Bloß eine Nacht mit dem Boss?

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Der Liebe hat Eden nach einer schmerzlichen Enttäuschung abgeschworen. In den Armen des attraktiven Fremden, den sie in einer Bar in Manhattan trifft, sucht sie daher nicht mehr als Trost und Ablenkung. Wider Erwarten weckt seine zärtliche Nähe jedoch längst vergessene Sehnsucht. Aber nie wieder will sie ihr Herz verlieren! Heimlich schleicht sie davon … nur, um kurz darauf schockiert ihren neuen Boss Harris Carver zu treffen: Der Milliardär entpuppt sich als ihr namenloser Liebhaber! Und nicht nur das: Ihre einzige Nacht hat ungeahnt süße Folgen …


  • Erscheinungstag 19.08.2025
  • Bandnummer 2715
  • ISBN / Artikelnummer 0800252715
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

Louise Fuller

Bloß eine Nacht mit dem Boss?

1. KAPITEL

Ungläubig starrte Harris Carver auf sein Handy. Alles in ihm verkrampfte sich. Die Sprachnachricht von Sydney Truitt, der Hackerin, die er angeheuert hatte, um seine Daten auf dem Server von Tiger McIntyre aufzuspüren, war kurz und bündig.

„Es tut mir leid. Ich habe versagt.“

Ihre Stimme klang genauso angespannt, wie er sich fühlte. Aber sie hatte auch gerade eine ziemlich große Summe in den Wind geschlagen. So lautete ihr Deal: keine Daten, kein Geld.

Seine Daten. Sein geistiges Eigentum. Die Pläne für den Bohrer, die Tiger ihm gestohlen hatte, um seinen eigenen Prototypen herzustellen. Unwillkürlich verspannten sich Harris’ Schultern, als sein Ärger einer alten, vertrauten Wut wich, die ihn immer überkam, sobald er an seinen größten Rivalen dachte.

Tiger McIntyre.

Sie hätten Verbündete sein können. Während des Studiums waren sie beste Freunde gewesen.

Zumindest hatte er das geglaubt, bis er Tiger mit seiner Freundin erwischt hatte.

Damals war er neunzehn gewesen, rasend vor Eifersucht und voller Schmerz über den Verrat. Natürlich hatte er zugeschlagen. Tiger wurde nicht ohne Grund Tiger genannt, also schlug er zurück. Die Sache eskalierte. Der Dekan schaltete sich ein, Tiger fing erneut Streit an und wurde von der Universität geworfen.

Seither waren all ihre Pläne wahr geworden. Nur dass sie jetzt Konkurrenten waren und einander umkreisten wie zwei Raubtiere. Sie hielten Abstand zueinander, waren sich der Bewegungen des anderen jedoch immer bewusst. Die Situation war erträglich gewesen, bis Tiger ihn bestohlen hatte. Seine Leute hatten stets ein wachsames Auge auf seinen Rivalen. Daher wusste er, dass ihre beiden Prototypen nahezu identisch waren.

Unwillkürlich umklammerte er das Handy fester. Er war vollkommen außer sich gewesen, gefangen in sinnloser Wut, die jede Vernunft erstickt hatte. Unter dem Vorwand, seine Sicherheitssysteme aufrüsten zu wollen, hatte er seine Leute dazu gebracht, einen Hacker zu kontaktieren: Sydney.

In Wirklichkeit sann er auf Rache. Sydney oder genauer gesagt ihre Brüder brauchten Geld. Deshalb hatte er ihr eine verlockend hohe Summe geboten, damit sie Tigers Computer hackte und seine Daten fand.

Sein Plan sah vor, Tiger durch die Aufdeckung des Diebstahls zu ruinieren, aber jetzt hatte er nichts in der Hand. Keine Beweise. Keine Möglichkeit, Rache zu nehmen.

Wütend starrte er auf den Mond draußen am Himmel, der ihn immer an das ausdruckslose und verständnislose Gesicht seines Vaters erinnerte, wenn der seinen Sohn anschaute – als würde er mit einem Fremden sprechen und nicht mit seinem eigen Fleisch und Blut.

Weder seinen Abschluss noch seinen späteren Karriereweg hatte er bewusst gewählt, aber heute konnte er sich zumindest eingestehen, dass er sich dadurch erhofft hatte, seinem Vater, dem Astronauten, näherzukommen.

Doch das war nicht geschehen.

Sein Vater hatte sich für Wissenschaft und Technik interessiert, war aber nicht stolz oder glücklich darüber, dass sein Sohn sich dafür entschieden hatte, indirekt in seine Fußstapfen zu treten.

Blicklos starrte er vor sich hin. Regen lief an den Fensterscheiben hinunter. Auf einmal überkam ihn das Gefühl zu ertrinken. Abrupt stand er auf.

Er musste aus dieser Wohnung raus und eine Frau finden, die ebenfalls nach einem anonymen One-Night-Stand suchte.

Zehn Minuten später hatte er Jeans, T-Shirt und die abgewetzte Lederjacke angezogen, die er vor fünf Jahren, kurz bevor seine Geschäfte richtig Fahrt aufgenommen hatten, heiß und innig geliebt hatte.

Harris nahm die U-Bahn in die Innenstadt. Als er die Station verließ, war der Regen in ein leichtes Nieseln übergegangen. Er hatte keine Ahnung, wohin er ging, aber es fühlte sich gut an, ohne den Schatten seiner Sicherheitskräfte über den Bürgersteig zu schlendern. Später würde er dafür eine Rüge bekommen, doch schließlich war er der Chef, und für das, was er plante, brauchte es nur zwei Menschen. Außerdem war das Risiko gering, dass ihn jemand erkannte.

Nicht, dass er nicht seinen Anteil an weiblicher Aufmerksamkeit bekam.

Mehr als genug, schoss es ihm durch den Kopf, während er an zwei Frauen vorbeikam, die beide gleichzeitig zu ihm hinübersahen. Ein Lächeln erschien auf ihren Lippen und sein Puls beschleunigte sich.

Attraktiv, dachte er im Weitergehen, aber so ist es zu einfach. Er brauchte die Herausforderung. Etwas, worauf er sich konzentrieren konnte, um den Schmerz und den Frust in seinem Inneren zu vertreiben.

Unwillkürlich verlangsamte er seine Schritte.

In den folgenden Wochen würde er sich noch oft fragen, was ihn dazu gebracht hatte.

Von außen sah die Bar nicht gerade vielversprechend aus. Tatsächlich war sie kaum als solche zu erkennen. Die Tür befand sich am Ende einer Kellertreppe. Nirgends war ein Schild angebracht, weshalb er fast vorbeigelaufen wäre. Aber dann hörte er den leisen, stetigen Bass, der im Takt seines Herzschlags pulsierte.

Leichtfüßig tänzelte er die Treppe hinunter. Als er die Tür aufstieß, trafen ihn der Lärm und die Hitze wie eine Wand.

Die Bar war gerammelt voll.

An einem Ende des Raums direkt neben einer altmodischen Jukebox feierte eine Gruppe junger Frauen mit Schärpen und Teufelshörnern einen Junggesellinnenabschied. Auf der anderen Seite befand sich ein riesiger Bildschirm, um den sich eine weitere Gruppe, hauptsächlich Männer, geschart hatte und interessiert einen Boxkampf verfolgte. Der Titelkampf im Schwergewicht, erinnerte Harris sich. Kein Wunder, dass es hier so voll war.

Es war perfekt. Der Lärm, der Geruch nach erhitzten Körpern und billigem Alkohol, einfach alles. Und das Beste war, dass ihn niemand kannte. Hier, in dieser namenlosen Bar, existierten weder Vergangenheit noch Zukunft, nur eine Gegenwart voller Möglichkeiten.

Harris zögerte noch einen Moment, dann schloss er sich der verschwitzten Menschenmenge an, die auf einen Drink wartete. An diesem Punkt seines Lebens war das eine neue Erfahrung. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal auf irgendetwas hatte warten müssen. Wenn man so reich war wie er, brauchte man nie zu warten. Türen öffneten sich, Tische wurden wie durch Zauberhand frei. Immer stand ein Wagen oder ein Jet bereit.

„Entschuldigung …“

Automatisch trat er zur Seite, um die Frau vorbeizulassen. Gleichzeitig führte sein Gehirn eine Bestandsaufnahme durch. Zierlich. Brünett. Smokey Eyes, nudefarbener Lippenstift. Stiefel mit kleinem Absatz, ein ärmelloses Blumenkleid, das Erinnerungen an die letzten Sommertage weckte, und – sehr markant – ein kleines Tattoo auf ihrer Schulter, das einen angebissenen Apfel darstellte.

Sie drehte sich zu ihm um. „Also, was willst du trinken?“

Ihre Stimme klang hell und heiser. Zunächst bezog er ihre Frage gar nicht auf sich. Er war zu sehr damit beschäftigt, ihren Akzent einzuordnen – definitiv Amerikanerin mit einer Färbung, die er nicht einordnen konnte. Britisch vielleicht?

Dann merkte er, dass sie ihn anschaute. Die Musik schien einen Takt auszusetzen, als ihre Blicke sich trafen.

Ihre Augen waren grün und schmal wie die einer Katze. Ungeduld spiegelte sich darin wider, wie ihm abrupt klar wurde, weil er schon zu lange damit beschäftigt war, ihre sinnliche Unterlippe zu bestaunen.

Er fühlte sich von dieser Frau angezogen, als würde er an einem Haken hängen, der von einem Fischer eingeholt wurde. Dich, dachte er, dich will ich. Auf einmal wurde ihm ganz heiß. Sein erster Gedanke war Empörung darüber, dass sie ihm das antun konnte … und dann auch noch so mühelos. Fast wollte er sie dafür bestrafen, dass sie ihm das Gefühl gab, die Kontrolle über sich selbst zu verlieren.

Aber war es nicht genau das, was er heute Abend gesucht hatte?

Ja. Nur in seiner Fantasie hatte er sich die Sache anders vorgestellt. Er hatte Trost im Sex finden wollen – ein Mittel, um das Chaos in seinem Kopf zu lindern.

Er räusperte sich. „Möchtest du mir einen Drink ausgeben?“

Die Unbekannte zuckte mit den Schultern. „Du siehst aus, als könntest du einen vertragen. Und ich werde vor dir bedient, also dachte ich, ich biete dir einen an. Aber wenn du gern wartest …“

Viel Glück, dachte er, als sie sich unter seinem Arm hindurchduckte. Sie reichte ihm bloß bis zur Schulter, sodass ihre Chancen, die Aufmerksamkeit des Barmanns auf sich zu ziehen, gleich null waren. Während er …

„Einen San Alvaro. Und einen Coughlan.“

Obwohl sie die Stimme nicht erhoben hatte, vernahm er jedes ihrer Worte laut und deutlich. Auch der Barmann schien sie gehört zu haben, denn er blieb wie angewurzelt stehen.

Die Frau warf ihm einen Blick zu. „Letzte Chance.“

Seine Finger zuckten, als die Luft zwischen ihnen zu vibrieren begann.

„Dasselbe wie du“, sagte er.

Abschätzend und kritisch ließ sie den Blick über ihn gleiten. Und das war nicht mehr nur eine neue Erfahrung, sondern eine Herausforderung.

„Machen Sie zwei daraus.“ Sie hatte sich wieder der Bar zugewandt, und Harris nutzte die Gelegenheit, um ihre dunklen seidigen Haare zu bewundern. Er versuchte sich vorzustellen, wie sie aussah, wenn sie nichts außer den Stiefeln trug.

Eilig verdrängte er den Gedanken, als Hitze in ihm aufwallte. „Gibt es was zu feiern?“

Ihre Miene verfinsterte sich. „Nein, ich brauchte nur mal eine Pause.“

Wovon? Oder von wem? Als hätte er seine Fragen laut ausgesprochen, wandte sie sich ihm zu. Ein Lächeln erschien auf ihren Lippen, das ihn einen Moment die Orientierung verlieren ließ.

„Es war eine dieser Wochen, weißt du?“

Ja, die kannte er. Selten war in seinem Leben so viel schiefgelaufen wie in den letzten paar Tagen. „Wird die nächste besser?“

Sein Interesse schien sie zu überraschen – es verwunderte ihn selbst, dass er die Antwort hören wollte. Er wünschte sich wirklich, das Gespräch fortzusetzen.

„Ja.“ Sie nickte. Aber auf einmal lag eine Verletzlichkeit in ihrem Blick, die ihn innerlich aufwühlte, weil er genau verstand, dass sie ihre Schwächen und Zweifel vor ihm verbergen musste.

„Ich zahle.“ Er beugte sich vor, aber sie hielt ihr Handy bereits an das Lesegerät.

„Schon erledigt.“ Ihr herausforderndes Lächeln, als sie sich zu ihm umdrehte, traf ihn wie eine Stichflamme. „Hier.“ Sie reichte ihm die Flasche und das Schnapsglas. Ihre Finger waren schmal, ihr Haar nicht nur dunkelbraun, sondern durchsetzt von roten und goldenen Strähnen. Auch ihre Haut hatte einen goldenen Schimmer und war so glatt und zart, als wäre sie in Honig getaucht worden.

„Dann lass mich die nächste Runde ausgeben“, sagte Harris und rückte ein Stück näher an sie heran.

Sie neigte den Kopf nach oben und öffnete den Mund, sodass kleine weiße und ebenmäßige Zähne zum Vorschein kamen. „Das brauchst du nicht. Ich führe keine Strichliste.“

„Vielleicht solltest du das?“

Ihre grünen Augen funkelten und sein Puls beschleunigte sich.

„Na gut, ich mache einen Strich. Wenn ich weiß, was ich will, sag ich dir Bescheid“, erwiderte sie mit dieser samtigen Stimme, die ihn nervös machte und erschauern ließ. „Man sieht sich.“

Bevor er antworten konnte, war sie in der Menge verschwunden. Nach einem Augenblick der Verwirrung zuckte er innerlich mit den Schultern und schlenderte zu der Männergruppe hinüber, die gebannt auf den Bildschirm starrte.

Eine Stunde später verfolgte er den Kampf noch immer. Er mochte Sport, war gedanklich aber nicht wirklich bei der Sache. Immer wieder erschien das Bild der zierlichen Brünetten vor seinem geistigen Auge, wie sie ihn aus ihren grünen Augen herausfordernd angeblitzt, auf dem Absatz kehrtgemacht und ihn einfach hatte stehen lassen.

Man sieht sich, hatte sie gesagt. Aber wann? Wieder suchte er die Bar nach ihr ab, wie er es bereits alle fünf Minuten getan hatte, seit sie weggegangen war.

Aber sie war nirgends zu entdecken.

Harris umklammerte die Flasche fester. Er hätte sich mit einer anderen Frau zufriedengeben können. Es waren so viele an ihm vorbeigegangen. Andere standen mit ihren Freundinnen in der Nähe und lachten auf diese bestimmte Art, die signalisierte, dass sie in Flirtlaune waren.

Nur wollte er nicht, was sie ihm anboten. Ohne dass er den Grund dafür kannte, interessierte er sich nur für eine ganz bestimmte Frau.

Einer der Boxer im Fernsehen, der amtierende Champion, setzte zum entscheidenden Schlag an. Die Zuschauer brachen in Jubel aus, als der Gegner rückwärts taumelte.

Und dann spürte er sie.

Kühl, aufmerksam, entschlossen. Sie suchte ihn. Fast kam es ihm vor, als befände er sich im Zentrum eines Kraftfelds, nur dass es das außerhalb von Science-Fiction-Filmen nicht gab. Nein, das Gefühl erinnerte ihn eher an die Anziehungskraft des Mondes auf das Meer. Oder vielleicht war es etwas, das weniger mit Physik und mehr mit Biologie zu tun hatte.

Sie stand in der Nähe der Tür und fixierte ihn mit ihren grünen Augen. Nein, sie stand nicht nur da. Sie beobachtete ihn. Wartete. Auf ihn.

Plötzlich fühlte er sich von allem losgelöst, war kurz davor, das Gleichgewicht zu verlieren.

Bislang hatte er geglaubt, er wolle sich ablenken. Doch jetzt wollte er sich konzentrieren. Auf sie. Darauf, wie es sich anfühlte, ihren Körper an seinem zu spüren, unter seinem. Er sehnte sich nach dem Rausch und der Erlösung, die zärtliche Berührungen und heiße Küsse mit sich brachten.

Ihm stockte der Atem. Auf einmal verstummte jedes Geräusch in der Bar, und er hörte nichts außer dem lauten Pochen seines eigenen Herzens.

Er bahnte sich einen Weg durch die Menge und blieb gerade weit genug entfernt von dieser faszinierenden Frau stehen, um nicht dem überwältigenden Wunsch nachzugeben, sie an sich zu ziehen und die Lippen auf ihre zu pressen.

„Ich habe mich entschieden“, sagte sie langsam. Der rauchige Klang ihrer Stimme ließ all die richtigen Stellen in seinem Körper vibrieren. „Ich weiß jetzt, was ich will.“

Auf einmal fühlte sich sein Mund ganz trocken an. Ganz offensichtlich sprach sie von einem Drink. Nur wusste er genau, dass sie den gar nicht wollte.

Er schaute ihr in die Augen. „Das Gleiche wie vorhin?“

Einen Moment lang antwortete sie nicht. Panik flackerte in ihm auf, dass er sie doch missverstanden hatte. Dann trat sie einen Schritt zurück und stieß die Tür auf.

„Nehmen wir uns ein Zimmer.“

War das eine Einladung oder eine Herausforderung? Vielleicht beides. Aber letztlich spielte es keine Rolle, denn die Antwort lautete Ja. Und mit klopfendem Herzen griff er nach ihrer Hand.

Als der Fremde ihre Hand nahm, hatte Eden das Gefühl, dass der Boden unter ihren Füßen zu schwanken begann. Die Finger des Mannes fühlten sich warm an, sein Griff war fest.

Der Regen hatte wieder eingesetzt. Menschen rannten zur U-Bahn, wichen Pfützen aus und hielten ihre Kapuzen tief ins Gesicht gezogen. Sie nahm kaum etwas davon wahr.

Seit sie vorhin die Bar betreten hatte, hatte sie kaum etwas von ihrer Umgebung mitbekommen.

Ihn hatte sie allerdings sofort bemerkt. Und gewollt. Wer hätte das nicht?

Er sah älter aus als sie, war vielleicht Anfang dreißig. Groß, breite Schultern, blonde Haare. Nicht nordisch hellblond, sondern wie reifer Weizen im Morgenlicht oder ganz heller Akazienhonig.

Aber dass sie sich wie magisch von ihm angezogen fühlte, lag nicht nur an seiner Haarfarbe, seiner Größe oder den breiten Schultern, sondern vielmehr an der Ruhe und Konzentration in seinem Blick, mit dem er die Bar gescannt hatte und der sie an ein wunderschönes, gefährliches Raubtier erinnerte.

Die Symmetrie seines Gesichts war faszinierend. Und etwas an seiner Kopfform war absolut bemerkenswert.

Sie war keine Künstlerin, hatte ihre Mutter und Großmutter aber beinah jeden Tag beim Malen und Zeichnen beobachtet und wusste, was gutes Aussehen war. Und dieser Mann war atemberaubend attraktiv.

Er wandte sich ihr zu und betrachtete sie einen Moment mit seinen schieferfarbenen Augen. Dann dirigierte er sie unter die Markise eines Ladens, zog sie an sich und presste die Lippen auf ihre.

Ein Schauer überlief sie, als er den Kuss intensivierte. Die Unverhohlenheit seines Verlangens überwältigte sie … so wie ihr eigener Hunger.

Sie vergaß, dass sie mitten auf einer Straße standen und es regnete. Sie kannte seinen Namen nicht. Und was auch immer er mit seinem Mund und seinen Händen tat, fühlte sich an, als würde er sie in Besitz nehmen wollen – als würde sie ihm gehören.

Plötzlich löste er sich von ihr und starrte sie so lange an, dass sie keine Luft mehr bekam. Dann griff er nach ihrer Hand und schlug den Weg ein, den sie gekommen waren.

Panik stieg in ihr auf. Hatte er seine Meinung geändert?

„Was machst du da?“, fragte sie.

„Ich muss eine Drogerie finden“, erwiderte er. „Ich habe keine Kondome.“

„Schon gut, ich habe welche.“ Eden fischte ein kleines Päckchen aus ihrer Handtasche und drückte es ihm in die Hand.

„Dort hinten an der Ecke ist ein Hotel. Ich habe es auf dem Weg zur Bar gesehen. Vielleicht bekommen wir dort ein Zimmer“, sagte er schließlich. Die Lust in seiner Stimme ließ ihren Atem stocken.

Kribbelnde Vorfreude stieg in ihr auf. Sie war vor dem Unwetter in die Bar geflüchtet, doch nun wütete ein Sturm der Leidenschaft in ihrem Inneren, in den sie sich gar nicht schnell genug stürzen konnte.

Die Woche war wirklich schwierig gewesen. Es war gut, dass die Menschen nur das Gesicht sahen, das sie der Welt zeigen wollte. Keine der Emotionen, die sie in Wahrheit empfand, war sichtbar gewesen, was ein Glück war, denn in ihr herrschte ein heilloses Chaos.

Dabei hätte sie längst über Liam hinweg sein sollen. Und das war sie auch. Selbst wenn er ihr die Sterne zu Füßen gelegt hätte, hätte sie ihn nicht zurückgenommen. Doch noch immer gab es einen Teil in ihr, der sich ihm verbunden fühlte. Mit dem, was sie gehabt hatten.

Was sie verloren hatte.

Er hätte ihr nicht schreiben sollen.

Sie hätte die SMS nicht lesen sollen. Oder das angehängte Foto anschauen. Hatte er denn gar kein Herz?

Dumme Frage, dachte sie und erinnerte sich an Liams attraktives Gesicht und den selbstbewussten Blick, der damals so anerkennend auf ihr geruht hatte. Nur … er hatte kein Herz. Er erinnerte sie an den Blechmann aus Der Zauberer von Oz. Doch im Gegensatz zu ihm wollte Liam sich nicht ändern. Deshalb brachte er es über sein nicht vorhandenes Herz, der Frau, die er belogen hatte, ein Foto seines Babys zu schicken. Der Frau, die ihn geliebt und kurz vor der Trennung eine Fehlgeburt erlitten hatte.

Eigentlich war es für Reue längst zu spät. Doch aus irgendeinem Grund befand sie sie sich seit Tagen in einer Art Schwebezustand und wurde von Bedürfnissen überschwemmt, die sie nicht kontrollieren konnte.

Sie schaute den Mann an, der sie betrachtete.

Aber er konnte es.

Er konnte das Chaos in ihrem Kopf beruhigen.

„Ja“, sagte sie.

Er nahm ihre Hand und sie begannen zu laufen.

Das Hotel hatte freie Zimmer. Der Rezeptionist schien sich über ihr fehlendes Gepäck nicht zu wundern, aber so war das eben im herbstlichen New York. Wahrscheinlich wehten ständig verliebte Pärchen wie bunt gefärbtes Laub durch die Türen.

Nicht, dass sie verliebt waren. Es ging nur um Sex.

Eden sah zu, wie er die Schlüsselkarte an das Türschloss zu ihrem Zimmer hielt. Ihrem Zimmer.

Als wären sie doch ein Paar.

Das Seltsamste war, dass es sich so anfühlte, als wären sie eins. In dem Moment, als sich ihre Blicke in der Bar getroffen hatten, hatte sie das Gefühl überwältigt, er könnte durch ihre Rüstung hindurchsehen … als könnte er hinter das spöttische Lächeln blicken und an dem Glitzern ihrer grünen Augen vorbeischauen. Es fühlte sich an, als würde er sie kennen. Oder vielleicht wollte er sie erst kennenlernen, alles über sie wissen, denn auf einmal verspürte sie den überwältigenden Drang, ihm all ihre Geheimnisse zu offenbaren.

Allein der Gedanke hätte genügen müssen, um die Treppe hinunter, durch das Hotelfoyer und weiter auf die Straße zu rennen. So hatte sie noch nie empfunden. Normalerweise war in Momenten wie diesem alles klar. Ihre Motive waren simpel. Es ging um Sex, um reines Vergnügen und darum, das menschliche Bedürfnis nach Intimität zu stillen.

Unwillkürlich legte sie die Hand auf das Apfeltattoo auf ihrer Schulter.

Einen Bissen, das war es, was sie wollte.

Trotzdem fühlte sich jetzt gerade alles anders an.

„Hast du deine Meinung geändert?“

Seine Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Eden wandte sich zu ihm um. Das Halbdunkel des Flurs hätte seine Attraktivität verschlucken müssen, aber das Gegenteil war der Fall. Wenn überhaupt, schienen die Schatten die makellosen Konturen seines Gesichts noch zu betonen.

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