Mit Dir in ein neues Leben

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Welten trennen die erfolgreiche PR-Beraterin Vivian und den einsam lebenden Matt. Als sie jedoch in einer Gewitternacht auf seine Farm kommt, erwachen so starke Gefühle füreinander, dass Vivian bereit ist...


  • Erscheinungstag 17.06.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733776589
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Matt Whitewolf löste die Muttern am Hinterrad seines Pick-ups, als ein von Donnergrollen begleiteter Windstoß ihm das schwarze Haar aus dem Gesicht blies. Er konzentrierte sich auf die Arbeit und beeilte sich mit dem Reifenwechsel, um noch vor dem Unwetter zu Hause zu sein.

Als er fast fertig war, verspürte er plötzlich ein unbehagliches Kribbeln im Nacken. Er hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Unsinn, dachte er kopfschüttelnd. Seit er angehalten hatte, war weit und breit kein anderes Auto zu sehen gewesen.

Doch das merkwürdige Gefühl wollte nicht weichen. Vorsichtshalber blickte er sich nun doch um. Ihm blieb für einen Moment fast das Herz stehen.

„Großer Gott!“, sagte er leise.

Auf der Straße stand ein kleines Mädchen und starrte ihn an. Es hatte einen struppigen Teddy in der einen und eine blaue Decke in der anderen Hand.

Wo kam dieses Kind so plötzlich her?

Er schaute an ihr vorbei die Straße hinunter, sah aber nichts außer der großen Pappel und einigen Zedern in ungefähr dreihundert Metern Entfernung. In der anderen Richtung konnte er ebenfalls nichts entdecken. Zur einen Seite der Straße erstreckten sich seine bereits gemähten Weizenfelder, zur anderen eine Weide. Häuser gab es in dieser Gegend nicht. Nur seine eigene Farm, einige Meilen entfernt. Wo also war dieses Mädchen hergekommen?

Als Matt klar wurde, dass es sich vermutlich vor ihm fürchtete, lächelte er freundlich. „Hallo.“

Das Mädchen starrte ihn weiterhin schweigend an. Er rieb sich die Augen und fragte sich, ob er Halluzinationen hatte. „Ich heiße Matt“, sagte er freundlich. Wie war es dem Kind gelungen, sich ihm bis auf wenige Meter zu nähern, ohne dass er es bemerkt hatte?

„Wie heißt du?“, fragte er. Wieder grollte der Donner. Das Mädchen zuckte zusammen. Matt schaute besorgt zum Himmel.

„Deine Mutter hat dir gesagt, dass du nicht mit Fremden sprechen sollst. Stimmt’s?“

Als sie nickte, drehte er in aller Ruhe die letzte Schraube fest. Irgendwie musste er ihr Vertrauen gewinnen, wenn er erfahren wollte woher sie kam. Er schaute sie nicht direkt an, behielt sie aber im Blick. Fast fürchtete er, sie könnte so plötzlich verschwinden, wie sie aufgetaucht war.

„Hast du eine kleine Tochter?“, beendete sie mit ängstlicher Stimme ihr hartnäckiges Schweigen.

Matt packte sein Werkzeug ein. „Nein“, sagte er, ohne sie anzusehen. „Verheiratet bin ich nicht. Ich besitze eine Farm, baue Weizen an und züchte Rinder. Das hier ist mein Land.“ Nun lächelte er sie an. „Wie bist du hierher gekommen?“

„Meine Mommy ist verletzt.“

Er horchte alarmiert auf. „Und wo ist deine Mommy?“, fragte er möglichst ruhig.

Sie drehte sich um und zeigte nach Westen. Wieder blickte er die Straße entlang, vorbei an der großen Pappel und den Zedern. Es war nichts zu sehen, was auf die Anwesenheit einer verletzten Frau hindeutete.

Matt wischte sich die Hände mit einem Lappen ab. „Wollen wir deine Mommy suchen? Vielleicht kann ich ihr helfen.“

Sie nickte. Als ein weiterer Donner krachte, kniff sie ganz fest die Augen zusammen und zog sich die Decke über das Gesicht. „Ich will zu meiner Mommy.“

Am liebsten hätte er sie in die Arme genommen, aber er wollte nicht riskieren, das neu gewonnene Vertrauen gleich wieder zu zerstören. „Du zeigst mir, wo deine Mommy ist, okay? Komm, wir beeilen uns. Es fängt gleich an zu regnen.“

Sie nickte, drehte sich um und trippelte die Straße entlang. Matt schritt neben ihr her. „Du kennst mich jetzt ja schon ein bisschen. Willst du mir nicht sagen, wie du heißt?“

Sie schüttelte den Kopf und presste die Lippen zusammen.

„Schon gut, Darling.“ Sie gingen schweigend weiter. Inzwischen fielen die ersten dicken Regentropfen. Er war froh, dass die Ernte eingebracht und verkauft war. Seit einer Woche gingen über Newton County heftige Schauer nieder, die den Boden aufgeweicht hatten.

Er blickte zu dem Mädchen hinunter. „Wie alt bist du, Darling?“

Sie hielt vier Finger hoch.

„Und wie heißt dein Teddy?“

Als sie erneut die Lippen zusammenpresste, gab Matt auch diesen Gesprächsversuch auf und verwarf zugleich die Idee, die Mutter des Kindes mit seinem Pick-up zu suchen. Niemals würde dieses verschüchterte Mädchen zu ihm in die Fahrerkabine steigen.

Ein weiterer markerschütternder Donner brachte die Kleine zum Weinen. Aus ängstlich geweiteten Augen kullerten ihr dicke Tränen über die Wangen. „Mommy, Mommy!“

„Wir sind bestimmt gleich bei deiner Mommy“, beruhigte er sie, obwohl er nicht die geringste Ahnung hatte, wo er die Frau suchen sollte. „Möchtest du, dass ich dich trage?“

Sie schüttelte den Kopf. Matt blickte zum dunklen Himmel. Das Unwetter kam näher. Wenn es erst einmal richtig zu regnen begann, würde er das verängstigte Kind auf den Arm nehmen müssen.

„Nicht weinen, meine Kleine. So ein Donner tut nichts. Er macht nur viel Krach.“ Blitze zuckten über den schwarzen Himmel und tauchten das Land in ein unwirkliches Licht. „Vielleicht sollten wir doch zurückgehen und das Auto holen“, fügte er nachdenklich hinzu.

Wieder schüttelte das Mädchen heftig den Kopf. „Mommy.“

Sie liefen weiter. Im Stillen betete Matt, dass sie die Mutter bald finden würden. Als sie sich der alten Pappel näherten, entdeckte er Reifenspuren, die zu der Zederngruppe unterhalb der Pappel führten. Dann sah er das Auto. Es war offensichtlich von der Straße abgekommen, noch eine Weile gerollt und schließlich gegen die Pappel geprallt.

„Ist das euer Auto?“

Statt einer Antwort begann die Kleine, am Daumen zu lutschen.

„Okay, ich sehe nach, wie es deiner Mommy geht.“ Er näherte sich dem dunkelgrünen Kombi. Die Motorhaube war zerbeult. Aus dem Kühler stieg Dampf auf. Dann entdeckte er die Frau. Sie lag mit dem Kopf auf dem Lenkrad. Matt begann zu laufen.

Es war eine junge Frau mit langen braunen Haaren und schlanken Armen. Matt öffnete die Tür und tastete nach der Halsschlagader. Ihr Puls war kräftig, wie er erleichtert feststellte. Sie reagierte mit einem leisen Stöhnen auf seine Berührung und versuchte, sich aufzurichten. Erst da bemerkte er, dass die Frau aus einer Wunde auf der Stirn blutete.

Er half ihr, sich zurückzulehnen, und sein Blick fiel auf ihren stark gerundeten Bauch. Die Frau war schwanger. Hochschwanger.

Benommen öffnete sie die blausten Augen, die er je gesehen hatte. Im selben Moment vergaß Matt alles um sich herum. Ihre Blicke begegneten sich, und eine elektrisierende Spannung hing zwischen ihnen.

„Mary Catherine …“, flüsterte sie.

„Alles in Ordnung“, beruhigte er sie in der Annahme, dass sie das Mädchen meinte. „Es geht ihr gut.“

Mit einem schnellen Blick überflog er das Innere des Wagens. Auf dem Rücksitz befand sich ein Kindersitz. Ansonsten war der gesamte Innenraum mit Spielzeug, Koffern und Kleidung beladen.

Der Regen nahm allmählich zu. Matt sah besorgt zum Himmel. „In ein paar Minuten haben wir hier einen Platzregen. Mein Pick-up steht ganz in der Nähe. Sie kommen erst einmal mit mir nach Hause, und wenn das Unwetter vorbei ist, kümmere ich mich um Ihren Wagen.“ Er zog ein Taschentuch aus der Tasche und tupfte das Blut von ihrer Stirn. „Was ist eigentlich passiert?“

„Ich bin gefahren und hatte eine Wehe … Oh!“ Sie stöhnte und hielt sich den Bauch. „Es ist zu früh“, flüsterte sie. Mit schmerzverzerrter Miene schloss sie die Augen.

„Wann soll Ihr Baby denn kommen?“

„Eigentlich erst in zwei Wochen. Aber es ist ja nicht mein erstes Kind. Ich weiß, dass die Wehen eingesetzt haben.“

„Großer Gott! Hier!“ Er gab ihr das Taschentuch. „Ich hole meinen Wagen und fahre Sie ins Krankenhaus nach Enid. Übrigens, mein Name ist Matt Whitewolf. Ich bin Farmer, und das hier ist mein Land.“

„Ich heiße Vivian Ashland.“

Matt drehte sich um. „Mary Catherine, du bleibst bei deiner Mommy.“ Er ließ sie an der Beifahrerseite einsteigen. „Ich bin gleich wieder da.“

Die Kleine krabbelte auf den Sitz und schmiegte sich an ihre Mutter, die sie in die Arme nahm. Er lief im Dauerlauf zu seinem Pick-up zurück. Der Regen war inzwischen dicht wie ein grauer Vorhang. Das vorausgesagte Unwetter war eingetroffen.

Vivian Ashland schaute dem großen, langhaarigen Cowboy nach, während er die Straße hinunterlief. Angst stieg in ihr auf. Schließlich kannte sie ihn nicht und hatte jegliches Vertrauen in Männer verloren. Unwillkürlich blickte sie in den Rückspiegel. Es war ihr zur Gewohnheit geworden, sich beim Autofahren ständig zu vergewissern, dass ihr niemand folgte.

Auf Nebenstraßen war sie an diesem Nachmittag Richtung Südwesten unbehelligt vorangekommen. Dann hatten plötzlich die Wehen eingesetzt. Schon bei der ersten Kontraktion hatte sie die Kontrolle über den Wagen verloren.

„Ich habe Angst, wenn es donnert.“ Mary Catherine drängte sich noch dichter an ihre Mutter.

„Das brauchst du nicht. Es ist nur ein Regenschauer.“ Vivian lächelte beruhigend.

Es war ihr nicht recht, auf einen Fremden angewiesen zu sein, obwohl dieser Cowboy freundlich und vertrauenswürdig wirkte. Als sie nach dem Unfall wieder zu sich gekommen war, hatte sie in seine schwarzen Augen geblickt und sich seltsam geborgen gefühlt.

Er hatte gesagt, er würde sie nach Enid fahren. Am Vormittag waren sie durch diese Stadt gekommen, doch Vivian konnte sich nur an den schattigen Platz im Zentrum und an das große Rathaus erinnern. Gut, dass es dort ein Krankenhaus gab. Aber wer würde sich um Mary Catherine kümmern, während sie, Vivian, ihr Baby zur Welt brachte?

Sie tupfte sich die Schläfe ab und schaute auf das blutdurchtränkte Taschentuch. In ihrem Kopf pochte es, aber die Verletzung schien angesichts der bevorstehenden Entbindung nebensächlich. Die Fenster waren jetzt so beschlagen, dass Vivian den Cowboy nicht mehr sehen konnte. Als sie gerade die Scheibe abwischen wollte, durchfuhr sie die nächste Wehe. Der alles durchdringende Schmerz löschte jeden anderen Gedanken aus.

Der Platzregen durchnässte Matt innerhalb von Sekunden. Er sprang in seinen Pick-up, startete den Motor und fuhr los. Wenig später hielt er neben Vivians demoliertem Auto. Beim Aussteigen warf er sich einen Regenmantel über.

Er riss die Wagentür auf. „Ich lade zuerst Ihr Gepäck um. Dann bringe ich Mary Catherine in meinen Wagen und komme zu Ihnen zurück.“

„Oh!“ Vivian biss sich auf die Lippen und legte die Hände auf ihren Bauch. Beiläufig nahm Matt wahr, dass sie keinen Ehering trug, aber seine Gedanken kreisten um die bevorstehende Geburt.

Matt kannte sich gut genug mit Kälbern, Fohlen und Welpen aus, um zu wissen, dass die Zeit knapp wurde. Bei gutem Wetter dauerte die Fahrt in die Stadt vierzig Minuten. In diesem Regen würde er länger brauchen. Viel länger. „In welchen Abständen kommen die Wehen?“

„Ich habe nicht auf die Uhr gesehen.“

„Dann fangen Sie jetzt damit an“, befahl er, während er den Kindersitz losschnallte.

„Nehmen Sie diese rote Tasche und die kleine blaue, dann hat Mary Catherine ihre Sachen bei sich“, bat Vivian matt. „Mein Koffer für das Krankenhaus ist der graue. Und den braunen Koffer hätte ich bitte auch gern. Irgendwo ist noch eine kleine dunkelblaue Tasche mit Babysachen.“ Sie wandte sich zu den Kartons mit ihrem Computer und dem Monitor um. Ihr blieb nichts anderes übrig, als dieses teure Equipment zurückzulassen. „Ich muss den Wagen abschließen.“ Mit zitternden Fingern nestelte sie an ihrem Schlüsselbund.

Matt legte ihr beschwichtigend die Hand auf den Arm. „Lady, hören Sie auf zu planen. Ich kümmere mich um die Taschen und das Auto. Geben Sie mir die Schlüssel.“

Sie gehorchte wortlos, aber ihre Augen blitzten wütend auf. Er lud das Gepäck um und befestigte den Kindersitz in seinem Pick-up. Dann lief er zu Vivians Auto zurück und hielt seinen Regenmantel schützend über den Einstieg.

„Komm, Mary Catherine. Ich trage dich zu meinem Wagen.“

Das Mädchen klammerte sich verängstigt an Vivian, die sanft die kleinen Arme von ihrem Hals löste. „Ich kann dich jetzt nicht tragen. Mr. Whitewolf nimmt dich, und ich komme gleich nach.“

Mary Catherine sah Matt aus ängstlichen Augen an, als er sie hochhob. Lächelnd schob er ihr den Regenmantel über den Kopf. „Du wirst vielleicht ein bisschen nass, aber du bist ja nicht aus Zucker, auch wenn du noch so süß bist. Also los.“

Durch den prasselnden Regen rannte er zu seinem Wagen und setzte sie auf den Vordersitz. Die Kleine kletterte sofort auf den Rücksitz und schnallte sich in ihrem Kindersitz an.

„Braves Mädchen. Ich lasse dich jetzt für einen Moment allein und hole deine Mommy. Aber du hast ja deinen Teddy.“

Sie drückte den Teddy an ihre Brust, während sie Matt ängstlich anstarrte.

Er schloss die Tür und kehrte zu Vivian zurück. „Ich werde Sie tragen“, erklärte er streng. Ohne ihre Antwort abzuwarten, gab er ihr den Regenmantel und beugte sich zu ihr herunter. Sie legte die Arme um seine Schultern und ließ sich hochheben, während sie den Regenmantel fürsorglich ein Stück über seinen Kopf und Rücken zog. Matt atmete dezenten Rosenduft ein, als ihre Haare seine Wange streiften. Trotz der Schwangerschaft war sie leicht zu tragen und fügte sich perfekt in seine Arme. Der Regenmantel umhüllte sie wie ein Kokon. Vivian fühlte sich warm an, und ihre Brüste schmiegten sich an seine Brust. Matt platzierte sie vorsichtig auf den Beifahrersitz. Dann lief er um den Wagen herum und stieg auf der Fahrerseite ein.

„Oh! Schon wieder!“ Vivian biss sich auf die Lippen und hielt sich den Bauch. „Die Wehen kommen alle vier Minuten.“

„Ich will versuchen, Sie so schnell wie möglich ins Krankenhaus zu bringen, aber in diesem Wolkenbruch kommen wir nur langsam voran.“

„Bei Mary Catherine ging alles ziemlich schnell.“

„Großer Gott!“ Er beugte sich vor, um besser sehen zu können. Die Scheibenwischer halfen nur wenig gegen die Regenflut, die auf die Windschutzscheibe klatschte.

Als Vivian neben ihm keuchte, schaute er sie besorgt an. Ihr Gesicht war kreidebleich und angespannt. Es war ein hübsches Gesicht mit einer geraden Nase, hohen Wangenknochen und einer weichen, makellosen Haut. Matt fragte sich, wo ihr Ehemann steckte. Verdammt, der Mann wurde Vater. Er sollte in diesem Moment eigentlich bei ihr sein.

„Wollen Sie Ihren Mann anrufen?“ Matt bot ihr sein Mobiltelefon an.

Ihre Augen weiteten sich erschrocken, bevor sie den Kopf schüttelte. „Nein, ich bin geschieden.“

Erstaunt hob Matt die Brauen. Welcher Mann würde sich von dieser schönen Frau und dem entzückenden kleinen Mädchen trennen? Noch dazu, wenn wieder ein Baby unterwegs war? Er fand das Verhalten des Mannes nicht nur unverständlich, sondern es machte ihn ausgesprochen zornig. Musste Vivian ihr Kind denn wirklich ohne einen vertrauten Menschen an ihrer Seite zur Welt bringen? Matt folgte seinem Beschützerinstinkt und beschloss spontan, während der Entbindung in der Klinik zu bleiben.

„Dann wollen Sie vielleicht Ihre Eltern benachrichtigen.“

„Meine Eltern leben nicht mehr. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Bei der Geburt von Mary Catherine war ich auch allein.“

„Waren Sie damals schon geschieden?“

„Nein, das bin ich erst seit einem Jahr. Als Mary Catherine zur Welt kam, war mein Mann in einer Geschäftsverhandlung. Frau und Kind kamen bei ihm immer nur an zweiter Stelle.“

Im Stillen verfluchte Matt ihren Exmann und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße, bis Vivians erneutes gequältes Stöhnen ihn alarmierte. Seinem Gefühl nach kamen die Wehen jetzt in kürzeren Abständen.

Als die Krämpfe nachließen, schaute sie auf die Uhr. „Alle drei Minuten.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich glaube es nicht.“

„Ich auch nicht.“ Matt konnte nur hoffen, dass der Rabbit Creek nicht über die Ufer getreten war. Über sein Mobiltelefon forderte er eine Ambulanz an, die ihnen entgegenkommen sollte, um Vivian ins Krankenhaus zu bringen.

„Tut mir Leid, dass ich Ihnen solche Umstände mache“, entschuldigte sie sich.

„Babys sind alle Mühe wert.“ Er lächelte aufmunternd. „Jedes Baby ist ein Wunder für sich.“

„Haben Sie auch Kinder?“

„Nein, ich bin nicht verheiratet.“ Dass diese Nachricht auf Vivian nicht gerade beruhigend wirken würde, fiel ihm zu spät ein. „Ich bin kein Typ zum Heiraten“, fügte er hinzu. Gleichzeitig fragte er sich, was diese Frau an sich hatte, dass er ihr etwas so Persönliches erzählte.

Matt sah angestrengt auf die Straße. Die Scheibenwischer liefen auf höchster Stufe und verschafften ihm doch nur für Sekundenbruchteile eine klare Sicht. Er erlaubte sich einen raschen Blick in den Rückspiegel. Mary Catherine lutschte am Daumen und starrte ängstlich aus dem Fenster.

Er sah wieder nach vorn und konzentrierte sich aufs Fahren. Noch eine Kurve und er würde wissen, ob seine Befürchtungen zutrafen oder nicht. „Verdammt“, fluchte er.

„Was ist passiert?“

Der Regen hatte den Rabbit Creek in einen reißenden Strom verwandelt, der über seine Ufer getreten war und bereits die Straße überschwemmte. Matt bremste ab, hielt langsam an und starrte auf die unüberwindlichen Wassermassen. Oh Gott, das sah nicht gut aus. Was sollte er nur tun? Ein Baby war kein Kalb oder Fohlen. Er hatte keine Ahnung, was bei der Geburt eines Kindes zu unternehmen war.

Andererseits brachten Frauen seit Menschengedenken Kinder auch ohne Beistand zur Welt, und für Vivian war es nicht das erste Mal.

„Das Brückengeländer schaut noch heraus“, sagte sie. „Können Sie nicht durchs Wasser fahren?“

„Unmöglich, die Strömung ist zu stark.“

„Was mache ich denn jetzt?“

Er wendete den Pick-up und schlug die Richtung ein, aus der sie gekommen waren. „Es gibt noch einen anderen Weg in die Stadt, aber die Fahrt würde einige Stunden dauern. Bei diesem Unwetter ist es wohl das Beste, wenn wir zu mir nach Hause fahren. Wie ist Mary Catherines Geburt verlaufen? Gab es Komplikationen?“

„Nein“, erwiderte Vivian mit dünner Stimme. „Tut mir Leid, dass ich Ihnen solche Umstände mache.“

„Kein Problem.“ Er nahm das Telefon und bestellte die Ambulanz ab. Dann rief er seinen Hausarzt in Dakani, der nächstgelegenen Kleinstadt, an.

„Doc, hier ist Matt. Ich habe eine hochschwangere Frau in den Wehen bei mir. Ich wollte sie nach Enid ins Krankenhaus fahren, aber die Straße ist überflutet. Wir schaffen es auch nicht mehr bis nach Dakani. Die Wehen kommen alle drei Minuten. Ich nehme sie mit zu mir.“ Trotz der angespannten Lage klang seine Stimme ruhig und beherrscht.

„Ruf mich an, wenn ihr zu Hause seid oder wenn es ernst wird. Ich sage dir dann, was zu tun ist.“

„Kannst du kommen?“

„Ich versuche es von Süden her. Bin schon unterwegs.“

„Danke. Und beeil dich.“

Als Matt den Torbogen seiner Farm passierte und sich auf der matschigen Zufahrt dem Haus näherte, wurde ihm bewusst, dass Vivian die erste Frau war, die er hierher mitbrachte. Sein Haus war ebenso gut behütet und verschlossen wie sein Herz.

Vivian umklammerte den Türgriff so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. „Wie weit ist es noch?“

„Wir sind gleich da. Immer noch drei Minuten Abstand?“

„Nein, zwei“, brachte sie keuchend hervor, und feine Schweißperlen glänzten auf ihrer Stirn.

Normalerweise wirkte der Anblick seines großzügig geschnittenen Holzhauses mit der umlaufenden Veranda auf Matt beruhigend, aber heute verdrängte die Angst vor der Entbindung jedes andere Gefühl. Er fuhr den Pick-up in die Garage, die Platz für drei Fahrzeuge bot.

Matt stieg aus und wollte Mary Catherine aus ihrem Sitz heben, doch das Mädchen hatte den Gurt bereits gelöst, kletterte nach vorn und wich Vivian nicht von der Seite. Er nahm das Gepäck, ging zum Seiteneingang seines Hauses und hielt Vivian und ihrer Tochter die Tür auf.

Vivian zögerte verunsichert.

„Wenn Sie wollen, rufe ich Doktor Bently noch einmal an. Sie können dann mit ihm sprechen und sich nach mir erkundigen“, bot er an.

„Unsinn!“ Die Verlegenheit brachte ein wenig Farbe in ihr Gesicht zurück. „Es ist alles in Ordnung.“

„Gut, dann treten Sie ein.“

Sie hielt sich am Türrahmen fest und blieb für einen Moment stehen. „Oh!“, stöhnte sie mit schmerzverzerrter Miene.

Seine Sorge wuchs. „Ich bringe Sie gleich ins Bett und rufe den Doktor an.“ Er folgte den beiden in die Küche, wo er das Gepäck abstellte. Diesen für ihn so vertrauten Raum mit den behaglichen Eichenmöbeln, dem rotbraunen Terrazzoboden und dem planlos gestapelten Geschirr auf dem Tresen bekam selten ein Fremder zu Gesicht.

Als das Telefon klingelte, nahm Matt den Hörer ab und meldete sich.

„Was machen die Wehen?“, fragte Walt Bently ohne Umschweife.

„Sie kommen jetzt alle zwei Minuten. Es ist ihr zweites Kind.“

„Ich habe Meg Preston angerufen. Sie ist zu dir unterwegs und müsste eigentlich ohne Probleme durchkommen.“

„Gott sei Dank!“ An die pensionierte Hebamme in seiner Nachbarschaft hatte er noch gar nicht gedacht. Die Preston-Farm lag nur zwanzig Meilen entfernt, und auf dem Weg zu seiner Farm gab es keine größeren Wasserläufe, sodass die Straßen passierbar sein würden.

„Meg kommt bestimmt bald. Ich gebe dir meine Autotelefonnummer.“

Matt kritzelte die Nummer hastig auf einen Zettel.

„Jetzt bring unsere kleine Mom ins Bett und bereite für Meg alles vor. Sie hat ihre Instrumente dabei, aber du solltest vorsichtshalber ein Messer sterilisieren und dir gründlich die Hände waschen. Falls das Baby kommt, bevor Meg da ist, ruf mich an. Ich sage dir dann, was zu tun ist.“

„Danke, Doc.“ Matt legte den Hörer auf und teilte Vivian mit, dass Hilfe unterwegs war.

„Sie haben doch bestimmt einen Fernseher“, sagte Vivian. „Mary Catherine kann sich das Kinderprogramm ansehen. Ansonsten sind auch noch Videos in ihrer Tasche.“

„Natürlich.“ Matt lächelte das Mädchen an. „Der Fernseher steht im Wohnzimmer.“ Mary Catherine umklammerte ihren Teddy und ihre kleine Tasche, als wollte sie sich dahinter verstecken.

Matt schaltete die Lampen im Wohnzimmer an. Inzwischen suchte Vivian ein Video heraus und gab es ihm.

Ihre Knie zitterten vor Nervosität. Sie war im Haus eines Fremden. Niemand außer Mary Catherine wusste, wo sie sich aufhielt. Also musste sie Matt Whitewolf vertrauen und konnte nur hoffen, dass ihr Baby ohne Komplikationen zur Welt kam.

Matt legte die Kassette ein und schaltete den Fernseher an. Wenig später saß Mary Catherine mit angezogenen Knien auf seinem braunen Ledersofa und verfolgte aufmerksam, wie ein wuscheliger weißer Hund über einen riesigen Bildschirm tanzte.

„Du bist ein braves Mädchen und siehst dir deine Show an. Ich lege mich ein bisschen hin, okay?“ Vivian drückte ihre Tochter an sich und versuchte, ihre eigene Unsicherheit zu verbergen, um die Kleine nicht noch mehr zu ängstigen.

Mary Catherine schlang die Ärmchen um Vivians Hals und gab ihr einen Kuss. Es schnürte Vivian die Kehle zu, als sie ihre Tochter allein lassen musste. „Ich bin gleich nebenan, okay?“

Das Mädchen nickte und schaute dann wieder zum Fernseher.

Auf dem Weg zur Tür durchzuckte Vivian erneut ein heftiger Schmerz. So heftig, dass sie sich an einem Stuhl festhalten musste.

„Kann ich helfen?“, fragte Matt besorgt.

„Es geht schon.“

Er legte ihr aufmunternd die Hand auf die Schulter. Jetzt, da er wusste, dass Meg zu ihnen unterwegs war, ließ seine Nervosität ein wenig nach. „Die Hebamme wird bald hier sein. Ich bringe Sie jetzt ins Bett und bereite alles vor.“

Er nahm Vivians Gepäck und führte sie den Flur entlang, vorbei an drei ungenutzten Schlafzimmern, zu seinem eigenen Schlafzimmer.

Vivian schaute sich in dem hohen Raum um. Zwei Wände waren vollständig verglast, die anderen beiden mit Regalen und Holz verkleidet. Matt stellte die Koffer ab und schlug die türkisfarbene Tagesdecke seines Himmelbetts zurück. Als er dann an seinen Schrank trat und seine Sachen durchsah, wurde Vivian mit einem Schlag erst wirklich bewusst, in welcher Situation sie sich befand. Wenn die Hebamme nicht rechtzeitig eintraf, würde sie bei der Geburt ihres Babys auf die Hilfe dieses wildfremden Cowboys angewiesen sein. Sie schloss die Augen und versuchte, ihre Angst zu unterdrücken. Die nächste Wehe verdrängte jeden klaren Gedanken. Vivian keuchte und nahm kaum wahr, dass Matt ihr ein weißes Hemd hinhielt.

„Vielleicht ist das für Sie bequemer“, sagte er. Sie nahm das Hemd. „Dort ist das Badezimmer“, fuhr er fort. „Ich wasche mich im Gästebad und bringe ein paar Handtücher für das Bett mit.“

Sie schüttelte entsetzt den Kopf. „Das alles ist mir wirklich äußerst peinlich“, stammelte sie.

„Denken Sie an das Baby und nicht an mich. Außerdem kommt Meg gleich. Ich helfe Ihnen nur bei den Vorbereitungen.“

Sie nickte und verschwand im Badezimmer.

Matt zog sich ein frisches T-Shirt an. „Komm schon, Meg, beeil dich.“ Mit einer sauberen Jeans und frischen Socken in der Hand lief er zum Gästebad, wusch sich und zog sich um. Anschließend eilte er zurück in sein Schlafzimmer und breitete Handtücher und Laken auf dem Bett aus. Er kramte ein selten benutztes, rasierklingenscharfes Messer hervor und sterilisierte es in der Küche.

Als er ins Schlafzimmer zurückkehrte, kam Vivian gerade aus dem Bad. Sie hatte sich das Blut von der Stirn gewaschen und ihre langen braunen Haare gekämmt. Sein weißes Hemd reichte ihr bis zu den Knien. Ihre Hände verschwanden in den langen Ärmeln.

„Jetzt geht es mir schon besser. Und das Bett sieht wirklich einladend …“ Plötzlich wurde sie kreidebleich. „Die Fruchtblase ist geplatzt“, flüsterte sie, während sie aufs Bett sank. „Ich habe eine Kontrak…“ Weiter kam sie nicht. Matt hob ihre Beine ins Bett, deckte sie mit einem Laken zu und schob ihr einen Stapel Kissen unter den Kopf.

Autor

Sara Orwig

Sara’s lebenslange Leidenschaft des Lesens zeigt schon ihre Garage, die nicht mit Autos sondern mit Büchern gefüllt ist. Diese Leidenschaft ging über in die Liebe zum Schreiben und mit 75 veröffentlichten Büchern die in 23 Sprachen übersetzt wurden, einem Master in Englisch, einer Tätigkeit als Lehrerin, Mutter von drei Kindern...

Mehr erfahren