Sinnliches Glück in französischer Nacht?

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„Ich flehe dich an, hilf mir!“ Beim verzweifelten Ausdruck in Aldens Augen wird die hübsche Jules schwach. Sie erklärt sich bereit, auf einer Filmparty die Verlobte ihres besten Freundes zu spielen. Denn nur, wenn der aufstrebende Schauspieler fest liiert ist, bekommt er eine wichtige Rolle. Aber Jules hat nicht damit gerechnet, dass ihr pikanter Deal eine Reise an die Côte d’Azur notwendig macht! Nicht damit, dass in ihrem Hotelzimmer nur ein Bett steht! Und auch nicht damit, wie gefährlich der Freundschaftsdienst für ihr Herz wird …


  • Erscheinungstag 14.05.2024
  • Bandnummer 102024
  • ISBN / Artikelnummer 0800240010
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

1. KAPITEL

Die Gegenwart …

„Bitte, Jules, mach die Tür auf!“

Hinter ihren Lidern brannten heiße Tränen. Warum akzeptierte er ihr Nein nicht? Warum quälte er sie so?

„Geh weg, Alden!“ Sie hatte das Gefühl, als würde ihr Herz in Stücke gerissen. In all den Jahren, die sie einander kannten, hatte sie Alden nie weggeschickt. Doch auch wenn es noch so wehtat: Sie würde diese Tür nicht öffnen, nur weil er überraschend wieder bei ihr aufgetaucht war.

Glaubte er wirklich, sie würde ihn mit offenen Armen empfangen, nachdem er sie alleine in Cannes zurückgelassen hatte? Ein Kuss auf die Stirn und ein paar heiser geflüsterte Worte – das war alles gewesen. Sie wusste nicht mal, ob er gesagt hatte, dass es ihm leidtat, oder ob sie das nur geträumt hatte. Dazu war sie noch viel zu verschlafen gewesen.

Umso schmerzlicher dann das Erwachen. Alden war weg gewesen – ohne Erklärung. Nein, er hatte nicht gesagt: „Jules, sie brauchen mich einen Tag früher in Kairo.“ Das war nur das, was sie später Franc erzählt hatte. Es stimmte ja auch, Alden war in Ägypten, seine Agentin Jacklyn hatte es ihr bestätigt. Aber Kairo war eine Stadt mit funktionierendem Telefonnetz und Internet. Es gab also keinerlei Entschuldigung dafür, dass er nicht auf ihre Anrufe und verzweifelten Textnachrichten reagiert hatte.

Fünf Tage Herzschmerz, Tage voller quälender Stille. Bis heute Morgen, als das Telefon plötzlich nonstop geklingelt hatte. In den letzten Tagen war das ihr sehnlichster Wunsch gewesen, doch sie war viel zu verletzt, um das, was geschehen war, einfach beiseitezuschieben. Jetzt wollte sie ihm wehtun, wollte, dass auch er erfuhr, wie es sich anfühlte, zurückgewiesen zu werden.

Sie hatte jeden seiner Anrufe entgegengenommen – immer. Selbst mitten in der Nacht, wenn er wieder mal die Zeitverschiebung zwischen seinem Drehort und London vergessen hatte, war sie froh gewesen, seine Stimme zu hören. Er war schließlich ihr bester Freund. Die größte Müdigkeit hatte sie nicht davon abgehalten, sich anzuhören, was er Neues zu berichten hatte. Sie genoss es, wie Alden sie zum Lachen brachte. Das konnte keiner so wie er.

Aber jetzt lachte sie nicht. Wegen ihm fühlte sie sich innerlich kaputt. Und er stand auf der anderen Seite dieser Tür, als wäre nichts gewesen. Er wollte, dass sie ihn hereinließ, wollte, dass sie – was eigentlich? Ihm verzieh?

„Jules …“ Sie hörte einen dumpfen Schlag. So, als hätte Alden eine Reisetasche fallen lassen. Und danach ein hartes Pochen an der Tür. Nur einmal. Es musste seine Stirn gewesen sein.

„Ich gehe hier nicht weg. Notfalls werde ich vor deiner Tür kampieren“, kündigte er an. „Es tut mir leid, wirklich. Unendlich leid. Bitte, mach die Tür auf, Jules. Bitte …“

Hinter ihren Lidern begann es wieder zu prickeln. Alden klang angespannt, aber anders als nach einem erfolglosen Vorsprechen. Diese Anspannung überspielte er immer mit einem draufgängerischen Unterton in der Stimme, jetzt aber war seine Stimme brüchig. So klang er normalerweise, wenn er über seine Eltern sprach. Und darüber, dass er – anders als die beiden und auch anders als sein Bruder, seine Schwester und sein Großvater – kein Chirurg werden wollte. Seine Mutter und sein Vater akzeptierten bis heute nicht, dass stattdessen die Schauspielerei sein Leben war.

Du verstehst mich, Jules, warum tun sie es nicht?

Ihr Herz krampfte sich zusammen. Ja, sie hatte geglaubt, ihn zu verstehen. Aber vielleicht war sie auch nur nachsichtig gewesen. Wegen dieses unwiderstehlichen Funkelns in seinen Augen und seiner amüsanten Art, pausenlos zu reden, um sich dann wieder selbst zu hinterfragen. Oder weil er immer nach dem Körnchen Wahrheit suchte, das ihm dabei helfen sollte, sich selbst besser zu verstehen.

Wenn sie an all diese nächtlichen Anrufe dachte, bei denen er ihr sein Herz über diese oder jene Geliebte ausgeschüttet hatte. Darüber, wie perfekt diese Frauen waren – und dann wieder nicht. Dabei hatte sie immer für ihn Partei ergriffen, selbst dann noch, als die Presse nach seinen ersten Filmen anfing, sich auf sein Liebesleben zu stürzen. Schnell hatten ihm die Paparazzi das Image eines Playboys verpasst, doch wenn sie ihm gesagt hatte, dass diese Leute nicht wüssten, wovon sie redeten, hatte sie jedes Wort ernst gemeint.

Und warum auch nicht? Ihr gegenüber hatte Alden sich nie oberflächlich verhalten. Er war warmherzig gewesen und immer für sie da. Wie damals, als ihre Mum mit diesem Mann durchgebrannt war, den sie auf einer Konferenz kennengelernt hatte.

Jules’ Gedanken schweiften in die Vergangenheit zurück: Sie war erst fünfzehn und so verletzt und wütend gewesen, als ihre Mum aus ihrem Leben verschwunden war. Dabei hatte sie noch alle Hände voll mit der Sorge um ihren Vater zu tun gehabt, denn er war vollkommen fertig gewesen. Sie hatte sich kaum auf die Schule konzentrieren können und war vor jeder Prüfung in Panik geraten. Ihre Schwester Emily hatte gerade erst angefangen zu studieren und war nicht da gewesen, um ihr zu helfen.

Aber Alden war für sie da gewesen. Er brachte sie durch diese Zeit, kam immer vorbei, um mit ihr für die Schule zu üben. Seine moralische Unterstützung und unzählige Tassen eines schrecklich schmeckenden Tees gaben ihr Halt.

Auch wenn ihr ein Junge oder später ein Mann das Herz gebrochen hatte, war er immer blitzschnell zur Stelle gewesen. Als Sam vor vier Monaten aus der Tür gestürmt war, hatte sie sofort Alden angerufen. Kaum hatte sie ihm gesagt, dass sie darüber nachdachte, sich mit einer Flasche Tequila zu trösten, war er schon zu ihr geeilt. Bei seinem Regisseur hatte er sich mit einem Notfall in der Familie entschuldigt.

Als toller Schauspieler hatte Alden natürlich auch den perfekten Text für sie parat gehabt. Sam war ein Idiot, sie zu verlassen, Sam war einfach blöd: Punkt! Er hatte ihn nie ausstehen können. Sie war zu gut für Sam – eigentlich zu gut für jeden Mann, mit dem sie zusammen gewesen war.

Jules hatte Alden unter Lachen und Weinen applaudiert. Eine preiswürdige Vorstellung! Später, als ihr Magen wegen des Tequilas rebellierte, hielt er ihr Haar zurück, bis alles wieder raus war, und wiegte sie auf seinem Schoß in den Schlaf.

Das war der Alden, den sie kannte: kraftvoll, fröhlich, mit einem unendlich großen Herzen. Aber auch chronisch unsicher und stets auf der Suche nach liebevoller Bestätigung von jemandem, der ihm wichtig war. Vielleicht bildete er sich deshalb öfter ein, verliebt zu sein, obwohl er es gar nicht war. Aus diesem Grund hatte er vermutlich auch einige Herzen gebrochen. Aber sie wusste: Alden wollte niemanden verletzen. Das war nicht seine Art. Davon war sie jedenfalls bisher überzeugt gewesen.

Jules unterdrückte ein Schluchzen. Doch was sollte sie jetzt glauben? Sie hatte gedacht, sie würden sich lieben. Das, was sie in dieser letzten Nacht in Cannes miteinander geteilt hatten, musste doch echt gewesen sein. Es hatte sich so rein und wahr angefühlt. Auch wenn er aus irgendeinem Grund kalte Füße bekommen hatte, hätte er trotzdem neben ihr aufwachen und wie ein Erwachsener mit ihr darüber reden müssen. Stattdessen war er verschwunden, ohne sie zu wecken. Wie konnte er ihr so etwas antun? Er hatte doch miterlebt, wie sehr sie unter dem plötzlichem Verschwinden ihrer Mum gelitten hatte.

Obwohl Jules sein Verhalten nicht verstehen konnte, hatte sie ihn nach außen hin verteidigt. Einerseits, um sich Peinlichkeiten zu ersparen, andererseits, um ihn nicht im Stich zu lassen. Damit er weiterhin die Chance auf die begehrte Rolle hatte, durch die sie überhaupt erst in diese verworrene Situation geraten waren.

Jules schluckte schwer. Selbst nachdem er ihr so viel Leid angetan hatte, war sie loyal geblieben. Sie liebte ihn eben – hatte ihn schon immer geliebt. Vielleicht hatte er ja einen Grund gehabt, so zu handeln. Aber sie wollte ihn nicht hören. Konnte es nicht. Denn Alden hatte ihre Liebe mit Füßen getreten und ihr Vertrauen zerstört.

Nun übte er auf der anderen Seite der Tür bestimmt seine Entschuldigung ein – den Text, die Gesten, die Intonation und die Begründung für sein Verhalten –, um ihr Verhältnis auf die alte freundschaftliche Ebene zurückzubringen. Alden brauchte schließlich immer noch ihre Unterstützung. Vielleicht auch, um die Lücke zu füllen, die seine Eltern nicht schließen konnten?

Ihr Herz pochte wie verrückt. Zu spät. Was immer er sich erhoffte, sie konnte die Zeit nicht zurückdrehen. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte sie es längst getan. Bis zu dem Zeitpunkt, als er sie gebeten hatte, ihn auf Francs Party zu begleiten. Und dann hätte sie seine Einladung vehement abgelehnt. Und sie hätte Franc gegenüber mit hundertprozentiger Sicherheit nicht behauptet, Aldens Verlobte zu sein …

2. KAPITEL

Drei Wochen zuvor …

„Es muss doch jemand anderen geben, den du fragen kannst.“

Das war genau die Antwort, die er erwartet hatte. Denn Jules fühlte sich unter seinen Kollegen vom Film nicht wohl. Aber hier handelte es sich um einen Notfall.

„Nein, es gibt tatsächlich niemanden.“

Jules umklammerte den Blumenstrauß, den sie gerade band, und runzelte die Stirn. „Aber du heißt Alden Phillips und nicht ‚Billy ohne Freunde‘. Du hast bestimmt irgendwo ein kleines schwarzes Notizbuch mit den Namen bereitwilliger Opfer.“

„Opfer?“ Er versuchte beleidigt auszusehen. „Wie nett!“

Jules’ Mundwinkel zuckten verräterisch, während sie sich wieder den Blumen zuwandte.

„Wie wäre es mit Celia?“, schlug sie vor.

„Wer?“

„Celia, die Statistin! Die Celia, zu der du vor drei Wochen im Catering-Van sofort einen Draht hattest. Blondes Haar, veilchenblaue Augen, süßer Schmollmund …“

„Ah …“ Ein Bild der jungen Frau flackerte in seiner Erinnerung auf, verblasste aber schnell wieder. „Ich möchte kein Date. Schon gar nicht mit einer Frau, die ich kaum kenne. Ich müsste mich mit ihr unterhalten und mich um sie kümmern, aber darum geht es hier nicht.“

„Und wenn ich mitkomme, bleibe ich mir selbst überlassen, denn du wirst ja vollauf damit beschäftigt sein, mit deinem neuen besten Freund Franc Abdali zu plaudern, oder?“

„Ich würde dich nicht alleine lassen. Und Franc ist auch nicht mein neuer bester Freund“, betonte er. „Aber ich muss mich gut präsentieren. Du weißt, wie wichtig das ist.“

Alden konnte sein Glück immer noch nicht fassen: Er war für einen Franc-Abdali-Film gecastet worden! Das war ein richtig großer Coup. Francs Filme waren perfekt und bis ins Detail durchdacht. Bei dem neuen Projekt handelte es sich auch noch um die Verfilmung von Aldens Lieblingsbuch „The Darkness of Shadows“. Sein Exemplar war schon ganz zerfleddert, weil er es so oft gelesen hatte.

Er hatte zwar nur eine Nebenrolle ergattert, doch immerhin war sie für die Handlung entscheidend. Damit könnte er glänzen und der ganzen Welt beweisen, wie variantenreich sein Spiel war, dass es Tiefgang hatte und raffiniert war. Besonders wichtig war ihm, dass die Rolle ihm die Gelegenheit bot, endlich ein Stück weit die Anerkennung seiner Eltern zu erlangen. Zuvor musste er jedoch noch einige Hindernisse überwinden – und dazu brauchte er Jules’ Hilfe.

Alden sprang auf und versuchte, ihre Blicke auf sich zu ziehen. „Ich habe dir ja schon gesagt, dass Franc kein einfacher Mensch ist …“

„Wegen seiner Kindheit.“ Sie war jetzt ganz ernst. „Weil seine Familie flüchten musste.“

„Ja, genau. Franc hat mit ansehen müssen, wie sein Vater und seine beiden jüngeren Brüder in Afghanistan ermordet wurden. Er ist mit seiner an Brustkrebs erkrankten Mutter geflüchtet und hat sich fürsorglich um sie gekümmert. Wenn sie zu schwach war, um weiterzugehen, hat er sie auf dem Rücken getragen. Schließlich haben die beiden es nach Frankreich geschafft …“

„… wo Franc dafür gesorgt hat, dass seine Mutter erfolgreich behandelt wurde, und seine Ausbildung fortsetzte. Er begann, Filme zu drehen, und erhielt weltweite Anerkennung für seinen sensiblen Umgang mit schwierigen Themen.“ Jules senkte den Kopf. „Ich höre dir nämlich zu, weißt du?“

Genau deshalb redete er so gerne mit ihr. So viele Leute hörten nur oberflächlich zu, Jules hingegen entging nie etwas. Wie ein Schwamm saugte sie seine Worte auf. Dafür hätte sie einen Orden verdient.

„Ich kann einfach nicht verstehen, warum du eine Begleitperson zu deiner Unterstützung brauchst“, hakte sie nach. „Du bist doch auch alleine zum Casting gegangen und hast die Rolle bekommen. Also ist doch alles schon beschlossene Sache!“

„Das dachte ich auch.“ Er straffte den Oberkörper, so als würde er gegen eine düstere Stimmung ankämpfen. „Aber vorhin hat Jacklyn angerufen, um mir zu sagen, dass es noch ein unerwartetes Problem gibt.“

„Welches Problem denn?“

„Gabriella Perez ist abgesprungen. Und ihre Rolle wurde neu besetzt – mit …“

„Sag es nicht!“ Jules unterbrach ihn kopfschüttelnd. „Wenn jemand unerwartet Schwierigkeiten bereitet, kann es nur Natasha Forbes sein.“

„Volltreffer.“

Sie seufzte mitfühlend. „Ich nehme an, Franc wollte sich bei deiner Agentin vergewissern, dass das bei den Dreharbeiten nicht zu Komplikationen führen wird?“

„So ungefähr.“

„Und – wird es ein Problem für dich sein?“ Sie wischte sich die schweißnassen Hände an ihrer Schürze ab.

„Nein!“

Wie konnte ausgerechnet Jules ihn so etwas fragen? Hatte er ihr nicht erst vor sechs Monaten sein Herz über das ganze Alden-Natasha-Desaster ausgeschüttet? Und hatte er sie nicht vor wenigen Augenblicken noch dafür bewundert, dass sie eine so tolle Zuhörerin war und sich so genau an alles erinnerte?

Vielleicht hatte er an jenem Tag zu viel gejammert, sodass sie irgendwann abgeschaltet hatte. Das wäre auf jeden Fall nachvollziehbar.

„Ich habe keine Gefühle mehr für Natasha.“ Er sagte es lieber einmal zu viel als einmal zu wenig.

„Okay.“ Sie hob kurz die Mundwinkel, doch ihr Lächeln verschwand genauso schnell wieder, wie es gekommen war. „Es könnte aber sein, dass die Arbeit mit ihr alte Gefühle weckt …“

„Das wird nicht passieren!“

„Woher willst du das wissen?“ Sie griff wieder nach dem Blumenstrauß und brachte ihn zu einem leeren Kübel am anderen Ende der Werkbank. „Du erzählst doch immer von dieser Treibhaus-Atmosphäre am Filmset.“

Aldens Miene erstarrte. Warum hörte sie nicht damit auf? Wahrscheinlich war er wirklich mehr in Natasha vernarrt gewesen als in irgendeine andere Frau vor ihr. Aber wenn er jetzt an Tash dachte, wühlte das nichts in ihm auf. Da war kein Kribbeln und auch kein Herzklopfen. Deshalb wusste er, dass eine erneute Zusammenarbeit mit ihr gut verlaufen würde.

„Jules …?“

Sie schlug die Augen nieder und konzentrierte sich darauf, das beeindruckende Blumenbouquet in dem Kübel unterzubringen.

Er folgte ihr bis zum Ende der Bank. „Du kannst gerne zynisch sein, wenn es dir damit besser geht, aber ich kenne mich schließlich besser als jeder andere. Ich weiß, dass es keine Probleme geben wird.“

Jules schwieg. Das war ihre Art, ihm zu zeigen, dass er sie nicht überzeugt hatte.

„Das Problem ist, dass Franc nicht weiß, was ich weiß. Also muss ich es ihm zeigen. Ihn davon überzeugen! Alle wissen, dass er jede Art von Konflikt verabscheut, vor allem am Filmset. Er setzt bei den Dreharbeiten auf ein familiäres Klima und möchte, dass die Schauspieler sich gegenseitig anspornen. Und offensichtlich geht sein Erfolgsrezept auf, denn er trifft mit seinen Filmen jedes Mal ins Schwarze.“

Jules ließ von den Blumen ab und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Und du denkst, du kannst ihm auf einer Party zeigen, dass du völlig über Natasha hinweg bist?“ Plötzlich schien bei ihr der Groschen zu fallen. „Ach, Natasha wird auch da sein, oder?“

Seine Ohren fühlten sich plötzlich unerklärlich heiß an.

„Ja, das wird sie“, bestätigte er.

„Hm.“ Jules holte tief Luft. „Das ist doch eigentlich perfekt.“ Sie klang jetzt etwas herablassend. „Könnt ihr beide euch nicht zusammentun und Franc zeigen, wie absolut professionell und cool ihr seid, wenn es darum geht, wieder zusammenzuarbeiten? Ich bin mir sicher, dass du damit dein Ziel erreichst. Mich brauchst du dafür nicht.“

Alden erschrak. Was war heute nur los mit ihr? Warum piesackte sie ihn so?

„Um Himmels willen, Jules! Das ist meine große Chance. Die Chance, dass aus dem Herzensbrecher Alden Phillips endlich der anerkannte Schauspieler wird. Dass ich so berühmt bin, hat zurzeit noch wenig mit meiner verdammten Karriere zu tun. Aber ich habe kapiert, woran das liegt. Denn – ja, damit hast du recht – die Atmosphäre am Set kann dich dazu verleiten, dir Dinge einzubilden und dich auf die falschen Leute einzulassen. Aus Gründen, die ich nicht kenne, werde ich deshalb als der schlechteste Mensch der Welt dargestellt. Aber niemand weiß besser als du, dass viel mehr in mir steckt.“

Sie nickte kaum wahrnehmbar. Das reichte, um die Worte nur so aus ihm heraussprudeln zu lassen.

„Von allen Menschen auf dieser Welt weißt du am besten, wie hart ich immer gearbeitet habe und wie sehr ich es mir wünsche, ernst genommen zu werden. Du weißt, wie sehr ich es mag, die Figuren aus dem Drehbuch in lebendige Charaktere aus Fleisch und Blut zu verwandeln – wie sehr ich das Kino liebe! Die guten Stoffe.“

Jules’ Augen leuchteten vergnügt auf. Fast so wie damals in seinem Jugendzimmer …

Sie hatten die Vorhänge zugezogen und lagen beide, auf Kissen gestützt, ausgestreckt auf seinem Bett. Sie sagten nichts, sondern schauten nur auf den Bildschirm. Diese Regel hatte er aufgestellt. Lichtreflexe flackerten auf ihrem Gesicht, und sie duftete nach Apfel-Shampoo, vielleicht war es aber auch Seife.

Alden schüttelte sich kurz, denn jetzt ging es um etwas anderes.

„Du warst doch dabei, hast die Filme mit mir angeschaut: von David Lean, Jean-Luc Godard, Ridley Scott, Tarantino – alle hochkarätigen Regisseure. Und auch Franc gehört diesem Club an, Jules. Wenn es mit der Rolle klappt, wird sich für mich alles verändern. Ich werde dort sein, wo ich sein möchte.“ Er spürte, wie Verbitterung in ihm hochkroch. „Sollte ich diese Rolle gut verkörpern, würden sogar meine Eltern erkennen, dass ich ein guter Schauspieler bin.“

„Oh, Alden.“ Sie kaute nervös auf ihrer Lippe, was ihm zeigte, dass sie mit ihm fühlte. Vielleicht – wirklich nur vielleicht – bedeutete das ja, dass sie bereit war, nachzugeben.

Er war auf dem richtigen Weg.

„Das Problem ist: Ich weiß genau, dass ich in der Hackordnung weit unter Tash stehe. Sie ist ein Publikumsmagnet, und ich bin das Risiko. Wenn also auch nur der Hauch eines Zweifels aufkommt, dass das mit uns funktioniert, bin ich es, der von seinen vertraglichen Verpflichtungen freigestellt wird – nicht sie. Und ja, es ist nur eine Party, aber Franc hat nun mal meine Agentin angerufen. Er ist besorgt. Und das bedeutet, dass er mich beobachten und genau hinschauen wird, um festzustellen, ob es noch störende Altlasten gibt.“

Nicht, dass er welche finden könnte. Tash hatte ihn verlassen, weil sie sich von ihm nicht richtig geliebt fühlte. Obwohl er ihr hinterhergelaufen war und alles gegeben hatte, was er zu geben vermochte.

„Alden, ich liebe dich, aber du liebst mich nicht“, hatte sie eines Tages einfach gesagt. „Vielleicht bist du gar nicht fähig zu lieben.“

Er war am Boden zerstört gewesen. Jules hatte ihm zur Seite gestanden, ihm zugehört und ihm ihre Zeit geschenkt, so wie immer. Aber sein Kummer war nicht von einem gebrochenen Herzen gekommen, das war ihm inzwischen klar. Tash hatte recht gehabt, was die Tiefe seiner Gefühle betraf. Sicher, er war sehr in sie vernarrt gewesen, aber mehr war da nicht gewesen.

Nein, es war ihr Gerede von seiner Unfähigkeit zu lieben, mit dem Tash einen empfindlichen Nerv getroffen und ihn so verletzt hatte. Er litt darunter, dass alle seine Beziehungen in die Brüche gingen, dass er anscheinend niemals …

Doch diesen Gedanken musste er jetzt beiseiteschieben. Keine störenden Altlasten! Das galt es jetzt zu beweisen. Er konnte das – spielend. Aber für den Fall, dass Natasha noch Groll gegen ihn hegte oder – bloß nicht! – auf eine Neuauflage ihrer Beziehung hoffte, musste er gewappnet sein.

„Ich brauche eine Verbündete, Jules. Eine Freundin.“ Er zeigte beinahe instinktiv in ihre Richtung. „Meine beste Freundin.“

Sie warf ihm einen durchdringenden Blick zu. „Du willst aber nicht, dass ich dich als deine beste Freundin begleite? Auf jeden Fall nicht, wenn du Franc davon überzeugen willst, dass er sich wegen dir und Natasha keine Sorgen machen muss.“

Drei Schritte voraus, wie immer.

„Dazu wollte ich noch kommen.“

„Du willst also, dass ich dir nicht nur zur Seite stehe, sondern auch deine Hand halte. Du willst, dass ich so tue, als wäre ich nicht eine, sondern deine Freundin. Deine Freundin, die dich den ganzen Abend verliebt anschaut, habe ich recht?“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ich weiß, das ist eine große Bitte.“

Erkannte er da etwa ein kleines Lächeln? In Alden keimte Hoffnung auf.

„Glaubst du, du könntest das schaffen?“ Er wurde fast ein wenig übermütig. „Falls es dich tröstet, auch für mich wäre es eine kleine Kraftanstrengung, dich verliebt anschauen zu müssen.“

Sie warf ihm ein spöttisches Grinsen zu, dann wurde ihr Blick ernst. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie das funktionieren soll. Franc könnte vielleicht darauf reinfallen, aber Natasha weiß, dass ich nur eine gute Freundin bin und nicht die Frau, die du liebst.“

„Nein.“ Es laut auszusprechen, klang selbst für ihn befremdlich, aber es war die Wahrheit. „Sie weiß natürlich, dass ich Freunde habe. Aber wir waren so mit uns selbst beschäftigt, dass wir uns nicht mit anderen Dingen um uns herum befasst haben.“

„Ach so.“ Jules zog ihre Augenbrauen hoch. „Als deine momentan beste Option hast du mich immer noch nicht davon überzeugt, dass dein Plan Hand und Fuß hat. Ich bin nämlich Floristin und keine Greta Garbo. Außerdem weißt du genau, wie fehl am Platz ich mich dort fühlen würde.“

Es schien, als wolle sie noch etwas hinzufügen, doch dann zuckte sie nur mit den Schultern. Ihr widerstrebendes Lächeln erwärmte sein Herz. Wenn sie es nur öfter zeigen würde und in der Gegenwart von anderen lockerer sein könnte! Das schien ihr jedoch schwerzufallen.

Alden zog sich der Magen schmerzhaft zusammen. Das war die Schuld ihrer Mutter Paulina. Seit sie die Familie ohne Vorwarnung verlassen hatte, machte Jules vieles mit sich selbst aus. Nur ihm hatte sie sich geöffnet. Und wahrscheinlich den Männern, die sie geliebt hatte.

Seine Gedanken kehrten wieder zum eigentlichen Thema zurück. „Vielleicht ist es leichter für dich, wenn du weißt, dass es eine relativ kleine Veranstaltung ist. Also müsstest du dich nicht mit allzu vielen Möchtegernstars herumschlagen. Und Franc ist sehr charmant. Ich glaube, du würdest ihn mögen.“

„Vielleicht.“ Sie schaute ihn herausfordernd an. „Falls ich bei dieser lächerlichen Scharade mitmache.“

Falls …

Alden konnte in ihren Augen lesen, was sie dachte. Sie würde mitkommen und seinen armseligen Hintern retten, indem sie so tat, als wäre sie seine feste Freundin, die sehr in ihn verliebt war.

Er unterdrückte das leichte Schmunzeln, das sich auf seine Lippen stahl. Jules sollte nicht sehen, dass er innerlich schon die Korken knallen ließ.

Er legte sich eine Hand aufs Herz. „Ich bitte dich, Jules. Sei mein Party-Girl, nur für diesen einen Abend. Dafür verspreche ich dir lebenslange Treue und ewige Dankbarkeit. Und natürlich auch, dass du die Erste bist, deren Namen ich in meiner Dankesrede nenne, wenn ich den Preis für den besten Schauspieler in einer Nebenrolle bekomme.“

Jules zog ihre Augenbrauen so hoch, wie sie nur konnte. „Du wirst noch viel mehr tun, Alden Phillips. Ich erwarte eine lange, überschwängliche Rede unter Tränen – vielen Tränen – und … warte mal, mit einigen Schluchzern.“ Über die Bank hinweg hielt sie ihm die Hand hin. „Abgemacht?“

Ihm war, als müsse er vor Glück platzen. Mit Jules an seiner Seite würde alles gut ausgehen.

Entschlossen legte er seine Hand in ihre. „Abgemacht!“

3. KAPITEL

„Sieh es doch mal so …“ Alden setzte den Blinker und ging vor der Kurve vom Gas. „Es ist ein dankbares Gesprächsthema, und du kannst den Leuten erzählen, was du beruflich machst.“

„Als Nächstes schlägst du noch vor, dass ich Visitenkarten verteile.“

Er schaute Jules kurz von der Seite an. „Das wäre tatsächlich keine schlechte Idee. Stell dir mal die Blumenbouquets auf Premieren vor. Oder die Tischdekoration, die du für die Empfänge nach Preisverleihungen gestalten könntest. Das ist ein riesiger Markt. Und dabei habe ich private Partys wie die heute Abend noch nicht mit einkalkuliert. Du könntest ein Vermögen verdienen.“

Jules hatte nicht die leiseste Absicht, ihr Blumengeschäft auf Franc Abdalis kleiner Party zu promoten. Selbst wenn der Verband, der ihr im Krankenhaus um ihr verstauchtes Handgelenk angelegt worden war, die Gelegenheit dazu geboten hätte. Sie hatte sich ja nicht verletzt, um ein Gesprächsthema zu haben. Schuld war dieser dumme Unfall auf der Leiter, den sie heute Morgen beim Dekorieren einer Hochzeitslocation gehabt hatte. Sie hatte eine Sprosse verpasst, war gestürzt – und jetzt …

In ihrem Bauch rumorte es. Jetzt würde sie gleich doppelt auffallen. Als hätte es nicht genügt, einen Raum voller Möchtegernstars an Aldens Arm zu betreten. Nein, nun musste sie auch noch einen Verband tragen, der vom linken Unterarm bis zur Hand wie ein Signalfeuer leuchtete.

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