Love & Hope Edition Band 8

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THANKSGIVING FÜR ZWEI HERZEN von TERRI REED

Den Glauben an die Liebe hat Single-Mom Trista verloren. Als sie mit Pastor Scott Crosby das Thanksgiving-Dinner vorbereitet, lässt er ihr Herz trotzdem höherschlagen. Was jetzt? Vielleicht weiß der charmante Unbekannte Rat, dem sie in einer Online-Gruppe schreibt …

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  • Erscheinungstag 06.09.2025
  • Bandnummer 8
  • ISBN / Artikelnummer 9783751532655
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Terri Reed, Patricia Davids, Roxanne Rustand

LOVE & HOPE EDITION BAND 8

Terri Reed

1. KAPITEL

„Wenn ich dieses Fenster an meinem Arbeitsplatz hätte, würde ich nie irgendwas zustande bringen.“

Trista Van Zandt blickte von ihrem mitgebrachten Puten-Käse-Sandwich auf, um ihre hochgewachsene blonde Schwägerin anzulächeln, die gerade in ihr Büro gekommen war.

In ihrem rostroten Umstandskleid, neben dem das leuchtende Novemberlaub der Bäume draußen geradezu trostlos wirkte, sah Kelly Van Zandt wunderschön aus. Sie setzte sich auf einen der Stühle vor Tristas Schreibtisch.

„Es ist wirklich hübsch“, sagte Trista zustimmend. „Viel besser als der Ausblick auf den Parkplatz, den ich in Richmond hatte.“

Das Büro im vierten Stock, das sie als Prozessbevollmächtigte der Anwaltskanzlei Benson und Benson bezogen hatte, war zwar klein, bot aber eine ziemlich spektakuläre Aussicht auf den James River.

„Ein weiterer Pluspunkt, der belegt, wie gut deine Entscheidung war, mit Aidan nach Chestnut Grove zu ziehen.“ Kelly lächelte. „Wie geht’s meinem Neffen?“

Beim Gedanken an ihren sieben Monate alten Sohn breitete sich ein zärtliches, warmes Gefühl in Tristas Brust aus. „Er gewöhnt sich gut in der Kita ein, ist aber ganz wild darauf, seinen neuen Cousin kennenzulernen. Oder seine neue Cousine.“

Kelly rieb sich über ihre beträchtliche Babykugel. „In einem Monat ist es so weit.“

Trista war froh, dass die Frau ihres Bruders einen ruhigen und friedlichen letzten Schwangerschaftsmonat vor sich hatte, ganz anders als sie selbst in den finalen Wochen ihrer Schwangerschaft. „Ist alles in Ordnung?“, erkundigte sie sich.

Noch immer lächelnd strich Kelly ihr dichtes blondes Haar zurück. „Ja. Vor ein paar Tagen habe ich ein supersüßes Willkommensoutfit fürs Baby gekauft, in neutralem Weiß mit Häschenmuster, weil ich ja nicht weiß, ob ich die kleine Clarissa oder den kleinen Cameron willkommen heiße. Du glaubst nicht, wie groß die Versuchung ist, das Geschlecht unseres Kindes herauszufinden.“

„Lass es bleiben. Glaub mir, das Warten lohnt sich.“

Kelly wechselte das Thema. „So, und jetzt erzähl mal, wie es dir geht.“

Mit dieser Frage hatte Trista gerechnet. Seit ihrer Ankunft in Chestnut Grove hatten ihr Bruder Ross und seine Frau Kelly es sich zur Aufgabe gemacht, für sie und Aidan da zu sein. Dabei hatten sie selbst genug um die Ohren mit der Leitung ihrer Tiny-Blessings-Adoptionsagentur, Ross’ Privatdetektei und der bevorstehenden Geburt ihres eigenen Babys. Sie zuckte mit den Schultern. „Wie immer.“

„Das hatte ich befürchtet“, murmelte Kelly.

„Wie bitte?“

Kelly seufzte. „Ich mache mir Sorgen um dich. Du machst nichts anderes, als zu arbeiten und dich um Aidan zu kümmern. Warum überlässt du ihn an diesem Wochenende nicht einfach uns und gehst mal aus, um ein bisschen harmlosen Spaß zu haben?“

Trista unterdrückte ein Schnauben. Mit harmlosem Spaß hatte sie nicht viel Erfahrung. Sie war in Brooklyn aufgewachsen, bei alkoholkranken Eltern, und war oft in Schwierigkeiten geraten, weil sie viel zu oft über die Stränge schlug. Damals hatte sie sich immer darauf verlassen, dass ihr großer Bruder sie aus der Patsche holte.

Nachdem ihr klar geworden war, dass sie nur durch Entschlossenheit und harte Arbeit die Sicherheit erlangen konnte, die ihr in ihrer Jugend so bitter fehlte, hatte sie sich mit voller Kraft auf ihr Studium gestürzt, um Anwältin zu werden. Das schien ihr der beste Weg zu sein, sich ein stabiles selbstbestimmtes Leben zu schaffen, anständiges Einkommen inklusive. Was konnte sie sich mehr wünschen?

Doch gegen Ende ihres zweiten Studienjahres hatte sie Kevin Hughes kennengelernt, was ihre vernünftige Zukunftsplanung über den Haufen warf. Sie war seinem Charme und seiner Ausstrahlung erlegen und hatte ihn gegen den Rat von Ross geheiratet.

Nun, sie hatte ihre Lektion gelernt.

Und war zu der Erkenntnis gelangt, dass Liebe und „für immer und ewig“ keine realistische Perspektive für sie darstellte. Nur wenigen Menschen war es bestimmt, wie Ross und Kelly das wahre Glück zu finden.

Jetzt bestand ihr Lebensziel darin, ihrem Sohn ein stabiles und sicheres Zuhause zu bieten. Komme, was da wolle.

„Du und Ross solltet lieber ausgehen, solange ihr noch die Zeit dazu habt“, erwiderte sie. „Wenn das Baby erst mal da ist, wirst du verstehen, warum ich abends lieber zu Hause bei Aidan bleibe, als irgendwas anderes zu tun.“

Kelly nickte verständnisvoll. „Na gut. Aber wie wäre es, wenn du bei Naomis Projekt mitmachst?“

„Wer ist Naomi, und was ist ihr Projekt?“

Kelly beugte sich angelegentlich vor. „Naomi ist die Frau von Pastor Fraser. Sie hat eine christliche Online-Community für Singles ins Leben gerufen, The Kingdom Room, über die Menschen aus ganz Virginia miteinander Kontakt aufnehmen können. Das wäre doch ein perfekter Weg für dich, jemanden kennenzulernen, ohne auf Dates gehen zu müssen.“

Trista schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht auf der Suche nach einer Beziehung. Das habe ich ein für alle Mal hinter mir.“

„Oh, Schätzchen, du darfst nicht zulassen, dass das, was mit Kevin passiert ist, dir den Glauben an die Liebe nimmt. Ich weiß, dass Gott den Richtigen für dich im Sinn hat.“

Trista verkniff sich eine Bemerkung über die lächerliche Annahme, dass Gott sich in irgendeiner Form mit ihr beschäftigte. Falls Gott überhaupt einen Gedanken an sie verschwendete, vertrat er gewiss die Meinung, dass sie Seiner Mühe nicht wert war.

Sie packte die Reste ihres Mittagessens weg und stand auf. „Mach dir keine Sorgen um mich. Ich habe Aidan und dich und Ross. Mehr brauche ich nicht.“

Seufzend erhob sich Kelly von ihrem Stuhl. „Dann sag wenigstens, dass du Samstag zum Abendessen zu uns kommst.“

„Klar komme ich.“ Sie umarmte ihre Schwägerin kurz. „Aber ich übernehme das Kochen.“

Kelly grinste erfreut. „Deine Lasagne?“

Trista erwiderte das Grinsen. Es fühlte sich gut an, wertgeschätzt zu werden. „Wenn du die willst.“

Kelly nickte bekräftigend. An der Tür drehte sie sich noch einmal um. „Aber denk noch mal über The Kingdom Room nach. Das könnte dir wirklich gefallen.“

„Mach ich“, versprach Trista, um ihrer Schwägerin einen Gefallen zu tun.

Sobald Kelly weg war, kehrte Trista an ihren Schreibtisch zurück und öffnete einen Aktenordner zu einem laufenden Zivilrechtsverfahren. Doch Kellys Worte gingen ihr nicht aus dem Kopf. Gott hat den Richtigen für dich im Sinn.

Sie fuhr sich mit einer Hand durchs dunkle Haar, das sie heute offen trug, und versuchte sich auf die Unterlagen vor ihr zu konzentrieren.

Trista gab es nur ungern zu, aber tief in ihrem Inneren wünschte sie sich, dass das, was Kelly über Gott gesagt hatte, wahr wäre.

Doch es stimmte nicht. Jedenfalls nicht für sie.

Wenn sie solche Gedanken zuließ, würde sie sich nur verwundbar machen. Unwillkürlich wanderte ihr Blick von der ungelesenen Akte zum Computer.

Eine Online-Community für Singles? Gar keine so uninteressante Idee.

Andererseits war ein Klub der einsamen Herzen nun wirklich das Allerletzte, was sie in ihrem Leben brauchte.

Die erste Novemberwoche war eine arbeitsreiche Zeit für Assistenzpastor Scott Crosby. Die Organisation einer Spielzeugsammelaktion gemeinsam mit dem Jugendzentrum der Gemeinde erforderte sowohl Geduld als auch Ausdauer – zwei Dinge, mit denen Scott zu kämpfen hatte.

Nicht, dass er etwas dagegen gehabt hätte, für den Jugendbeauftragten Caleb Williams einzuspringen. Schließlich war es Scotts höchste Priorität im Leben, dem Herrn zu dienen. Und er missgönnte es Caleb keineswegs, dass der mit seiner Familie bis nach Thanksgiving Urlaub machte.

Im Jugendzentrum herrschte lebhaftes Treiben. Normalerweise sah es hier eher so aus wie in einem CVJM, mit Fitnessraum, einem gemütlichen Fernsehzimmer mit Sesseln und Sitzsäcken aus zweiter Hand, einem Bastelzimmer mit Unmengen von Material für die zahlreichen Kunstprojekte und einer kleinen Cafeteria.

Heute jedoch glich das Zentrum eher der Werkstatt des Weihnachtsmanns. Überall stapelten sich Spielzeug, Geschenkpapier, Kinder und … was um alles in der Welt machte Naomis kleiner Hund da?

Scott schnappte sich die kurzbeinige Fellnase, als sie gerade mit einer gelockten Puppe in der Schnauze an ihm vorbeipreschen wollte. „Hey, Buddy.“ Er hob den Dackel hoch. „Das ist nichts für dich.“

Neben ihm kam die vierzehnjährige Tiffany schlitternd zum Stehen und rümpfte verärgert die sommersprossige Nase. „Was für ein Schlingel“, rief sie und nahm Scott den zappelnden Hund ab.

Während sie ihn in ihren molligen Armen festhielt, löste Scott vorsichtig die Puppe aus Buddys Zähnen und begutachtete sie. „Ist nicht viel passiert“, befand er.

„Pastor Scott, sollen wir das Ding hier zusammenbauen?“, rief Jeremy, der Starathlet der örtlichen Highschool, vom anderen Ende des Raums.

Scott ließ Buddy in Tiffanys Gewahrsam und watete durch Berge von Spielsachen und Kindern zu Jeremy und Billy hinüber, die neben einer ungeöffneten Kiste standen, auf deren Vorderseite ein rotes Kinderdreirad abgebildet war. Beide Jungs trugen, was offenbar gerade die angesagte Kluft war, knielange Basketball-Shorts und Kapuzensweatshirts.

„Hmm. Gute Frage. Ich frage mal eben Naomi, ob sie ein bestimmtes Kind für das Rad im Sinn hat, und komme dann auf euch zurück. In der Zwischenzeit könntet ihr zum Reifenladen in der Innenstadt fahren, die haben, glaube ich, noch eine volle Kiste für uns. Nehmt ein paar Tüten mit und lasst die Kiste dort, damit die Leute weiter spenden können.“

Jeremy nickte und stieß Billy mit dem Ellbogen an. „Wir nehmen meinen Pick-up.“

Scott schaute den beiden nach. Es erfüllte ihn mit Stolz, dass der ältere Jeremy ein so gutes Vorbild für den jüngeren, problematischen Billy abgab.

Dann blickte er sich suchend um, bis er die Frau des Pastors entdeckte. Naomi saß mit zwei jungen Mädchen auf dem Boden und gab einem verpackten Geschenk gerade den letzten Schliff. Um ihr kurzes rotes Haar war eine Bandana geschlungen, deren Enden wie Hundeohren hochstanden, und ein paar graue Strähnen reflektierten das Deckenlicht.

Scott lächelte sie liebevoll an. Naomi war für ihn weniger die Frau seines Vorgesetzten als eine Art zweite Mutter. „Wie läuft’s denn hier bei dir?“ Er musterte die vielen bereits verpackten Geschenke.

Naomis lebhafte blaue Augen funkelten. „Hättest du gedacht, dass wir schon nach drei Tagen so viele Spenden haben?“

Scott lachte. „Nein. Die Großzügigkeit in dieser Stadt ist wirklich ein Segen.“

Sie hatten die Kisten für die Spenden erst am Freitagabend in den vielen Geschäften, die an der Aktion teilnahmen, verteilt. Die Menge der Spielsachen, die bis zum heutigen Montagnachmittag eingetrudelt waren, überraschte alle.

Chestnut Grove war eine Gemeinschaft von Freunden und Familien, die zusammenhielten und sich umeinander kümmerten. Scott war glücklich, dass er dem Herrn hier dienen durfte, wo man ihn endlich so akzeptierte, wie er war.

„Wenn das so weitergeht, können wir jedem benachteiligten Kind im Umkreis von vielen Meilen zu Weihnachten ein Spielzeug in die Hand drücken“, sagte Naomi und streckte Scott eine Hand hin.

Er zog sie aus ihrer sitzenden Position hoch, und sie schüttelte ihre Beine. „Puh, in meinem Alter auf dem Boden zu hocken ist keine gute Idee.“

Eines der Mädchen kicherte.

„Sie sind nicht alt“, bemerkte das andere, Nikki. „Zumindest benehmen Sie sich nicht alt. Nicht so wie meine Eltern.“

Das Kompliment war für Nikki schon das Äußerste an Sympathiebekundung. Scott wusste, dass Naomi ihr Bestes gegeben hatte, um die Schutzbarrieren der Teenagerin zu durchbrechen. Nikki kleidete sich gern von Kopf bis Fuß in Schwarz und bezeichnete sich selbst als Emo. In Scotts Jugend hätte man Goth gesagt, aber wie auch immer der Begriff der Stunde dafür lautete, es war immer noch ein Ausdruck für das emotionale Chaos und die Verwirrung, an die er sich nur allzu gut erinnerte.

Liebevoll strich Naomi über Nikkis Blondschopf. „Ihr Mädchen könnt hier weitermachen, während ich mich mit Scott unterhalte.“

Sie führte ihn in die menschenleere Cafeteria und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein. Scott lehnte dankend ab und setzte sich an den runden Esstisch. „Die Jungs wollten wissen, was sie mit dem originalverpackten Dreirad machen sollen.“

Naomi trank einen Schluck. „Sie sollen es erst mal so lassen.“

„Okay.“ Er vertraute ihrem Urteil. Pastor Fraser konnte sich wirklich glücklich schätzen, eine so wunderbare Ehefrau zu haben. Scott hoffte, dass er eines Tages eine Seelenverwandte finden würde, jemanden, der bereit war, an seiner Seite dem Herrn zu dienen. Eine Frau, die ihn so akzeptierte, wie er war, ohne zu versuchen, ihn zu verändern, so wie Sylvia es getan hatte. Sie war seine einzige feste Freundin gewesen, von der Highschool durch die College-Zeit.

Doch als er sich entschied, Geistlicher zu werden, hatte sie Schluss gemacht. Sie behauptete, noch nicht bereit für eine ernsthafte Beziehung zu sein, aber Scott kannte den wahren Grund. Sylvia hatte nicht die Frau eines Pastors sein wollen.

Er stützte seine Ellbogen auf die Tischplatte und presste die Handflächen zusammen. „Gerade habe ich Jeremy und Billy losgeschickt, um die Spielsachen abzuholen, die sich in Pauls Reifenladen angesammelt haben. Ich denke, es reicht, wenn die Kinder nächsten Samstag wieder losziehen, um die Kisten zu leeren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir noch wesentlich mehr bekommen, als wir bereits haben.“

Naomi gestikulierte mit ihrer Tasse. „Es war eine grandiose Idee von dir, in diesem Jahr so früh mit der Aktion anzufangen. Auf diese Weise haben wir alles vor den Feiertagen erledigt und können die Zeit entspannt genießen.“

Manchmal zahlte sich seine Ungeduld eben aus. „Ich bin dabei, mich mit der Tafel über das Thanksgiving-Essen abzustimmen, das die Kirche ausrichten wird. Wir brauchen mehr Freiwillige, daher wäre es toll, wenn du das weitersagen könntest.“

„Na klar.“ Sie stellte ihre Tasse ab und beugte sich vor. „Wie geht es deiner Familie?“

„Gut. Ich habe gestern mit Mom gesprochen, die mich nachdrücklich darauf hingewiesen hat, dass sie mich an Thanksgiving zum Dinner erwartet.“

Scott würde lieber den größten Teil des Tages hierbleiben und dabei helfen, jene mit Essen zu versorgen, die weniger vom Schicksal begünstigt waren als er. Das war zumindest die beste Erklärung, die er seiner Familie geben konnte. Doch der Hauptgrund, warum er sich weigerte, den kompletten Feiertag in seinem Elternhaus zu verbringen, waren die ständigen Sticheleien seiner Geschwister.

Manchmal gelang es ihm, mit seinen Nichten und Neffen ins Spielzimmer im Keller zu flüchten, aber selbst dort war er nicht sicher. Seine Geschwister spürten ihn überall auf.

Als jüngstes von vier Kindern war er von klein auf das bevorzugte Opfer grober Scherze gewesen, die er weder schätzte noch verstand. Mitunter fragte er sich, ob sich hinter der spöttischen Attitüde womöglich die Tatsache verbarg, dass die anderen kein weiteres Geschwisterchen hatten haben wollen. Immerhin war er für seine Eltern der Überraschungsnachzügler gewesen, woran seine Geschwister ihn gar zu gern erinnerten.

Es kam der Familiendynamik auch nicht zugute, dass Scott nicht aus demselben Holz geschnitzt war wie der Rest der leistungsstarken Crosbys. Sein Vater war enttäuscht gewesen, dass Scott nicht in die beruflichen Fußstapfen seiner Geschwister getreten war. Und seine Mutter behandelte ihn, als wäre er noch immer im Kindergarten.

Insgesamt bedeutete es Stress für ihn, mit seinen Angehörigen zusammen zu sein.

Naomi musterte ihn abwägend. „Scott, wann suchst du dir ein nettes Mädchen und gründest eine Familie?“

Die unvermittelte Frage erwischte Scott so kalt, dass er sich verblüfft räusperte. „Wie bitte?“

„Ich mache mir Sorgen, dass du zu viel arbeitest. Ein junger Mann sollte auch Spaß im Leben haben. Und du wirst nicht ewig jung sein.“

Daran brauchte sie ihn zwar nicht zu erinnern, doch es laut ausgesprochen zu hören, verdeutlichte einmal mehr die Vergänglichkeit aller Dinge. Seine Eltern würden schon bald ihren fünfzigsten Hochzeitstag feiern. So etwas war eine Seltenheit heutzutage. Scott konnte nur hoffen, es ihnen eines Tages gleichzutun.

„Die Zeit fliegt nur so dahin, und wenn du nicht aufpasst, dann wirst du irgendwann bereuen, nicht etwas mehr davon für dich selbst verwendet zu haben statt nur für andere“, fuhr Naomi fort.

Scott runzelte die Stirn. „Ich glaube nicht, dass es Zeitverschwendung ist, dem Herrn zu dienen.“

Sie bedachte ihn mit einem nachsichtigen Blick. „Dreh mir nicht das Wort im Munde um. Dem Herrn zu dienen ist wundervoll, aber ein Mann Gottes wie du braucht im Leben eine helfende Gefährtin. Gott will nicht, dass wir alle allein sind.“

Oh-oh. Das klang ja fast so, als ob sie ihn unter die Haube bringen wollte. Dem sollte er schleunigst einen Riegel vorschieben. Abwehrend hob er die Hand. „Ich bin zufrieden mit meinem Leben. Außerdem habe ich gerade jede Menge um die Ohren, jetzt, wo Caleb im Urlaub ist. Ich denke, ich sollte warten, bis die Zeit reif ist.“

„Du weißt, dass diese Ausrede nicht besonders lange trägt“, erwiderte sie mit einem beunruhigenden Glitzern in den Augen.

Hastig erhob sich Scott. „Ich gehe besser mal wieder zu den Kindern.“

Er wollte Naomi keine Gelegenheit geben zu versuchen, ihn mit irgendwem aus der Gemeinde zu verkuppeln. Das würde die Akzeptanz gefährden, die er in Chestnut Grove genoss. Außerdem hatte er wirklich alle Hände voll zu tun, das war keineswegs gelogen. Aber er hatte auch nicht zugeben wollen, dass er nicht wusste, ob die Zeit jemals reif sein würde, eine Ehe anzustreben. Die Vorstellung, einen weiteren Menschen, den er liebte, zu enttäuschen, war ihm unerträglich.

Naomi schaute Scott hinterher, der aus der Cafeteria stürmte, als wäre ihm der Hund der Baskervilles auf den Fersen. Der Mann war offensichtlich schreckhaft, was Beziehungen betraf.

Soweit sie es beurteilen konnte, hielt Scott jeden auf emotionale Distanz, auch wenn er sich nach Kräften bemühte, anderen zu helfen. Ihr war klar, wie sehr seine Entscheidung, Geistlicher zu werden, das Verhältnis zu seiner Familie belastete, und sie ahnte, dass es da einen Riss oder Ähnliches gab, das der Heilung bedurfte. Doch sie spürte auch Einsamkeit und einen tiefen Schmerz in Scott.

„Herr, wie soll ich Deiner Ansicht nach diesem jungen Mann helfen?“

Naomi wartete einen Augenblick. In ihrem Kopf formte sich eine Idee. „Ah, ja. Vielen Dank, Herr.“

Sie wusste jetzt, was zu tun war.

Nachdem sie ihre Tasse gespült und auf das Abtropfbrett gestellt hatte, ging sie in ihr Büro und fuhr den Computer hoch. Mit ein paar Klicks und ein paar kreativen Gedanken fügte sie Scott anonym der wachsenden Zahl von Mitgliedern des Kingdom Rooms hinzu.

„Manchmal brauchen die Leute einen kleinen Anstoß, um zu merken, dass die Zeit genau jetzt reif ist“, murmelte sie und lehnte sich zurück. Nun musste sie nur noch abwarten und zusehen, wie ihr Plan aufging.

„Schlaf schön, mein kleiner Prinz“, flüsterte Trista ihrem Sohn zu, während sie ihn sanft in sein Kinderbettchen legte. Sie steckte die Decke fester um seinen kleinen Körper, und die herzzerreißende Freude, die sich dabei in ihr jetzt ausbreitete, trieb ihr die Tränen in die Augen. Unendlich zärtlich berührte sie Aidans weichen dunklen Haarflaum. Sollte dem Kleinen jemals etwas zustoßen, glaubte sie nicht, das ertragen zu können.

Aidan regte sich. Rasch wich sie zurück, um ihn nicht weiter zu stören. Er brauchte seinen Schlaf. Sie brauchte ihren Schlaf auch, aber seit Aidans Geburt war es schwierig für sie, zur Ruhe zu kommen. Sie hatte immer Angst, dass er sie mitten in der Nacht brauchen könnte. Obwohl sie alle verfügbaren Babybücher gelesen hatte, fürchtete sie immer noch, dass irgendetwas Schlimmes passieren würde.

Mutter zu werden, war das Nervenaufreibendste, was sie je erlebt hatte, und sie konnte sich lebhaft vorstellen, dass ihre Ängste in Zukunft nicht geringer werden, sondern vielmehr mit Aidan mitwachsen würden.

Das Klingeln des Telefons im Wohnzimmer ließ sie zusammenfahren. Schnell ging sie aus dem Kinderzimmer, dessen Tür sie einen Spalt offen ließ, und griff zum Hörer.

„Hallo?“

Am anderen Ende war Schweigen.

Trista runzelte die Stirn. „Hallo? Ist da jemand?“

Sie spitzte die Ohren und hätte schwören können, dass sie ein gedämpftes Schluchzen vernahm, als versuche die Person am anderen Ende, ihre Tränen zurückzuhalten. Dann war die Leitung tot.

Trista lief es eiskalt den Rücken hinunter. Soweit sie wusste, hatten nur Kelly, Ross und ihr Büro ihre Telefonnummer. War ihrem Bruder oder seiner Frau etwas zugestoßen? Hastig legte sie auf und wählte dann deren Nummer.

„Hey“, ertönte die tiefe Stimme ihres Bruders.

Trista verzichtete auf die üblichen Begrüßungsfloskeln. „Ist alles in Ordnung?“ Erst jetzt fiel ihr das blinkende Licht des Anrufbeantworters auf. Sie hatte wieder mal vergessen, ihn abzuhören, als sie von der Arbeit nach Hause kam.

„Ja. Warum?“

„Ist Kelly da? Geht es ihr gut?“

„Ja. Was ist los, Trista?“

„Nichts.“ Sie rollte ihre angespannten Schultern und nahm den Hörer in die andere Hand. „Ich hatte nur gerade einen seltsamen Anruf. Als ich ranging, hat niemand geantwortet, aber ich bin sicher, dass ich Weinen gehört habe.“

„Hm. Könnte es Mom gewesen sein?“

Trista schnaubte abfällig. „Nein. Sie kann sich nicht mal mehr an meinen Namen erinnern. Woher hätte sie wissen sollen, wo man mich erreicht?“

„Keine Ahnung. Aber Alzheimer ist eine merkwürdige Krankheit.“

Und eine erbliche. In Tristas Magen bildete sich ein Knoten. „Ja, stimmt. Nun, wie dem auch sei, ich glaube nicht, dass es Mom war.“

„Vermutlich hatte sich jemand verwählt. Ich würde mir an deiner Stelle nicht zu viele Gedanken machen. Wer immer es war, wird sich schon wieder melden, wenn es wichtig war.“ Ross schwieg kurz. „Kelly sagt, du kommst am Samstag, um für uns zu kochen?“

„Ja. Sie hat Lasagne bestellt. Machst du einen deiner Turbo-Salate dazu?“

„Klar. Hey, ich überlege, Mom am Sonntag nach der Kirche zu besuchen. Willst du mitkommen?“

Trista schloss die Augen, während in ihrem Herzen Schuldgefühle und Groll tobten. Ross besuchte ihre Mutter regelmäßig in ihrem Pflegeheim bei Richmond. Er war so gut darin. Für Trista hingegen waren diese Besuche eine Qual. Michelle Van Zandt erkannte ihre einzige Tochter kaum noch.

Beim letzten Mal war sie sehr aufgebracht gewesen, weil sie dachte, Trista sei gekommen, um ihr ihren Ehemann abspenstig zu machen.

Henry Van Zandt war bereits vor Jahren an Leberversagen gestorben. Dass ihre Mutter in ihrem jetzigen Zustand immer noch befürchtete, er würde sie betrügen, bestärkte Trista nur in ihrem Widerwillen, noch einmal den Weg der Ehe zu beschreiten.

Nach ihrer katastrophalen Erfahrung mit Kevin und angesichts des Verfalls ihrer Mutter war sie wild entschlossen, sich voll auf ihren Sohn zu konzentrieren und sicherzustellen, dass er später nicht die Fehler wiederholte, die seine Familie gemacht hatte. Trista hatte sogar für sich und Aidan ein Buch gekauft, das Ratschläge gab, wie man Alzheimer vorbeugen konnte.

„Trista?“

„Äh, ich weiß nicht. Mal sehen.“ Mehr Zugeständnisse konnte sie sich jetzt nicht abringen.

Ross seufzte. „Lass uns Samstag weiter darüber sprechen.“

Na toll. Jetzt musste sie sich seinen Vortrag darüber anhören, dass sie ihren Eltern die Vergangenheit verzeihen sollte und dass ihre Mutter sie jetzt brauchte. Trista war es gewohnt, die Vorträge ihres Bruders auszublenden. „Dann bis Samstag.“

Sie legte auf und drückte die Abspieltaste des Anrufbeantworters.

„Hi, Baby. Ich muss mit dir reden. Ruf mich an, okay?“

Als die Stimme ihres Ex-Mannes den Raum füllte, biss Trista die Zähne zusammen. Mit einer heftigen Bewegung löschte sie die Nachricht.

Was wollte er denn jetzt noch? Bei der Scheidung hatte er aufs Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn verzichtet, im Austausch gegen die Eigentumswohnung und den Rest ihres Vermögens. Sie besaß nichts mehr, was er ihr wegnehmen könnte.

Sie versuchte sich von ihrer Unruhe und Nervosität abzulenken, indem sie die frisch renovierte Küche putzte und Aidans in der gesamten Wohnung verstreutes Spielzeug zusammenräumte. Anschließend klickte sie sich durch sämtliche Programme des 20-Zoll-Flachbildfernsehers, den Ross ihr zum Einzug geschenkt hatte. Als das auch nichts half, holte sie ihren Laptop aus der Aktentasche und legte ihn auf den Kiefernholz-Couchtisch. Wenn es ihr schon nicht gelang, sich zu entspannen, konnte sie genauso gut arbeiten.

Doch als sie den Rechner hochgefahren hatte, stellte sie fest, dass sie keine Lust hatte zu arbeiten. Stattdessen durchstöberte sie das Netz nach lustigen lokalen Angeboten, die sie mit Aidan wahrnehmen könnte.

Ein Bauernhof in der Nähe hatte ein Kürbisfeld und veranstaltete Kutschfahrten. Das wäre gut.

Oh. Vorlesestunde im neuen Buchladen in der Innenstadt. Aidan hörte gerne zu, wenn man ihm Geschichten vorlas.

Sie trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. Dabei stellte sie fest, dass sie dringend eine Maniküre brauchte.

Vielleicht hatte Kelly ja recht. Trista hatte in letzter Zeit zu viel gearbeitet und nicht genug auf sich geachtet. Sie wünschte, sie hätte hier eine Freundin oder einen guten Freund, aber das war noch etwas, das ihre Ehe mit Kevin ruiniert hatte.

Er hatte sie rund um die Uhr für sich beansprucht und wurde jedes Mal, wenn sie lieber Zeit mit Freunden verbringen wollte, so wütend, dass sie ihre sozialen Kontakte schließlich mehr oder weniger aufgegeben hatte. Inzwischen wüsste sie nicht mal, wie sie jemanden aus ihrer alten College-Truppe erreichen konnte.

Sie müsste sich mit Leuten zusammenschließen, die im selben Boot saßen wie sie.

Single und einsam.

Trista runzelte die Stirn. Sie war nicht einsam. Sie hatte Aidan. Sie brauchte nur jemanden, mit dem sie mal reden konnte.

Wie hieß doch gleich diese Onlinegruppe, von der Kelly gesprochen hatte?

The Kingdom Room.

Als sie die Website aufrief, klopfte ihr Herz erwartungsvoll. Einen Moment zögerte sie, dann nahm sie all ihren Mut zusammen und registrierte sich. Nachdem sie alle Felder ausgefüllt und einen Benutzernamen gewählt hatte, war sie dabei.

Eine Stunde lang beschäftigte sie sich damit, die Beiträge der letzten Tage zu lesen. Männer und Frauen unterhielten sich über verschiedene Aspekte des Single-Daseins. Einige erwähnten ihre Kinder. Da war nichts allzu Persönliches oder Unangenehmes.

Okay, das war machbar. Sie war nicht auf der Suche nach einer romantischen Begegnung, nur nach verständnisvollen Freunden.

Sie holte noch einmal tief Luft und klinkte sich dann in den aktuellen Thread ein, in der Hoffnung, dort auf jemanden zu treffen, mit dem sie sich austauschen konnte.

Doch eine leise, spöttische Stimme in ihrem Kopf warnte sie, dass nur noch mehr Schmerz auf sie wartete.

2. KAPITEL

Dienstagmorgen platzte Scotts E-Mail-Postfach aus allen Nähten.

Perplex starrte er auf die Menge der Beiträge. Was war da los?

Normalerweise nahm er sich nach seiner Ankunft im Büro immer einen Moment Zeit, um die beruhigenden Blau- und Brauntöne der Einrichtung auf sich wirken zu lassen. Doch die überwältigende Anzahl der E-Mails erforderte seine ganze Aufmerksamkeit.

Er klickte in den Posteingang und begann, durch die Nachrichten zu scrollen. Sie waren alle an Called2serve adressiert. Als er einige gelesen hatte, begann es ihm zu dämmern. Irgendwer, der ziemlich sicher auf den Namen Naomi hörte, hatte ihn im Kingdom Room angemeldet und zum E-Mail-Verteiler hinzugefügt.

Für so etwas hatte er keine Zeit.

Als er vorhin gerade seine Mietwohnung in einem Privathaus östlich der Main Street verlassen wollte, hatte sein Vater angerufen. Es war ein seltsamer Anruf gewesen. Sein Vater hatte ihn gebeten, auf dem fünfzigsten Hochzeitstag seiner Eltern ein paar Worte zu sagen. Die Emotionen, die dabei in seiner Stimme mitschwangen, waren Scott unbehaglich gewesen.

Joseph Crosby war stets so standhaft wie eine hundertjährige Eiche gewesen und auch genauso unbeugsam.

Er praktizierte als Allgemeinmediziner in Richmond, konnte auf eine lange Karriere zurückblicken und genoss einen ausgezeichneten Ruf. Jeder kannte Doc Crosby. Seine Frau Candice war als fähige Chirurgin ebenfalls ein Star auf ihrem Gebiet. Scott und seinen Geschwistern mangelte es nie an ärztlicher Versorgung.

Scotts Schwester Elise war dem Beispiel ihrer Eltern gefolgt und arbeitete nun als Kinderärztin. Ihr Ehemann war Bauunternehmer und hattesein eigenes Haus sowie die Häuser von Scotts beiden Brüdern gebaut.

John und Kyle Crosby hatten einen Bogen um die Medizin gemacht und waren Anwälte geworden. Ein ehrenwerter Beruf, fand ihr Vater.

Und dann war da Scott. Der Ruhige. Der Unterdurchschnittliche. Der Hilfspastor.

Eine weitere E-Mail poppte auf.

Scott schüttelte den Kopf, um seine Gedanken zu klären. Er hatte wirklich keine Zeit für eine Online-Single-Community. Er musste sich auf die Organisation des anstehenden Thanksgiving-Dinners für Obdachlose konzentrieren.

Doch am Ende siegte die Neugier. Scott konnte nicht anders, als die E-Mails zumindest rasch zu überfliegen, bevor er sie löschte. Es gab ein paar interessante Threads zum Thema Feiertage und der Schwierigkeit, zu dieser Zeit ohne Partner zu sein, wenn so viele Menschen bei Zusammenkünften offenbar Paare erwarteten.

Ein Beitrag weckte seine besondere Aufmerksamkeit.

Hey, ich bin neu hier und hoffe, Kontakt zu Leuten zu finden, die meine Situation nachvollziehen können. Ich bin seit kurzer Zeit geschieden, aber meine Ehe war schon lange vor dem offiziellen Schlussstrich am Ende, ich wusste es nur nicht. Nun mache ich einen Neuanfang in einer neuen Stadt, habe aber zwischen meiner Arbeit und meinem Baby nicht die Zeit, Freundschaften zu schließen. Ich war seit meinem zweiten College-Jahr verheiratet. Es ist seltsam, allein zu sein, vor allem jetzt, vor den Feiertagen. Ich habe Angehörige, aber die führen ihr eigenes Leben und ich möchte keine Belastung für sie sein. Irgendwelche Vorschläge? Ist die Leere, die ich fühle, nur darauf zurückzuführen, dass ich keinen Partner habe? Ist es normal, so zu empfinden? Wird es vorbeigehen?

Momof1

Scott lehnte sich zurück. Die Antworten auf diese Fragen fanden sich nicht im Netz oder sonst wo auf dieser Erde. Naomi mochte ihn mit einem bestimmten Ziel in den Kingdom Room gebracht haben, aber Gott hatte offensichtlich auch Gründe, ihn dort haben zu wollen.

Scott glaubte nicht an Zufälle. Diese Momof1 brauchte jemanden, der sie zur Wahrheit führte. Zu der Erfüllung, nach der sie sich sehnte.

Nur schien es ihm so … kalt und distanziert, das übers Internet zu bewirken. So ganz anders als Gott.

Doch im elektronischen Zeitalter … kam Er den Menschen eben dort entgegen, wo sie waren.

Scott schloss kurz die Augen. Herr, gib mir die richtigen Worte, um zu sagen, was Du mich sagen lassen willst.

Einen Moment später begann er zu tippen.

Erst am späten Mittwochabend dachte Trista daran, ihre E-Mails zu checken. Die vergangenen zwei Tage waren hektisch gewesen, ein neuer, komplexer Fall erforderte ihre ganze Aufmerksamkeit.

Nachdem sie Aidan ins Bett gebracht hatte, legte sie die Füße auf den Couchtisch, kuschelte sich auf dem Secondhand-sofa in eine bequeme Position und fuhr ihren Laptop hoch.

Wow! Diese Kingdom-Room-Leute hatten offenbar jede Menge freie Zeit. Trista konnte gar nicht glauben, wie viele E-Mails sie bekommen hatte.

Sie begann mit der ersten Antwort auf ihren Beitrag und arbeitete sich dann langsam durch die Fülle der Worte. Einige Posts brachten sie zum Lachen, bei anderen wusste sie nicht so recht, was sie davon halten sollte.

Ein Mann schickte ihr ein Foto von sich und bat um ein Date. Diese Mail löschte sie schnell. Sie verstand nicht, wie man mit jemandem ausgehen wollen konnte, über den man rein gar nichts wusste. Für den Typen konnte sie genauso gut eine Serienmörderin sein.

Etliche Frauen schrieben ihr, sie sei verrückt, weil sie sich nicht über ihr Single-Dasein freute. Unwillkürlich fragte Trista sich, wie deren Ehen wohl aussehen mochten. Sie und Kevin waren nicht besonders glücklich zusammen gewesen, jedenfalls nicht in den letzten paar Jahren, aber trotzdem fehlte es ihr, jemanden zum Reden zu haben. Jemanden, mit dem man abends die Höhen und Tiefen des Tages teilen konnte.

Einige meinten, sie würden für sie beten. Trista rollte mit den Augen. Wenn es doch bloß so einfach wäre, die Probleme des Lebens zu lösen.

„Was hast du erwartet?“, sagte sie laut. Immerhin handelte es sich um eine christliche Website. Die Mitglieder der Community glaubten wirklich an die Kraft der Gebete. Und es konnte gewiss nicht schaden, wenn sie für sie beteten.

Sie schrieb einigen Frauen zurück, mit denen sie eine gewisse Verbindung spürte, und gab einen knappen Einblick in ihr Leben, wobei sie darauf achtete, nichts allzu Privates preiszugeben.

Schließlich wusste man ja nie, mit wem man es im Netz zu tun bekam. Hatte sie nicht gerade erst eine Sendung über Onlinebetrüger gesehen?

Dann weckte eine E-Mail ihr Interesse.

Momof1

Haben deine Verwandten gesagt, dass sie dich als Belastung empfinden? Wenn nicht, solltest du ihnen das auch nicht unterstellen. Eine Möglichkeit, Kontakte zu schließen, wäre, dich einer Frauengruppe in deiner Gegend anzuschließen. Und was deine Frage über die innere Leere betrifft … Menschen sind nicht nur physische und emotionale Wesen mit dem Bedürfnis nach Nahrung und Gesellschaft. Sie sind auch spirituelle Wesen mit dem Bedürfnis nach Gott. Wie ist dein Verhältnis zu Ihm?

Called2serve

Trista starrte auf den Monitor. Called2serves Frage war keineswegs unangemessen. Vermutlich glaubte jeder, der auf dieser Plattform unterwegs war, an Gott. Und es war ja auch nicht so, dass Trista nicht an Ihn glaubte. Nur … wo war Gott gewesen, als sie heranwuchs und Ihn dringend gebraucht hätte?

Das war eine Frage, die sie sich nicht zu stellen traute, weil sie vielleicht zu dem Schluss käme, dass sie recht hatte mit ihrer Einschätzung – sie war Gottes Zeit nicht wert.

Scott dachte schon, er hätte Momof1 in die Flucht geschlagen, als ein Tag ohne Antwort verging. Doch Donnerstagabend hatte er eine Nachricht von ihr in seinem Posteingang.

Called2serve

Du fragst, wie mein Verhältnis zu Gott ist. Das versuche ich gerade inmitten des Aufruhrs meiner Scheidung herauszufinden.

Momof1

Mitgefühl stieg in Scott auf. Er konnte sich den Schmerz einer Scheidung nicht vorstellen. Den Tod einer Ehe. Die zerstörten Träume.

Seine einzige Erfahrung in Herzensangelegenheiten war Sylvia gewesen. Sie hatten sich während ihrer Highschool-Zeit im Kirchenchor kennengelernt und teilten ihre Liebe zur Musik und zu Gott. Zumindest hatte er das gedacht, bis sie ihn und das Leben, das er ihr bot, zurückgelassen hatte.

Ihre Abweisung hatte wehgetan, war aber schnell verblasst, als er das Priesterseminar absolvierte. Seither hatte Scott keine Frau getroffen, der er Zutritt zu seinem Herzen gewähren wollte.

Er antwortete Momof1 so tröstlich er vermochte, auch wenn er sich dabei sehr unzulänglich vorkam.

Donnerstagabend.

Momof1

Ich kenne die näheren Umstände deiner Situation nicht, aber ich weiß, dass Gott dich liebt. Sein Trost und Sein Frieden sind Geschenke, die Er dir machen möchte.

Called2serve

Freitagmorgen.

Called2serve

Wie bekomme ich diese Geschenke?

Momof1

Freitagabend.

Momof1

Das ist überhaupt nicht kompliziert, auch wenn wir das oft denken. Du musst Ihm einfach nur dein Herz und deinen Geist öffnen. Bitte Ihn stumm oder laut, dir Seine Liebe zu zeigen und in dein Leben zu kommen. Dann wartest du einfach ab. Er wird sich offenbaren. Manchmal auf kleine, unauffällige Weise, manchmal auf große, dramatische Art. Aber du wirst es wissen. Und du wirst den Frieden und Trost wie eine sanfte, schützende Decke spüren.

Called2serve

Trista war nicht sicher, ob sie die Korrespondenz mit Called2serve fortsetzen sollte. Sie geriet in Gewässer, die zu navigieren sie nicht bereit war. Gott in ihr Leben einlassen?

Sie hatte viel zu viel Angst, Er könnte nein sagen.

Alles, was sie sich abringen konnte, war ein schnelles Ich werde drüber nachdenken.

Dafür bekam sie ein Smiley von Called2serve.

Aus irgendeinem Grund brachte das alberne gelbe Emoji sie zum Lachen.

Der Samstagmorgen brachte frischen Schneefall mit sich. Eine weiche weiße Decke legte sich über Chestnut Grove, und die frische, klare Luft kündigte einen kalten Winter an.

Scott stampfte mit seinen schneebedeckten Stiefeln auf den trockenen Bürgersteig unter der Markise der neuesten Innenstadt-Buchhandlung mit Café.

Hinter den Doppeltüren des „Reading Rainbow Palace“ war es so warm, dass er rasch den Daunenparka auszog und an einen Garderobenhaken an der Wand hängte.

Der Laden war voller Mütter und Kinder, die um Plätze in der Nähe eines zentral aufgebauten Podests wetteiferten, auf dem eine Frau in einem grünen Vintage-Kleid saß. Sie hielt ein Buch und eine Puppe in den Händen.

Scott ging zum Tresen, bestellte einen Cappuccino mit extra Sahne und setzte sich damit an einen der seitlich stehenden Tische. Er zog einen Roman aus seinem Rucksack und war bald so vertieft in seine Lektüre, dass er das Stimmengewirr um sich herum nicht mehr wahrnahm.

Ein unvermittelter Stoß gegen seinen Tisch riss ihn aus dem Lesefluss. Er blickte hoch und sah eine schöne Brünette mit unglaublich blauen Augen. Sie lächelte entschuldigend, während sie ihren Jogging-Buggy in eine freie Ecke manövrierte und ein strampelndes Baby aus dem Sitz hob. Es hatte die gleichen dunklen Haare und leuchtend blauen Augen wie seine Mutter.

Die Frau blieb unschlüssig stehen und schaute suchend um sich. Scott konnte ihr nicht verübeln, dass sie zögerte, bevor sie sich in das Meer aus großen und kleinen Leuten stürzte, die jeden freien Platz besetzt hielten. Der einzige verfügbare Stuhl stand Scott gegenüber. Er hob winkend die Hand, um die Aufmerksamkeit der Frau auf sich zu ziehen.

Offensichtlich unsicher, ob sie sie ihm gewähren sollte, schaute sie zu ihm hin. Er deutete auf den Stuhl. Sie überlegte kurz, bevor sie sich schließlich hinsetzte.

„Danke“, flüsterte sie.

„Keine Ursache“, flüsterte er zurück.

Sie richtete ihren Blick auf die Vorleserin, und Scott wandte sich wieder seinem Buch zu, konnte sich aber nicht mehr auf die Worte konzentrieren. Immer wieder schaute er verstohlen zu seinem Gegenüber hin. In der Kirche hatte er die Frau bislang nicht gesehen.

Ihm gefiel, wie sie ihr Haar im Nacken zu einem glatten Pferdeschwanz gebunden hatte. Die definierten Wangenknochen und die hohe Stirn verliehen ihrem Gesicht scharfe Linien, die jedoch durch die kesse Nase und ihre von dunklen Wimpern umrahmten Augen gemildert wurden. Sie trug einen roten Rollkragenpullover, ihre eng anliegende schwarze Hose steckte in dicken Schneestiefeln.

Sie strahlte eine gewisse Kultiviertheit aus, wirkte aber nicht wie eine der vielen Debütantinnen, mit denen seine Mutter ihn immer hatte verkuppeln wollen.

Als sie in seine Richtung blickte, nahm er rasch einen Schluck aus seiner Tasse, um seine schlechten Manieren zu kaschieren. Normalerweise starrte er keine Leute an. Oder die linke Hand einer Frau. An ihrer steckte überraschenderweise kein Ring.

Doch aus irgendeinem Grund zog diese Frau ihn in ihren Bann.

Vermutlich lag es daran, wie souverän sie mit ihrem Kind umging. Und die Liebe, die in ihrer Miene aufleuchtete, wann immer sie ihm etwas ins Ohr flüsterte, war nicht zu übersehen.

Bevor die letzte Geschichte endete, schlief das Baby ein. Sein kleiner Körper schmiegte sich in ihren Arm, sein Köpfchen neigte sich zur Seite. Scott tippte leise auf die Tischplatte. Die Frau sah ihn fragend an.

Er deutete mit dem Kopf auf das Kind. „Es schläft“, flüsterte er.

Nachdem die Frau sich vergewissert hatte, dass seine Beobachtung richtig war, schüttelte sie bedauernd den Kopf. „Das war’s dann wohl mit der Vorlesestunde.“ Sie machte Anstalten, sich zu erheben.

„Darf ich Sie zu einem Kaffee einladen?“, fragte Scott rasch.

Langsam ließ sie sich wieder auf ihren Platz sinken. Einen Moment lang musterte sie ihn schweigend, dann nickte sie. „Almond Latte, koffeinfrei.“

Scott stand auf und ging zum Tresen. Naomi wäre begeistert zu hören, dass er dieser Frau angeboten hatte, ihr einen Drink zu spendieren, bevor er auch nur ihren Namen kannte. Doch als sie gehen wollte, hatte er sich auf die erste Idee gestürzt, die ihm in den Sinn kam.

Als er ein paar Minuten später mit ihrem Getränk zum Tisch zurückkam, stand der Buggy direkt neben ihrem Platz, und das Baby lag tief schlummernd in seinem Sitz.

Er stellte den Kaffee vor ihr ab. Lächelnd legte sie ihre schlanken Hände um die Tasse. „Vielen Dank. Das ist sehr nett von Ihnen.“

„Gern geschehen.“ Er streckt ihr seine Rechte hin. „Scott Crosby.“

Sie ergriff seine Hand. Die Wärme ihrer vom Kaffeebecher aufgeheizten Finger strömte seinen Arm empor.

„Trista Van Zandt“, stellte sie sich vor.

„Sind Sie vielleicht mit Ross und Kelly verwandt?“

Ihre ausdrucksvollen Augen weiteten sich. „Ross ist mein großer Bruder. Kennen Sie die beiden?“

„Ja, sehr gut sogar. Sind Sie auf Besuch hier?“

Sie fuhr den Rand ihrer Tasse mit der Fingerspitze nach. „Nein, ich bin kürzlich hergezogen, aus Richmond.“

Er wollte keine voreiligen Schlüsse ziehen – immerhin behielten manche Frauen nach der Heirat ihren Geburtsnamen. „Gefällt es Ihnen und Ihrem Mann in unserer kleinen Gemeinde?“

Tristas Miene verschloss sich. „Ich bin geschieden.“

„Oh, das tut mir leid.“

Sie lächelte gezwungen. „Ihnen muss das nicht leidtun.“

Das nahm er mit einem Nicken zur Kenntnis. „Lebt Ihr Ex-Mann noch in Richmond?“

„Ja, zum Glück. Er war noch nicht bereit, ein Vater zu sein. Es passte nicht zu seinem Lebensstil.“

Zorn stieg in ihm auf. „Das ist einfach nur …“ Er war versucht, ausfallend zu werden, beherrschte sich aber mühsam. „Ich werde nie verstehen, wie manche Menschen so egoistisch sein können. Elternschaft ist die größte Ehre, die Gott uns gewährt.“

Sie blinzelte, offenbar verblüfft über seine Vehemenz. „Das stimmt wohl. Auf jeden Fall ist es der schwierigste Job, den ich je hatte.“

„Wie gut, dass Sie Ihren Bruder und Kelly in der Nähe haben. Kommen Sie denn mit dem Leben hier zurecht?“

Ihr Lächeln war herzlich. „Ja, danke. Dass hier alles etwas langsamer geht, ist perfekt für Aidan und mich. Ich mag meine Arbeit, und Aidan scheint es in der Kita zu gefallen.“

„Wo arbeiten Sie denn?“

„Benson und Benson.“

„Ach, dann sind Sie also Anwältin?“ Eigentlich sollte ihn das nicht weiter überraschen. Sie hatte eine ähnlich selbstbewusste Ausstrahlung wie seine Brüder. Nur, dass sie bei denen gelegentlich als Arroganz rüberkam.

„Ja. Und Sie? Was machen Sie, Scott?“ Sie schien ehrlich an seiner Antwort interessiert.

„Ich bin Assistenzpastor hier in der Kirche von Chestnut Grove.“

Wieder blinzelte sie. „Oh.“

Er konnte spüren, dass sie sich zurückzog – wie Sonnenstrahlen hinter eine Wolke. Ein beunruhigendes Gefühl der Enttäuschung breitete sich in ihm aus, auch wenn er nicht verstand, warum das so war.

Es sollte ihm nichts ausmachen, dass diese Frau eine Mauer zwischen ihnen errichtete, weil er sich berufen fühlte, Gott zu folgen. Schließlich hatten es so viele andere Menschen in seinem Leben nicht anders gehalten.

Er seufzte. „Ich nehme an, Sie gehen nicht in die Kirche?“

Sie hob die Brauen. „Wie kommen Sie darauf?“

Scott zuckte mit den Schultern. „Sie verbreiten so eine Schwingung.“

Der Anflug eines Lächelns zuckte um ihre Lippen. „Tatsächlich? Ich wusste gar nicht, dass Pastoren an Schwingungen glauben.“

„Menschen einzuschätzen, gehört zum Job.“

„Dann müssen Sie gut in Ihrem Job sein, denn Sie haben recht. Ich gehe nicht zur Kirche. Meine Eltern hatten nichts mit Religion am Hut, und ich habe mich nie dafür interessiert, anders als Ross.“

„Nachdem Sie nun hier wohnen, sollten Sie vielleicht in Erwägung ziehen, doch mal an einem Gottesdienst teilzunehmen. Womöglich wären Sie überrascht.“

„Kann sein.“ Sie zupfte an einer Serviette. „Ich habe in der Zeitung gelesen, dass die Douglas-Matthew-Show über die bevorstehende Lebensmittel-Sammelaktion der Kirche berichtet. Es muss toll sein, so viel mediale Aufmerksamkeit zu bekommen.“

„Das stimmt.“ Scott war klar, dass sie absichtlich das Thema gewechselt hatte. „Die Show hat Chestnut Grove viel Öffentlichkeit gebracht. Ich glaube, die Lebensmittel-Sammelaktion in diesem Jahr wird größer denn je. Und das Thanksgiving-Dinner für Obdachlose dürfte ebenfalls ein Erfolg werden.“ Er musterte sie forschend. „Wir könnten noch ein paar freiwillige Helfer gebrauchen, falls Sie Interesse haben.“

Sie schien darüber nachzudenken. „Das kann ich jetzt nicht entscheiden. Aber ich würde eventuell darauf zurückkommen.“

„Rufen Sie in der Kirche an und fragen Sie nach Naomi. Sie teilt die Helfer ein.“

„Ich lasse es mir durch den Kopf gehen.“ Sie trank einen Schluck Kaffee.

Ein unbehaglicher Moment der Stille entstand.

„Sind Sie hier aufgewachsen?“, fragte sie dann.

Er schüttelte den Kopf. „Ich bin hier geboren, aber als ich ein Teenager war, sind wir nach Richmond gezogen. Nach dem Priesterseminar bin ich zurückgekommen. Und Sie? Wo sind Sie geboren?“

„Brooklyn, New York. Noch meinem Abschluss an der Columbia-Universität bin ich nach Richmond gegangen. Die Familie meines Ex-Mannes stammt von dort.“

Scott schaute auf das schlafende Baby. „Wie alt ist … Aidan?“

Ihre Augen leuchteten vor Liebe. „Ja, Aidan. Er ist sieben Monate alt.“

„Das ist ein lustiges Alter. Sie sind noch nicht sehr mobil, aber ihre Persönlichkeiten beginnen sich zu entwickeln.“

„Sie scheinen sich ja mit Kindern auszukennen. Sind Sie verheiratet?“

Er lachte. „Nein. Aber ich habe viele Nichten und Neffen.“

„Aha. Kenntnis aus zweiter Hand. Mein Bruder hat auch schon viel durch Aidan gelernt. Ich kann es gar nicht erwarten, Ross mit seinem eigenen Baby zu erleben.“

„Die beiden werden gute Eltern sein. Das merkt man schon daran, wie wundervoll sie trotz der Skandale der vergangenen Jahre mit ihrer Adoptionsagentur umgehen.“

Trista lächelte stolz. „Das kann man wohl sagen. Ich habe versucht, Ihnen ein bisschen mit dem juristischen Kram zu helfen, aber Adoption ist ein sehr kompliziertes und zeitaufwendiges Unterfangen. Ganz zu schweigen von den Emotionen, die dabei ins Spiel kommen.“

„Das glaube ich sofort. Tiny Blessings war schon für viele Menschen ein wahrer Segen.“

Trista gefiel, wie er das ausdrückte. Tatsächlich mochte sie Scott. Abgesehen davon, dass er mit seinen blonden Haaren und grünen Augen sehr attraktiv war, hatte er etwas ausgesprochen Sanftes und Beruhigendes an sich. Ganz anders als ihr Bruder. Oder Kevin.

Vermutlich lag der Unterschied darin, dass er Pastor war.

Genau aus diesem Grund war er für sie auch tabu.

Oder wäre es, wenn sie gerade eine Beziehung anstreben würde, was sie nicht tat. Denn sie konnte sich keine zwei Menschen vorstellen, deren Sichtweisen aufs Leben weiter auseinanderlagen.

Neben ihr regte sich Aidan. Sie nahm ihn auf den Arm und schmuste mit ihm, während er langsam aufwachte.

„Sie gehen großartig mit ihm um“, bemerkte Scott.

Ihr wurde ganz warm ums Herz. „Ich könnte mir ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen.“

Sie kramte in der Tasche des Buggys und holte ein Fläschchen mit Milchpulver heraus. „Würden Sie ihn wohl einen Moment halten, während ich warmes Wasser besorge?“

Scotts Miene erhellte sich. „Liebend gern, wenn Sie glauben, dass er mit einem Fremden klarkommt.“

„Wir werden es herausfinden“, scherzte sie und reichte ihm ihren Sohn.

Scott beschäftigte sich mit dem Baby, als hätte er es schon oft getan. Er ließ Aidan auf seinen Knien wippen und zog Grimassen, bis der Kleine kicherte.

Trista ging zum Tresen, um das Fläschchen zu füllen, schaute aber immer wieder zu Scott und Aidan. Sie vertraute Scott mit ihrem Sohn, was sehr ungewöhnlich war. Dass sie sich bei ihm so sicher fühlte, lag wahrscheinlich ebenfalls daran, dass er Pastor war.

Als sie die beiden beobachtete, Scott so lebhaft und Aidan strahlend vor Neugier, verspürte sie einen Stich der Traurigkeit und Wut. Sie war wütend auf Kevin, weil der beschlossen hatte, all das zu zerstören, was sie zusammen hätten haben können.

Er hatte geschworen, nichts mit ihrem gemeinsamen Kind zu tun haben zu wollen, falls sie sich dafür entscheiden sollte, es zu behalten. Und bisher hatte er seinen Schwur gehalten.

Doch die verstörende Nachricht, die er ihr Anfang der Woche auf den Anrufbeantworter gesprochen hatte, ließ ihr keine Ruhe. Zum Glück hatte er sich nicht noch einmal gemeldet, und sie hatte nicht vor, ihn anzurufen. Mit diesem Kapitel ihres Lebens hatte sie endgültig abgeschlossen. Sie und Aidan würden schon zurechtkommen.

Nachdem sie die Pulvermilch in lauwarmem Wasser aufgelöst hatte, kehrte sie mit dem fertigen Fläschchen zum Tisch zurück.

Scott griff danach. „Darf ich?“

„Äh, klar.“ Sie schaute zu, wie Aidan gierig am Trinksauger nuckelte. Tropfen der Flüssigkeit liefen ihm aus den Mundwinkeln. Sie reichte Scott ein Spucktuch. Er tupfte Aidans Mund ab und legte das Tuch dann unter die Flasche, um die Tropfen aufzufangen.

„Ihre Schwester ist bestimmt sehr erpicht darauf, Sie als Babysitter zu haben“, bemerkte Trista.

Scott lachte. „Ich werde oft als Babysitter angefragt. Nicht nur von meinen Geschwistern, sondern auch in der Kirche.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich liebe Kinder.“

„Das sieht man.“ Ihr Herz schmerzte vor Sehnsucht, jemanden wie Scott im Leben ihres Sohns zu haben. Vielleicht wäre das ja möglich? Als ihr und Aidans Freund? Das würde allerdings wohl bedeuten, dass sie in die Kirche gehen müsste. Außerdem müsste sie, was noch entscheidender war, Scott auch in ihr Leben lassen. Sie war nicht sicher, ob sie diese beiden Voraussetzungen erfüllen konnte.

3. KAPITEL

Eine Frau und ein kleiner Junge, die sich von einem der Nebentische erhoben, zogen Tristas Aufmerksamkeit auf sich. Wenn sie sich nicht täuschte, war das Lynda Matthews, die Frau des Talk-Show-Stars Douglas Matthews, mit ihrem Sohn Logan. Als sie sich in ihre Richtung wandte, schnappte Trista leise nach Luft.

Die Frau hatte ein blaues Auge, das von der Mitte des Wangenknochens bis über die Augenbraue reichte.

Trista sprang auf und ging zu ihr. „Lynda? Was ist passiert?“

Lyndas blassblaue Augen weiteten sich vor Schreck. Sie zupfte hektisch an ihrem hellbraunen Bob, als wolle sie das Veilchen mit ein paar Haarsträhnen verdecken. Ihr vierjähriger Sohn klammerte sich an ihre andere Hand.

„I… ich, äh …“ Sie versuchte zu lächeln, aber es sah eher nach einer Grimasse aus. „Logan hat einen ziemlich ausgeprägten Wurfarm.“

Das kaufte Trista ihr nich...

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