Fest der Liebe mit dem argentinischen Playboy

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Heiße Leidenschaft erfasst den argentinischen Milliardär Sebastio Rivas, als er die aparte Dekorateurin Edie bei der Arbeit beobachtet. Diese elfenhafte Traumfrau will er unbedingt erobern - und verfällt auf eine verführerische List: Sie soll seinen Landsitz weihnachtlich schmücken. Er hasst zwar das Fest der Liebe, aber vielleicht küsst er Edie dafür bald unterm Mistelzweig? Sein Plan geht auf - doch die Liebesnacht mit der zarten Schönheit auf dem tiefverschneiten Anwesen hat für den erfolgsverwöhnten Playboy erschütternde Folgen ...


  • Erscheinungstag 22.10.2019
  • Bandnummer 2410
  • ISBN / Artikelnummer 9783733712525
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Nur noch eine letzte Frage, wenn Sie erlauben, Mr. Rivas?“

Sebastio Rivas zwang sich zu einem Lächeln. „Selbstverständlich.“

Die Worte seines Anwalts klangen in seinen Ohren. „Ich weiß, wie sehr du so etwas hasst, Sebastio, aber seit dem Tod deines Vaters vor einem Jahr bist du das Gesicht der Rivas-Bank, und jeder will etwas von dir. Du kannst dich nicht ganz abschotten. Die Medien … die Menschen … wollen den Mann kennenlernen, der ganz alleine einen zutiefst verschuldeten Konzern wieder in eine international erfolgreiche und respektierte Bank verwandelt hat.“

Sein Lächeln wirkte offensichtlich furchterregend, denn der Journalist des international führenden Finanzmagazins sah ihn nervös an.

Sebastio fühlte sich eingeengt in seinem Anzug, und die Krawatte schnürte ihm die Luft ab. Es waren Momente wie dieser, in denen er sich am meisten nach der Vergangenheit sehnte – danach, wieder das Trikot der argentinischen Nationalmannschaft zu tragen, vierzehn Teammitglieder hinter sich, nach der ehrfürchtigen Stille in dem riesigen Rugbystadium, wenn alle mit angehaltenem Atem darauf warteten, ob er den Ball über die Linie bringen konnte.

Er vermisste, wie einfach es gewesen war, wenn das gesamte Team nur ein Ziel kannte. Gewinnen. Jeder gab sein Bestes, und gemeinsam waren sie nicht aufzuhalten. Nie wieder hatte er diese unglaubliche Solidarität erlebt.

Weil du es kaputt gemacht hast.

Der Journalist räusperte sich und holte ihn damit wieder zurück in die Gegenwart – was Sebastio nur recht war, denn er hatte heute nicht das geringste Bedürfnis nach einer Reise in die Vergangenheit.

Der Journalist konnte offensichtlich nicht Sebastios Gedanken lesen, denn er sagte fröhlich: „Ihr jetziges Leben unterscheidet sich sehr von dem eines Rugbyspielers für die Nationalmannschaft. Sie haben nie Interesse am Bankwesen gezeigt, und doch haben Sie nach dem Tod Ihres Vaters in wenigen Monaten die Rivas-Bank wieder in ein erfolgreiches Unternehmen verwandelt.“

Sebastios Augen wurden schmal, aber der junge Mann wich seinem Blick nicht aus. Vielleicht war er gar nicht so nervös. Aber Sebastio musste zugeben, dass die Frage naheliegend war. Immerhin war er einer der meistgefeierten Athleten seiner Generation gewesen und Kapitän der argentinischen Nationalmannschaft, die wieder und wieder die besten Teams der ganzen Welt geschlagen hatte.

Am liebsten hätte er das Interview auf der Stelle beendet, aber er wusste, das war unmöglich. Also zwang er sich wieder, weiter zu lächeln und sagte gelassen: „Ich habe mich schon immer für das Bankwesen interessiert. Die Rivas-Familie war eine der ersten, die in Südamerika eine Bank eröffnet hat, das Geschäft liegt mir im Blut.“

„Und doch ist es mit der Rivas-Bank in der letzten Zeit abwärtsgegangen.“

Sebastio fiel das Lächeln immer schwerer. „Das ist wahr. Aber das liegt nun in der Vergangenheit.“

Er musste nicht daran erinnert werden. Er hatte es selbst miterlebt, und er kannte die Gründe für den Abstieg der Bank nur allzu gut. Hauptgrund war die skandalöse Scheidung seiner Eltern gewesen. Skandalös wegen der schamlosen Untreue auf beiden Seiten. Und wegen des maßlos ausschweifenden Lebensstils, der vor Gericht ausgebreitet worden war. Ganz zu schweigen von dem erbarmungslosen Streit um das Sorgerecht für den achtjährigen Sebastio.

Als sich später die Wogen wieder geglättet hatten und Sebastios Vater das Sorgerecht zugesprochen worden war, fuhr dieser fort, den Rest des Familienvermögens zu vertrinken und zu verspielen.

Sebastio musste zugeben, dass seine eigene Lebensweise nichts dazu beigetragen hatte, die Katastrophe zu stoppen. Als einziger Sohn hatte er seinem Erbe den Rücken zugekehrt, um Rugby zu spielen – was genauso viel mit seiner Rebellion gegen die Familie zu tun hatte, wie mit seiner Liebe zu dem Sport.

Dank seiner Herkunft, seines guten Aussehens und seinem Erfolg als Rugbyspieler besaß er den Ruf, einer der begehrtesten Junggesellen der Welt zu sein. Und einer der berüchtigtsten Playboys.

Nachdem Sebastio seine Sportkarriere an den Nagel gehängt hatte, war er in einer außerordentlichen Vorstandsversammlung gebeten worden, den Vorsitz der Rivas-Bank zu übernehmen.

Sobald Sebastio begriff, wie viele Leben direkt und indirekt von der Bank seiner Familie abhängig waren – wie viele Existenzen sein Vater aufs Spiel gesetzt hatte – gab es für ihn keine Wahl mehr. Er nahm seinen Platz ein und gewann die Kontrolle über das sinkende Schiff zurück.

Er hatte schon genug Schuld für ein ganzes Leben auf sich geladen. Er brauchte nicht noch mehr davon. Darum konnte er sich nicht einfach zurücklehnen und tatenlos zuschauen, wie Tausende von Menschen durch das Verhalten seines Vaters zugrunde gingen.

Die vergangenen drei Jahre hatte er damit verbracht, mehr und mehr Verantwortung zu übernehmen, während es mit seinem Vater immer weiter bergab ging. Hugo Rivas konnte es nie verwinden, dass die schönste Frau Argentiniens ihn verlassen hatte.

Die Leute sagten über Sebastio, dass ihm die Fähigkeit, das Finanzwesen zu verstehen und eine Bank zu leiten, in den Genen lag, aber seiner Meinung nach verdankte er seinen Erfolg vor allem dem Glück.

Die Stimme des Journalisten drang in seine Gedanken. „Sie haben sich nach dem tragischen Autounfall von Victor Sanchez und seiner Frau vom Rugby zurückgezogen. Wie viel hatte der Unfall damit zu tun, dass Sie ins Familiengeschäft eingestiegen sind? Stehen Sie immer noch mit Victor Sanchez in Kontakt?“

Sebastio war es, als würde eine Bombe in seinem Inneren explodieren. Er hatte nie über die Katastrophe gesprochen, die zwei Leben gekostet, ein drittes ruiniert und sein eigenes Leben für immer verpfuscht hatte. Er würde ganz bestimmt nicht jetzt damit anfangen.

Er stand auf und knöpfte sich sein Jackett zu. „Wenn das alles ist … ich muss zu einem Meeting.“

Auch der Journalist erhob sich, lächelte und streckte seine Hand aus. „Ich hoffe, Sie nehmen mir den Versuch nicht übel, Mr. Rivas. Mein Redakteur würde mir nie verzeihen, wenn ich die Frage nicht gestellt hätte, auf die jeder die Antwort wissen will.“

Sebastio nahm die Hand des Journalisten und drückte sie fest genug, dass der junge Mann zusammenzuckte. Er zeigte seine Zähne in einem weiteren herzlichen Lächeln. „Sie können fragen, so viel Sie wollen – aber ich werde nicht antworten.“

Er drehte sich um und ging hinaus, während er versuchte, seinen Ärger über die unwillkommenen Erinnerungen zu verdrängen. Erinnerungen an die schlimmste Nacht seines Lebens.

Das Geräusch von Metall auf Metall und der Geruch von ausströmendem Benzin waren immer noch lebhaft genug, dass Sebastio der kalte Schweiß ausbrach. Und das Bild, wie die Frau seines Freundes in einem unnatürlichen Winkel auf der Straße lag, herausgeschleudert aus dem Wagen, ihr Kopf umgeben von einer immer größer werdenden Blutlache.

Er presste den Mund zu einer schmalen Linie zusammen, zog seinen Mantel an und verließ das exklusive Londoner Hotel. Er war Tausende Kilometer von Buenos Aires entfernt, doch die Vergangenheit ließ ihn nicht in Frieden.

Du verdienst es nicht.

Sein Mund wurde schmaler. Er verdiente keinen Frieden. Vielleicht sollte er dem Journalisten dankbar sein, weil er ihn daran erinnert hatte.

Er sah, wie sein Fahrer aus dem Wagen sprang und ihm eilig die Tür öffnete. Sofort verspürte er wieder das Gefühl, gefangen zu sein. „Schon gut, Nick. Ich gehe zu Fuß ins Büro zurück.“

Der Chauffeur neigte den Kopf. „Sehr wohl, Sir. Ein schöner Tag für einen Spaziergang.“

War es ein schöner Tag? Sebastio sah zu, wie der Fahrer den Wagen geschickt in den Londoner Verkehr einfädelte. Wahrscheinlich war es das – einer der seltenen sonnigen englischen Wintertage, klar und trocken. In der Luft lag Frost, und Weihnachten stand vor der Tür. Straßen und Geschäfte waren festlich geschmückt.

Sebastio ging an Frauen in teuren Pelzmänteln vorbei, an Männern in maßgeschneiderten Anzügen und Mänteln, genau wie er selbst.

Er stellte den Kragen gegen die Kälte hoch und bemerkte nicht die Blicke der Frauen. Er überquerte die Straße und wich einem besonders protzig geschmückten Baum aus, vor dem einige kostümierte Sänger standen und Weihnachtslieder sangen.

Sebastio verabscheute Weihnachten aus zahllosen Gründen. In den vergangenen drei Jahren war er dem Fest entkommen, indem er in Teile der Welt flüchtete, in denen Weihnachten nicht so sehr gefeiert wurde. In einem Jahr war er nach Afrika gereist, im nächsten nach Indien, und letztes Jahr hatte er die Zeit in Bangkok verbracht.

Im ersten Jahr – nachdem der Unfall passiert war – hatte Sebastio die Weihnachtstage in einem Nebel aus Trauer, Schuld und so intensivem Schmerz verbracht, dass er nicht sicher gewesen war, ob er es überstehen würde.

Das hatte er getan. Und jetzt war er hier in London, dem Zentrum des Weihnachtswahnsinns. Denn er verdiente es nicht zu entkommen.

Außerdem hatte die Rivas-Bank gerade hier ihre europäische Hauptgeschäftsstelle eröffnet. Sebastio würde die Weihnachtszeit nutzen, um in seinem Haus einige wichtige Empfänge zu geben, die seinen Platz in der englischen und europäischen Gesellschaft festigen würden.

Der Vorstand der Bank hatte ihm sogar empfohlen, sein Haus für die Empfänge weihnachtlich zu schmücken, aber schon der Gedanke, von Bäumen und Weihnachtskugeln und blinkenden Lichtern umgeben zu sein, schnürte ihm die Luft ab.

Jetzt ging er an den Schaufenstern eines der bekanntesten Kaufhäuser der Welt vorbei. Ein Schild hing vor roten Samtvorhängen.

Das berühmte Marriotts-Weihnachtsschaufenster wird an diesem Wochenende enthüllt werden.

Frohe Weihnachten!

Eine Gruppe kichernder Kinder versuchte, durch einen kleinen Spalt zwischen den Vorhängen zu spähen, bevor sie mit ihren Eltern weitergingen.

Sebastio spürte einen so heftigen Schmerz, dass er fast mitten auf der Straße stehen geblieben wäre. Wäre der Unfall nicht geschehen, wäre Victors und Mayas Tochter jetzt …

Er schüttelte den Kopf, um dem Gedanken zu vertreiben. Instinktiv entfernte er sich von dem Trubel und bog in eine Seitengasse ein. Wieder verfluchte er den Journalisten, dass er diese Lawine der Erinnerungen ausgelöst hatte.

In diesem Augenblick wandte er den Kopf und sah, dass er an einem weiteren der berühmten Weihnachtsfenster vorbeiging, doch diesmal waren die roten Samtvorhänge ein Stückchen geöffnet.

Fast widerwillig blieb er stehen und betrachtete die Szene im Schaufenster – einen magischen Feenwald mit Elfen und Kobolden …

Einen Moment lang konnte Sebastio sich nicht losreißen. Die Szene war weihnachtlich, aber … gleichzeitig auch nicht. Eine lange vergessene Erinnerung tauchte tief in seinem Inneren auf. Eine unangenehme Erinnerung, dass er Weihnachten nicht immer gehasst hatte.

Seine Großmutter war Engländerin gewesen, und seine Eltern brachten Sebastio jedes Jahr Weihnachten zu ihr, wenn sie selbst auf Reisen gingen. Diese Feiertage waren jedes Mal märchenhaft gewesen. Seine Großmutter hatte mit ihm Theaterstücke im Londoner West End besucht, sie dekorierten gemeinsam das Haus, sahen sich Filme an, spielten Gesellschaftsspiele.

All die Dinge, die er nie mit seinen Eltern unternahm, weil sie zu sehr damit beschäftigt waren, Affären zu haben, zu streiten oder sich auf luxuriösen Versöhnungsreisen zu amüsieren.

Sebastio hatte ihre Rückkehr jedes Mal gefürchtet. Er erinnerte sich an ein Jahr, in dem er sich weinend an seine Großmutter geklammert hatte, doch sein Vater hatte ihn unsanft weggezogen …

Kurz danach war seine Großmutter gestorben, doch sie waren nicht einmal zu ihrer Beerdigung gereist. Manchmal fragte Sebastio sich, ob er sich das alles nicht nur eingebildet hatte. So ausgehungert nach der Zuneigung seiner Eltern, dass er sich eine liebevolle Großmutter ausgedacht hatte, wie ein Märchen …

Je mehr Zeit verging, desto mehr kam ihm die Erinnerung nur wie eine Fantasie vor. Darum hatte er sie schließlich verdrängt und sich selbst davon überzeugt, dass er Weihnachten hasste. Weil er wusste, er würde nie wieder etwas ähnlich Magisches erleben, und sich danach zu sehen, war ein Zeichen von Schwäche.

Aus dem Augenwinkel bemerkte er jetzt eine Bewegung im Schaufenster. Er sah eine Frau neben dem Märchenwald stehen. Sie hatte eine Hand in die Taille gestemmt, den Kopf zur Seite gelegt und schaute zu, wie ein junger Mann auf einer Leiter stand und einen glitzernden Stern an einen der Äste hängte. Offenbar war die Schaufensterdekoration noch nicht fertig.

Er wusste nicht, warum die Frau seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Sie stand mit dem Rücken zu ihm und trug schlichte schwarze Hosen, ein langärmeliges schwarzes Oberteil und flache Schuhe. Er sah, wie sie den Kopf schüttelte. Ihr glänzendes kurzes Haar schimmerte goldbraun im Licht. Dann bückte sie sich, hob etwas vom Boden auf und reichte es dem Mann auf der Leiter. Als sie den Arm hob, enthüllte ihr T-Shirt einen flachen Bauch und eine schmale Taille.

Ein seltsames Gefühl durchzuckte Sebastio. Ein Gefühl, das er so lange nicht mehr gespürt hatte, dass er es im ersten Augenblick gar nicht erkannte. Interesse. Erregung. Fast vier Jahre war es her.

Dann, als hätte sie seine Aufmerksamkeit gespürt, drehte die Frau sich langsam um. Ihr Anblick traf Sebastio vollkommen unvorbereitet wie ein Schlag in den Magen. Sie war atemberaubend. Riesige Augen unter dunklen, schön geschwungenen Brauen. Ausgeprägte Wangenknochen und ein üppiger Mund, betont durch ihr kurzes Haar. Vorn etwas länger als im Nacken, lag es in weichen Strähnen um ihr Gesicht und ließ sie fast jungenhaft aussehen.

Heftiges Verlangen stieg in ihm auf – und überraschte ihn. Bisher hatte er sich stets zu klassisch schönen Frauen mit üppigen, weiblichen Formen hingezogen gefühlt. Doch diese Frau sah aus, als könnte der nächste Windstoß sie umpusten. Und doch konnte er eine innere Stärke bei ihr spüren. Verrückt, schließlich kannte er sie gar nicht, und zwischen ihnen befand sich eine dicke Glasscheibe.

Die Frau starrte Sebastio an. Einen Augenblick lang hielten ihre Blicke einander fest. Ihre Augen waren tiefblau. Selbst aus der Entfernung konnte Sebastio ihre langen Wimpern erkennen. Und dann, als wäre sie aus einer Trance erwacht, kam sie herüber, zog die Vorhänge zu und ließ Sebastio nur mit dem Spiegelbild seiner eigenen verzerrten Gesichtszüge im Fenster zurück.

Er fühlte sich wie bei einem äußerst seltsamen Déjà-vu – als hätte er sie irgendwo schon einmal gesehen. Doch das eigenartige Gefühl war so schnell wieder verschwunden, dass er es nicht greifen konnte.

Er war fassungslos. In den vergangenen vier Jahren hatte keine Frau so ein heftiges, plötzliches Verlangen in ihm geweckt. Auch wenn das niemand glauben würde. Sebastio war ein Meister der Täuschung.

Er hatte seine verkümmerte Libido hinter einigen aufsehenerregenden Dates verborgen, die aber nie über einen Kuss hinausgegangen waren. Zum ersten Mal begrüßte er seinen Ruf als Playboy, der nun über sein enthaltsames Leben hinwegtäuschte.

Wieder dachte er an die Schaufensterdekoration. Der Märchenwald hatte ihn auf den ersten Blick gefangen genommen – was höchst ungewöhnlich war, da er doch solch eine Abneigung gegen Weihnachten hegte.

Er dachte an die Empfehlung, sein eigenes Haus für die Weihnachtsempfänge zu dekorieren, und ihm kam ein Gedanke …

Die Frau hatte vielleicht seine erotische Aufmerksamkeit erregt, aber er brauchte sie für etwas weitaus Nützlicheres.

Sebastio drehte sich um und ging zurück zur Hauptstraße, in der sich die Menschen drängten. Er entdeckte den Eingang des Kaufhauses und ging zielstrebig darauf zu.

Edie Munroe starrte auf die geschlossenen Vorhänge, als wäre sie hypnotisiert. Oder hätte einen Schlag auf den Kopf bekommen. Nicht in einer Million Jahren hätte sie erwartet, ihn jemals wiederzusehen, und doch … das hatte sie gerade.

Und es hatte sie heute genauso heftig getroffen wie vor vier Jahren, als sie ihm in dem überfüllten Nachtclub in Edinburgh zum ersten Mal gegenübergestanden hatte.

Er kann es nicht gewesen sein, sagte sie sich, während sie spürte, wie eine Gänsehaut ihren Körper überzog. Es konnte nicht Sebastio Rivas gewesen sein.

Die Tatsache, dass sie sich an seinen Namen erinnerte, gefiel ihr nicht.

Wie groß war die Chance, dass wirklich er es gewesen war? Bestimmt besaß nur irgendjemand eine verblüffende Ähnlichkeit mit ihm. Schließlich war Sebastio ein berühmter internationaler Rugbystar. Warum um alles in der Welt sollte er durch irgendeine Seitenstraße in London spazieren?

Aber ihr schneller Herzschlag sagte ihr, dass er es gewesen war.

Wie ärgerlich, dass kein anderer Mann in den letzten vier Jahren auch nur annähernd denselben Effekt auf sie gehabt hatte. Und sie hatte es wirklich versucht. Sie hatte es mit Blind Dates versucht und hatte im Internet Männer kennengelernt und sich mit einigen getroffen. Aber jedes Mal, wenn ein Mann versuchte, ihr näherzukommen, zog Edie sich sofort zurück.

Weil sie das Gefühl nicht aus dem Kopf bekommen konnte, das er vor vier Jahren in ihr ausgelöst hatte.

Lebendig und energiegeladen. Vibrierend vor Lebensfreude. Verbunden. Hoffnungsvoll.

Und erregt.

Zum ersten Mal in ihrem Leben begriff sie, was gemeint war, wenn die Leute von Liebe auf den ersten Blick sprachen.

Ein ganz unbekanntes Verlangen hatte sie erfüllt, und instinktiv wusste sie, dass nur er es stillen konnte. Verrückt, schließlich war er ein vollkommen Fremder. Und doch war ihr Verlangen so stark gewesen, dass sie es noch heute spüren konnte. Dabei hatte die gesamte Begegnung mit Sebastio Rivas gerade mal fünf Minuten gedauert. Er hatte ihr gesagt, sie sollte verschwinden.

Er war unerreichbar für sie gewesen, eine Nummer zu groß, und er hatte nicht gezögert, ihr das klarzumachen.

Sie konnte sich nur allzu genau an diese unwiderstehliche Anziehungskraft erinnern, die sie quer über die gesamte Tanzfläche zu ihm gezogen hatte – wie jede andere Frau im Raum. Bei der Erinnerung spürte sie die Demütigung noch genauso stark wie an jenem Abend. Vor allem, nachdem er sie weggeschickt hatte.

Dabei war sie so sicher gewesen, dass sie etwas gesehen hatte … gespürt. Ihre Blicke hatten sich getroffen, und irgendetwas geschah zwischen ihnen. Sie konnte es in seiner Haltung erkennen, in seinen Augen. Eine Art Zerbrechlichkeit. Und in ihr war genau dasselbe vorgegangen.

Sie hatte gerade einen schweren Leidensweg hinter sich gebracht – eine Krebserkrankung, die mit siebzehn Jahren bei ihr festgestellt worden war und ihr Leben von einem Augenblick auf den anderen auf den Kopf gestellt hatte. Es wurde zu einem Kampf ums Überleben, mit endlosen qualvollen Behandlungen und sterilen Krankenhauszimmern.

Achtzehn Monate lang wusste sie nicht, ob sie leben oder sterben würde, und teilweise ging es ihr so schlecht, dass sie fast wünschte …

Edie drängte den Gedanken zurück und erinnerte sich an die besorgten, gequälten Gesichter ihrer Eltern.

An jenem Tag hatte sie die Nachricht bekommen, dass ihre Krankheit besiegt war, und der Abend im Nachtclub war ihr erster Ausflug zurück ins Leben gewesen. Sie hatte alles so intensiv gefühlt, wie nie zuvor. Zu intensiv. Zu viel.

Sie erinnerte sich an das Kleid, das sie von einer Freundin geliehen hatte. Kurz, silbern und hauteng. Ganz und gar nicht ihr Stil. Aber der ganze Abend war eine Feier gewesen, die sie nie zu feiern gehofft hatte. Eine Feier des Lebens.

Und weil ihr Haar noch sehr kurz war, trug sie eine Perücke. Einen schulterlangen Bob. Leuchtend rot und heiß und unbequem. Aber all das hinderte sie nicht daran, auf den attraktivsten Mann im Club zuzugehen.

Er musste mindestens einsneunzig groß sein und besaß den durchtrainierten Körper eines Profisportlers. Der dunkle Anzug konnte seine Kraft nicht verbergen.

Wie um sich selbst davon zu überzeugen, sagte sie sich jetzt noch einmal, dass der Mann draußen vor dem Fenster nicht er gewesen sein konnte. Aber dieses Gesicht würde sie nie vergessen. Wie aus Stein gemeißelt.

Scharfe Linien, markante Gesichtszüge. Tiefliegende Augen unter schwarzen Brauen. Dichtes dunkles Haar, das ihm zerzaust in die Stirn fiel. Sich um den Kragen lockte. Und ein Mund, wie geschaffen für die Sünde. Voll und sinnlich.

„Edie … Erde an Edie … kann ich jetzt herunterkommen?“

Sie wirbelte herum, entsetzt über ihre Reaktion auf jemanden, der wahrscheinlich nicht einmal jener Mann von damals gewesen war.

„Natürlich, Jimmy“, plapperte sie drauflos. „Ich denke, die Mann-im-Fenster … ich meine, die Mann-im-Mond-Dekoration passt besser als der Stern.“ Sie hoffte, dass Jimmy nicht bemerkte, wie glühend rot sie bei ihrem Versprecher wurde.

„Nicht, dass irgendjemand das sehen wird“, brummte der junge Mann, während er von der Leiter stieg. „Unser Fenster liegt schließlich nur in einer Seitengasse.“

„Das heißt, wir haben mehr Freiheiten bei unserer kleinen Dekoration und können kreativer sein“, erwiderte Edie heiter.

Klein ist das Schlüsselwort. Ich hasse es, dass nur die großen Designer die Hauptfenster dekorieren dürfen. Das ist so … kommerziell.“

„Ich weiß“, sagte Edie und verbarg ihr Lächeln über die Empörung des Studenten. Sie selbst hatte nie die Universität besucht und sich ihren Weg zur Schaufensterdekorateurin hart erarbeitet. „Aber so ist es nun mal, und ich bin sicher, dass die Fenster auch wunderschön aussehen werden.“

„Aber nicht magisch.“

Insgeheim stimmte Edie ihm zu. Sie liebte ebenfalls die Magie und den Zauber, die zu Weihnachten gehörten. Sie liebte alles an Weihnachten, und sie versuchte, etwas von diesem magischen Zauber in dem Schaufenster zu erschaffen, auch wenn es vielleicht nicht viele Leute sehen würden. Aber die Zeiten hatten sich geändert, und heutzutage hatten die großen Modedesigner mehr Einfluss als die Künstler – vor allem zur Weihnachtszeit.

Sie öffnete eine weitere Kiste mit Weihnachtsschmuck und sagte: „Stimmt. Jetzt machen wir eine kleine Teepause, und dann fangen wir mit den Sachen hier an. Das Fenster muss heute Abend fertig werden.“

Jimmy salutierte spielerisch. „Zu Befehl, Boss.“

Edie lächelte, als er hinausging, dann sah sie auf ihre Uhr und seufzte. Sie wusste, sie sollte sich auch eine Pause gönnen, aber wenn sie das Fenster heute fertig bekommen wollten … Sie beschloss, ohne Pause weiterzumachen.

Sobald sie mit nichts anderem mehr beschäftigt war als mit dem Auswickeln des Weihnachtsschmucks, wanderten ihre Gedanken zurück zu dem Mann – zu ihm.

Misstrauisch sah sie zu dem Vorhang, dann stand sie auf und ging vorsichtig hinüber und spähte durch einen Spalt hinaus.

Natürlich war die Straße leer. Seltsamerweise fühlte sie sich enttäuscht. Und dumm. Vielleicht hatte sie sich ihn nur eingebildet?

Edie zog die Vorhänge fest wieder zu und drehte sich um. Sie würde sich alle Gedanken an beunruhigende Männer und Erinnerungen aus dem Kopf schlagen. Sie hörte ein Geräusch. Lächelnd sah sie auf und erwartete, Jimmy vor sich zu sehen.

Aber es war nicht Jimmy. Das Lächeln wich aus ihrem Gesicht.

Ihre Vorgesetzte stand in der Tür, und hinter Helen stand … er. Sogar noch größer und einschüchternder, als sie ihn in Erinnerung hatte. Keine Fantasie. Wirklichkeit.

Helen trat ein. Normalerweise behielt die blonde Frau in jeder Situation einen klaren Kopf, doch jetzt glühten ihre Wangen, und ihre Augen leuchteten. „Edie, ich würde dich gern jemandem vorstellen.“

Edies Füße klebten am Boden. Sie konnte nicht glauben, dass dies wirklich passierte. Und alles, was sie denken konnte, war: Wird er mich erkennen? Ihr Verstand sagte ihr, nein, natürlich nicht. An jenem Abend hatten sie kaum miteinander geredet. Sie sah inzwischen ganz anders aus. Und doch konnte sie nicht leugnen, dass ihr Herz raste.

Ihre Chefin sagte: „Edie, das ist Mr. Sebastio Rivas – Mr. Rivas, das ist Edie Munroe, eine unserer Schaufensterdekorateurinnen.“

Edie trat vor. Der Raum im Schaufenster war immer beengt, doch jetzt fühlte er sich plötzlich winzig an. Sie zwang sich, Sebastio Rivas anzusehen, und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Er sah genauso aus wie in ihrer Erinnerung. Wenn auch etwas ordentlicher. Sein Haar war immer noch lang, aber nicht mehr so zerzaust. Der oberste Hemdknopf war geschlossen, die Krawatte makellos gebunden.

Edie verspürte den seltsamen Impuls, sie für ihn zu lockern, als könnte sie spüren, dass er sich eingeengt fühlte.

Verrückt. Er war ein Fremder. Das war er damals gewesen, und das war er heute. Er betrachtete sie aufmerksam, aber in seinen Augen konnte sie keinen Funken des Erkennens sehen. Sie wusste nicht, ob sie erleichtert oder enttäuscht war.

Er streckte ihr die Hand entgegen. „Schön, sie kennenzulernen.“

Edie erwiderte den Handschlag, zwang sich, ihn anzusehen. Sie bemerkte, wie grau seine Augen waren. Fast wie Stahl. Er besaß lange dunkle Wimpern, die seine markanten Züge etwas weicher machten. Und dann dieser fast schon lächerlich sinnliche Mund.

„Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Miss Munroe.“

Beim Klang seiner dunklen Stimme überlief sie ein Schauer.

„Mr. Rivas möchte dir ein Angebot machen, Edie“, sagte ihre Chefin. „Würdest du mit uns kommen, damit wir darüber reden können?“

Sie wusste, das war keine Frage. „Natürlich. Jimmy wird bald zurück sein – er kann mit der Dekoration ohne mich weitermachen.“

Ihre Chefin nickte kurz und ging hinaus. Sebastio Rivas ließ Edie den Vortritt. Sie schlüpfte aus der Tür und war sich seiner Nähe dicht hinter ihr sehr bewusst. Während sie durch das Kaufhaus gingen, bemerkte sie, wie mehr als eine Frau den Kopf nach ihm umdrehte.

Erinnerungen an jenen Abend wurden wieder wach. Daran, wie ihr Herz vor Verlangen und Nervosität in der Brust gehämmert hatte, als sie sich über die Tanzfläche gekämpft hatte und vor ihm stand. Genau in diesem Moment hatte jemand sie angerempelt, und sie war gegen ihn zu gestolpert.

Reflexartig hatte er aufgefangen und dann überrascht angesehen. „Wer sind Sie?“ Seine Stimme hatte scharf geklungen. Fast anklagend.

Autor

Abby Green

Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...

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