der in ihr herrschte, spornte ihn an, und einige Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen hatte er seit Monaten nicht gesehen. Er freute sich sogar darauf, sich mit den Kindern auf dem Rasen zu wälzen. Aber er war erst spät am Abend aus Richmond gekommen und hatte bis zwei Uhr morgens mit seinem Vater und seinem Onkel gesprochen, daher sehnte er sich nach etwas Ruhe, bevor er sich dem Trubel anschloss.

Andererseits nahm er stets darauf Rücksicht, was andere von ihm erwarteten. Also beschloss er, für eine Weile auf den Anblick des eindrucksvollen Gartens vor dem Fenster zu verzichten. Die Ruhe würde warten müssen.

Jedenfalls glaubte er das noch, als sein Blick eine kleine, schlanke Gestalt erfasste, die hinter dem Aussichtspavillon hervorkam. Die junge Gärtnerin ging durch das breite Randbeet und zupfte Unkraut oder entfernte eine trockene Blüte.

Gabe musste lächeln, und für einen Moment spürte er seine Erschöpfung nicht mehr. Seine Mutter hatte Addie Lowe nie dazu bringen können, eine Uniform anzuziehen. Mit Ausnahme des Stallmeisters trug jeder, der zum Personal der Kendricks gehörte, spezielle Kleidung. Bentley, der Mechaniker und Chauffeur, trug im Sommer Braun und im Winter Schwarz, die Dienstmädchen schwarze Kleider mit weißen Kragen und Schürzen. Die Köchin war ganz in Weiß gekleidet, die Gärtner in hellbraune Overalls.

Nur Addie nicht.

Die Overalls waren für Männer gedacht, in ihrer Größe gab es sie offenbar nicht. Still und bescheiden, wie die jüngste Mitarbeiterin von Natur aus war, fiel sie selbst in einem Flanellhemd und Jeans nicht auf. Gabe fand es richtig, dass sie sich widersetzte. Ihr sanftmütiger Charakter brauchte so viel Freiheit wie möglich, um sich zu entfalten.

Erst als er sie gesehen hatte, war ihm bewusst geworden, dass er nach ihr Ausschau gehalten hatte.

Er ging über den antiken Teppich und öffnete die Tür zum langen Korridor des Ostflügels. Links und rechts befanden sich die Zimmer mit den ungemachten Betten, um die die Dienstmädchen sich jetzt, da die Bewohner beim Frühstück waren, kümmern würden.

Der gesamte Kendrick-Clan hatte sich auf dem 125 Morgen großen Anwesen in Camelot, Virginia, zum gesellschaftlichen Ereignis des Jahres versammelt. Gabes jüngste Schwester Tess würde auf dem nördlichen Rasen Bradley Michael Ashworth III. heiraten. Laut dem Zeitplan, den Gabe gestern Abend auf seinem Kopfkissen gefunden hatte, fand die Generalprobe heute um fünfzehn Uhr statt. Das Probeessen sollte um achtzehn Uhr dreißig in einem Restaurant in der Stadt beginnen. Das Frühstück hatte vor fünfzehn Minuten angefangen.

Der Duft würzigen Kaffees lockte ihn die breite, geschwungene Treppe hinab, die das marmorne Foyer umrundete. Er vermischte sich mit dem des riesigen Blumenarrangements auf dem Glastisch in der Mitte der Eingangshalle, als Gabe durch die kleine Tür des Butlers unterhalb der Treppe verschwand, um nicht durch das Frühstückszimmer gehen zu müssen.

Stimmen drifteten durch die hohen Räume im hinteren Teil des Hauses. Der Bereich der Dienstboten war von dem der Familie sorgsam getrennt, aber hier kamen sie einander so nahe wie sonst nirgends. Das Klappern des Tafelsilbers auf edlem Porzellan wurde leiser, als er die hell erleuchtete Küche betrat.

„Gabriel Kendrick.“

In der Stimme, die seinen Namen aussprach, lag eine Kombination aus Überraschung und Freude, als die rundliche Olivia Schilling sich von ihrer Soße auf dem achtflammigen Herd abwandte. An der Decke darüber hingen Kupfertöpfe, im Sprossenfenster hinter der Dreifachspüle frische Kräuter.

Lächelnd gab er ihr einen Kuss auf die Wange. „Wie geht es meiner Lieblingsköchin?“

Wie immer in den fünfundzwanzig Jahren, die sie schon für die Kendricks arbeitete, duftete sie nach Seife und Vanille. Und wie jedes Mal, wenn er sie das fragte, antworte sie „Der geht’s prima“, und lächelte zurück.

In Olivias kurzem dauergewelltem, grau meliertem Haar verrutschte keine Strähne, als sie sich ruckartig wieder ihrer Arbeit widmete. Eine weiße Schürze, makellos bis auf etwas Eigelb, schützte die gestärkte weiße Bluse und den schwarzen Rock. An den weißen Laufschuhen blitzte ein rebellisches Neongrün auf.

„Wir haben gehört, dass du heute Morgen vielleicht später aufstehst“, sagte sie und meinte damit sich und das junge Dienstmädchen, das gerade mit einem silbernen Tablett voller Brötchen und Croissants rückwärts durch eine Schwingtür verschwand. „Ich habe mir gedacht, ich stelle dir etwas zurück. Was möchtest du?“

„Nichts“, erwiderte er und steuerte dann die Kaffeemaschine unter der langen Reihe weißer Hängeschränke an. „Nur Kaffee.“

„Ist im Frühstückszimmer keiner mehr?“, fragte die Köchin. „Warte einen Moment. Marie füllt die Kannen gleich wieder auf.“

„Ich war noch nicht im Frühstückszimmer. Marie ist neu“, stellte er fest. „Ist sie fest angestellt oder nur für das Wochenende?“

„Fest. Sie ersetzt Sheryl.“

„Sheryl“, wiederholte er und versuchte, sich an sie zu erinnern. „Hatte sie nicht gerade erst hier angefangen?“

„Vor drei Monaten. Ich schwöre dir, seit Rita in Rente ist, geben ihre Nachfolgerinnen sich die Klinke in die Hand.“

„Warum hat sie gekündigt?“, fragte Gabe, während er sich einen großen Becher füllte, den seine Mutter auf keinen ihrer Tische lassen würde.

„Hat sie nicht. Mrs. Lowe hat sie gefeuert.“ Mrs. Lowe war die Hausdame. „Sie hat sie dabei erwischt, wie sie in die Handtasche eines Gasts sah.“ Olivia hob den Holzlöffel aus dem Topf, nahm sich mit der Fingerspitze ein wenig Soße, probierte sie und runzelte die Stirn. „Sie und deine Mom haben Marie erst vor ein paar Wochen eingestellt“, sagte sie, während sie nach einer Zitrone griff.

Die Schwingtür ging wieder auf. „Und sie macht gute Arbeit“, verkündete Rose Lowe leise. „Ich hoffe nur, dass es auch weiterhin mit ihr klappt. Die Saison beginnt, und es wird Nachmittagstees, Abendessen und Partys geben, da ist es viel einfacher, mit Leuten zu arbeiten, die sich hier auskennen. Hallo, Gabe“, schloss sie und schenkte ihm im Vorbeigehen ein höfliches Lächeln.

Die Hausdame trug das gleiche schwarze Kleid wie das Dienstmädchen, nur ohne den weißen Kragen und die Schürze. In den über dreißig Jahren, die Addies Mutter inzwischen für die Familie arbeitete, hatte Gabe an ihrem gertenschlanken Körper nur selten etwas Farbenfrohes gesehen. In den letzten Jahren hatte sie sogar zur Weihnachtsfeier des Personals Schwarz getragen. Er kannte sie, seit er denken konnte, aber anders als Olivia wahrte sie ihm gegenüber eine förmliche Distanz.

„Jetzt, da Sie auf sind“, fuhr sie fort, „brauchen wir mehr Würstchen und Eier. Der junge Trevor hat den Krug mit dem Orangensaft in den Rechaud gekippt. Miss Amber hat Milch dazugegossen.“

Trevor war der jüngste Sohn seines Cousins Nathan. Wenn er sich recht erinnerte, war Trevor gerade erst zur Schule gekommen. Amber war noch jünger und die Tochter seiner Cousine Sydney. Es gab noch ein paar andere Kinder am Tisch, und zweifellos wiesen die Erwachsenen sie gerade an, auf ihre Manieren zu achten.

„Ich möchte nichts essen“, sagte Gabe und ging mit seinem Kaffee an dem Tisch vorbei, an dem das Personal die Mahlzeiten einnahm. Bei dem Chaos im Frühstückszimmer würde niemandem auffallen, dass er fehlte. „Ich wollte mir nur rasch einen Kaffee holen.“

Olivia war anzusehen, welche Worte sie nur mit Mühe unterdrückte – du musst etwas essen. Mrs. Lowe schwieg, aber ihr Mund wurde spitz. Wie immer, wenn er etwas sagte. Er hatte keine Ahnung, warum. Manchmal hatte er das Gefühl, dass sie ihn nicht mochte.

Er nickte ihnen zu. „Ladys“, sagte er und steuerte die Hintertür an.

„Falls du draußen Addie begegnest, frag sie nach ihren Neuigkeiten“, rief Olivia ihm nach.

„Was für Neuigkeiten?“

„Das kann sie dir selbst erzählen.“

„Er sollte Addie nicht von der Arbeit abhalten“, hörte er Mrs. Lowe protestieren.

„Sie kann weitermachen, während sie reden.“

„Sie braucht die Ablenkung nicht.“

„Entspann dich, Rose“, erwiderte Olivia. „Es wird höchstens eine Minute dauern.“

„Ich werde sie fragen“, rief Gabe und ließ die Tür hinter sich zufallen.

Dann nahm er einen Schluck von Olivias herrlich starkem Kaffee und trat in den Septembersonnenschein hinaus. Der Duft von Petunien lag in der warmen Morgenluft. In riesigen Kübeln säumten die weißen Blüten die große Veranda mit den Korbtischen und Liegestühlen. Davor erstreckte sich der Rasen wie ein weicher, grüner Teppich, vorbei an dem glitzernden Pool und dem französischen Garten mit seiner Farbenpracht.

Als er die frisch gefegten Stufen zum satten Grün hinabging, dachte er daran, dass all das auch Addie zu verdanken war.

Wie immer, wenn er den Garten oder die Waldwege dahinter betrat, wurden seine sonst so entschlossenen Schritte langsamer. Meistens waren nur seine Eltern hier, wenn er heimkam. Im Sommer, den sie in ihrem Haus in den Hamptons verbrachten, fand er nur das Personal vor. Addies Vater, bis zu seinem Tod vor fünf Jahren für die Außenanlagen des Anwesens zuständig, war die Person gewesen, auf die er sich jedes Mal gefreut hatte.

Er vermisste den Mann noch immer. Hierher zog er sich zurück, wenn er vor wichtigen Entscheidungen stand oder über ein Problem nachdenken musste. Schon als junger Lokalpolitiker hatte er stundenlang mit Tom Lowe geredet – und ihm zugehört. Gabe war ihm über das Anwesen gefolgt, hatte seinen ungekünstelten Weisheiten gelauscht und Argumente mit ihm ausgetauscht.

Addie war immer dabei, ein kleiner Schatten hinter ihrem über alles geliebten Vater. Weil sie in so unterschiedlichen Welten lebten, verhalf der Mann, der einst eine eigene Farm besessen hatte, Gabe mit seiner Offenheit zu Einsichten, die er sonst nie bekommen hätte. Kein Kendrick wusste, wie es war, von den Früchten des Landes zu leben und dabei von den Launen der Natur abhängig zu sein.

Die mütterliche Seite seiner Familie war immer königlicher Abstammung gewesen, die väterliche immer reich.

Gabe nahm noch einen Schluck des dringend benötigten Koffeins und schaute dorthin, wo Addie sich gerade um ein Beet goldgelber Chrysanthemen kümmerte. Ohne hinter sich zu sehen, warf sie trockene Blüten in einen Eimer. In ihrem kurzen braunen Haar leuchteten im Sonnenschein rote Highlights auf. Ihre Schultern und Hüften waren so schmal wie die eines jungen Mädchens.

Sie strahlte eine Zerbrechlichkeit aus, die entschieden zu feminin für die Arbeit war, die sie machte. Am Gürtel hing eine Gartenschere, und die Ärmel ihres Shirts waren aufgekrempelt und gaben den Blick auf gebräunte Arme frei.

Als hätte sie gespürt, dass sie beobachtet wurde, schaute sie über die Schulter. Echte Freude huschte über ihre zarten Züge.

„Schön zu sehen, dass meine Mutter dich nicht kleinkriegt.“ Addies Lächeln tat ihm immer gut. Er prostete ihr mit dem Becher zu. „Ich kann mir vorstellen, wie sehr sie sich mit dem Garten anstellt.“

Aus der Ferne kam das leise Brummen eines Rasenmähers, auf dem einer der beiden Teilzeitgärtner saß, die Addie beaufsichtigte. Er mähte gerade den Rasen neben der langen Auffahrt.

„Ich werde froh sein, wenn das hier vorbei ist“, gestand sie leise und schaute auf die Uhr. „Ich liege mit dem Herbstrückschnitt schon zurück, weil morgen alles voll und grün sein soll. Ich kann nur hoffen, dass niemand unter die Büsche und Sträucher sieht“, murmelte sie. „Ich musste den Garten mit Kübeln aus dem Gewächshaus auffüllen.“

Noch immer auf den Knien schob sie mit dem Handrücken das Haar aus dem Gesicht. „Du bist früh. Ich hätte nicht gedacht, dass du schon vor der Generalprobe kommst.“ Ihr Blick wurde neugierig. „Bist du hier, um dich mit deinem Onkel Charles zu treffen?“

Es gab Zeiten, da hatte Gabe das Gefühl, dass sie ihn so gut kannte, wie ihr Vater es getan hatte. „Wir haben uns gestern Abend zusammengesetzt. Es ist Zeit, einen professionellen Wahlkampfberater an Bord zu holen“, sagte er. „Dad meint, einer der Anwälte in Charles’ Kanzlei wäre der Richtige. Ich treffe mich in zwei Wochen mit ihm, um über meine Wahlkampagne zu reden.“

Sie stand auf und ging weiter, ohne den Blick von ihrer Arbeit zu nehmen. „Ist er hier oder in Washington?“

„Washington.“ Er folgte ihr. „Er will, dass ich mich schon zu Beginn meiner Amtszeit als Gouverneur für die Präsidentschaft positioniere.“

Ein braunes Blatt landete zusammen mit einer Handvoll trockener Blüten im Eimer. „Und was willst du?“

„Für mich hörte es sich gut an.“

„Solltest du nicht erst einmal die Wahl zum Gouverneur gewinnen?“

Addies praktischer Verstand half ihm immer wieder, sein Ego im Zaum zu halten.

„Ich schätze, das wäre nicht schlecht“, erwiderte er und wäre ihr für ein wenig mehr Zuversicht dankbar gewesen.

„Du scheinst nur dann glücklich zu sein, wenn du von der Zukunft träumst. Das ist okay“, sagte sie und klang so nachdenklich wie ihr Vater früher. „Aber du darfst dabei nicht vergessen, an die Gegenwart zu denken.“

Sie hatte recht. Er setzte sich große Ziele, und auf dem Weg dorthin vernachlässigte er nicht selten Kleinigkeiten. Aber das Amt des Gouverneurs hatte er so gut wie sicher. Man munkelte, dass die Opposition nicht mal einen Gegenkandidaten finden konnte, weil niemand gegen Virginias Lieblingssohn verlieren wollte. Sicher, es gab auch Kritiker. Leute, die meinten, dass er ohne das Geld und den Namen seiner Familie keine Chance hätte. Doch er würde ihnen beweisen, dass er das Vertrauen der Wähler verdient hatte.

Aber bis dahin gab es viel zu tun. Unter anderem musste er sich offenbar eine Ehefrau suchen.

Mit gerunzelter Stirn starrte er in den Becher. Vor Jahren hätte er ihren Vater gefragt, was er von der Idee hielt. Jetzt überlegte er, ob er sich Addies Rat holen sollte. Sie schien die Weisheit ihres Dads geerbt zu haben, und er hatte schon oft davon profitiert, wenn es um seine politischen Ziele ging.

Er schätzte ihre nüchterne, analytische Art, ihre Ehrlichkeit und die Tatsache, dass er ihr gegenüber ganz offen sein konnte. Aber in diesem Augenblick wollte er nicht an seine Pflichten und seinen Wahlkampf denken. Er war einen Monat lang nicht zu Hause gewesen.

„Olivia hat mir gesagt, dass du Neuigkeiten hast. Bist du mit deinen Nachforschungen fertig?“

Addies Blick wanderte über die Rabatte, als sie weiterging. „Noch nicht. Aber ich habe mit der Präsidentin der Historischen Gesellschaft gesprochen. Sie hatte keine Ahnung, dass es auf dem alten Anwesen mal einen öffentlichen Garten gab“, berichtete sie nicht ohne Stolz. „Sie hat mich gebeten, ihr Kopien meiner Ergebnisse zu schicken, und angeboten, mir bei der Finanzierung des Projekts zu helfen, wenn ich meine Nachforschungen abgeschlossen habe.“

Addie arbeitete seit Jahren an ihrem College-Abschluss. Im letzten Winter war sie bei Recherchen für einen Kurs in Botanik auf alte, längst vergessene Pläne eines historischen Gartens gestoßen. Als er das letzte Mal heimgekommen war, hatte sie gerade herausgefunden, auf welchem Anwesen in Camelot er angelegt worden war.

„Geld für die Restaurierung zu beschaffen könnte eine Lebensaufgabe werden“, warnte er.

„Ich weiß“, gestand sie. „Aber wenn das Anwesen erst einmal unter Denkmalschutz gestellt wird, ist das mit dem Garten ein Kinderspiel. Ich habe Kopien der alten Pläne und Listen der Pflanzen. Es gibt sie fast alle hier. Dad hat sie gefunden, als er damals den Kolonialgarten für deine Mutter anlegte.“

„Mom lässt sie dich ausgraben?“

„Nein, sicher nicht“, murmelte sie. „Ich habe gefragt, ob ich Ableger davon nehmen darf.“

Ihre Begeisterung war ansteckend. Gabe musste lächeln. „Das klingt, als hättest du alles im Griff.“

„Bis auf den Papierkram. Aber dabei wird mir Mrs. Dewhurst helfen.“

Er kannte die Frau. Helene Dewhurst gehörte zum alten Geldadel und schlug ihre manikürten Klauen in alles, was in Camelot von Bedeutung war. „Wird es als Studienleistung anerkannt, wenn sie dir hilft?“

„Es ist nicht fürs College, ich tue es für Dad“, antwortete sie. „Du weißt ja, wie gern er die alten Hybriden gezüchtet hat, die man nirgendwo mehr sieht. Und wie du auch weißt, war er immer der Ansicht, dass man sein Wissen weitergeben soll.“

Von ihm hatte Addie den tiefen Respekt vor allem Alten und Ehrwürdigen geerbt, genau wie die Liebe zur Erde und den Wundern, die ihr entwuchsen. Außerdem hatte er ihr mehr über Profi-Football beigebracht, als eine Frau nach Gabes Meinung darüber wissen sollte.

Ihre Stimme wurde noch sanfter. „Es würde ihm gefallen, dass seine Arbeit dazu beiträgt, etwas wieder zu erschaffen, das den Menschen Freude bereitet“, sagte sie mit einem wehmütigen Lächeln.

„Wie weit bist du mit deinen Nachforschungen?“

Ihre Schaufel schlug gegen den Rand des Eimers, als sie weiterging. „Ich hoffe, dass ich alles zusammenhabe, bevor ich aufs College zurückkehre.“

Also im Januar. „Wenn du es früher schaffst, gib mir deine Unterlagen, und ich werde dafür sorgen, dass der Antrag schnell bearbeitet wird.“

Addies Augen strahlten, als sie den Kopf hob. „Das würdest du tun?“

„Natürlich.“

Sie wehrte sich gegen die Euphorie, die in ihr aufstieg, denn sie war zu einem realistischen Menschen erzogen worden. „Ich schicke sie dir, sobald ich kann.“

„Sag meiner Sekretärin vorher Bescheid, damit sie nicht in der Post untergehen.“

„Das werde ich“, erwiderte sie und dankte ihm.

Sein Lächeln zog ihren Blick an. Sein Mund war auf unverschämte Weise sinnlich, das Kinn so markant und entschlossen wie er selbst. Das Grau seiner Augen glich der Farbe alten Zinns, und das dunkle Haar war sehr dicht und perfekt frisiert.

Er war ein attraktiver Mann, zudem noch groß, mächtig und unglaublich wohlhabend. Natürlich hatte er das Interesse jeder Frau im Landkreis geweckt, die insgeheim davon träumte, als Aschenputtel ihren Prinzen zu finden. Sein Anstand und seine Intelligenz hatten ihm den Respekt seiner Parteifreunde und Wähler und den Neid seiner politischen Gegner eingebracht. All das wusste Addie. Dennoch sah sie in ihm nur einen persönlichen Freund. Nicht, dass sie das jemandem erzählen würde. Schon als Kind war ihr bewusst gewesen, dass er und sie in verschiedenen gesellschaftlichen Sphären lebten.

Wie ihre Mutter und der Vater, den sie noch immer vermisste, war sie nur eine Angestellte der Kendricks. Und vom Personal wurde erwartet, dass es am Rand des Geschehens blieb und sich so unauffällig wie möglich benahm.

Das war Addie nie schwergefallen. Sie war knapp einssechzig, schmal wie ein Schößling und in etwa so wohlgeformt und glich eher einem Mädchen als einer Frau von fünfundzwanzig Jahren. Die meisten der Menschen sahen durch sie hindurch, genau wie die vier manikürten, pedikürten und sehr aufwendig frisierten Frauen, die gerade auf Gabe zukamen.

„Der Garten ist prächtig, Tante Katherine“, hörte sie eine der jungen Ladys sagen. „Die Hochzeit wird wunderschön werden.“

„Das ist lieb von dir, Sydney“, antwortete Gabes goldblonde und elegante Mutter ihrer Nichte. In einer cremefarbenen Seidenbluse und grauer Hose sah Katherine Theresa Sophia von Luzandria – die jetzt eine Kendrick war – wie die Königin aus, die sie geworden wäre, wenn sie Gabes Vater nicht geheiratet hätte. Ihre zwei Töchter und die Nichte waren genau wie sie. Blond, edel und kultiviert.

„Ich hoffe nur, dass das Wetter nicht umschlägt“, fuhr Mrs. Kendrick fort. „Das Essen soll im Zelt auf dem Westrasen stattfinden, und ich würde die Trauung ungern ins Haus verlegen. Ich weiß wirklich nicht, warum wir nicht die Kathedrale in der Stadt genommen haben.“

„Weil ich zu Hause heiraten will“, erinnerte die strahlende Braut sie. „Und wir werden nichts nach drinnen verlegen müssen. Am Himmel ist keine einzige Wolke, und die Wettervorhersage ist gut. Alles wird gut werden.“

„Gut reicht nicht.“ Mrs. Kendrick lächelte, als Gabe sich zu ihr umdrehte. „Es soll perfekt sein. Guten Morgen, mein Junge“, sagte sie und begrüßte ihn mit einem Kuss auf die Wange. „Wir haben dich beim Frühstück vermisst. Dein Onkel Charles möchte, dass du dich an den Stallungen mit ihm triffst. Er will mit dir ausreiten.“

Sydney, in makellos weißes Leinen gehüllt, machte eine Handbewegung zum Haus hinüber. „Und die Kinder wollen mit dir Fußball spielen.“

„Oh, das können sie nicht“, wandte Mrs. Kendrick ein. „Dort wird bald das Zelt aufgebaut. Es wäre das Beste, wenn sie an den Tennisplätzen spielen würden.“

„Soll ich sie beim Ausritt mitnehmen?“, bot Gabe an.

„Nein!“, riefen die drei jüngeren Frauen im Chor.

„Wir wollen keine Knochenbrüche“, erklärte seine kleine Schwester Tess. „Wie ich dich und Onkel Charles kenne, würdet ihr sie über Baumstämme oder Hecken springen lassen, und eine Fahrt zur Unfallstation steht nicht auf dem Plan.“

„Hochzeiten sind sorgfältig durchorganisierte Ereignisse“, informierte Sydney ihn.

„Was sie meint, mein lieber Bruder, ist, dass du keine Ahnung davon hast, was für eine Vorbereitung ein solches Fest erfordert“, mischte sich Ashley, seine andere Schwester, ein, als sie und eine weitere Cousine hinzukamen. „Deine Leute könnten von uns etwas lernen.“

Schweigend entfernte Addie sich um weitere zehn Meter und inspizierte den Bereich des Gartens, in dem nach der Trauung Cocktails serviert werden sollten. Da die Bar sich im Pavillon befinden würde, arbeitete sie sich durch die roten Petunien, die den Sockel umgaben.

Niemand schien sie zu bemerken, als sie fast ganz hinter dem eleganten weißen Bauwerk verschwand. Genau, wie niemand anzuerkennen schien, dass sie und ihre Gärtner es waren, die jedes Blatt und jeden Grashalm auf dem großen Anwesen aufgezogen hatten. Komplimente dafür bekam Mrs. Kendrick, nicht sie. Sie war nur Mittel zum Zweck.

„Wer nimmt denn diesen Wahnsinn als Nächster auf sich?“, fragte Sydney. „Hat jemand eine Beziehung, von der er uns nichts erzählt hat?“

„Nicht, dass ich wüsste“, erwiderte die hübsche, eher zurückhaltende Ashley. „Ich jedenfalls nicht. Ich hatte seit Monaten kein Date mehr, also stehe ich auf der Liste ganz unten.“

„Was ist mit Cord? Hat er wieder jemanden gefunden, nachdem das Model ihn vor Gericht gezerrt hat?“

Ashley warf ihrer taktlosen Cousine einen tadelnden Blick zu. „Ich glaube, seit der Vaterschaftsklage hält er sich bedeckt. Er kommt allein zur Hochzeit.“

„Ich kann nur beten, dass er sich für eine Weile keinen Ärger einhandelt“, murmelte Mrs. Kendrick. In manchen Zeiten war ihr zweiter Sohn häufiger in den Medien gewesen als alle anderen Familienmitglieder zusammen. „Für dieses Jahr hatten wir wahrlich genug Schlagzeilen.“

„Was ist mit dir, Gabe?“, fragte die neugierige Sydney. „Hast du eine Freundin, die du vor uns verbirgst?“

„Soll das ein Witz sein?“ Die Braut lachte. „Gäbe es da jemanden, hätten wir es längst aus der Presse erfahren. Glaub mir, er hat keine.“

Aus den Augenwinkeln sah Addie, wie Gabe gutmütig lächelte. „Ich glaube, ich höre ein Pferd wiehern“, murmelte er. „Ich bin weg.“

„Feigling“, flüsterte Ashley.

„Schlau“, entgegnete er im Davongehen.

Er fing Addies Blick auf und lächelte – bis er die Stimme seiner Schwester hörte.

„Ich kenne jemanden, der bald heiraten wird“, verkündete Ashley. „Unsere Gärtnerin.“ Gabe blieb auf ein Mal wie angewurzelt stehen. „Ich habe es erst gestern von der Köchin erfahren.“ Sie schaute zum Pavillon hinüber, legte anmutig eine Hand auf ihre Perlen und reckte den Hals. „Addie“, rief sie. „Glückwunsch zu deiner Verlobung.“

Jede einzelne der wunderschön gekleideten Frauen strahlte zu ihr hinüber.

Auf Gabes Gesicht erlosch das Lächeln.

„Auch ich gratuliere“, sagte Mrs. Kendrick. „Deine Mutter hat mir erzählt, dass du noch keinen Hochzeitstermin festgelegt hast. Wir unterhalten uns sicher noch, aber du sollst wissen, dass wir dich hier vermissen werden.“

Addie war es nicht gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen. Meistens war sie für diese Menschen unsichtbar. Daran musste es liegen, dass ihre Wangen sich anfühlten, als wären sie rot.

„Danke“, sagte sie. Mehr fiel ihr nicht ein, bevor die Frauen sich wieder einander zuwandten. Verlegen senkte sie den Blick, als ihr bewusst wurde, dass er sich wieder mit Gabes getroffen hatte.

Ihre Wange war kühl, als sie sie mit dem Handrücken streifte und sich wieder an die Arbeit machte. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass auch Gabe von der Situation überrumpelt worden war.

Aber sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wie sie seine gerunzelte Stirn deuten sollte, als er in Richtung der Ställe davonging.

2. KAPITEL

Keuchend wischte Gabe sich mit dem verwaschenen grauen Yale-T-Shirt den Schweiß aus dem Gesicht und stützte die Hände auf die Knie, um tief durchzuatmen. Die Morgensonne brannte an seinem Hinterkopf, als er die kühle Luft einsog.

Er hatte gerade seine beste Meilenzeit um fünf Sekunden unterboten, und das, nachdem er die üblichen fünf gelaufen war.

In seinem Körper gab es keinen Muskel mehr, der nicht protestierte.

Er hatte einen neuen persönlichen Rekord aufgestellt, aber die Befriedigung darüber wollte sich einfach nicht einstellen. Das enttäuschte ihn, aber er war nicht aus sportlichem Ehrgeiz so schnell gelaufen, sondern wegen der inneren Unruhe, die ihn quälte, seit er gestern Addie am Pavillon zurückgelassen hatte.

Langsam richtete er sich auf, wischte sich noch einmal über das Gesicht und ging die lange, von Eichen gesäumte Auffahrt entlang, die von der einsamen Landstraße zum Haus führte. Er war nicht sicher, was er gefühlt hatte, als er durch seine Schwester von Addies Neuigkeit erfahren hatte. Er hatte glauben wollen, dass es nur Erstaunen war. Dass er einfach nur überrascht gewesen war, weil sie nie auch nur angedeutet hatte, dass es für sie jemanden gab.

Die Erklärung war logisch und vernünftig. Schließlich kannte er sie seit ihrer Geburt und hatte sie nie als jemanden gesehen, der noch ein Leben außerhalb des Anwesens seiner Familie führte. Dass er zu einer so beengten Sichtweise fähig war, störte ihn. Und sosehr die Logik ihn besänftigte, so wenig konnte sie gegen die Unruhe ausrichten. Irgendetwas an dieser Unruhe fühlte sich an wie ungläubiges Staunen. Oder wie Kränkung. Oder … Enttäuschung.

Sein Mund wurde schmal, als er auf das Haupthaus mit seinen drei Stockwerken und dem hohen Säulenvorbau zuging. Er hätte nicht gedacht, dass sie ihm etwas so Bedeutsames vorenthalten würde. Sie sprach mit ihm über alles, was ihr wichtig war. Jedenfalls hatte er das angenommen.

Die Tische und Stühle für die fünfhundert Gäste waren eingetroffen. Auch die Floristin war da. Arbeiter schoben Karren voller Kartons und Blumen über die Einfahrt, dekorierten den Springbrunnen mit Girlanden und trugen Arrangements zu dem weißen Zelt, in dem das Diner stattfinden sollte.

Gabe wusste, dass Addie sich aus dem Trubel heraushalten würde. Ihre Arbeit war getan. Sie auf dem riesigen Gelände mit seinen Hecken, Windbrechern und dem von einem Wald umgebenen Privatsee zu finden wäre unmöglich, wäre da nicht das Geräusch des Rasenmähers. Er folgte ihm dorthin, wo einer der uniformierten Gärtner der Grünfläche an den Tennisplätzen den letzten Schliff gab, und fragte ihn, wo seine Chefin war.

Drei Minuten später fand Gabe sie hinter einer Buchsbaumhecke in der Nähe der Garage. Sie kniete vor der Schalttafel der automatischen Bewässerungsanlage.

„Es wäre nicht gut, wenn sie während der Trauung losgeht und den Gästen eine kalte Dusche verpasst.“ Sie spürte seine Anwesenheit, noch bevor er ein Wort sagte. „Hochzeiten sollen denkwürdig sein, aber ich glaube nicht, dass das etwas wäre, an das deine Mutter sich gern erinnern würde.“

Sie stand auf und drehte sich um. Ihr Blick wanderte von dem verschwitzten V unter dem Kragen des T-Shirts zu seinen weiten grauen Laufshorts. Zum ersten Mal fehlte ihrem Lächeln die Wärme, an die er sich gewöhnt hatte.

„Wie war dein Ausritt gestern?“, fragte sie und klang entspannter, als sie aussah. „Ich habe gehört, dass du den neuen Hengst genommen hast. Er ist großartig, nicht wahr?“

Die letzte Neuerwerbung seines Vaters war tatsächlich ein unglaubliches Tier. Addie konnte vermutlich über seine Abstammung und die von ihm errungenen Preise so ausgiebig reden wie über die Herkunft und die Auszeichnungen der viktorianischen Rosen seiner Mutter. Wenn etwas lebendig war, interessierte es sie. Aber das Einzige, worüber er sich mit ihr unterhalten wollte, war das, was sie von sich aus nicht angesprochen hatte.

„Warum hast du mir nicht erzählt, dass du verlobt bist?“

Die Frage an sich schien sie nicht zu überraschen. Es war der Vorwurf, der darin lag, der sie ein wenig aus der Fassung brachte.

Und ihn ebenfalls.

Ihr Blick wurde verwirrt. „Weil es nicht zu den Dingen gehört, über die wir normalerweise reden.“

„Wir reden über viele Dinge, Addie. Als ich dir sagte, dass Olivia deine Neuigkeit erwähnt hat, hast du mir nur von deinem Projekt erzählt. Eine Verlobung erscheint mir etwas wichtiger. Findest du nicht auch?“

„Für mich ist beides wichtig.“ Noch immer war sie nicht sicher, was sie gestern in seinen Augen gesehen hatte. „Aber du hast mich nach meinen Nachforschungen gefragt, und die Zeit hätte ohnehin nicht gereicht, um noch über etwas anderes zu sprechen.“

„Du hättest mit dem anderen anfangen können.“

„Das hätte ich wohl“, erwiderte sie. „Ich fand es nur interessanter, über das Projekt zu sprechen. Über mein Privatleben haben wir nie geredet.“

In all den Jahren hatten Gabe und sie über alles Mögliche gesprochen, von Haustieren bis zu seinen politischen Ambitionen, aber nie über persönliche Beziehungen. Dennoch hatte sie immer gewusst, mit wem er ausging. Sie brauchte nur in die Zeitung zu schauen oder die Ohren zu spitzen, wenn die Dienstmädchen über ihn tuschelten.

„Stimmt. Bisher haben wir nie über dein Privatleben gesprochen“, gab er zu und klang, als wäre ihm gar nicht bewusst gewesen, dass sie eines hatte. „Vielleicht sollten wir es jetzt tun. Wer ist der Glückliche?“

Bildete sie es sich nur ein, oder sah er sie wirklich an, als würde sie etwas Verbotenes tun?

„Scott Baker.“ Sie legte die rechte Hand um den hübschen, aber bescheidenen Brillanten, der an der linken funkelte. Sie hatte Scott versichert, dass sie keinen Verlobungsring brauchte, aber er hatte darauf bestanden. „Er ist Coach an der Camelot High.“

„Wie lange kennst du ihn?“

„Sechs Monate. Ich bin ihm bei einem Basketballspiel begegnet.“

Gabes Brauen zogen sich zusammen. „Ich wusste nicht, dass du dich für Basketball interessierst?“

„Ich bin mit Ina und Eddy hingegangen.“ Eddy war der Stallmeister, seine Frau Ina eines der Dienstmädchen. „Ihr Sohn spielt in der Mannschaft.“

„Ist er schon lange an der Schule?“

„Shane?“, fragte sie und dachte an Inas Sohn.

„Scott“, murmelte Gabe. „Kennt irgendjemand von hier ihn? Kennst du ihn? Wie kannst du überhaupt sicher sein, dass du den Typen liebst? Nach sechs Monaten?“

Sie fühlte die Anspannung, die sein großer, athletischer Körper ausstrahlte.

„Er ist seit fünf Jahren dort. Und ja, ich glaube, ich liebe ihn. Weißt du, Gabe, du klingst so, wie mein Vater sich jetzt anhören würde. Du hast ihm versprochen, auf mich aufzupassen, aber das ist Jahre her. Ich war kaum neunzehn, jetzt bin ich fünfundzwanzig. Ich weiß deine Besorgnis zu schätzen, aber sie ist unnötig.“

Er sah nicht überzeugt aus.

„Scott ist ein netter Mann“, versicherte sie ihm. „Meine Freunde mögen ihn, meine Mutter ist begeistert, und unter uns, ich brauche keinen zweiten Dad. Sei einfach ein guter Freund und wünsch mir alles Gute. Okay?“

Er sah in ihr Gesicht und spürte, wie die Ruhe, die er in ihrer Nähe immer empfand, sich in nichts auflöste. An das Versprechen, das er ihrem Vater gegeben hatte, hatte er gar nicht gedacht. Aber jetzt lieferte sie ihm einen praktischen, wenn auch nicht ganz logischen Grund für sein Verhalten. Er klammerte sich daran und versuchte, das eigenartige Gefühl der Leere in seinem Bauch zu ignorieren.

„Ich versuche nicht, dein Dad zu sein. Aber es klingt, als könntest du einen älteren Bruder gebrauchen“, murmelte er, keineswegs sicher, ob die Rolle besser zu ihm passte. „Nur fürs Protokoll, was soll das heißen, du glaubst, du liebst ihn?“

Die Herausforderung ließ ihr Lächeln verblassen. „Es heißt genau das. Ich bezweifle, dass einer von uns so etwas mit Sicherheit wissen kann.“

„Das will ich doch stark hoffen.“

„Was ich meine, ist, dass keiner von uns so etwas wissen kann, wenn die Beziehung noch nicht ein paar Jahre besteht. Ich glaube nicht, dass es gleich so etwas wie wahre Liebe gibt. Es gibt Gefühle, die dazu führen können, aber die Liebe muss erst wachsen. Es ist wie bei den Pflanzen“, erklärte sie. „Manche gedeihen sofort, andere kümmern dahin. Erst mit der Zeit und viel Pflege zeigt sich, was aus ihnen wird.“

Gabe öffnete den Mund und schloss ihn sofort wieder. Er wollte wissen, warum sie jemanden heiratete, ohne sich über ihre Gefühle im Klaren zu sein. Er wollte wissen, was sie tun würde, wenn sie nach ein paar Jahren feststellte, dass das, was sie empfunden hatte, gar keine Liebe gewesen war. Wenn er heiratete, wollte er Gewissheit haben. Er wollte kein Samenkorn, sondern eine fest verwurzelte, ausgewachsene und blühende Pflanze.

Genau deshalb hatte er es auch nicht eilig, den Rat seines Onkels zu befolgen und sich eine Partnerin fürs Leben zu suchen. Die Frau, die er heiratete, musste jemand sein, den die Menschen bewunderten und zu dem sie aufsahen. Jemand, den sie lieben konnten. Aber bevor sie es taten, musste er es tun.

Die Kinder seiner Cousinen bewahrten ihn davor, Addie noch mehr Fragen zu stellen. Die aufgeregten Rufe kamen näher.

„Gabe? Bist du da unten?“

„Gabe, wo bist du?“

„Komme gleich!“, rief er zurück.

„Mom hat gesagt, du sollst mit uns Fußball spielen, und Trevor lässt mich nicht Torwart sein.“

„Ich will ins Tor! Und Kenny hat den Ball versteckt!“

„Hab ich nicht!“, ertönte nun eine dritte Stimme. „Das war Tyler.“

Gabe schob die Finger durch sein windzerzaustes Haar. „Gebt mir eine Minute! Okay?“

„Du solltest besser gehen.“ Addie starrte auf den muskulösen Oberarm. Als sie merkte, dass das Gefühl in ihrem Bauch sich dadurch irgendwie veränderte, schaute sie hastig an seinen breiten Schultern vorbei. „Das klingt, als brauchten sie einen Schiedsrichter.“

Der Mann war Senator. Er hatte Einfluss auf das Wohlergehen der sieben Millionen Bewohner von Virginia. Er hatte Büros in Camelot und Richmond. Aber hier und heute musste er den Babysitter machen.

Addie hätte gelächelt, wäre da nicht die Anspannung, die noch immer von ihm ausging.

„Ich muss weitermachen“, sagte sie und zeigte hinter sich. „Einige Sprinkler gehen in ein paar Minuten los, wenn ich den Timer nicht verstelle.“

Wieder riefen die Jungs nach ihm. Ihre Stimmen waren nur noch Meter entfernt. „Wo wirst du heute Abend sein?“, fragte er.

„Ich helfe meiner Mom im Haupthaus“, antwortete sie und wusste nicht, warum er es wissen wollte. Noch gestern hatte sie gedacht, er würde sich für sie freuen. Eine Verlobung war etwas Besonderes. Aber alles, was sie an ihm wahrnahm, war ein unerklärliches Missfallen.

Als zwei dunkelhaarige zukünftige Herzensbrecher um die Ecke der hohen Hecke sausten, hob Gabe sich den kleineren der beiden auf den Rücken. Dem anderen, etwa sieben Jahre alten Jungen tätschelte er den Kopf.

Addie konzentrierte sich wieder auf ihre Arbeit und versuchte, sich daran zu erinnern, welche Ventile sie schon zugedreht hatte. Sie begegnete den Angehörigen der erweiterten Kendrick-Familie zu selten, um zu wissen, zu wem die Kinder gehörten. Anders als gewisse Dienstboten verschlang sie auch nicht jedes Wort, das über ihre Arbeitgeber geschrieben wurde. Der Einzige, der sie genug interessierte, um Berichte über ihn zu lesen, war Gabe.

Vielleicht brauchst du einen älteren Bruder, hatte er gesagt.

Den hatte sie nie gehabt, aber vermutlich sah sie in ihm schon einen.

Mit neun hatte sie ihn für den klügsten Jungen der Welt gehalten. Ein Jahr später war er für sie der Ritter in schimmernder Rüstung gewesen. Knöpfe klickten, als sie einen Timer nach dem anderen ausschaltete. Sie wusste noch, was für eine Angst sie gehabt hatte, als die älteren Kinder ihr an der Bushaltestelle das Geld für das Mittagessen abnehmen wollten. Sie erinnerte sich an Gabe. Daran, wie groß und tapfer er ihr erschienen war, als er ihr zur Hilfe kam.

Damals war er in Briarwood gewesen, der exklusiven Privatschule, die im Monat ein Vielfaches von dem kostete, was ihr Vater verdiente. Dass er zu spät zum Unterricht kommen würde, hinderte ihn nicht daran, anzuhalten und sie mitzunehmen. Minuten später ließ er sie direkt vor der Thomas-Jefferson-Grundschule aus dem neuen Jaguar steigen, den seine Eltern ihm zu seinem sechzehnten Geburtstag geschenkt hatten.

Mit zehn hatte sie ihn vergöttert, als Teenager war sie in ihn verknallt gewesen. Als junge Frau hatte sie Respekt vor ihm gehabt. Nach dem Tod ihres Vaters war sie ihm für seinen Trost und seine Unterstützung dankbar gewesen.

Er hatte ihr nicht nur über den Schmerz hinweggeholfen, sondern auch verhindert, dass ihre Mutter und sie aus dem Cottage des Obergärtners ausziehen mussten. Ihre Eltern wohnten dort, seit sie etwa zwanzig Jahre zuvor ihre Farm in Kentucky verloren und bei den Kendricks angefangen hatten. Addie war in dem kleinen Haus am Waldrand geboren worden, und als seine Mutter einen Nachfolger für den verstorbenen Tom Lowe suchte, schlug Gabe ihr vor, seiner Tochter den Job zu geben.

Sie selbst hätte nie gewagt, die berühmte Mrs. Kendrick darum zu bitten, zumal sie sich nicht für qualifiziert hielt. Aber sie hatte ihrem Vater geholfen, seit sie eine Schaufel halten konnte, und Gabe bestand darauf, dass sie die Beste war und auf dem Anwesen nichts wuchs, das sie nicht züchten, benennen oder mähen konnte. Tom Lowe hatte seines Herzens wegen kürzertreten müssen, und sie hatte ihr Studium unterbrochen, um ihm die schwereren Arbeiten abzunehmen.

Eine junge Frau war nicht gerade Mrs. Kendricks erste Wahl, aber sie war mit einer sechsmonatigen Probezeit einverstanden.

Das war jetzt fünf Jahre her. Addie war der Frau dankbar gewesen, aber sie hatte gewusst, dass es in erster Linie das Werk ihres Sohns gewesen war.

Das Problem war, dass sie jetzt nicht mehr wusste, was sie für Gabe empfand.

Praktisch und vernünftig veranlagt, wie sie war, beschloss sie, sich vorläufig nicht den Kopf darüber zu zerbrechen. Stattdessen eilte sie los, um zu verhindern, dass beim Aufhängen der Girlanden und Lichterketten empfindliche Pflanzen beschädigt wurden. Danach musste sie ihrer Mutter helfen, während die Gäste auf der Hochzeit waren.

Addie hasste es, Zimmer aufzuräumen. Dass sie den Abend im Haupthaus verbringen musste, steigerte die innere Unruhe, die sie einfach nicht abschütteln zu können schien.

Die ungewohnte Rastlosigkeit begleitete sie um sechs Uhr abends auf dem Weg zum Haupthaus. Die Trauung hatte begonnen, und niemand bemerkte sie, als sie über das Kopfsteinpflaster neben der Garage eilte.

Die Hintertür, der Dienstboteneingang, wie die Familie ihn nannte, führte in die Küche. Addie war gern dort, denn Olivias Reich war so warm und einladend wie die Köchin selbst. Nur in den eleganten Wohnräumen des herrschaftlichen Gebäudes hatte sie sich nie wohlgefühlt, weil sie einfach nicht dorthin gehörte.

Als Kind hatte sie nie durch die Vordertür gehen dürfen, wenn sie zu ihrer Mutter wollte. Und sie hatte sich stets in der Küche und im Personalflügel aufhalten müssen. Erst als Teenager hatte sie einen Fuß ins Foyer gesetzt. Und das auch nur, weil sie ihrem Vater geholfen hatte, die Treppengeländer und Kamine für die Festtage zu schmücken.

Jetzt betrat sie das Haus mit einem Armvoll roter Astern. Sie kam nicht oft hierher, aber wenn, brachte sie stets Blumen für Olivia und die Dienstmädchen mit. Sie nahm eine alte Teekanne aus einem Schrank, lächelte der Köchin zu und arrangierte die Blumen in der provisorischen Vase.

„Komm her“, rief die Köchin und rieb sich die Nase mit dem Unterarm, da ihre Hände voller Mehl waren. „Aber nur, wenn du keine Käfer mitgebracht hast. Das sind ja meine Lieblingsblumen“, rief sie aus, als Addie näher kam. „Hast du sie gesehen?“

„Wen?“, fragte Addie.

„Tess“, erwiderte Olivia. „Die Braut, wen sonst?“

„Ich habe niemanden gesehen.“ Addie ließ Wasser in die Kanne laufen. „Ich habe den Weg neben der Garage genommen.“

„Na ja, sie sieht wunderschön aus“, verkündete die redselige Köchin. „Ich will mir nicht vorstellen, was ihr Kleid gekostet hat, aber mit dem, was sie dort draußen aufgetischt haben, könnten sie den halben Bezirk ernähren.“ Als sie auf einen Topf zeigte, rieselte das Mehl wie Schnee herab. „Sobald wir fertig sind, gibt es Nudeln mit Thunfisch. Ich habe genug davon, falls du heute keine Lust zum Kochen hast. Für den Lunch morgen mache ich Pecankuchen für die, die nicht gleich abreisen. Das erste Blech ist in zehn Minuten gar, falls du ein Stück möchtest.“

Olivias Kuchen waren die reine Sünde. Leider war Addie auf dem Weg zum Haus der Appetit vergangen.

„Darf ich eins mit nach Hause nehmen?“

„Natürlich. Du hast nicht zufällig ins Zelt geschaut?“

Addie schüttelte den Kopf.

„Habe ich mir gedacht. Du bist einfach nicht neugierig genug. Das musst du von deiner Mutter haben. Nicht, dass sie nicht neugierig ist. Sie spricht nur nicht über das, was sie weiß. Aber ich war auch nicht dort. Ich habe gehört, dass das zweite Zelt die Küche des Partyservice ist. Deine Mom hat erzählt, dass dort fünfzig Leute herumlaufen, um das Filet Wellington und den Lachs Oscar anzurichten. Kann mir nicht vorstellen, außerhalb meiner Küche zu arbeiten.“

Sie nahm den Teig aus der Schüssel und ließ ihn auf die Marmorplatte fallen. „Hast du denn nicht frei? Ich hätte gedacht, dass du den Abend mit deinem Verlobten verbringst.“

Addie hatte die Vase mit Wasser gefüllt und griff nach einer roten Aster. „Mom braucht Hilfe.“ Sie wusste, dass ihre Mutter erst dann Feierabend machen würde, wenn alles perfekt war. Während der ganzen Woche hatte sie das Cottage schon um fünf statt wie üblich um sechs Uhr morgens verlassen und war erst zurückgekehrt, nachdem abends das Dessert serviert worden war. Seit dem Tod ihres Mannes arbeitete sie wie eine Besessene, und Addie hätte sich unglaublich schuldig gefühlt, wenn sie sich ausruhte, während ihre Mom sich abrackerte. 

„Dafür ist sie bestimmt dankbar“, bestätigte die Köchin, während sie das Nudelholz aus dem Kühlschrank nahm. „Im Moment könnte jeder von uns Hilfe gebrauchen. Aber dafür werden wir bezahlt“, murmelte sie. „Was für eine Hochzeit willst du haben?“, fragte sie und rollte einen sauberen Kreis aus.

„Eine kleine“, verkündete Addies Mom, als sie mit einer Armladung frischer Handtücher hereinkam. „Oder sie brennen durch und heiraten heimlich. Ich würde euch sogar das Flugticket spendieren.“

Selbst nach dem langen Tag sahen Roses Frisur und das schwarze Kleid makellos aus. Sie legte den Stapel auf eine Arbeitsfläche. „Weißt du, Addie, dann würdest du dir viel Mühe ersparen.“

„Du wirst meine Hochzeit nicht bezahlen, Mom.“

„Hast du schon einen Termin im Kopf?“, fragte Olivia.

Addie zögerte.

„Nein“, antwortete Rose für sie und zog eine ihrer stets präsenten Listen heraus. „Ich sage ihr dauernd, dass sie einen festsetzen muss, damit wir die Kirche reservieren und die Einladungen drucken lassen können.“

Autor

Moyra Tarling
„Ich wurde in Aberdeenshire in Schottland geboren und wanderte 1968 nach Kanada aus, wo ich meinen Mann kennen lernte. Mittlerweile sind wir 30 Jahre verheiratet und haben zwei erwachsene Kinder. Wir genießen es, das Haus wieder für uns zu haben. Manchmal setzen wir uns spontan in unseren Camper und reisen...
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