Ein Feuerwerk aus Leidenschaft - Kapitel 9

Als Kerry am nächsten Morgen langsam zu sich kam, bemerkte sie als Erstes, dass sie allein im Bett lag.

Wo war Adam? Sie hob den Kopf und lauschte, aber es war kein Geräusch aus dem Bad zu hören. Dann entdeckte sie den Zettel auf seinem Kopfkissen.

 

Bin Schwimmen gegangen. A.

 

Sie stand auf, stellte sich kurz unter die Dusche und zog sich dann an. Als sie ihre Sachen in die Reisetasche gepackt und das Zimmer aufgeräumt hatte, kehrte Adam zurück. Sein Haar war noch feucht, aber er war vollständig angezogen. Offenbar hatte er im Schwimmbad des Hotels geduscht.

Ihr fiel ein, dass sie keine Badehose für ihn eingepackt hatte. Er war doch wohl hoffentlich nicht nackt geschwommen?

„Bevor du fragst, ich habe in dem kleinen Laden für Hotelgäste in der Lobby eine Badehose gekauft“, sagte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen.

„Ach so“, erwiderte sie und wurde rot. „Hast du schon im Krankenhaus angerufen?“

„Ja. Dad hatte eine ruhige Nacht. Bereit fürs Frühstück?“

„Natürlich. Und nach dem Frühstück rufe ich Trish an. Ich dachte, ich fliege so schnell wie möglich nach London, um die Geburtsurkunden zu holen. Du musst mir nur sagen, wo du deine aufbewahrst.“ Sie machte eine kurze Pause. „Ich nehme an, du warst noch nie verheiratet.“

„Nein, nicht einmal annähernd“, antwortete er und grinste schief.

„Ich auch nicht. Das erleichtert alles.“

„Wann kaufst du dein Kleid?“

„Morgen früh. Abends bin ich wieder hier. Am Donnerstag können wir uns dann um den Papierkram kümmern.“

„Und am Freitagnachmittag …“

Sein Gesichtsausdruck war unergründlich. Verspürte er die gleiche Panik wie sie beim Gedanken an die Hochzeit?

„Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dir bin, Kerry.“

„Kein Problem“, erwiderte sie knapp. Es war höchste Zeit, diesen Raum zu verlassen. Bevor sie sich ihm an den Hals warf und ihn besinnungslos küsste. „Sollen wir jetzt frühstücken?“

„Unbedingt. Ich habe Mum gesagt, dass wir im Krankenhaus vorbeischauen, sobald wir hier fertig sind.“

Nach dem Frühstück holte Kerry ihr Gepäck, während Adam einen Flug für sie buchte und ein Taxi bestellte.

Dann rief sie bei Trish an. „Hallo, ich bin’s. Schön, dass ich dich erreiche.“

„Du bist ein willkommener Anlass, mit dem Üben aufzuhören. Habe ich dir schon einmal gesagt, dass ich Bruckner hasse?“

Kerry lachte. „Ja, schon öfter. Trotzdem wirst du ihn bei dem Konzert brillant spielen. Wie immer.“ Sie räusperte sich. „Hast du morgen viel um die Ohren?“

„Nein, eigentlich nicht. Warum?“

„Ich muss ein Kleid kaufen und brauche Hilfe.“

„Da bist du bei mir genau an der richtigen Adresse. Wir können das heute schon machen.“

„Geht nicht. Ich bin noch in Edinburgh.“

„In Edinburgh?“, wiederholte Trish verwirrt. „Seit wann?“

„Seit gestern. Adams Vater hatte einen erneuten Herzanfall. Wir gehen gleich wieder ins Krankenhaus.“

„Wir? Das heißt wohl, du und Adam.“

„Genau.“

„Wann fliegst du zurück?“

„Heute noch.“

„Dann komm doch zum Abendessen zu mir“, schlug Trish vor. „Ich glaube, wir sollten uns noch einmal ernsthaft unterhalten.“

„Ja, gern.“ Das ist eine gute Idee, dachte Kerry. Es war bestimmt besser, ihr die Neuigkeit persönlich mitzuteilen.

„Schön. Ruf mich an, bevor du deine Wohnung verlässt. Dann schiebe ich die Lasagne in den Ofen.“

Oh, Lasagne! Auch das war eine gute Idee.

 

Der Vormittag flog nur so dahin, und schließlich war es Zeit, zum Flughafen zu fahren. Adam begleitete Kerry zum Haupteingang des Krankenhauses, wo das Taxi schon auf sie wartete.

„Gute Reise! Ruf mich bitte kurz an, wenn du zu Hause bist“, bat er leise.

„Mach ich.“

Sie wollte schon ins Taxi steigen, als er ihren Namen sagte. Sie drehte sich um und sah ihn an. Er nahm sie in die Arme und zog sie an sich. Dann beugte er sich nach vorn, um sie zu küssen. Zuerst streifte er nur zärtlich ihren Mund, aber als sie die Lippen öffnete, vertiefte er den Kuss.

Die Zeit stand still. Kerry nahm nur noch seinen Mund auf ihrem wahr. Seinen fordernden, leidenschaftlichen Kuss und das Versprechen, das darin lag. Es kam ihr vor wie ein Anfang.

Dann umfasste er ihr Gesicht mit beiden Händen und löste sich von ihr. „Ruf mich an“, flüsterte er.

 

Kerry dachte immer noch an diesen Kuss, als sie in ihrer Wohnung angekommen war. Sie packte rasch ihre Sachen und holte ihre Geburtsurkunde aus dem Aktenordner mit ihren persönlichen Papieren. Adams Urkunde war schwerer zu finden, denn er bewahrte seine Dokumente in einer großen Schachtel auf. Dort lag alles durcheinander, und sie musste eine Weile darin herumkramen, bis sie sie fand.

Schließlich rief sie bei Trish an und sprach ihr auf den Anrufbeantworter, dass sie sich auf den Weg machte. Sie nahm die U-Bahn zum Haus von Trish und ihrem Mann Pete im östlichen Teil Londons.

Pete öffnete ihr die Tür und begrüßte sie mit einer Umarmung. „Hi, Kerry. Wie geht es dir?“

„Ziemlich viel Stress im Moment. Und dir?“

Trish stellte sich neben ihren Mann und legte ihm den Arm um die Schultern. „Zeit für ein Gespräch unter Frauen“, sagte sie, bevor er antworten konnte. „Falls du in den Pub fliehen willst, heben wir dir etwas von der Lasagne auf.“

„Guter Plan. Bis später, ihr zwei“, meinte Pete, nahm seine Jacke von der Garderobe und verließ das Haus.

Kerry überreichte ihrer Freundin den mitgebrachten Wein und die Schokolade.

„Oh, danke“, sagte Trish und führte sie in die Küche. „Setz dich doch.“

Nachdem sie am Esstisch Platz genommen hatten, öffnete Trish den Wein und füllte zwei Gläser. „Auf die Freundschaft“, prostete sie Kerry zu.

„Auf die Freundschaft“, wiederholte Kerry und nahm einen Schluck.

„Also, was ist los?“

„Ich habe dir ja schon gesagt, dass Adams Vater einen zweiten Herzanfall hatte.“

„Wird er wieder gesund?“

„Das hoffen wir jedenfalls. Aber Adam macht sich große Sorgen. Und er ist immerhin Arzt.“

Trish runzelte die Stirn. „Ich hoffe, du willst mir nicht sagen, was ich schon die ganze Zeit befürchte.“

„Was denn?“

„Dass du Adam heiraten wirst. Die Verlobung war bereits keine gute Idee. Aber eine Hochzeit?“

„Deshalb brauche ich ein Kleid. Ein Hochzeitskleid.“

„Oh, Kerry. Das kann doch nicht dein Ernst sein! Ihr liebt euch doch gar nicht. Das wird mit Sicherheit ein böses Ende nehmen.“

Kerry holte tief Atem. „Eigentlich hatte ich gehofft, dass Pete und du zur Hochzeit kommen würden. Es war Adams Vorschlag.“

„Wie einfühlsam von ihm“, meinte Trish mit bitterer Ironie.

„Entgegen deiner Meinung hat er durchaus ein Herz.“

„Möglich. Aber er wird dir deines brechen.“

„Das heißt wohl, dass du nicht kommen wirst. Schade, ich hätte dich gern als Trauzeugin gehabt.

„Natürlich werde ich kommen und deine Trauzeugin sein. Du bist meine beste Freundin. Aber du willst wirklich Adam McRae heiraten?“

„Nur auf dem Papier. Für seine Eltern.“

„Das ist mir klar. Dennoch ist es falsch. Ich fürchte, dass Menschen dabei verletzt werden. Besonders du.“

„Aber wenn Adams Vater stirbt, ohne dass ich zumindest versucht hätte, ihm den Abschied so leicht wie möglich zu machen, könnte ich mir das nie verzeihen.“

Trish ließ resigniert die Schultern sinken. „Also gut, Kerry. Ich schätze, wir werden uns in dieser Frage nicht einig werden. Wie dem auch sei, ich bin mit von der Partie. Habt ihr schon einen Termin?“

„Ja, am Freitag.“

„Doch nicht etwa diesen Freitag?“

Kerry nickte nur.

„Na, dann haben wir ja noch jede Menge Zeit für die Vorbereitungen“, meinte Trish sarkastisch.

„Die Hochzeit findet in Edinburgh statt, denn Adams Vater kann ja nicht reisen.“

„Auch das noch! Du bist absolut verrückt, Kerry. Aber ich kann dich verstehen. Ich werde das schon irgendwie hinkriegen. Pete und ich kommen nach Edinburgh. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass ich dich schminken und dir die Haare machen darf. Pete und ich werden für die Musik sorgen.“ Sie hob die Nase und schnupperte. „Die Lasagne ist fertig.“

„Du willst wirklich auf meiner Hochzeit spielen?“, fragte Kerry, während ihre Freundin die Lasagne aus dem Ofen holte und auf den Tisch stellte.

„Klar. Ich liebe es, auf Hochzeiten zu spielen. Genau wie Pete. Wir sind dann zwar kein Quartett, sondern nur Violine und Cello, aber wir werden unser Bestes geben.“ Trish schnitt die Lasagne an und legte Kerry ein enormes Stück auf den Teller. „Sag mal, Adam hat doch wohl nicht vor, einen Kilt zu tragen, oder? Immerhin ist er Schotte.“

„Oh, daran habe ich noch gar nicht gedacht. Ich werde ihn anrufen.“

„Aber nicht sofort. Jetzt wird erst einmal gegessen“, sagte ihre Freundin mit gespielter Strenge.

Am Ende der Mahlzeit hatte Trish den Einkaufsbummel am nächsten Tag genau geplant. Er würde gleich morgens um neun Uhr beginnen.

 

Als Kerry wieder zu Hause war, rief sie als Erstes Adam an. „Hallo, ich bin’s. Wie geht es deinem Dad?“

„Den Umständen entsprechend gut. Schön, dass du anrufst.“

„Sag mal, Adam, mir ist da etwas eingefallen. Wirst du bei der Hochzeit einen Kilt tragen?“

Er lachte. „Nein. Ich bin zwar stolz auf mein schottisches Erbe, aber darauf werde ich verzichten.“ Er machte eine kurze Pause. „Und? Wie sieht es aus? Kommen Trish und ihr Mann?“

„Er heißt Pete. Und ja, sie kommen.“

„Das freut mich. Dann hast du auch jemanden, der dir bei der Hochzeit zur Seite steht.“

„Was soll das heißen?“

„Nun ja, Mum hat die gesamte Familie mobilisiert. Ich hatte keine Ahnung davon, bis es zu spät war. Und jetzt kann ich meine Verwandten nicht wieder ausladen. Tut mir leid.“

Sie unterdrückte ein Stöhnen. „Um wen genau handelt es sich denn?“

„Meine Onkel und Tanten. Und ein paar Cousins und Cousinen. Die gute Nachricht ist, dass der Chefarzt meinem Dad erlaubt hat, für eine Weile das Bett zu verlassen. Er kann also am Freitag bei der Hochzeit dabei sein.“

„Das ist schön.“

„Dann besprechen wir alles Weitere morgen, ja? Schlaf gut.“

„Du auch.“

Kerry legte den Hörer auf. Sie hatte das Gefühl, von einem Zug überfahren worden zu sein. Nicht nur musste sie Freitag ein falsches Eheversprechen ablegen, sondern es würde auch noch vor nahezu der gesamten Sippe der McRaes stattfinden.

Trish hatte recht. Diese Geschichte würde ein böses Ende nehmen.

 

Um die Mittagszeit am nächsten Tag hatte Trish Kerry mit einem Hochzeitskleid, dazu passenden Pumps, Schleier, Diadem, Stola und neuer Unterwäsche ausgestattet.

„Dann also bis Freitag“, sagte Kerry und umarmte ihre Freundin. „Ich danke dir für deine Hilfe.“

„Es war mir ein Vergnügen“, erwiderte Trish. „Bis Freitag. Halt die Ohren steif!“

Von diesem Moment an schien die Zeit nur so zu rasen. Kerry kehrte in ihre Wohnung zurück, packte ihre Sachen, fuhr zum Flughafen und dann war sie auch schon in Edinburgh.

In ihrem Hotelzimmer hängte sie das Hochzeitskleid in den Schrank, rief kurz bei Adam an, um ihn über ihre Ankunft zu informieren und lieferte die Geburtsurkunden beim Standesamt ab. Dann war es höchste Zeit, die Blumen zu bestellen, bevor die Geschäfte schlossen.

Adam bat sie nicht darum, die Nacht über bei ihm zu bleiben. Darüber war Kerry ebenso enttäuscht wie erleichtert.

Am Donnerstag erledigten sie die letzten Formalitäten. Moira bestand auf der Tradition, dass Braut und Bräutigam sich am Abend vor der Hochzeit nicht mehr sehen durften.

Und schließlich war es Freitagmorgen.

Kerry lief in ihrem Zimmer auf und ab. Ihr war übel vor Nervosität. Sie fragte sich, welcher Teufel sie geritten hatte, als sie sich auf diese Sache eingelassen hatte.

Das Hoteltelefon klingelte. „Hier ist Mrs Henderson für Sie, Madam“, sagte die Rezeptionistin.

„Danke. Lassen Sie sie bitte heraufkommen.“

Ein paar Minuten später schloss Trish sie freundschaftlich in die Arme.

„Ich bin so froh, dass du da bist“, flüsterte Kerry.

„Ich hab’s dir doch versprochen. Sind die Blumen schon da?“

„Nein, aber sie werden jeden Moment geliefert.“

„Gut. Dann lass uns mal loslegen.“

Trish arbeitete schnell und effizient. Haar, Make-up, Fingernägel. Nachdem sie Kerry in ihr Brautkleid geholfen hatte, trafen die Blumen ein.

„Du siehst wunderschön aus“, meinte die Freundin zu ihr und begutachtete ihr Werk. „Jetzt noch zu den Hochzeitsbräuchen. Hast du etwas Altes?“

„Meine Armbanduhr.“

„Sehr gut. Etwas Neues, das ist dein Kleid. Dann fehlt noch etwas Geborgtes.“ Trish kramte in ihrer Handtasche herum und brachte eine schmale längliche Schachtel zum Vorschein. „Das sind meine Glücksperlen. Ich trage sie immer, wenn wir Konzerte geben.“

„Danke“, sagte Kerry leise, während die Freundin ihr die Perlenkette umlegte.

„Und zu guter Letzt noch etwas Blaues.“ Trish reichte ihr eine kleine Einkaufstüte.

Kerry spähte hinein und brach in Gelächter aus. „Ein Strumpfband?“

„Das gehört zur Tradition. Und da Pete die Fotos machen wird, kannst du sicher sein, dass der Fotograf dich nicht zwingen wird, das Kleid hochzuheben, damit alle es sehen können.“

„Freut mich zu hören. Zumal ich den größten Teil von Adams Familie noch gar nicht kenne.“

Trish holte eine kleine Kamera aus ihrer Handtasche. „Bitte lächeln.“

Kerry gab sich alle Mühe, aber es waren mehrere Versuche nötig, bis ihre Freundin zufrieden war und auf den Auslöser drückte. Dann warf sie einen Blick auf die Uhr. „Jetzt wird es langsam Zeit. Ich gehe in die Kapelle, um dem Bräutigam die Blume ins Knopfloch zu stecken. Pete ist schon dort. Hoffentlich hat er meine Geige nicht vergessen. Du kommst in zehn Minuten nach. Falls du deine Meinung im letzten Moment noch änderst, ruf mich an. Dann komme ich sofort und bringe dich zum Flughafen.“

„Das wird nicht geschehen“, erwiderte Kerry mit mehr Überzeugung, als sie empfand. Denn sie musste komplett verrückt sein, einen Mann zu heiraten, der ihre Gefühle für ihn nicht erwiderte.

 

Adam sah auf die Uhr. Noch zehn Minuten. „Geht’s dir gut, Dad?“, wandte er sich an seinen Vater.

„Ja. Aber das sollte ich eigentlich dich fragen“, antwortete Donald trocken. „Hör auf, dir Sorgen zu machen.“

„Wenn du dich auch nur ein kleines bisschen unwohl fühlst, musst du es mir sagen. Versprich es, sonst sage ich die Hochzeit ab.“

„Na schön, ich verspreche es dir.“

„Gut.“ Adam sah wieder auf die Uhr. Noch neuneinhalb Minuten.

Die Tür der Kapelle ging auf. Er drehte sich unwillkürlich um, obwohl er wusste, dass es noch nicht Kerry sein konnte. Als er Trish hereinkommen sah, holte er tief Atem. Er hatte Kerry versprochen, nett zu ihrer besten Freundin zu sein. Also zwang er sich zu einem Lächeln und hob grüßend eine Hand.

Trish ging geradewegs auf ihn zu. „Die Einsteckblume.“

Eine dunkelrote Rose. Adam hob die Augenbrauen. „Passt sie zu Kerrys Strauß?“

„Das wirst du noch früh genug sehen“, antwortete Trish mit einem verhaltenen Lächeln. „Hallo“, wandte sie sich an Adams Eltern. „Sie müssen Mr und Mrs McRae sein. Ich bin Trish Henderson, Kerrys beste Freundin, Brautjungfer, Trauzeugin und Musikerin in einer Person.“ Sie lächelte ihren Mann an, der ihr die Geige reichte. „Tut mir leid, dass ich Sie nicht früher begrüßen konnte, aber ich war auch noch Friseurin und Visagistin für die Braut.“

„Donald und Moira“, erwiderte Adams Mutter. „Nett, Sie kennenzulernen! Ich kann es immer noch kaum fassen, dass es nun wirklich so weit ist. Eine Hochzeit in weniger als einer Woche zu organisieren, ist eine reife Leistung.“

„Oh, Kerrys Organisationstalent ist legendär“, sagte Trish und zupfte Adam am Ärmel. „Komm kurz mal mit. Ich muss dir die Rose anstecken.“

Adam rührte sich nicht und blickte sie mit gerunzelter Stirn an. Ihr Tonfall gefiel ihm gar nicht.

„Ich will mit dir reden“, zischte Trish ihm leise zu.

Ihm sank das Herz in die Hose. Das hörte sich gar nicht gut an!

„Hat Kerry es sich anders überlegt?“, fragte er leise, nachdem Trish und er ein paar Schritte zur Seite getreten waren.

„Leider nein“, antwortete sie langsam. „Ich will, dass du eines weißt. Wenn du ihr wehtust, werde ich dich höchstpersönlich in Stücke zerreißen. Mit meinem Geigenbogen.“

„Gut, ich bin einverstanden. Aber was immer du auch von mir halten magst, Kerry bedeutet mir sehr viel.“

Sie sah ihn nur skeptisch an.

„Wir stehen auf derselben Seite, Trish. Wir sollten aufhören zu streiten. Heute ist Kerrys und mein Hochzeitstag. Ich will, dass alles reibungslos abläuft. Für Kerry ebenso wie für meine Eltern.“

Sie nickte. „Also gut. Ich möchte niemandem Ärger bereiten. Ich werde mich gut benehmen, wenn du es auch tust.“

„Danke.“

Sie heftete ihm die Rose ans Knopfloch und nahm ihre Position neben Pete ein.

Adam wagte nicht, auf die Uhr zu sehen. Es musste jetzt jeden Moment so weit sein.

 

Kerrys Blick heftete an der geschlossen Tür zur Kapelle.

Es war noch nicht zu spät. Sie konnte sich immer noch umdrehen und einfach weggehen.

Aber würde sie es wirklich über sich bringen, Adam so im Stich zu lassen? An Donald und Moira wagte sie gar nicht zu denken.

Schließlich gab sie sich einen Ruck, öffnete die Tür und trat ein.

Lieber Himmel, da waren mehr Menschen, als sie erwartet hatte. Die kleine Kapelle war fast bis auf den letzten Platz besetzt.

Und da war Adam. Sie konnte nur seinen Rücken sehen. Das genügte jedoch, um ihren Herzschlag zu beschleunigen. Breite Schultern, schmale Hüften. Wenn er sich umdrehte und sie anlächelte, würde sie zerschmelzen.

Der Mann, den sie gleich heiraten würde.

Der Mann, der sie gern hatte, aber nicht liebte.

Das hier war mit ziemlicher Sicherheit mit hoher Wahrscheinlichkeit der größte Fehler ihres Lebens.

Aber jetzt konnte sie nicht mehr zurück. Sie zwang sich zu einem Lächeln und nickte Trish zu.

 

Adam verschränkte die Finger ineinander. Wie konnte die Zeit nur so langsam vergehen? Jede Sekunde kam ihm wie eine Stunde vor.

Dann setzte die Musik ein. Ein beschwingtes Stück von Händel. Er hörte, wie die Menschen um ihn herum gleichzeitig Luft holten.

Dann drehte er sich um.

Kerry kam durch den Mittelgang auf ihn zu. Allein, tapfer und …

Beinahe wäre ihm die Kinnlade heruntergefallen.

Er hatte das Gefühl, als würde er sie zum ersten Mal sehen. Sie trug ein dunkelrotes trägerloses Kleid aus Seidengeorgette. Das Oberteil war wie eine Korsage gearbeitet, der knielange weite Rock umspielte ihre schlanken Beine. Die ebenfalls dunkelroten Pumps hatten hohe, schmale Absätze. In den Händen hielt sie einen üppigen Strauß dunkelroter Rosen. Um die Schultern trug sie eine schillernde goldfarbene Chiffonstola. Golden schimmerte auch ihr Schleier, der um das Gesicht drapiert war und von einer goldenen Tiara gehalten wurde. Das blonde Haar trug sie zu einer eleganten Hochsteckfrisur.

Sie sah atemberaubend aus. Absolut hinreißend. Das Kleid betonte ihre weiblichen Kurven, und die Perlenkette um ihren Hals die zarte Glätte ihrer Haut.

Er musste an sich halten, um nicht auf sie zuzugehen, sie hochzuheben und an einen weit entfernten Ort zu tragen, wo er mit ihr allein sein konnte. Stattdessen zwang er sich, stehen zu bleiben und auf sie zu warten. Schließlich war es leider verboten, die eigene Braut zu entführen.

Endlich stand sie neben ihm. Durch den dünnen Schleier konnte er ihr Gesicht erkennen. Sie war nur sehr dezent geschminkt. Das Make-up betonte ihre Augen und ihren Mund.

Oh, Himmel, ihr Mund! Sanft geschwungene, sinnliche Lippen. Lippen, die er jetzt zu gern geküsst hätte.

„Du bist wunderschön“, flüsterte er ihr zu.

Während der gesamten Trauungszeremonie war er unfähig, den Blick von ihr zu wenden. Er hörte kaum, was der Kaplan sagte, bis er sie endlich zu Mann und Frau erklärte.

Das war der Moment, auf den Adam gewartet hatte. Der Moment, von dem er Kerry nichts erzählt hatte. Der Moment, in dem er ihr sagen konnte, was er für sie empfand, ohne es ihr tatsächlich zu sagen.

Er sah ihr in die Augen und legte sein Ehegelübde ab. Es war ein langes Gelübde, und er sagte es auf Gälisch.

Er wusste, dass Kerry kein Wort davon verstand. Im Gegensatz zu seiner Mutter. Sie wischte sich die Tränen von den Wangen. Ebenso wie alle seine Tanten und die erwachsenen Cousinen. Die Augen seines Vaters und der älteren männlichen Familienangehörigen glänzten verräterisch. Wahrscheinlich erinnerten sie sich daran, wie sie diese Worte zu ihren eigenen Bräuten gesagt hatten.

 

Von diesem Tag ein Körper.

Vereint zu einer Seele, die niemals mehr getrennt werden soll.

Herz meines Herzens, ich gebe dir meine Liebe.

Tu damit, was immer dir gefällt.

 

„Sie dürfen die Braut jetzt küssen“, sagte der Kaplan.

Als Pete begann, die ersten Noten eines sanften, getragenen Cellostückes zu spielen, hob Adam Kerrys Schleier, umfasste ihr Gesicht mit beiden Händen und küsste sie so zärtlich und innig, wie er es nur vermochte.

Als die Heiratsurkunde unterzeichnet war, nahm Trish ihren Platz neben Pete ein, und die beiden intonierten Pachelbels Kanon. Anschließend war es Zeit, die Kapelle zu verlassen. Seite an Seite. Mr und Mrs McRae.

Mrs Kerry McRae.

Kerry schmiegte sich an Adam und warf ihm einen Seitenblick zu. „Was hast du zum Schluss der Zeremonie zu mir gesagt?“

„Es war ein gälisches Hochzeitsversprechen“, antwortete er. „Das ist Tradition in unserer Familie.“ Jedes Wort war ihm heilig gewesen. Er hatte Kerry sein Herz geschenkt.

„Es klang wunderschön.“

Er nickte nur. Um keinen Preis der Welt hätte er sich die Bedeutung der Worte entlocken lassen.

Vor der Kapelle wartete Pete schon mit der Kamera auf sie.

Sie posierten lächelnd mit dem Brautstrauß, bis der Fotograf die Kamera sinken ließ.

„Perfekt“, sagte Pete. „Und wohin jetzt?“

„Wir müssen nur in das Hotel auf der anderen Straßenseite gehen“, antwortete Adam. Er drehte sich zu seinem Vater um, der unschlüssig neben einem bereitgestellten Rollstuhl stand. „Du wirst allerdings nicht gehen, Dad. Ich schiebe dich.“

Einer von Adams Onkeln trat eilig dazu. „Kommt gar nicht infrage. Du bist der Bräutigam. Ich mache das schon.“ Er lachte. „Jemand sollte ein Foto machen. Das ist das erste Mal, dass ich meinen großen Bruder herumschubsen darf.“

„Pass nur auf, dass ich es dir nicht heimzahle“, brummte Donald und setzte sich widerstrebend in den Rollstuhl.

„Danke, Tom“, sagte Adam zu seinem Onkel. „Kerry, das ist mein Onkel Tom. Er ist der Schürzenjäger in der Familie.“

„Nur, weil du jetzt beschlossen hast, ein respektables Leben zu führen“, gab sein Onkel zurück und lachte.

„Ja, aber ich habe die richtige Frau gefunden“, sagte Adam. „Du solltest dich auch mal auf die Suche machen.“

So scherzte er ebenfalls mit den anderen Mitgliedern seiner Familie. Auch wenn Kerry kaum wusste, wie sie alle Namen im Gedächtnis behalten sollte, wurde sie mit großer Herzlichkeit und Wärme aufgenommen. Sie fühlte sich fast schon als Mitglied der Familie McRae. Oder, weil sie ja in Schottland waren, des Clans der McRae.

Nachdem sich alle Hochzeitsgäste im Festsaal des Hotels versammelt hatten, machte Pete noch mehr Schnappschüsse vom Brautpaar mit den Angehörigen. Obwohl das Hochzeitsessen als Buffet serviert wurde, gab es eine lange Tafel. Adam und seine Mutter hatten in aller Eile eine Sitzordnung ausgearbeitet und Tischkarten anfertigen lassen.

Das Essen war eine lautstarke Angelegenheit, die von kurzen Reden und zahlreichen Trinksprüchen unterbrochen wurde. Moira, als Mutter des Bräutigams, fand ein paar wohlgesetzte Worte, und auch Trish hielt als Trauzeugin eine knappe, aber witzige Ansprache.

Schließlich war es Zeit, die Hochzeitstorte anzuschneiden.

Nachdem alle ein Stück davon auf dem Teller hatten, trat Moira zu dem Brautpaar.

Sie überreichte Kerry einen Umschlag. „Darin ist der Schlüssel für die Hochzeitssuite. Wir haben eure Sachen schon dorthin bringen lassen. Das ist Donalds und mein Geschenk für euch.“

„Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll“, flüsterte Kerry gerührt.

Adams Mutter lächelte. „Ihr habt zwar gesagt, ihr wollt keine Geschenke. Aber du bist jetzt meine Tochter, und ich habe das Recht, dich zu verwöhnen. Und jetzt verschwindet, ihr zwei. Das Brautpaar muss den Empfang traditionsgemäß vor den ersten Gästen verlassen.“

„Danke, Mum“, sagte Adam und umarmte sie. „Wir schauen morgen früh bei Dad und dir vorbei. Und bitte ruft mich an, wenn ihr uns brauchen solltet.“

„Das werden wir ganz bestimmt nicht“, gab Moira zurück. „Nicht heute Nacht.“

Kerry und Adam verabschiedeten sich von ihren Gästen.

Dann waren sie allein im Fahrstuhl auf dem Weg in die Hochzeitssuite.


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