Wie ein Traum aus 1001 Nacht – Kapitel 7

Wenig später lagen sie zusammen in ihrem Himmelbett, und Khalid bewies Maggie, wie sehr er ihren Körper begehrte. Zärtlich berührte er jeden Zentimeter ihrer Haut und fuhr mit den Händen über ihre weiblichen Kurven, die an ihrer schlanken Figur hervorragend zur Geltung kamen.

    „Du musst das nicht tun“, flüsterte Maggie kaum hörbar.

    „Was tun?“, fragte er abwesend und widmete sich weiter seiner Liebeskunst.

    Sie legte ihre Hand auf seine und hielt sie fest. „Mich so anfassen.“ Mühsam schluckte sie ihre Scham hinunter. „Ich habe dich vorhin nicht gesucht, um Sex mit dir zu haben.“

    „Aber es war trotzdem wundervoll, oder?“ Khalid lächelte selbstzufrieden, bekam aber keine Antwort.

    Stattdessen presste Maggie die Lippen aufeinander und wandte den Kopf ab. Sie war stolz und wahnsinnig unsicher – eine anstrengende Kombination. Während der letzten Tage hatte sie sogar eine Reihe von Geschenken abgewiesen, die Khalid ihr anlässlich ihrer Trauung zukommen lassen wollte. Sie waren ihr zu ausgefallen und teuer gewesen.

    Dafür hatte er wenig Verständnis. Die meisten Frauen zeigten sich durch den unfassbaren Reichtum seiner Familie tief beeindruckt. Khalid vergaß häufig, dass es Menschen gab, für die andere Werte zählten.

    Shahina war so ein Mensch gewesen. Obwohl sie selbst aus einer extrem wohlhabenden Familie stammte, waren es keine Luxusgüter, die sie zum Lächeln brachten. Es waren Dinge, die man mit Geld nicht kaufen konnte: Freundschaft, geteilte Freude, ein Sonnenuntergang über den Bergen, das Lächeln eines Babys.

    Khalid runzelte die Stirn. Trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft hatten Maggie und Shahina viel gemeinsam, nicht zuletzt ihr unbezähmbares Wesen. Shahina hatte mit einer tödlichen Krankheit gelebt und sich bis zum bitteren Ende nicht davon unterkriegen lassen. Maggie hingegen hatte ihre grausame Kindheit verarbeitet und stellte sich der Welt mit unerschütterlicher Stärke.

    Merkwürdigerweise empfand er keine Schuldgefühle dabei, die Frauen miteinander zu vergleichen. Und er hatte auch nicht das Gefühl, Shahina mit dieser neuen Ehe zu betrügen. Zu seiner Überraschung fühlte sich seine Entscheidung sogar ausgesprochen richtig an. Khalid verspürte eine tief greifende Zufriedenheit.

    Plötzlich wand Maggie sich aus seiner Umarmung. „Es war sehr nett, mit dir zu schlafen“, sagte sie etwas zu hastig. „Wirklich, sehr schön. Aber jetzt, da die Ehe vollzogen ist, sollten wir nichts überstürzen. Kannst du mal bitte zur Seite rücken? Ich möchte gern aufstehen.“

    „Nicht so schnell!“ Er traute seinen Ohren kaum. Es war nett gewesen, mit ihm zu schlafen? Als Nächstes gab sie ihm noch eine Note auf einer Skala von eins bis zehn!

    „Du scheinst zu glauben, der Sex zwischen uns wäre bloße Formalität“, fuhr er ärgerlich fort und beugte sich so über Maggie, dass sie ihm nicht ausweichen konnte. Gleichzeitig hatte er ein schlechtes Gewissen, weil er sich nicht einmal die Zeit genommen hatte, sie zu verführen. Er war einfach wie ein Raubtier über sie hergefallen, ohne ihr zu versichern, welchen Stellenwert ihre Beziehung für ihn hatte.

    „Was zwischen uns geschehen ist, hatte nichts damit zu tun, offiziell eine Ehe zu vollziehen“, schloss er.

    „Lüg mich nicht an, Khalid.“ Maggie sah ihm direkt in die Augen. „Es hatte sehr wohl etwas damit zu tun. Mir ist klar, dass du mich nicht willst. Jedenfalls nicht wirklich. Beim ersten Mal bist du bei mir geblieben, weil ich dich praktisch angefleht habe. Aber du hattest nicht vor, mich wiederzusehen.“

    Betroffen schüttelte er den Kopf. Er kannte seit jener Nacht die Narben auf ihrer Seele, hatte jedoch keine Ahnung davon gehabt, wie tief sie waren.

    „Ich war dort, schon vergessen?“ Ihre Stimme wurde lauter. „Ich habe das Mitleid und den Widerwillen in deinem Blick gesehen.“ Mit beiden Händen schob sie sich von ihm weg. „Aber jetzt brauchen wir uns nicht zu verstellen. Außer uns ist niemand hier.“

    „Du glaubst, wir hätten miteinander geschlafen, weil ich Mitleid mit dir hatte? Und dann noch einmal, um unsere Ehe zu legitimieren?“, erkundigte er sich fassungslos. Das konnte doch unmöglich ihr Ernst sein! Andererseits war der Schmerz auf ihrem Gesicht nicht zu übersehen. „Meinst du wirklich, wir müssten das tun, nachdem du schon schwanger von mir bist?“

Sie hob leicht die Schultern. „Ich weiß nicht.“

    „Und was deinen Vorwurf angeht, ich hätte dich nicht wiedersehen wollen. Du warst diejenige, die mich verlassen hat.“ Das setzte ihm immer noch zu. „Nachdem ich von Faruqs Tod erfuhr, musste ich sofort abreisen. Sonst wärst du mir bestimmt nicht so einfach entwischt. Ich musste wochenlang darauf warten, dass du nach Shajehar kommen konntest.“

    „Warten? Du hast nicht gewartet!“

    „Wer, glaubst du, hat darauf bestanden, dass du diese Dienstreise antrittst?“ Sein Ton wurde vertraulich. „Wir hatten noch einiges zu klären.“

    „Nein“, flüsterte sie halbherzig, und Khalid umfasste ihr Kinn.

    „Nein? Wie erklärst du dir dann das hier?“ Mit diesen Worten küsste er sie leidenschaftlich auf den Mund und drängte sich so eng an sie, dass Maggie seine Erregung deutlich spüren konnte.

    „Ich habe schon vermutet, du hättest an jemand anderen gedacht, während du mit mir im Bett warst“, gestand sie mit erstickter Stimme.

    Wäre es nicht so tragisch, hätte er lauthals darüber gelacht.

    „Glaub mir, Maggie! Ich habe an niemand anderen gedacht als an dich. Und am Anfang habe ich gezögert, weil ich dich nicht ausnutzen wollte, nachdem du offenbar eine traumatische Erfahrung gemacht hattest.“

    „Oh.“

    Das war alles, was sie dazu sagte?

    „Ja. Oh! Glaub es oder nicht, aber ich hatte ernsthafte Skrupel, mit dir ins Bett zu gehen. Verletzte Damen, die keinen klaren Gedanken fassen können, stehen eigentlich nicht auf meiner Verführungsliste.“

    Es verfolgte ihn bis heute, dass er Maggies Schwäche zu seinem Vorteil genutzt hatte. Ständig sagte er sich, dass sie gewusst hatte, was sie tat. Doch ein Restzweifel blieb, ganz besonders nachdem Maggie einfach kommentarlos verschwunden war.

    „Ich habe mich mit dir eingelassen, weil ich dich begehre, Maggie. Und ich begehre dich noch immer.“ Sanft strich er ihr über die Schulter. „Du musst lernen, meinem Wort zu vertrauen. Ich habe dir schon einmal versprochen, dass ich dich niemals anlügen werde.“

    „Aber ich …“, begann sie und brach ab.

    Was? fragte sie sich im Stillen. Ich bin zu ungelenk und unweiblich, als dass man mich begehren könnte? Zu unliebenswert?

    „Nichts aber. Du bist meine Frau, und ich will dich. Das sind die Fakten.“ Sein Atem blies warm auf ihr Gesicht. „Willst du mich auch, Maggie?“

    Sie hielt die Luft an. Wie konnte er das überhaupt fragen? War sie nicht gerade eben noch in seinen Armen dahingeschmolzen? Es war ihr fast unmöglich erschienen, sich von Khalid zu lösen.

    „Ich …“ Ihre Kehle war wie ausgetrocknet, und Maggie musste mehrmals schlucken, bevor sie weitersprechen konnte. „Das weißt du doch genau, Khalid.“ Ihr Stolz löste sich in Luft auf.

    Er senkte den Kopf und drückte ihr den zartesten Kuss auf die Lippen, den sie sich vorstellen konnte. Seufzend gab sie sich seinem Zauber hin.

    „Ich will dich, Maggie. Ich bin verrückt nach dir.“ Er küsste ihre Mundwinkel, ihre Wangen, ihr Kinn. „Du bist sexy.“ Mit der Zunge fuhr er seitlich an ihrem Nacken entlang und biss ihr spielerisch ins Ohrläppchen. „Und wunderschön. Gestern auf unserer Hochzeit hat mich jeder männliche Gast um mein Glück beneidet.“

    Maggie bog sich Khalid leidenschaftlich entgegen. Genüsslich versank sie in seinen Komplimenten und spürte, wie seine raue Stimme buchstäblich ihre Nerven zum Vibrieren brachte, ihre Ängste und Zweifel einnebelte und Maggie tiefer und tiefer in die Ekstase entführte.

    „Ich liebe es, dir in diesem Moment in die Augen zu blicken“, flüsterte er, als sie wenig später gemeinsam Erlösung in den Höhen der sinnlichen Lust fanden.

    Die Verbindung zwischen ihnen war unbegreiflich stark, und Maggie hätte diese Tatsache nur zu gern als gutes Omen betrachtet.

 

Als Maggie erwachte, stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Sie lächelte in sich hinein und dachte an die erotischen Stunden, die sie mit Khalid verbracht hatte. Wendete sich nun doch noch alles zum Guten?

    Ihr Ehemann hatte sie im wahrsten Sinne des Wortes beschenkt. Nicht nur mit seiner berauschenden körperlichen Liebe, sondern damit, dass er sie angeschaut und wirklich gesehen hatte. Irgendwie verstand er die Unsicherheit, die sie plagte, nachdem sie ohne jeglichen weiblichen Einfluss hatte erwachsen werden müssen.

    Maggies zarte Entwicklungsschritte zur Frau waren durch das Desinteresse und die Rohheit ihres Vaters im Keim erstickt worden. Denn er hatte sie immer wie den Sohn behandelt, den er sich insgeheim gewünscht hatte. Als Mädchen hatte sie sich nur beweisen können, indem sie sich in einer Männerdomäne behauptete.

    Khalids Beteuerungen, wie sexy und anziehend sie sei, waren Balsam für Maggies geschundene Seele. Die Art, wie er sie ansah, wie er sie wieder und wieder sinnlich beglückte, überzeugten sie allmählich davon, welche Wirkung sie auf ihn ausüben konnte.

    Für die Sicherheit ihres Kindes hatte sie sich auf eine arrangierte Ehe eingelassen. Auf keinen Fall hatte sie dabei erwartet, eine Nacht wie die letzte erleben zu dürfen.

    Es war schlicht ein Wunder, dass Khalid sie so begehrenswert fand. Obendrein hatte er sich die Zeit genommen, ihre Ängste zu zerstreuen und ihr zu versichern, wie schön sie in seinen Augen war. Maggie fühlte sich wie eine Prinzessin.

    Begierde, Respekt und Zärtlichkeit. Könnte sich eines Tages vielleicht auch mehr zwischen ihnen entwickeln? Automatisch verwarf sie diesen Gedanken wieder.

    Ich will hier in meinem neuen Leben glücklich werden, nahm sie sich fest vor. Und dabei nicht nach den Sternen greifen!

 

„Eine Überraschung? Für mich?“ Maggie sah direkt in Khalids dunkle Augen und hoffte inständig, er könne ihre Gedanken nicht lesen. Sonst wüsste er, wie sehr die letzte Nacht Maggies Empfindungen für ihn verstärkt hatte.

    Sie fühlte sich schutzlos ausgeliefert, nachdem sie ihrem Ehemann nicht nur ihren Körper, sondern ihre ganze Seele geschenkt hatte. Nie zuvor hatte sie jemandem tief genug vertraut, um so weit zu gehen.

    „Ja, eine Überraschung. Komm mit!“ Eilig schob er sie aus dem Pavillon und führte sie über die großen Rasenflächen des Palasts.

    Sie umrundeten einen kleinen Innenhof, der nach süßen Blumen duftete, und schritten dann durch einen von Zuchtrosen umrankten Torbogen. Jetzt lag der Geruch von Pferden und Heu in der Luft, dabei war Maggie davon ausgegangen, dass Khalid sie während ihrer Schwangerschaft bewusst von Ställen fernhalten wollte.

    „Hier entlang.“ Er zeigte auf ein Gebäude, das sie bisher nie betreten hatte. Es war kleiner, aber nicht weniger luxuriös als die Stallungen, in denen sie für gewöhnlich arbeitete.

    Khalid nickte einem Arbeiter zu und ging dann voran zu einer geräumigen Pferdebox. Maggie sah in ein paar große schwarze Augen, die sie ruhig anblickten. Die Araberstute war umwerfend, aufmerksam und grazil. Sie schnaubte in Maggies ausgestreckte Hand und kam einen Schritt näher. Fasziniert streichelte Maggie das seidige cremefarbene Fell.

    „Sie ist bezaubernd“, murmelte Maggie und trat ein Stück zurück, um das Tier besser begutachten zu können. „Darf ich mal hineingehen?“

    „Selbstverständlich.“

    „Ist sie hier gezüchtet worden?“, erkundigte sie sich beeindruckt. „Wirklich eine außerordentliche Schönheit.“

    „Nein, sie kommt aus den Bergen“, antwortete Khalid. „Man hat sie erst vor ein paar Tage hierher gebracht.“

    „Du musst sehr stolz auf sie sein.“

    „Dann gefällt sie dir also?“

    „Wie könnte sie mir nicht gefallen?“ Die Stute war ein Traum, und wenn man nach der ungewöhnlich vertraulichen Begrüßung gehen durfte, besaß sie obendrein ein außerordentlich freundliches Wesen. Zu gern hätte Maggie sie einmal geritten.

    „Du hast wahrlich ein Händchen für Pferde“, bemerkte sie.

    „Freut mich, das zu hören.“ Sein Tonfall wurde weich. „Sie gehört dir.“

    „Wie bitte?“ Mit einem Ruck fuhr sie herum und starrte Khalid überrascht an. Ihre Augen blitzten auf, und auch in seinem Blick erkannte sie das Feuer, das ihr von der letzten Nacht noch lebhaft in Erinnerung war.

    „Afraa gehört dir. Sie ist mein Hochzeitsgeschenk für dich.“

    „Mein Hochzeitsgeschenk?“ Sie traute ihren Ohren kaum. Er schenkte ihr dieses perfekte Tier? Das konnte nicht wahr sein.

    Doch Khalid nickte nur. „Das habe ich doch gesagt.“

    Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte Maggie etwas so Kostbares besessen – ein so außergewöhnliches Geschenk bekommen. Sie wollte etwas sagen, brachte jedoch keinen einzigen Ton heraus. Es gab keine Worte für das, was sie empfand.

    Die Stute stupste sie leicht mit dem weichen Maul an, und überwältigt von Khalids großzügiger Geste, taumelte Maggie einen Schritt zurück.

    Er zog die Stirn kraus. „Maggie? Was ist los mit dir?“, fragte er besorgt.

    Doch sie biss sich nur fest auf die Lippen und schüttelte den Kopf. Wie sollte sie ihm auch verständlich machen, was dieses Geschenk für sie bedeutete? Ihr Vater hatte Weihnachten und Geburtstage wie jeden anderen Arbeitstag auf seiner Farm betrachtet. In ihrer frühen Kindheit hatte es vielleicht so etwas wie Geschenke gegeben, aber jene Zeit lag so weit zurück, dass die Erinnerung daran nur noch verschwommen war.

    „Nichts ist los“, krächzte sie und räusperte sich schnell. „Tausend Dank, Khalid. Sie ist einzigartig. Ich bin echt überwältigt.“

    Am liebsten hätte sie sich in seine Arme geworfen und sein Gesicht mit Küssen bedeckt, um ihm zu zeigen, wie sehr sie seine Großzügigkeit zu schätzen wusste. Aber er machte keine Anstalten, auf sie zuzugehen, deshalb traute sie sich nicht. Immerhin hatte sie ihre Bedürfnisse ein ganzes Leben lang zurückhalten müssen.

    „Sie heißt Afraa?“

    Wieder nickte er, und sein Blick wurde eindringlicher.

    „Was für ein entzückender Name“, flüsterte sie leise. „Ich danke dir so sehr.“

    „Wir müssen natürlich den Arzt fragen, ob du während der Schwangerschaft reiten darfst. Aber selbst wenn du bis nach der Geburt warten müsstest, wird die Gute hier sein und sich auf dich freuen.“ Er machte eine kurze Pause. „Mir ist klar, wie schwer alles für dich ist, Maggie: deine Arbeit und deine Heimat aufzugeben. Jetzt musst du dich auch noch an ein neues Leben gewöhnen. Aber ich möchte, dass du hier glücklich wirst.“

    Seine Fürsorge und sein Mitgefühl rührten sie zu Tränen. Überwältigt ließ sie ihre Hand über das seidige Fell ihrer Stute gleiten. Ihr eigenes Pferd!

    „Leider habe ich kein Geschenk für dich“, sagte sie betroffen und schämte sich dafür, dass sie nicht von allein auf diesen Gedanken gekommen war.

    Khalid nahm ihre Hand und zog Maggie an sich. Seine Körperwärme und sein männlicher Duft hüllten sie ein, und sofort sehnte sie sich nach mehr.

    „Ich brauche kein Geschenk“, versicherte er ihr und streichelte ihr mit der anderen Hand besitzergreifend über ihren Bauch. „Du trägst mein Kind unter deinem Herzen. Was könnte ich mir noch wünschen?“

    Maggie erstarrte. Allmählich begriff sie, wie die Dinge zwischen ihnen lagen. Alles, was ihr Mann von ihr verlangte, war ein Erbe. Khalid wollte nichts weiter von ihr als das Baby. Und natürlich ehelichen Sex!

    Ihr kam es vor, als würde sie aus herrlich warmem Sonnenlicht in den Schatten treten und mit Eiswasser übergossen werden. Maggie erzitterte und versuchte vergeblich, sich einzureden, dass es doch keinen großen Unterschied machte. Sie hatte von Anfang an keine Erwartungen an diese Beziehung stellen wollen.

    Warum tat es dann so weh, daran erinnert zu werden, dass diese Ehe ausschließlich aus Vernunftgründen geschlossen wurde?

 

„Erzähl mir von deiner Schulzeit, Maggie.“

    Überrascht sah sie von ihrer Lektüre auf und blickte in Khalids ruhige Augen.

    Den ganzen Abend schon fiel es ihm schwer, sich auf seine Regierungsarbeit zu konzentrieren. Immer wieder wanderten seine Gedanken zu der Frau, die es sich auf der anderen Seite des Wohnzimmers gemütlich machte und deren Verhalten so unergründlich war, seit sie ihr Hochzeitsgeschenk erhalten hatte.

    Dabei war die Stute seiner Meinung nach das perfekte Präsent. Und Maggies strahlender Blick hatte Bände gesprochen, als ihr klar wurde, dass das Pferd ihr gehören sollte. Doch dann war die Stimmung gekippt, und Khalid hatte nicht die geringste Ahnung, warum. Maggie hatte sich von ihm abgewandt und seitdem kaum ein Wort mit ihm gesprochen.

    „Warum willst du etwas über meine Schule wissen?“ Ihre schönen Augen waren vor Misstrauen getrübt.

    Seufzend stand Khalid von seinem Schreibtisch auf und streckte sich. Dann bemerkte er, wie Maggies Blick sehnsüchtig über seinen Körper glitt. Schnell unterdrückte er ein Grinsen. Die körperliche Anziehungskraft zwischen ihnen war immerhin noch ungebrochen.

    Ihre unschuldige, erotische Reaktion war hinreißend, und Khalid hätte Maggie am liebsten gleich hier auf dem Sofa verführt. Aber bevor er ihren Körper erobern konnte, musste er zuerst ihren Verstand wieder für sich gewinnen.

    Mit langen Schritten ging er zu ihr und setzte sich neben sie auf die Couch. Dicht genug, um ihren Atem zu hören …

    „Du warst auf einer ländlichen Schule, richtig?“, begann er aufmunternd. „Ich arbeite gerade an einer Reform des Bildungssystems für Kinder in abgelegenen Siedlungsgebieten. Deshalb frage ich mich, wie das Schulsystem in deiner Heimat funktioniert.“

    Sie zuckte die Achseln und schlug ihre Pferdezeitschrift zu, in der sie gerade gelesen hatte. „Es war nichts Besonderes. Nur eine kleine Dorfschule.“

    „Wie klein? Ich habe vor, Gebäude zu errichten und mobile Lehrkräfte einzusetzen, die von Ort zu Ort reisen, um zu unterrichten.“

    Damit hatte er ihr Interesse geweckt. Vielleicht konnte er sie auf diese Weise aus der Reserve locken.

    „Von so etwas habe ich noch nie gehört“, gestand sie. „Im Outback gibt es ein Heimschulsystem. Die Kinder können über Funk und via Internet mit ihren Lehrern in Kontakt treten.“

    Khalid nickte. „Das wäre eine gute Option, wenn wir flächendeckend Internetzugang gewährleisten können. Leider sind wir noch nicht so weit. Und wie war es jetzt in deiner Schule?“

    Seine Neugier, alles über das Leben seiner Frau zu erfahren, wuchs mit jedem neuen Tag. Trotz ihrer physischen Nähe gab es noch so vieles, das er nicht wusste. Zum ersten Mal seit Jahren wollte er mehr über eine Frau erfahren, und diese Erkenntnis faszinierte ihn.

    „Eng. Wir hatten nur ein Klassenzimmer. Es gab einen einzigen Lehrer, der alle Kinder bis zum Highschool-Alter unterrichtet hat.“

    „Und das hat funktioniert?“

    „Absolut großartig.“ Sie nickte nachdrücklich und wirkte sogar ein bisschen begeistert.

    „Dann warst du vermutlich eine Einserschülerin, was?“

    „Unglücklicherweise nicht“, gab sie kleinlaut zu und lachte.

    „Das überrascht mich.“ Ihm war bereits aufgefallen, wie intelligent und wissbegierig Maggie war. Ihr Ehrgeiz beim Sprachunterricht war zutiefst beeindruckend.

    Maggie blickte auf die Zeitschrift in ihren Händen. „Es war ein weiter Weg bis zur Schule, und manchmal wurde ich eben dringender auf der Farm gebraucht.“

    „Dein Vater hat dich zu Hause bleiben lassen, damit du arbeitest?“ Er konnte es kaum fassen, obwohl diese Regelung in seinem eigenen Land keineswegs ungewöhnlich war. „Ich dachte, in Australien herrscht Schulpflicht.“

    „Stimmt. Aber mein Vater hat dafür gesorgt, dass ich nicht zu oft fehle, damit die Behörden sich nicht einschalten.“

    „Wahrscheinlich ist man davon ausgegangen, dass du aus eigenem Antrieb die Schule schwänzt“, überlegte er laut. „Das ist für Teenager ja nichts Ungewöhnliches.“

    Entsetzt stellte er fest, dass ihre Miene schmerzverzerrt war. „Oh, es fing viel früher an. Etwa als ich acht Jahre alt war.“

    Acht Jahre! Unwillkürlich versuchte er, sich vorzustellen, wie Maggie wohl als Achtjährige gewesen war. Eine Schande, wie verantwortungslos ihr Vater sie behandelt hatte!

    „Er hätte sich besser um dich kümmern müssen“, sagte er wütend. Sein heftiger Ärger erschreckte ihn selbst.

    „Er glaubte eben, ich wäre ihm und der Farm verpflichtet“, versuchte sie zu erklären. „Dabei hat er nie verstanden, dass ich etwas ganz anderes aus meinem Leben machen wollte.“

    „Zum Beispiel, Tiermedizin zu studieren“, brummte er.

    „Das wäre ohnehin nichts geworden“, wehrte sie ab. „Ich hatte weder die Zeit zu studieren noch das Geld, um dieses Studium bezahlen zu können.“

    „Jetzt hast du Zeit und Geld“, erinnerte er sie und streichelte ihren Arm. Es war eine mitfühlende Geste, die sie trösten sollte. Stattdessen konnte er sich an ihren schlanken Händen, ihrer schimmernden Haut und den feinen Härchen auf ihrem Arm gar nicht sattsehen. Widersprüchliche Gefühle flammten in ihm auf, die er nicht einzuordnen wusste. Etwas an Maggie flößte ihm eine innere Ruhe und Gelassenheit, die er schon lange nicht mehr empfunden hatte. Vielleicht hatte er sich auch nur lange nicht mehr für jemanden verantwortlich gefühlt.

    Was war das nur für eine Verbindung zwischen ihm und ihr? Es ging über das Körperliche hinaus. Die Kraft, die diese Verbindung hatte, war zeitweise beängstigend.

    „Meinst du das ernst? Ich könnte wirklich hier studieren?“ Vor Aufregung färbten sich ihre Wangen rosa. „Ich kann das gar nicht glauben, weil ich dachte, als deine Frau dürfte ich keine eigene Karriere aufbauen.“

    „Du könntest natürlich keinen Vollzeitjob ausüben“, wand er nachdenklich ein. „Schließlich hast du einige repräsentative Verpflichtungen.“ Und irgendwann auch noch mehr Kinder, fügte er in Gedanken hinzu. Die Vorstellung, sich mit seiner Ehefrau auf weitere gemeinsame Babys zu freuen, erfüllte ihn mit einem seltsam berauschenden Glücksgefühl. „Aber ich sehe keinen Grund, warum du dich nicht zur Tierärztin ausbilden lassen solltest.“

    „Khalid“, keuchte sie. „Das ist wundervoll. Danke.“

    Für ihn war es ein merkwürdiges Gefühl, mit verhältnismäßig wenig Aufwand so viel Freude auszulösen. „Es freut mich, wenn du fröhlich bist, Kleines“, sagte er etwas unsicher. „Es wäre wirklich besser für dich gewesen, wenn du nach dem Tod deiner Mutter nicht bei deinem Vater geblieben wärst. Gab es denn keine anderen Verwandten, die dich hätten aufnehmen können?“

    Ihr Lächeln gefror. „Meine Mutter ist nicht gestorben, Khalid“, brachte sie nach ein paar Schrecksekunden mühsam hervor. „Jedenfalls nicht dass ich wüsste.“

    Im Stillen ärgerte er sich darüber, voreilige Schlüsse gezogen zu haben. Er wollte keine alten Wunden aufreißen und Maggie wehtun. Ratlos legte er eine Hand auf ihre Schulter.

    „Was ist geschehen?“, wollte er wissen.

    Sie ließ den Kopf hängen. „Sie ist gegangen. Einfach abgehauen. Als ich acht war, kam ich eines Tages nach Hause, und sie war fort.“

    Und ließ Maggie mit ihrem rücksichtslosen Vater allein …

    Khalid konnte die Bitterkeit hinter ihren tonlosen Worten kaum ertragen. „Es tut mir so schrecklich leid, Maggie.“ Es waren die falschen Worte zur falschen Zeit – sie kamen viel zu spät. Wie reagierte man am besten auf ein so unfassbares Schicksal?

    „Seitdem habe ich nichts mehr von ihnen gehört“, flüsterte sie abwesend.

    „Von ihnen?“ Was war ihm entgangen? „Maggie? Von wem sprichst du?“

    Traurig sah sie ihn an. Khalid konnte keine Träne in ihren Augen erkennen. Aber die Art, wie sie ergeben ihr Schicksal akzeptierte, war weitaus schlimmer zu ertragen, als Maggie weinen zu sehen. Khalid fühlte sich hilflos.

    „Als sie uns verließ, ging meine Mutter nicht allein. Sie nahm Cassie mit, meine kleine Schwester.“ Stockend rang sie nach Luft. „Nur mich hat sie zurückgelassen.“

    „Maggie.“ Entschlossen zog er sie auf seinen Schoß und wiegte sie behutsam in seinen Armen, in der Hoffnung, die Bewegung und seine tröstenden Worte könnten sie beruhigen.

    Für ihn war es unvorstellbar, was sie durchgemacht hatte. Zurückgewiesen, allein gelassen und ausgenutzt – und das von der eigenen Familie. Maggie war viel zu früh gezwungen gewesen, erwachsen und unabhängig zu werden.

    Kein Wunder, dass sie seinem Heiratsantrag so schnell zugestimmt hatte. Maggie wollte ihrem Kind wenigstens geordnete Verhältnisse garantieren, ihm die Sicherheit schenken, die ihr verwehrt geblieben war.

    Er zog sie noch enger an sich und atmete den Duft ein, nach dem er inzwischen süchtig war: eine Mischung aus Rosen und Maggie. Es war nun Khalids Aufgabe, sich um sie zu kümmern. Aber es fühlte sich nicht nach Verantwortung an, es war viel mehr als das. Etwas viel Bedeutsameres, das er nicht näher zu definieren vermochte. Er konnte sie einfach nicht leiden sehen.

    „Wir werden sie finden“, versprach er.

    Doch Maggie schüttelte den Kopf. „Das wird kaum möglich sein. Ich habe es bereits versucht, aber vermutlich haben sie ihren Namen geändert. Als ich es mir endlich leisten konnte, habe ich sogar einen Privatdetektiv beauftragt.“

    „Dann werden wir einen besseren engagieren. Ganz gleich, wie lange es dauert, irgendwann finden wir sie.“ Sanft strich er über ihre Wange.

    „Danke, Khalid.“ Ihr Seufzer traf ihn wie ein Pfeil mitten ins Herz.

 

Maggie kannte Khalid inzwischen gut genug, um zu wissen, dass man sich auf sein Wort verlassen konnte. Eines Tages würde er ihre vermisste Familie aufspüren, daran hatte sie keinerlei Zweifel. Und diese Gewissheit vermittelte ihr inneren Frieden – Khalid hatte ihr Hoffnung geschenkt.

    Obwohl sie nur eine Zweckehe führten, hatte ihr Ehemann Maggie ein kostbares Versprechen gegeben. Eines, das nichts mit ihrem gemeinsamen Kind zu tun hatte. Und dieses Versprechen bedeutete ihr mehr als alles andere, was sie im Leben jemals erreicht hatte.

    Ihre Kehle war wie zugeschnürt.

    „Maggie? Glaub mir, es wird alles gut werden.“

    „Ich weiß.“ Sie setzte sich aufrecht hin. „Ich glaube dir.“

    Lange sahen sie sich schweigend in die Augen. „Familie ist wichtig“, sagte er schließlich. „Auch sie macht uns zu dem, was wir sind.“

    „Du verstehst mich wirklich“, stellte sie leicht verwundert fest.

    Während ihres ganzen Lebens hatte sie sich verloren und einsam gefühlt, trotz ihrer familiären Verpflichtungen. Vielleicht würde sie endlich mit der Vergangenheit abschließen können, wenn sie sich den Standpunkt ihrer Mutter erklären ließ – falls das noch möglich war.

    In Khalids Armen hatte Maggie schon das Gefühl, in ihrem Leben einen großen Schritt weitergekommen zu sein. Sie war bereit für die Zukunft, was immer sie auch bringen mochte.

    „Was ist mit dir, Khalid? Wie hat deine Familie dich beeinflusst?“, fragte sie neugierig. Schließlich hatte sie ihm ihr Innerstes geöffnet, da war es wohl ihr gutes Recht, auch etwas über sein Seelenleben zu erfahren.

    Lächelnd strich er ihr das Haar aus der Stirn. „Ich bin zur Unabhängigkeit erzogen worden“, seufzte er nach einer Weile. „Mein Vater war ein Egozentriker, der sich mehr für seine Gespielinnen als für seine Familie interessiert hat.“

    Fast hätte sie ihm Trost gespendet, aber seine stolze Kopfhaltung schreckte sie ab.

    „Es hatte auch sein Gutes. Ich bin von einer Mutter erzogen worden, die mich bedingungslos liebte, und von meinem Onkel Hussein, der mich Verantwortungsbewusstsein und Durchhaltevermögen lehrte – und die Leidenschaft für mein Land. Als ich dafür alt genug war, kam ich auf ein Internat. Ich war kein Thronfolger, deshalb stellte mein Vater auch keine großen Erwartungen an mich. Er hat mich eher mir selbst überlassen.“

    „Das klingt nicht gerade, als hättest du etwas dagegen gehabt“, bemerkte sie vorsichtig. Sie selbst hatte sich immer gewünscht, ihr Vater würde sie nicht ständig kontrollieren oder ihr etwas abfordern. Persönliche Freiheit war ein Luxus, den sie sich kaum vorstellen konnte.

    Khalid neigte den Kopf zur Seite. „Mein älterer Halbbruder war der unumstrittene Liebling meines Vaters. Er wurde maßlos verwöhnt, und man ließ ihm praktisch alles durchgehen. Niemals musste er arbeiten oder Verantwortung für das übernehmen, was er tat.“ Er lächelte vorsichtig. „Aber anstatt hier herumzusitzen und auf meine Erbfolge zu warten, konnte ich meinen Weg selbst bestimmen. Ein Ingenieursstudium in England, BWL in den USA, Projektentwicklung auf der ganzen Welt, bis ich schließlich dazu bereit war, hier meine Zelte aufzuschlagen.“

    Maggie beobachtete, wie seine Miene sich vor Begeisterung aufhellte. Offensichtlich waren diese Jahre für ihn mehr eine Herausforderung als eine Belastung gewesen.

    „Wir bestimmen unsere Zukunft selbst“, schloss er mit fester Stimme.

    Wieder legte er eine Hand auf ihren Bauch, und Maggie spürte die Wärme seiner Handfläche durch ihre Kleidung. Doch dieses Mal – aus Gründen, die sie selbst nicht verstand – störte sie die Berührung nicht.

    Im Gegenteil, es fühlte sich angenehm und richtig an. Und vielleicht, aber nur vielleicht, würde Khalid irgendwann genauso empfinden.

 

 


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