Liebe mich unter Palmen! (Julia)

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Sanft wiegen die Palmen im Wind, weiß glitzert der Strand, tiefblau schillert das Meer. Vor der paradiesischen Kulisse von Kingfisher Kay empfindet Lindsay nur Kummer: Sie hat ihr Herz an den feurigen Milliardär Alessio Capelli verloren. Er aber will nicht mehr als eine Affäre …
  • Erscheinungstag 29.06.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783963691133
  • Laufzeit 04:21:24
  • Auflagenart ungekürzte Lesung
  • Audio Format mp3-Download
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Signor Capelli hat erst in fünf Monaten wieder einen Termin frei.“ Die fantastisch aussehende blonde Empfangssekretärin sprach perfektes Englisch und war eindeutig erfahren darin, einen undurchdringlichen Schutzschild zwischen ihrem attraktiven Boss und dem Rest der Welt aufrechtzuerhalten. „Sie würden kaum glauben, wie gefragt Scheidungsanwälte von seinem Kaliber sind. Außerdem vertritt er nur männliche Klienten.“

Lindsay grub die Nägel in die Handflächen. „Ich brauche keinen Scheidungsanwalt. Deswegen will ich ihn auch nicht sprechen.“ Sie wusste selbst, dass er nur männliche Klienten übernahm.

Und sie wusste, dass eine Frau bei der Scheidung, wenn der Ehemann von Alessio Capelli vertreten wurde, von vornherein aufgeben konnte. Der skrupellose sizilianische Anwalt hatte es sich anscheinend zur Mission seines Lebens gemacht, sicherzustellen, dass Frauen aus dem Ende ihrer Ehen so wenig Gewinn wie möglich schlugen.

Lindsay war ebenfalls bekannt, dass er es durch seine diversen Geschäftsinteressen bereits mit Anfang dreißig zum Milliardär gebracht hatte. Das bedeutete, dass er nur zum reinen Vergnügen als Scheidungsanwalt arbeitete.

Was muss das bloß für ein Mann sein, der Vergnügen an den zerbrochenen Beziehungen anderer Leute findet?

Die Blondine tippte mit einem perfekt manikürten Fingernagel auf die gläserne Schreibtischplatte. „Ich könnte natürlich einen seiner Partner …“

„Ich muss mit ihm reden.“ Von Sorge zerfressen, versuchte Lindsay dennoch, ruhig zu bleiben. Seit drei Tagen schon hatte sie nicht mehr richtig geschlafen, und ihr war übel, wenn sie daran dachte, was vor ihr lag. „Bitte, deshalb bin ich extra nach Rom gekommen. Es ist eine persönliche Angelegenheit.“ Das blasse Gesicht ihrer Schwester quälte sie wieder, doch vor dieser eiskalten Schönheit würde sie ihre Familiengeheimnisse nicht preisgeben.

Es war eine bizarre Situation – Lindsay bemühte sich, einen Mann zu treffen, der der letzte Mensch auf Erden war, den sie sehen wollte …

Die Sekretärin hob eine Augenbraue. Natürlich … sie konnte nicht glauben, dass jemand wie Lindsay irgendeine „persönliche Angelegenheit“ mit Alessio Capelli haben könnte. „Hat er Ihnen seine Handynummer gegeben?“

„Nein, aber …“

„Dann wünscht er offensichtlich auch keinen Kontakt mit Ihnen. Frauen, die eine besondere Beziehung zu ihm haben“, die Sekretärin lächelte gönnerhaft, „haben auch diese Nummer.“

Lindsay hätte gern betont, dass sie nichts für arrogante, herzlose Ehezerstörer übrig hatte, allerdings konnte sie sich denken, dass man ihr das nicht glauben würde.

Alessio Capelli wirkte wie ein Magnet auf Frauen. Sein Beruf hätte eigentlich ein Hindernis sein müssen, stattdessen schien er seine Anziehungskraft nur noch zu erhöhen. Offenbar wollte jede Frau auf diesem Planeten beweisen, dass sie den berüchtigten Zyniker bekehren könnte.

Lindsay trat einen Schritt beiseite, als eine weitere junge Frau in das ultramoderne Foyer kam.

„Der Boss ist gerade im Fitnessstudio, um seinen Frust an einem Sandsack abzulassen. Sollte diese Akte, auf die er schon ewig wartet, jemals hier ankommen, schick sie sofort in den sechzehnten Stock hoch.“

Während sie weiter der Unterhaltung lauschte, bewegte Lindsay sich langsam auf die Aufzüge zu. Sollte sie? Bei der kühnen Idee setzte ihr Herz einen Schlag lang aus. Nein, unmöglich. Sie brach nie die Regeln …

Doch ihre Füße machten die Schritte wie von allein. Sie erwartete, jeden Moment eine Hand auf ihrer Schulter zu spüren, doch niemand hielt sie auf. Eilig verschwand sie in der offenen Aufzugskabine und drückte mit zitternden Fingern auf den Knopf mit der Nummer 16.

Als die Türen zuglitten, fühlte sie unendliche Erleichterung. Jedoch nur für eine kurze Weile. Schließlich musste sie noch immer erst einmal an Alessio Capelli herankommen.

Ihr Puls raste, als sie die Unterlagen aus ihrer Handtasche nahm, die sie auf dem Flug eigentlich hatte bearbeiten wollen. Arbeit, auf die sie aus lauter Sorge nicht einmal ein Auge geworfen hatte. Auf was für eine Akte wartete Alessio Capelli? Dick? Dünn? Vielleicht in einem versiegelten Umschlag? Sie steckte sich einen Stapel Dokumente unter den Arm. Es wirkte nicht unbedingt sehr offiziell, aber es würde reichen müssen.

Nervös prüfte sie ihre Erscheinung in der Spiegelwand. Ihr blickte eine ernste junge Frau in einer weißen Hemdbluse und einem knielangen schwarzen Rock entgegen. Das hellblonde Haar trug sie im Nacken zu einem Knoten gebunden, ihr Make-up war diskret und gekonnt aufgetragen. Sie sah … geschäftsmäßig aus.

Kein Wunder, dass die Empfangssekretärin sie nicht in die Kategorie Frau einstufte, die „persönlich“ mit Alessio Capelli zu tun hatte, mit einem Mann, der sich nur mit den schönsten Frauen zeigte.

Etwas regte sich in ihr, ein winziger Funke weiblicher Eitelkeit. Denn zuvor hatte sie doch immerhin seine Aufmerksamkeit erregt, oder?

Ein einziges Mal war sie ihm aufgefallen. Um genau zu sein, mehr als nur aufgefallen. Wenn sie ihn nicht abgewiesen hätte, dann hätten sie …

Sie zog ihren Rock höher, bis er ebenso viel Bein zeigte wie bei der jungen Frau unten am Empfang. Dann zuckte sie nervös zusammen und strich hastig den Stoff wieder glatt, als die Liftkabine mit einem leichten Ruck zum Stehen kam.

Himmel, was trieb sie hier nur?!

Sie gab sich sehr selbstbewusst, als sie auf die großen Glastüren zuging, die von einem muskelbepackten Sicherheitsmann bewacht wurden.

Alessio Capelli achtet definitiv auf seine Privatsphäre, dachte sie trocken und fragte sich, ob es an seinem Reichtum lag oder weil er sich auf dem Weg zu seinem geradezu unanständigen Vermögen so viele Feinde gemacht hatte.

Er war hartherzig, zynisch und skrupellos ehrgeizig. Und zu allem Überfluss auch noch höllisch attraktiv.

Panik wollte sich in ihr breitmachen, je näher der Moment der Konfrontation rückte. Aber hier ging es um ihre Schwester Ruby, nicht um sie. Ruby stand an erster Stelle.

„Ich möchte zu Signor Capelli“, sagte sie zu dem Sicherheitsmann und wiederholte es lächelnd auf Italienisch.

Der Mann warf nur einen kurzen Blick auf die Akten unter ihrem Arm und tippte sofort einen Nummerncode in das Zahlenschloss an der Wand ein. Die Glastüren schwangen auf und gaben den Blick frei auf einen nach allen Regeln der Kunst ausgestatteten riesigen Trainingsraum, der zudem eine fantastische Aussicht auf die Dächer von Rom bot.

Lindsay betrat eine Welt aus reinem Testosteron, arbeitenden Muskeln und männlichem Ego. Mehrere Männer drehten den Kopf in ihre Richtung, und plötzlich kam Lindsay sich vor wie die naive Gazelle, die in ein Löwenrudel hineingestolpert war. Sie biss die Zähne zusammen und folgte dem Sicherheitsmann, der sie durch den Raum führte.

Alessio Capelli hatte sie noch nicht bemerkt. Er drosch weiter auf den Sandsack ein. Seine bronzefarbene Haut schimmerte feucht von Schweiß, mit jedem Schlag spannten sich die Muskeln seiner athletischen Gestalt an und lockerten sich wieder.

Das war der falsche Mann. Der Wachmann musste sich geirrt haben. Es war jetzt sechs Monate her, dass sie Alessio Capelli getroffen hatte, aber sein elegantes und faszinierendes Äußeres war unauslöschlich in ihre Erinnerung gebrannt.

Was ihn jedoch wirklich gefährlich machte, war seine außergewöhnliche Intelligenz. Er benutzte Worte als Waffe, um sein Ziel zu erreichen, ob es nun darum ging, einen Prozess zu gewinnen oder eine Frau in sein Bett zu locken. Als Anwalt gehörte er zu den Besten, das wusste Lindsay, als Mensch jedoch …

Lindsay zuckte zusammen, als der Mann dort einen letzten harten Schlag in den Sandsack hieb. An diesem Mann hier war nichts Elegantes, im Gegenteil. Er war rau und animalisch.

Dann drehte er den Kopf. Die Welt schien plötzlich zu schrumpfen. Schweigend starrten sie einander an, und Lindsay hielt den Atem an, gefangen von seinem Blick.

Alessio hatte die gleiche Wirkung auf sie wie bei ihrer ersten Begegnung. Damals wie heute war diese Wirkung furchterregend intensiv. Obwohl Lindsay heute wusste, wer er war und wie er sein Geld verdiente, milderte das nicht die körperliche Reaktion, die dieser Mann in ihr auslöste.

Seine sizilianische Abstammung war überdeutlich in jedem markanten Zug seines attraktiven Gesichts erkennbar. Nur bekleidet mit Shorts und Trainingsshirt, sah er geradezu atemberaubend aus. Seine dunklen Augen wurden von dichten schwarzen Wimpern umrahmt, Augen, die immer direkt und unverblümt sein Gegenüber ansahen. Und wenn er noch nie den Versuch gemacht hatte, Gefühle zu kaschieren, dann wohl deshalb, weil er keine Gefühle hatte.

Sein Leben bestand aus Fakten und Zahlen. Wollte man den Gerüchten Glauben schenken, dann waren es große Zahlen.

Lindsay kam sich eher wie achtzehn denn wie achtundzwanzig vor. Sie räusperte sich. „Hallo, Alessio.“

Er ließ die Fäuste sinken. Ohne den Blick abzuwenden, zog er die Boxhandschuhe aus. „Du hast dir ja eine romantische Umgebung für ein Wiedersehen ausgesucht, Lindsay.“ Er sprach perfektes Englisch, doch er war durch und durch Sizilianer, dunkel, arrogant, das aufbrausende Temperament nur unter einer dünnen Lage Weltgewandtheit versteckt.

Ein angenehmes Prickeln überlief sie, dass er sie nicht vergessen hatte. Und es wurde sofort durch Empörung bezwungen.

Doch auch wenn ihr Verstand die Kontrolle über ihren Körper verloren zu haben schien, waren all ihre Sinne jäh hellwach. Und genau das war der Grund, warum sie sich selbst nicht traute, sobald sie in seiner Nähe war. Ihr Leben schien sich dann automatisch in ein Schlachtfeld zu verwandeln – in den konstanten Kampf zwischen dem, was der Verstand ihr befahl, und dem, was ihr Körper wollte.

Sämtliche Schutzbarrieren, die sie um sich herum aufgebaut hatte, begannen in Windeseile zu bröckeln. Die eigene Verwundbarkeit erschreckte sie zutiefst. Hier geht es um Ruby, erinnerte sie sich still. Ruby ist der einzige Grund, aus dem du hier bist.

„Ich bin überrascht, dass du dich an mich erinnerst, angesichts der vielen blonden Frauen in deinem Leben. Wie kannst du sie da noch auseinanderhalten?“

Humor leuchtete in seinem Blick auf, als er nach einem Handtuch griff. „Das Unerwartete ist immer erinnerungswürdig. Du hast mich schließlich abblitzen lassen.“

Das passierte ihm sicher nicht oft. „Es bestand nie die geringste Chance, dass ich mich mit dir einlasse. Im Gegensatz zu dir denke ich nämlich mit dem Kopf.“

Er lachte leise, und Lindsay runzelte die Stirn. Sie hatte vergessen, dass er Humor besaß. Hatte es vergessen wollen, weil ihn das menschlicher machte. Es war unerlässlich, dass sie sich immer ins Gedächtnis rief, wie kalt und gefühllos er war. Für sie musste er so unattraktiv wie nur möglich sein.

Nur war sein Lächeln alles andere als unattraktiv. Und er wusste es auch. „Warum bist du dann hier?“

„Ich muss mit dir reden.“

„Bist du den ganzen weiten Weg von England hierher geflogen, nur um mit mir zu reden? Ich wusste nicht, dass du die Konversation mit mir derart anregend findest.“

Verzweifelt bemühte Lindsay sich, seine Größe und die Breite seiner Schultern zu ignorieren. Sie hatte ihn nicht im Fitnessstudio sehen müssen, um zu wissen, dass er stark und muskulös war. Niemand kam gegen ihn an. Emotional und körperlich war dieser Mann ein Titan.

Und er setzte seine Stärke rücksichtslos gegen andere Menschen ein. Vor allem gegen Frauen.

Plötzlich wünschte Lindsay, sie könnte die Zeit zurückdrehen. Denn dann wäre sie niemals nach Rom geflogen, um sich ein erholsames Wochenende zu gönnen. Und Alessio Capelli wäre ein professioneller Gegner geblieben, anstatt ein Mann aus Fleisch und Blut zu werden. Wenn sie einander auf professioneller Ebene begegnet wären, hätte sie ihren Kittel getragen und nicht …

„Ich hatte versucht, dich von England aus anzurufen“, sagte sie sachlich. „Da mich niemand zu dir durchstellen wollte, blieb mir nichts anderes übrig, als herzukommen. Ich hatte immer wieder betont, dass es sich um eine dringende persönliche Angelegenheit handelt. Wie erreichen dich eigentlich deine Mandanten?“

„Wärst du eine Mandantin, hättest du eine andere Telefonnummer gehabt. Wenig verwunderlich, dass sie dich nicht durchgestellt haben. Mein Personal weiß, dass ich nie persönliche Angelegenheiten am Telefon bespreche. Und dringend … für sie heißt das nur, dass da eine Reporterin am anderen Ende ist, die eine Frist einzuhalten hat. Sie wurden geschult, misstrauisch zu sein … eine leidige Notwendigkeit, wenn man im Interesse der Öffentlichkeit steht.“

Er bückte sich, um seine Wasserflasche aufzuheben. „Jetzt bin ich neugierig, was so wichtig sein kann, dass du dich freiwillig in meine Gesellschaft begibst. Ich hoffe doch, du hast deine strikten Prinzipien endlich aufgeben und bist jetzt bereit, die unendlichen Freuden am Sex ohne gefühlsmäßige Bindung zu genießen?“

„Alessio …“

„Du ahnst nicht, wie sehr ich mich darauf freue, dich auszuziehen, tesoro.“

Sein tiefes Schnurren fuhr ihr direkt in den Unterleib. Aber das tat er absichtlich. Er legte es darauf an, sie durcheinanderzubringen. „Du kannst einfach nicht anders, oder?“ Sie hielt ihre Stimme völlig ruhig. „Du musst mich in Verlegenheit bringen.“

Mi dispiace.“ Seine Augen funkelten spöttisch. „Tut mir leid. Das war unfair. Aber ich mag es so gern, wenn du rot wirst. Deine Wangen haben dann die gleiche Farbe, die sie auch haben werden, nachdem wir wilden, ungezügelten Sex hatten.“

„Das wird nie passieren. Akzeptier es endlich.“

„Das zeigt nur, wie wenig du mich kennst. Ich muss Situationen, die mir nicht gefallen, einfach ändern.“ Er lächelte dünn – es war ein bedrohliches Lächeln. „Das nennt man verhandeln.“

„Bei Verhandlungen bekommen beide Parteien einen Teil von dem, was sie sich erwartet haben. Das nennt man einen Gewinn für beide Seiten.“

„Das mit dem Gewinnen verstehe ich, aber mit halben Lösungen kann ich mich nicht zufriedengeben. Wenn ich etwas will, dann will ich alles, nicht nur die Hälfte.“

Ihr Puls raste. Sie hielt es ähnlich. „Du bist nicht mein Typ, Alessio.“

„Und genau das macht es ja so interessant, tesoro.“ Er genoss es, sie zu zermürben. „Wenn du auf gewiefte Scheidungsanwälte stehen würdest, wäre es ja langweilig. Diese Chemie zwischen uns muss sehr unangenehm für dich sein.“

Die Unterhaltung hatte eine gefährliche Richtung eingeschlagen. Es war, als würde man durch einen Sturm segeln – man lief immer Gefahr, vom Kurs abzukommen. Alessio führte sie auf ein Gebiet, das sie schon vor langer Zeit für sich als tabu markiert hatte.

„Ruby …“, brachte sie schwach hervor. „Ich mache mir Sorgen um Ruby.“

„Ah.“ Er kniff leicht die Augen zusammen. „Ich hätte mir denken sollen, dass dein Erscheinen etwas mit dem Verschwinden deiner kessen kleinen Schwester zu tun hat.“

„Verschwinden? Also weißt du auch nicht, wo sie ist? Ich hatte gehofft, sie hätte dir etwas gesagt.“

„Wieso sollte sie?“

„Weil du ihr Boss bist! Immerhin arbeitet sie seit sechs Monaten für dich.“

„Und du meinst, ich tausche Vertraulichkeiten mit meinem Personal?“ Alessio setzte die Flasche an den Mund und trank in tiefen Zügen.

Lindsay schaute fasziniert zu, verfolgte benommen, wie sein starker, bronzefarbener Hals bei jedem Schluck arbeitete.

Als er die Flasche wieder absetzte, verzog er den Mund zu einem spöttischen Lächeln. „Es ist höchst unklug, mich so anzustarren“, sagte er mit verführerischer Stimme, „wenn du nicht vorhast, die Sache weiterzuführen. Außerdem wissen wir doch beide, dass es weder der richtige Ort noch die richtige Zeit ist.“

Die Tatsache, dass er sie so leicht durchschaute, war ebenso unwillkommen wie die Hitze, die sich in ihrem Unterleib ausgebreitet hatte. „Denkst du eigentlich jemals an etwas anderes als Sex, Alessio?“

„Ja.“ Er musterte ihre hochroten Wangen mit zermürbender Intensität. „Manchmal denke ich auch an Geld.“

Lindsay war wütend auf sich, weil sie selbst ihm die Gelegenheit gegeben hatte, sie noch weiter aus der Fassung zu bringen. „Könnten wir bitte über Ruby reden?“

„Wenn es unbedingt nötig ist“, gab er gelangweilt zurück. „Du versuchst also noch immer, das Sagen über sie haben.“

„Damit hat das überhaupt nichts zu tun. Ich liebe sie und mache mir Sorgen um sie.“

„Solange sie ihr Leben nach deinen Vorstellungen führt. Ich verstehe nicht viel von Liebe, Lindsay, aber angeblich hat es etwas damit zu tun, dass man die Menschen akzeptiert, wie sie sind, und nicht versucht, sie zu ändern. Du krallst dich in deine Schwester wie ein Adler in seine Beute.“

Seine Kritik tat weh. Aber er hatte keine Ahnung, wie ihr Leben verlaufen war. Und von ihm würde sie sich nicht in die Vergangenheit zurückziehen lassen. „Wie du selbst sagst, verstehst du nur wenig von Liebe. Seit einer Woche habe ich nichts von ihr gehört. Sie meldet sich nicht, reagiert nicht auf meine Nachrichten. Und aus deinem Büro erfahre ich nicht mehr, als dass sie nicht da ist. Ich mache mir Sorgen.“

„Sie ist einundzwanzig, also alt genug, um ihre eigenen Fehler zu machen.“ Er legte sich das Handtuch um den Hals. „Es sieht aus, als hätte sie genau das getan.“

Für einen Moment meldeten sich Zweifel. Mischte sie sich ein? Nein, schließlich redeten sie hier über ihre Schwester. „Ruby ist sehr verwundbar. Als wir dich und deinen Bruder letzten Sommer trafen, hatte sie gerade eine zerstörerische Beziehung hinter sich, und sie …“ Lindsay brach ab. Sie brauchte keine Details preiszugeben. „Oberflächlich betrachtet wirkt Ruby unbeschwert und ausgeglichen, aber … du glaubst vielleicht, du kennst sie, doch das stimmt nicht.“

Alessios Blick lag unverwandt auf ihr. „Deine Schwester arbeitet seit einem halben Jahr für mich. Ich nehme sogar an, dass ich mehr über sie weiß als du. Und jetzt musst du mich entschuldigen. In einer Stunde treffe ich mich mit einem Mandanten, danach fliege ich in die Karibik. Dort sollte übrigens auch deine Schwester sein. Sie sollte mir bei einem wichtigen Fall assistieren.“

Karibik … Fall … Das war nicht viel, aber zumindest etwas. Mit gerunzelter Stirn folgte Lindsay ihm zur Glastür hinaus. „Wusste sie, dass du sie in der Karibik erwartest?“

„Natürlich. Sie war schließlich für alle Arrangements verantwortlich.“

„Ruby hätte niemals ihre Pflichten einfach vernachlässigt.“ Lindsay blieb wie vom Donner gerührt stehen, als sie merkte, dass sie Alessio in den Umkleideraum gefolgt war.

Glücklicherweise war der Raum leer, aber Alessio bedachte sie mit einem herausfordernden Blick und zog sich das Trainingsshirt über den Kopf. „Möchtest du diese Konversation fortsetzen, während ich dusche?“

Konfrontiert mit einem atemberaubenden nackten männlichen Oberkörper, hämmerte ihr Herz hart gegen ihre Rippen. „Könntest du nicht wenigstens einen Moment damit aufhören? Ich bitte dich doch bloß, ein paar Minuten mit mir zu reden.“

„Wenn du nichts weiter als reden willst … das kostet dich die Minute ungefähr tausend Dollar – was wiederum heißt, dass du es dir nicht leisten kannst. Wenn du allerdings nicht nur reden willst, mache ich dir einen Vorzugspreis.“ Er lachte trocken auf, als er das Blut in ihre Wangen schießen sah. „Schockiert? Du bist selbst schuld, tesoro. Eine Frau, die ihre eigene Sexualität verneint, sollte einem Mann besser nicht in die Dusche folgen.“

„Ich verneine gar nichts. Es stimmt, da besteht eine Chemie zwischen uns …“ Sie stolperte über die eigene Ehrlichkeit. „… aber das heißt nicht, dass ich darauf reagieren muss. Erwachsen zu sein heißt, eine freie Wahl zu haben. Und du bist nun mal nicht meine Wahl.“

„Nicht?“

Irgendwie war dieses Gespräch wieder ins Persönliche abgeglitten. Lindsay rieb sich über die Stirn. „Bitte, können wir einfach nur über Ruby reden?“

„Sicher. Du redest, ich dusche. Da du ja erwachsen bist, wird es dir auch sicher nichts ausmachen, mich nackt zu sehen, oder?“ Er hakte die Daumen in den Bund seiner Shorts.

Auch wenn sie sich ermahnte, gelassen stehen zu bleiben und nur eine lässige Bemerkung zu machen … weder ihr Verstand noch ihre Zunge wollten ihr gehorchen. „Ich warte wohl besser draußen …“

„Probleme mit deiner ‚freien Wahl‘?“, spottete er. „Es gefällt dir wohl nicht, wenn deine berühmte Willenskraft auf die Probe gestellt wird, wie? Kleidest du dich deshalb so langweilig und trägst diesen strengen Knoten? Hoffst du darauf, dass, wenn das Äußere sicher zugeknöpft ist, das Innere schon nachziehen wird?“

„Ich bin direkt von der Arbeit losgeflogen.“

„Ah ja, deine Arbeit. Lindsay Lockheart, Eheberaterin. Wie läuft es denn? Bei unserer letzten gemeinsamen Radioshow hast du die Leute aufgefordert, dein neues BAP zu nutzen, nicht wahr? Beziehungs-Analyse-Programm.“ Er klang amüsiert. „Mit meiner letzten Freundin habe ich es ausprobiert. Leider war unsere Beziehung zu Ende, bevor wir damit durch waren.“

Lindsay kaute an ihrer Lippe. „Für Zyniker ist das Programm auch nicht gemacht. Bei dir ist kein Programm nötig, um festzustellen, dass alle deine Beziehungen oberflächlich und bedeutungslos sind. Aber ich bin auch nicht hier, um unsere beruflichen Gegensätze auszuarbeiten.“

„Es verblüfft mich noch immer, wie du es geschafft hast, dir einen Ruf als Beziehungsexpertin zu erarbeiten, wenn deine eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet doch so begrenzt sind.“

Kein Wunder, dass er als Anwalt unschlagbar war – er suchte nach den Schwachstellen der anderen Partei und nutzte sie dann ohne jedes Zögern aus. Ginge es nicht um Ruby, würde Lindsay auf dem Absatz kehrtmachen und nach England zurückfliegen.

„Ich muss wissen, ob meine Schwester mit deinem Bruder zusammen ist.“ Bitte, sag Nein, flehte sie in Gedanken. „Sie ist auf jeden Fall mit jemandem zusammen. In letzter Zeit war sie so geheimnisvoll, das ist sie sonst nie. Sie erzählt mir immer alles.“

Autor

Sarah Morgan

Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 18 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen. Manchmal sitzt Sie...

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