Bianca Exklusiv Band 391

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HEISS BEGEHRT, HEISS ERSEHNT von MARIE FERRARELLA

Als Lily einen Labradorwelpen vor ihrer Tür findet, gerät ihr wohlbehütetes Herz in Gefahr: Ständig kommt der gut aussehende Tierarzt Christopher Whitman vorbei! Angeblich nur, um den Hund zu trainieren. Trotzdem kann sie seiner magischen Anziehungskraft nicht lange widerstehen …

TAUSEND GELBE ROSEN von TERESA SOUTHWICK

Vor jedem Date kauft er eine gelbe Rose bei ihr, zum Abschied ein Bouquet: Floristin Faith kennt das Vorgehen von Playboy-Millionär Sam Hart bestens! Doch als ihr Haus abbrennt, bietet er ihr an, bei ihm zu wohnen. Nur ein paar Tage – zu kurz für eine gelbe Rose?

ZÄRTLICHE KÜSSE IM MONDSCHEIN von LAURIE PAIGE

Er hat ihr verziehen und endlich verstanden, dass sie ihn nie betrogen hat! Lyric ist überglücklich, als sie eine Einladung auf Trevors Farm erhält! Doch kaum kommt sie an, ist der sonst so charmante Trevor abweisend und kühl. Wieso wollte er Lyric dann überhaupt bei sich haben?


  • Erscheinungstag 16.08.2025
  • Bandnummer 391
  • ISBN / Artikelnummer 0852250391
  • Seitenanzahl 448

Leseprobe

Marie Ferrarella, Teresa Southwick, Laurie Paige

BIANCA EXKLUSIV BAND 391

Marie Ferrarella

PROLOG

„Sie erinnern sich nicht an mich, oder?“

Maizie Connors, jugendliche Großmutter, erfolgreiche Maklerin und Partnervermittlerin in höchster Vollendung, musterte den großen, attraktiven Mann, der in der Tür zu ihrem Immobilienbüro stand. Ihr huschten die unzähligen Gesichter durch den Kopf, die ihr in den letzten Jahren sowohl beruflich als auch privat untergekommen waren. Sosehr sie sich auch bemühte, sich an den jungen Mann zu erinnern, es war vergebens. Sein Lächeln war ihr vertraut, aber sonst nichts.

Von Natur aus aufrichtig, schüttelte sie den Kopf und gab zu: „Ich fürchte, nein.“

„Ich war damals viel jünger und habe wohl eher wie eine Bohnenstange ausgesehen.“

„Ihre Stimme kommt mir bekannt vor, und ich weiß, dass ich dieses Lächeln irgendwo schon mal gesehen habe, aber …“ Maizie verstummte, während sie ihn noch eingehender betrachtete. „Ich weiß, dass ich Ihnen kein Haus verkauft habe.“

Sie erinnerte sich an sämtliche Immobilienkunden und auch an alle Paare, die sie in Teamwork mit Theresa und Cecilia zusammengebracht hatte.

Maizie und ihre seit jeher besten Freundinnen hatten ihre wahre Berufung vor einigen Jahren gefunden. Aus Verzweiflung über das Singledasein ihrer Kinder hatten sie damals die Beziehungen aus ihren drei verschiedenen Geschäftszweigen genutzt, um ihren Nachwuchs unter die Haube zu bringen.

Wegen des riesigen Erfolgs auf diesem Gebiet wollte das Trio seine Tätigkeit nicht aufgeben, nur weil ihm die eigenen Kinder als Verkupplungsopfer längst nicht mehr zur Verfügung standen. Also machte es umtriebig bei Freunden und Kunden weiter.

Das Trio agierte strikt im Verborgenen, damit die Betroffenen nicht merkten, dass sie manipuliert wurden. Was dabei für die Mitglieder dieses Geheimbundes heraussprang, war nicht finanzieller Natur, sondern eine tiefe Genugtuung darüber, Seelenverwandte miteinander zu vereinen.

Aber der junge Mann in Maizies Büro zählte weder zu ihrer offiziellen noch ihrer geheimen Klientel. Resigniert zuckte sie die Schultern. „Ich fürchte, Sie müssen Erbarmen mit mir haben und mir verraten, warum mir Ihr Lächeln und Ihre Stimme vertraut sind, sonst aber nichts.“ Noch während sie sprach, fiel ihr ein Teil der Antwort ein. „Sie sind der Sohn einer Person, die ich kenne, oder?“

Aber welcher? Sie war weder in der Immobilienbranche noch in der Partnerschaftsvermittlung lange genug im Geschäft, als dass dieser Jungspund das Resultat ihrer Bemühungen sein konnte.

„Einer Frau, die Sie kannten.“

In diesem Moment ging ihr ein Licht auf. „Sie sind Frances Whitmans Sohn, stimmt’s?“

Er grinste. „Mom hat immer gesagt, dass Sie außerordentlich scharfsinnig sind. Ja, ich bin Frances’ Sohn“, bestätigte er stolz.

Der Name beschwor ein Bild vor Maizies geistigem Auge herauf. Von einer Frau mit funkelnden blauen Augen und lächelnden Lippen – in jeder Lebenslage. Das gleiche Lächeln sah sie nun wahrhaftig vor sich. „Christopher Whitman!“, rief sie erfreut und drückte ihn in einer herzlichen Umarmung an sich, wobei sie ihm lediglich bis an die Brust reichte. „Wie geht es Ihnen?“

„Gut, danke. Wir werden übrigens Nachbarn.“

„Nachbarn?“ Verwundert runzelte sie die Stirn. Er musste sich irren, denn sie wusste von jedem Wohnobjekt, das nicht nur in ihrem Viertel, sondern in der ganzen Stadt zum Verkauf oder zur Vermietung stand.

„Ja. Ich habe gerade Räume in diesem Einkaufszentrum angemietet. Nur zwei Türen weiter.“

„Ach, wirklich?“

„Ja. Ich denke, dies ist der geeignete Standort für meine Praxis.“

Ein wenig überrascht und bewundernd zugleich zog sie die Augenbrauen hoch. „Sie sind Arzt?“ Das kam ihr als Erstes in den Sinn, weil ihre Tochter Kinderärztin war.

Er nickte. „Für Tiere aller Art, ob groß oder klein.“

„Sie sind also Veterinär.“ Sie trat einen Schritt zurück, um ihn in voller Statur mustern zu können. Er war zweifellos kräftiger geworden, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. „Christopher Whitman … Sie sehen Ihrer Mutter sehr ähnlich.“

„Das fasse ich als Kompliment auf.“ Er lächelte sie herzlich an. „Ich bin sehr dankbar, dass Sie und die anderen Ladys für Mom da waren, während sie ihre Behandlungen bekam. Sie hat mir erst kurz vor ihrem Tod gesagt, wie krank sie wirklich war. Sie wissen ja, wie stolz sie war.“

„Vor allem auf Sie“, betonte Maizie. „Sie wollte nicht, dass Sie früher davon erfahren, um Ihre Ausbildung nicht zu gefährden. Sie hat befürchtet, dass Sie sonst das Studium sausen lassen.“

„Stimmt. Das hätte ich getan“, bestätigte er in unüberhörbar betrübtem Ton.

Frances hätte nicht gewollt, dass ihr Sohn sich Vorwürfe wegen einer Entscheidung macht, die sie für ihn getroffen hat. Diese Überzeugung veranlasste Maizie, schnell das Thema zu wechseln. „Tierarzt also, das ist ja schön. Und was ist sonst noch alles passiert, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben?“

Er zuckte die breiten Schultern. „Nicht viel.“

„Gibt es eine Frau Doktor?“

Christopher lachte leise und schüttelte den Kopf. „Ich hatte keine Zeit, um die richtige Frau zu finden.“ Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber ihm war momentan nicht danach zumute, sich über dieses schmerzliche Thema auszulassen. „Mom hätte diese Ausrede gehasst, aber es ist nun mal so. Wie auch immer, ich habe Ihren Namen an der Tür gesehen und wollte einfach kurz reinschauen und Hallo sagen. Kommen Sie doch bei Gelegenheit in meiner Praxis vorbei. Dann können wir weiter über Mom reden.“

„Aber ja!“ Und über andere Dinge, fügte sie im Stillen an, während sie Christopher gedankenversunken nachblickte. Vorfreude stieg in ihr auf. Ich kann es kaum erwarten, Theresa und Cecilia davon zu erzählen

1. KAPITEL

Wieso ist es denn schon wieder so spät?

Die entnervte, wenn auch rhetorische Frage spukte Lily Langtry im Kopf herum, während sie durch das Haus eilte und sich vergewisserte, dass alle Fenster und Türen geschlossen waren. Sie hatte zwar nichts von irgendwelchen Einbrüchen in ihrer Nachbarschaft gehört, aber sie lebte allein und konnte daher nicht vorsichtig genug sein.

Die Minuten flogen nur so dahin.

Früher einmal war sie zu sämtlichen offiziellen wie privaten Terminen nicht nur pünktlich, sondern vorzeitig erschienen. Damals war ihr Leben wesentlich strukturierter gewesen, obwohl sie ihre kranke Mutter gepflegt und dazu zwei Jobs gehabt hatte, um für die Arztrechnungen aufkommen zu können.

Seit Lily nach dem Tod ihrer Mutter ganz auf sich allein gestellt und somit nur noch für sich selbst verantwortlich war, hatte sie seltsamerweise ihren Tagesablauf längst nicht mehr so gut im Griff.

Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es bereits zehn nach acht war, als sie in ihre High Heels schlüpfte.

„Endlich“, murmelte sie und lief zur Haustür hinaus. Da sie gleichzeitig in ihrer übergroßen Tasche nach ihrem Schlüsselbund wühlte, guckte sie nicht, wohin sie trat.

Im Nachhinein führte sie zu ihrer Verteidigung an, dass sie nichts vor ihrer Türschwelle erwartet hatte, schon gar nicht ein schwarzes Fellknäuel, das herzzerreißend jaulte, als sie ihm auf eine Pfote trat.

Lily sprang zurück, legte sich vor Schreck eine Hand auf ihr wild pochendes Herz und ließ dabei die Tasche fallen, die mit einem lauten Knall auf dem Boden landete und das bereits verängstigte Fellknäuel noch mehr in Angst und Schrecken versetzte. Anstatt jedoch wegzulaufen, leckte es ihre Schuhe ab, und weil sie Sandaletten trug, kitzelte die flinke rosa Zunge sie an den Zehen.

Überrascht, verblüfft, auf Anhieb verzückt hockte Lily sich auf Augenhöhe mit dem Tier, bei dem es sich augenscheinlich um einen Labradorwelpen handelte. Ihr voller Terminplan war vorläufig vergessen. „Hast du dich verlaufen?“

Der Kleine ließ von ihrem Schuh ab und leckte ihr stattdessen das Gesicht.

Sie kapitulierte und ließ den entzückenden unerwarteten Besucher gewähren.

Schließlich richtete sie sich wieder auf und spähte die Straße hinauf und hinunter, um in Erfahrung zu bringen, ob jemand nach einem entlaufenen Haustier suchte. Offensichtlich war das nicht der Fall, denn sie sah nur Mr. Baker von gegenüber, der gerade in sein Midlife-Crisis-Auto – eine himmelblaue Corvette – stieg.

Von dem cremefarbenen Sedan, der ein Stück entfernt auf der anderen Straßenseite parkte, nahm sie keinerlei Notiz – ebenso wenig von der älteren Frau, die geduckt auf dem Fahrersitz hockte.

Das Hündchen, das wieder ihre Schuhe abschleckte, schien ganz allein zu sein.

Um seiner kitzelnden Zunge zu entkommen, setzte Lily einen Fuß nach dem anderen zurück – mit dem Resultat, dass es ihr folgte. „Deine Leute haben offensichtlich noch nicht gemerkt, dass du weg bist.“

Es neigte den Kopf zur Seite, suchte unverkennbar Blickkontakt und vermittelte ihr damit den Eindruck, jedes Wort zu verstehen.

„Ich muss zur Arbeit“, teilte sie ihm mit.

Der Welpe beobachtete sie unverwandt, als wäre sie für ihn die einzige Person auf der großen weiten Welt.

Sie wusste, wann sie sich geschlagen geben musste, und kapitulierte vor den großen braunen Augen, die sie so eindringlich und flehend anguckten. Seufzend wich sie weiter zurück und ließ den ungebetenen Gast in ihr Haus. „Okay, du kannst bleiben, bis ich wiederkomme.“

Ihr fiel ein, dass sie ihm etwas zu trinken und zu fressen hinstellen musste. Sie lief in die Küche, mit dem Welpen auf den Fersen, füllte eine Suppenschale mit Wasser, legte ein paar Scheiben Roastbeef vom Vortag auf eine Serviette und platzierte beides auf den Fußboden. „Das müsste reichen, bis ich wieder da bin.“

Anstatt ihr wie erwartet zum Futter zu folgen, beschäftigte er sich anderweitig. Er nagte eifrig an einem Stuhlbein.

„Hey! Hör auf damit!“

Unbeirrt knabberte er weiter.

„Oh weh! Wenn ich dich hier allein lasse, wird es aussehen, als wäre ein Schwarm Heuschrecken durchgezogen, wenn ich nach Hause komme.“ Lily seufzte. Es stimmt wirklich, was die Leute sagen. Keine gute Tat bleibt ungestraft. Sie sah sich in der Küche und dem angrenzenden kleinen Wohnzimmer um. Abgesehen vom Fernseher waren fast alle Gegenstände älter als sie selbst. „Du kannst nicht hierbleiben. Ich habe kein Geld für neue Möbel.“

Der Welpe guckte zu ihr hoch und winselte. Herzzerreißend.

Von Natur aus feinfühlig, hatte sie der Mitleidstour des kleinen Kerlchens nichts entgegenzusetzen. „Also gut, du kannst mitkommen. Vielleicht hat bei der Arbeit jemand eine Idee, was ich mit dir anfangen soll.“ Unschlüssig musterte sie ihn. „Beißt du mich, wenn ich dich hochhebe?“

Ihre Erfahrung mit Hunden beschränkte sich auf Tiersendungen im Fernsehen. Dennoch war sie sich ziemlich sicher, dass der Labrador bisher keinerlei Erziehung genossen hatte.

Trotzdem hoffte sie, dass er ihr folgte, und ging rückwärts zur Haustür.

Er beobachtete sie aufmerksam, rührte sich aber nicht vom Fleck.

„Komm schon, Junge, komm zu mir!“, rief Lily ihm zu und klopfte sich dabei auf den Oberschenkel.

Zu ihrer Erleichterung wie Überraschung gehorchte er tatsächlich.

Sie öffnete die Haustür und klopfte sich erneut auf das Bein.

Er lief zu ihr und blickte sie erwartungsvoll an, als wollte er sagen: Okay, hier bin ich. Und was jetzt?

Darauf wusste Lily jetzt auch keine Antwort.

„Ich kann mich nicht erinnern, einen Tag der offenen Tür für Schoßhunde ausgerufen zu haben“, verkündete Alfredo Delgado, der Chefkoch von Theresa Manettis Catering-Service, sobald Lily an ihrem Arbeitsplatz erschien.

In einer Hand hielt sie ein Seil, das als behelfsmäßige Leine diente; am anderen Ende befand sich der schwarze Labrador.

Theresa kam aus ihrem kleinen Büro und musterte das Tier mit unergründlicher Miene.

„Tut mir leid, dass ich zu spät komme“, entschuldigte Lily sich bei ihrer Arbeitgeberin. „Mir ist da ein kleines Hindernis in die Quere gekommen.“

„Für mich sieht es eher so aus, als ob dir das ‚Hindernis‘ nachläuft.“ Erwartungsvoll blickte Theresa die junge Frau an, die sie vor einem guten Jahr unter ihre Fittiche genommen und als Chefpatissière eingestellt hatte.

Lily hatte die Stellung nicht nur bekommen, weil sie überragende Köstlichkeiten zu zaubern verstand. Ein weiterer Grund bestand darin, dass sie seit dem kürzlichen Tod ihrer Mutter ganz allein auf der Welt war, und Theresa – genau wie ihre Freundinnen Maizie und Cecilia – ein großes weiches Herz mit viel Platz für Empathie hatte.

„Tut mir leid. Ich habe ihn heute Morgen auf meiner Schwelle vorgefunden, als ich die Tür aufgemacht habe. Ich konnte ihn nicht einfach draußen herumstreunen lassen. Ich hatte Angst, heute Abend nach Hause zu kommen und festzustellen, dass er überfahren wurde. Das hätte ich mir nie verzeihen können.“

Alfredo bückte sich, kraulte den Welpen zwischen den Ohren und fragte verständnislos: „Warum hast du ihn nicht einfach drinnen im Haus gelassen?“

„Das hatte ich am Anfang vor. Aber dann hat sich herausgestellt, dass er anscheinend die ganze Welt als einen riesigen Beißring betrachtet.“

„Also hast du ihn mitgebracht.“ Unwillkürlich spielte ein kleines verschmitztes Lächeln um Theresas Lippen. Um es zu kaschieren, fügte sie an: „Eigentlich sind hier keine Tiere erlaubt.“

„Aber hier ist alles aus Edelstahl. Seine kleinen Zähne können keinen Schaden anrichten.“ Beschwörend bat Lily: „Darf er bleiben? Nur heute?“

Theresa gab vor, die Sache zu überdenken – als hätte sie bei dem wundersamen Erscheinen des Welpen vor der Tür ihrer Chefkonditorin nicht ihre Hand im Spiel gehabt.

Tatsächlich hatte sie sogar gründlich mitgemischt. Beim letzten Treffen des Trios hatte Maizie vom Sohn ihrer verstorbenen Freundin Frances berichtet, der gerade eine Tierarztpraxis in der Nähe ihres Immobilienbüros eröffnete, und ihn als potenziellen Kandidaten für ihre Partnerschaftsvermittlung vorgeschlagen. Spontan war Theresa auf die glorreiche Idee gekommen, ihn mit Lily zu verkuppeln, die ihrer Meinung nach dringend eine positive Erfahrung in ihrem Leben brauchte.

Die Suche nach einer Möglichkeit, die beiden auf „natürlichem“ Weg zusammenzubringen, hatte durch einen glücklichen Zufall unverhofft schnell zum Erfolg geführt. Denn Cecilia hatte ganz nebenbei erwähnt, dass sie jemanden suchte, der einen Welpen adoptieren wollte. „Meine Hündin Princess hat vor sechs Wochen acht Hundebabys zur Welt gebracht. Ich muss dringend ein paar von ihnen in gute Hände abgeben, bevor sie mir die Haare vom Kopf fressen“, hatte sie erklärt.

Alles Weitere hatte sich fast wie von selbst ergeben.

Von Theresa genauestens unterrichtet, an welchen Tagen und zu welcher Uhrzeit Lily das Haus morgens zu verlassen pflegte, war Cecilia mit einem der Welpen – und zwar ganz bewusst mit dem Kümmerling des Wurfs – hingefahren und hatte ihn direkt vor der Tür ausgesetzt.

Das ungestüme Tier war mehrmals ausgebüxt, bis Cecilia schließlich auf die glorreiche Idee gekommen war, als Bestechung Leckerbissen in die Löcher der grobmaschigen Fußmatte zu stopfen.

Kaum war sie wieder bei ihrem Auto angekommen, hatte Lily auch schon ihre Haustür geöffnet und war über den Welpen gestolpert.

Nun entschied Theresa großmütig: „Also gut. Hauptsache, du sorgst dafür, dass er sich der Küche fernhält.“

Momentan erkundete er sehr gründlich den Laden, indem er die Nase in jede Ecke und unter jedes Möbelstück steckte und schnüffelte.

Lily beobachtete ihn mit Argusaugen, aus Angst, dass er etwas anstellen könnte, was Theresas Unmut erweckte. Sie scheuchte ihn aus einer Ecke, in der Kartons aufgestapelt waren. „Wie alt sind eigentlich deine Enkelkinder?“

„Warum?“

„Hätten sie nicht gern einen Hund? Du könntest sie mit Jonathan überraschen.“

Fragend zog Theresa eine Augenbraue hoch. „Jonathan?“

„Der Welpe.“

„Du hast ihm einen Namen gegeben?“, wunderte sich Alfredo mit einem breiten Grinsen. „Das heißt, dass du schon an ihm hängst.“

Ein Anflug von Panik zeigte sich auf Lilys Gesicht. Sie wollte an nichts und niemandem hängen. Sie war noch immer damit beschäftigt, ihr Leben nach dem Verlust ihrer Mutter wieder in den Griff zu bekommen. Sich auf etwas Neues einzulassen kam überhaupt nicht infrage. „Nein, das bedeutet es nicht“, protestierte sie entschieden. „Ich konnte ihn nur nicht ständig ‚Hund‘ nennen.“

„Du hättest schon können, aber du wolltest nicht. Was bedeutet, dass du bereits eine Beziehung zu dem Knirps aufgebaut hast“, beharrte Alfredo.

„Auf keinen Fall!“, widersprach Lily entschieden. „Ich weiß nicht mal, wie man überhaupt eine Beziehung zu einem Tier eingeht. Das einzige Haustier, das ich je hatte, war ein Goldfisch namens Seymour, und der hat gerade mal zwei Tage überlebt.“

„Dann wird es höchste Zeit, einen neuen Versuch zu starten. Du kannst dich doch nicht so einfach geschlagen geben.“

Lily wandte sich Hilfe suchend an ihre Chefin.

Theresa legte ihr eine Hand auf die Schulter. „In diesem Punkt bin ich einer Meinung mit Alfredo. Außerdem kannst du den Hund vorerst nicht weggeben.“

„Warum denn nicht?“

„Weil der Besitzer genau in diesem Moment nach ihm suchen könnte.“

Lily stöhnte. Das hatte sie gar nicht bedacht. „Da ist was dran. Ich mache Flyer und hänge sie auf.“

„Ich schlage vor, dass du dich zunächst einmal vergewisserst, dass der kleine Kerl gesund ist.“

„Wie soll ich das denn anstellen?“ Lily war total unbedarft, wenn es um die Pflege nichtmenschlicher Kreaturen ging. Sie hatte nicht einmal die Spur eines grünen Daumens. Wie prächtig eine Pflanze auch gediehen sein mochte, in ihrer Obhut ging sie unweigerlich ein. Deswegen hatte sie auch keinen Garten mehr. Die Vorstellung, gar für ein Tier verantwortlich zu sein, jagte ihr einen Schauer über den Rücken.

Theresa erwiderte: „Nun, an deiner Stelle würde ich ihn als Erstes zu einem Tierarzt bringen.“

„Er sieht doch gar nicht krank aus.“ Lily musterte den Welpen, der gerade von Alfredo gekrault wurde und sich anscheinend wie im siebten Himmel fühlte. „Ist das wirklich nötig?“

„Unbedingt“, bestätigte Theresa ohne Zögern. „Stell dir bloß mal vor, wie du dastehst, wenn du ihn krank an seinen Besitzer zurückgibst! Wenn er wollte, könnte er dich wegen Vernachlässigung anzeigen.“

Sich um ein Lebewesen kümmern zu müssen war für Lily das Letzte, was sie gebrauchen konnte. „Hätte ich meine Haustür heute Morgen mal besser nicht aufgemacht.“

„Ach, wie kannst du nur so etwas sagen?“ Theresa umfasste die Schnauze des Welpen und drehte seinen Kopf zu Lily um. „Sieh dir doch bloß mal dieses entzückende kleine Gesichtchen an!“

„Das versuche ich ja gerade zu vermeiden“, gestand Lily ein. Andererseits wollte sie natürlich nicht, dass es dem Hund schlecht erging, solange er sich vorübergehend in ihrer Obhut befand. Wobei „vorübergehend“ das Schlüsselwort ist. „Okay. Wie finde ich einen Tierarzt, der gut, aber nicht teuer ist?“

Theresa lächelte geradezu entzückt. „Du hast Glück. Zufällig weiß ich von einem, der gerade eine neue Praxis eröffnet hat. Eine meiner besten Freundinnen hat mir erzählt, dass sie bei ihm war, und er wahre Wunder an ihrem Hund Lazarus vollbracht hat.“

Dass Maizie gar keinen Hund besaß – geschweige denn einen namens Lazarus –, machte im Gesamtbild nur ein winziges, unwichtiges Detail aus. In aller Regel schwindelte Theresa nicht, aber gelegentlich musste eine Regel notgedrungen gebeugt oder gar gebrochen werden. „Ich könnte sie anrufen und mir die Telefonnummer für dich geben lassen.“

„Warum nicht?“, erwiderte Lily mit einem vagen Achselzucken. „Was habe ich schon zu verlieren? Bloß ein bisschen Geld.“

Theresa betrachtete ihr folgendes Angebot als Investition in Lilys zukünftiges Glück. „Ich sage dir was. Wir hatten einen umsatzstarken Monat. Ich komme für Jonathans Arztbesuch auf. Sieh es als kleines Geschenk von mir an.“

„Und was ist mit mir?“ Alfredo gab sich gekränkt. „Kriege ich kein Geschenk, Chefin?“

„Ich komme auch für Ihren Tierarztbesuch auf, falls sich herausstellt, dass Sie einen brauchen“, witzelte Theresa, und damit zog sie sich in ihr Büro zurück.

Sorgsam schloss sie die Tür hinter sich, bevor sie sich an den Schreibtisch setzte. Eifrig hob sie den Telefonhörer ab und wählte eine Nummer. Sie hielt nichts von Handys. Ihrer Erfahrung nach war die Verbindung niemals so klar wie beim Festnetz.

Maizie meldete sich beim zweiten Klingeln. „Connors Immobilien.“

„Houston, wir sind erfolgreich gestartet“, flüsterte Theresa in verschwörerischem Ton.

„Theresa? Bist du das?“

„Natürlich bin ich das! Wer sonst würde dich anrufen und so etwas sagen?“

„Keine Ahnung. Nichts für ungut, aber du guckst zu viele Spielfilme. Also, was versuchst du, mir zu sagen?“

Ungehalten erklärte Theresa: „Dass Lily den Welpen zu Frances’ Sohn bringt.“

„Warum hast du das nicht gleich gesagt?“

„Weil es so gewöhnlich klingt.“

„Manchmal ist das Gewöhnliche gerade richtig. Bringt sie ihn gleich heute hin?“

„Dazu habe ich sie überredet.“

„Perfekt!“, rief Maizie begeistert. „Es gibt nichts Schöneres, als aus nächster Nähe mitzuerleben, wie sich eine junge Liebe anbahnt.“

„Ich sehe jetzt da keinen großen Unterschied zu ‚Houston, wir sind erfolgreich gestartet‘.“

„Vielleicht gibt es auch keinen“, räumte Maizie ein. Nicht weil sie sich im Irrtum wähnte, sondern weil sie wusste, dass Theresa gern recht behielt.

2. KAPITEL

Sobald Christopher den Untersuchungsraum betrat, fiel ihm auf, in welch verkrampfter Haltung die Frau namens Lily Langtry mitten im Raum stand. Sie fühlte sich offensichtlich unwohl in ihrer derzeitigen Situation.

Er lächelte sie an. „Das ist nicht Ihr Hund, stimmt’s?“

„Woher wissen Sie das?“, fragte sie verblüfft, denn sie hatte an der Rezeption nichts davon erwähnt. „Hat Mrs. Manetti Ihnen das gesagt, als sie mich angemeldet hat?“

Er runzelte die Stirn. „Wer?“

Okay, falsch geraten. „Schon gut. Woran merken Sie, dass er nicht mir gehört?“

Er deutete mit dem Kopf zu dem zappeligen Tier. „Er hat ein Seil um den Hals.“

Wahrscheinlich setzt er das mit Tierquälerei gleich. „Not macht erfinderisch. Ich wusste keine andere Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass er mir folgt.“

Nachdenklich musterte Christopher die junge Frau mit den langen kastanienbraunen Haaren, die eine anrührende Verletzlichkeit ausstrahlte. Er achtete bewusst darauf, sich seine Belustigung nicht anmerken zu lassen. Vielleicht ist sie dünnhäutig und würde denken, dass ich sie auslache. Dabei liegt mir nichts ferner. „Keine Leine“, erklärte er.

„Keine Leine, stimmt“, bestätigte sie. „Ich habe ihn auf meiner Türschwelle vorgefunden. Ich bin praktisch über ihn gestolpert.“

„Und ich gehe davon aus, dass Sie nicht wissen, wem er gehört?“

„Stimmt ebenfalls. Sonst hätte ich ihn seinem Herrchen zurückgebracht. Ich habe ihn nie zuvor gesehen.“

„Woher wissen Sie dann, dass er Jonathan heißt?“

„Das weiß ich nicht.“

Er musterte sie eingehender. „Aber Sie haben meiner Rezeptionistin doch gesagt, dass er so heißt.“

„So nenne ich ihn“, erklärte Lily hastig. „Ich wollte ihn nicht einfach ‚Hund‘ oder ‚hey, du‘ rufen. Also habe ich ihm einen Namen gegeben. Der scheint ihm zu gefallen. Zumindest sieht er mich an, wenn ich ihn so rufe.“

„Entscheidend ist nur die richtige Intonation“, widersprach er. „Ich verrate Ihnen etwas.“ Er senkte die Stimme, als stünde er im Begriff, ein wohlgehütetes Geheimnis preiszugeben. „Er reagiert auch auf ‚Kühlschrank‘, wenn Sie es genauso betonen.“

Um seinen Standpunkt zu untermauern, ging Christopher um den Untersuchungstisch herum, bis er direkt hinter dem Welpen stand. Von dort rief er in einschmeichelndem Ton: „Kühlschrank!“

Prompt drehte Jonathan ihm den Kopf zu und ging ein paar Schritte auf ihn zu.

„Sehen Sie?“

Sie nickte, wirkte aber eher überfordert als überzeugt.

„Wie lange sind Sie und Jonathan schon zusammen?“ Er vermutete, dass es sich um eine eher kurze Beziehung handelte, weil die beiden offensichtlich noch nicht die gleiche Wellenlänge gefunden hatten.

Lily schaute auf die Uhr. „In einigen Minuten werden es drei Stunden.“

„Ach so?“

„In ungefähr zehn Minuten“, präzisierte sie leise.

Er musterte die zierliche attraktive Frau. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Sie hatten wohl noch nie einen Hund, oder?“, vermutete er, denn ihm fiel erneut auf, wie unbehaglich sie sich fühlte.

Sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie überrascht oder peinlich berührt über die Vermutung sein sollte. „Merkt man das?“

„Sie sehen aus, als hätten Sie Angst vor Jonathan.“

„Das habe ich überhaupt nicht!“, protestierte sie allzu nachdrücklich. Dann ruderte sie ein wenig zurück. „Na ja, nicht wirklich.“ Nach kurzem Zögern korrigierte sie auch das. „Er ist ja ganz niedlich, aber er hat da diese Zähne …“

Christopher unterdrückte ein Lachen. „Das haben die meisten Hunde – zumindest diejenigen, die gesund sind.“

Ihr wurde bewusst, dass sie sich unklar ausgedrückt hatte. Ihr fiel es oft schwer, mit Leuten, die sie nicht kannte, zu kommunizieren. Ihr Talent bestand darin, Kuchen und Torten zu kreieren. Sie versuchte es noch einmal. „Aber er beißt andauernd.“

„Dafür gibt es einen guten Grund. Er zahnt. Als ich ein kleiner Junge war, hatte ich einen Babycousin, der das genauso gemacht hat. Er hat auf allem und jedem rumgekaut, bis er alle Milchzähne hatte.“

Wie um diese Aussage zu bekräftigen, versuchte Jonathan, die Zähne in die Hand des Tierarztes zu schlagen.

Lachend kraulte Christopher ihn am Kopf und zog einen grünen Gummi-Oktopus mit Wackelarmen aus der Kitteltasche.

Impulsiv stürzte Jonathan sich auf das Spielzeug. Schrille Quietschgeräusche ertönten, während er darauf herumbiss.

Lily blickte den Tierarzt mit einer Spur von Neid und leicht geröteten Wangen an. „Sie müssen mich für eine Vollidiotin halten.“

Auf keinen Fall sollte sie glauben, dass er sie verurteilte. Daher korrigierte er: „Ich halte Sie für jemanden, der vielleicht ein bisschen Hilfe und Anleitung gebrauchen könnte.“

Hoffnungsvoll fragte sie: „Haben Sie ein Buch für mich, das ich lesen könnte?“

„Ich könnte Ihnen mehrere empfehlen. Aber mir persönlich fällt es immer leichter, mich nach visuellen Anweisungen zu richten.“

„Wie von einer DVD?“

Er schmunzelte. „Eher wie von einer Person.“

Für eine Sekunde fühlte Lily sich gefesselt von seinem Lächeln. Irgendetwas, das an Schmetterlinge erinnerte, flatterte in ihrem Bauch. Ich muss da wohl was falsch verstanden haben.

Markante Gesichtszüge mit reizvollen Wangengrübchen, leuchtend blonde Haare und strahlend blaue Augen, eindrucksvoll breite Schultern und kräftige Muskeln – all das und noch viel mehr machte ihn zu einem äußerst attraktiven und charmanten Menschen. Sie war es gewohnt, in Anwesenheit von dynamischen Persönlichkeiten wie ihm geradezu unsichtbar zu werden. Je schillernder ihr Gegenüber wirkte, desto farbloser und unscheinbarer empfand sie sich selbst.

Angesichts dieser Tatsache war es äußerst unwahrscheinlich, dass sie ihn richtig verstanden hatte. Um sich Klarheit zu verschaffen, fragte sie dennoch: „Bieten Sie sich an, mir mit dem Hund zu helfen?“

„Wenn Sie nachfragen müssen, habe ich wohl was falsch gemacht. Ja, ich biete mich an. Es sei denn, Ihr Ehemann, Freund oder Lebensabschnittspartner hat etwas dagegen, dass ich Ihnen über die ersten Hürden des Hundebesitzes hinweghelfe.“

„Es gibt keinen Ehemann, Freund oder Lebensabschnittspartner, der etwas gegen irgendetwas einwenden könnte.“

Christopher grinste. „Nun gut. Sofern auch Sie keine Einwände haben, kann ich Sie am Wochenende zum Hundepark begleiten und Ihnen einige Tipps geben.“

Sie hatte nicht einmal gewusst, dass es in Bedford einen Hundepark gab, aber diese Wissenslücke verschwieg sie lieber.

„Allerdings muss ich eine Sache bereits jetzt korrigieren.“

Lily wappnete sich für seine Kritik. „Was mache ich denn falsch?“

Er schüttelte den Kopf. „Nicht Sie, sondern ich. Ich habe gerade von Hundebesitz gesprochen.“

„Ja, das habe ich gehört.“ Sie wusste trotzdem nicht, worauf er hinauswollte.

„Und das ist falsch. Diese Formulierung besagt, dass der Hund Ihnen gehört, während in Wirklichkeit …“

„… ich ihm gehöre?“

Er schüttelte den Kopf. „Sie gehören einander. Wenn Sie es richtig anstellen, wird Ihr Haustier Teil Ihrer Familie und Sie werden Teil seiner Familie.“

Für einen winzigen Augenblick gestattete Lily sich die Vorstellung, Bestandteil von etwas Größerem als ihrer Wenigkeit zu sein. Von etwas, das die Einsamkeit zu lindern versprach, unter der sie litt, wann immer sie von der Arbeit in ihr Zuhause und ihre Zurückgezogenheit heimkehrte.

Im nächsten Moment zwang sie sich, diese Anwandlung zu verdrängen und wieder in die bescheidene Welt zurückzukehren, in der sie seit dem Verlust ihrer Mutter lebte. „Das klingt nach etwas, was ich mal in einem Kinderbuch gelesen habe.“

„Das kann gut sein. Kinder sehen die Welt viel ehrlicher als wir Erwachsenen. Normalerweise müssen sie keine Ausreden erfinden und nicht nach Erklärungen für ihre Gefühle suchen. Sie fühlen einfach.“

„Das mag so sein.“

„Aber zurück zu Jonathan. Da Sie die Dauer Ihrer Bekanntschaft mit ihm in Stunden angeben können, gehe ich davon aus, dass Sie nichts über seine Vorgeschichte wissen.“

„Stimmt.“

Christopher richtete seine Aufmerksamkeit auf seinen Patienten. „Nun, ich schätze sein Alter auf fünf oder sechs Wochen und …“

„Woran sehen Sie das?“, unterbrach sie interessiert.

„An seinen Zähnen. Den Milchzähnen, die er an Ihnen ausprobiert hat“, fügte er mit einem Grinsen an, das sie unglaublich sexy fand. „Er ist offensichtlich ein reinrassiger Labrador, sodass keine abweichenden Faktoren zu berücksichtigen sind. Seine Pfoten lassen darauf schließen, dass er sehr groß werden wird.“

Lily blickte zu Jonathan hinunter, der herumtollte und über besagte Pfoten stolperte vor lauter Eifer, Aufmerksamkeit zu erregen. Von welcher Seite sie es auch betrachtete, er war echt niedlich – solange er sie nicht zu beißen versuchte. „Ich schätze, das werde ich nicht miterleben“, murmelte sie vor sich hin.

„Stört es Sie, wenn ich frage, warum nicht?“

„Nein.“

„Nein?“

„Nein, es stört mich nicht, wenn Sie fragen.“

Christopher wartete auf weitere Ausführungen. Als keine kamen, drängte er: „Und die Antwort lautet?“

„Oh“, murmelte Lily verlegen. Du benimmst dich wie der sprichwörtliche Dorftrottel. Was in aller Welt ist bloß in dich gefahren? „Weil ich Flyer machen und in der ganzen Stadt aufhängen will, sobald ich hier rauskomme. Ganz bestimmt sucht jemand schon nach ihm.“

„Wenn Sie ihn nicht behalten wollen, warum haben Sie ihn dann überhaupt hergebracht?“

Sie war davon ausgegangen, dass sich der Grund für ihn als Tierarzt von selbst erschloss. Trotzdem erklärte sie: „Ich wollte kein Risiko eingehen und mich vergewissern, dass ihm nichts fehlt. Ich will ihn nicht vernachlässigen, nur weil ich ihn nicht behalten will.“

„Sie sind also so etwas wie eine gute Samariterin auf Zeit?“

Das klang beinahe wie ein Lob. Doch aus ihrer Sicht gab es nichts zu loben. Ich tue nur, was jeder andere an meiner Stelle tun würde. Zumindest jeder, der ein Gewissen hat. „Ja, so ähnlich.“

„Der kleine Kerl hat einen Glückstreffer gelandet, indem er sich Ihre Türschwelle zum Campieren ausgesucht hat.“ Christopher hockte sich hin, kraulte Jonathan zwischen den Ohren und untersuchte ihn schnell. „Er macht einen völlig gesunden Eindruck. Deshalb schlage ich vor, dass wir bis Anfang nächster Woche abwarten. Wenn sich bis dahin niemand auf Ihre Flyer meldet, bringen Sie ihn wieder her, und wir fangen mit den Impfungen an.“

„Mit welchen Impfungen?“

„Hunde müssen gegen verschiedene Krankheiten geimpft werden, genau wie Kinder.“

„Aha“, murmelte sie.

Er schmunzelte. „Und sofern sich vorher kein Besitzer bei Ihnen meldet, können wir für Sonntag ein Date vereinbaren. Sagen wir gegen elf im Park?“, schlug er vor.

„Ein Date?“, hakte Lily mit großen Augen nach.

Ihm wurde bewusst, dass er sich missverständlich ausgedrückt hatte. Geschickt zog er sich aus der Affäre, indem er erklärte: „Na ja, das ist vielleicht eine unglückliche Wortwahl. Ich habe nämlich das Gefühl, dass Jonathan nicht gern zum Anstandswauwau degradiert werden möchte. Der Einfachheit halber und um seinen guten Ruf zu retten“, fügte er mit einem Augenzwinkern an, das erneut ein Flattern in ihrem Bauch hervorrief, „sollten wir es lieber eine Trainingseinheit nennen.“

Trainingseinheit? Das klingt nach einer Menge Arbeit. Verwundert hakte sie nach: „Das würden Sie tun?“

„Es Trainingseinheit nennen? Natürlich.“

„Nein. Ich meine, Jonathan trainieren. Vorausgesetzt, dass ich ihn bis dahin noch habe.“

„Ich dachte, das wäre geklärt“, wandte Christopher schmunzelnd ein.

„Warum?“

„Warum ich das für geklärt halte? Weil ich es nicht deutlicher sagen könnte.“

Du musst unbedingt lernen, dich klarer auszudrücken. „Nein. Ich meine, warum sollten Sie sich anbieten, mit Jonathan zu arbeiten?“

„Weil ich aus eigener Erfahrung weiß, dass es höllisch sein kann, mit einem unerzogenen Hund zu leben – sowohl für das Tier als auch für den Menschen. Das Training ist nur ein anderes Wort für gegenseitiges Überleben.“

So dankbar Lily ihm auch für das Angebot sein mochte, sie fragte sich unwillkürlich, ob sie derart unbedarft oder unfähig auf ihn wirkte, dass er ihr seine Freizeit opfern wollte. „Aber sind Sie denn nicht zu sehr anderweitig beschäftigt?“

Er dachte an die unzähligen Umzugskartons, die sich noch immer bei ihm zu Hause stapelten und darauf warteten, ausgepackt zu werden. Schon vor drei Monaten, kurz nach dem Tod seiner Mutter, war er wieder in sein Elternhaus eingezogen, doch er scheute sich davor, die Kisten anzugehen. Dieser Frau zu helfen, mit dem hyperaktiven Welpen zurechtzukommen, lieferte ihm einen guten Vorwand, die unliebsame Aufgabe noch eine Weile hinauszuzögern.

„Wenn dem so wäre, hätte ich den Vorschlag nicht gemacht“, entgegnete er.

„Falls der Hund am Wochenende noch bei mir sein sollte, könnte ich Sie trotzdem nicht für die Trainingseinheit bezahlen. Zumindest nicht auf einmal. Wir könnten höchstens einen Ratenplan aufstellen.“

„Ich kann mich nicht erinnern, um Bezahlung gebeten zu haben.“

„Warum sollten Sie sich sonst bemühen, mir zu helfen?“

„Sagen wir einfach mal, um Punkte für ein längst überfälliges Verdienstabzeichen zu sammeln.“

Gerade wollte Lily protestieren, dass sie kein Sozialfall war, doch da klopfte es an die Tür und eine seiner Assistentinnen rief: „Herr Doktor, Ihre Patienten werden allmählich ungeduldig!“

„Ich komme sofort!“, versprach er und wandte sich wieder an Lily. „Wir sehen uns also am Sonntag um elf im Hundepark. Und falls Sie irgendwelche Fragen haben, zögern Sie nicht, mich anzurufen. Ich bin tagsüber hier und sonst jederzeit über mein Handy zu erreichen.“

Überrascht fragte sie: „Sie nehmen außerhalb der Sprechstunde dienstliche Anrufe entgegen?“

„Ich habe festgestellt, dass Haustiere genau wie Kinder nicht immer zwischen acht und sechs krank werden“, erklärte er auf dem Weg zum Ausgang.

„Moment! Wie viel bin ich Ihnen schuldig?“, wollte Lily wissen.

Christopher war bereits auf den Korridor getreten. „Ich berechne nichts für Vorgespräche“, teilte er ihr im Hinausgehen über die Schulter mit, bevor die Automatiktür hinter ihm ins Schloss fiel.

Lily war überzeugt, sich verhört zu haben. Der Tierarzt hatte dem Hund zwar keine Spritzen gegeben oder ihn speziell behandelt, aber mindestens zwanzig Minuten mit ihr gesprochen und Jonathan oberflächlich untersucht. Ihrer Meinung nach fiel das unter die Kategorie „kostenpflichtiger Arztbesuch“.

Obwohl sie anderen Leuten gerne behilflich war, gefiel es ihr gar nicht, Gefälligkeiten von anderen anzunehmen, weil sie niemandem etwas schuldig sein wollte. Sie war dem Tierarzt dankbar, dass er ihr zu einem friedlichen Miteinander mit dem Fellknäuel verhelfen wollte, solange es sich in ihrer Obhut befand. Doch sie wollte nichts kostenlos in Anspruch nehmen.

Sie seufzte tief, legte eine strenge Miene auf und befahl Jonathan: „Du darfst nicht rennen, wenn wir jetzt hinausgehen. Zerr mich diesmal nicht wieder hinter dir her, okay?“

Selbst wenn er sie verstanden hatte, zog er vor, es zu ignorieren. Sobald sie die Tür öffnete, stürmte er auf den Korridor hinaus. Da sie das Seilende fest in der Hand hielt, kam er nach zwei Sekunden so abrupt zum Stehen, dass es geradezu ulkig anmutete. Er drehte sich zu ihr um und starrte sie vorwurfsvoll an.

Falls Hunde dazu fähig sind. Vielleicht vermenschliche ich ihn zu sehr. Trotzdem fühlte sie sich verpflichtet, ihm zu erklären: „Ich habe dich doch gebeten, nicht zu rennen.“ Sie merkte, dass die Rezeptionistin sie beobachtete, und murmelte verlegen: „Sie halten mich wahrscheinlich für verrückt, weil ich mit dem Hund rede.“

Erikas dunkle Augen funkelten. „Im Gegenteil. Die meisten Hundebesitzer würden Sie für verrückt halten, wenn Sie es nicht täten.“ Sie deutete mit dem Kopf zu Jonathan. „Sie verstehen uns. Sie ziehen es nur manchmal vor, nicht zu gehorchen. In dieser Hinsicht sind sie nicht anders als Kinder. Außer dass Haustiere auf lange Sicht meistens treuer sind.“

„Ich bin nicht auf ‚lange Sicht‘ aus. Ich passe nur auf ihn auf, bis sich sein Besitzer meldet.“ Lily holte ihr Scheckbuch und einen Kugelschreiber aus der Tasche. „Wie viel bin ich schuldig?“

Erika sah im Computer nach. „Nichts.“

„Aber Dr. Whitman hat den Hund doch untersucht.“

„Dafür wird nichts berechnet. Aber ich sehe gerade, dass Dr. Whitman etwas anderes notiert hat.“

Jonathan zerrte an dem Seil. Er brannte darauf, endlich der Praxis zu entkommen.

Und höchstwahrscheinlich auch mir. Lily hatte das Gefühl, dass ihr Arm von Sekunde zu Sekunde länger wurde. Für einen derart kleinen Kerl war Jonathan ihrer Meinung nach ungewöhnlich stark. Mit Mühe zog sie ihn zu sich zurück. „Was denn?“

Anstatt zu antworten, öffnete Erika eine große Schublade und kramte darin. Schließlich legte sie das Gesuchte auf den Empfangstresen. „Ich soll Ihnen das hier geben.“

„Das hier“, erwies sich als leuchtend blaues Halsband mit dazu passender Leine.

Als Lily die Gegenstände nur anstarrte, erklärte Erika: „Dr. Whitman ist ganz entschieden gegen Seile. Er fürchtet, dass sich das Tier damit erdrosseln könnte.“

Angesichts Jonathans Neigung, ständig in entgegengesetzte Richtungen flitzen zu wollen, erschien es auch Lily sinnvoll, ihm ein richtiges Halsband anzulegen, das ihm nicht die zarte Kehle zuschnürte. „Okay. Was bin ich dafür schuldig?“

„Nichts.“

„Aber es muss doch etwas gekostet haben.“

Sie war es von jeher gewohnt, für alles, was sie brauchte oder benutzte, zu bezahlen – obendrein manches Mal sehr teuer. Etwas anzunehmen – ob es sich um einen Service oder einen Gegenstand handelte –, ohne dafür etwas auf den Tisch zu blättern, erschien ihr nicht richtig. Außerdem verstieß es gegen ihr Bedürfnis nach Unabhängigkeit.

„Nur ein paar Pennys“, versicherte Erika. „Dr. Whitman bestellt die Dinger in riesigen Mengen. Er verteilt sie gern an seine Patienten. Betrachten Sie es einfach als Geste des guten Willens.“

Lily betrachtete es vielmehr als Geste der Barmherzigkeit. „Sind Sie sicher, dass ich nicht wenigstens eine Spende für bedürftige Hunde abgeben kann?“

„Ganz sicher.“ Erika drückte eine Taste; der Drucker hinter ihr spuckte eine Ausgabe des Bildschirminhalts aus. Sie hielt das Blatt Papier hoch. „Sehen sie? Hier steht es ganz groß schwarz auf weiß: kostenlos.“

„Tja, dann sage ich vielen, vielen Dank.“

„Kein Problem.“ Erika trat hinter dem Pult hervor zu dem Labrador, der wie wild an dem Seil zerrte. „Soll ich ihm das Halsband anlegen, während Sie versuchen, ihn festzuhalten? Auf diese Weise kann er nicht türmen.“

Lily atmete erleichtert auf. „Sie sind ein Engel.“

„Nein. Ich arbeite bloß schon seit einer ganzen Weile in einer Tierarztpraxis.“

Im Handumdrehen legte sie dem Welpen das Halsband mitsamt Leine an. Dann erst entfernte sie das Seil. „Es kann losgehen.“

Kaum hatte sie ausgesprochen, da lief Jonathan auch schon zum Ausgang. „Ich glaube, er ist derselben Meinung.“

Lily legte das Seil auf den Tresen, folgte Jonathan und schnappte sich die Leine. Sobald sie die Tür öffnete, stürmte er so wild ins Freie, dass sie beinahe das Gleichgewicht verlor. „Wiedersehen!“, rief sie über die Schulter.

Erika beobachtete, wie der Hund „sein Frauchen“ hinter sich herzog und allen Bemühungen trotzte, sich zügeln zu lassen. Kopfschüttelnd schloss sie die Tür und kehrte an die Rezeption zurück. „Ich gebe ihnen zwei Wochen“, murmelte sie vor sich hin. „Maximal einen Monat.“

Sobald Lily mit ihrem dynamischen Begleiter den Catering-Shop betrat, versammelte sich die gesamte Belegschaft um sie. Alle bombardierten sie mit Fragen über den Besuch beim neuen Tierarzt. Jonathan rückte in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und genoss es ganz offensichtlich.

Überrascht stellte Lily fest, dass sie die Einzige unter Theresas Angestellten war, die noch nie ein Haustier besessen hatte – sofern sie die zwei Tage zwanzig Jahre zuvor mit einem lebendigen Goldfisch nicht mitrechnete.

Jonathan musste zwar wegen der Vorschriften der Gesundheitsbehörden aus der Küche ferngehalten werden, durfte aber ansonsten ungehindert durch die übrigen Räumlichkeiten streifen. Er wurde gestreichelt und bespielt und bekam reichlich Leckerli zugesteckt – von allen Anwesenden, einschließlich Theresa. Innerhalb weniger Minuten wurde er zum Maskottchen des Betriebs.

Da das nächste Event-Catering erst am nächsten Abend stattfinden sollte, ging es nicht so hektisch und angespannt wie sonst zu. Alfredo und seine Crew waren noch in der Planungsphase für das Hauptmenü. Zack Collins, der Barmann, war unterwegs, um die Getränke für das Fest einzukaufen, und Lily dachte darüber nach, welche Desserts sie kreieren wollte.

Bei einem Rundgang durch die Küche fiel Theresa auf, dass Lily Törtchen mit federleichter Cremefüllung herstellte. „Machst du einen Probelauf?“

„Gewissermaßen.“ Weil Theresa für sie mehr Mutterfigur als Chefin war, erklärte Lily: „Es geht um den Tierarzt, zu dem du mich geschickt hast.“

Theresas Miene verriet nichts, obwohl sich ihre Gedanken überschlugen. „Ach so?“

„Er hat von mir kein Geld für die Untersuchung nehmen wollen.“

„Wirklich?“ Theresa gab ihr Bestes, verwundert zu klingen, anstatt sich die Freude und Hoffnung anmerken zu lassen, die in ihr aufstiegen.

„Ja, wirklich. Aber ich bleibe anderen nicht gern etwas schuldig.“

„Honey, manche Dinge muss man einfach dankend annehmen.“

„Ich weiß. Und aus Dankbarkeit mache ich das da.“ Lily deutete zu dem Blech, das sie gerade aus dem Ofen geholt hatte. „Da er so nett war, mich mit seinem Fachwissen zu beschenken, will ich mich mit etwas revanchieren, das ich am besten kann.“

Maizie hat recht. Der Plan geht auf. Theresa unterdrückte ein triumphierendes Schmunzeln. „Das klingt einleuchtend.“ Sie sah auf die Uhr. Es war fast fünf. Die Tierklinik schloss um sechs. Um zu verhindern, dass Lily und Christopher sich verpassten, schlug sie vor: „Da wir heute kein Event ausrichten müssen, kannst du deine Törtchen jetzt gleich bei ihm abliefern, solange sie noch warm sind.“

„Eine gute Idee.“ Lily schaute sich suchend um. „Wo steckt Jonathan?“

„Meghan beschäftigt sich mit ihm“, versicherte Theresa. Sie verwies damit auf eine ihrer Angestellten. Die junge Blondine konnte anpacken und wurde bevorzugt als Springerin im Betrieb eingesetzt. „Warum fragst du? Machst du dir Sorgen um ihn?“

„Ich möchte ihn lieber nicht allein hierlassen.“ Lily wollte nicht einmal daran denken, welchen Schaden der kleine Kerl in kürzester Zeit anrichten konnte, wenn er unbeaufsichtigt war.

„Er ist ja nicht allein. Er wird ständig von acht Augenpaaren beobachtet. Womöglich kriegt er noch Verfolgungswahn. Geh nur, bring dem Tierarzt dein Dankeschön.“

3. KAPITEL

Christopher musste sich zwingen, ein lautes Seufzen zu unterdrücken, als die Glocke über dem Eingang zur Praxis läutete. Nicht dass er etwas dagegen einzuwenden hatte, Tiere zu untersuchen. Im Gegenteil. Das machte ihm Spaß – obwohl es oft schwierig war, eine genaue Diagnose zu stellen.

Vielmehr war ihm die Büroarbeit verhasst, die bei jedem Patientenbesuch anfiel. Deswegen beschäftigte er zwei Rezeptionistinnen, eine für vormittags und eine für nachmittags, die sich normalerweise um sämtliche Formalitäten kümmerten.

Doch gelegentlich, wenn die beiden gerade verhindert waren, saß er notgedrungen an der Rezeption. So war es auch jetzt, weil Erika Besorgungen für die Praxis machte.

Er blickte vom Computermonitor zum Eingang und stellte überrascht fest: „Sie schon wieder?“

Sobald Lily eintrat, nahm sie mit ihrer natürlichen sinnlichen Ausstrahlung den gesamten Wartebereich für sich ein. Ehe Christopher es sich versah, verfiel er ihrem Zauber. „Stimmt etwas nicht mit Jonathan?“, erkundigte er sich, bevor ihm auffiel, dass sie einen rechteckigen rosa Karton in der Hand hielt. „Oder bringen Sie mir einen anderen Patienten?“

„Wie kommen Sie denn darauf?“, entgegnete sie verwundert. Dann merkte sie, dass er die Pappschachtel ins Auge gefasst hatte. „Ach so. Nein, da ist nichts drin, was Sie untersuchen sollten. Zumindest nicht so, wie Sie meinen.“

Er konnte sich nicht erklären, was das zu bedeuten hatte. Mittlerweile wehte ihm ein verlockender Duft in die Nase. „Was ist das denn?“ Er ging um den Empfangstresen herum und näherte sich Lily. Er schnupperte und erkannte Zimt unter anderen Aromen, die er nicht benennen konnte. „Das riecht geradezu fantastisch.“

Sie lächelte strahlend. „Danke.“

Verwundert wollte er wissen: „Sind Sie das?“ War es ein neuartiges Parfum, das den männlichen Appetit anregt? Er spürte, wie ihm förmlich das Wasser im Mund zusammenlief.

„Nur indirekt“, relativierte sie lachend. Als er sie völlig verdutzt anblickte, erbarmte sie sich und drückte ihm die Schachtel in die Hand. „Das ist für Sie.“ Weil er nicht glauben sollte, dass sie mit ihm flirten wollte, fügte sie schnell hinzu: „Und für Ihre Mitarbeiter.“

Sie war überzeugt, dass er es tagtäglich mit Annäherungsversuchen zu tun bekam. Gut aussehende Männer wie Christopher Whitman übersieht man nicht. Mit seinem hochgewachsenen schlanken Körper, den dichten blonden Haaren und den unwiderstehlichen blauen Augen, die Lily gerade bis ins Innerste zu blicken schienen, stach er aus der Menge hervor. „Das ist nur ein kleines Dankeschön von mir.“

Er nahm die Schachtel entgegen. „Sie haben das für uns gekauft?“

„Nein. Das habe ich für Sie gemacht. Ich bin Konditorin.“ Sie wusste selbst nicht, warum sie ihn unbedingt wissen lassen wollte, dass auch sie ein Profi war. „Ich arbeite in einem Catering-Unternehmen“, fügte sie an. Dann dachte sie sich, dass er sich wohl kaum für solche Details interessierte. „Wie auch immer, da ich Sie nicht bezahlen durfte, möchte ich Ihnen etwas Gutes tun. Es ist alles naturrein. Keine künstlichen Zusatzstoffe, kein Gluten, keine Nüsse. Also vollkommen ungefährlich“, versicherte sie für den Fall, dass er gegen irgendetwas allergisch war.

„Es duftet jedenfalls köstlich.“ Er öffnete die Schachtel; ein betörendes Aroma hüllte ihn förmlich ein. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, dass ich im Himmel gelandet bin.“

„Angeblich schmeckt es noch besser, als es riecht.“

„Mal sehen, ob das stimmt.“ Christopher nahm ein Törtchen heraus und biss bedächtig hinein. Seine Augen wurden ganz groß und leuchteten auf. „Den Himmel kann ich nur bestätigen“, murmelte er, bevor er der Versuchung erlag und einen zweiten Bissen nahm.

Obwohl es ihr durchaus Spaß machte, dem Doktor beim Verzehr des Gebäcks zuzusehen, war es ihr unangenehm, einfach so dazustehen und ihn zu beobachten. „Tja, ich wollte das nur schnell vorbeibringen“, erklärte sie und setzte sich in Richtung Ausgang in Bewegung.

Da er gerade den Mund voll hatte, hob er stumm eine Hand und signalisierte Lily zu warten.

Verwundert blieb sie stehen. Warum soll ich noch bleiben? Will er das Treffen am Sonntag im Hundepark absagen? Und warum würde es mich so enttäuschen, wenn es so wäre?

Sobald Christopher den Bissen hinuntergeschluckt hatte, wollte er wissen: „Haben Sie die wirklich selbst gemacht?“

Wieso sollte ich so etwas erfinden? „Ja, sicher.“

„Die sind fantastisch!“ Er zwang sich, den Karton zu schließen. „Sie arbeiten also für ein Restaurant.“

„Für einen Catering-Service. Aber eines Tages möchte ich meine eigene Konditorei eröffnen“, fügte sie spontan hinzu. Zu spät kam ihr in den Sinn, dass er nur Small Talk machte und sich sicherlich nicht ernsthaft für ihre Zukunftspläne interessierte.

„Aha.“ Er öffnete die Schachtel erneut, wischte einen Klecks Creme vom Deckel und leckte den Finger genüsslich ab.

Er sieht aus, als hätte es ihn ins Paradies verschlagen. Ein wohlig-warmes Gefühl stieg in Lily auf. Prompt vergaß sie ihre Nervosität und auch ihr Unbehagen.

„Sie wären bestimmt ständig ausverkauft.“ Interessiert betrachtete er die restlichen Törtchen. „Wie nennen Sie diese Köstlichkeiten?“

Bisher hatte sie ihrer Kreation noch keinen Namen gegeben. Doch ihr fiel ein, wie Theresa ihre erste Kostprobe genannt hatte. „Himmelsplitter.“

„Dann war mein erster Eindruck ja richtig.“ Er nickte anerkennend. „Ein passender Name.“

Sie entdeckte eine Spur von Creme in seinem Mundwinkel. Soll ich es einfach stillschweigend ignorieren? Aber dann geriet er womöglich in Verlegenheit, wenn ein Patient ihn darauf aufmerksam machte, dass sein Erscheinungsbild nachlässig war. Was soll ich bloß tun? Es war ihr immer unangenehm, jemanden auf Makel oder Schwachstellen hinzuweisen. Doch in diesem Fall fühlte sie sich gewissermaßen dafür verantwortlich, weil sie die Törtchen mitgebracht hatte. „Dr. Whitman …“

„Da Ihr Gebäck gerade meinen Mund geküsst hat, denke ich, dass Sie mich Chris nennen können“, unterbrach er in der Hoffnung, die Barrieren abzubauen, die sie deutlich spürbar um sich herum errichtet hatte.

„Also gut, Chris, Sie haben etwas Creme auf den Lippen.“ Sie deutete auf ihren Mundwinkel. „Nein, die andere Seite“, korrigierte sie. Als er beim zweiten Versuch die Stelle fand, nickte sie. „Es ist weg.“

Er setzte zu einer belustigten Bemerkung an, doch im selben Moment ertönte die Türglocke und kündigte seinen nächsten Patienten an: einen Perserkater, der alles andere als glücklich in seiner Transportbox aussah.

Sein Frauchen, eine matronenhafte Brünette mit einem sonnigen Lächeln, stellte die Box auf dem Empfangstresen ab und seufzte. „Cedrick ist heute sehr schlecht gelaunt, weil er geimpft werden soll.“

Das ist mein Stichwort, um mich zu verabschieden. Ich war schon viel zu lange hier. Lily wusste zwar, dass Jonathan bei ihren Arbeitskolle...

Autor

Teresa Southwick
<p>Teresa Southwick hat mehr als 40 Liebesromane geschrieben. Wie beliebt ihre Bücher sind, lässt sich an der Liste ihrer Auszeichnungen ablesen. So war sie z.B. zwei Mal für den Romantic Times Reviewer’s Choice Award nominiert, bevor sie ihn 2006 mit ihrem Titel „In Good Company“ gewann. 2003 war die Autorin...
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Laurie Paige
Laurie Paige lebte mit ihrer Familie auf einer Farm in Kentucky. Kurz bevor sie ihren Schulabschluss machte, zogen sie in die Stadt. Es brach ihr das Herz ihre vierbeinigen Freunde auf der Farm zurück lassen zu müssen. Sie tröstete sich in der örtlichen Bibliothek und verbrachte von nun an ihre...
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