Stürmische Gefühle im Königspalast

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Diese Frau bedeutet nichts als Ärger! Das spürt König Benedikt sofort, als Prinzessin Annalena in seinen Palast stürmt. Nicht nur sieht sie in ihrer traditionellen Landestracht viel zu sexy aus. Sie präsentiert ihm auch ein Papier, das beweist, dass sie die rechtmäßige Thronerbin ist. Was jetzt? Weil Annalena keinerlei Regierungserfahrung hat, gibt es nur eine Lösung, um dem Königreich die dringend nötige Stabilität zu garantieren: Annalena und er müssen heiraten! Wenn sie nur nicht so unwiderstehlich verführerisch wäre …


  • Erscheinungstag 19.08.2025
  • Bandnummer 2714
  • ISBN / Artikelnummer 0800252714
  • Seitenanzahl 144

Leseprobe

Annie West

Stürmische Gefühle im Königspalast

1. KAPITEL

Annalena blieb in der Eingangshalle des Palastes stehen und blickte um sich. Alles zeugte von altem Reichtum und Herrschaft: der Boden aus verschiedenfarbigem Marmor, die vergoldeten Leuchter, die riesigen Wandvorhänge und Statuen berühmter Künstler.

Die Decke der Halle schmückten Fresken, die Kunstliebhaber aus der ganzen Welt anzogen. Sie zeigten die Kontinente, dazu deren Einwohner, und das auf eine geradezu unerträglich romantische und naive Weise: als Prinzen, Krieger und Gelehrte. Die wenigen Frauen waren nackt oder spärlich bekleidet, und sie schauten bewundernd zu den Männern auf.

Natürlich. Nackte Frauen – das hatte den Männern gefallen, die das Kunstwerk einst in Auftrag gegeben hatten. Und die Unterwürfigkeit in ihrer Haltung zeigte unzweideutig den Rang an, den Frauen damals eingenommen hatten.

Manche Dinge, dachte Annalena, haben sich in dreihundert Jahren kaum verändert.

„Kann ich Ihnen helfen? Nehmen Sie an der Führung teil?“

Sie wandte sich um und sah einen Touristenführer vor sich stehen. Er deutete auf eine Gruppe von Besuchern, die sich auf der anderen Seite der Halle versammelt hatten.

„Nein, danke, ich bin geschäftlich hier.“

Bei ihrem Anblick weiteten sich die Augen des Mannes, ganz so, als ob er nicht glauben konnte, dass sie wirklich in diesem Aufzug vor ihm stand. Unwillkürlich musste sie lächeln.

Sie hatte lange über das passende Outfit für ihren Termin nachgedacht. Formelle Kleidung, natürlich. Zuerst war ihr der Hosenanzug in den Sinn gekommen, den sie vergangene Woche beim Treffen mit einem internationalen Firmenkonsortium getragen hatte. Aber dann hatte sie sich umentschieden und auf „traditionell“ gesetzt.

Es hatte einmal eine Zeit gegeben, in der Annalena gehofft hatte, dass der Mann, den sie an diesem Tag treffen würde, ganz anders wäre als sein Vater. Diesen hatte nie etwas anderes interessiert als sein Reichtum.

Doch ihre Hoffnung hatte sich in Luft aufgelöst. Benedikt von Prinzenberg war offenbar genauso habgierig und diktatorisch. Dabei war er noch nicht einmal offiziell im Amt. Aber Tradition war ihm gleichgültig, und auch die Tatsache, dass es Dinge gab, die so wertvoll waren, dass man sie einfach bewahren musste.

Ihre Großmutter hatte die Augenbrauen gehoben, als sie Annalena in ihrem Dirndl gesehen hatte. „Ich sehe, du planst, ein Zeichen zu setzen. Klug von dir, meine Liebe. Es ist der perfekte Zeitpunkt, um ihn daran zu erinnern, dass wir alle unserem Land verpflichtet sind. Es geht nicht allein um seinen Kontostand.“

Nun durchschritt Annalena die Halle und ging auf die Tür zum Verwaltungstrakt zu. Die Absätze ihrer flachen Schuhe waren auf dem Marmorboden deutlich zu hören.

Als sie näher kam, hielt ein Sicherheitsbeamter sie auf. „Entschuldigung. Hier hat die Öffentlichkeit keinen Zutritt.“

Sie schaute den hochgewachsenen Mann im dunklen Anzug an und lächelte, ohne sich ihre Nervosität anmerken zu lassen. „Ich weiß. Ich habe einen Termin.“

Sie war sich nicht sicher, ob es Fluch oder Segen war, dass nur wenige Menschen sie hier in der Hauptstadt erkannten. Im Herzogtum Edelforst war sie eine lokale Berühmtheit. Aber nicht hier. Das war ihre eigene Schuld, weil sie hier nie öffentlich in Erscheinung getreten war.

Aber wer konnte ihr daraus einen Vorwurf machen, angesichts ihrer Familiengeschichte?

Ihr Verhältnis gegenüber diesem Palast war äußerst zwiespältig. Für Annalena war er von jeher vor allem der Ausgangspunkt der Katastrophe gewesen, die ihre Familie ereilt hatte.

Bis heute hatte sie nie einen Fuß in das prunkvolle Gebäude gesetzt. Aber es gab Dinge, die wichtiger waren als persönliche Vorbehalte. Außerdem war sie kein Kind mehr, das sich von der Vergangenheit Angst machen ließ.

Trotzdem fragte sie sich unwillkürlich, ob Benedikt genauso gefährlich war wie sein Vater.

Der Wachmann musterte sie scharf. „Davon weiß ich nichts. Mit wem haben Sie den Termin?“

Annalena straffte die Schultern. „Mit Seiner Majestät. Um zehn Uhr.“

„Einen Moment, bitte.“

Der Mann wandte sich ab und sprach leise in ein Headset. Köpfe wandten sich in ihre Richtung.

Gut. Sollten sie starren. Je mehr Leute von ihrer Gegenwart Kenntnis nahmen, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass man sie hinauswarf. Denn das würde man vermutlich versuchen, denn der Termin, auf den sie so lange gewartet hatte, war gestern spät in der Nacht abgesagt worden.

Es hatte keine Erklärung gegeben, geschweige denn eine Entschuldigung, und nicht einmal einen Vorschlag für einen neuen Termin. Das war kaum eine Überraschung, schließlich hatte es Annalena sehr viel Mühe gekostet, überhaupt eine Terminbestätigung zu bekommen. Und jetzt war diese hinfällig. Eindeutig waren sie und ihr Anliegen dem König nicht wichtig genug.

Wut stieg in ihr auf.

Die Menschen, die sie in dieser Sache vertrat, waren sehr geduldig gewesen. Sie waren die offiziellen Wege gegangen, um eine Anhörung zu bekommen. Ohne Erfolg: Man hatte sie vertröstet und hingehalten und mit vagen Antworten abgespeist.

Seine Majestät kümmerte es nicht.

Das war ein Fehler, den er schon bald bereuen würde, davon war Annalena überzeugt.

Trotzdem musste sie sich zwingen, sich nicht die Hand auf ihren Magen zu legen, in dem es verdächtig flatterte.

Der Mann kam zurück. „Es tut mir leid. Das Büro Seiner Majestät weiß von keinem Termin.“

„Oh, ich habe einen. Und ich habe eine lange Anfahrt hinter mir.“ Sie zeigte ihm die ursprüngliche E-Mail auf ihrem Telefon.

Der Wachmann hob die Augenbrauen, als er ihren Namen las. Als er wieder aufschaute, wirkte er sehr unbehaglich. „Es tut mir sehr leid, aber man hat mir gesagt …“ Er richtete sich gerade auf. „Ich kann Sie leider nicht einlassen.“

Damit hatte sie gerechnet. „Also schön. Dann warte ich.“

Sie ließ ihn stehen und ging zu einem vergoldeten Stuhl neben der Tür.

Er lief ihr hinterher, schaffte es aber nicht, sie davon abzuhalten, sich zu setzen. „Ich muss Sie wirklich bitten …“

„Das hier ist ein öffentlicher Bereich.“ Annalena lächelte ihn an. „Vielleicht lassen Sie das Büro Seiner Majestät wissen, dass ich warten werde, bis er Zeit für mich findet.“

Wenn sie den König zu diesem Treffen nötigen musste, würde sie das tun.

Wieder wandten sich Köpfe in ihre Richtung. Der Sicherheitsmann murmelte erneut etwas in sein Headset.

Annalena lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und zog ihr Telefon hervor. Wenn sie schon warten musste, konnte sie genauso gut arbeiten.

Sie war gerade in einen Bericht vertieft, als sie Stimmen hörte. Ohne aufzuschauen, wusste sie, dass sich die Tür des Verwaltungstraktes gerade geöffnet hatte und jemand mit dem Wachmann sprach.

Sie schaute auf die Uhr. Eine halbe Stunde. Vielleicht hatten sie gehofft, sie hätte schon aufgegeben. Keine Chance!

Ein Paar Absatzschuhe klackerte auf sie zu. Annalena las weiter.

„Entschuldigung?“

Sie schaute auf. Das war der Wachmann. Neben ihm stand eine schöne Frau in einem eleganten dunkelgrauen Hosenanzug und einer Seidenbluse. Sie war ein Abbild professioneller Eleganz, doch auch ihr perfektes Make-up konnte nicht verbergen, dass sie verärgert war.

„Guten Tag“, sagte Annalena höflich. „Arbeiten Sie im Büro Seiner Majestät? Ich …“

„Ich fürchte, Sie verschwenden Ihre Zeit. Der König ist nicht zu sprechen.“

Annalena blinzelte langsam und zog dann die Augenbrauen hoch. Anscheinend war selbst eine namentliche Vorstellung zu viel verlangt.

Die Frau hob ihr Kinn. „Sie haben eine E-Mail bekommen. Der Termin wurde gestern abgesagt.“

Annalena gab dem Schweigen einen Moment Zeit, sich zu entfalten. „Es hat mehr als einen Monat gedauert, diesen Termin überhaupt zu vereinbaren, und ich bin extra aus Edelforst hergekommen, um den König in einer dringenden Angelegenheit zu sprechen. Ich weiß, dass er heute hier ist. Also werde ich warten und hoffen, dass sich im Tagesablauf eine Lücke findet.“

Die namenlose Frau runzelte die Stirn und kniff die Augen zusammen. Annalena kam ihr zuvor. „Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden, ich möchte gern weiterarbeiten, während ich warte. Seine Majestät ist nicht der Einzige mit einem vollen Terminkalender.“

Sie wandte sich wieder ihrem Telefon zu, sah aber aus den Augenwinkeln, wie die Frau ärgerlich die Lippen aufeinanderpresste, während der Wachmann versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken.

Annalenas letzte Bemerkung war unnötig gewesen. Man hatte sie zur Höflichkeit erzogen. Aber sie ließ sich nicht gern zurechtweisen, und genau das versuchten der König von Prinzenberg und sein Stab gerade zu tun.

So viel zu der Hoffnung ihrer Großmutter, der neue Monarch wäre ein besserer Mensch als der alte! Omas „gut informierte Kreise“ lagen diesmal eindeutig falsch.

Die klackernden Absätze entfernten sich. Aber es dauerte einen Moment, bis Annalena sich wieder auf ihren Bericht konzentrieren konnte.

Sie hatte ihn zur Hälfte durchgelesen, als sich jemand räusperte.

Es war der Wachmann. Neben ihm stand ein Mann, der ein kleines Tablett mit köstlich duftendem Kaffee, Sahne, Zucker und Zimtkeksen trug. Er stellte es auf dem Tischchen neben Annalena ab. Sie strahlte den Neuankömmling an und schaute auf das Namensschild an seiner Hemdtasche. „Danke, Herr Brunner. Ich hatte heute Morgen noch keine Zeit für ein Frühstück.“

Lächelnd schüttelte der Mann den Kopf und deutete auf den Wachmann. „Das war Udos Idee.“

Sie wandte den Kopf. „Udo? Herzlichen Dank. Ich weiß es zu schätzen.“

Ein Hauch von Röte stahl sich in die Wangen des Mannes. Er murmelte etwas Unverständliches, bevor er wieder seinen Posten einnahm.

Offenbar sind einige Angestellte des Palastes sehr viel höflicher als der persönliche Stab des Königs, dachte Annalena. Was sagte das über ihn aus? Dass Höflichkeit und Etikette ihm egal waren?

Es fiel ihr zunehmend schwer, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Sie starrte auf den Bildschirm, aber statt des Berichts sah sie Edelforsts weite Täler, Wiesen und Wälder vor sich, einsame Bauernhöfe, Dörfer und die Menschen, die ihr Land liebten und seit Generationen darum kämpften, irgendwie über die Runden zu kommen.

Jetzt hing alles von ihr ab. Sie konnte es sich nicht leisten, zu versagen.

„Majestät …“

Benedikt schüttelte den Kopf. „Ich habe dir doch gesagt: keine Titel! Jedenfalls nicht, wenn wir allein sind.“ Das Hofzeremoniell hatte ihm nie zugesagt. Seinem Vater schon. Aber er wollte nicht an seinen Vater denken, das verdarb ihm jedes Mal die Stimmung. Sogar jetzt noch warf König Karl einen langen Schatten.

„Natürlich.“ Matthias, sein Privatsekretär und engster Vertrauter, grinste ihn an. „Ich habe nur Angst, dass ich irgendwann nicht aufpasse und dich auch in der Öffentlichkeit Ben nenne.“ Er hielt inne. „Wir müssen eine Lücke in deinem Terminkalender finden.“

Benedikt lachte und lehnte sich zurück. „Viel Glück. Ich habe den Zeitplan für den nächsten Monat gesehen.“

„Es geht nicht um den nächsten Monat. Ich spreche von heute. Es … es gibt ein Problem.“

Matthias arbeitete schon seit vielen Jahren für ihn, kümmerte sich um seine Verpflichtungen in Prinzenberg und seine Geschäftsinteressen auf drei Kontinenten. Benedikt konnte sich nicht erinnern, dass es dabei jemals ein Problem gegeben hätte. Jedenfalls keines, das Matthias so missbilligend die Stirn hätte runzeln lassen, wie er es jetzt tat. „Was ist passiert?“

„Nichts, was ich nicht regeln kann, aber …“

„Sag es mir trotzdem.“

Matthias seufzte. „Es ist immer das Gleiche. Dein Stab entscheidet eigenmächtig darüber, wen sie zu dir vorlassen und wen nicht. Sie klären die Termine nicht mit mir ab.“

„Kein Wunder. Sie sind immer noch an die Art und Weise gewöhnt, wie mein Vater die Dinge gehandhabt hat.“ Benedikt verzog das Gesicht.

Schon als kleiner Junge hatte er begriffen, wie wenig ihm die Umgangsformen seines Vaters gefielen. Deshalb hatte er als junger Erwachsener kaum noch Zeit in Prinzenberg verbracht. Erst nach dem Tod seines Vaters war er zurückgekehrt.

„Mit der Zeit werden sie es schon auf die Reihe bekommen.“ Matthias seufzte. „Jedenfalls ist Besuch für dich hier.“

„Wenn er nicht im Kalender steht, habe ich keine Zeit.“

Sie stand im Kalender, weil ich den Termin persönlich mit ihr vereinbart hatte! Aber irgendjemand hat entschieden, dass du sie gar nicht erst zu sehen bekommen sollst. Der Termin wurde in letzter Minute abgesagt.“ Matthias machte eine kleine Pause. „Sie ist trotzdem gekommen. Und sitzt seit drei Stunden im Vestibül. Ich habe es jetzt erst erfahren.“

„Seit drei Stunden?“ Benedikt starrte Matthias an und las in dessen Gesichtsausdruck, dass das noch nicht alles war. „Wer ist sie?“

„Die Enkelin der Großherzogin von Edelforst. Prinzessin Annalena.“

Was wollte ein Mitglied der ältesten Familie von Edelforst hier im Palast? Und wer aus seinem administrativen Stab hatte es für eine gute Idee gehalten, sie stundenlang warten zu lassen?

Es war nicht so, dass Benedikt nicht schon genug Probleme hätte. Der Termin seiner Krönung rückte näher, und immer noch hatte er damit zu tun, die zahlreichen Brandherde zu löschen, die sein Vater hinterlassen hatte. Benedikt und sein Team hatten erst nach und nach entdeckt, was alles im Argen lag. Karl hatte seine Geschäfte ebenso wie seine Macht eifersüchtig gehütet und im Verborgenen gehalten – auch vor seinem Sohn.

Die Beziehung zwischen dem alten König und der Großherzogin war kühl gewesen, wenn nicht sogar feindselig. Das Großherzogtum Edelforst bildete eine teilautonome Provinz von Prinzenberg, die sein Vater überwiegend sich selbst überlassen hatte. Dort verfügte die Großherzogin über sehr viel Einfluss, außerhalb von Edelforst nicht. Dennoch genoss sie großen Respekt in Prinzenberg. Sie wurde sogar verehrt, fast wie eine Nationalheilige. Dabei hatte man sie schon lange nicht mehr außerhalb von Edelforst gesehen.

Ihre Enkelin zu beleidigen wäre der denkbar schlechteste Auftakt für Benedikts neue Beziehungen zu der im Land hochgeschätzten alten Dame.

Ein Klopfen erklang, dann öffnete sich die Tür. Benedikt seufzte und erhob sich, entschuldigende Worte bereits auf den Lippen. Sie erstarben, als er neben Matthias Annalena von Edelforst erblickte.

Sie trug ihr dunkelblondes Haar geflochten und zu einer altmodischen Krone aufgesteckt, die sie größer wirken ließ. Statt eines modernen Kleids trug sie ein waldgrünes, mit Silber besticktes Dirndl. Eine blassgrüne Schürze bedeckte den Rock aus teurer Seide.

Das enge, mit Spitze besetzte Mieder betonte ihre schmale Taille und ließ ihre Brüste voll und rund wirken. Obwohl die bestickte weiße Bluse hochgeschlossen war und der Rock bis über die Knie reichte, war Benedikt augenblicklich von ihr gefesselt. Er spürte ein Prickeln in seinem Körper, als er den Blick zu dem dunkelgrünen Band mit dem silbernen Medaillon um ihren schlanken Hals wandern ließ … Der Schmuck lenkte seine Aufmerksamkeit auf ihre makellose Haut.

Benedikt schluckte, schockiert von seiner körperlichen Reaktion auf diese Frau.

Das Dirndl war die Nationaltracht von Prinzenberg, die man in der Hauptstadt nur selten zu sehen bekam, außer auf Festivals und Jahrmärkten. Im Alltag trug sie kaum jemand, nicht einmal in Edelforst.

Benedikts Eltern hatten die Nationaltracht für hoffnungslos altmodisch gehalten. Doch diese Frau trug sie wie eine Waffe. Sie sah fantastisch darin aus. Und unglaublich sexy.

Sein erster Blick hatte ihrer Kleidung und ihrem schlanken Körper gegolten. Der zweite verharrte auf ihrem Gesicht. Sie hatte Augen von einem tiefen, leuchtenden Grün und verlockend geschwungene Lippen.

Benedikt war sich schwach bewusst, dass sein Herz schneller schlug.

Ihre Augen weiteten sich, als sie ihn ansah, und sie wirkte beinahe genauso verwirrt wie er.

Er spürte ihren Blick bis tief in seinen Bauch und in seine Brust.

Während Matthias den Raum verließ, kam Benedikt hinter dem Schreibtisch hervor. „Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Hoheit.“

Er hielt ihr die Hand hin. Sie senkte den Blick und machte einen Knicks, anmutig, aber keineswegs unterwürfig. Schnell ließ er seine Hand wieder sinken. Als sie den Kopf wieder hob, ließ ihr ruhiger, beinahe ausdrucksloser Blick Warnglocken in seinem Kopf erklingen. Diese Frau war nicht als Bittstellerin hier und auch nicht, um ihn zu beglückwünschen.

„Meine aufrichtige Entschuldigung, dass Sie warten mussten“, sagte er. „Das war ein sehr unglückseliger Umstand.“

„In der Tat. Aber zumindest ist es mir gelungen, ein bisschen Arbeit zu erledigen.“

Ihre Stimme klang gleichmütig, aber es lag ein Hauch von Provokation in ihren Worten. Als ob sie ihn daran erinnern wollte, dass auch ihre Zeit kostbar war.

Benedikt ging hinüber zu einem Paar Lehnsessel, zwischen denen ein kleiner Tisch stand. „Bitte, setzen Sie sich doch.“

Seide raschelte, als sie an ihm vorbeiging. Mit einer Grazie, die ihn an eine Ballkönigin erinnerte, ließ sie sich auf dem Sessel nieder.

„Ich habe erst vor ein paar Minuten erfahren, dass Sie hier sind“, sagte er.

Sie zog die Brauen zusammen. „Dabei habe ich direkt nach meiner Ankunft mit Ihrem Stab gesprochen!“

Sie glaubt dir kein Wort.

Ihr Gesichtsausdruck blieb unverändert. Sie hielt ihr Kinn sehr gerade. Nicht übermäßig aggressiv, aber alles andere als nachgiebig.

Benedikt fragte sich unwillkürlich, wie es wohl wäre, wenn sie sich tatsächlich nachgiebig zeigte. Wenn sie lächelte, weil sie sich freute, ihn zu sehen. Seine Handflächen prickelten, als er sich vorstellte, sie in den Armen zu halten. Ihr Kinn würde sich heben – nicht aus Arroganz oder Ärger, sondern um den Abstand zwischen ihnen zu verringern …

Bei diesem Gedanken pumpte sein Herz pures Adrenalin durch die Adern.

Er versuchte, die Fantasie aus dem Kopf zu verbannen, und nahm ihr gegenüber Platz. Später würde er darüber nachdenken, wie es ihr gelungen war, seinem normalerweise sehr nüchtern funktionierenden Gehirn solche Gedanken einzupflanzen. „Mein Privatsekretär wird der Sache auf den Grund gehen. Ich möchte mich erneut aufrichtig entschuldigen. Darf ich Ihnen in der Zwischenzeit eine Erfrischung anbieten?“

„Nein, danke, nicht nötig.“

Keine Verbrüderung mit dem Feind.

Sie war sicher nicht hier, um ihm zur Thronbesteigung zu gratulieren. Sein Vater hatte sich oft über ihre Großmutter beschwert, die seinen Modernisierungsplänen im Weg stand. Wie es schien, besaß die Enkelin der alten Dame die gleiche Charakterstärke.

„Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gern direkt zur Sache kommen.“ Sie richtete sich gerade auf.

„Gern. Welche Sache ist das genau?“

Annalena holte tief und verärgert Luft. Als ob er das nicht wusste! Was für eine Dreistigkeit, dabei einnehmend zu lächeln.

Als ob sie sich davon würde ablenken lassen.

Bewusst vermied sie es, an den Moment zu denken, als sie den Raum betreten hatte. Sie hatte Benedikt von Prinzenberg zum ersten Mal in ihrem Leben persönlich gegenübergestanden. Er war groß, muskulös und elegant in seinem teuren Anzug. Einen Moment lang hatte sein Anblick sie erstarren lassen und eine unvertraute Empfindung in ihr wachgerufen.

Sein Gesicht war faszinierend. Kühn und attraktiv. In einer Wange hatte er ein Grübchen, wenn er lächelte. Und seine goldbraunen Augen standen in einem anziehenden Gegensatz zu seinem dunklen Haar.

Aber Annalena würde sich nicht von ihm täuschen lassen. Er war genauso hart und herrschsüchtig wie sein Vater. Sie hatten beide sogar das gleiche scharf geschnittene, entschlossene Kinn.

„Der Staudamm natürlich“, sagte sie.

„Aha.“ Sein Gesichtsausdruck verriet nichts. „Über welchen Aspekt genau möchten Sie sprechen?“

Annalena musste gegen den Drang kämpfen, mit den Zähnen zu knirschen. Er hätte sie genauso gut fragen können, welchen Kuchen sie gern zum Kaffee hätte.

Bedeuteten ihm all die Einwände so wenig?

Du kennst die Antwort. Es bedeutet ihm genauso so wenig wie seinem Vater. Deshalb bist du hier!

Sie setzte ein kühles Lächeln auf, froh, dass seine Arroganz ihr half, ihre Nervosität zu besiegen. Der Palast war der Ort, wo König Karl, der Bösewicht ihrer Kindheit, gelebt hatte. „Über das gesamte Projekt. Sie wissen, dass es eine Katastrophe ist. Und ich bin hier, weil ich dafür sorgen will, dass es gestoppt wird.“

Jetzt hatte sie seine Aufmerksamkeit. Sein Lächeln verblasste. Ganz offensichtlich gefiel ihm nicht, was er hörte.

Einen Moment lang spürte Annalena einen Hauch von Genugtuung, doch sie unterdrückte das Gefühl sofort. Es ging nicht um sie, sondern um Edelforst.

Seine Stirn glättete sich. Er breitete die Arme aus, die Handflächen nach oben. „Ich spreche gern mit Ihnen über alle Aspekte des Projektes, die Ihnen Sorgen bereiten. Aber stoppen werde ich es nicht. Das ist unmöglich. Es ist eine unglaubliche Gelegenheit für das Land und wird langfristig enorme Vorteile mit sich bringen.“

Annalena schloss die Hände um die Lehnen ihres Sessels. „Natürlich kann es noch gestoppt werden. Die Bauarbeiten haben noch nicht begonnen.“

Er schüttelte den Kopf. Seine Lippen verzogen sich zu einem halben Lächeln, als versuchte er, gute Miene zu bösem Spiel zu machen. „So einfach ist das leider nicht. Sie mögen mit den Details nicht vertraut sein, aber wir haben Zusagen gegeben, und die Vertragsverhandlungen sind in der Endphase.“

Seine Herablassung empörte sie. Sie hatte bereits selbst geschäftliche Verhandlungen geführt, sowohl für ihre Großmutter als auch für ihren Arbeitgeber. Mit Forschung zu pflanzlichen Wirkstoffen in der Medizin ließ sich viel Geld machen. „Wenn noch verhandelt wird, ist nichts unterschrieben.“

„Die Absichtserklärungen sehen Strafzahlungen vor, wenn das Projekt nicht fortgeführt wird.“

„Waren Sie wirklich so sicher, dass Sie das Projekt gegen alle Widerstände würden durchsetzen können?“

„Widerstände? Da täuschen Sie sich. Wir haben eine große Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Es sind keine größeren Probleme aufgetaucht, insbesondere keine, die gegen die vielen Vorteile Bestand hätten.“ Er lächelte, ein charmantes Lächeln, das wahrscheinlich viele Frauenherzen zum Schmelzen brachte. Auch Annalena war nicht immun dagegen. „Ich erkläre Ihnen das Vorhaben gern im Detail, sodass Ihre Befürchtungen ausgeräumt werden können.“

Wie konnte er es wagen? Er ließ es so klingen, als wäre sie uninformiert. Als wäre sie unvorbereitet hergekommen.

Annalena würde darauf wetten, dass sie mehr über das Projekt wusste als er.

Jetzt war ihr klar, woran sie mit ihm war. Er benutzte seinen Charme, um seine Skrupellosigkeit zu verschleiern, statt wie sein Vater auf Einschüchterung zu setzen. Aber seine Umgänglichkeit war rein oberflächlich.

Er wollte ihre Einwände beiseitewischen und einfach weitermachen wie bisher. Weil er die Macht dazu hatte.

Ihr Herz schlug so heftig, dass sie sich am liebsten die Hand auf die Brust gelegt hätte, um sich zu beruhigen. Stattdessen ließ sie ihre Hände, wo sie waren. Lebenslang eingeübte Gelassenheit war in schwierigen Momenten ihr Rettungsanker.

Sie holte tief Atem. Als sie hergekommen war, hatte sie gehofft, mit ihm vernünftig darüber sprechen zu können.

Sie hatte gehofft, er wäre nicht wie sein Vater.

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