Julia Extra Band 427

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IN DER OASE DER SINNLICHKEIT von PAMMI, TARA
Was ist mit Zafir geschehen? Lauren kommt fast um vor Sorge, als ihr Liebhaber spurlos aus New York verschwindet. Mutig reist sie in seine Heimat, den Wüstenstaat Behraat, und steht unvermittelt dem neuen Scheich gegenüber: mächtig, feurig - und verhängnisvoll vertraut!

DIE HEIMLICHE GELIEBTE DES KÖNIGS von GREEN, ABBY
Flirte niemals mit einem Playboy! Leila weiß, dass Alix Saint Croix den Ruf eines Casanovas besitzt und ihr das Herz brechen wird. Aber Alix ist nicht nur ein Playboy, sondern auch ein König. Darf sie es wagen, sich seinen Wünschen zu widersetzen?

LEIDENSCHAFT UNTER TAUSEND STERNEN von YATES, MAISEY
Mit exotischen Düften, Speisen und Klängen endet die orientalische Trauungszeremonie: Jetzt ist Olivia die Frau von Scheich Tarek al-Khalij, dem sie einen Erben schenken muss! Aber kann sie auch das gequälte Herz dieses mächtigen Kriegerkönigs gewinnen und glücklich mit ihm werden?

BLITZHOCHZEIT MIT EINEM TRAUMPRINZEN? von MEIER, SUSAN
Nie hat Ginny von einem Märchenprinzen geträumt! Dazu ist die junge Lehrerin viel zu realistisch. Aber dann tritt tatsächlich ein echter Prinz in ihr Leben. Und eine zärtliche Liebesnacht mit Prinz Dominic hat große Folgen: für Ginny, für Dominic - für das gesamte Königreich …


  • Erscheinungstag 10.01.2017
  • Bandnummer 0427
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708979
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Tara Pammi, Abby Green, Maisey Yates, Susan Meier

JULIA EXTRA BAND 427

TARA PAMMI

In der Oase der Sinnlichkeit

Eine Affäre mit der Amerikanerin Lauren wäre für Zafir, den neuen Scheich von Behraat, absolut unstandesgemäß. Dem krisengeschüttelten Land muss jeder Skandal erspart bleiben. Doch ist Zafir stark genug, sich gegen sein Herz entscheiden?

ABBY GREEN

Die heimliche Geliebte des Königs

Alix setzt alles daran, den Thron von Isle Saint Croix zurückzuerobern. Bis ihn eine schöne Frau gefährlich ablenkt: Nichts ersehnt der König im Exil plötzlich mehr, als Leila zu seiner Königin der Nacht zu machen …

MAISEY YATES

Leidenschaft unter tausend Sternen

Als Krieger des Reichs war Tarek die höfische Etikette egal! Aber nun ist er Scheich – und eine junge, verwitwete Monarchin aus dem Norden erklärt sich bereit, ihm majestätisches Verhalten beizubringen. Wenn er sie heiratet …

SUSAN MEIER

Blitzhochzeit mit einem Traumprinzen?

Für Prinz Dominic ist die Pflicht wichtiger als persönliches Glück. Weshalb er einer Vernunftehe mit einer Prinzessin des benachbarten Königreichs zustimmt. Doch eine Liebesnacht mit der süßen, bürgerlichen Ginny ändert alles …

1. KAPITEL

War er womöglich tot? Wie konnte ein lebensstrotzender Mann wie er sonst urplötzlich verschwinden? Der Mann, dessen Geliebte sie vor zwei Monaten gewesen war …

Die Fragen quälten Lauren Hamby seit Tagen. Wo immer sie ihn nach dem Aufstand in der verwüsteten, einst so farbigen Hauptstadt Behraat suchte, nirgends eine Spur von ihm.

Nun stand sie vor dem jahrhundertealten Handelszentrum und bebte vor Aufregung. Hier würde ihre Suche enden, das spürte sie. Sie kannte nur seinen Namen und wusste, wie er aussah, doch sie würde nicht aufgeben, war entschlossen herauszufinden, was mit dem Mann geschehen war, der ihr so viel bedeutete.

Die gepflegten grünen Parkanlagen um sie herum nahmen sich seltsam aus in der tödlichen Stille, die über der Stadt lastete. Im glitzernden Wasser des Mosaikbeckens spiegelte sich ihr banges Gesicht. Klopfenden Herzens ging sie den gefliesten Weg zwischen dem Pool und dem gemähten Rasen entlang.

Marmorstufen führten zu einer weitläufigen, mit Mosaiken ausgelegten Eingangshalle hinauf, die von einer gewaltigen Kuppel gekrönt wurde. Überall standen Riesenpalmen in mächtigen Übertöpfen.

Hier gab es so viel zu sehen und in sich aufzusaugen. Die Eindrücke und Düfte konnten Laurens Schmerz tagsüber betäuben – nachts überschwemmte die Trauer sie mit Bildern des geliebten Mannes, der in diesem Land aufgewachsen war.

In jedem gut aussehenden, hünenhaften Mann hoffte sie, Zafir zu erkennen. Sie dachte daran, wie stolz er ihr von seinem geliebten Behraat erzählt hatte.

„Kommst du, Lauren?“

Ihr Reporterfreund David hatte die jüngsten Aufstände in der Stadt seit Tagen mit der Kamera festgehalten.

Schnell wandte sie sich ab, als er den Camcorder auf sie richtete. „Hör auf, mich zu filmen, David. Du sollst Dokumentationsmaterial über die Aufstände sammeln – ich gehöre nicht dazu.“

Suchend blickte Lauren zum plätschernden Springbrunnen in der Mitte der Halle. Die Wasserfontänen blitzten in den Lichtstrahlen, die durch die filigranen Öffnungen in der Kuppel fielen, golden auf.

Überall in der marmornen Eingangshalle herrschte verwirrendes Treiben.

Langsam schlenderte Lauren an der Fontäne vorbei zum Empfang. Ein Stück entfernt hielt surrend ein gläserner Aufzug, mehrere Männer stiegen aus.

Auf einmal wurde es still um Lauren. Eine seltsame Anspannung lag in der Luft. Vor dem Aufzug bildete sich eine Gruppe von sechs Männern in landestypischen Gewändern. Einer von ihnen, der Größte, sprach auf Arabisch auf sie ein.

Seine Stimme drang zu Lauren durch, sie klang hart und unnachgiebig – und traf sie doch wie eine Liebkosung.

Aufgeregt wandte sie sich David zu, der die Gruppe hektisch filmte. Dann drehte der Hüne sich um, sodass Lauren ihn von vorne sehen konnte.

Wie versteinert stand sie da, in ihren Ohren rauschte es.

Zafir.

Das landesübliche rot-weiß gemusterte Tuch bedeckte seinen Kopf und ließ seine Züge kantiger wirken. Sein Ton strahlte Autorität und Macht aus, alles an ihm wirkte hart und gnadenlos.

Er war also nicht tot.

Erleichterung durchflutete Lauren, am liebsten wäre sie zu Zafir gestürzt, um ihn zu umarmen, sein Gesicht zu berühren …

Ein Schauer überlief sie.

Zafir war gesund und munter.

Und schien hier ganz in seinem Element zu sein. Dennoch hatte Lauren seit sechs Wochen nichts von ihm gehört.

Aufgeregt ging sie auf die Gruppe zu. Plötzlich überstürzten sich die Ereignisse. Ein Mann wandte sich zu ihr um und machte die anderen auf sie aufmerksam. Einer nach dem anderen sah sie an.

Lauren wagte kaum zu atmen, ihre Hände bebten. Die Sekunden wurden zur Ewigkeit. Irgendwie brachte sie nur ein hysterisches Lachen zustande.

Dann sah Zafir sie an, und was sie in seinen dunklen Augen las, ließ sie erstarren.

Alles um sie her verschwamm, die explosive Energie, die jeden Moment ihres Beisammenseins bestimmt hatte, schlug sie auch jetzt in ihren Bann.

Doch Zafir schien keineswegs erfreut zu sein, sie zu sehen.

Er war nicht einmal überrascht.

Von Gewissensbissen keine Spur.

Nun packte Lauren die Wut. Seinetwegen hatte sie sich die Seele aus dem Leib geweint, war vor Sorge um diesen Mann fast krank geworden – und er fühlte sich nicht einmal schuldig.

Interessiert verfolgten die Männer, wie Zafir auf sie zukam.

In einigem Abstand hatten sich zwei Sicherheitsleute postiert.

Wieso brauchte Zafir Sicherheitsleute?

Mit jeder Sekunde wuchs ihre Verwirrung.

Die überwältigende Ausstrahlung des Mannes, dessen kraftvollen Körper sie so gut kannte, schien sie zu durchdringen und unter seinen Willen zu zwingen. Dicht vor ihr blieb er stehen und sah sie erschreckend unbeteiligt an.

Majestätisch, fast verabschiedend nickte er ihr zu. „Ms. Hamby, was führt Sie nach Behraat?“

Ihr wurde eiskalt.

Ms. Hamby? Er nannte sie Ms. Hamby? Nach all dem, was zwischen ihnen gewesen war, behandelte er sie wie eine Fremde?

„Ist das alles, was du mir zu sagen hast, nachdem du spurlos verschwunden bist?“, empörte sie sich.

An Zafirs Schläfe pochte eine Ader, doch sein Blick blieb unbeteiligt, so fern und unerforschlich wie die Wüste, von der sie so viel gehört hatte. „Falls Sie ein Anliegen haben, müssen sie einen Termin ausmachen, Ms. Hamby“, erwiderte er höflich, aber leicht gereizt. „Wie jeder andere auch.“

Damit war sie entlassen.

Die eiskalte Abfuhr tat weh – doch Lauren dachte nicht daran, sich so einfach abfertigen zu lassen. „Termin? Das soll wohl ein Scherz sein?“

„Nein. Ich scherze nicht.“ Zafir trat noch näher, und ihr wurde bewusst, dass er nicht ganz so gelassen war, wie er sich gab. Ihr unerwartetes Erscheinen schien ihn aus dem Gleichgewicht gebracht zu haben. „Mach dich nicht lächerlich, Lauren.“

Kein Aufhebens, sollte das heißen.

Die Erkenntnis traf sie wie ein Messerstich.

„Werde erwachsen und denk daran, dass deine Eltern ein wichtiges Amt bekleiden. Keine Tränen, Lauren.“

Das war zu viel. Sie verlor die Beherrschung. Erinnerungen und Bilder schwirrten ihr durch den Kopf. Sie holte aus und versetzte Zafir eine schallende Ohrfeige.

Geräusche von eiligen Schritten durchdrangen den Nebel aus Wut. Ihre Hand schmerzte, sie konnte kaum atmen. Um sie her hagelte es aufgebrachte Befehle auf Arabisch.

Es war, als befände sie sich in einer anderen Welt.

In Zafirs Augen blitzte es drohend auf.

Meine Güte, was hatte sie getan?

Laurens Magen spielte verrückt. Im nächsten Augenblick packte Zafir sie und riss sie an sich … der Duft von Sandelholz hüllte sie ein. „Bist du verrückt geworden …?“

Hinter ihnen wurde aufgeregt auf Arabisch getuschelt, und Zafir gab sie frei. Wütend betrachtete er sie, aber im nächsten Moment hatte er sich wieder in der Gewalt, seine Züge erstarrten zu einer abweisenden Maske.

Vor ihr stand ein Fremder – ein beängstigender, gefährlicher Fremder, der sie verächtlich musterte.

„Hoheit, sollen die Sicherheitsleute die Frau entfernen?“

Hoheit? Sicherheitsleute?

Der Adrenalinschub ebbte ab. Lauren überlief es eiskalt.

Zafir erteilte einen scharfen Befehl auf Arabisch und wandte sich ab.

Kalter Schweiß brach Lauren aus, als sie hektisch um sich blickte. Überall bedrohliches Schweigen … alle beobachteten sie wachsam.

Zwei Männer mit Gewehren nahmen sie unauffällig in die Mitte. „Zafir, warte!“, rief Lauren ihm zu, doch er kehrte ihr bereits den Rücken zu.

Fassungslos verfolgte sie, wie er im Aufzug nach oben verschwand … ohne sie noch eines Blickes zu würdigen. Sie wollte fliehen, doch die Wachen verstellten ihr den Weg.

In welchen Albtraum war sie hier geraten? Wo war David?

Tapfer kämpfte Lauren die aufkommende Panik nieder. Sie drehte sich um und bemerkte einen älteren Mann, der mit einem Sicherheitsmann sprach. „Was geht hier vor?“, wollte sie empört wissen.

Der Mann sah sie kalt an. „Sie haben den Scheich von Behraat angegriffen und sind verhaftet.“

Würdevoll verließ Zafir Al Masood die Besprechung mit dem Hohen Rat. Sein Gesicht spiegelte offenbar wider, wie gereizt er war, denn selbst die streitbarsten Ratsmitglieder beeilten sich, ihm aus dem Weg zu gehen.

Zum ersten Mal nervten ihn die Vorhaltungen des Rates:

Wer war die Frau? Wie konnte eine Westliche, obendrein auch noch eine Amerikanerin, so vertraut mit ihm sein, dass sie ihn geohrfeigt hatte? Versuchte sie, den Zorn der westlichen Welt auf Behraat zu lenken?

Zafir drückte auf den Stoppknopf des Aufzugs. Frustration und Wut beherrschten ihn, er musste sich erst wieder in die Gewalt bekommen.

Die Glaswände reflektierten sein Spiegelbild. Er musste seine Verbitterung schlucken, wie er es seit sechs Jahren tat.

Sah man in ihm seinen Vater, den Großen Rashid Al Masood, der Behraat aus dem dunklen Zeitalter geführt hatte?

Würde man nie vergessen, dass sein Vater ihn nur als Sohn anerkannt hatte, weil er einen Ersatzkronprinzen brauchte, nachdem sein korrupter Halbbruder Tariq einen Umsturz angezettelt hatte?

Früher wäre Zafir froh über das Wissen gewesen, dass Blut seines Vaters auch in seinen Adern floss. Nun musste er sein Leben lang dafür büßen …

Er verwünschte die bestechlichen Mitglieder des Hohen Rats und dessen Macht, den Scheich zu wählen. Hätten die Feiglinge den Mut gehabt, während Tariqs Regentschaft offen Stellung zu beziehen, befände Behraat sich nicht in dieser trostlosen Lage.

Nachdem Rashids strenge Gesetzgebung sich in Schall und Rauch aufgelöst hatte, waren die Ratsmitglieder von Behraat emsig damit beschäftigt gewesen, sich die Taschen mit Tariqs Bestechungsgeldern voll zu schaufeln. Tariq, der die Beziehungen zu Nachbarstaaten vergiftet, Friedensverträge aufgekündigt und Handelsabkommen gebrochen hatte …

Dennoch versuchten die Ratsmitglieder alle erdenklichen Gründe vorzuschieben, um Zafirs Regentschaft infrage zu stellen, indem sie beharrlich den Abfall der Stämme von Behraat ins Feld führten.

Als wäre er es, der diese Fehlentwicklung verursacht hatte, und nicht sein Vater.

Höchste Zeit, die Verantwortlichen zu einer Krisensitzung einzuberufen, um sie mit ihrem Tun zu konfrontieren. Zafir hasste seinen Vater, der ihn wie einen besseren Waisenjungen aufgezogen hatte, aber er durfte die Augen nicht davor verschließen, wie traurig es um Behraat stand. Noch ehe er von seiner königlichen Abstammung erfahren hatte, hatte er sich zu Höherem berufen gefühlt.

Die Gene seines Vaters …

Nicht Liebe oder Stolz hatten ihn geleitet, auch nicht, dass er wusste, wer seine Mutter war, sondern sein angeborenes Pflichtbewusstsein gegenüber Behraat.

Laurens Gesicht auf dem großen Plasmamonitor ließ Zafir innehalten.

Etwas regte sich in ihm … ein schmerzliches Ziehen in der Brust, das Echo einer tiefen Empfindung, die er sich bis heute nicht erklären konnte.

Wie sie nervös auf der Unterlippe kaute … und ungewöhnlich blass war sie. Unter ihren schönen Augen lagen dunkle Schatten. Das locker gebundene Kopftuch von vorhin war verschwunden, und das dunkle Haar, das ihr seidig in die Stirn fiel, verdeckte das halbe Gesicht. Unter der langärmeligen Baumwolltunika zeichneten sich ihre vollen Brüste ab. Mit gefalteten Händen saß sie würdevoll am Kopfende des Tischs in der Zelle.

Beharrlich und ehrlich, sinnlich und intelligent, so hatte Zafir sie kennengelernt – und war von ihr verzaubert gewesen.

Auf seinen Befehl hatte der Sicherheitsmann sie festgenommen und ihr alles abgenommen, was sie bei sich trug. Wen man als Bedrohung betrachtete, der wurde eingesperrt. Und was man bei Lauren an Beweismitteln sichergestellt hatte, sprach nicht gerade für sie.

Aber obwohl sie ihn anscheinend verraten hatte, konnte er nicht vergessen, wie verletzt sie ihn angesehen hatte. In dem Moment hätte er sie am liebsten geküsst.

„Die Scharade war geplant“, bemerkte Arif, sein Berater. „Die Amerikanerin hat es darauf angelegt, Ihre Schwäche auszunützen und Sie in eine Affäre zu verwickeln. Sie hätten mir gleich nach Ihrer Rückkehr von der Frau berichten müssen, damit …“

„Nein.“

Zafir fuhr sich übers Gesicht, um Laurens Bild zu verbannen.

In seinem Leben war kein Platz für Reue, Schwäche oder Gefühle. Ihm blieb keine andere Wahl. Er musste sich der Verantwortung stellen, die das Schicksal ihm auferlegt hatte.

Es war ein Fehler gewesen, sich mit Lauren einzulassen.

„Warum könnte sie das getan haben?“ Arif war der älteste Freund seines Vaters und jetzt Zafirs engster Verbündeter.

„Sie ist im Handelszentrum mit einem befreundeten Journalisten unterwegs gewesen, der wusste, dass Sie dort sein würden, Hoheit. Ein abgekartetes Spiel“, setzte Arif verächtlich hinzu, der Frauen, Ausländern und Fremden grundsätzlich argwöhnisch gegenüberstand.

Zafir antwortete nicht und überdachte seine Handlungsweise.

Die wenigen Mitglieder seines Stabs, die ihn ins Handelszentrum begleitet hatten, waren zu Stillschweigen verpflichtet worden. Dem Hohen Rat gegenüber hatte er eine Erklärung abgegeben – um des lieben Friedens willen.

In ihrer Zelle presste Lauren trotzig die Lippen zusammen und gab sich Mühe, aufrecht zu sitzen.

„Hat man den Journalisten gefunden?“, fragte Zafir.

Das Schweigen seines Beraters sagte alles.

Zafir schaltete den Monitor ab, um sich der Versuchung in Gestalt dieser Frau zu entziehen.

„Wir müssen das Ganze schleunigst in den Griff bekommen. Wenn das Video den Medien in die Hände fällt … “ Arif brauchte nicht auszusprechen, was dann passieren würde.

„Dann müssten wir uns auf einen neuen landesweiten Aufstand gefasst machen“, schloss Zafir grimmig. Abgesehen von seiner Machtgier hatte Tariq sich als Playboy hervorgetan, und er, Zafir, durfte auf keinen Fall im gleichen Licht erscheinen.

Wenn sie das Video nicht fanden und unbefugtem Zugriff entziehen konnten, würde das neu erwachende Vertrauen der Menschen von Behraat schnell wieder erlöschen.

Schon jetzt stellte der Hohe Rat Zafirs Reformbemühungen infrage und nutzte jede Gelegenheit, Zafirs Image in der Öffentlichkeit zu erschüttern. „Ich rede mit ihr – allein“, erklärte Zafir seinem Berater.

Hatte er zum ersten Mal eine Frau falsch eingeschätzt?

Wie konnte Zafir es wagen, sie verhaften zu lassen?

Lauren blickte zur Kamera an der Decke ihrer Zelle. Am liebsten hätte sie sich davorgestellt und gefordert, auf der Stelle freigelassen zu werden. Doch die Mühe konnte sie sich sparen.

Ihr Zorn begann sich zu legen, sie fühlte sich hilflos und verlassen.

Suchend blickte sie sich um: nackte weiße Wände, ein kalter Betonfußboden. Sie hatte noch nichts gegessen, und der sterile Geruch im Raum schlug ihr auf den Magen. Das einzige Fenster war mit billigem Kunststoff verbarrikadiert, ein verblichener Plastiktisch mit einem ebenso klapprigen Stuhl davor waren das einzige Mobiliar. Die Kehrseite der prächtigen Empfangshalle, in der sie vor zwei Stunden gestanden hatte.

Selbst wenn Lauren bereit gewesen wäre, das Ganze nur als schrecklichen Irrtum abzutun – die brutale Wirklichkeit hier in der Zelle belehrte sie eines Besseren.

Dennoch gab sie sich gefasst, obwohl ihre Furcht von Minute zu Minute wuchs. Was der alte Mann gesagt hatte, gab ihr zu denken.

Zafir – Scheich von Behraat?

Lauren hatte das Gefühl, einen Albtraum zu durchleben, aus dem sie jeden Moment erwachen würde. Wie sonst sollte sie sich das alles erklären?

Sie schluckte, weil ihre Kehle sich trocken anfühlte. Handy und Rucksack hatte man ihr abgenommen. Sehnsüchtig dachte sie an die Wasserflasche und den Müsliriegel darin.

Die Türverriegelung wurde geöffnet.

Lauren spannte sich an, atmete tief durch.

Zafir betrat den Raum. Unwillkürlich ließ sie sich auf den Stuhl sinken, als sie seine starre Miene bemerkte, stand jedoch schnell wieder auf.

Er hatte seinen Untergebenen befohlen, sie einzusperren. Dass er hier war, bedeutete nichts Gutes.

Nur kurz blickte er zum Kameraauge an der Decke, und das orangefarbene Licht erlosch.

Ein Blick genügte, und die Welt gehorchte.

Er schloss die Tür hinter sich und lehnte sich dagegen. Kalt und erbarmungslos betrachtete er Lauren.

Das lange Gewand hatte er gegen ein weißes Baumwollhemd mit hochgekrempelten Ärmeln, die seine gebräunten Arme freigaben, und eine dunkle Hose getauscht. Ansonsten war er weiter der abweisende Fremde, den sie törichterweise geohrfeigt hatte.

Der Zafir, den sie in New York gekannt hatte, war ihr ein Rätsel gewesen, aber er war ihr so freundlich und sympathisch erschienen … bei ihm hatte Lauren sich vom ersten Moment an sicher gefühlt.

Zwar hatte er sich nicht gerade umgänglich gezeigt, als sie in der Notaufnahme aneinandergeraten waren, doch er hatte sich wie ein Gentleman verhalten. Sogar gelacht hatte er mit ihr.

War das alles nur Schau gewesen, um sie ins Bett zu kriegen?

Zafir kam näher und lehnte sich so an die Wand, dass Lauren zu ihm aufsehen musste. Ihr Magen zog sich zusammen, doch sie dachte nicht daran, sich einschüchtern zu lassen.

Entschlossen stand sie auf, trat hinter den Stuhl und nahm die gleiche Haltung wie Zafir ein.

Er sah sie durchdringend an. „Warum bist du hier, Lauren?“

„Frag das lieber deine Handlanger.“ Sie packte die Stuhllehne, weil ihre Finger bebten, und warf stolz den Kopf zurück. „Verzeihung. Ich hätte sagen sollen: deine Gefängniswärter.“

Wie arrogant er die Brauen hochzog! Warum war ihr nicht schon damals aufgefallen, dass diesem Mann Macht und Autorität nur so aus jeder Pore strömte? „Jetzt ist nicht der richtige Moment für Spielchen um Wahrheit und Lüge.“

„Du bist es, der die Wahrheit ins Spiel gebracht hat“, hielt sie ihm vor. „Stimmt es, was der Mann gesagt hat?“

Eine Ewigkeit verging. Zafir sah sie nur an – was einem Ja gleichkam.

Der Schatten, der von Anfang an über ihnen gehangen hatte … Jetzt begriff Lauren.

Ihr fiel ein, wie gequält – und stolz – er von Behraat gesprochen hatte, dessen aufstrebende Entwicklung die Regierung des Scheichs bewirkt habe. Sie dachte an die Sorge in Zafirs Augen, als im Fernsehen berichtet wurde, der alte Scheich liege weiterhin im Koma.

Selbst da hatte sie gespürt, dass Zafir auf Zeit spielte.

Er zuckte die Schultern … und stellte ihre Welt auf den Kopf. „Ja.“

Das eine knappe Wort wog schwer, schien Riesendimensionen anzunehmen – und machte ihr klar, was sie angerichtet hatte.

Laurens Kehle wurde trocken, sie begann zu beben. Die Geschichten, die sie von David über die Herrscherfamilie Behraats gehört hatte, fügten sich nun zu einem logischen Ganzen zusammen – und erschütterten das Wenige, das sie über Zafir zu wissen geglaubt hatte.

Erschauernd sagte sie: „Wenn du der neue Scheich bist, bist du …“

„Der Mann, der seinen Bruder verhaften ließ, um die Herrschaft über Behraat zu übernehmen – der Mann, der seinen Sieg am Abend vor dem Tod seines Bruders feierte.“ Erschreckend hohl hallten seine Worte in dem kahlen Raum wider. „Also nimm dich in Acht, Lauren. Einen Fehler hast du bereits begangen. Beim zweiten könnte ich weniger nachsichtig sein.“

2. KAPITEL

Nachsichtig? Empört sah Lauren ihn an. „Du hast einfach deine Häscher auf mich losgelassen, Zafir – ohne mich überhaupt zu Wort kommen zu lassen!“

„Von jedem anderen wärst du grausamer bestraft worden.“

„Ich habe dich geohrfeigt – das ist kein Kapitalverbrechen.“

„Du hast mich vor dem Hohen Rat geohrfeigt. Und der vertritt die Auffassung, dass Frauen nach Hause gehören, wo sie vor der Welt sicher sind … und den eigenen Schwächen.“

Von Nachsicht konnte keine Rede sein. Zafirs Ton war unüberhörbar feindselig.

„Das ist finsterstes Mittelalter“, entrüstete Lauren sich.

„Sei froh, dass ich dir recht gebe. Genau wie Männer sind auch Frauen zu Täuschung und Intrigen fähig.“

„Du bist also nicht nur Scheich, sondern auch Frauenhasser? Ich wüsste nicht, was ich schlimmer fände.“

Der Ausdruck in seinen Augen veränderte sich. „Wir sind hier nicht in New York, Lauren. Und ich bin kein gewöhnlicher Mann.“

„Nein, das bist du wirklich nicht“, flüsterte sie. Das hatte sie schon in New York erkannt.

Als mittelständischer Unternehmer im Im- und Exportgeschäft hatte er sich ihr vorgestellt, der sich im turbulenten politischen Klima Behraats mühsam behauptete. Das Aufblitzen von Interesse in den Augen des umwerfenden Fremden bei ihrem Anblick – der halbwegs attraktiven Notaufnahmeschwester, die sich mit ihrem Durchschnittsdasein abgefunden hatte – war ihr zu Kopf gestiegen.

Das erklärte zumindest, warum sie seine Lügen für bare Münze genommen hatte.

Stattdessen war Zafir ein skrupelloser Herrscher, der seinem Vorgänger die Macht entrissen hatte, falls den Medien zu glauben war. Er war die Verkörperung von Macht und Ehrgeiz und allem, was Lauren verachtete – und ganz und gar nicht der entwurzelte Mann, für den sie ihn gehalten hatte.

Die triste Umgebung verschwamm vor Laurens Augen. Matt ließ sie sich auf den Stuhl sinken, legte den Kopf auf die Knie und zwang sich langsam und tief zu atmen.

Plötzlich begann ihre Haut zu prickeln, ein vertrauter exotischer Duft hüllte sie ein. Dicht vor ihr stand Zafir und legte ihr die Hand in den Nacken.

„Lauren?“ Sie erschauerte. „Tu nicht so, als würdest du dir etwas aus mir machen!“

Komisch, aber er klang betroffen – oder bildete sie es sich nur ein? Als sie ihn ansah, war seine Miene ausdruckslos. Ehe sie sich rühren konnte, stemmte er die Arme so neben ihr auf den Tisch, dass sie gefangen war. „Wusstest du es?“

„Was meinst du?“, stieß sie ratlos hervor. Zafirs Nähe brachte sie völlig durcheinander.

Ihr Blick fiel auf die feine Narbe, die von seinem Mund bis zum Ohr verlief. Erinnerungen überschwemmten sie. Daran, wie sie die Narbe mit der Zunge liebkost hatte, an den Geschmack seiner Haut, während er unter ihren Liebkosungen erschauerte …

„Sieh mich an, wenn ich mit dir spreche“, forderte er sie auf.

Lauren tat es, und ihr Herz begann zu rasen. Seine Nasenflügel bebten, die gleichen Bilder schienen vor ihm aufzusteigen, das las sie in seinem intensiven Blick.

Leise fluchend fuhr Zafir sich übers Gesicht, und das Funkeln in seinen Augen erlosch.

Seine Reaktion traf sie wie ein Schlag ins Gesicht.

Sie war müde und hungrig, hielt sich nur mühsam aufrecht, wollte nur noch ins Bett kriechen und nichts mehr hören oder sehen.

„Was soll ich gewusst haben, Zafir?“

„Wusstest du, wer ich bin? Hast du mich deshalb geohrfeigt – damit dein Freund die Szene brandheiß festhalten konnte?“

Es dauerte einige Sekunden, ehe Lauren begriff.

Die erregenden Bilder ihrer Fantasie verschwanden. „Was soll das heißen?“

Zafir beugte sich über sie, sodass sein warmer Atem ihre Haut streifte. „Dein Journalistenfreund David hatte einen hübschen kleinen Camcorder dabei und hat alles gefilmt.“

„Und? Was stört dich daran?“ Lauren war verwirrt. „Als Journalist lässt er das Ding den ganzen Tag über laufen.“

„Wusste er, was du vorhattest? Hattest du die ‚große Szene‘ geplant?“, fragte Zafir leise, und sein Ton klang drohend.

Schlagartig erstarb alles in Lauren, was sie für Zafir empfunden hatte. „So gut glaubst du mich zu kennen?“

Er spannte sich an. Jetzt nicht schwach werden! Schon die Berührung ihrer warmen Haut brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Er wollte sie küssen …

Zafir schloss die Augen und ließ Szenen aus Behraat vor sich ablaufen – Bilder von Toten nach mörderischen Straßenkämpfen, Zerstörung im ganzen Land, für die Tariq verantwortlich war. Der Gedanke an die sinnlosen Metzeleien betäubte sein Verlangen.

Endlich konnte er wieder klar denken und entschied sich für Selbstgeißelung. Gefasst betrachtete er Lauren und stellte sich der erbarmungslosen Realität. „Kennen wir uns wirklich, Lauren – bis auf die kurzen Stunden in New York?“

Ihr schoss das Blut in die Wangen, doch sie hielt seinem Blick stand. „Hör auf, Zafir.“

„Wir kannten uns zwei Monate. Ich hatte Huma in die Notaufnahme gebracht. Sie deutete an, ich sei reich, worauf du dir eine Spende von mir erhofftest. Du hast mich bewusst herausgefordert, und ich bin darauf eingegangen. Gegen besseres Wissen fing ich eine Beziehung mit dir an. Wahrscheinlich auch, weil ich seit Monaten mit keiner Frau mehr zusammen gewesen war.“

Gnadenlos sprach er weiter, wollte nicht sehen, dass sie blass wurde und vor ihm zurückwich, sich an die Wand presste, als könnte sie nicht einmal mehr ertragen, von seinem Schatten berührt zu werden. „Und dann haben wir immer wieder miteinander geschlafen, weil wir es beide wollten.“

Als Zafir ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich, zuckte sie zusammen.

„Somit kann ich nur sagen: Nein, Lauren, ich habe keine Ahnung, wozu du fähig bist. Ich weiß nur, dass du auf bestem Fuß mit der Presse stehst. Da sind dein Reporterfreund David – und natürlich der Anwalt, Alicia und …“

Bebend strich sie sich über die Stirn. „Ich wollte ein Obdachlosenheim gründen. Die Welt über deine wahre Identität aufzuklären hätte mir nicht das Geringste genützt.“

Ging er womöglich zu hart mit ihr um? „Ich brauche das Video, Lauren. Das politische Klima in Behraat ist zurzeit sehr instabil. Selbst ein Streit unter Liebenden könnte missdeutet werden. Mein … Vorgänger hat seine Macht sträflich missbraucht, sich ständig durch Frauengeschichten in die Schlagzeilen gebracht. Mit deiner Ohrfeige hast du meine Glaubwürdigkeit erschüttert, mich mit dem Playboy auf eine Stufe gestellt.“

Mutiger geworden, zählte Lauren an den Fingern ab: „Machtmissbrauch? Stimmt. Playboy-Gehabe? Oh ja! Also dürftest du tatsächlich der Richtige für den Job sein, Zafir.“

Er zuckte zusammen. Wie konnte sie ihn mit Tariq über einen Kamm scheren? „Ich habe dich immer mit Achtung behandelt.“

„Achtung?“, wiederholte sie höhnisch. „Wenn du mich achten würdest, hättest du mich nicht wie eine Kriminelle verhaften lassen, mir hinterhältige Dinge unterstellt – und wärst in New York nicht mitten in der Nacht sang- und klanglos verschwunden. Fehlt nur noch das berühmte Bündel Geldscheine auf dem Nachttisch und eine Empfehlung an deine Freunde.“

„Hör auf, Lauren! Wie kannst du dich als käuflich hinstellen?“

„Unterstellst du mir das denn nicht unterschwellig?“, fuhr sie ihn an und ließ sich an die Wand sinken.

Zafir drückte sie an die Fliesen, seine Augen funkelten wild. Ihr wurde bewusst, dass er kurz davor war, die Beherrschung zu verlieren. Er war jetzt wirklich wütend, wollte ihr zeigen, wer hier das Sagen hatte. Doch nun hatte sie keine Angst mehr vor ihm … nicht, wenn sie ihn so nah bei sich spürte.

„Hast du es deshalb getan?“, stellte er sie aufgebracht zur Rede. „Weil du wütend auf mich bist und mir eine Lektion erteilen wolltest?“

„Du weißt gar nichts über mich. Und jetzt merke ich, wie wenig ich von dir weiß.“

„Du hast keine Ahnung, was du angerichtet hast. Lauren. Bist du bereit, die Folgen zu tragen? Die Verantwortung für einen erneuten mörderischen Aufstand zu übernehmen?“

Natürlich wusste Lauren von den Gräueltaten am Volk von Behraat. Je eher dieser Albtraum vorüber war, desto schneller konnte sie das Land verlassen.

Verzweifelt klammerte sie sich an diese Vorstellung. „Obwohl ich es eigentlich nicht nötig habe, will ich dir alles erklären. Du behauptest, David und ich hätten das Ganze geplant, aber das ist lächerlich. Er weiß nicht einmal von unserer Beziehung.“

„Warum ist er dann geflüchtet, Lauren, statt bei dir zu bleiben?“

„Weil du trotz aller gegenteiligen Beteuerungen den gleichen Weg einschlägst wie der alte Scheich. Wegen einer Ohrfeige hast du mich verhaften lassen, Zafir. Kannst du David da verdenken, dass er sich aus der Schusslinie gebracht hat? Übrigens, was willst du mit dem Video anfangen? Es ins Internet einstellen?“

Genau das wollte Zafir vermeiden. Seine Miene wurde hart. Er holte sein Handy hervor und drückte es ihr in die Hand. „Ruf ihn an. Sag ihm, er soll sich mit dir in der Eingangshalle treffen und seinen Camcorder mitbringen.“

„Warum?“

Gereizt fuhr Zafir fort: „Damit wir das Video vernichten können.“

„Aber ich sagte dir doch schon: Wenn überhaupt, hat David die Szene rein zufällig aufgenommen. Er würde nie etwas tun, das mir schadet. Ich kenne ihn.“

An Zafirs Schläfe pochte eine Ader, in seinen Augen erschien ein gefährliches Glitzern. „Kennst du ihn so gut wie mich – oder sogar besser?“

Komische Frage, dachte Lauren. „Was soll das heißen?“

„Drei Tage, nachdem wir uns kennengelernt hatten, bist du mit mir ins Bett gegangen. Du bist um die halbe Welt gereist, um einen Mann zu finden, der dich verlassen hat. Da gebe ich verständlicherweise nicht viel auf deine Menschenkenntnis.“

Das saß. Lauren hasste ihn. Und sich selbst.

Er zweifelte an ihrer Menschenkenntnis? Weil sie bei ihm schwach geworden war und völlig den Kopf verloren hatte?

„Du besitzt eine blühende Fantasie“, flüsterte sie hilflos. „David weiß nicht das Geringste von unserer … Affäre. Als er mir erzählt hat, er würde nach Behraat fliegen, habe ich ihn überredet, mich mitzunehmen und zu warten, bis ich mein Visum habe. Er hatte keine Ahnung, warum ich hierherwollte.“

„Warum bist du nach Behraat gekommen, Lauren?“

Weil ich eine romantische Närrin bin. Weil ich in all den Jahren nichts dazugelernt habe.

Zafir hatte ja recht.

Als Lauren in New York um sechs Uhr morgens erwacht war und feststellen musste, dass Zafir sie verlassen hatte, war sie völlig kopflos gewesen. Aber auch vorher schon hatte sie sich nicht gerade besonnen verhalten.

„Ich hielt dich für tot, Zafir.“ Der dumpfe Schmerz war wieder da, der sie sechs Wochen lang gequält hatte. „Deshalb wollte ich dein Behraat kennenlernen, von dem du mir so viel erzählst hattest. Um hier in Gedanken Abschied von dir zu nehmen.“

Er wich zurück.

„Natürlich hatte ich die Fernsehreportagen über die Aufstände in Behraat gesehen“, fuhr Lauren fort. „Als ich nichts mehr von dir hörte, nur Berichte über unzählige Todesopfer, musste ich annehmen, du seist in den Kämpfen umgekommen.“ Lauren atmete tief ein. Auf einmal war sie schrecklich müde. „Ich habe einen kompletten Dummkopf aus mir gemacht. Wenn ich dir etwas bedeuten würde, hättest du einfach zum Telefon greifen oder einen Befehl erteilen können, damit einer deiner Handlanger mir ausrichtet, dass du lebst. Und dass es aus ist zwischen uns.“

Zafir blinzelte nicht einmal, seltsam starr sah er sie an. Hatte er wirklich geglaubt, dass er ihr nichts bedeutete? Oder hatte er sie längst vergessen?

„Ich habe dir nichts versprochen, Lauren.“

Tapfer nickte sie. „Du hast mir gerade klargemacht, dass es bestenfalls eine Affäre war oder einfach nur Sex.“ Sie lachte, obwohl sie den Tränen nahe war. Auf einmal fühlte sie sich schwindlig, als gäbe es im Raum nicht genug Luft zum Atmen. „Aber nun muss ich feststellen, dass der Mann, von dem ich Abschied nehmen wollte, gar nicht existierte. Oder, wenn es ihn gab, ist er inzwischen gestorben.“

Ihre Worte trafen Zafir mitten ins Herz. Als er mit Lauren zusammen gewesen war, war er einfach nur er selbst gewesen. Er hatte tun und lassen können, was er wollte.

Jetzt konnte er das nicht mehr. Das würde es nie mehr geben.

Lauren befeuchtete sich die trockenen Lippen. Ihr war plötzlich eiskalt. „Und falls du mich wegen irgendwas verurteilen willst, habe ich das Recht auf einen Anwalt. Einer deiner Handlanger soll mir Wasser bringen. Meine Kehle ist völlig ausgetrocknet.“

Vor ihr verschwamm alles, schwankend sank sie an der Wand zu Boden.

Geistesgegenwärtig fing Zafir sie auf. Lauren war totenbleich. Sanft bettete er sie an seine Brust und strich ihr das Haar aus der Stirn.

Sie musste halb verdurstet, völlig ausgetrocknet sein.

In dem heißen, trockenen Klima konnte das jedem passieren. Aber es war seine Schuld, dass Lauren ohnmächtig geworden war. Den ganzen Vormittag über war sie ohne Wasser gewesen. Auf seinen Befehl.

Meine Güte …!

Schon bei der ersten Begegnung hatte Lauren ihn verzaubert – mit ihren feinen Zügen, der zarten Haut und dem sinnlichen Mund, der einen Mann vergessen lassen konnte, dass er sich keine unverbindliche Affäre leisten durfte.

Selbst wenn er ihr widerstanden hätte, wäre er ihrer natürlichen Art, ihrem bestechenden Scharfsinn verfallen.

Eine Frau wie Lauren war ihm noch nie begegnet.

Trotz allem hatte sie für ihn nur eine Episode, eine wunderbare Atempause sein dürfen. Nicht mehr. Deshalb war er gegangen, als es für ihn Zeit wurde, nach Behraat zurückzukehren.

Weshalb hatte er ihr nicht offen gesagt, dass es vorbei war – wie sie ihm jetzt vorgehalten hatte? Ein kurzer Anruf hätte genügt. Warum hatte er es nicht über sich gebracht, den endgültigen Schnitt zu tun?

Hinter ihm wurde die Zellentür geöffnet. Behutsam legte er Lauren auf die Trage, die sein Ambulanzteam hereintrug. Arif wollte etwas sagen, doch Zafir schüttelte nur den Kopf. Schweigend warteten sie, während die Ärzte Lauren untersuchten.

Er konnte sie nicht gehen lassen, bis das Video gefunden war. Aber sie einzusperren kam nicht infrage.

„Bringen Sie Lauren in die Gästesuite neben meinem Flügel. Und postieren sie einen Wächter vor ihrer Suite. Dr. Farrah soll Ms. Hamby gründlich untersuchen.“

Wie versteinert standen die Männer um ihn herum. Sein Befehl widersprach der Tradition. Keine unverheiratete Frau durfte in der Nähe der Räume eines Mannes untergebracht werden.

Arif fing sich als Erster. „Wir könnten sie in die Frauenklinik bringen lassen und dort eine Wache aufstellen, Hoheit.“

„Nein.“

Lauren an einem unbekannten Ort inmitten lauter Fremder aufwachen zu lassen, obwohl er schuld an ihrer Misere war, kam nicht infrage. Nicht einmal für ihn.

Er wollte sie in der Nähe wissen, wo er sie im Auge behalten konnte.

Außerdem war er der Scheich von Behraat. Und er wollte verdammt sein, wenn er seine Macht hier nicht einsetzte.

„Tun Sie, was ich befehle, Arif.“

Nach einem letzten Blick auf Lauren drehte Zafir sich um und ging zum Lift. Ihre Worte gingen ihm nicht aus dem Sinn.

Der Mann, von dem ich Abschied nehmen wollte, existierte gar nicht. Oder, wenn es ihn gab, ist er inzwischen gestorben.

Das kam der Wahrheit erschütternd nahe. Der unbeschwerte Mann aus New York existierte nämlich wirklich nicht mehr.

3. KAPITEL

Benommen öffnete Lauren die Augen und spürte ein Stechen am Handgelenk. Ihr Mund fühlte sich trocken an, als wäre er mit Baumwolle ausgestopft. Sie brauchte einen Moment, ehe sie sich in dem fremden Raum orientieren konnte, und stützte sich auf.

Sie lag in einem großen Bett auf nach Rosen duftenden Baumwolllaken. Die Wand schmückte ein roter Wandbehang. Blütenweiße Seidenvorhänge bewegten sich sanft in der hereinströmenden Brise. Ihr ganzes Apartment in Queens hätte in diese prächtige Suite gepasst …

„Schön, dass Ihre Wangen wieder Farbe annehmen“, bemerkte eine Frau am Fußende des Betts.

Die Kanüle am Handrücken ruckte, als Lauren sich bewegte.

Die Frau legte ihr die Hand auf die Stirn und nickte. Sie trug das Haar zum Pferdeschwanz gebunden und eine leuchtend rote Tunika mit dunkler Hose.

„Das Fieber ist weg“, stellte die Fremde zufrieden fest. „Möchten Sie etwas trinken?“

Als Lauren nickte, half die Frau ihr, sich aufzurichten, und hielt ihr ein Glas Wasser an die Lippen. Der kühle Trunk tat Lauren gut, sie fühlte sich besser. „Wo bin ich?“, fragte sie.

Die Frau zögerte kurz. „Im Palast.“

Lauren erschrak, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen, und blickte sich in der Suite um. Ein hoher, von Bronzeleuchten erhellter Bogengang zur Rechten führte auf einen Balkon mit Blick auf die Palasttürme und – kuppeln hinaus.

Erst hatte Zafir sie als Verschwörerin einsperren lassen, und jetzt ließ er sie im Palast verwöhnen?

Unsicher blickte Lauren an sich herab. Ihre Bluse war zerknittert, die cremefarbene Hose verschmutzt. „Ich bin noch nie im Leben ohnmächtig geworden“, gestand sie. „Wenn Sie mir bitte die Kanüle ziehen, ich möchte mich waschen. Und dann gehen.“

Die Frau schüttelte den Kopf. „Das geht nicht.“

Lauren dachte nicht daran, sich brav zu fügen. „Verzeihung, aber wer sind Sie?“

„Die einzige Ärztin im Palast. Seine Hoheit hat mir befohlen, mich persönlich um Sie zu kümmern“, erklärte sie stolz.

Lauren brauchte einen Moment, bis ihr klar wurde, wen die Frau meinte. Also war sie immer noch Zafirs Gefangene … Nur hatte er ihr ein Upgrade von der nackten Zelle in die Luxussuite bewilligt. „Seine Hoheit kann sich zum Teufel scheren“, begehrte sie auf.

Die Ärztin sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren, und Lauren kam sich ziemlich albern vor. Die Frau traf schließlich keine Schuld.

„Verzeihen Sie …“

„Dr. Farrah Hasan.“

„Dr. Hasan, ich muss fort. Würden Sie mir bitte meine Tasche geben?“ Sie deutete auf ihre Metallictasche, die auf der Samtcouch ebenso fehl am Platz wirkte, wie Lauren sich in dem Prunkpalast fühlte. „Ich muss beim Flughafen anrufen und meinen Flug umbuchen.“

„Sie können hier nicht weg, Ms. Hamby – schon gar nicht in Ihrem Zustand. Seine Hoheit hat es verboten“, setzte die Frau streng hinzu. „Sie sind sehr schwach und sollten eine Woche im Bett bleiben. Und zwei Wochen warten, ehe Sie sich einen Fernflug zumuten.“

„In meinem Zustand?“ Lauren bekam Herzflattern. „Mir fehlt nichts, bis auf die Folgen der Austrocknung.“ Die sie Seiner Hoheit zu verdanken hatte. Doch das behielt sie für sich.

„Und was ist mit Ihrer Schwangerschaft?“ Besorgt runzelte Dr. Hasan die Stirn. „Oder wissen Sie es noch gar nicht?“

Völlig geschockt saß Lauren da. Schließlich schüttelte sie ungläubig den Kopf. Das musste ein Irrtum sein! Aber die Ärztin sah sie so ernst an …

Nein, das war unmöglich! „Das kann nicht sein!“

Bebend ließ Lauren sich aufs Kissen zurücksinken und rang nach Atem. Ihr Magen rebellierte. Schwanger? Wie war das möglich? Sie nahm doch die Pille. Unwillkürlich grub sie die Finger ins Laken, und ihr kamen die Tränen.

Panik erfasste sie, alles in ihr verkrampfte sich.

Sie konnte nicht schwanger sein. Ein Kind brauchte bedingungslose Liebe, Sicherheit, Eltern, die es liebevoll umsorgten.

Zafir und sie vertrauten einander nicht einmal.

Lauren war wie betäubt.

„Tief durchatmen, Ms. Hamby“, wies die Ärztin sie an, und Lauren gehorchte, froh, dass jemand ihr sagte, was zu tun war.

Als sie sich etwas beruhigt hatte, schob sie ihr Top hoch und betastete ihren Bauch. In ihr wuchs ein neues Leben heran …

Ein Baby.

Ihre Arbeit als Krankenschwester in der Notaufnahme der New Yorker Klinik hatte sie voll beansprucht. Meine Güte, sie hatte nicht einmal einen Freund wie die meisten ihrer Freundinnen.

Von morgens bis abends hatte sie mit ledigen Müttern und ihren Alltagsschwierigkeiten zu tun. Außerdem hatte ihre Kindheit sie eins gelehrt: Auf keinen Fall wollte sie ein Kind ohne Vater aufziehen.

Ein neuer Gedanke drängte sich ihr auf. „Ist mit dem Baby alles in Ordnung?“

Dr. Hasan lächelte zuversichtlich. „Die Schwangerschaft ist noch in einem frühen Stadium. Aber gesundheitlich sind Sie topfit. Sie sind nur dehydriert und leiden unter Eisenmangel. Aber das bringen wir mit einer Woche Bettruhe und vernünftiger Ernährung schnell wieder in Ordnung.“

Benommen nickte Lauren. Inzwischen konnte sie wieder halbwegs klar denken. Alles in ihr sträubte sich gegen die Vorstellung, eine Weile bei Zafir im Palast zu bleiben, doch sie wollte kein Risiko eingehen. Eine Woche würde sie hier ausharren und dann wie geplant nach New York zurückfliegen.

Als Erstes musste sie sich darüber klar werden, was sie tun wollte. Und das konnte sie hier nicht. Sobald sie zu Hause war und sich mit der umwälzenden Veränderung ihrer Lebensumstände auseinandergesetzt hatte, würde sie Zafir Bescheid geben.

„Sind Sie mit Zafir befreundet?“, fragte sie vorsichtig.

Stolz nickte die Ärztin. „Ja, Zafir und ich … Seine Hoheit und ich kennen uns seit unserer Kindheit.“

Also war Farrah nicht nur seine Angestellte, sondern auch eine Freundin.

Lauren überlegte. Eine Woche lang würde sie von Menschen umgeben sein, die Zafir zu vergöttern schienen. „Als Ihre Patientin darf ich mich doch aber auf Ihre Verschwiegenheit verlassen?“, erkundigte sie sich vorsichtig.

Die Ärztin zögerte kurz. „Selbstverständlich, Ms. Hamby.“

„Bitte nennen Sie mich Lauren.“ Sie zog das Laken hoch und faltete die Hände auf ihrem Bauch. „Ich möchte das hier unbedingt geheim halten, Dr. Hasan. Es hat nichts mit Zafir zu tun“, log sie tapfer, „und dabei soll es bleiben.“

Die Ärztin runzelte die Stirn. „Natürlich spreche ich mit niemandem darüber. Aber falls …“ Sie sprach den Satz nicht zu Ende, aber es war trotzdem klar, was sie meinte.

Lauren wandte sich ab. Je weniger sie im Moment sagte, desto besser.

Zufrieden unterzeichnete Zafir die letzte Akte seines Lieblingsprojekts und legte sie auf den Bearbeitungsstapel seiner Assistentin. Damit wurde das Kapital für die Frauenklinik in einem Vorort von Behraat aufgestockt. Das kam den Mitgliedern der Wüstenstämme zugute, die ihre Frauen zur medizinischen Versorgung in die Stadt brachten.

Zafir erhob sich hinter dem schweren Eichenschreibtisch und schenkte sich ein Glas starken heißen Tees ein. Doch die innere Unruhe blieb. Allein das Bewusstsein, dass Lauren sich im Palast aufhielt, in seiner unmittelbaren Nähe, raubte ihm seinen Seelenfrieden.

Seufzend setzte er sich wieder an den Schreibtisch.

Durch Tariqs Tod war er gezwungen gewesen, die Beziehung zu Lauren jäh zu beenden. Doch er konnte nicht vergessen, wie viele paradiesische Stunden er in ihren Armen erlebt hatte.

Als Herrscher von Behraat konnte er sich keine Affäre leisten, weil der Hohe Rat und sein von Aufständen schwer gezeichnetes Volk auf keinen Fall davon erfahren durften. Mit einer radikalen Imageänderung musste er den Menschen seines Landes beweisen, dass er anders war als sein skandalträchtiger Playboy-Bruder Tariq.

Dennoch …

In diesem Moment betrat Arif das Büro mit einem Camcorder in der Hand. „Wir haben den Mann.“

Zafirs Puls beschleunigte sich. „Und?“

„Er hat uns den Film gegeben und behauptet, nicht das Geringste gegen die Regierung von Behraat im Sinn zu haben. Er wollte nur ein Exklusivinterview mit Ihnen.“

„Nicht zu fassen!“ Es störte Zafir, dass Laurens Freund sich offensichtlich nicht um ihre Sicherheit sorgte, während sie sich beharrlich geweigert hatte, ihn zu verraten. „Er hat sich nicht einmal nach Lauren erkundigt?“

„Das schon. Daraufhin brachte ich ihn zu ihr. Er war beruhigt, als er sah, dass es ihr gut geht. Nur ein bisschen erstaunt hat ihn, dass sie bei Ihnen im Palast wohnt“, setzte Arif missbilligend hinzu.

Gereizt schob Zarif den Schreibtischsessel zurück und stand auf. „Was soll das heißen, Arif?“

„Schicken Sie sie fort, Hoheit. Auf der Stelle.“

Kein anderer hätte es gewagt, Zafir so etwas abzuverlangen. Aber er wusste, dass sein Berater aus echter Loyalität zu seinem Land sprach.

„Warum?“

„Die Frau bringt nur Ärger.“ Dass Arif ihren Namen bewusst nicht aussprach, sagte eigentlich alles. „In den knapp zwei Tagen hat sie Ihnen nur Ärger gemacht.“

Zafir schüttelte den Kopf. „Ich habe sie in New York mitten in der Nacht verlassen – ohne ein Wort des Abschieds. Sie hat nicht einmal erfahren, wer ich bin.“

Für ihn hatte es immer nur Behraat gegeben. Trotzdem konnte er Lauren nicht aus seinen Gedanken verbannen. Durfte er sich nicht einmal eine kleine Auszeit gönnen?

„Sie macht keinen Ärger mehr“, wehrte er ab.

Arif hielt seinem Blick stand. „Sie dürfen sich durch nichts und niemand von Ihrem Weg abbringen lassen, Hoheit.“

Doch das hatte Zafir bereits getan, als er sich mit Lauren auf eine Affäre eingelassen hatte …

Zafir kämpfte mit sich. Bisher war er immer bereit gewesen, seinem Vater und Behraat alles zu opfern. Warum sich jetzt das bisschen Vergnügen mit der einzigen Frau versagen, die er wirklich begehrte?

Nein!

„Soll ich wie ein Mönch leben?“ Das fragte er sich schon lange. Und seit Lauren im Palast wohnte, war er sich der Antwort gar nicht mehr sicher.

„Das Beste für Sie und die Zukunft Behraats wäre, Sie würden heiraten, Hoheit – eine Frau, die zu Ihnen passt und der Rolle an Ihrer Seite gewachsen ist. Nur so können Sie Ihre Stellung gegenüber dem Hohen Rat festigen.“

Eine nette, folgsame traditionsbewusste Behraaterin, die ihm nie widersprach und nicht im Traum daran dachte, ihn zu ohrfeigen.

So sah seine Zukunft aus. Aber damit hatte es keine Eile!

Zafir dachte an Tariqs Witwe.

Johara war zierlich, bildhübsch, schüchtern und die Tochter eines Ratsangehörigen. Eine Frau wie sie wäre genau die Richtige …

Während Lauren das krasse Gegenteil darstellte: Sie war groß und schlank, fleißig, zäh, sensibel … und gnadenlos unverblümt und aufrichtig.

Sie forderte und beanspruchte nichts, war fast der Grippe erlegen, statt um Hilfe zu bitten. Außerhalb der Notaufnahme der New Yorker Klinik hatte sie kaum Freunde. Privatleben gleich null. Zwei einsame Schiffe, die sich im Hafen begegnet waren.

Dennoch hatte Lauren ihn hier gefunden. Und ehrlich darum getrauert, dass er sie ohne ein Wort verlassen hatte.

Eine gefährliche Versuchung für einen Mann, der sich persönliche Beziehungen nicht gestattete …

„Mein Leben gehört Behraat, Arif. Daran könnte keine Frau etwas ändern.“

Dennoch hatte er sich wenigstens einmal im Leben einen persönlichen, sehr intimen Wunsch erfüllt.

Lauren war aus eigenen Stücken nach Behraat gekommen. Hatte er dieses Geschenk nach der brutalen Wirklichkeit der letzten Wochen nicht sogar verdient?

Der bloße Gedanke an sie erregte ihn.

Höchste Zeit, sie für den schrecklichen Empfang zu entschädigen, den er ihr bereitet hatte. Und er wusste auch, wie.

Es hatte es auch sein Gutes, Herrscher von Behraat zu sein.

Nachdenklich schob Lauren die Terrassentüren auseinander und trat ins Freie. Bald würde die Dunkelheit hereinbrechen, der Himmel begann schon, sich rötlich zu färben. Sie hüllte sich fester in ihre Kaschmirjacke, weil es allmählich frisch wurde.

Kaum zu glauben, dass sie nun schon eine Woche in Behraat lebte. So heiß es tagsüber war, so stark konnte es sich nach Sonnenuntergang abkühlen.

Inzwischen hatte sie sich ein wenig an das Leben im Palast mit seinen zahlreichen Türmen und Kuppeln gewöhnt.

Terrassenartig angelegte Gartenanlagen, Springbrunnen, gewundene Pfade, geflieste Höfe – wohin sie auch blickte, überall herrschten orientalischer Charme, unermesslicher Reichtum und Luxus. Es war, als wäre sie mitten in einem Märchen aus Tausendundein Nacht gelandet.

Man hatte Lauren eine Suite mit einem großen antiken Bett und weichen, mit Goldfäden durchwirktem Baumwolllaken, Satinvorhängen und eigenem Marmorbad zugewiesen, die einer Prinzessin würdig gewesen wäre. Die Böden bedeckten farbenfrohe, hochflorige Läufer, an einer Seite stand ein prunkvoller Frisiertisch mit einem kostbaren goldgerahmten Spiegel.

Wohin sie auch blickte, überall erinnerte Zafirs Reichtum sie daran, dass Welten sie trennten. Selbst vom Bett blickte sie zu einem kunstvollen Goldhimmel auf, dessen sanfte Beleuchtung alles in ein warmes Licht tauchte.

Rastlos kehrte Lauren in ihre Suite zurück. Seit dem Morgen wusste sie, dass sie schwanger war. Was sollte sie jetzt tun?

„Sie sind doch Ärztin?“, sagte sie zu Farrah, die sie kurz zwei Stunden allein gelassen hatte und jetzt wieder da war.

Die Frau blickte von ihrem Magazin auf und nickte.

„Stört es Sie nicht, dass er Sie als Aufpasserin für mich abbestellt hat?“

„Das ist wenig verlangt von einem Mann, der mir in höchster Not selbstlos geholfen hat, nachdem meine Familie mich im Stich gelassen hatte.“ Sie legte das Magazin weg. „Es ist nicht zu übersehen, wie wichtig Sie Zafir sind.“

Lauren versuchte, der Bemerkung auf den Grund zu gehen. „Weil er mich hier eingesperrt hat, statt in einer Gefängniszelle?“

„Das sehen Sie falsch. Sie befinden sich hier in Zafirs Privatflügel – zu dem Frauen normalerweise keinen Zutritt haben. Falls er Sie einsperren wollte, hätte er Sie anderweitig untergebracht.“ Die Ärztin wartete die Wirkung ihrer Worte ab. „Hier kann er sich darauf verlassen, dass Sie absolut sicher sind.“

Was immer das bedeuten soll, dachte Lauren.

Nachdenklich ging sie zu einem mit exotischen Früchten und Gebäck beladenen Tisch, griff nach einem eleganten Silberkrug, goss Limonade in einen silbernen Becher und trank einen Schluck. In Zafirs Welt bedeutete „silbern“ tatsächlich echtes Silber.

Die fruchtige Flüssigkeit rann ihr belebend durch die trockene Kehle. „Der Einzige, der meine Sicherheit gefährden könnte, ist ‚Seine Arrogante Hoheit‘ höchstpersönlich.“

„Seit er wieder in Behraat ist, konnte man zwei Attentate auf ihn gerade noch rechtzeitig vereiteln, Lauren“, erwiderte die Ärztin mahnend.

Der Silberbecher entglitt Laurens Fingern, und auf dem dicken Perserteppich zu ihren Füßen breitete sich lautlos ein Fleck aus.

Halt suchend griff Lauren nach der Tischkante. Zafir ermordet … welch ein furchtbares Szenario!

Ihr wurde übel, die süße Limonade schmeckte auf einmal bitter.

Noch vor Tagen hatte Lauren sich damit abgefunden, dass er womöglich tot war. Doch nachdem sie ihn wiedergesehen hatte, war unvorstellbar für sie, dass ihm etwas zustoßen könnte. Benommen griff sie nach einer Serviette und kauerte sich auf den Boden, um den Fleck aufzutupfen. „Warum sollte …“

Ein Klopfen an der Tür ließ sie verstummen.

Eine Frau in Kaftan und Kopftuch betrat die Suite mit einem Silbertablett, das mit einem roten, goldbestickten Samttuch bedeckt war.

Ehrfurchtsvoll blickte sie von einem zum anderen, ehe sie Farrah etwas mitteilte, die Lauren übersetzte: „Seine Hoheit erwartet Sie in einer Stunde auf dem Dachgarten.“

Woraufhin die Bedienstete ihr das Tablett hinhielt und bedeutete, die Samtdecke zu lüften.

Klopfenden Herzens tat Lauren es. Überwältigt hielt sie ein kostbares smaragdgrünes Seidengewand hoch, und nur das Rascheln des Seidenpapiers, das den Falten entglitt, durchbrach die Stille.

Tausende winziger an Halsausschnitt und Oberteil aufgenähte Kristalle funkelten ihr entgegen. Der schmale Rock war bis zum Knie geschlitzt. Ein Kleid für eine Prinzessin, eine Scheicha – oder die Spielgefährtin eines reichen Mannes.

Es müsste ihr wie angegossen passen, das erkannte Lauren sofort. Sie fing Farrahs Blick auf, die das Gleiche zu denken schien.

Empört ließ Lauren das Gewand fallen.

Die beiden Frauen hatten sie nicht aus den Augen gelassen. Dachten sie das Gleiche wie sie: eine Fremde im Palast, die der Scheich mit sehr persönlichen Geschenken bedachte …?

Was für ein Spiel trieb er mit ihr?

Ein ungutes Gefühl überkam Lauren.

Erst jetzt bemerkte sie das Samtetui, das ebenfalls auf dem Tablett lag. Irritiert öffnete sie es und blickte sprachlos auf ein Diamantcollier mit dazu passenden Ohrringen und einem Armband. Der Name des Topdesigners prangte goldgestickt auf dem Samtdeckel. Dieses Design kannte Lauren nur zu gut … ihr kamen die Tränen.

Zafir hatte ihren Diamanttick also nicht vergessen.

Jede freie Stelle in ihrem Apartment in Queens war mit Broschüren und Katalogen internationaler Diamantgalerien belegt. Fast schuldbewusst hatte sie sich an freien Abenden mit den Katalogen beschäftigt – obwohl sie nicht einmal einen winzigen Anhänger besaß.

Die Diamanten funkelten ihr verlockend entgegen.

Schnell klappte Lauren das Etui wieder zu, um nicht in Versuchung zu geraten.

Glaubte Zafir, sie mit der protzigen Demonstration seines Reichtums beeindrucken zu können? Sie vergessen zu lassen, was geschehen war?

Dass er sich an ihren Diamantentick erinnerte, machte seinen Verrat noch schlimmer. Was immer er sagte oder tat, sie durfte nicht vergessen, dass er sang- und klanglos aus ihrem Leben verschwunden war und das Gleiche von ihr erwartet hatte. Dann noch diese abscheuliche Aktion, sie verhaften zu lassen!

Achtlos warf Lauren das Samtkästchen aufs Bett. „Bitte lassen Sie es Scheich Zafir zurückbringen, Farrah, und ihm ausrichten, dass ich ihn nicht sehen will. Weder heute noch morgen noch irgendwann.“

4. KAPITEL

Lauren schloss den Gürtel ihres Bademantels und frottierte sich das frisch gewaschene Haar, als sie den Wohnbereich ihrer Suite betrat. Am liebsten hätte sie sich stundenlang in der Marmorbadewanne geaalt und die luxuriöse Umgebung einfach nur genossen.

„Allein die große Marmorwanne ist ein Traum“, sagte sie zu Farrah.

„Freut mich, dass es dir bei mir im Palast gefällt, Lauren.“

Schon beim Klang seiner Stimme erschauerte Lauren wie elektrisiert.

Sie wurde ganz schwach, und sie hatte Mühe, sich zu fangen, so geschockt war sie über sein unerwartetes Auftauchen.

Zafir erhob sich aus einem Samtsessel und kam auf sie zu. Er betrachtete sie auf eine Weise, die sie alarmierte.

Irritiert blickte Farrah von einem zum anderen.

„Geh jetzt bitte, Farrah“, bestimmte Zafir, ohne Lauren aus den Augen zu lassen.

„Ich habe dir nichts zu sagen, das Farrah nicht auch hören könnte.“

„Ich dir schon.“ Dicht vor Lauren blieb er stehen.

Farrah raffte ihre Sachen zusammen und verließ diskret den Raum.

Zafirs Haar war feucht, er schien geduscht zu haben und duftete aufregend frisch.

Im braunen T-Shirt und engen Jeans sah er einfach umwerfend gut aus. Das knappe Shirt umspannte seinen muskulösen Oberkörper und …

Laurens Kehle wurde trocken, doch sie stemmte die Hände in die Hüften und hielt seinem Blick stand.

Amüsiert, fast zärtlich betrachtete er sie und ließ den Blick entschieden zu lange auf der Stelle ruhen, wo ihr Bademantel auseinanderklaffte.

Ihr Herz schlug schneller, und ihr stockte der Atem.

Unwillkürlich zog sie den Gürtel enger. Ihre Wangen brannten, sie musste ihre ganze Willenskraft aufwenden, um sich Zafir nicht in die Arme zu werfen.

Im nächsten Moment berührte er sie erstaunlich sanft und deutete auf die Schatten unter ihren Augen. „Du siehst schrecklich aus“, sagte er, als täte es ihm ehrlich leid, ihr wehgetan zu haben.

Würdevoll wich Lauren zurück. „Danke, dass es Ihnen aufgefallen ist, Hoheit“, erwiderte sie ironisch. „Jetzt sollte ich wohl einen Knicks vor Ihnen machen, aber nachdem Sie mich zwei Tage lang weggesperrt haben, bin ich nicht in der Stimmung dazu.“ Kühl fuhr sie fort: „Befiehl deinen Leuten, mich freizulassen, Zafir. Ich möchte gehen. Auf der Stelle.“

Er runzelte die Stirn und sah sie einfach nur an. Ihr wurde ganz heiß, sie war jetzt hellwach.

„Hör auf damit“, forderte Lauren und wünschte, wieder den Fremden vom Nachmittag vor sich zu haben.

Zafir hob die Hände und fragte gefährlich freundlich: „Womit soll ich aufhören?“

„Mich so anzusehen“, brachte sie heiser hervor.

„Du bist nun mal ein höchst erfreulicher Anblick.“

Sie verdrehte die Augen. Zum Glück konnte er nicht hören, wie ihr Herz hämmerte. „Darauf bin ich vor sechs Wochen reingefallen. Einmal genügt mir.“

Er zog die Umrisse ihrer Lippen mit dem Finger nach. „Dein Gewand und den Schmuck persönlich für dich auszusuchen war das Schönste, was ich mir in letzter Zeit gegönnt habe.“

Er hatte das Gewand selbst für sie ausgesucht? Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Plötzlich fühlte sie sich wie verzaubert.

„Noch glücklicher könntest du mich machen, wenn du es anziehen und mit mir zu Abend essen würdest.“

„Ich … soll dich glücklich machen?“ Sie musste ihre Verbitterung rauslassen. „Deine Geschenke bedeuten mir nichts, Zafir. Glaubst du, dich so leicht freikaufen zu können? Du hast mich hier eingesperrt. Mit dir zu Abend zu essen ist das Letzte, was ich möchte.“

„Ich wollte mich davon überzeugen, dass Farrah dich gut betreut. Was hast du bloß gegen mich?“, meinte er herausfordernd.

„Machst du Witze? Soll ich dir zu Füßen sinken, weil du mich jetzt mit Geschenken überhäufst? Vor drei Tagen hast du mich als Verschwörerin verhaften lassen.“ Lauren bebte vor Empörung. „Und jetzt tust du, als wäre nichts gewesen. Ich habe genug von dir und diesem Palast.“

„Ich möchte mich für alles entschuldigen. Eigentlich wusste ich, dass du zu so einer Intrige nicht fähig bist.“

„Und zu der Einsicht bist du erst gekommen, nachdem du David die Beweise abgenommen hast?“

Nun presste Zafir die Lippen zusammen und zeigte sich von seiner harten, gnadenlosen Seite.

Wenn es um Behraat ging, verwandelte er sich in einen Mann, der Lauren völlig fremd war – und den sie auch nicht kennenlernen wollte.

„Ich brauchte das Video, Lauren. Manchmal muss ich rücksichtslos handeln. Das gehört zu den Risiken und Pflichten eines Herrschers.“

„Für mich klingt das eher nach Größenwahn.“

Statt aufzubrausen, wie Lauren es erwartet hätte, lächelte er fast traurig. Die Art, wie er auf ihren Mund blickte, ließ sie erschauern. „Hier unter meinen Landsleuten habe ich vergessen, wie unverblümt du sein kannst.“ Er strich ihr eine Locke aus der Stirn. „Das ist mir übrigens als Erstes an dir aufgefallen.“

Lauren vergaß, was sie ihm vorhalten wollte. Wie elektrisiert stand sie da, als Zafir ihr Gesicht umfasste und sie an sich zog. „Als ich Huma damals in die Notaufnahme brachte, hast du sie angesehen und mich gefragt, ob ich sie verprügelt hätte. Wenn Blicke töten könnten, musste ich in dem Moment denken. Du hast mich an eine Löwin erinnert, wild und atemberaubend“, erklärte er leidenschaftlich. „Noch nie habe ich eine Frau auf den ersten Blick so begehrt, ya habibti.“

Ihr wurde heiß, ihre Haut prickelte.

Die reinste Folter! Noch schlimmer, als eingesperrt zu sein. Fälschlich beschuldigt zu werden – damit wurde sie fertig. Dagegen konnte sie sich wehren, konnte Zafir ihre Verachtung zeigen. Doch wenn er so entwaffnend offen mit ihr sprach, hatte sie keine Chance.

Vergeblich versuchte Lauren, sich in den Griff zu bekommen. Am liebsten hätte sie den Bademantel heruntergerissen und sich in Zafirs Arme geworfen. Es müsste himmlisch sein, jetzt von ihm gestreichelt und …

„Lass mich los“, brachte sie atemlos hervor und löste sich abrupt von ihm.

Lauren wich vor ihm zurück, und er folgte ihr, bis sie an die Bettkante stieß. Sanft berührte er ihre Lippen. Er war ihr so nahe, dass sie seine Körperwärme spürte. „Dabei sehnst du dich nach meinen Liebkosungen. Als wir in New York zusammen waren, konnten wir nicht genug voneinander kriegen.“

„Das war einmal.“ Lauren war entschlossen, sich nicht überrumpeln zu lassen. „Jetzt wünsche ich mich nur noch ganz weit weg von dir.“

Einen Moment lang sah er sie nur durchdringend an. „Ich dachte, du hättest dich inzwischen beruhigt.“ Er zog irritiert die Brauen zusammen. „Eigentlich war ich sogar sicher, du würdest dich freuen, mich zu sehen, nachdem du annehmen musstest, ich wäre tot.“

„Um da weiterzumachen, wo wir aufgehört haben?“, gab sie spitz zurück. Seine Arroganz wirkte wie eine kalte Dusche auf sie. „Was du getan hast, Zafir, verzeihe ich dir nie. Wenn ich nicht so dumm gewesen wäre, dir aus einem Impuls heraus hinterherzufliegen, hätten wir uns nie wiedergesehen. Du hast dich gegen mich entschieden, als du mitten in der Nacht einfach abgehauen bist. Also tu bitte nicht so, als würde ich dir etwas bedeuten.“

Die Beine drohten unter ihr nachzugeben, sie wollte sich an ihm vorbeischieben – doch plötzlich verschwamm alles vor ihren Augen.

Geistesgegenwärtig fing Zafir sie auf und führte sie zum Sofa.

Ya Allah, fast wärst du wieder ohnmächtig geworden.“ Besorgt musterte er sie. „Was ist los mit dir, Lauren?“

Am Vormittag hatte sie sich über seine Geschenke aufgeregt und das Mittagessen kaum angerührt. Kein Wunder, dass sie sich schwach und verletzlich fühlte. Das durfte ihr nicht wieder passieren. Ihr Kind sollte nicht den Preis für ihre Schwäche zahlen.

Sie lehnte sich zurück und schlang die Arme um die Knie. „Vermutlich habe ich nur Hunger“, flüsterte sie, woraufhin Zafir prompt zum Summer griff und Essen für eine ganze Armee bestellte.

Als er den Arm um sie legen wollte, wehrte Lauren ihn ab. „Bitte geh, ehe die Bediensteten kommen.“

„Warum?“

„Weil du ihnen schon genug Grund zum Tratschen gegeben hast, Zafir. Ich möchte im Palast keinen weiteren Skandal provozieren.“

Er presste die Lippen zusammen. „Du bist schrecklich dickköpfig und besserwisserisch. Ich warte hier, bis ich sicher sein kann, dass du nicht wieder ohnmächtig wirst“, erklärte er energisch.

Nach den Aufregungen der letzten Stunden war das das Letzte, was Lauren hören wollte. „Was soll das nun wieder heißen, Zafir?“

„Zwei Wochen, bevor ich dich in New York verließ, hattest du eine lebensbedrohliche Grippeerkrankung, wie du sehr wohl weißt. Offensichtlich hast du dich nicht richtig auskuriert. Als Huma dich im Bad auf dem Boden liegend fand und mich rief, sahst du sterbenselend aus. Ich musste dich buchstäblich in die Klinik tragen. Auch jetzt bist du erschreckend blass. Was ist los? Isst du nicht genug?“

Lauren wich seinem Blick aus und trank ein Glas eiskaltes Wasser. Essen war im Moment wirklich ihr geringstes Problem …

Unwillkürlich dachte Lauren an den Abend, an dem Zafir sie in die Klinik gebracht hatte. Eine Woche lang hatten er und Huma abwechselnd an ihrem Krankenbett gesessen und sie gesund gepflegt. Als ihre Freundin Alicia von ihrem Zusammenbruch erfahren hatte und mit Hühnersuppe erschienen war, ging es Lauren schon etwas besser.

Nachdem sie wieder zu Hause war, hatte Zafir an jenem schicksalhaften Abend unerwartet vor ihrer Tür gestanden und Huma fortgeschickt.

Da hatte sie ihn zum letzten Mal gesehen. Es war das einzige Mal in den zwei Monaten gewesen, dass Zafir bei ihr im Apartment übernachtet hatte.

Beim Gedanken an den endgültigen Todesstoß zog ihr Herz sich jetzt noch schmerzlich zusammen.

Beunruhigt fühlte Zafir ihr die Stirn. „Fühlst du dich schwach?“

Lauren schüttelte den Kopf und schob seine Hand fort. „Huma wusste Bescheid, stimmt’s?“

Seine Miene verschloss sich. „Was wusste sie?“

„Sie wusste von uns … dass wir …“ Sie musste sich zwingen, weiterzusprechen. „Dass wir Sex hatten.“

„Ich spreche mit Huma nicht über mein Sexleben. Aber ja – sie wusste es.“

„Wusste sie auch, dass du am nächsten Morgen verschwinden würdest?“

Über die Antwort schien er erst nachdenken zu müssen. „Huma ist die Tochter eines alten Freundes, der in Behraat um sein Leben bangen musste. Er hatte sie in New York meinem Schutz anvertraut. Ich musste ihr sagen, dass ich die Staaten verlassen würde und für sie vorgesorgt hätte.“

Eine Woche nach Zafir war dann auch Huma verschwunden. Mit einer Umarmung und ein paar lieben Worten auf Arabisch, das Lauren nicht verstand.

„Hat sie dir auch gesagt, dass ich mir Sorgen um dich mache?“

„Ja.“

Wütend sprang Lauren auf. Das alles wäre nicht nötig gewesen. Die Sache hätte in New York enden können – genauso, wie Zafir es gewollt hatte.

Eine letzte Frage quälte sie noch.

Lass es ruhen, Lauren! warnte eine innere Stimme.

Nein.

Es war besser, die schmerzliche Wahrheit zu erfahren, als jahrelang Vermutungen anzustellen. Hoffnung war wie ein Gift, das hatte die Gleichgültigkeit ihrer Eltern sie gelehrt. Sie zermürbte einen auf grausame Weise.

„Hast du mich je anrufen wollen, Zafir?“

Sein Schweigen war Antwort genug.

„Geh“, flüsterte Lauren und wollte sich abwenden, doch er hielt sie zurück.

„Diese Entscheidung musste ich treffen. Aber sie ist mir sehr schwergefallen. Dennoch habe ich oft an dich gedacht.“ Seine Züge wurden weicher. „Bleib eine Weile in Behraat, Lauren – als mein Gast.“

Sprachlos sah sie ihn an. Es waren nur Worte, aber sie berührten etwas tief in ihrem Innern. Die Einladung klang wirklich verlockend …

Nichts hatte sich geändert. Wie damals erlag Lauren Zafirs Charisma. Nach allem, was sie seinetwegen durchgemacht hatte, fand sie es beschämend, dass sie sein Angebot nur zu gern angenommen hätte.

„Nein“, brachte Lauren mühsam hervor.

Doch das nahm Zafir nicht einfach so hin. Er zog sie an sich, blickte verlangend auf ihre Lippen, und Lauren fühlte sich wie elektrisiert. „Und warum nicht?“

Mit der Zungenspitze befeuchtete sie sich die Lippen und machte sich ganz steif in seinen Armen, ballte die Hände zu Fäusten, um ihn nicht zu berühren. Himmel, wie sehr sie sich danach sehnte, ihn zu küssen, sich an ihn zu schmiegen, ihn zu spüren!

Zafir schob die Finger in ihr Haar und drückte sie an sich. „Ach, Lauren, du bist ein Arbeitstier und hast seit einer Ewigkeit keinen Urlaub mehr gemacht.“ Zärtlich liebkoste er ihren Nacken. „Außerdem fehlt mir unser Ausgeh-Freitag. Kino, Bummeln, Restaurants …“

„Meinst du das ernst?“

Statt zu antworten, zog er sie noch enger an sich. Ihn endlich wieder zu spüren machte sie ganz benommen vor Begehren.

Was hätte sie darum gegeben, einfach die Augen zu schließen und sich von Zafir zu den Gipfeln der Lust führen zu lassen, Sex für Intimität und Lust für Liebe halten zu können. Mehr für ihn zu sein als nur eine Frau fürs Bett.

Angst und Unsicherheit, die sie so lange unterdrückt hatte, keimten wieder auf. Lauren hasste sich selbst dafür, weil sie es nicht schaffte, sich emotional von ihm zu lösen. „Ich kann nicht. Es wäre zu früh. Auch wenn das bedeutet, dich nie wiederzusehen.“

An Zafirs Schläfe pochte eine Ader, sein Griff wurde fester. Laurens Puls hämmerte, sie war kurz davor, sich endgültig fallen zu lassen.

„Du lügst.“ Sein Mund war nur noch Zentimeter von ihrem entfernt, sein Atem eine gefährliche Liebkosung. „Kannst du dir vorstellen, wie lange ich davon geträumt habe, wieder mit dir zu schlafen? Wie sehr ich dich brauche, Lauren?“ In seinen dunklen Augen blitzte etwas auf. „Und wenn ich dich jetzt küsse – könntest du mir wirklich widerstehen? Willst du uns das Vergnügen versagen, nach dem wir uns beide sehnen?“

Hilflos schüttelte sie den Kopf. Sein Blick bedeutete ihr, dass er ebenso empfand wie sie.

Nun lächelte er siegessicher.

„Nein, Zafir“, musste sie zugeben. „Ich bin so verrückt nach dir wie du nach mir. Vielleicht sollte ich dir sogar gestehen, dass du der beste Liebhaber bist, den ich je hatte.“

Der Ausdruck in seinen Augen wechselte abrupt, seine Miene verschloss sich. Er wusste, dass es vor ihm nur einen Liebhaber gegeben hatte – einen Collegefreund, der mehr an seiner militärischen Laufbahn interessiert gewesen war als an ihr.

„Der beste Liebhaber, den du je hattest?“, wiederholte er mühsam beherrscht.

„Ja.“ Forsch warf Lauren den Kopf zurück. „Im Bett bist du unglaublich geschickt und sehr großzügig.“

Nur indem sie ihre Beziehung so billig hinstellte, konnte sie sich retten. Vor sich selbst und vor ihm. „Aber diesmal mache ich mir nichts vor. Du setzt deine Macht bedenkenlos ein, ohne auf die Gefühle anderer Rücksicht zu nehmen. Und nutzt raffiniert aus, dass ich es kaum erwarten kann, mit dir ins Bett zu gehen.“ Lauren atmete tief durch. „Wie lange würde es dauern, bis du genug von mir hast und erkennst, dass ich nicht in deine Welt passe? Wann wirst du mich wieder mitten in der Nacht verlassen – oder mich ohne Abschied von einem deiner Wächter an die Luft setzen lassen?“

Zafir war beängstigend still geworden. Mit angehaltenem Atem wartete Lauren – auf irgendetwas. Dass er es abstritt, aufbrauste, ihr heftig widersprach.

Nichts kam.

Sein Schweigen weckte schmerzliche Erinnerungen.

Daran, dass Zafir seine ehrgeizigen Ziele rücksichtslos verfolgte – und alles andere dafür opferte.

Und an ihre Kindheit. Wie oft hatten ihre Eltern ihr wehgetan …

Sie dachte an ihre Unsicherheiten und Ängste, an ihre Bereitschaft, keine Ansprüche zu stellen – einen Teufelskreis, der jede Lebensfreude tötete. Wenn sie Zafir nachgab, begann alles das von vorn.

Ihn jetzt zu verlassen – obwohl sie sich nichts sehnlicher wünschte, als bei ihm zu bleiben – war das Schwerste, was sie sich vorstellen konnte.

Schon beim Anblick dieses unglaublichen Mannes fing ihr Herz wild an zu pochen.

Himmel, er war der Vater ihres Kindes. Der erste Mann, bei dem sie so tief empfand … und bei dem sie sich vergessen hatte.

Dennoch musste sie ihn vergessen.

„Wenn du auch nur einen Funken Respekt vor mir hast, Zafir, lässt du mich gehen.“

Selbst jetzt noch flackerte ein Hoffnungsfünkchen in ihr auf … dass er versuchen würde, sie zurückzuhalten.

Stattdessen löste er sich von ihr.

Ihre Knie drohten nachzugeben.

„Wie du willst, Lauren.“ Einen Augenblick lang betrachtete er sie voller Begehren, dann wandte er sich ab und verließ die Suite.

Ohne einen Blick zurück.

Lauren ließ sich aufs Bett sinken und versuchte, ganz ruhig zu atmen, schloss die Augen, um nicht in Tränen auszubrechen.

Für Zafir würde sie bestenfalls eine Bettgespielin sein. In New York hatte ihr das genügt. Jetzt nicht mehr.

Denn jetzt erwartete sie ein Kind von ihm.

Von draußen ertönte vergnügtes Gekicher herein.

Lauren blickte zur Terrasse, unter der sich der weitläufige Hof erstreckte. Ein etwa neunjähriger Junge rannte über das Kopfsteinpflaster. Im Schein der lodernden Fackeln leuchtete sein dunkles Haar wie Kupfer auf, während er sich übermütig von einem Mann um den Brunnen jagen ließ.

Sein Verfolger gönnte ihm zwei weitere Runden, dann holte er ihn ein und warf ihn sich über die Schulter.

Eine eiserne Faust schien ihr das Herz abzuschnüren, als Lauren die Tragweite des Entschlusses bewusst wurde, den sie in diesem Moment fasste.

Zafir war der Herrscher dieses Landes und traf Entscheidungen, in denen kein Platz für sie war – ein Mann, der rücksichtslos alles beiseiteschob, wenn es um Behraat ging. Sie und ihr Kind würden sein Leben nur verkomplizieren.

Was sie bei ihren Eltern durchlitten hatte, durfte sie ihrem Kind nicht zumuten.

Es war die längste Woche in Laurens Leben.

Sie fühlte sich wie im Treibsand steckend, ohne einen rettenden Ast in Sicht, an dem sie sich herausziehen konnte.

Mehr als einmal hatte sie zum Handy gegriffen, wollte Zafir sagen, dass sie schwanger war. Sie durfte ihm die Wahrheit nicht länger verschweigen. Und doch konnte sie sich einfach nicht dazu durchringen.

Er ließ nicht zu, dass sie wieder ins Hotel zog, sodass sie die Tage im Palast verbrachte. Niedergeschlagen und bangend, letztlich doch schwach zu werden, kapselte sie sich völlig ab. Und wenn sie doch mal mit anderen in Kontakt kam, trug das höchstens dazu bei, sie in ihrer Entscheidung zu bestätigen.

Nachdem Huma erfahren hatte, dass es Lauren war, die der Scheich bei sich im Palast beherbergte, hatte sie sie besucht, sie umarmt und locker mit ihr über das angenehme Leben in Behraat geplaudert. Sie habe sich im Frauencollege eingeschrieben, um Krankenschwester zu werden, hatte sie Lauren erzählt.

„Genau wie du“, hatte Huma ihr stolz zugeflüstert.

Und auf ihre unschuldige Art hatte sie auch über die angeblich bevorstehende Hochzeit des Scheichs und die damit verbundenen Festlichkeiten geplaudert.

Lauren fühlte sich elend.

Zweifel nagten an ihr. War es richtig, Zafir die Schwangerschaft zu verschweigen?

Dann handelte Lauren. Noch in der Nacht packte sie.

Ihr Kind durfte nicht im Schatten der Staatsräson und einer neuen Frau im Leben seines Vaters aufwachsen.

Dafür würde sie sorgen.

5. KAPITEL

Fast ehrfürchtig blickte Lauren sich in der Flughafenhalle um, deren kühne Bauweise wirklich beeindruckend war. Hohe Kuppeldecken, mächtige Bogengänge und farbiger Marmor, wohin sie blickte. Kein Vergleich mit dem Verkehrsflughafen, auf dem sie mit David gelandet war.

Ein Privatjet stand für sie bereit, worüber sie sich anfangs wegen der Energievergeudung empört hatte. Aber man machte ihr unmissverständlich klar, der Scheich bestehe darauf.

Und dem Befehl des mächtigen Scheichs konnte man sich nicht widersetzen.

Als Laurens Magen sich meldete, riss sie einen Müsliriegel auf und biss hinein. Nach den lukullischen Genüssen der letzten Tage schmeckte er fad.

„Wir sind so weit“, kündigte der Flugbegleiter an und vermied es, ihr ins Gesicht zu sehen. „Sie können an Bord gehen.“

Es kam ihr seltsam vor, in der Privatlounge mit den weichen Ledersitzen und kostbaren Perserteppichen vor einem großen Flachbildschirm zu sitzen.

Doch sie konnte den Luxus nicht genießen, denn ihr Herz war bleischwer.

Eine Frau in Tunika und Hose und dem typischen arabischen Kopftuch brachte ihr ein Glas Mineralwasser. „Hallo, Ms. Hamby“, begrüßte sie Lauren höflich. „Ich bin Krankenschwester. Lassen Sie es mich bitte wissen, falls Sie sich nicht gut fühlen.“

Was sollte das denn? „Ich bin selbst Krankenschwester“, wehrte Lauren mühsam beherrscht ab und blickte aus dem Fenster. In der Ferne erhoben sich die Umrisse der Türme und Kuppeln der Hauptstadt inmitten der Wüste. Fast wehmütig ließ sie den Anblick auf sich wirken.

„Ich begleite Sie bis New York“, erklärte die Frau.

Lauren stellte das Glas so heftig ab, dass ihr Wasser auf die Finger schwappte.

Das ging zu weit! Pure Geldverschwendung, dass eine Krankenschwester sie begleitete.

Von Farrah hatte Lauren erfahren, dass der Bedarf an medizinisch ausgebildeten Frauen in den umliegenden Dörfern stark gestiegen war, weil die meisten Familien sich weigerten, Frauen zu männlichen Ärzten zu schicken.

„Bitte sagen Sie Ihrem Vorgesetzten, ich möchte zum Verkehrsflughafen gebracht werden.“

„Aber der Scheich persönlich hat …“

„Wenn er ein Problem damit hat …“, Lauren stand auf und griff nach ihrer Handtasche, „… soll er selbst herkommen.“

Erschrocken riss die Frau die Augen auf.

„Dein Wunsch geht in Erfüllung, habibti“, ertönte in diesem Moment eine vertraute Stimme hinter ihr.

Lauren wirbelte so schnell herum, dass ihr schwindlig wurde.

Zafir. Sein bloßer Anblick machte sie ganz schwach. Ihr Herz begann zu rasen.

„Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du wünschen, mir nie begegnet zu sein“, fügte er gespielt freundlich hinzu und entließ die Frau mit einer Handbewegung.

Er warf Lauren einen Ordner zu, dessen Inhalt in alle Richtungen flog. Wie um seine Drohung zu unterstreichen, segelte ein Dokument ihr entgegen.

Eine Gänsehaut überlief Lauren. Sie brauchte das Papier nicht zu lesen, um zu wissen, was dort stand. Die rote Akte mit ihrem Namen, das Wappenzeichen, das Siegel der Palastärztin genügten.

„Na, Lauren? Da bist du sprachlos, stimmt’s?“

Zafirs Stimme klang kalt, abschätzig. Lauren wurde ganz beklommen zumute.

Er wusste Bescheid! Und war außer sich vor Wut. Warum?

Mit bebenden Fingern hob sie die Papiere auf, dabei überlegte sie fieberhaft. Dann richtete sie sich auf und stellte sich Zafir.

Er trug ein landestypisches weißes Gewand, das seine Erscheinung noch imposanter wirken ließ.

Ein heißer Schauer durchrieselte Lauren, als er sie packte und an sich zog. „Erkläre mir, was da steht!“

War er wütend, weil sie sich gegen ihn auflehnte – oder weil sie ihm die Schwangerschaft verschwiegen hatte?

Zweifel bestürmten sie, und seine Nähe brachte sie durcheinander. Plötzlich fühlte sie sich schrecklich schuldbewusst.

Aber nein, das brauchte sie nicht. Schließlich war es die schwerste Entscheidung ihres Lebens gewesen und diente nur dem Wohl ihres Kindes.

Lauren betrachtete Zafirs aristokratische Züge. Es fiel ihr schwer, sich gelassen zu geben. „Die Geschichte lautet etwa so: Ein Mann und eine Frau hatten fantastischen Sex und glaubten, durch die Pille geschützt zu sein. Aber die Pille versagte, weil die Frau Antibiotika nahm. Wenige Wochen später stellt sie fest, dass sie schwanger ist. Praktischer, lebensnaher Biologieunterricht.“

Zafir stieß eine Verwünschung aus, die sie nicht verstand, und packte sie so fest, dass es schmerzte.

„Hüte deine Zunge, ya habibti, sonst muss ich dich lehren, sie lustvoller einzusetzen.“

Ihre Wangen brannten, sie fochten einen stummen Kampf mit Blicken aus. „Ich streite es nicht ab.“

Zafir lachte sarkastisch auf und strahlte plötzlich eine beängstigende Kälte aus. „Du denkst, ich könnte dich zu nichts zwingen, Lauren?“

„Willst du mir etwa Angst machen?“

„Treib es nicht zu weit, habibti. Sonst erfährst du, wozu ich fähig bin, wenn man mich herausfordert – mir etwas wegzunehmen versucht, das mir gehört.“

Lauren atmete tief durch. Sie hatte ihn nicht provozieren wollen. „Wie hast du es herausgefunden? Hat …?“

„Nein, Farrah, die pflichtbewusste Ärztin, hat sich brav an ihre Schweigepflicht gehalten – dafür werde ich sie mir noch vorknöpfen.“

Lauren raffte allen Mut zusammen. „Ich habe ihr gegenüber angedeutet, dass du nichts mit meiner Schwangerschaft zu tun hast, Zafir. Mach Farrah keinen Ärger, nur weil du wütend auf mich bist.“

„Sorge dich lieber um dich selbst.“

Tapfer verdrängte sie ihre Furcht und versuchte es sachlich. „Ich verstehe nicht, warum du dich so aufregst, Zafir.“

„Nein? Dann lass es mich dir erklären. Du erwartest ein Kind von mir – und wolltest dich stillschweigend davonmachen.“ Er strich sich übers Kinn. „Wie kannst du es wagen, mir etwas so Wichtiges vorzuenthalten?“

Wichtiges?

Nun begriff Lauren – und schlug zurück. „Woher willst du wissen, dass es von dir ist?“

Zafirs Miene wurde ausdruckslos. Er schob Lauren weg und betrachtete sie eisig. „Ich weiß es nicht.“

Er griff zum Telefon und ließ sich mit Farrah verbinden, befahl ihr, einen DNA-Test vornehmen zu lassen, und schleuderte den Hörer an die Wand. In der Stille, die nun folgte, baumelte das Kabel hin und her.

Lauren schlug die Hände vors Gesicht, ihr Kampfgeist war verpufft. Sie hatte Zafir zu weit getrieben.

„Es ist von dir“, brachte sie leise hervor.

Zafir erwiderte nichts darauf, wandte das Gesicht ab.

Begriff er denn nicht, dass sie nicht aus Rachsucht gehandelt hatte? Sie versuchte einfach nur zu verhindern, dass ihr Kind die gleiche Unsicherheit und Gleichgültigkeit erfuhr wie sie bei ihren Eltern.

„In einem so frühen Stadium der Schwangerschaft ist ein DNA-Test noch nicht möglich“, wisperte sie. „Sobald es geht, erfährst du das Ergebnis.“

Endlich drehte er sich um. In seinem Blick lag kein Schmerz, sondern eiserne Härte. „Solange mein Kind nicht geboren ist, fliegst du nirgendwohin. Danach kannst du meinetwegen verschwinden.“

Lauren wurde blass, aber sie hielt seinem Blick stand. Stumm ließ sie sich in den Sitz zurücksinken, schien zu begreifen, dass er es ernst meinte.

Zafir ließ sich auf den Sitz Lauren gegenüber sinken, und etwas in ihm erwachte zum Leben – ein Ehrgefühl, das auf seine Kindheit zurückging, als Getuschel laut wurde, er stamme nicht von seinem Vater ab.

Affären hatte er stets diskret gehandhabt, sich sorgsam von Tariq und seinen Playboy-Orgien distanziert.

Ein einziges Mal war er schwach geworden, hatte verdrängt, dass er sich eine richtige Beziehung nicht erlauben durfte: bei Lauren. Mit ihrem Verrat hatte sie einen Dolch in sein Herz gerammt. So etwas hätte er ihr nie zugetraut.

Wenn sie jetzt einfach verschwunden wäre, hätte er möglicherweise erst nach Jahren von seiner Vaterschaft erfahren.

Wie Lauren sich in den Ledersitz drückte – ihn ansah, als traute sie ihm nicht. Die Ironie der Situation hätte ihn amüsiert, wäre er nicht so wütend gewesen.

Aber er wusste, wie er diese unabhängige, starke Frau in die Knie zwingen konnte. Er kannte ihre Schwachstelle …

Allmählich schien Lauren sich von ihrem Schock erholt zu haben. „Du bluffst“, behauptete sie eigensinnig.

Gespielt lässig streckte Zafir die langen Beine aus und machte es sich in dem Sitz bequem. Mit seiner Antwort ließ er sich Zeit.

Sollte sie sich ruhig den Kopf darüber zerbrechen, was der mächtige, arrogante Scheich mit ihr vorhatte.

Jetzt hatte er sie da, wo er sie haben wollte. Erregung durchflutete ihn. Es war sehr befriedigend zu wissen, dass sie wie andere Frauen auch war.

„Versuche, Behraat zu verlassen – dann wirst du was erleben.“

Auf ihrer Oberlippe bildeten sich kleine Schweißperlen. „Du bist wütend, das ist mir klar, Zafir. Aber sei mal realistisch. Wir sprechen über ein Kind. Du kannst es nicht beanspruchen und es dann beiseiteschieben, wenn sich etwas Wichtigeres ergibt.“

„Ausgerechnet du willst mich belehren, was Elternschaft bedeutet, Lauren? Machen wir uns doch nichts vor. Weil ich damals einfach verschwunden bin, willst du dich rächen, indem du mir mein Kind vorenthältst.“

„So ist es nicht“, flüsterte sie. „Na gut, ich war wütend auf dich. Aber ich habe mich damit abgefunden, dass ich dir nichts bedeute.“

„Dein Verhalten beweist das Gegenteil.“ Er beugte sich zu ihr vor. „Was hättest du meinem Kind gesagt? Dass sein Vater es nicht wollte?“

Empört sprang Lauren auf und verschränkte die Arme. „Ich würde mein Kind nie belügen.“

„Nur seinen Vater.“

„Ich habe dich nicht belogen. Irgendwann hätte ich es dir erzählt.“

„Irgendwann?“ Auch Zafir war aufgesprungen. „Das hast du nicht zu entscheiden.“

Entrüstet funkelte sie ihn an. „Du machst mir Vorhaltungen – du, der allmächtige Landesherrscher? Wenn dir etwas nicht passt, setzt du dich rücksichtslos darüber hinweg. Kannst du mir verdenken, dass ich glaube, das Baby stellt für dich nur eine unerwünschte Komplikation dar? Dass sein Wohl hinter allem zurückstehen müsste, weil deine einzige Sorge Behraat gilt? Außerdem willst du in Kürze eine andere heiraten.“

Er kam näher, drängte Lauren an die Wand und stemmte sich so dagegen, dass sie gefangen war. Verlangend blickte er auf ihren Mund.

Lauren atmete tief durch und schwieg, um nicht die Nerven zu verlieren.

„Jetzt weiß ich, wie du tickst“, schleuderte er ihr aufgebracht entgegen. „Du liest Klatschgeschichten über meine angebliche Heirat und denkst: Erst macht er sich an mich heran, und jetzt heiratet er eine andere. Dafür unterschlage ich ihm sein Kind. Und du willst eine kluge Frau sein? Ist dir nicht mal in den Sinn gekommen, mit mir zu reden?“

Lauren atmete viel zu schnell. „Rache hatte ich nie im Sinn, Zafir.“

„Nein? Du warst eifersüchtig, weil du dachtest, ich würde eine andere heiraten.“

Bebend wollte Lauren ihn wegschieben, doch er hielt ihre Hände fest. „Ich denke nicht daran, mich einem Mann auszuliefern, für den ich nur ein Betthäschen bin, das er nach Lust und Laune abschieben kann.“

Die Spannung zwischen ihnen war inzwischen unerträglich geworden.

„Meine Eltern haben mich belogen und wie ein lästiges Haustier bei Verwandten abgegeben. Im Sommer holten sie mich ab, um mich dann aber schnell wieder loszuwerden, wenn die Pflicht oder irgendein Projekt wichtiger waren. Ich will nicht, dass mein Kind das Gleiche durchmacht.“

„Was du vorhast, lasse ich nicht zu.“

„Wird das Kind für dich an erster Stelle stehen, Zafir? Vor Behraat und deinen königlichen Pflichten? Für mich schon!“

Zafir wurde ganz still. Lauren hatte seinen wunden Punkt getroffen.

Lauren hatte ja recht. Ein Kind brauchte jede Menge Aufmerksamkeit. Man durfte es nicht mit Lügen oder Vorwänden trösten, es wie eine Schachfigur hin und her schieben – so, wie man es mit ihm getan hatte, als er noch ein Junge gewesen war. Seine Kindheit war eine einzige unerträgliche Lüge gewesen. Für sein Kind wünschte er sich etwas Besseres.

Er wollte Lauren die Angst nehmen, doch der schmerzliche Ausdruck in ihren Augen ließ ihn zögern. Dann sagte er: „Ich mag dem Kind vieles nicht geben können, aber eins weiß ich: Ich werde es lieben und alles in meiner Macht stehende tun, um zu verhindern, dass du es gegen mich aufhetzt.“

Zafirs Worte gaben Lauren zu denken.

Sein Zorn war wie ein Kraftfeld, das sie nicht durchdringen konnte. „Wenn dir am Wohl des Kindes liegt, lässt du mich gehen. Natürlich würde ich deine Rechte als Vater respektieren.“

„Nein“, erwiderte er schneidend. „Begreif es endlich, Lauren! Ich lasse mein Kind nicht ohne Vater aufwachsen – irgendwo in der Fremde, Tausende Kilometer entfernt.“

Hilflos ließ sie die Schultern hängen. „Dann haben wir ein Problem.“

„Ich sehe keins.“

Worauf wollte er hinaus? „Ich lebe in New York. Du hier. Das ist sogar ein großes Problem.“

„Mit deinem Leben in New York ist es vorbei.“

„Du kannst nicht über mich bestimmen oder mich zwingen, mein Leben auf den Kopf zu stellen. Ich bin keine von deinen Untergebenen.“

Sein Gesichtsausdruck wurde hart. „Du bist die Mutter meines Kindes und bleibst in Behraat.“

„Das soll wohl …“ Nein, Zafir scherzte nicht. Sekundenlang war Lauren sprachlos, dann erwachte ihr Kampfgeist. „Du schaltest auf stur, Zafir?“

Er lächelte bitter. Vor ihr stand der eisenharte Herrscher, der nicht nachgeben konnte.

„Kannst du dem Baby in New York alles geben, was es braucht?“, fuhr er erbarmungslos fort. „Als ledige Mutter ohne Familie in einem winzigen New Yorker Studio, die an sechs Tagen der Woche als Nachtschwester tätig ist? Deine Freundinnen sind genau wie du berufstätig. Wer betreut das Baby, während du arbeitest? Wer hilft dir, wenn du erschöpft nach Hause kommst?“

Autor

Abby Green

Abby Green wurde in London geboren, wuchs aber in Dublin auf, da ihre Mutter unbändiges Heimweh nach ihrer irischen Heimat verspürte. Schon früh entdeckte sie ihre Liebe zu Büchern: Von Enid Blyton bis zu George Orwell – sie las alles, was ihr gefiel. Ihre Sommerferien verbrachte sie oft bei ihrer...

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