Dem stolzen Griechen verfallen

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Als Sasha nach einem schweren Unfall erwacht, blickt sie geradewegs in die eindrucksvollsten Augen, die sie je gesehen hat! Wer ist der Fremde an ihrem Bett? Atemlos erfährt sie: Apollo Vasilis - ihr Ehemann! Doch sie kann sich an kaum etwas erinnern! Nur ihrer leidenschaftlichen Gefühle für den stolzen Griechen ist sie sich bewusst. Obwohl die Ehe laut Apollo kurz vor dem Ende stand, ist die Anziehungskraft zwischen ihnen unwiderstehlich. Doch dann kehrt ihr Gedächtnis zurück - und Sasha erfährt Schockierendes!


  • Erscheinungstag 08.09.2020
  • Bandnummer 2456
  • ISBN / Artikelnummer 9783733714376
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Apollo Vasilis starrte aus dem Fenster auf den Zierteich im grünen Innenhof des Krankenhauses. In der Ferne lag Athen unter einem Dunstschleier verborgen. Das Meer war ein blasser, kaum sichtbarer Streifen am Horizont. Apollo allerdings bemerkte nichts davon. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Die Anspannung, die er verspürte, hatte seit Monaten nicht nachgelassen.

Seit drei Monaten, um genau zu sein.

Hinter ihm erklang ein regelmäßiges Piepsen, das sich auf einmal änderte – einen Schlag aussetzte, dann schneller wurde.

Ihr Herzschlag.

Sie wachte auf, endlich.

Apollo wandte sich zu der Frau um, die auf dem Bett lag, so bleich wie die Laken unter ihr. Ihr goldrotes Haar lag auf dem Kissen ausgebreitet wie ein Schleier.

Direkt über ihrem rechten Auge befand sich ein großes Pflaster. Auch ihr einer Arm war bandagiert, und über die linke Wange zog sich eine dünne Narbe. Insgesamt hatte sie nur leichte Verletzungen und Prellungen erlitten – ein Wunder, wenn man bedachte, dass ihr Auto am Boden einer engen, hundert Meter tiefen Schlucht lag, ein verkohltes, verformtes Wrack, dessen Bergung man noch nicht einmal in Angriff genommen hatte.

Apollo trat dichter an das Bett heran, dichter an die Frau. Ihre hellen Wimpern waren so lang, dass sie schwache Schatten auf ihre Wangen warfen, ihre Augenbrauen etwas dunkler und sehr zart. Er runzelte die Stirn. Irgendwie kam ihm ihr Gesicht schmaler vor, und ihre Wangenknochen schienen stärker hervorzutreten.

Andererseits hatte er es in letzter Zeit nach Möglichkeit vermieden, sie näher anzusehen.

Vor vier Monaten, als sie sich kennengelernt hatten, hatte er sie angesehen wie noch nie eine Frau zuvor. Hatte nichts wahrgenommen als sie, ihren nackten Körper.

Das Bild stand ihm noch immer vor Augen. Kleine, perfekt geformte Brüste. Ein flacher Bauch und sanft geschwungene Hüften. Zarte rötliche Locken zwischen ihren Schenkeln. Schlanke, blasse Schenkel. Sie hatte so zerbrechlich ausgesehen, aber als sie vereint gewesen waren, hatte er ihre innere Stärke gefühlt, Seide und Stahl. Es war die erotischste Erfahrung seines Lebens gewesen.

Die plötzliche unerwartete Hitze, die mit der Erinnerung zusammen in ihm aufstieg, war ihm mehr als unangenehm.

Diese Frau hatte ihn auf infame Weise getäuscht.

Er verachtete sie.

In dem Moment, als ihre Augenlider zu flattern begannen, öffnete sich die Tür, und die Ärztin und mehrere Krankenschwestern eilten in den Raum. Die Ärztin warf Apollo einen mahnenden Blick zu. „Denken Sie daran, Sie dürfen sich nicht zu große Hoffnungen machen. Wir können uns vom Ausmaß ihrer Kopfverletzung erst dann einen Eindruck verschaffen, wenn sie das Bewusstsein wiedererlangt hat.“

Apollo nickte und sah zu, als die Ärztin sich neben ihrer Patientin auf das Bett setzte und ihre Hand nahm. „Meine Liebe, können Sie mich hören? Können Sie Ihre Augen öffnen?“

Eine Sekunde lang hielt Apollo unwillkürlich den Atem an. Als hätte er einen Moment alles vergessen. Als läge ihm etwas daran, ob seine Ehefrau je wieder aufwachte oder nicht.

Von weit weg hörte sie Stimmen. Wie summende Bienen, die die Dunkelheit und die Stille störten, die sie umgaben.

Jemand berührte ihre Hand und sagte etwas zu ihr. Aber sie hörte keine Worte, nur Laute.

Sie versuchte, sich zurück ins Dunkle zu flüchten, aber der Reiz wurde stärker. Helligkeit lauerte hinter ihren Augenlidern, ließ die Dunkelheit weichen. Ihr Kopf fühlte sich unendlich schwer an.

Und dann lichtete sich schließlich der Nebel, und eine scharfe Stimme sagte: „Mrs. Vasilis, es ist an der Zeit aufzuwachen.“

Ihr blieb keine Wahl, als zu gehorchen. Auch, wenn die Worte keinen Sinn ergaben. Mrs. wer?

Sie öffnete die Augen und schloss sie sofort wieder, als das helle Licht ihre Netzhaut traf. Anscheinend lag sie auf einem Bett. Menschen bewegten sich um sie herum, und eine dunkle Gestalt stand am Fuß des Bettes.

Eine vertraute Gestalt, die ihr Herz aus irgendeinem Grund schneller schlagen ließ.

„Mrs. Vasilis, können Sie versuchen, Ihre Augen wieder zu öffnen? Wir haben die Jalousien heruntergelassen.“

Vorsichtig versuchte sie es. Diesmal tat es nicht ganz so weh. Das Gesicht einer Fremden schwebte über ihr. Es waren auch noch andere Frauen im Raum, alle mit dunklem Haar und dunklen Augen. Maschinen piepten und summten. Die Wände waren weiß, und es roch nach Desinfektionsmittel.

Ein Krankenhaus.

Jemand bewegte sich und trat in ihr Blickfeld. Die Gestalt am Ende des Bettes, ein Mann, den sie kannte. „A… Ap…“ Sie versuchte es noch einmal. Ihre Stimme klang wie ein Reibeisen. „Apollo?“

„Sehr gut.“

Die Erleichterung der Ärztin bemerkte sie kaum, so war sie auf den Mann am Fußende des Bettes konzentriert. Er trug ein langärmliges Shirt, das seine breiten Schultern und seinen muskulösen, aber schlanken Oberkörper betonte.

Kurzes dunkles Haar. Klassische männliche Züge. Schöne Augen. Grüne Augen, das wusste sie auf Anhieb, obwohl sie es aus dieser Entfernung nicht erkennen konnte. Ein markanter Kiefer, ein Bartschatten, ein fester entschlossener Mund. Der heiß auf ihrem lag. Sie erzitterte. Dieser Mann, so viel wusste sie, hatte sie geküsst.

Die Ärztin – war es eine Ärztin? – drückte ihre Hand. „Erkennen Sie diesen Mann?“

Es fiel ihr schwer, den Blick abzuwenden. Sie nickte. „Ja. Wir haben uns neulich erst getroffen. Bei irgendeinem Event.“ Sein Stirnrunzeln bemerkte sie kaum, stattdessen erinnerte sie sich daran, wie sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Sein gutes Aussehen und sein überwältigendes Charisma hatten sie sofort gefangen genommen. Er hatte in seinem maßgeschneiderten Smoking dagestanden und gelangweilt gewirkt. Die Menschen um ihn herum hielten Abstand, als ob sie zu eingeschüchtert waren, um sich ihm zu nähern.

Ihre Blicke trafen sich. Und dann … Wow. Ihr Herz vollführte seltsame Kapriolen. Ein Moment, der alles änderte …

Und nun lag sie hier in einem Krankenhaus. Was tat sie hier? Mit einem Mann, den sie kaum kannte?

Aber ich kenne ihn. Ganz intim.

Das spürte sie. Aber wie war das möglich, wenn sie ihn erst vor Kurzem kennengelernt hatte?

Verwirrung erfüllte sie. Langsam dämmerte ihr, dass etwas ganz falsch war, und sie empfand einen Hauch von Panik. „Was … was ist passiert? Warum bin ich hier?“

Doch bei dieser Frage wurde ihr auf einmal ganz anders. Wer war „Ich“? Da war nichts, nur eine große Leere. „Warten Sie. Ich weiß nicht … ich weiß nicht, wer ich bin. Wer bin ich?“ Wie hatte die Ärztin sie genannt? „Mrs. Vasilis, haben Sie gesagt?“

Die Ärztin schaute sie mit einem schwer zu deutenden Gesichtsausdruck an. „Ja, das sind Sie. Sasha Vasilis.“

Sasha. Das fühlte sich nicht richtig an. „Ich glaube nicht, dass ich so heiße.“

„Wie heißen Sie denn dann?“

Nichts. Nur Leere. Verwirrung und Frustration.

„Sasha.“ Die Ärztin sprach beruhigend auf sie ein. „Ihr Name ist Sasha, und dies ist Ihr Mann, Apollo Vasilis.“

Sie schaute zu ihm. Er runzelte nun ganz offen die Stirn und wirkte alles andere als glücklich darüber, mit ihr verheiratet zu sein. Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf. Dabei spürte sie einen stechenden Schmerz über ihrem Auge. „Aber das kann nicht sein. Wir haben uns doch gerade erst kennengelernt.“

Wieso erinnere ich mich an ihn und sonst an nichts? Wie ist es möglich, dass wir verheiratet sind?

Auf einmal hatte sie heftige Kopfschmerzen, ein dumpfes Pochen, das stetig zunahm. Sie wimmerte.

„Das ist genug für heute. Sie müssen sich ausruhen“, sagte die Ärztin. „Wir können später wiederkommen.“

Eine Krankenschwester trat vor und tat irgendetwas mit dem Infusionsständer neben dem Bett, an den sie angeschlossen war. Die Dunkelheit kehrte zurück, und sie überließ sich ihr, verdrängte die wachsende Furcht und die quälenden Fragen. Und ihn.

Er war das Furchterregendste von allem, und sie wusste nicht einmal, wieso.

Zwei Tage später

„Wir vermuten, dass das Trauma des Unfalls für Ihren Gedächtnisverlust verantwortlich ist. Ihr Gehirn zeigt auf den Scans keinerlei Verletzungen. Sie erinnern sich daran, wie Sie Ihren Ehemann kennengelernt haben, aber weder an die Zeit davor noch an die danach. Das ist vermutlich ein Schutzmechanismus Ihres Gehirns. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass Sie Ihr Gedächtnis nicht irgendwann wiedererlangen werden, entweder ganz allmählich oder auf einmal.“

Oder auch überhaupt nicht?

„Und deshalb …“ Die Ärztin blickte zu Apollo Vasilis hinüber, der mit verschränkten Armen am Fenster stand. „Deshalb ist es das Beste, wenn Sie während Ihrer Genesung unter Beobachtung stehen.“ Dann sah sie wieder Sasha an, die sich nach wie vor nicht wie eine Sasha fühlte. „Versuchen Sie nicht krampfhaft, sich zu erinnern, sondern lassen Sie sich lieber Zeit, sich von Ihren Verletzungen zu erholen.“

Sasha fragte sich, wovor ihr Gehirn sie beschützen wollte.

Die Ärztin erhob sich. „Sie können jetzt nach Hause. Wir bleiben in Kontakt. Melden Sie sich, wenn Sie sich an irgendetwas erinnern.“

Das kam Sasha im Moment nicht sehr wahrscheinlich vor. Es fühlte sich nach wie vor so an, als ob ein undurchdringlicher grauer Nebel sie einhüllte. Und was hieß „nach Hause“? Man hatte ihr gesagt, sie sei Engländerin, also war sie vermutlich in England geboren und aufgewachsen.

Als sie nach ihrer Familie gefragt hatte, hatte Apollo Vasilis ihr gesagt, ihre Eltern seien tot und sie habe keine Geschwister, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, die Wahrheit zu verschleiern. Es hatte ein vages Gefühl von Wehmut in ihr wachgerufen, aber da sie sich nicht einmal an die Namen oder Gesichter ihrer Eltern erinnerte, fiel es ihr schwer, echte Trauer zu empfinden.

Die Ärztin verabschiedete sich. Sasha schaute zu Apollo hinüber. Ihrem Ehemann. Er wirkte genauso grimmig wie an dem Tag, an dem sie das Bewusstsein wiedererlangt hatte. War er gar nicht erleichtert, dass sie den Unfall überlebt hatte? Er trug heute einen Anzug, stahlgrau, und dazu eine Krawatte. Trotz seiner Ausstrahlung weltmännischer Eleganz spürte Sasha eine mühsam beherrschte Anspannung.

In der Nacht, in der sie sich begegnet waren, hatte er gelächelt. Sogar gelacht. Sie erinnerte sich an seine Stimme, tief und mit einem ganz schwachen Akzent.

Das war vor vier Monaten gewesen, wie man ihr gesagt hatte. Und in der Zwischenzeit hatten sie geheiratet, und sie war anscheinend nach Griechenland gezogen. Das war zu viel, um es zu verkraften, und Sasha dachte lieber nicht zu lange darüber nach.

„Bist du so weit? Der Fahrer wartet draußen“, sagte Apollo.

War sie das? Wollte sie einfach mit einem Mann mitgehen, der für sie kaum mehr als ein Fremder war? In einem fremden Land? Dennoch nickte sie und stand auf. Sie war noch immer etwas wacklig auf den Beinen.

Apollo nahm ihre Tasche. Er hatte ihr Kleider zum Anziehen mitgebracht. Auch das war verwirrend, denn Sasha konnte sich nicht vorstellen, freiwillig so etwas anzuziehen. Eine enge cremefarbene Seidenhose, ein dazu passendes Top und einen kurzen Blazer. Sandaletten mit Pfennigabsätzen, auf denen sie sich kaum auf den Beinen halten konnte.

Apollo öffnete die Tür für sie und trat zurück. Sasha holte Atem und verließ den Raum, vorsichtig und so anmutig wie irgend möglich.

Apollo ging neben seiner Frau den Flur entlang. Sie stakste wie ein neugeborenes Fohlen, das seine ersten Schritte machte, als hätte sie noch nie Pumps getragen. Das war merkwürdig, denn außer an jenem ersten Abend hatte er sie noch nie in flachen Schuhen gesehen.

Als sie stolperte, griff er nach ihrem Ellbogen, um sie zu stützen. Sie schaute zu ihm auf. „Danke.“

Das Haar fiel ihr in weichen natürlichen Wellen über die Schultern. Meistens trug sie es streng geglättet.

„Keine Ursache.“ Er biss die Zähne zusammen, als sie ihn beim Gehen flüchtig streifte und sein Körper unwillkürlich auf ihre Nähe reagierte. Sasha hatte heute kein Parfüm aufgelegt. Als sie den Flakon vorhin aus der Tasche gezogen und an ihrem Handgelenk ausprobiert hatte, hatte sie sie Nase gerümpft. „Ist das wirklich meins?“

Apollo hatte genickt. Insgeheim hatte er den Duft nie gemocht. Er war zu schwer. Zu süßlich.

Aber nun roch er nur noch sie. Seife und etwas einzigartig Feminines. Das erinnerte ihn an den ersten Abend, als ihn ihre frische ungekünstelte Schönheit in den Bann gezogen hatte.

Bis heute wusste er nicht, warum. Er kannte zahlreiche Frauen, die schöner waren als sie. Aber seit er Sasha das erste Mal gesehen hatte, hatte er sie anziehend und fesselnd gefunden, so ungern er das auch zugab.

Mit ihrer gespielten Unschuld hatte sie ihn bewusst verführt. Der älteste Trick der Welt, und er war darauf hereingefallen. Das machte ihn zornig, genau wie seine momentane Schwäche für sie.

Damals war sein Verlangen nach ihr so schnell erstorben, wie es aufgeflammt war, und das war ihm nur recht gewesen angesichts der Sachlage. Nun aber war es in voller Stärke zurückgekehrt.

Aber dieses Mal würde er sich nicht von ihr einwickeln lassen.

Sasha verzog das Gesicht, als sich Apollos Finger fester um ihren Arm schlossen. Sie versuchte, sich ihm zu entziehen. „Du kannst jetzt loslassen.“

Sofort wurde sein Gesicht ausdruckslos, und er nahm die Hand weg. „Der Wagen wartet direkt vor der Tür.“

Durch die Glastüren des Krankenhauses sah Sasha einen eleganten silbernen SUV vor dem Eingang warten, dessen Fahrer bereitstand, um ihr die Tür aufzuhalten.

Irgendwie ergab das alles keinen Sinn.

Sasha trat ins Freie und holte tief Atem. Es war warm und sonnig, ein schöner Frühsommertag.

Sie stieg in den Geländewagen. Schon nach diesen wenigen Schritten taten ihr die Füße weh. Es fiel ihr schwer zu glauben, dass sie regelmäßig solche Schuhe trug.

Oder … Sie warf Apollo einen Blick zu, als er auf der anderen Seite einstieg. Vielleicht war er es, der hohe Absätze mochte, und sie trug sie nur, um ihm zu gefallen?

Der Gedanke ließ sie erzittern. Ja, sie wollte ihm gefallen. Allerdings ließ sein frostiges Verhalten keinen Zweifel daran, dass ihm die gesamte Situation kein bisschen gefiel, und sie wusste nicht, warum.

Apollo sagte leise etwas auf Griechisch zu dem Fahrer, und das Auto fuhr los. Die Scheibe, die Fahrerraum und Rücksitzbank trennte, glitt hoch.

Apollos linke Hand ruhte auf seinem Bein. Stark und männlich, mit langen Fingern und kurzen gepflegten Nägeln. Sein Anzug sah aus, als wäre er nur dafür gemacht, um seinen attraktiven Körper zu betonen.

Als er zu ihr hinübersah, fiel es Sasha schwer, so zu tun, als hätte sie ihn nicht gerade angestarrt.

„Ist alles okay?“

Sasha nickte. Die Frage war höflich, aber die Anspannung blieb greifbar. „Wohin fahren wir?“

„In meine Villa. Es ist nicht weit.“

„Wohne ich dort schon lange?“

„Seit drei Monaten. Seit unserer Hochzeit.“

„Wo haben wir geheiratet?“

Er schaute sie so lange und prüfend an, dass sie spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Dann zog er ein Smartphone aus der Tasche, tippte etwas ein und reichte es ihr. „Wir haben in Athen standesamtlich geheiratet.“

Sasha schaute auf den Bildschirm. Es war der Link zu einer offiziellen Pressemeldung mit Bild. Sie vergrößerte den Ausschnitt. Ja, das war sie, aber zugleich kam es ihr vor, als stünde dort eine Fremde. Sie trug ein knielanges ärmelloses weißes Seidenkleid, dessen Ausschnitt beinahe bis zum Nabel reichte, enorm hohe Absätze, dazu jede Menge Make-up und teuren Goldschmuck, einen riesigen Diamantring. Allein das Bild zu betrachten, löste ein Gefühl der Verlegenheit in ihr aus. Sie schaute auf ihre Hände herab. „Habe ich viele Ringe getragen?“

„Ja. Die Ärzte sagten, du müsstest sie verloren haben.“

Sie schaute Apollo an. „Ich hoffe, sie waren nicht zu teuer.“

Er warf ihr einen überraschten Blick zu. „Keine Sorge, sie waren versichert.“

Sasha blickte noch einmal auf das Foto. Darauf strahlte sie an Apollos Seite, wohingegen ihr Ehemann alles andere als glücklich wirkte. Die Erinnerung an sein umwerfendes Lächeln musste falsch sein. Ein Wunschtraum.

Sasha überflog die Pressemeldung.

Bauunternehmer Apollo Vasilis heiratet seine englische Verlobte Sasha Miller in einer privaten standesamtlichen Zeremonie.

Sie reichte ihm das Telefon. Unzählige Fragen lagen ihr auf der Zunge, aber sie spürte einen beginnenden Kopfschmerz. Die Ärztin hatte ihr geraten, sich zu schonen.

Sasha blickte aus dem Fenster. Im Moment fuhren sie durch ein Villenviertel, wo riesige Anwesen umgeben von grünen Gärten hinter hohen Eisenzäunen oder hübschen Mauern standen. Anscheinend wohnten hier sehr wohlhabende Leute. Kurz darauf bog das Auto ab, und vor ihnen öffnete sich ein schmiedeeisernes Tor. Sasha sah sich mit großen Augen um, während sie durch eine parkähnliche Anlage in einen riesigen Hof fuhren und vor einer zweistöckigen Villa hielten. Vor der Eingangstür, die sich unter einem von Säulen getragenen Vordach befand, stand eine Frau in einem schwarz-weißem Kostüm und streng zurückgebundenem Haar.

Apollo stieg aus. Bevor Sasha herausgefunden hatte, wie die Tür aufging, war er schon auf ihrer Seite des Wagens, öffnete die Tür für sie und reichte ihr die Hand.

Sie hatte keine Wahl, als sich von ihm aus dem Auto helfen zu lassen. Ihre Haut prickelte, noch bevor sie ihn berührt hatte, als wüsste ihr Körper mehr als sie.

Als sie seine Hand ergriff, war es wie ein elektrischer Schlag. Sashas Gesicht brannte, und sobald sie konnte, entzog sie sich der Berührung.

Ihre Reaktion auf ihn, gerade in Kombination mit ihrer Verwirrung, war einfach zu viel. Sie beschloss, ihn nicht wieder zu berühren, wenn sie es vermeiden konnte.

Aber dann erinnerte eine leise Stimme sie daran, dass sie verheiratet waren.

Vor den Stufen zum Haus blieb sie wie angewurzelt stehen.

Bestimmt schliefen sie in einem Zimmer. In einem Bett.

Apollo war die Stufen hinaufgegangen und sah sich nach ihr um. „Sasha?“ Er klang ungeduldig.

Nur zögernd folgte sie ihm. Vielleicht konnte sie vorschlagen, in getrennten Zimmern zu schlafen, bis sie sich wieder an alles erinnerte? Sicher erwartete er nicht, dass sie mit ihm ein Bett teilte, wenn sie ihn kaum kannte? Ganz gleich, was ihr Körper ihr sagte.

Die Frau im Kostüm wartete geduldig. Sie wirkte nicht besonders erfreut, Sasha zu sehen – eher misstrauisch.

Sasha trat vor und reichte ihr die Hand. „Hallo.“

Die Frau zuckte kaum merklich zusammen, schaute fragend zu Apollo und schien von ihm eine Art Zeichen zu erhalten. Erst danach ergriff sie Sashas Hand. „Willkommen daheim, Kyria Vasilis.“

„Du erinnerst dich nicht an Rhea?“, fragte Apollo.

Sasha schüttelte den Kopf. „Nein, es tut mir leid.“

Die Frau ließ ihre Hand los und trat unsicher zurück.

„Ich werde meine Frau herumführen“, sagte Apollo zu ihr. „In ein paar Stunden wollen wir etwas Leichtes essen, Rhea. Auf der kleinen Terrasse.“

Die Frau nickte und verschwand im Inneren des Hauses. Sasha schaute ihr nach und war sich dabei absolut sicher, dieses Haus selbst noch nie betreten zu haben. Was nicht stimmen konnte: Sie hatte hier gewohnt. Anscheinend konnte sie ihrem Instinkt nicht vertrauen.

Zögernd folgte sie Apollo in die Eingangshalle und von dort aus auf einen Rundgang durch die angrenzenden Räume: das formelle Empfangszimmer und das informelle, das formelle Speisezimmer und das private.

Die Einrichtung war elegant und kostbar, ohne aufdringlich zu wirken. Gedämpfte Farben. Modern, aber mit klassischen Elementen. Riesige Gemälde schmückten die Wände, und zwischen zeitgenössischer Kunst standen Antiquitäten. Alle Räume hatten große Türen, die auf eine Terrasse auf der Rückseite des Hauses führten, mit Ausblick auf einen riesigen Garten.

Sasha trat auf die Terrasse hinaus. Die Villa lag auf einem der sieben Hügel Athens. Es duftete nach den Blumen, die an der Mauer der Terrasse emporrankten. Sie versuchte, sich daran zu erinnern, hier schon einmal gestanden zu haben, aber ihr Gedächtnis ließ sie weiterhin im Stich. „Ist das Haus schon lange in Familienbesitz?“

Apollo trat neben sie. „Nein, ich habe es selbst gebaut.“

Sasha sah ihn an. „Du hast es gebaut?“

Sein Gesicht verhärtete sich. „Nicht ich persönlich. Mein Bauunternehmen.“

Sasha runzelte die Stirn. „Hast du überhaupt Familie?“

Flüchtig zeigte sich ein Hauch von Schmerz in seinem Gesicht. „Meine Eltern sind tot. Mein Vater hat auch im Baugewerbe gearbeitet, aber er war Angestellter. Es ist meine Firma.“

„Es tut mir leid, dass sie gestorben sind. Wie ist das passiert?“

Einen Moment lang dachte sie, er würde nicht antworten. „Eine Kette von unglücklichen Ereignissen.“ Nach dieser knappen Erklärung ging er zurück ins Innere des Hauses. „Komm, ich zeige dir den Rest.“

Sasha folgte ihm.

Dieses Haus, begriff sie, war ein Palast. Im Keller befanden sich ein Fitnessstudio und ein Heimkino, ein Whirlpool, ein Dampfbad und eine Sauna. Und Räume für Massage und Wellness, durch die man in einen tiefer gelegenen Bereich des Gartens gelangte, mit Liegestühlen und einer zwischen zwei Bäumen aufgespannten Hängematte.

Apollo deutete auf den Garten. „Da hinten ist der Pool.“

Sie gingen wieder hinein und nach oben. Apollo zeigte ihr sein Arbeitszimmer im ersten Stock, voller Bücherregale und Akten. Anschließend deutete er auf eine Tür an der gegenüberliegenden Wand. „Das ist dein Büro.“

Sie konnte ihre Überraschung nicht verbergen. „Ich habe ein eigenes Büro?“

Schweigend deutete er darauf, und sie betrat den Raum, ohne zu wissen, warum sie zögerte.

Der Teppich und der Schreibtisch waren weiß. Auf dem Schreibtisch stand ein teurer Computer. Alles andere wirkte … überladen, rosa und geblümt. Die Regale waren bis auf wenige Bücher leer. Ein mit pinkem Samt überzogener Sessel mit dazu passender Fußbank sah aus, als hätte noch nie jemand darin gesessen. „Was mache ich denn eigentlich beruflich?“

Apollo lehnte in der Tür, die Arme vor der Brust überkreuzt. Sein Gesichtsausdruck war ein wenig geringschätzig. „Du hast gesagt, du wolltest eine PR-Agentur eröffnen.“

Sasha sah ihn überrascht an. „Ist das mein Beruf? Öffentlichkeitsarbeit?“

Er zuckte die Schultern. „Als wir uns getroffen haben, hast du bei einem Empfang Drinks serviert. Deine Erfahrung mit PR scheint sich auf Servicedienstleistungen zu beschränken.“

Seinen Tonfall konnte Sasha nicht deuten.

Als Nächstes folgte sie ihm hinauf in den zweiten Stock, in dem die Schlafzimmer lagen. Er führte sie an den Gästezimmern vorbei zum Ende des Flurs und öffnete eine Tür. „Das hier ist dein Zimmer.“

Sie ging hinein, blieb stehen und drehte sich um. „Mein Zimmer?“

„Ja.“ Apollo war in der Tür stehen geblieben.

Sasha wurde der Mund trocken. Ihre Füße taten weh, und in ihrem Kopf pochte es. „Wir haben kein gemeinsames Schlafzimmer?“

Langsam schüttelte er den Kopf. „Nein.“

Sie wollte unbedingt wissen, warum, und er sah so aus, als ob er die Frage erwartete, aber aus irgendeinem Grund konnte sie sich nicht dazu durchringen, sie zu stellen. Noch nicht.

Sie nahm an, dass die Antwort auch vieles anderes erklärte. Seine kalte distanzierte Art. Den misstrauischen Blick der Haushälterin.

Sasha war sich nicht sicher, ob ihr die Antwort gefallen würde. Also sagte sie nichts und ging stattdessen ins Zimmer und sah sich um.

Der Teppich war so weich, dass ihre Absätze darin versanken. Spontan schlüpfte sie aus den Schuhen und genoss es, den weichen Stoff unter ihren schmerzenden Zehen zu spüren.

Autor

Abby Green

Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...

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