Julia Arztroman Band 35

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  • Erscheinungstag 02.08.2025
  • Bandnummer 35
  • ISBN / Artikelnummer 8203250035
  • Seitenanzahl 448

Leseprobe

Joanna Neil, Alison Roberts, Anne Fraser

JULIA ARZTROMAN BAND 35

Joanna Neil

1. KAPITEL

Das Haus sah genauso aus wie in Laceys Erinnerung. Es war mehrere Jahre her, seit sie das Grundstück auf den Floridas Lower Keys das letzte Mal betreten hatte, aber als sie sich jetzt umsah, fühlte sie Vertrautheit und Heimweh.

Das Haus war zweistöckig, mit einer Terrasse beziehungsweise einem Balkon auf jeder Ebene. Von dort konnte man über die Bucht sehen und die warme, subtropische Luft genießen. Die zurückgeklappten Sturmblenden legten Fenster und Glastüren frei, die viel Licht ins Haus ließen.

Das große Gebäude war weiß gestrichen, ein traumhaft schöner Kontrast vor dem blauen Himmel. In der Ferne wiegten sich Kokosnusspalmen in der leichten Brise.

Lacey traten Tränen in die Augen, als sie sich erinnerte … an die langen, heißen Sommer ihrer Teenagerzeit, in denen sie mit ihrer Schwester Grace über den Strand getobt oder im warmen Meer schwimmen gewesen war. Glückliche Erinnerungen, in denen zwei Mädchen hier ihren Sommer genossen hatten, während sich ihre Eltern im Ferienhaus entspannten.

„Ich freu mich darauf, dich wiederzusehen“, hatte ihre Schwester erst letzte Woche am Telefon gesagt. „Ich kann es gar nicht erwarten, dich zu besuchen, aber …“ Grace hatte gestockt. „Wird das nicht eine große Umstellung für dich? Bist du sicher, dass du dir alles gut überlegt hast? Ich meine, du hast immer in England gelebt. Das alles zurückzulassen ist doch bestimmt ein großer Schritt? Für mich war es einfacher. Verheiratet und mit den Kindern hatte ich keine andere Wahl, als in die Staaten zu ziehen. Ich bin einfach Matt dahin gefolgt, wohin ihn seine Arbeit verschlagen hat. Es wäre natürlich schön, dich öfter sehen zu können, aber bist du wirklich bereit, hier Wurzeln zu schlagen?“

Darüber hatte Lacey während der letzten Monate lange und gründlich nachgedacht. Zwei Jahre waren seit dem Tod ihrer Eltern vergangen, aber schließlich war das Haus in England verkauft, und Lacey musste mit den Veränderungen klarkommen.

Natürlich wäre alles anders, wenn sie sich nicht von Nick getrennt hätte. Mit dem Ende ihrer Beziehung hatte das Leben seinen Glanz verloren, und sie wollte näher bei Grace sein. Familie. Das zählte.

Entschlossen straffte Lacey die Schultern und versuchte, diese melancholischen Gedanken abzuschütteln. Vielleicht war sie einfach müde nach der langen Reise. Die untergehende Sonne schimmerte golden am Horizont, und sie warf einen letzten Blick auf das Haus, bevor sie die Vordertür aufschloss.

Lacey wollte direkt in die Küche gehen, um sich eine Tasse Kaffee zu kochen, aber ihr ruhiger Abend wurde jäh von lautem Hämmern unterbrochen. Der Lärm ging ihr nach wenigen Sekunden auf die Nerven.

Wer um Himmels willen machte so viel Krach? Hatte Rob nicht gesagt, ihr Nachbar wäre den Rest der Woche nicht da? Irgendetwas stimmte nicht. Wurde im Nachbarhaus eingebrochen?

Lacey ließ ihre Koffer im Flur stehen, lief nach draußen und versuchte auszumachen, woher der Krach kam. Die Gegend war sehr abgeschieden, die Nachbarhäuser standen in einiger Entfernung. Daher musste der Lärm aus dem Haus direkt nebenan kommen.

Lacey lauschte und überlegte. Sollte sie sich etwas zur Verteidigung mitnehmen? Einen Besenstiel vielleicht oder einen schweren Feuerlöscher?

Sie strich mit den Fingerspitzen über das Touchpad ihres Handys, das an ihrem Gürtel befestigt war. Wenn nötig, konnte sie über die Schnellwahltaste Hilfe holen.

In der Ferne sah sie etwas, das wie eine Scheune aussah. Die Türen standen weit offen, und Licht drang nach draußen. Sie ging darauf zu, während das Hämmern immer lauter wurde.

Als sie die Scheune erreichte, blieb Lacey an der Tür stehen. Ein großer Mann arbeitete drinnen und beugte sich über etwas, das aussah wie ein riesiges, umgedrehtes Boot. Der Rumpf bestand aus Eichenplanken, und der Geruch von frischem Holz lag in der Luft.

Mit einem Mal war der Lärm weg. Der Mann strich vorsichtig über eine Fuge, als würde er nach Fehlern suchen, und Lacey konnte sehen, dass seine Hände kräftig waren, aber nicht durch harte Arbeit gegerbt, wie man es hätte erwarten können. Seine Haut war leicht sonnengebräunt.

Er hatte sie nicht bemerkt, und einen Moment beobachtete Lacey ihn fasziniert. Sie schätzte ihn auf Mitte dreißig. Er trug dunkelblaue Jeans, die seine muskulösen, langen Beine betonten, und ein weißes T-Shirt. Ein Mann, der sich offensichtlich fit hielt, wenn man nach seinen breiten Schultern und dem ausgeprägten Bizeps ging.

Laceys Träumerei wurde abrupt beendet, als das ohrenbetäubende Hämmern von Neuem anfing. Mit einem Holzhammer schlug der Mann auf ein Metallwerkzeug und schob so dickes Füllmaterial zwischen die Planken des Bootes.

Schnell hielt sie sich die Ohren zu und ging auf ihn zu. „Hallo“, rief sie, um sich Gehör zu verschaffen.

Ihr Rufen musste ihn erschreckt haben, denn der Mann ließ das Metallwerkzeug scheppernd auf den Boden fallen und traf mit dem Hammer direkt seinen Daumen.

Der Hammer schepperte auf den Boden, als der Mann vor Schmerz aufjaulte. Mit verzerrtem Gesicht hüpfte er herum und stieß unverständliche Flüche aus.

Lacey blieb erschrocken stehen. Sie fühlte sich schuldig an diesem Unfall. Der Mann hielt seine Hand, der Daumen schwoll sichtbar an. Lacey sah, wie das Blut sich unter dem Nagelbett staute und es dunkelviolett aussehen ließ. Sie konnte sich den pochenden Schmerz vorstellen. Für einen Augenblick krümmte sich der Mann, bevor er sich aufrichtete und sie benommen ansah.

„Wer sind Sie?“, fragte er. „Was machen Sie hier?“ Dann runzelte er die Stirn. „Ich wusste gar nicht, dass jemand in der Nähe ist.“

„Mit war auch nicht klar, dass Sie hier sind.“ Lacey musterte ihn unsicher. „Rob sagte, dass mein Nachbar diese Woche nicht zu Hause wäre, deshalb wollte ich herausfinden, was los ist. Es klang, als ob jemand das Haus einreißt.“

Der Mann zuckte plötzlich zusammen und hielt erneut seine Hand. Mit einem Mal wurde er ganz blass. Mühsam antwortete er: „Ja, stimmt. Eigentlich sollte ich bei einem Geschäftstreffen in Miami sein, aber das ist ausgefallen.“

„Oh, verstehe.“ Lacey zögerte. „Tut mir leid, dass ich hier so einfach hereingeplatzt bin und Sie sich verletzt haben.“ Wenn sie sich nicht eingemischt hätte, wäre das nicht passiert. Nicht unbedingt der beste Weg, Bekanntschaft mit ihrem Nachbarn zu schließen.

Er richtete sich auf und straffte die Schultern. „Na ja, immerhin haben Sie nach dem Rechten gesehen. Ich hoffe, Sie verzeihen mir die Flüche.“ Jetzt klang seine Stimme wieder ruhiger, tief und charismatisch.

„Machen Sie sich keine Sorgen“, entgegnete Lacey mit schlechtem Gewissen. Er starrte sie noch immer an. Seine blaugrauen Augen wirkten stechend intensiv, als wollte er jedes Detail, das er an ihr wahrnahm, aufsaugen.

Lacey war sich nur allzu bewusst, wie er ihren Körper musterte. Sie trug einen cremefarbenen Leinenrock, angenehm für das Klima hier, kombiniert mit einem blassroten Baumwolloberteil. Beides saß wie eine zweite Haut, und das machte seinen langen, prüfenden Blick umso intimer.

Lacey warf ihr langes honigblondes Haar über die Schulter zurück und fixierte den Fremden mit einem ebenso prüfenden Blick aus ihren blauen Augen. Die Schuldgefühle ließen ein wenig nach. Es war vielleicht nicht ganz in Ordnung gewesen, einfach hereinzuplatzen und ihn zu unterbrechen, aber bei dem Lärm war es durchaus gerechtfertigt.

„Ich bin Jake Randall“, stellte er sich endlich vor. „Ich würde Ihnen – oder dir – gern die Hand geben, aber unter diesen Umständen lass ich das besser.“ Trotz der Schmerzen, die er mit Sicherheit immer noch hatte, verzog er seinen Mund zu einem beinahe schelmischen Lächeln. Er stützte seinen verletzten Daumen mit seiner freien Hand.

„Lacey Brewer“, antwortete sie. „Ich ziehe gerade in das Haus nebenan.“

Jake nickte. „Ich wusste nicht, dass du heute schon ankommst. Rob meinte, erst nächstes Wochenende. Er hat wohl gehofft, dass ich mich dann gut benehme.“

„Oh! Wirklich?“ Lacey blinzelte, weil sie nicht so richtig wusste, wie sie darauf reagieren sollte.

Rob war ein alter Freund, der die letzten Jahre ihr Haus gehütet hatte, solange sie selbst überlegt hatte, was sie mit dem Grundstück anfangen wollte. Als sie das letzte Mal mit Rob gesprochen hatte, war er zu dem Schluss gekommen, dass ihr Nachbar wohl zumindest etwas exzentrisch war.

„Rob ist vor ein paar Tagen zu einer neuen Filmexpedition in die Everglades aufgebrochen“, erklärte Jake. „Zumindest wollte er dorthin, nach einem Besuch bei seiner Familie. Er hat mir erzählt, dass du hier wohnen wirst und ich dir genügend Raum lassen soll.“ Nachdenklich musterte er Lacey. „Er scheint dich wirklich gern zu mögen.“

Sie lächelte. Es war schön zu wissen, dass Rob sich um sie sorgte. „Wir kennen uns schon lange. Eigentlich sollte ich auch nicht vor nächstem Wochenende hier sein, aber mein Chef hat herausgefunden, dass ich noch ein paar Urlaubstage übrig habe. Deshalb war mein Vertrag mit dem Krankenhaus, für das ich gearbeitet habe, eher beendet als erwartet, und ich konnte einen früheren Flug nehmen. So kann ich mich in Ruhe einrichten und habe etwas Zeit, bevor ich wieder anfange zu arbeiten.“

„Hmm … Rob hat erzählt, dass du Ärztin bist, richtig?“ Fragend hob Jake die Augenbrauen, und Lacey fiel auf, dass sie genauso rabenschwarz waren wie seine Haare, was ihm ein fast teuflisches Aussehen verlieh. Sein markantes Gesicht verstärkte den Eindruck noch. Er wirkte etwas angespannt, wohl weil er den Schmerz im Daumen unterdrücken wollte. „Notfallmedizin, hat er gesagt.“

Lacey nickte und warf einen kurzen Blick auf seine Hand. „Stimmt. Das solltest du besser behandeln lassen, es sieht nicht gut aus. Das Blut staut sich unter dem Nagel und baut Druck auf, weil es nirgendwohin kann.“ Lacey beobachtete ihn einige Augenblicke, und sein Zusammenzucken sagte ihr alles, was sie wissen musste. „Ich habe meine Arzttasche mitgebracht“, erklärte sie. „Wenn du möchtest, könnte ich die Verletzung kurz behandeln und dir etwas gegen die Schmerzen geben.“

Jake zögerte, als würde er innerlich abwägen. „Okay. Danke, so kann ich auch gleich meine neue Nachbarin besser kennenlernen.“

Er verstaute seine Werkzeuge in einer Kiste und verschloss dann sorgfältig die Tür der Scheune, bevor er mit ihr an dem kleinen Hafenbecken entlangging, an dem ihre beiden Häuser lagen. Einige Boote waren dort festgemacht, eine Jacht und ein Schoner. Weiter unten standen ein paar Hummerkörbe.

Eine warme Brise trug den frischen Geruch nach Meer herüber. Lacey schloss die Augen und malte sich ihre Zukunft aus. Sie hatte alles, was sie kannte, hinter sich gelassen, um neu anzufangen. Und welcher Ort eignete sich besser dazu als genau dieser hier?

Im Haus gingen Lacey und Jake in die Küche. „Setz dich. Du siehst aus, als ob du gleich umkippst.“ Kleine Schweißperlen standen auf Jakes Stirn. Verstohlen sah sie auf seinen verletzten Daumen. Eigentlich musste das geröntgt werden, falls etwas gebrochen war, aber jetzt musste sie erst einmal etwas gegen den Schmerz tun. „Ich hole nur schnell meine Arzttasche.“

„Danke.“ Jake setzte sich an den Tisch.

Als Lacey mit ihrer Tasche zurückkam, legte sie Tupfer und Verbandsmaterial bereit und zog sterile Handschuhe an.

„Zuerst bestreiche ich den Nagel mit Jodlösung, damit alle Bakterien abgetötet werden. Dann erhitze ich eine Metallbüroklammer, um sie zu sterilisieren. Mit der Spitze steche ich dann in den Nagel. Das erhitzte Metall brennt ein Loch hinein, damit das Blut entweichen kann.“ Sie sah ihn an. „Ist das okay?“

„Wenn du gesagt hättest, dass du meinen Daumen abhacken willst, wäre das im Moment wahrscheinlich auch okay“, erwiderte er mit zusammengebissenen Zähnen. „Tu einfach, was du tun musst.“

Lacey nickte und machte sich an die Arbeit. „Das sollte nicht wehtun. Du spürst eine Erleichterung, wenn das Loch offen ist.“ Sie entfernte die Büroklammer sofort, als das Blut herauslief. Ab da übernahm Jake und wischte das Blut mit den Tupfern weg.

„Puh!“, seufzte er nach einer Weile. „Schon besser. Danke. Dafür schulde ich dir was.“

„Gern geschehen.“ Lacey warf die Büroklammer und die benutzten Tupfer in eine Tüte und entsorgte alles im Abfalleimer. „Sobald es nicht mehr blutet, trage ich eine antibiotische Salbe auf und verbinde die Wunde. Halte es für die nächsten Tage trocken und lass den Daumen röntgen – nur zur Sicherheit, falls doch etwas gebrochen ist.“

„Ich bezweifle, dass das nötig ist“, widersprach Jake. „Wahrscheinlich verpassen sie mir nur eine Fingerschiene und lassen meine Versicherung für das Vergnügen zahlen.“

Lacey nickte. In den Staaten musste für medizinische Versorgung sofort bezahlt werden, anders als in England.

„Den Nagel wirst du möglicherweise verlieren“, warnte sie Jake. „Aber er wächst in etwa sechs Monaten nach.“

Er lachte leise. „Nicht so tragisch. Warte, ich helfe dir, hier aufzuräumen.“ Lacey ging zur Spüle, um sich die Hände zu waschen.

„Rob meinte, er hätte die Vorräte für mich aufgefüllt, bevor er losgefahren ist“, sagte sie und warf einen Blick in den Kühlschrank. „Ich kann dir Orangensaft anbieten. Oder lieber Kaffee?“

„Kaffee klingt wunderbar.“ Jake sah sich in der Küche um, während Lacey Kaffeepulver in die Maschine füllte. „Das sieht alles so neu aus“, sagte er beeindruckt, als er das helle Holz der Schränke und die dekorativen Glasverkleidungen der Wandschränke betrachtete. „Als ich das letzte Mal hier war, gab es einen alten Herd und Eichenschränke.“

„Wirklich?“ Das musste schon eine ganze Weile her sein, bevor ihre Eltern das Haus gekauft hatten, vermutete Lacey. Vielleicht war er ab und zu vorbeigekommen, um denjenigen zu besuchen, der damals hier gewohnt hatte. Rob hatte ihn offensichtlich nicht hereingebeten, aber Rob blieb auch lieber für sich.

Jake nickte und sah sich weiter um. Es war eine geräumige Küche, u-förmig angelegt, mit einem Frühstücksbereich bei den Glastüren, die auf die Terrasse führten. Von dort konnte man auf den Orangenhain und die Mangroven blicken. „Hast du es neu gestalten lassen? Dieses Haus ist schon ziemlich alt, auch wenn man es ihm nicht ansieht.“

„Ja, ist es. Meine Eltern haben es vor etwa zwölf Jahren gekauft, aber ich glaube, es wurde vor etwa fünfzig Jahren gebaut.“ Flüchtig lächelte sie. „Und es hat sich gut gehalten. Ich erinnere mich noch an die alte Küche, meine Mutter hat sie jedoch vor etwa drei Jahren modernisieren lassen, zusammen mit dem Rest des Hauses. Mein Vater hat für eine Reederei gearbeitet, und sein Job hat ihn um die halbe Welt geführt. In den Ferien waren meine Eltern dann so oft wie möglich hier, in den Sommermonaten oft mehrere Wochen.“

Jake wirkte nachdenklich. „Zu der Zeit war ich vermutlich in Miami. Meine Eltern sind, während ich studiert habe, nebenan eingezogen. Sie sind schon vor einiger Zeit verstorben, und mein Bruder hat hier aufgepasst, bis er wegen seines Jobs nach Jacksonville musste. Ich bin erst vor etwa eineinhalb Jahren zurückgekommen.“

„Das tut mir leid … wegen deiner Eltern. Ich weiß, wie es ist, Familie zu verlieren.“ Lacey schwieg einen Moment, versunken in Erinnerungen. Dann zwang sie ihre Gedanken wieder in die Gegenwart.

Sie schenkte den Kaffee ein und schob Jake eine Tasse hin. „Bedien dich mit Milch und Zucker.“ Nachdenklich inspizierte sie den Inhalt des Kühl- und des Gefrierschrankes. „Ich verhungere, aber so wie es aussieht, hat mir Rob nur eine Auswahl Fertiggerichte dagelassen. Ich könnte schnell ein paar Empanadas machen, wenn du möchtest.“ Ein gemeinsames Essen war bestimmt eine gute Gelegenheit, Jake besser kennenzulernen.

„Wow. Das Mädchen von nebenan zeigt ungeahnte Talente … Notfallmedizin, Kochkünste …“ Seine graublauen Augen funkelten. „Und sie sieht auch noch gut aus! Es geht definitiv bergauf.“

„Ich wäre da vorsichtig“, erwiderte Lacey trocken, schaltete den Herd ein und holte aus dem Gefrierschrank einige Teigscheiben. „Du kennst meine Kochkünste noch nicht.“ Sie trennte die Scheiben und verteilte sie auf einem Stück Backpapier. „Und wenn man bedenkt, dass ich nur bei dir drüben war, um herauszufinden, was so einen Krach macht, ist das vielleicht erst der Anfang eines Nachbarschaftsstreites. Ich bin kein Fan von nächtlichem Lärm.“

Jake verzog den Mund. „Das tut mir leid. Ich wollte an dem Boot arbeiten und war mir ziemlich sicher, dass ich niemanden störe, da Rob unterwegs ist. Offensichtlich lag ich da falsch.“

„Sieht nach einem großen Projekt aus, dein Boot. Arbeitest du ganz allein daran?“ Lacey bereitete die Füllung für die Empanadas zu, dazu schichtete sie Streifen von Hühnchenfleisch, Schinken und Käse auf den Teig.

„Ja. Es ist nur ein Hobby, aber es erfüllt mich sehr, mit Holz zu arbeiten … der Geruch, das Gefühl, das Ergebnis.“

„Welches Holz verwendest du? Eiche, oder?“

Er nickte. „Ja. Eigentlich habe ich verschiedene Hölzer verwendet. Eiche für die Böden, Zeder für die Planken. Ansonsten Lärche.“

Lacey faltete die Teigscheiben zu kleinen Paketen und schob ein Backblech Empanadas in den Ofen. „Was hast du vorhin gemacht, als du dicke Baumwollwatte zwischen die Planken gehämmert hast?“ Sie wischte sich die Hände an einem sauberen Handtuch ab und trank einen Schluck Kaffee. Dann drückte sie ihren Rücken durch und rieb über eine verspannte Stelle. Es war ein langer Tag gewesen.

Jake beobachtete sie. Sein Blick wanderte über ihren Körper, ihre weiblichen Kurven. Er schien ganz offensichtlich ansprechend zu finden, was er sah, denn er lächelte leicht.

Lacey richtete sich auf. Sie erhaschte seinen Blick, aber so viel Aufmerksamkeit konnte sie überhaupt nicht brauchen. Von Männern hatte sie momentan genug, zumindest was Beziehungen anging. Sie verkomplizierten nur alles, versprachen einem den Himmel und ewige Liebe und ließen einen dann im Stich, wenn die Dinge nicht so liefen, wie sie sich das vorstellten.

Jake lächelte. „Man nennt es kalfatern.“

Sie runzelte die Stirn. „Kalfatern?“ Für einen Augenblick hatte sie das Thema ihrer Unterhaltung vollkommen vergessen.

„Eine Art Abdichten“, erklärte er hilfreich, und es fiel Lacey schwer, ihre Gedanken wieder unter Kontrolle zu bringen. „Das Material füllt die Lücke zwischen den Planken und sorgt dafür, dass sie sich nicht bewegen. Sie dehnen sich natürlich noch aus oder schrumpfen zusammen, je nach Feuchtigkeit. Ein Boot muss wasserdicht sein, darum trage ich noch eine Schicht Epoxidharz auf, bevor ich es streiche.“

„Ah, ich verstehe.“ Zumindest dachte sie das. Was für Prozeduren er auch immer anwandte, das Boot in der Scheune hatte ihr gefallen. „Ist das dein einziges Boot? Oder sammelst du sie? Wofür nutzt du sie?“

„Hummerfang. Ich habe weitere, die am Kai liegen. Sie stammen von meinem Vater und Großvater. Man könnte sagen, Boote und das Meer sind ein Teil meines Erbes.“ Er lächelte sie schief an. Aus irgendeinem Grund hatte Lacey das Gefühl, dass es ein ironisches Lächeln war, als hielte er etwas zurück. Vielleicht hatte Rob recht, wenn er sagte, dass Jake nicht wie andere Männer war. Er hat eine geheimnisvolle, verborgene Seite, hatte Rob gesagt, es ist ein Teil von ihm, den man nicht ganz ergründen kann.

Der Geruch von heißem Käse und Schinken erfüllte die Küche, und Lacey sah nach dem Essen.

„Sie sind fertig“, verkündete sie. „Verbrenn dir nicht die Zunge. Wir wollen doch nicht, dass du dich heute noch einmal verletzt, oder?“

„Oh, ich weiß nicht … du gibst eine attraktive Ärztin ab.“ Jake schenkte ihr einen teuflisch attraktiven Blick, bei dem Lacey unglaublich warm wurde. „Du darfst dich jederzeit um meine Verletzungen kümmern.“

„Darauf würde ich an deiner Stelle nicht warten“, entgegnete Lacey trocken. „Oder auf anderes.“ Besser, sie stutzte ihn gleich zurecht, bevor er so weitermachte. Sie schob die goldenen Empanadas auf einen Teller und reichte ihn Jake.

„Schade“, erwiderte er gespielt bestürzt, aber ein kleines Lächeln konnte er sich nicht verkneifen. Dann seufzte er übertrieben. „Da muss ich mich wohl mit diesen Empanadas trösten.“

2. KAPITEL

Gedankenversunken schlenderte Lacey die felsige Küste entlang. Ihr Blick schweifte über die Linie der Koralleninseln, die vor der Küste lagen. Ein wunderbarer Anblick, aufgereiht wie Edelsteine an einem Armband über den Florida Straits. Als es langsam heißer wurde, schien im Westen ein blauer Nebel über dem sonnengesprenkelten Golf von Mexiko zu liegen.

Zum ersten Mal seit langer Zeit war Lacey zufrieden, und vielleicht fand sie jetzt endlich, was sie brauchte, um mit allem zurechtzukommen, was vor ihr lag. Einige Wochen waren seit ihrer Ankunft hier und dem Abend, an dem sie ihren neuen Nachbarn kennengelernt hatte, vergangen, aber einschätzen konnte sie Jake immer noch nicht richtig. Eine Stunde in seiner Gesellschaft hatte ausgereicht, um ihr klarzumachen, dass er ihrem inneren Frieden sehr gefährlich werden konnte. Und den brauchte sie im Moment am meisten.

Seit dem ersten Tag hatten sie sich nicht wieder getroffen, was wahrscheinlich daran lag, dass sie selbst viel unterwegs gewesen war, die Insel erkundet und ihre neue Freiheit genossen hatte. Noch immer leckte sie ihre Wunden nach dem Beziehungsende mit Nick. Und auch der Verkauf des Elternhauses beschäftigte sie weiterhin. Sie hatte Zeit gebraucht, ihre Gedanken zu ordnen. Jake dagegen war eine Ablenkung, die sie nicht brauchte.

„Hallo … Lacey, warte!“

Sie drehte sich um. Es wirkte beinahe, als hätte sie Jake durch ihre Gedanken heraufbeschworen. Er kam aus dem Wald, der sich hinter den Häusern Richtung Landesinnere erstreckte, auf sie zu.

Lacey ging langsamer, damit er aufholen konnte. „Habe ich dich endlich gefunden“, meinte er lächelnd. Seine tiefe Stimme klang lebhaft und energiegeladen. „Ich hab dich die letzten Tage gesucht. Und jetzt endlich hier unten entdeckt.“ Jake passte sich ihrem Schritttempo an und warf ihr einen Seitenblick zu, der ihr lockeres Baumwolloberteil und die weißen Shorts, die ihre langen, wohlgeformten Beine betonten, erfasste. „Du siehst gut aus“, murmelte er. „Sonnengebräunt, und du strahlst richtig. Dieser Ort scheint dir gut zu bekommen.“

„Das Klima ist auf jeden Fall besser als zu Hause“, stimmte Lacey ihm zu. „Da musste ich einfach viel rausgehen, solange ich noch Zeit dazu habe.“

„Hmm. So oft, dass du kaum zu Hause bist. Ich dachte schon, du gehst mir aus dem Weg.“

Lacey verzog den Mund. So ganz falsch lag er damit nicht. „Ich habe die Zeit genutzt, um das alles hier wieder kennenzulernen oder mir neu zu erschließen. Es hat sich so viel verändert. Ich habe das Gefühl, als könnte ich hier einen Blick ins Paradies werfen.“

Während sie das sagte, entdeckte sie eine Schwarzscharbe, die ihre Flügel zum Trocknen ausbreitete. Der Vogel hob seinen orange gefärbten Hals in Richtung Sonne, als würde er sich strecken und den Tag genießen.

Jake folgte ihrem Blick. „Davon gibt es hier an der Küste viele. Reiher sieht man auch oft, aber sie sind sehr scheu und fliegen sofort weg, wenn sie gestört werden.“

„Ich weiß, deshalb bin ich auch ganz vorsichtig“, entgegnete Lacey lächelnd. „Reiher sind so grazile, wunderschöne Vögel.“ Unauffällig musterte sie ihn von der Seite. Jake trug legere Cargohosen und ein blaues T-Shirt. Er wirkte diesmal sehr entspannt.

Jake sah sie an. „Aber man kann das Leben hier auch anders genießen, weißt du?“ Seine Stimme wurde weicher. „Ich veranstalte morgen Abend bei mir eine kleine Party. Es wäre schön, wenn du vorbeikommst. Irgendwann ab halb acht.“

Laceys Blick traf den von Jake. Das mit der Party war bestimmt keine gute Idee. Allein seine Nähe ließ in Laceys Kopf alle Alarmglocken schrillen. Sie spürte die Wärme seines Körpers, und ihr Puls begann sich zu beschleunigen.

„Danke für die Einladung“, murmelte sie, „aber ich kann leider nicht. Ich fange morgen meinen neuen Job an, und ich arbeite die ganze Woche in der Spätschicht. Ich werde kaum vor Mitternacht zu Hause sein.“

„Du könntest trotzdem noch vorbeikommen“, versuchte er, sie vorsichtig zu überreden. „Die Nacht ist zu der Zeit in den Keys immer noch jung.“

„Für manche vielleicht.“ Lacey lächelte ihn an.

„Hmm …“ Jake runzelte die Stirn.

War es für ihn eine neue Erfahrung, abgewimmelt zu werden? Es kam bestimmt nicht oft vor, dass Frauen ihm einen Korb gaben. Er hatte eine ziemlich überzeugende Art an sich und sah noch dazu überaus attraktiv aus. Zu schade, dass sie dagegen immun war … oder eher allergisch? In ihrer Beziehung mit Nick hatte sie alles gegeben, und trotzdem war es schiefgegangen. Warum sollte sie das Risiko noch einmal eingehen?

Als sie einen Mangrovenhain erreichten, der am und im Wasser stand, blieb Lacey stehen. Die roten, knorrigen und verschlungenen Wurzeln der Bäume steckten teilweise im Salzwasser, sodass es aussah, als würden die Bäume über das Wasser gehen. Kleine Vögel suchten an der Wasserkante nach Futter. Als Lacey aufsah, entdeckte sie Braunpelikane, die in den Ästen ihr Nest gebaut hatten. In diesem Augenblick tauchte einer von ihnen ins Wasser ein und kam einen Moment später wieder mit einem Fisch im Schnabel heraus.

„Hier geht es wohl nicht weiter“, bemerkte sie und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Jake zu. „Aber ich sollte mich auch langsam auf den Heimweg machen. Ich möchte noch in die Stadt und ein paar Dinge einkaufen, sonst muss ich den Rest der Woche mit altem Brot und Wasser auskommen.“

Jake nickte, und gemeinsam gingen sie zurück. „Robs Vorräte sind wohl inzwischen aufgebraucht?“ Lacey nickte, und Jake fügte hinzu: „Er ist ja auch schon eine ganze Weile weg. Du erwartest du ihn jeden Tag zurück, oder?“

Nachdenklich schüttelte sie den Kopf. „Ich weiß nicht genau, wann er wiederkommen wollte, aber langsam mache ich mir Sorgen. Er ist losgefahren, um für einen lokalen Fernsehsender eine Dokumentation zu drehen, danach wollte er zurückkommen und einige seiner Sachen abholen, bevor er seine Familie besucht. Er sollte schon vor einigen Tagen hier gewesen sein.“

„Meinst du, ihm ist etwas passiert?“

„Ich weiß nicht so recht. Es ging ihm in letzter Zeit nicht so gut – nichts Ernstes, hat er gesagt, aber ich weiß, dass er in den letzten Monaten regelmäßig beim Arzt war.“ Lacey runzelte die Stirn. „Außerdem sieht es ihm nicht ähnlich, sich nicht zu melden.“ Dann zuckte sie die Schultern. „Wahrscheinlich mache ich mir aber nur unnötig Sorgen. Er kann gut auf sich selbst aufpassen. Nur: Die Everglades können gefährlich sein.“

„Vielleicht hat er seine Pläne geändert und ist direkt zu seiner Familie gefahren.“

„Möglich. Aber er hätte mich normalerweise trotzdem angerufen. Ich konnte ihn komischerweise auch nicht erreichen in letzter Zeit.“ Im Reden stolperte Lacey über eine unebene Stelle am Boden.

Sofort griff Jake nach ihrem Arm und stützte sie. „Alles okay?“

Sie nickte erschrocken. „Alles in Ordnung. Danke.“ Lacey wünschte, ihre Stimme würde sicherer klingen, aber seine Berührung brachte sie unerwartet durcheinander. Die Wärme seiner Finger verbrannte beinahe ihre Haut, und ihr ganzer Körper reagierte auf seine Nähe, als er sie festhielt. Plötzlich war Laceys Mund ganz trocken, und ihr Herz hämmerte wie verrückt, als sein Oberschenkel ihren streifte. Sie konnte nicht mehr denken, so wie er sie hielt. Seine Hand lag auf ihrer Hüfte, und sie spürte seine Wärme durch ihr dünnes Baumwolloberteil. Es fiel ihr schwer, sich zusammenzureißen. „Alles okay“, wiederholte sie.

„Bist du sicher? Der Boden hier ist ziemlich uneben.“

„Ganz sicher.“ Sie straffte die Schultern, als wollte sie ihren Worten Nachdruck verleihen. Als Jake sie losließ, konnte Lacey langsam wieder klar denken.

„Du hast gesagt, Rob wollte einige Sachen holen – heißt das, er zieht hier weg?“

Lacey nickte. „Obwohl er bestimmt ab und zu wieder herkommt, weil er hier viele Bekannte hat. Er hat eine Wohnung in Miami gefunden, in der Nähe der Filmgesellschaft und nicht weit von seinen Eltern und seinem Bruder entfernt. Alles in allem denke ich, passt das gut für ihn.“

„Vermutlich.“ Jake wirkte nachdenklich. „Du hast gesagt, dass ihr schon lange befreundet seid … Wie habt ihr euch denn eigentlich kennengelernt?“

„Während meines Studiums. Er hat Medienwissenschaften studiert, aber wir sind beide dem Filmklub beigetreten und haben uns so im Laufe der Zeit angefreundet. Rob hatte Heimweh, vermute ich, und da ich hier in Florida öfter meine Ferien verbracht habe, hatten wir gleich ein gemeinsames Thema. Das hat uns wahrscheinlich verbunden. Er wollte nach dem Studium in die Staaten zurück, weil es hier so gute Möglichkeiten in der Fernseh- und Filmbranche gibt. Und natürlich ist seine Familie hier.“

Sie erreichten Laceys Haus und verabschiedeten sich. „Per Boot kann man die Keys am besten erkunden“, erklärte Jake ihr. „Du solltest irgendwann mal mit mir aufs Wasser kommen. Das wird dir eine vollkommen neue Welt eröffnen.“ Schelmisch und herausfordernd sah er sie an, gespannt, ob sie sein Angebot annehmen würde.

„Vielleicht ein anderes Mal. Ich denke darüber nach“, versprach sie.

Jake schenkte ihr ein kleines Lächeln. Vermutlich durchschaute er ihre Ausflüchte.

Lacey kümmerte es nicht, was er darüber dachte. Wahrscheinlich vergaß er das Angebot gleich wieder oder er gab auf, wenn sie weiter konsequent ablehnte. Das konnte ihr nur recht sein. Jake war eine Komplikation, auf die sie gut verzichten konnte.

Am nächsten Tag beschloss Lacey, auf der Terrasse zu frühstücken. Die perfekte Art, den Tag zu beginnen.

In der Ferne schaukelten Boote auf dem blauen Meer, bewegten sich sanft mit den Wellen. Näher am Haus konnte sie den Sand und das Seegras durch das kristallklare Wasser sehen.

Lacey genoss diesen Ausblick jeden Tag aufs Neue. Eigentlich fand sie immer wieder etwas, das sie davon überzeugte, dass sie hierhergehörte. Sie gewöhnte sich langsam an das ruhige Tempo. Es passte zu ihr und konnte ihr mit der Zeit helfen, ihr Gefühlschaos zu beruhigen. Natürlich würde die Arbeit ihr Urlaubsgefühl etwas dämpfen und ihr wenig Zeit zum Nachdenken lassen, aber das war wahrscheinlich auch ganz gut.

Lacey bestrich eine Scheibe gebutterten Toast großzügig mit Marmelade, bevor sie genussvoll hineinbiss. Es war seltsam, dass Jake zum Arbeiten das Haus nicht verlassen musste. Er hatte Geschäftstreffen erwähnt, aber welche Art Geschäft war das, dass er nie ins Büro musste?

Sie wusste, dass er von zu Hause arbeitete, denn ab und zu hörte sie gedämpftes Klopfen aus der Scheune, da er die Tür jetzt immer schloss. Wie hielt er nur die tropische Hitze aus? Drinnen musste es sich ohne Klimaanlage wie im Backofen anfühlen.

Lacey seufzte und schüttelte leicht den Kopf. Schluss jetzt. Mehr Gedanken hatte ihr Nachbar gar nicht verdient. Und sie hatte auch gar keine Zeit, länger herumzusitzen und darüber nachzudenken, was er tat oder nicht tat. Ihre Schicht im Bay View Krankenhaus begann bald, und wenn sie an ihrem ersten Tag einen guten Eindruck machen wollte, sollte sie sich besser sputen.

Eine Stunde später fuhr Lacey über den Highway, der die Inseln mit dem Festland verband. Das Krankenhaus war nur zwanzig Minuten von ihrem Haus entfernt, und die Fahrt dorthin verlief problemlos. Eine angenehme Abwechslung zu den verstopften Straßen, die sie aus England gewohnt war.

„Wir sind wirklich froh, dich hier zu haben, Lacey“, begrüßte sie Mike, der diensthabende Arzt, als sie die Notaufnahme betrat. Er fuhr sich mit der Hand durch sein dichtes schwarzes Haar. Er wirkte ein wenig erschöpft. „Im Moment nimmt die Arbeit kein Ende“, erklärte er. „Also wenn du dich akklimatisiert hast, können wir deine Hilfe gut gebrauchen. Wenn der Assistenzarzt Dr. Mayfield seine Schicht beendet hast, könntest du übernehmen und dir die Patienten ansehen, die bereits zur Beobachtung hier sind. Sobald sich der Trubel etwas beruhigt hat, führe ich dich dann gern herum und zeige dir alles.“

Lacey musste über seine hektische Begrüßung lächeln. Kein großer Unterschied hier. In London war es genauso gewesen.

„Zeig mir einfach, wo ich mich umziehen kann, dann greife ich mir einen Kittel. Ich finde mich schon zurecht. Wenn nicht, frage ich.“

„Gut“, antwortete er erleichtert. „Willkommen im Bay View. Wir sind eigentlich ein freundlicher Haufen hier und unterstützen uns gegenseitig, was auch passiert. Rick Mayfield ist ein guter junger Arzt. Ich bin sicher, er wird dir helfen. Aber wenn du irgendwelche Probleme hast, gib einfach Bescheid.“

„Mach ich.“ Lacey ging zum Umkleideraum, um ihre Jacke und Tasche zu verstauen. Schnell war sie wieder zurück in der Notaufnahme und sah die Liste der Patienten durch, die behandelt werden sollten.

„In Behandlungsraum eins wartet eine Handgelenksfraktur“, erklärte die assistierende Krankenschwester, „und eine ausgerenkte Schulter in der Zwei. Aber es ist vielleicht einfacher, wenn du zuerst das Handgelenk behandelst, während ich jemanden suche, der dir mit der Schulter hilft.“

„Danke, Emma.“ Die Krankenschwester war eine attraktive junge Frau mit klaren haselnussbraunen Augen und langem kastanienfarbenem Haar, das sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte. Sie schien kompetent in ihrem Job, selbstbewusst und eine unerschöpfliche Wissensquelle über die Aufstellung der geschäftigen Notaufnahme. Lacey arbeitete bis in den Nachmittag mit ihr zusammen.

Als Dr. Mayfield schließlich seine Schicht beenden wollte, kam er zu Lacey. Er war ein junger Mann mit blondem Haar und nach dem, was sie mitbekommen hatte, arbeitete er sehr gewissenhaft.

Eine blonde Haarsträhne fiel ihm in die Stirn, als er sie musterte. „Wie läuft es? Hast du dich gut eingefunden bei uns?“

„Mehr oder weniger.“ Lacey lächelte. „Alle waren toll und haben mich unterstützt, wenn ich nicht gleich klargekommen bin. Außerdem haben sie mir verraten, wo ihr den Kuchen versteckt.“

„Nun, wir müssen unsere Prioritäten setzen, oder?“ Dr. Mayfield zwinkerte Lacey zu, bevor er ihr die Patienten beschrieb, die er heute zur Überwachung aufgenommen hatte. Dann reichte er ihr die Akten. „Auf jeden Fall viel Glück damit“, meinte er lächelnd. „Es sind hauptsächlich Atem- und Herzprobleme.“

Während Lacey die Patientenakten durchsah, kommentierte er einiges, aber bei einer Akte zögerte sie. Der Name und das Profil des Patienten sprangen sie förmlich an, und Alarmglocken schrillten in ihrem Kopf.

„Dieser Mann … Mr Callaghan“, murmelte sie, während sie den Text überflog. „Hier steht, dass er bei Einlieferung unter Dehydration litt und verwirrt wirkte.“ Sie sah den jungen Arzt an. „Wie kam es dazu?“

„Er hat wohl in den Sümpfen Alligatoren gefilmt und dabei den Halt verloren. Nach dem, was ich mir zusammenreimen konnte, kam ein Alligator auf ihn zu, und er ist ausgewichen, dabei umgeknickt und dann in die falsche Richtung gelaufen, statt zu seiner Basis zurückzukehren. Sein Knöchel ist okay, nur verstaucht, darum habe ich eine Kompresse und einen Stützverband angelegt.“

Rick Mayfield warf einen flüchtigen Blick auf die Akte. „Sein allgemeiner Zustand macht mir Sorgen. Er hat einige Male das Bewusstsein verloren und leidet unter Palpitationen, außerdem ist er seit einem Jahr wegen Herzarrhythmie in Behandlung. Das sollte weiter untersucht werden. Er hat Flüssigkeit bekommen und fühlt sich schon besser, aber seine Vitalzeichen sind nicht gerade gut.“

„Ich sehe ihn mir gleich an“, sagte Lacey. „Ich kenne ihn … er ist ein Freund. Er ist kürzlich in die Everglades gefahren und nicht zurückgekommen.“

„Klingt, als hätte er Glück gehabt.“

Sie nickte, bevor sie die Patientenliste weiter durchsah. Wie es schien, war nichts Dringendes dabei, darum machte sie sich ohne zu zögern auf den Weg zu Rob.

Es war so, wie Lacey vermutet hatte. Rob lag in seinem Bett und schien zu dösen, aber als sie auf das Bett zuging, flatterten seine Augenlider und er blinzelte.

„Lacey“, murmelte er mit leiser, brüchiger Stimme. „Wie schön.“

„Finde ich auch“, antwortete sie leise. Die grauen Ringe um seine Augen fielen ihr sofort auf, und wie eingesunken seine Haut wirkte. „Was hast du angestellt?“ Ein Blick auf die Monitore sagte ihr, dass sein Blutdruck hoch war und die Herzfrequenz schneller, als sie sein sollte.

„Ich hab mich verirrt“, antwortete Rob mühsam. „Es gab kein Wasser, und mein Handyakku war leer. Ich komme mir so dumm vor.“ Rob klang atemlos und erschöpft.

„Wenigstens bist du jetzt in Sicherheit“, entgegnete Lacey erleichtert. „Einige Symptome machen mir Sorgen. Ich weiß, dass du Palpitationen hast, und dein EKG zeigt, dass dein Herz im Moment rast, sogar nach der Medikation, die Dr. Mayfield dir verabreicht hat. Wir müssen herausfinden, was los ist, darum würde ich gern ein paar Tests machen.“

Nach etwas Ruhe im Bett hätten die Symptome langsam nachlassen müssen, aber offensichtlich war das nicht der Fall. Nachdenklich sah sie ihn an. „Ich sollte gehen, damit du dich ausruhen kannst. Du siehst nicht so aus, als ob du fit genug wärst, dich zu unterhalten.“

„Bleib doch noch“, bat Rob. „Hast du Zeit, ein bisschen bei mir zu sitzen?“

„Natürlich. Im Moment ist nichts Dringendes.“ Lacey zog sich einen Stuhl heran und nahm Robs Hand. „Wissen deine Eltern, wo du bist? Soll ich jemanden anrufen?“

„Sie kommen her. Es hat wohl eine Weile gedauert, sie zu erreichen, weil sie nicht in der Stadt waren.“ Rob musterte Lacey einige Augenblicke und lächelte dann. „Florida steht dir. Ich wusste immer, dass du hierher passt.“ Er holte tief Luft, um Kraft zu sammeln, bevor er hinzufügte: „Wie kommst du mit Jake zurecht? Hast du ihn schon kennengelernt?“

„Oh ja.“ Lacey verzog den Mund. „Ich werde nicht so ganz schlau aus ihm. Er scheint sein Leben sehr entspannt zu genießen. Jake spricht zwar von Geschäftstreffen, aber ich habe keine Ahnung, womit er eigentlich sein Geld verdient.“

„Mit nichts, denke ich“, antwortete Rob zynisch. „Er feiert gern. Und damit meine ich ungefähr jeden Monat eine Party mit seinen reichen Freunden. Die restliche Zeit verbringt er mit Schnorcheln, Tauchen oder Sonnenbaden auf seiner Jacht.“

Erstaunt fragte Lacey: „Die ganze Zeit?“

Rob nickte. „Vielleicht finden ab und an mal ein, zwei Geschäftstreffen statt. Jake scheint das Gefühl zu haben, dass er nicht mehr tun muss.“

Lacey schüttelte den Kopf. „Das macht bestimmt eine Weile Spaß, aber ich glaube nicht, dass ich immer so leben könnte. Meine Arbeit ist mir wichtig. Ich kann nicht einfach nur herumsitzen und die Sonne aufsaugen.“

„Da stimme ich dir völlig zu. Obwohl faulenzen gerade nach der idealen Beschäftigung für mich klingt.“ Rob versuchte zu lächeln, aber er war erschöpft.

Besorgt sah Lacey ihn an. „Ich wusste, ich hätte dich in Ruhe lassen sollen.“

„Nein.“ Robs Atmung klang angestrengt. „Ich bin froh, dass du geblieben bist. Ich sage dir das nur, weil ich weiß, dass er sich an dich ranmachen wird. So ist er einfach. Und ich möchte nicht, dass du verletzt wirst. Er hat eine Menge Fragen über dich gestellt, bevor du überhaupt hier unten warst.“

„Danke, Rob, aber ich bin schon groß“, beruhigte sie ihren Freund lächelnd. „Und ich bin mehr als vorsichtig, was Männer angeht. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.“

Rob griff nach ihrem Arm und drückte ihn. „Trotzdem. Pass auf dich auf, Lacey. Du bist eine sanfte Seele und hast in letzter Zeit viel mitgemacht. Du hast etwas Besseres verdient.“ Rob atmete immer schwerer, und der Herzmonitor zeigte einen ansteigenden Rhythmus.

„Du solltest nicht mehr reden“, sagte Lacey und stand auf. „Ich gebe dir eine Injektion, damit sich dein Herz beruhigt, und dann organisiere ich die Untersuchungen. Der Facharzt sieht nach dir, wenn wir die Ergebnisse haben.“

„Okay.“ Erschöpft schloss Rob die Augen.

Lacey ging, um die Injektion vorzubereiten. Nach der Spritze wartete sie eine Weile, um ihre Wirkung einzuschätzen. Als Robs Blutdruck und die Herzfrequenz langsam absanken, konnte sie ihn der Pflege einer Krankenschwester überlassen.

„Ich organisiere eine Echokardiografie“, erklärte sie Emma. „Wahrscheinlich müssen wir ihm ein kleines Gerät implantieren, um seinen Herzschlag zu regulieren. Der Facharzt soll ihn sich ansehen.“ Sie sah auf ihre Uhr. „Heute ist es leider zu spät, aber gleich morgen früh wäre gut.“

Emma nickte. „Ich kümmere mich um ihn. Wenn etwas ist, gebe ich dir Bescheid.“

„Danke, Emma.“

Lacey traf alle Vorbereitungen für die Untersuchung von Robs Herzaktivität. Erst als alles arrangiert war, dachte sie daran, was sie über ihren Nachbarn erfahren hatte.

Kein Wunder, dass Rob Vorbehalte gegen Jake hatte. Rob hatte keine Zeit für die reichen Müßiggänger, wie er sie nannte, aber Laceys Neugier war geweckt.

War Jake nur auf Spaß aus, nahm das Leben, wie es kam, und kostete es voll aus?

Warum störte es sie, wenn ein Mann mit diesem Charisma vielleicht nur eine leere Hülle war?

3. KAPITEL

Lacey streckte sich, um ihre steifen Schultern zu entspannen. Jetzt, wo ihre erste Schicht im Krankenhaus zu Ende war, parkte sie ihr Auto mit gemischten Gefühlen in der Garage. Es war ein ereignisreicher Tag gewesen, und vielleicht nicht ganz, was sie erwartet hatte. Es war schön, so viele neue Kollegen kennenzulernen. Sie hatte sogar die Schwierigkeit gemeistert, mit einem medizinischen System zu arbeiten, das sich so sehr von dem unterschied, welches sie von zu Hause kannte … Aber einen ihrer besten Freunde im Krankenhausbett zu finden, war ein großer Schock gewesen.

Eindeutig der schlimmste Teil des Tages!

Lacey stieg aus dem Auto und ging zur Eingangstür. Es war bereits dunkel, und in der Ferne konnte sie Jakes hell erleuchtetes Haus sehen. Es strahlte aus den Fenstern und weit geöffneten Türen, sogar die Terrasse wirkte wie in Gold getaucht. Leise Musik wehte herüber, ein beschwingter karibischer Rhythmus, und es klang wie Livemusik. Ab und zu hörte sie Lachen – seine Party war in vollem Gang.

Sie musste sich unbedingt entspannen, und das konnte sie am besten in einem duftenden Schaumbad, wenn das warme Wasser ihren schmerzenden Körper lindernd umspülte.

Lacey ging nach oben, ließ Wasser in die Badewanne laufen und gab einen herrlich duftenden Badezusatz dazu, der schöne Schaumberge entstehen ließ.

Nach dem Bad fühlte sie sich wunderbar erfrischt. Sie hatte weiche Baumwollshorts angezogen und ein locker geknöpftes Shirt, das ihre Hüften umspielte und ihr auf die Oberschenkel fiel. Nicht gerade Nachtwäsche, aber der Stoff war weich und bequem und fühlte sich gut an auf der Haut.

Die Musik klang noch immer herüber, und Lacey wanderte unruhig in der Küche umher. Was war bei Jake wohl los? Wie waren seine Freunde? Gab es eine Frau, die ihm besonders nahestand? Den Gedanken erstickte sie sofort im Keim. Aber ihre Gedanken wirbelten unruhig durcheinander.

Die Nacht war noch immer warm, und obwohl sie müde war, wusste Lacey, dass sie nicht würde schlafen können. Stattdessen schenkte sie sich ein Glas gekühlten Saft ein und schlenderte auf die Terrasse. Es beruhigte sie immer, wenn sie aufs Wasser schaute.

Kurz darauf wurde Laceys Ruhe von Schritten gestört, und plötzlich stand ein Schatten neben ihr. „Du siehst traurig aus“, murmelte Jake, als er sich zu ihr ans Geländer gesellte.

„Oh!“ Erschrocken zuckte Lacey zusammen. Er war wie ein Gespenst aus dem Nichts aufgetaucht. „Hör auf damit, dich so an mich heranzuschleichen! Sonst bekomme ich noch einen Herzanfall“, knurrte sie verärgert.

„Dafür bist du doch viel zu jung“, widersprach Jake und schenkte ihr ein entschuldigendes, aber unsicheres Lächeln. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken. Und was das Schleichen angeht: Ich plädiere auf nicht schuldig. Ich hab dich auf der Terrasse gesehen und beschlossen, dich zu besuchen. Ich hab mich nicht angeschlichen, aber du warst so in Gedanken versunken, dass du mich offensichtlich nicht bemerkt hast. Vielleicht singe ich das nächste Mal einfach laut.“

Lacey versuchte ihn finster anzusehen, aber seine Fröhlichkeit machte es ihr schwer. „Eine Warnung wäre nett“, stimmte sie ihm zu, „aber du musst wirklich nicht singen.“

Jake lachte leise. „Das klingt, als wärst du nicht gerade bester Laune. Wie war dein Tag? Anstrengend? Wir wissen ja alle, dass die Notaufnahme manchmal die Hölle auf Erden ist … und nicht nur in Bezug auf die Patienten.“

„Ja“, stimmte Lacey ihm zu, „aber das Gefühl hatte ich heute nicht. Alle haben sich große Mühe gegeben, damit ich mich wohlfühle. Ich weiß jetzt, was mit Rob passiert ist. Warum er noch nicht zurückgekommen ist. Er wurde heute ins Krankenhaus eingewiesen.“

Jake machte ein erstauntes Gesicht. „Das tut mir leid. Was ist passiert?“

Lacey erzählte ihm die Geschichte und fügte hinzu: „Ich habe kurz mit dem Facharzt gesprochen. Er schaut ihn sich morgen an. Weil Rob mehrere Zusammenbrüche hatte, überlegt er, ein Überwachungsgerät in seine Brust zu implantieren. Das ist eine neue Technik – kabellos, sodass der Arzt jederzeit weiß, was mit dem Herzen des Patienten los ist. Die Informationen werden auf seinen Computer geladen, um eine Diagnose stellen zu können, was das Problem genau verursacht. Wenn der Patient gefährliche Symptome zeigt, wird der Arzt durch das Überwachungsgerät alarmiert, sodass er eine Behandlung entsprechend beginnen oder verändern kann.“

Jake sah sie nachdenklich an. „Es scheint, dass alles Mögliche für ihn getan wird. Beruhigt dich das?“

„Das sollte es wohl.“ Trotzdem verzog Lacey traurig den Mund. „Ich bin es einfach nicht gewohnt, Rob so hilflos zu sehen. Er ist immer viel draußen unterwegs, immer in Bewegung und damit beschäftigt, das Beste aus seinem Leben zu machen.“

Mitfühlend legte Jake ihr einen Arm um die Schultern. „Ich bin sicher, er ist in guten Händen. Das Bay View hat einen ausgezeichneten Ruf, und die Ärzte werden alles tun, um ihm zu helfen.“

„Ich weiß.“ Lacey seufzte. Sie spürte die angenehme Wärme seines Arms, und als Jake näher kam, streifte sein starker Körper ihren eigenen. Ein gutes Gefühl, seine Nähe und Wärme. So eine zärtliche Vertrautheit hatte sie schon lange nicht mehr gespürt. Lacey hatte mit einem Mal das seltsame Verlangen, sich an ihn zu lehnen, sich von ihm halten und trösten zu lassen. Aber wäre das richtig?

Sie kannte Jake seit kaum zwei Wochen, und ihr Instinkt sagte ihr, dass sie ihn besser auf Abstand hielt. Nur schade, dass ihr Herz nicht darauf hörte. Es schlug ziemlich heftig.

Eine sanfte Brise wehte vom Meer herüber, und Lacey sah eine Weile über das dunkle Wasser. Das Mondlicht glitzerte auf seiner Oberfläche.

„Frierst du?“, fragte Jake und erinnerte sie so daran, dass sie leicht bekleidet auf der Terrasse stand.

Lacey schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich sollte mir wohl besser etwas überziehen.“

Jake grinste. „Meinetwegen nicht. Du fühlst dich so weich an und siehst aus wie ein Engel. Ein wunderschöner weißer Engel, der Mondstrahlen auf dem Wasser tanzen lässt.“ Seine Augen glänzten in der Dunkelheit. „Das erinnert mich daran … Ich bin eigentlich hier, weil ich fragen wollte, ob du auch zu meiner Party kommst. Tanzen, nette Leute, gutes Essen und Drinks, die die Seele wärmen.“ Eindringlich sah er sie an. „Was meinst du? Kommst du?“

Lacey schüttelte sanft den Kopf. „Lieber nicht. Es ist spät, und ich bin schon bettfertig.“

„Die Uhrzeit ist doch egal. Schließlich musst du morgen erst wieder gegen Mittag arbeiten, stimmt’s? Du hast gesagt, dass du die Woche Spätschicht hast. Und was die Kleidung angeht – das lässt sich doch schnell ändern, oder?“

Jake nahm Laceys Arm und drehte sie Richtung Haus. „Es ist wirklich egal, was du anziehst. Du siehst in allem gut aus, also such dir aus, was dir gefällt – vielleicht irgendetwas, das partygeeignet ist.“

„Ich hab noch nicht gesagt, dass ich komme“, protestierte Lacey, als er sie zum Haus schob.

„Dann bleibe ich hier bei dir und lasse meine Gäste noch länger allein. Und es ist allein deine Schuld, wenn sie sagen, dass ich ein schlechter Gastgeber bin.“

Lacey sah ihn unter gesenkten Wimpern an. „Soll ich mir deswegen Sorgen machen? Dein Problem ist, dass du nicht gelernt hast, ein Nein zu akzeptieren.“

„Da hast du absolut recht.“ Jake hielt an der Treppe und lehnte sich lässig ans Geländer. „Also, was ist? Soll ich etwa über Nacht hierbleiben?“ Er hielt inne und überlegte kurz. „Wenn ich so darüber nachdenke – gar keine schlechte Idee.“ Seine Augen leuchteten im Dunkeln.

„Du bist einfach unmöglich.“ Lachend ging sie sie die Treppe hinauf, stoppte und drehte sich zu ihm um. „Du bleibst genau hier stehen“, bestimmte sie.

„Bist du sicher?“ Unschuldig sah er sie an. „Ich dachte, du brauchst vielleicht Hilfe bei der Entscheidung, was du anziehst.“

„Ganz sicher nicht.“ Ihre blauen Augen funkelten warnend, und diesmal nahm Jake sie ernst und hob gespielt gehorsam die Hände.

„Okay, okay. Hab verstanden.“

„Gut.“

Lacey drehte sich wieder um und hörte im Hintergrund sein Grummeln: „Sie mag mich überhaupt nicht … Sie vertraut mir nicht … Und dabei bin ich doch ganz unschuldig …“

„So unschuldig wie ein Alligator auf der Jagd“, erwiderte Lacey, ohne sich umzudrehen, und wurde mit einem leisen Lachen belohnt.

Im Schlafzimmer zog sie ein einfaches, gerade geschnittenes Kleid aus Jerseystoff an, das ihr wie angegossen passte. Lacey fühlte sich gut in diesem Kleid in zarten Blauschattierungen. Es betonte ihre Augen und schenkte ihr Selbstvertrauen. Der weite Ausschnitt und das Oberteil waren mit glitzernden Strasssteinchen verziert.

Als sie ein paar Minuten später wieder hinunterging, wartete Jake im Flur und starrte sie nur stumm an, als könnte er nicht glauben, was er sah.

„Du siehst fantastisch aus.“ Er musterte sie von oben bis unten und nickte anerkennend. „Eine wahre Traumfrau. So will ich dich eigentlich gar nicht mit den anderen Gästen teilen.“

„Hm.“ Lacey lächelte. „Vielleicht ist es besser, wenn wir deine Gäste nicht länger warten lassen?“

„Vielleicht. Aber ich habe dem Partyservice die Verantwortung überlassen. Sie achten darauf, dass niemand hungrig oder durstig bleibt.“ Noch immer schaute er sie bezaubert an. „Vielleicht war das mit der Party gar keine so gute Idee. Hier, zu zweit, könnte ich dich viel besser kennenlernen.“

„Los geht’s, Nachbar“, sagte Lacey bestimmt. „Du hast mir Essen und etwas zu Trinken versprochen. Außerdem bin ich neugierig, wie dein Haus von innen aussieht. Was ich aus der Entfernung gesehen habe, wirkt ja schon mal vielversprechend. Ich bin ehrlich auf den Rest gespannt.“

„Ich führe dich gern herum“, bot Jake an.

Als sie das Haus verließen und am Kai entlanggingen, fragte er: „Hast du darüber nachgedacht zu verkaufen und dir etwas zu suchen, das näher am Krankenhaus oder bei deiner Schwester liegt? Ich meine, du hast keinen Grund, hierzubleiben, oder?“

Lacey zog eine Augenbraue hoch. „Nein, darüber habe ich überhaupt nicht nachgedacht. Ich versuche immer noch, mit meinem Umzug hierher klarzukommen, und es war erstmal das Beste, hierherzuziehen.“

„Ich kann verstehen, dass du Zeit brauchst, aber wenn du jemals verkaufen willst, würde ich dir einen guten Preis für das Grundstück machen.“

Erstaunt sah sie ihn an. „Warum um Himmels willen würdest du das kaufen wollen? Hast du noch nicht genug Platz zum Herumwerkeln?“

Jake lächelte. „Es geht mehr um das Land. Ich würde gern den Kai erweitern und ein Meeresbecken bauen. Und dann ist da noch der Orangenhain auf dem hinteren Grundstück. Ich baue schon Orangen, Limetten und Grapefruits an, aber mit deinem Land dazu könnte ich das gewerbsmäßig machen. Es gibt immer einen Markt für frisches Obst oder Obstsäfte.“

Lacey musterte ihn im Schein der Laternen, die am Weg standen. „Ich denke, da musst dich anderweitig umsehen. Ich habe so viele schöne Erinnerungen an das Haus und werde es nicht verkaufen. Außerdem gewöhne ich mich gerade ein, und das Vertraute hier hilft mir sehr dabei.“

Jake nickte, aber er legte die Stirn in Falten, als würde ihn ihre Antwort enttäuschen. „Das Angebot steht, falls du deine Meinung änderst.“

Er führte sie über die weite Auffahrt. Die Palmen, die die Auffahrt säumten, standen als eindrucksvolle Schatten gegen den Nachthimmel. Die Blüten der Bougainvilleabüsche leuchteten sogar in der Dunkelheit. Oleander kämpfte mit einer Vielzahl von Kräutern um seinen Platz. Hier und dort sah Lacey atemberaubende Orchideen, und über allem lag der zarte Duft von Wachsblumen in der warmen Abendluft.

„Ich hole dir etwas zu trinken und stelle dich dann einigen Leuten vor“, schlug Jake vor. Seine Hand lag locker auf Laceys unterem Rücken. „Die meisten waren Freunde oder Geschäftspartner meines Vaters und manche kenne ich aus Miami. Ich denke, du wirst sie mögen.“

Er zeigte ihr die Bar auf der Terrasse, wo ein Kellner Cocktails mixte. „Wie wäre es mit einem Florida Sunrise?“

„So einen habe ich noch nie probiert“, gab Lacey zu. „Was ist das?“

„Man gibt einen Schuss Grenadine – das ist ein Sirup aus roten Johannisbeeren und Granatäpfeln – in ein Glas, dann fügt man zerstoßenes Eis und Bacardi Rum dazu und füllt mit Orangensaft auf. Wird dir bestimmt schmecken.“

„Klingt gut“, stimmte sie zu und war angenehm überrascht, als sie später an ihrem Drink nippte. „Schmeckt wirklich lecker!“

Jake lächelte. „Du siehst, du kannst mir vertrauen.“

Lacey sah ihm in die Augen. Jake blieb ihr einfach ein Rätsel. Allein sein überraschendes Angebot, ihr Haus zu kaufen. Rob hatte recht, Jake war exzentrisch. Man wusste nie, was man von ihm erwarten konnte.

Jake führte Lacey herum und stellte sie den Gästen vor. Alle waren nett und zuvorkommend, und nach einer Weile entspannte sich Lacey.

Der kleine Einblick in Jakes Leben faszinierte sie. Er zeigte ihr in Ru...

Autor

Alison Roberts
<p>Alison wurde in Dunedin, Neuseeland, geboren. Doch die Schule besuchte sie in London, weil ihr Vater, ein Arzt, aus beruflichen Gründen nach England ging. Später zogen sie nach Washington. Nach längerer Zeit im Ausland kehrte die Familie zurück nach Dunedin, wo Alison dann zur Grundschullehrerin ausgebildet wurde. Sie fand eine...
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Anne wurde in Schottland geboren, ist aber in Südafrika aufgewachsen. Nachdem sie die Schule beendet hatte, kehrte Sie sie wieder an die Geburtsstätte ihrer Eltern, nach Schottland, zurück. Sie schloss dort eine Ausbildung als Krankenschwester ab, bevor sie auf die Universität ging, um englische Literatur zu studieren. Nach der Geburt...
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