Zeit der Zärtlichkeit, Zeit der Liebe – Kapitel 7

Vorsichtig ließ Jake Rebecca auf das mit einem weichen blauen Leinen bezogene Doppelbett sinken.

Rebecca fragte sich, wie es zwischen ihnen so schnell so ernst hatte werden können. Gerade eben hatte sie ihn noch geküsst, und schon im nächsten Moment war sie sich sicher, dass ihr ganzer Körper in Flammen aufgehen würde, wenn sie nicht mit ihm schlief.

Hatte sie den Verstand verloren? Oder hatte sie ihn erst jetzt wiedererlangt?

Jake ließ ihr keine Zeit, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Schnell folgte er ihr auf die Matratze und zog sie in die Arme. Und als er sie leidenschaftlich küsste, wurde ihr klar, dass alles andere unwichtig war.

Alles, was jetzt zählte, waren er und das Vergnügen, ihm nahe zu sein. Seine Lippen und seine starken Arme zu spüren, mit denen er sie an sich drückte.

Schließlich beendete er den Kuss und schmiegte sich an sie. „Oh, Rebecca“, flüsterte er mit rauer Stimme. „Ich hätte nie gedacht, dass du einmal hier bei mir sein würdest. Auf diese Weise …“

Die Überraschung in seiner Stimme verwunderte sie. War er sich seiner eigenen sexuellen Anziehungskraft denn gar nicht bewusst? War ihm nicht klar, dass sie seit der Sekunde, als sie sich kennengelernt hatten, an diesen einen Moment dachte? Daran, wie es sein würde, mit ihm zu schlafen?

„Ich hätte auch nie gedacht, dass ich mal hier bei dir sein würde. Auf diese Weise …“, gab sie zurück.

Seine Schultern waren breit, mit ausgeprägten Muskeln. Rebecca ließ die Finger über die starken Wölbungen gleiten, dann seinen Arm hinunter, bis sie die Schwellung seines Bizeps erreichten.

Jake sah sie forschend an. „Warum?“, fragte er mit leichter Ironie. „Weil du nie davon geträumt hast, im Bett eines Cowboys zu liegen?“

Sie lächelte, während sie mit verklärtem Blick seine dunklen Gesichtszüge erforschte. „Du sagst das, als sei mit euch Cowboys irgendetwas nicht in Ordnung.“

„Nur mit manchen von uns.“

„Heißt das, ihr habt auch Fehler?“

Er grunzte amüsiert. „Fehler? Ich kann mich nicht verstellen, Rebecca. Ich mag Frauen.“

Die bloße Freude, seinem Körper so nahe zu sein, brachte sie zum Seufzen. „Das ist schön. Ansonsten hättest du mich vielleicht gar nicht beachtet.“

Er rollte mit den Augen. „Das ist aber nur einer meiner Fehler, hübsche Dame. Ich mag auch Bier. Und Faulenzen. Und ich bin nicht gern ernst. Außerdem …“

„Du redest zu viel“, fiel sie ihm ins Wort. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und zog seinen Mund an ihren heran. Das genügte, um seinen Redefluss zu stoppen.

Anschließend zeigte sie ihm, wie sehr sie sich danach sehnte, in seinen Armen und in seinem Bett zu liegen.

Fast auf einen Schlag wurde die Berührung ihrer Lippen intensiver und stürmischer. Beide versuchten, mehr zu nehmen und zu geben.

Als ihre Zungen sich begegneten, schob Rebecca eine Hand zwischen ihre Körper und begann fieberhaft, sein Hemd aufzuknöpfen. Ihr Atem ging schnell und abgehackt.

Hastig öffnete sie sein Hemd und betupfte sein Schlüsselbein, seine Brust und seinen flachen Bauch mit federleichten Küssen. Seine Haut war heiß, und sein männlicher Duft fachte ihre innere Hitze weiter an.

Sie hörte, wie Jakes Atem schneller ging und stoßweise kam. Unter ihren suchenden Händen konnte sie seinen Herzschlag spüren. Der schnelle Rhythmus bildete eine Einheit mit dem Pochen in ihren Ohren.

Sie wollte ihn, seit er sie in jener Nacht zum ersten Mal geküsst hatte. Bis zu diesem Moment hatte sie jedoch nicht gewusst, wie tief dieses Verlangen saß. Es war mehr als nur der Wunsch, ihn berühren, ihn schmecken zu dürfen. Es war das Verlangen, in jeder nur erdenklichen Weise mit ihm verbunden zu sein.

Als sie mit der Zunge einen feuchten Kreis um seinen Nabel zog, keuchte er und zog ihren Kopf sanft nach oben, weg von ihm.

„Komm hierher.“ Er küsste sie, bis sie sehnsuchtsvoll stöhnte. Dann öffnete er den Reißverschluss auf der Rückseite ihres Kleides und schob den Stoff über ihre Schultern, bis es zusammengerollt um ihre Hüften lag.

Berauscht vom Verlangen sank ihr Kopf zurück, und sie genoss, wie sein geöffneter Mund langsam an ihrem Hals hinabglitt, immer tiefer sank, bis zu der pinkfarbenen Seide, die ihre Brüste nur notdürftig bedeckte.

Mit der Zunge wanderte er zu einer der Spitzen, wo er sie sanft und zärtlich durch den Stoff hindurch biss.

Rebecca schrie leise auf, wand sich in ihrer Lust und schlang die Beine um seine. Ihr Atem ging schnell und stoßweise, und fast hätte sie vor Erleichterung aufgeschrien, als er endlich seinen Kopf hob und sich daran machte, ihr die restliche Kleidung auszuziehen.

Nachdem er die Kleidungsstücke beiseitegeworfen hatte, schälte er sich eilig aus seinem Hemd und streifte die Stiefel ab.

Ihr Blick folgte jeder seiner Bewegungen, bis er seine Jeans aufknöpfte. Nun trafen sich ihre Blicke, saugten sich aneinander fest.

Rebecca las eine letzte Frage in seinen Augen. Es war, als wolle er ihr noch eine Chance geben, ihre Meinung zu ändern. Es rührte sie, dass er an ihre Bedürfnisse dachte.

Sie öffnete die Lippen, um etwas zu sagen, ihm zu versichern, dass sie dasselbe wie er wollte. Doch ihre Kehle war so zugeschnürt, dass sie kein einziges Wort mehr hervorbrachte. Jetzt konnte sie nur noch eines tun, um ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen: Sie stand vom Bett auf und schlang die Arme um ihn.

Auch Jake erhob sich.

Als sie sich an seine Brust schmiegte, stöhnte er auf.

Ob dieser Laut Freude ausdrückte oder zögerliche Kapitulation, wusste sie nicht. Es spielte auch keine Rolle. In diesem Moment gehörte Jake ihr, nur ihr allein.

Er umarmte sie, und sie blieben so stehen, bis sich die Hitze zwischen ihnen ins Unerträgliche steigerte. Bis das Verlangen nicht mehr auszuhalten war.

In hektischen Zuckungen wand Jake sich aus seiner Jeans und drückte Rebecca aufs Bett zurück.

Während sie sich nackt an ihn presste, vergrub er das Gesicht in der Kuhle ihres Halses. Der Duft von Wildblumen und Weiblichkeit stieg ihm in die Nase und wirbelte wie ein Karussell in seinem Kopf herum.

Um seine Sinne zu beruhigen, umfasste er ihre Hüften. „Nichts daran – an mir und an dir – ist sicher. Aber ich kann mir nicht helfen. Ich wollte dich schon, als ich dich zum ersten Mal sah.“

„Und ich will dich“, flüsterte sie. „Alles andere spielt keine Rolle.“

Jake hatte sich vorgenommen, langsam vorzugehen, um jeden Moment voll auszukosten. Aber jetzt konnte er sich nicht länger zurückhalten, denn Rebecca lag bereits nackt in seinen Armen.

Er rollte sie auf den Rücken und legte sich auf sie.

Dieses Gefühl war so stark und so neu für ihn, dass er den Kopf in den Nacken warf, und alle Luft seinen Lungen entwich.

 

Während er darum kämpfte, die Kontrolle zu behalten, tat er mehrere tiefe Atemzüge und begann, sich an ihrem Körper vor- und zurückzubewegen.

Wie warm und weich sie war. Und unglaublich verführerisch.

Sie brachte ihn um den Verstand. So sehr hatte er eine Frau noch nie begehrt. Die Leidenschaft blendete ihn, als würde er blind in den Nachthimmel fliegen.

Unter sich hörte er ihr leises Stöhnen, und er spürte, wie sie die langen Beine um seine schlang. Wie sie seine Brust und seinen Bauch streichelte.

Diese Eindrücke stürmten so heftig auf ihn ein, dass er sie gar nicht schnell genug aufnehmen konnte. Er wollte sich Zeit lassen, wollte, dass die Lust ewig andauerte. Zu spät.

Plötzlich rief er laut ihren Namen, und sie bog sich ihm entgegen. Jetzt wollte er ihr nur noch geben, wonach sie verlangte.

Er senkte den Kopf und küsste sie voller Hingabe. Diese Begegnung war der letzte Funke, der sie in schwindelerregende Höhen trieb.

Jake umklammerte sie noch fester und bewegte sich immer schneller in ihr.

„Becca, Becca.“ Ihr Name kam ihm im selben Moment über die Lippen, als er mit Rebecca zum Höhepunkt kam. Sein Körper zuckte unkontrolliert.

Als er schließlich erschöpft auf ihr liegen blieb, hämmerte sein Herz, und ein feiner Schweißfilm bedeckte seine Haut.

Das Rauschen in seinen Ohren war so laut, dass er sein eigenes, angestrengtes Atmen nicht mehr hören konnte – geschweige denn das von Rebecca.

Jake war sich nicht sicher, wie lange es dauerte, bis er ins Diesseits zurückkehrte. Irgendwann bemerkte er, dass Rebecca sich unter ihm bewegte. Und obwohl sie sich so verführerisch warm und sinnlich anfühlte, rollte er sich auf die Seite, um sie nicht zu erdrücken.

Ihre Augen waren geschlossen und ihre blonden Haare zu einer wilden Mähne zerzaust. Das schnelle Heben und Senken ihrer Brust verriet, dass sich ihr Atem noch immer nicht normalisiert hatte.

Jake beugte sich über sie, streckte die Hand aus und strich ihr sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Bei dieser Bewegung öffnete sie flatternd die Augen. Und als sie sah, wie er auf sie hinabblickte, legte sich ein schwaches Lächeln auf ihre Lippen. „Jake.“

Mehr sagte sie nicht. Doch dieses eine Wort genügte, um ihm erneut die Kehle eng werden zu lassen, angesichts der Gefühle, die er nicht verstand und auch nicht zulassen wollte.

Er zog ihre Hand an seine Lippen und küsste ihre Finger. Gleichzeitig fragte er sich, wie ein so zierliches und zerbrechliches Wesen eine so starke Wirkung auf seinen Körper ausüben konnte. „Hast du eigentlich eine Ahnung, wie wunderschön du bist?“

Einen Moment lang glaubte er, einen feuchten Schimmer in ihren Augen zu sehen. Inzwischen war jedoch die Nacht angebrochen und im Zimmer war es dunkel, deshalb war er sich nicht ganz sicher.

Vielleicht wollte er auch einfach nicht glauben, dass irgendetwas, was er sagte oder tat, sie so sehr berührte. Schließlich wollte er sich nicht in ihrem Herzen einnisten. Nein, er wollte nicht, dass sie sich ihn verliebte. Ihn mögen – ja. Aber nicht lieben. Das musste sie sich für einen Mann aufsparen, der es wert war.

Andererseits war allein schon die Vorstellung, sie könne mit einem anderen Mann im Bett liegen, so schrecklich, dass Jake diesen beunruhigenden Gedanken sofort verdrängte.

Seufzend drehte sie sich auf die Seite, sodass sie ihn direkt ansehen konnte. „Darüber habe ich nie nachgedacht“, gab sie zurück. „Aber ich bin sicher kein besonders attraktiver Anblick. Vor allem nicht jetzt.“

„Gerade jetzt.“

Sie schloss die Augen, beugte sich vor und küsste ihn auf die Stirn.

Ihre Haare kitzelten in seiner Nase. Langsam schob er die lange Strähne aus ihrem Gesicht, sodass sie auf den blauen Kissenbezug fiel.

Rebecca schlug die Augen auf. Und dieses Mal blickten sie dunkel und zögerlich. „Jake, ich …“

Sie sprach nicht weiter. Und obwohl er fast Angst davor hatte, dass sie ihre Gedanken laut aussprach, wusste er doch, dass er sie hören musste. Andernfalls würde die Ungewissheit niemals enden. „Sprich weiter, Rebecca“, sagte er leise. „Ich bin ganz Ohr.“

Sie lächelte glücklich. „Ich wollte dir nur sagen, dass ich so froh bin, bei dir zu sein. Unendlich froh, dass ich nach New Mexico gekommen bin.“

Plötzlich verspürte er einen Stich in seiner Brust, als würden zwei Hände hineingreifen und sein Herz umklammern.

Er schloss wieder die Augen und murmelte. „Ich bin auch froh, dass du hier bist.“

    Zwei Tage später beschloss Rebecca, die Sichtung von Gertrudes Briefen nicht länger aufzuschieben. Es war ein zähes Unterfangen, und da an diesem Nachmittag mehrere Male das Telefon klingelte, schritt die Arbeit nur im Schneckentempo voran.

Irgendwann machte sie eine Pause, um sich einen Kaffee zu kochen. Sie trug die Tasse in das Gästeschlafzimmer und trank, während sie weiterarbeitete.

Als sie mit dem ersten Karton endlich fertig war, markierte sie ihn und stellte ihn auf die Seite.

Als sie einen Plastikbehälter mit weiteren Briefen aufhob und ihn aufs Bett stellte, bemerkte sie einen Gegenstand aus dunkelblauem Samt.

Auf den zweiten Blick sah sie, dass es eine Schmuckschatulle war, die auf dem mit allerlei Krimskrams übersäten Nachttisch stand. Da sie annahm, dass sie mit Schmuckaccessoires gefüllt war, ignorierte sie die Briefe und griff neugierig nach der quadratischen, mit blauem Samt umhüllten Schatulle.

Bestimmt verriet ihr der Schmuck etwas über den Modegeschmack ihrer Tante.

Zunächst dachte sie, dass das winzige Schloss auf der Vorderseite zu fest verschlossen war, doch bei genauerem Hinsehen erkannte sie, dass der Deckel nicht vollständig schloss.

Sie setzte sich auf die Bettkante, legte die verstaubte Schatulle in ihren Schoß und hob den Deckel an.

Ihre Erwartung wurde sofort gedämpft. Anstelle von Schmuck lagen in der Schatulle nur noch mehr Briefe. Der einzige andere Gegenstand war ein Zeitungsausschnitt über Rebecca, die im Bordeaux eine Modenschau eröffnete. Daher hatte Gertie also gewusst, wo Rebecca arbeitete.

Die Briefe wurden von einem verblichenen blauen Band zusammengehalten. Sie war schon dabei, den Deckel wieder zu schließen, doch als ihr Blick auf den Absender des obersten Briefs fiel, hielt sie in der Bewegung inne.

Der Brief war von Vance Hardaway. Unter dem Namen stand eine Postfachadresse. Darunter: Houston, Texas.

Ihr Vater hatte Gertrude geschrieben? Aber warum?

Ihre Gedanken wirbelten durcheinander, während Rebecca das Band öffnete und die unterschiedlich geformten Umschläge durchblätterte. Jeder einzelne Brief stammte von Vance Hardaway und war auf demselben Postamt in Houston aufgegeben worden. Bis auf die fünf letzten Briefe. Diese waren aus Dubai City versandt worden. Die Stadt, in der Vance bis zu seinem Tod gearbeitet hatte.

Vorsichtig stellte sie die Schatulle zur Seite, dann nahm sie den Brief mit dem frühesten Datum heraus und öffnete ihn.

Als sie die beiden handbeschriebenen Blätter auseinanderfaltete, fiel ein Foto heraus und landete mit der Vorderseite nach unten in ihrem Schoß. Sie betrachtete es, bevor sie den Brief las. Dann drehte sie es um – und stieß ein entsetztes Keuchen aus.

Das Letzte, was sie erwartet hatte, war ihr eigenes Foto.

Sie führte das Bild näher an ihr Gesicht. Und plötzlich wurden verschwommene Erinnerungen wach.

Obwohl sie zum Zeitpunkt der Aufnahme erst sieben oder acht gewesen war, erinnerte sie sich genau an diesen Tag, an dem ihr Vater sie fotografiert hatte.

Sie waren in den Zoo gegangen. Nur sie und er. Als sie vor dem Affengehege angekommen waren, hatte er sie für die Kamera posieren lassen und gesagt, er wolle ein Bild seines eigenen kleinen Äffchens. An diesem Tag hatten sie sehr viel Spaß gehabt. Eine der bedeutendsten Unternehmungen, die sie mit ihrem Vater erlebt hatte.

Aber warum hatte er das Foto Gertrude geschickt?

Rebecca legte das ausgeblichene Foto beiseite, faltete den Brief auseinander und begann zu lesen.

 

    Liebste Gerta,

    es tut mir sehr leid, dass seit meinem letzten Brief so viel Zeit vergangen ist. Doch hier war in letzter Zeit sehr viel los. Die Firma expandiert, deshalb wollen sie mich in eine Stadt am Persischen Golf entsenden. Ich bin nicht begeistert, die Staaten zu verlassen, aber die Bezahlung wäre sehr gut. Und meine größte Sorge gilt Rebeccas Wohlergehen. Ich möchte ihr das geben, was ich in meiner Kindheit nie hatte, und sicherstellen, dass sich die richtigen Türen zur richtigen Zeit für sie öffnen.

    Ich weiß, dass du dir dasselbe für sie wünscht. Du lebst so bescheiden, Gerta, und das nur, um Geld zurückzulegen und mir dabei zu helfen, für ihre Zukunft vorzusorgen. Ich will nicht, dass du solche Opfer erbringst. Aber wenn es dich glücklich macht – wenn du dich dabei mehr wie ihre Mutter fühlst –, kann ich dir diesen Wunsch schwer abschlagen.

    Wie es aussieht, werde ich Houston in drei Wochen verlassen. Meine größte Hoffnung ist, dass du mir erlaubst, dich vor meiner Reise wiederzusehen. Ich könnte zwei zusätzliche Tage freinehmen und sie mit dir verbringen. Ich vermisse dich, Gerta. Auch wenn ich verstehe, dass du nicht willst, dass ich zu dir hinausfahre.

    Kein Tag vergeht, ohne dass ich mir wünsche, dass alles anders ein könnte. Für dich und mich und unsere Tochter.

    Unsere Tochter! Bedeuteten die Worte ihres Vaters wirklich das, was Rebecca glaubte?

Ihr Herz klopfte voller Angst und Aufregung, und sie überflog den letzten Absatz des Briefs.

 

    Ich schicke dir diese Fotos von Rebecca, die ich letzte Woche im Zoo gemacht habe. Gwyn kam nicht mit. Sie sagte, für sie sei das ein schrecklicher Ausflug. Rebecca liebt die Tiere jedoch, wie du sehen kannst. Sie ist in vielerlei Hinsicht so wie du, liebste Gerta. Und während ich sie aufwachsen sehe, wird meine Liebe zu Dir nur noch stärker.

    Fieberhaft überflog Rebecca die letzten Zeilen. Und als sie den Kopf hob und abwesend an die Zimmerdecke starrte, segelten ihr die vergilbten Papierseiten in den Schoß.

War Gertrude O’Dell wirklich ihre Mutter? Die Worte ihres Vaters ließen darauf schließen. Und Rebecca zweifelte keine Sekunde daran, dass der Brief wirklich von Vance Hardaway stammte. Sie hatte seine Handschrift sofort erkannt. Noch heute besaß sie Briefe, die sie als Kind von ihm erhalten hatte.

Was hatte das zu bedeuten? Dass sie vor ein paar Wochen zu der Beerdigung ihrer leiblichen Mutter gekommen war? Dass sie nie die Chance gehabt hatte, sie kennenzulernen? Sie zu lieben?

Der Schmerz und die Verwirrung trafen sie so sehr, dass sie sich eine Hand auf den Magen legte und ein ersticktes Schluchzen ausstieß.

Ihr Leben war eine einzige Lüge! Lügen über Lügen!

Tränen liefen ihr über die Wangen, während sie nach dem Telefon griff und die Nummer ihrer Mutter wählte – nein, so konnte sie diese Frau gar nicht mehr nennen, dachte Rebecca verbittert. Ab heute war sie nur noch Gwyn Hardaway. Eine Frau, die ihr jede Menge Antworten schuldete. Antworten, die schon seit achtundzwanzig Jahren überfällig waren.

 


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