Warum nur ... warum?

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David Baron, Erbe eines texanischen Ölimperiums, will nur eins, als er seine Frau Natalie auf die Familienfarm Espada lockt: Sie soll zu ihm zurückkehren! Kann er sie davon überzeugen, dass er sich für sie ändern wird und sie immer geliebt hat?


  • Erscheinungstag 04.07.2022
  • Bandnummer 02
  • ISBN / Artikelnummer 9783751514958
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

David Baron war nicht in bester Stimmung.

Er hatte einen langen Tag damit verbracht, einen Bauunternehmer und seine Leute unter Kontrolle zu halten, die anscheinend vergessen hatten, dass sie einen neuen Flügel an „Baron’s Windsong Resort“ anbauen und nicht das ganze Hotel abreißen sollten.

Jetzt würde er einen sogar noch schlimmeren Abend verbringen. Die bodenständigen Bauarbeiter sind mir trotz allem immer noch lieber als die Mitglieder der Oberschicht auf der Cocktailparty der Holcombs, dachte David sarkastisch. Aber er hatte keine Wahl. Er hatte sein Wort gegeben, und deshalb musste er hingehen, ob er wollte oder nicht.

„Dumm von dir, Baron“, sagte er zu seinem Spiegelbild.

Es war ärgerlich genug, dass sich ein Mann jeden Morgen rasieren musste. Es um sechs Uhr abends zu wiederholen war unzumutbar. Er sah auf die goldene Rolex, die auf der Waschbeckenkante lag. Nicht sechs. Viertel nach sieben. Obendrein würde er auch noch zu spät kommen … Wenn er es sich recht überlegte, war das nicht einmal so schlecht. Er würde eine Stunde weniger auf der Terrasse der Holcombs stehen und vorgeben, sich zu amüsieren. Nur ein Idiot würde sich auf einer langweiligen Cocktailparty für Liz Holcombs neuesten Tierschutzverein amüsieren.

Und wem konnte er die Schuld geben? David spülte wütend den Rasierschaum ab. Nur sich selbst. Er hatte sich von Natalie dazu überreden lassen. „Ich schwänze die Party und schicke einen Scheck“, hatte er gesagt, als sie ihm die Einladung gezeigt hatte. Sie hatte ihm diesen Blick zugeworfen, den sie ihm seit einigen Monaten immer öfter zuwarf.

„Das kannst du natürlich machen, aber ich habe im Komitee mitgearbeitet und werde daher auch ohne dich zu der Party gehen.“

Ihre Antwort hatte ihn überrascht. Auch wenn es in letzter Zeit nicht mehr stimmte zwischen ihnen, waren sie doch noch immer ein Paar. Oder nicht? Fast hätte er sie das gefragt, dann hatte er sich eines Besseren besonnen und gesagt, wenn es ihr so viel bedeute, werde er hingehen.

„Danke.“

Natalies höfliches Lächeln hatte ihn wieder aus der Fassung gebracht. Er war so zornig geworden, dass er sie hatte an sich ziehen und küssen wollen, bis sie sich in die Frau zurückverwandelte, die er in Erinnerung hatte.

David atmete hörbar aus, schleuderte das Handtuch weg, band seine Armbanduhr um und ging ins Schlafzimmer. Sex sollte auf Gegenseitigkeit beruhen. Außerdem galt fürs Geschäfts- und Privatleben dasselbe: Man ließ sich nicht auf eine Situation ein, wenn man nicht ziemlich sicher wusste, was dabei herauskommen würde. Vielleicht hätte es nicht funktioniert, wenn er versucht hätte, Natalies eisige Höflichkeit mit Sex zu erweichen, und noch war er nicht bereit, dieser Möglichkeit ins Auge zu sehen.

Andererseits glaubte er, dass es an der Zeit sei, auf einige Antworten zu drängen. David blieb vor dem Einbauschrank stehen und presste die Lippen zusammen. War es an der Zeit, herauszufinden, ob sein Herz oder nur sein Selbstwertgefühl wünschte, dass Natalie leidenschaftlich auf ihn reagierte?

Er hatte zu ihr gesagt, jetzt, da er von ihrer Mithilfe bei der Sache wisse, gehe er mit größtem Vergnügen zu der Party, und sogar geglaubt, ihr höfliches Lächeln sei ein bisschen herzlicher geworden. Deshalb hatte er sich sofort vorgenommen, an dem Abend besonders charmant zu sein und zu sehen, ob er nicht wieder einfangen konnte, was früher zwischen Natalie und ihm gewesen war.

Jetzt hatte sich dieser Plan in nichts aufgelöst, weil er allein zu den Holcombs fuhr. Anscheinend konnte er sich neuerdings auf nichts mehr verlassen. Pläne hatten keine Bedeutung, wenn sie nicht mit hieb- und stichfesten Verträgen verbunden waren. Menschen waren unberechenbar. Gefühle kamen und gingen in einem Augenblick. Er war so dumm gewesen, zu glauben, Natalie sei anders, aber er begann umzulernen.

Es war aus zwischen ihnen. Und vielleicht war es am besten so. Welchen Sinn hatte eine Beziehung, in der Schweigen an die Stelle von Gesprächen und Gefälligkeit an die Stelle von Leidenschaft getreten war?

„Stimmt irgendetwas nicht?“, hatte er vor zwei Wochen gefragt. Du lieber Himmel, was ihn die Worte gekostet hatten, besonders als Natalie ihn verächtlich angesehen hatte.

„Ich weiß nicht“, hatte sie in dem höflichen Ton erwidert, der seinen Blutdruck hochschnellen ließ. „Sag du es mir.“

Zum ersten Mal in seinem Leben hatte David es für möglich gehalten, dass ein Mann Grund haben könnte, eine Frau zu schlagen. Na ja, wenn die Frau ein Mann wäre. Wenn sie so groß wäre wie er, einen Meter fünfundachtzig, und ihre Muskeln durch jahrelange körperliche Arbeit gestählt wären. Groß war Natalie ja. Und sie hatte einen durchtrainierten, schönen Körper. Aber sie war eindeutig ganz Frau.

Er würde ihr niemals wehtun. Ihr schien es jedoch überhaupt nichts auszumachen, ihm wehzutun. Okay, sie konnte ihm natürlich nicht wehtun, da er nicht mehr dasselbe wie früher für sie empfand, trotzdem hatte er ein Recht auf normale Rücksichtnahme. Und es sah aus, als hätte Natalie nach zehn Jahren Ehe sogar die aufgegeben.

„Sie wusste, dass ich nur ihretwegen zu der verdammten Party gehen würde“, sagte David zum offenen Schrank. „Und sie hat mich nicht im Büro angerufen und mir mitgeteilt, sie könne nicht mit mir zusammen zu den Holcombs fahren.“

Er war vor einer halben Stunde nach Hause gekommen, hatte das Licht am Anrufbeantworter blinken sehen und Natalies Nachricht abgespielt. „Ich bin aufgehalten worden. Ich verspreche nichts, aber wenn ich irgend kann, treffe ich dich bei den Holcombs.“

Zumindest das hat sie kapiert, dachte David grimmig, während er ein weißes Frackhemd anzog. Keine Versprechungen.

„Jetzt gehst du allein zu dieser Party, Baron.“ Er zog Hose und Jackett an. „Was glaubst du, wozu dich das macht?“

Zu einem Blödmann. Einem Blödmann im Smoking. David blickte wütend in den Spiegel, fuhr sich mit den Händen durchs dunkle Haar, übte ein Lächeln und fragte sich, ob die Leute entsetzt davonlaufen würden, wenn er es auf der Party ausprobierte.

Das würde vielleicht ein schöner Abend werden! Er hatte tausend Dollar dafür bezahlt, in einem Smoking eingezwängt zu sein, matschige Kanapees zu essen, schalen Champagner zu trinken und zu überlegen, wo Natalie war …

Und warum sollte er? David kniff die blauen Augen zusammen. Natalie war erwachsen. Wie sie ihm so gern versicherte, konnte sie selbst auf sich aufpassen.

Er nahm die Autoschlüssel vom Toilettentisch und ging zur Tür. Der Stau begann eine halbe Straße vor der Auffahrt zum herrschaftlichen Haus der Holcombs.

„Großartig“, sagte David, während er herunterschaltete. Am Ende einer Autoschlange festzustecken weckte in ihm immer den Wunsch, in der Lounge des Baron Windsong zu sitzen und ein Glas ausgezeichneten „chinon blanc“ zu genießen.

Die Luxuslimousine vor ihm rückte vor. David setzte seinen alten Sportwagen seufzend dahinter. Vom Hotel sah er während des Tages genug, und auch wenn Wein wundervoll war, wäre ihm gerade jetzt eine Flasche Bier am liebsten. Und ein Strand. Nicht hier in Miami, sondern irgendwo am Südpazifik, wo der Mond sein elfenbeinfarbenes Licht auf einen unberührten Streifen Sand warf. Mann, er konnte es sich genau vorstellen. Er würde abgeschnittene Jeans tragen, sich auf die Ellbogen gestützt zurücklehnen und die Sternschnuppen betrachten, während die kühle Brandung seine Zehen umspülte …

Hinter ihm hupte jemand. David runzelte die Stirn, sah die Lücke vor sich und fuhr ein Stück weiter. Was war an diesem Abend mit ihm los? Es war Jahre her, dass er an einem Strand gesessen oder es gewollt hatte. Es war Jahre her, dass er so viel Zeit mit alberner Selbstbeobachtung verbracht hatte …

Es war Jahre her, dass ihn eine Frau dazu gebracht hatte, sich so unsicher zu fühlen.

David umfasste das Lenkrad fester.

So konnte es nicht bleiben. Okay, er würde die Party eine Stunde lang ertragen. Eine halbe. Dann würde er sich davonschleichen, und sobald Natalie nach Hause kam, würde er Antworten verlangen und den Unsinn zwischen ihnen irgendwie beenden. Wenn sie die Ehe fortsetzen wollte, würde er es sich überlegen. Wenn sie aufhören wollte, auch gut. Scheidung oder nicht, das Leben würde weitergehen …

Und warum wartete er dann darauf, eine Party zu besuchen, zu der er keine Lust hatte? Aus Höflichkeit gegenüber einer Frau. Und dabei war er nicht einmal sicher, ob er sie noch wollte. Das war die Wahrheit. Jetzt, da er sie sich endlich eingestanden hatte, fühlte sich David wie von einer Last befreit. Er würde aus der Schlange ausscheren, zurück nach Hause fahren, den albernen Smoking ausziehen, in seine Shorts steigen …

„Sir?“

„Was ist?“, stieß David wütend hervor … und blinzelte erstaunt.

Ohne sich dessen bewusst zu sein, hatte er die Auffahrt erreicht. Ein Jugendlicher stand neben dem Sportwagen. Er trug eine rote Jacke, hatte Pickel im Gesicht und war nervös. David seufzte und unterdrückte seine Gereiztheit. Weil sich das Schicksal eingemischt oder er zu lange gebraucht hatte, zur Vernunft zu kommen, tat er, was jeder Mann unter diesen Umständen tun würde. Er stieg aus, gab dem Jugendlichen die Autoschlüssel und eine Zehndollarnote als Wiedergutmachung und ging die Stufen zur Haustür hoch. Er wusste, dass ihn eine scheußlich kultivierte Folter erwartete.

Folter war ein zu höfliches Wort.

Wer hatte überhaupt die Cocktailparty für einen wohltätigen Zweck erfunden? Kein Mann, dessen war David sicher. Nur eine Frau würde erwarten, dass Menschen für das Privileg bezahlten, in einem überfüllten Raum herumzustehen und ein Glas ungenießbaren Sekt in der einen und ein ungenießbares Kanapee in der anderen zu halten, während sich auf der Terrasse ein Streichquartett durch ein langweiliges, schwungloses Musikstück kratzte.

Das eingeübte Lächeln funktionierte ganz gut. Anscheinend fand es niemand abstoßend.

Hank Holcomb hatte ihm überschwänglich die Hand gedrückt und gesagt, es sei ihm eine große Freude, Gastgeber der Party zu sein. Dabei hatte er die Augen verdreht, um klarzumachen, dass es nicht stimmte. Liz Holcomb war von einer Parfümwolke umgeben, die dicht genug war, um jeden in ihrer Nähe zu vergiften. Sie hatte Küsse auf seine Wangen angedeutet und David gedrängt, die arg mitgenommenen Garnelen zu probieren. „Wo ist unsere Natalie?“, fragte sie und schrie beim Anblick eines anderen Gasts begeistert auf, bevor David eine Antwort präsentieren musste. „Bis später, Darling!“, rief sie und stürmte davon.

Er ging nach draußen auf die Terrasse, kam durchs Esszimmer wieder herein und nahm von einem der Ober ein Glas Sekt und ein Kanapee an, als er es satt hatte, alle zwei Minuten „Nein, Danke“ zu sagen. Dann suchte er sich einen ruhigen Platz in einer Ecke, die nicht begehrt war, weil dort eine Topfpalme stand, die wirkungsvoll vor Blicken schützte. Schließlich besuchte man so eine Party auch wegen des zweifelhaften Vergnügens, zu sehen und gesehen zu werden.

Je länger er die Szene beobachtete, desto besser fühlte er sich. Die Albernheit des Ganzen hatte etwas für sich. Das schlechte Essen. Der noch schlechtere Sekt. Die grässliche Musik. Und die Gäste. Die Frauen funkelten wie leuchtend bunt gefiederte Vögel. Die Männer waren herausgeputzt wie Pinguine. David lachte in sich hinein. Es kam ihm vor, als wäre er in einem großen Vogelhaus. Sogar die Geräusche passten. Gacker, gacker, piep, piep …

„Hallo.“

David drehte sich um. Die Stimme klang sanft und erotisch. Gesicht und Körper waren zweifellos das Beste, was gute Gene und plastische Chirurgie zu bieten hatten. „Hallo“, sagte er lächelnd.

„Furchtbar, stimmt’s?“

„Aber wirklich.“

„Der Sekt. Die Horsd’œuvres.“ Die Frau schauderte so, dass ihr das lange goldblonde Haar wie Wellen über die nackten Schultern glitt. Sie blickte zu David auf, befeuchtete sich die Lippen und lächelte verführerisch. „Ich weiß einfach nicht, was ich mit mir anfangen soll.“

Er war seit Jahren aus dem Verkehr gezogen, trotzdem war ihm klar, welche Antwort von ihm erwartet wurde. Ich weiß es, sollte er sagen. Die Blondine mit den unglaublichen Brüsten würde ihn unterhaken, und bald danach würden sie im Bett sein. Es war lange her, dass er daran gedacht hatte, eine andere Frau als Natalie zu besitzen. Zu lange, vielleicht. Gut möglich, dass er genau das brauchte. Eine leidenschaftliche Fremde, eine unbekümmerte Balgerei zwischen kühlen Laken, keine Reue am nächsten Morgen, keine Beschuldigungen und keine Verpflichtungen, die ihn unter Druck setzten.

„Ja oder nein?“, fragte sie.

David bewunderte ihre Offenheit, auch wenn er sie nicht akzeptieren konnte. Er lächelte, ein bisschen bedauernd. „Tut mir leid. Ich bin einfach nicht …“

„Schon gut. Vielleicht ein anderes Mal.“ Sie lächelte ebenfalls bedauernd.

„Klar“, sagte er, obwohl er wusste, dass er es nicht ernst meinte. Er würde sich auf nichts einlassen, selbst dann nicht, wenn Natalie und er sich trennen würden. Mit den Frauen war er fertig. Zumindest eine Zeit lang, dachte er, als die Blondine davonging. Nur ein Dummkopf oder ein Lügner würde den Frauen völlig abschwören, aber im Moment hatte er überhaupt kein Verlangen danach, zu … zu …

Sie stand an der Tür. Er hielt den Atem an und wusste, dass alle seine Überlegungen Lügen gewesen waren. Er war nicht mit den Frauen fertig. Nicht an diesem Abend, nicht eine Zeit lang, überhaupt nicht.

Die Frau an der Tür war das schönste Geschöpf, das er jemals gesehen hatte. Es war falsch, sie mit der Blondine zu vergleichen, doch die Gegensätze waren so unglaublich, dass er sich nicht davon abhalten konnte. Sie war nicht blond. In Miami Beach war das etwas Besonderes. Hier waren die meisten Frauen blond. Nicht, dass sie so auf die Welt kamen. Es war nur so, dass die Sonne anscheinend zu einem sonnenhellen Look anregte.

Nicht sie.

Die Frau, die jetzt langsam die Stufen hinunter ins Wohnzimmer kam, hatte Haar so schwarz wie die Nacht. Sie trug es hochgesteckt. David wusste, dass es ihm offen wie ebenholzfarbene Seide über die Hände fließen würde. Er ließ den Blick über sie gleiten, nahm die großen dunklen Augen in sich auf, die gerade Nase, den sinnlichen Mund, das schlichte schwarze Kleid. Sie war schlank und trotzdem ganz Frau, mit Brüsten, die nicht von einem Chirurgen geformt waren, sanft gerundeten Hüften und herrlich langen Beinen. Sie hatte eine hauchdünne schwarze Strumpfhose an und schwarze Sandaletten mit unmöglich hohen Absätzen.

Noch nie hatte er eine schönere Frau gesehen. Und sie war allein. Aber sie blickte sich suchend nach jemand um.

David entsorgte das blöde Kanapee und den armseligen Drink im Blumenkübel. Wenn sie nach einem Mann suchte, würde er dieser Mann sein! Er verließ die Ecke, blickte die Frau an und wartete. Sie würde in seine Richtung sehen, er wusste es einfach.

Und schließlich tat sie es.

Die Zeit schien stillzustehen. Der mit Leidenschaft erfüllte Moment dehnte sich aus. Erregung durchflutete David. Sein Körper hatte auf die Blondine reagiert, aber nicht so. Dies war anders. Es war alles, was er sich erhofft hatte.

Ihre Miene verriet … Ungeduld? Vorfreude? David machte einen Schritt auf sie zu. Jetzt hatte er den Eindruck, dass sie Angst hatte. Verdammt, warum hatte sie Angst vor ihm? Sie wusste, was er wollte. Er war sicher, dass sie es auch wollte.

Sie lief vor ihm davon. Nein, er würde sie nicht entwischen lassen. Nicht an diesem Abend. Er brauchte sie. Nach ihr hatte er sich gesehnt, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass er sich nach etwas sehnte. Er bahnte sich einen Weg durch das Gedränge im Raum.

Liz Holcomb umfasste seinen Arm. „David, du wundervoller Mann, da bist du ja! Ich möchte dir jemand vorstellen …“

„Später“, sagte er und lief an ihr vorbei.

Hank war der Nächste. Er tauchte plötzlich mit einem würdevollen Herrn im Schlepptau vor ihm auf. „David, alter Freund, das ist der Bürgermeister von …“

„Später“, sagte er wieder und ging weiter. Und plötzlich sah er sie.

Sie eilte auf die Terrasse, am Streichquartett vorbei und die Stufen hinunter in den Garten. Hinter dem beleuchteten Springbrunnen blieb sie stehen und sah sich um. Ihr Blick ließ eine so große Leidenschaft erkennen, dass David fast aufstöhnte. Trotzdem flüchtete sie. Er ging schneller. Zu rennen brauchte er nicht. Er wusste, dass sie ihm nicht wirklich entkommen wollte.

Und da war sie, ganz hinten, wo die Bäume kaum das Mondlicht durchließen. David blieb dicht vor ihr stehen. Sie atmete schwer, und ihre Brüste hoben und senkten sich unter dem engen schwarzen Kleid. Ihr Parfüm und der Geruch des Meeres jenseits der Gartenmauer erfüllten seine Sinne. David streckte die Hände aus. Sie wich zurück. „Hast du Angst vor mir? Ich werde dir nicht wehtun, das weißt du doch.“

„Du willst es nicht“, sagte sie heiser. „Aber du wirst es tun.“

„Nein, niemals.“

„Du wirst es tun“, flüsterte sie. „Du …“

Und dann war sie in seinen Armen. David küsste sie auf den Mund, die Wangen und die Schläfen. Er wusste, dass er sie zu fest hielt, doch er fürchtete, sie würde ihm entgleiten, wenn er den Griff lockerte.

Sie löste das Problem für ihn. Aufstöhnend schob sie ihm die Hände ins Haar und küsste ihn leidenschaftlich.

„Schatz. Oh, mein süßer …“ Ihm versagte die Stimme.

„Ja. Bitte …“

David zog ihr die Träger des Kleids über die Schultern und umfasste ihre Brüste. Als sie aufschrie, verschwand der Anschein zivilisierten Benehmens, der ihm noch geblieben war. Er drückte sie gegen die Mauer, ließ die Hand unter ihr Kleid gleiten und berührte sie. „Komm zu mir“, flüsterte er und zerrte an ihrem Spitzenslip.

„Nein!“, sagte sie scharf.

David hörte es nicht. Er nahm nur noch wahr, wie sie sich in seinen Armen anfühlte. Es war so lange her. So lange …

„Nein!“ Er wollte sie wieder küssen, und sie drehte das Gesicht weg. „Verdammt, ich habe Nein gesagt!“

Ihm wurde bewusst, dass sie sich wehrte. Er war wie betäubt und sah sie verständnislos an.

Sie hasste sich, weil sie nachgegeben hatte, weil sie sich dumm und unbesonnen in diesen leidenschaftlichen Moment vertieft hatte. „Lass mich los.“

Ihr Blick war kalt und … verächtlich.

Davids Erregung verschwand. Er trat zurück, rückte seine Smokingschleife zurecht und strich sein Hemd glatt.

Sie schob die Träger hoch und zog das Kleid hinunter.

„Du hast ein gefährliches Spiel gespielt, Lady“, sagte er, als er sich zu sprechen traute.

Ihre Augen funkelten. „Ich nicht. Du hast Spiele getrieben.“

„Einen Mann bis kurz davor zu bringen und dann von ihm zu verlangen, sich gut zu benehmen, findet vielleicht in manchen Kreisen Beifall. Aber früher oder später wirst du das wahrscheinlich mit einem Kerl machen, dem die Regeln völlig gleichgültig sind.“

Ihr war kalt. Es war warm hier draußen im Garten, doch ein kühler Wind wehte vom Meer her. Oder ihr war innerlich kalt. Es war unmöglich zu sagen, und es interessierte sie nicht. Wichtig war nur, dass sie fast wieder in die Falle gegangen war. „Du bildest dir wohl ein, ich hätte dir nachgestellt.“

„Nachgestellt?“

Er war wütend. Na, wennschon! Sie war auch wütend. Und verletzt. „Du bist mir gefolgt, obwohl völlig klar war, dass ich dir entkommen wollte.“

David lachte. „Du wolltest, dass ich dir folge. So, wie du mich angesehen hast … Ich habe verstanden, was es bedeutet hat.“

„Nur gut, dass du schließlich kapiert hast, was ‚nein‘ bedeutet. Sonst …“

„Sonst was?“ David zog mit dem Finger die Konturen ihres Mundes nach. „Sei ehrlich, Schatz. Wenn ich dieses Nein ignoriert hätte, wäre ich jetzt drin, und du wärst …“

Sie gab ihm eine Ohrfeige. „Du nichtswürdiger Mistkerl!“ Sie verachtete sich, weil ihre Stimme zitterte. Weil sie schwach geworden war und sich von ihm hatte umarmen lassen. Und weil sie wusste, dass er recht hatte. Aus diesen und tausend anderen Gründen hob Natalie Baron trotzig das Kinn, erwiderte den wütenden Blick ihres Mannes und sprach aus, was sie in den vergangenen endlosen Monaten zurückgehalten hatte.

„David, ich will die Scheidung.“

2. KAPITEL

Das Geräusch eines Rasenmähers weckte Natalie. Sie öffnete die Augen und machte sie sofort wieder zu, weil die Sonne ins Zimmer schien. Hatte David vergessen, die Jalousien zu schließen? Ihn störte das Licht nicht, aber sie …

„Du lieber Himmel!“, flüsterte Natalie. Natürlich hatte David die Jalousien nicht geschlossen. Sie war ja im Gästezimmer. Zum ersten Mal seit jener Nacht, in der sie durchgebrannt waren, hatten sie getrennt geschlafen.

Nein. Das stimmte nicht. Sie setzte sich langsam auf. Tatsächlich hatten sie schon oft getrennt geschlafen. Immer öfter in den vergangenen anderthalb Jahren. David musste dauernd geschäftlich verreisen, Bauplätze für neue Hotels prüfen, von Bangkok bis Baltimore, mit Bankern über die Finanzierung verhandeln und sich über die Konkurrenz informieren …

Das behauptete er zumindest.

Natalie schob sich das Haar aus dem Gesicht, stand auf und ging ins angrenzende Badezimmer. Sie versuchte zu vermeiden, ihr Spiegelbild zu sehen. Das war nicht so einfach. Der Innenarchitekt hatte in allen Badezimmern an allen Wänden Spiegel anbringen lassen. Manchmal kam es ihr vor, als wären es Tausende, weil jeder Raum so groß war wie die erste Wohnung, in der David und sie gelebt hatten. Sie hätte es nicht gemacht. Welche Frau, die bei vollem Verstand war, wollte schon, dass ihr gleich nach dem Aufstehen aus jeder Ecke ihr Spiegelbild ins Auge stach? Aber David hatte dem Innenarchitekten völlig freie Hand gelassen.

„Alles vorbehaltlich der Genehmigung meiner Frau, natürlich“, hatte er gesagt und ihr den Arm um die Schultern gelegt.

„Natürlich, Mr. Baron.“ Der Innenarchitekt hatte ihr ein schmeichlerisches Lächeln zugeworfen.

„Belästigen Sie sie bitte nur nicht mit Details. Meine Frau hat auch genug zu tun, ohne sich über irgendwelche Farben Gedanken zu machen. Das Tennisturnier im Country-Klub, ihre Wohltätigkeitsvereine … Stimmt’s, Liebling?“

„Absolut“, hatte Natalie erwidert. Was sonst hätte sie antworten können? Ihr Ehemann und ein völlig Fremder hatten sie angestrahlt, als wäre sie eine schlaue Aufziehpuppe.

Natalie putzte sich die Zähne, sah auf und zuckte zusammen, weil sie sich von lauter Natalies beobachtet fühlte.

„Pfui!“, sagte sie zu dem zerzausten Haar, dem blassen Gesicht und dem Klecks Mascara unter einem Auge. Mehr war von dem Make-up nicht übrig, das sie am vergangenen Abend nicht entfernt hatte. Sie hätte es tun können. Die Gästesuite war gut ausgestattet, dafür hatte der Innenarchitekt gesorgt. Weiche Baumwolllaken, Unisexpyjamas, flauschige weiße Bademäntel, genug Kosmetik, um ein Kaufhaus zu füllen. Haarbürste, Kamm, Zahnbürsten, Zahnpasta, Mundwasser, Papiertücher … Der Mann mit der sanften Stimme hatte an alles gedacht. Und wenn sie Gäste gehabt hatten, füllte die Haushälterin Luz wieder auf, was benutzt worden war.

Der Innenarchitekt hatte sich nur nicht darum gekümmert, wie sich eine Frau fühlte, wenn sie im Gästezimmer aufwachte, weil sie nach zehn Jahren Ehe zu ihrem Mann gesagt hatte, sie wolle sich scheiden lassen.

Natalie stellte das Wasser ab und trocknete sich das Gesicht. Es war nicht geplant gewesen. Sie hatte es ihm gewiss nicht am vergangenen Abend mitteilen wollen. Aber eigentlich war sie froh, es getan zu haben. Es war besser so. Sie wusste schon lange, dass die Ehe vorbei war. Das Leben, das David und sie führten, war eine Farce. Sie wusste es, seit sie das Baby verloren hatte. Ihr war klar geworden, dass er das Kind niemals gewollt hatte, dass er sie nicht mehr liebte und sie ihn nicht …

„O David“, flüsterte Natalie. Sie schlug die Hände vors Gesicht und weinte, bis sie sicher war, nie wieder weinen zu können.

Und danach weinte sie noch ein bisschen.

David wachte wie immer um Punkt sechs auf.

Es war ihm zur Gewohnheit in jenen längst vergangenen Zeiten geworden, als er von Texas in den Osten gezogen war. Wirklich früh im Leben hatte er begriffen, dass für einen jungen Mann von einundzwanzig Jahren mit einem halben Collegeabschluss, der keine besonderen Fähigkeiten besaß und eine brandneue Ehefrau ernähren musste, Morgenstunde Gold im Munde hatte.

Jetzt war es natürlich nicht mehr nötig, früh aufzustehen. Seine Büros öffneten erst um neun. Trotzdem stand er jeden Tag um Punkt sechs auf. Normalerweise schlich er leise herum, damit er Natalie nicht störte. Sie behauptete immer, es mache ihr nichts aus, weil ihre innere Uhr weiter auf Morgengrauen eingestellt sei.

Aber David hatte sich vor langer Zeit geschworen, dass seine Frau nicht für immer in der Dämmerung würde aufstehen und zur Arbeit gehen müssen. Er erinnerte sich noch gut an den Abend, als er das zu ihr gesagt hatte.

„Ich werde dich beim Wort nehmen, was das Servieren betrifft“, hatte Natalie lachend erwidert und ihm die Arme um den Nacken gelegt. „Und im Bett zu bleiben ist auch ein netter Gedanke. Vorausgesetzt, dass du mich darin beschäftigst.“ Und dann hatte sie ihm die Hände ins Haar geschoben und ihn leidenschaftlich geküsst.

Davids Gesichtszüge wurden härter.

Genau so, wie sie ihn am vergangenen Abend geküsst hatte, bevor sie gesagt hatte: „David, ich will die Scheidung.“

Er fluchte, strampelte die Wolldecke weg und setzte sich auf.

„Autsch!“

So viel dazu, die Nacht auf dem Ledersofa im Arbeitszimmer zu verbringen. Er presste stöhnend die Hände an seinen Rücken und stand auf. Ein Ledersofa war nichts zum Schlafen. Dieser Raum auch nicht. Er war zu groß und unpersönlich, und es standen zu viele Sachen darin. Welcher Mann wollte schon sein Schlafquartier mit einem Billardtisch teilen?

Er jedenfalls nicht. Aber Natalie war zur Gästesuite gegangen. „Du kannst das Schlafzimmer haben“, hatte sie dramatisch gesagt.

David stöhnte wieder und humpelte durch die Eingangshalle zur Toilette. Er hätte es haben können, doch er hatte es nicht gewollt. Allein in dem großen Zimmer mit dem gewaltigen Doppelbett? Mit Natalies Parfüm in der Luft und tausend Erinnerungen? „Kommt nicht infrage!“, sagte er, während er sich kaltes Wasser ins Gesicht klatschte. Ein Mann wollte nicht die erste Nacht seines weiteren Lebens von Erinnerungen an das umgeben sein, was er hinter sich ließ.

David nahm ein Handtuch vom Halter und rieb sich das Gesicht ab. Handtuch? Das war zum Lachen. Die kleinen Dinger waren eher Taschentücher. Aber Natalie gefielen sie. Und diesem schmalzigen Innenarchitekten, der auch das Ledersofa ausgesucht hatte. Bis zur vergangenen Nacht hatte David geglaubt, man würde nur unbequem darauf sitzen.

Er blickte in den Spiegel. Verdammt, er sah grauenhaft aus. Na und? Was konnte man anderes erwarten nach sechs Stunden auf einer mit Kuhhaut bezogenen Folterbank? Ein Lächeln. Ja. Allerwenigstens ein Lächeln. Wenn auch sonst nichts, war ihm doch jetzt sein Leben zurückgegeben worden. Er ging durch die Eingangshalle und die geschwungene Treppe hoch zum Hauptschlafzimmer.

Okay, vielleicht hatte er es zuerst nicht so gesehen. Natalies Ankündigung hatte ihn … aus der Fassung gebracht.

Autor

Sandra Marton
Sandra Marton träumte schon immer davon, Autorin zu werden. Als junges Mädchen schrieb sie Gedichte, während ihres Literaturstudiums verfasste sie erste Kurzgeschichten. „Doch dann kam mir das Leben dazwischen“, erzählt sie. „Ich lernte diesen wundervollen Mann kennen. Wir heirateten, gründeten eine Familie und zogen aufs Land. Irgendwann begann ich, mich...
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