Ein Baby für den Wüstendoktor

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„Unsere Liebesaffäre während des Ärztekongresses blieb nicht ohne Folgen!“ – Wie wird Dr. Arun al’Kawali auf diese Neuigkeit reagieren? Aufgeregt reist Melissa in den exotischen Wüstenstaat Zaheer, um dem faszinierenden Herzspezialisten ihr süßes Geheimnis zu verraten …


  • Erscheinungstag 01.10.2021
  • Bandnummer 6
  • ISBN / Artikelnummer 9783751506151
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Melissa schaute neugierig aus dem Fenster, als das Flugzeug zur Landung ansetzte. In den Glasfronten der neuen Hochhaustürme spiegelten sich vereinzelt kleine Häuser mit flachen Dächern in der Abendsonne. Auf diese Weise verbanden sich Altes und Neues.

Zaheer!

Sie freute sich darauf, dieses exotische Land kennenzulernen. Zaheer war berühmt für den roten Wüstensand und traumhafte Oasen. Im Schatten großer Dattelpalmen ruhten Kamele, und vor langer Zeit hatten Wüstenkrieger Reisende auf den Handelsrouten von West nach Ost beschützt. Einige Nachfahren dieser stolzen Krieger führten auch heute noch ein Nomadenleben.

„Ich würde dir gern die Wüste zeigen“, hatte Arun während ihrer letzten gemeinsamen Nacht zu ihr gesagt, als sie vom Bett aus den Sonnenaufgang über dem Meer beobachteten. Sie hatten sich auf einem vierzehntägigen Herzsymposium auf Hawaii kennengelernt und sich sofort zueinander hingezogen gefühlt.

Jetzt war Melissa hier und würde die Wüste sehen. Allerdings war nicht sicher, dass Arun sie ihr zeigte. Es ließ sich nicht vermeiden, dass sie ihn traf, schließlich heiratete ihre beste Freundin seinen Zwillingsbruder. Aber wie würden sie miteinander umgehen?

Auf jeden Fall höflich – er war immer sehr höflich.

Förmlich?

Wahrscheinlich. Dies war sein Land, und er musste eine gewisse Haltung wahren.

Aber der Arun, den Melissa auf Hawaii kennengelernt hatte, war ein starker und aufmerksamer Liebhaber gewesen. Kein höflicher, formeller Scheich.

Der Arun, den sie kannte …

Sie presste ihre Hand auf ihren Bauch. Es kam nicht darauf an, wie er mit ihr umging, sondern wie er auf ihre Neuigkeiten reagierte!

Leichte Panik ergriff Melissa.

Sie hätte es ihm eher sagen müssen.

Aber sie war so unsicher gewesen. Selbst jetzt hatte sie noch Zweifel. Seltsam, dass ausgerechnet sie, die als Leiterin eines kinderchirurgischen Teams blitzschnell Entscheidungen über Leben und Tod treffen konnte, sich von etwas so normalem und natürlichem wie einer Schwangerschaft derart aus der Bahn werfen ließ.

Trotzdem hätte sie es ihm sagen müssen …

Arun beobachtete, wie die Vordertür des Flugzeuges geöffnet und die Treppe in Position gebracht wurde.

Als er und sein Zwillingsbruder Kam in den Schulferien aus England nach Hause gekommen waren, wurden sie am Ende dieser Treppe bereits von Limousinen und den Bediensteten ihres Vaters erwartet, die sie zum Familienanwesen bringen sollten. Der Fortschritt hatte diesen Brauch beendet. Trotzdem durfte Arun sich jetzt im Zollbereich aufhalten, um die Eltern der zukünftigen Gemahlin des regierenden Scheichs in Empfang zu nehmen.

All das ging ihm durch den Kopf, als die Treppe befestigt wurde. Wollte er sich so nur von der Frau ablenken, die er gleich treffen würde?

Auf dem Herzsymposium, an dem sie beide teilgenommen hatten, hatte Melissa gehört, dass er aus Zaheer kam. Neugierig hatte sie ihn angesprochen, weil sie etwas über das Land erfahren wollte, in dem ihre beste Freundin arbeitete.

Neben ihrem lebhaften rotgoldenen Haar war Arun zuerst ihr Lächeln aufgefallen. Es ließ ihr Gesicht erstrahlen.

Sie hatten sich so voneinander angezogen gefühlt, dass sie eine kurze, aber sehr leidenschaftliche Affäre begannen. Auch wenn sie beide keine feste Bindung wollten.

Jetzt wollte es der Zufall, dass Melissas beste Freundin Aruns Bruder heiratete.

Oder war es Schicksal?

Seine Vorfahren mochten geglaubt haben, dass ihr Leben von den Launen des Schicksals bestimmt wurde, aber er war ein Mann der Wissenschaft. Und er weigerte sich, das zu glauben. Trotzdem war es seltsam, Melissa jetzt wiederzusehen.

Seltsam und erregend, flüsterte sein Körper. Könnten sie ihre Affäre fortsetzen? Aber Melissa war zu Jennys und Kams Hochzeit hier – also würde sie ihre freie Zeit mit ihrer besten Freundin verbringen.

Oder?

Als Arun hörte, dass sie kommen würde, hatte er ihr eine E-Mail geschickt und sie gefragt, ob sie ihn in einigen Dingen im Krankenhaus beraten würde.

Vielleicht gab es doch so etwas wie Schicksal. Gerade als er im Krankenhaus eine kinderchirurgische Station aufbauen wollte, besuchte eine Expertin auf diesem Gebiet sein Land. Melissa konnte ihm aus praktischer Erfahrung sagen, welche Ausrüstung und welches Personal er brauchte.

Wollte er so erreichen, dass Melissa länger blieb? Um ihre Affäre fortzusetzen?

Eigentlich sollte er sich darauf konzentrieren, eine Frau zu finden und eine Familie zu gründen. Das hatte er Kam und Jenny versprochen.

Melissa hatte ihm kurz geantwortet, dass sie gern behilflich wäre. Leider hatte sie nicht geschrieben, wie lange sie in Zaheer bleiben würde, und Jenny wollte er nicht über Melissas Pläne ausfragen. Sonst hätte er vielleicht unabsichtlich verraten, dass ihre Beziehung über eine Zufallsbekanntschaft hinausgegangen war.

Als Erste verließ eine Frau das Flugzeug, und Arun erkannte Melissa sofort.

Ihr wild gelocktes Haar hatte sie unter einem blauen Tuch versteckt, aber sogar aus der Entfernung erkannte Arun ihr warmes Lächeln, das ihr Gesicht unbeschreiblich schön erscheinen ließ.

Melissa!

Nach ihr kam ein älteres Paar, mit dem sie sich angeregt unterhielt. Das mussten Jennys Eltern sein.

Arun straffte die Schultern und trat vor, um sie zu begrüßen.

Unsicher stieg Melissa die Flugzeugtreppe hinunter. Jetzt war sie in dem Land, von dem Arun so leidenschaftlich erzählt hatte. Seine Begeisterung für sein Heimatland hatte sie selbst auf Hawaii, umgeben von tiefblauem Wasser, die trockene Wüstenluft riechen lassen.

Sie würde ihre beste Freundin Jenny wiedersehen, die kurz vor ihrer Hochzeit stand.

Hier war sie. Im vierten Monat schwanger, und niemand wusste davon …

Außer ihrem Arzt.

Melissa folgte Jennys Eltern über die Rollbahn. Jane Stapleton erzählte aufgeregt, wie schön es doch war, dass Jenny sich wieder verliebt hatte. Sie spekulierte, was das für ein Mann war, der das gebrochene Herz ihrer Tochter geheilt hatte.

Zumindest über sein Aussehen hätte Melissa ihr etwas erzählen können – schließlich waren Arun und Kam eineiige Zwillinge. Aber charakterlich waren sie das genaue Gegenteil. Kam stand kurz vor seiner Hochzeit, während Arun sich nicht vorstellen konnte, jemals wieder zu heiraten oder eine feste Beziehung einzugehen.

„Zwei Beziehungsunfähige – das perfekte Paar!“, hatte Melissa gescherzt.

Sie hatte vom Muttersein nicht die geringste Ahnung. Wie sollte sie da ein Kind aufziehen?

Melissa grübelte, wie sie Kind und Beruf unter einen Hut bekommen konnte. Und auch der Gedanke an die Geburt machte sie nervös. Vom Verstand her wusste sie, dass das Unsinn war. Nur interessierten sich ihre Gefühle nicht dafür, was ihr Verstand sagte.

Die Aussicht, eine alleinerziehende Mutter zu werden, war nicht unbedingt beruhigend. Ein Baby brauchte beide Elternteile.

Aber Arun hatte deutlich gemacht, dass Kinder in seinem Leben keinen Platz hatten.

In ihrem eigentlich auch nicht …

Oje!

Aus dem Augenwinkel nahm Melissa eine Bewegung hinter der Glaswand des Terminalgebäudes wahr.

„Das ist Kams Zwillingsbruder. Du hast ihn schon kennengelernt, oder? Er holt uns ab, weil Kam unterwegs ist.“ Jane sprudelte förmlich über vor Aufregung. „Aber mit den weißen Gewändern habe ich nicht gerechnet. Du?“

Melissa war nicht sicher, was sie erwartet hatte. Doch bestimmt nicht, dass sich ihr die Brust zuschnürte und ihr Puls raste.

Das war nur das Baby und hatte nichts damit zu tun, dass sie Arun sehen würde!

Ihn treffen …

Berühren …

Nicht daran denken!

Sie zwang sich, ruhig zu bleiben, als Jane und Bob Stapleton durch eine Glastür in das Terminalgebäude geführt wurden und der Mann in seinen schneeweißen Gewändern auf sie zukam, um sie zu begrüßen.

„Mr. und Mrs. Stapleton, ich bin Arun Rahman al’Kawali.“

Melissa starrte Arun so erstaunt an, dass sie nicht mitbekam, wie die Stapletons ihn ebenfalls höflich begrüßten und ihm das Du anboten.

„Melissa.“

Seine grünen Augen schauten sie durchdringend an.

Würde ihr Baby diese hellen jadegrünen Augen erben?

„Ich freue mich, dich in meinem Land begrüßen zu können.“

Arun berührte sanft ihre Hand, und Melissa erschauerte. Ihre Reaktion zeigte ihm, dass er nicht allein war mit seinen Gefühlen, und er lächelte sie erfreut an.

Zweifellos erwartete er, dass sie ihre Affäre fortsetzten.

Oje!

Die Gedanken schwirrten nur so in ihrem Kopf herum: Er ist noch immer so attraktiv. Ich hätte ihm von dem Baby erzählen müssen. Wie wird er reagieren?

Du liebe Zeit!

„Ich hoffe, ich kann dir die Schönheit der Wüste zeigen, solange du hier bist.“

Arun sah sie so aufmerksam an, dass Melissa sich fragte, wie deutlich ihr ihre Gefühle anzusehen waren.

Dann wandte er sich wieder an die Stapletons. „Als wir uns auf Hawaii kennenlernten, hat mir Melissa erzählt, wie sehr sie das Meer liebt. Ich habe versucht, ihr die Wüste als etwas Ähnliches zu beschreiben. Aber es ist schwer, die Ähnlichkeiten zu erkennen, wenn man es noch nie gesehen hat.“

Arun klang so unbefangen. Warum auch nicht? Dies war sein Land. Hier regierte er mit seinem Zwillingsbruder. So hatte Jenny es ihr in einer E-Mail erklärt.

Er wollte ihr die Schönheit der Wüste zeigen. Die Untertöne in seinen Worten ließen Melissa nervös werden. Jetzt, wo das Schicksal sie wieder zusammengeführt hatte, gab es in seinen Augen keinen Grund, warum sie ihre Affäre nicht weiterführen konnten.

Ihr wurde heiß, und ihr Puls begann zu rasen.

Oje!

Kurz überlegte sie, zum Flugzeug zurückzulaufen und irgendwohin zu fliegen, bis sie wusste, wie sie das, was vor ihr lag, angehen wollte.

Aber es wäre feige, jetzt wegzulaufen, und ein Feigling war sie noch nie gewesen. Also straffte Melissa die Schultern und begegnete ihm scheinbar entspannt. „Ich würde die Wüste sehr gern sehen“, antwortete sie etwas verspätet. „Und Bob und Jane sicher auch.“

Arun nickte schmunzelnd. Doch Melissa bezweifelte, dass er ihr wirklich zustimmte.

Würde Arun für sie alle den Wüstenführer spielen?

Wahrscheinlich. Er war einfach ein höflicher Mensch.

Aber würde Melissa in seiner Gegenwart wirklich nur die Wüste sehen?

Wohl kaum.

Sie könnte ihm aus dem Weg gehen. Dann wäre sie sicher vor dem Gefühlschaos, das er in ihr verursachte. Denn die langen Gewänder boten leider keinen Schutz vor Anziehungskraft.

Aber wie sollten sie dann über das Baby sprechen?

O verdammt.

„Folgt mir bitte“, sagte Arun und führte Bob Stapleton zu einem wartenden Zollbeamten. „Euer Gepäck wird hier kontrolliert, und dann können wir fahren. So müsst ihr nicht durch die Menschenmassen durch.“

Viele Menschen wären hilfreich gewesen, dachte Melissa. Dann hätte ich in der Menge ungesehen verschwinden können.

Und Jenny müsste sich eine andere Brautjungfer suchen! Nein, das konnte sie ihrer besten Freundin nicht antun.

Melissa musste also nur die Anziehung zwischen ihnen ignorieren und ihre Schwangerschaft verheimlichen, bis sie mit Arun allein sprechen konnte. Glücklicherweise hatte sie ihre Kleidung an die örtlichen Sitten angepasst, sodass ihr Zustand nicht weiter auffiel. Inzwischen würde sie einfach weiter so tun, als ob Arun nur eine Zufallsbekanntschaft von einer Medizinerkonferenz wäre.

Wenn er das konnte, konnte sie das auch.

Allerdings geriet dieser Entschluss ins Wanken, als er die Stapletons zu dem Zollbeamten führte und dann zu ihr kam.

„Wie geht es dir? Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass du hier in meinem Land bist. Es gibt so viel, das ich dir zeigen kann. So viel, das wir gemeinsam genießen können.“

Seine raue Stimme voller verheißungsvoller Untertöne ließ ihren Entschluss noch weiter wanken. Aber sie weigerte sich, sich davon – oder von ihrem eigenen Körper – verführen zu lassen.

„Mach dir meinetwegen keine Umstände“, sagte Melissa. „Du bist doch gerade mit den Umbauarbeiten im Krankenhaus beschäftigt. Wir werden uns bestimmt ab und zu sehen, aber …“

„Willst du mir damit sagen, dass du unsere Affäre nicht fortsetzen möchtest?“

Jetzt klang seine Stimme hart.

Melissa zuckte die Schultern und versuchte, unbeteiligt zu wirken. Sie hoffte, Arun kaufte es ihr auch ab.

„Ich werde nicht lange hier sein. Das wäre sinnlos.“

„Ah!“, antwortete er. Aber es klang nicht so, als würde er es wirklich verstehen. „Wenn du das willst, Melissa …“

Melissa spürte, wie er sich kühl zurückzog und seine Aufmerksamkeit wieder den Stapletons widmete.

Was war denn das? Arun grübelte, während er dem Zollbeamten zusah, der den ersten Koffer öffnete. Er hatte verstanden, dass sie ihre Affäre nicht fortsetzen wollte, aber zwischen den Zeilen schien ihm etwas so verborgen zu bleiben wie ihr üppiger, sanft gerundeter Körper unter dem verhüllenden Kaftan, den sie trug.

Vielleicht verunsicherte sie die Nähe der Stapletons – und sie konnte nicht so antworten, wie sie es wollte.

Nein. Sie hatte deutlich gesagt, es wäre sinnlos …

Arun beobachtete Melissa, als sie ihren Koffer öffnete, und bemerkte die Anspannung in ihrem blassen Gesicht.

Hatte der Flug sie erschöpft, oder war es etwas anderes?

Er fragte sich, warum es ihn beschäftigte, ob sie müde oder gestresst war.

Weil ihn die Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit in den letzten vier Monaten bis in seine Träume verfolgt hatten?

Oder empfand er mehr für sie, als er sich eingestehen wollte?

Unmöglich! Es war nur eine angenehme Affäre gewesen und nichts weiter.

Allerdings eine sehr leidenschaftliche Affäre …

Der Zollbeamte kontrollierte flüchtig die Taschen, während ein anderer Beamter die Reisepässe abstempelte. Dann wurde ihr Gepäck zum Auto gebracht. Arun begleitete Bob Stapleton, Melissa und Jane folgten ihnen und unterhielten sich leise.

Die drei Gäste nahmen im bequemen Fond der großen Limousine Platz, während Arun vorn neben dem Fahrer saß. Auf der Fahrt zeigte und erklärte er ihnen die Wahrzeichen der Stadt.

„Oh!“

Bei Melissas Ausruf drehte er sich um und sah, wie sie begeistert nach Westen zeigte. Dort spiegelte sich der rote Wüstensand am Himmel, sodass die Sonne wie eine Scheibe aus flüssigem Gold in einem roten Meer wirkte. Durch seine Gäste erlebte Arun die für ihn alltägliche Magie eines Sonnenuntergangs in der Wüste neu.

Leise sprach er mit dem Fahrer, der daraufhin von der Hauptstraße abbog und sie zu einem Aussichtspunkt brachte. Von dort konnten sie das atemberaubende Spektakel noch besser beobachten.

„Unglaublich schön“, flüsterte Melissa. „Ich hätte nie gedacht, dass Sonnenuntergänge in der Wüste so beeindruckend sein würden.“ Sie wandte sich Arun zu. „Es erinnert wirklich an das Meer.“

Das Staunen in ihrer Stimme erregte Arun unglaublich. Sie hatten so gut zusammengepasst, dass ihre kurze Affäre weit über einfachen Sex hinausgegangen war. Auch wenn sie beide sich eingeredet hatten, dass es nicht mehr war. Arun hatte ihr erklärt, dass er nach dem tragischen Tod seiner Frau Hussa nicht noch einmal heiraten wollte. Melissa hatte ihm gestanden, dass sie mit ihrer Arbeit verheiratet war. Ihre Arbeit mit kranken Kindern gab ihr die Befriedigung, die sie in ihrem Leben brauchte.

Warum freute sie sich nicht, ihn wiederzusehen? Und warum konnten sie keine Freunde sein, wenn schon nicht Geliebte?

Innerlich musste Arun lachen. So wie zwischen ihnen die Funken flogen, würde eine Berührung genügen, um das Feuer in ihnen neu zu entfachen.

Nur eine Berührung …

„Wollen wir jetzt zu Jenny?“

Jane Stapletons Frage zeigte Arun, dass das abendliche Spektakel vorbei war und der Himmel nach dem atemberaubenden Farbspiel allmählich dunkel wurde. Arun wies den Fahrer an, zum Familienanwesen weiterzufahren.

Melissa schwieg den Rest der Fahrt. Dieser magische Moment hatte sie sehr berührt. Wie sollte sie stur und unnachgiebig bleiben, wenn um sie herum alles neu, aufregend und so unerwartet schön war? Aber wenn sie sich dafür öffnete, gehörte Arun dann nicht auch dazu?

Verstohlen sah sie in seine Richtung. Das schneeweiße Tuch, das er auf seinem Kopf trug, wurde von zwei gedrehten, schwarzen Bändern und einer goldenen Borte gehalten. Leider konnte sie durch das Tuch sein Gesicht nur im Profil sehen. Die kräftige Nase, das energische Kinn und die Lippen, die ihren Körper in Ekstase versetzen konnten.

In westlicher Kleidung war er exotisch gewesen, aber in diesen Gewändern schien ihn eine besondere Aura zu umgeben. Ein Gefühl von Macht, von …

Kaum gezügelter sexueller Anziehungskraft?

Denk nicht über ihn nach! Konzentrier dich auf die Fahrt, befahl sich Melissa.

Die Limousine näherte sich einer hohen Mauer, die ein hell erleuchtetes Gelände umgab. An der Mauer lehnten zwei Männer und dösten, doch als sie die Limousine erkannten, öffneten sie hastig das riesige Tor.

Innerhalb der Mauern begann eine andere Welt. Der Innenhof war taghell erleuchtet, sodass die kunstvollen Gärten und ornamentverzierten Brunnen gut zu erkennen waren.

„Sie möchten sicher gleich zu Ihrer Tochter“, sagte Arun. „Bis vor Kurzem hat Jenny im Haus der Frauen gewohnt. Aber jetzt ist sie in das Haus gezogen, in dem sie nach der Hochzeit mit Kam wohnen wird. Ihr werdet selbstverständlich bei ihr wohnen.“

„Haus der Frauen?“, fragte Melissa verwirrt.

„Für Fremde mag es seltsam klingen“, antwortete Arun, „aber es ist ein jahrtausendealter Brauch hier. Früher waren es natürlich Zelte und keine Häuser.“

Seine unverbindliche Erklärung zeigte Melissa, dass Arun sie verstanden hatte. Ihre Beziehung war Vergangenheit. Und dementsprechend distanziert verhielt er sich ihr gegenüber.

Warum war sie dann enttäuscht?

Die Limousine hielt vor einem der großen Häuser, die den Hofgarten einrahmten. Breite, flache Treppenstufen führten zu einer unauffälligen Tür, vor der unzählige Sandalen standen.

Melissa folgte den Stapletons die Treppe hoch. Aber bevor sie oben ihre Schuhe ausziehen konnte, berührte Arun leicht ihren Arm.

„Vielleicht solltest du ihnen etwas Zeit geben. Wenn du möchtest, zeige ich dir solange die Gärten.“

Sie starrte ihn kurz an. Jenny würde bestimmt gern etwas Zeit mit ihren Eltern allein verbringen. Aber sein Angebot machte sie misstrauisch.

Arun zeigte in Richtung der Gärten. „Wir gehen hier durch, zu den Ställen. Wie du siehst, sind genug Leute unterwegs. Du bist sicher vor mir.“

Ein Schauer durchfuhr Melissa – diesmal war es keine Enttäuschung, sondern Erinnerungen an die Zeit, als sie nicht sicher vor ihm gewesen war, weil sie die Finger nicht voneinander lassen konnten. Errötend drapierte sie ihr Kopftuch neu um ihr Gesicht. Hoffentlich hatte er es nicht bemerkt!

Arun deutete ihr Schweigen als Zustimmung und führte sie die Stufen wieder hinunter. Sie folgten einem geharkten Kiesweg, der von perfekt gestutzten Hecken eingesäumt war, zu den Teichen in der Mitte des Hofes.

Alles wirkte so idyllisch, dass Melissa die Stimmung nicht zerstören wollte. Sie würde ihm später von ihrer Schwangerschaft erzählen. Aber sie musste es ihm sagen. Und je früher, desto besser.

„Erklärst du es mir?“, fragte Arun, als sie an glitzernden Brunnen vorbeigingen.

Konnte er ihre Gedanken lesen?

Ahnte er, dass sie ihm etwas sagen wollte?

Nicht heute. Sie war erschöpft und unsicher.

„Was erklären?“, wich sie ihm aus.

„Ist es dir peinlich, dass wir uns hier wiedersehen?“

Könnte sie ihn anlügen? Ihn denken lassen, dass das der Grund war, warum sie nicht auf ihn reagierte?

Nein, das konnte sie nicht. Lügen wurden immer kompliziert.

„Es ist mir nicht peinlich“, erwiderte Melissa. Zu spät bemerkte sie, dass sie ihm keine andere Erklärung für ihr Verhalten geben konnte. Zumindest nicht, bevor sie ihre Gedanken geordnet hatte.

Als ob das klappen würde!

„Gibt es einen anderen Mann in deinem Leben?“, fragte Arun hartnäckig. Er suchte eine Erklärung dafür, warum sie ihre Beziehung nicht weiterführen wollte.

Wenn er nur wüsste, wie sehr sie auf ihn reagierte. Wie empfindlich ihre Haut sich anfühlte. Wie nervös er sie machte.

„Nein“, antwortete sie gepresst und lächelte angestrengt. „Beziehungsunfähige, erinnerst du dich?“

Arun nickte, aber er schien mit ihrer Antwort nicht zufrieden zu sein.

„Ist es deine Arbeit? Ich weiß, du hast gehofft, die Stelle in Boston zu bekommen, und dein Bewerbungsgespräch war gut gelaufen. Trotzdem bist du von Australien hergeflogen. Hast du die Stelle nicht bekommen? Bist du sehr enttäuscht?“

Melissa musste schmunzeln und schüttelte den Kopf. Das sollte sie besser nicht allzu oft tun, sonst verrutschte ihr Tuch.

„Muss es denn einen Grund geben?“, fragte sie. Sie setzte sich an den Rand eines Teiches und ließ ihre Hand durch das kühle Wasser gleiten. „Verlangt dein Stolz eine glaubhafte Begründung dafür, warum eine Frau nicht sofort wieder in dein Bett zurückkehren möchte?“

Die Spitze hatte gesessen. Für einen Moment war Arun sprachlos.

„Mir war nicht bewusst, dass ich dich in mein Bett eingeladen habe“, erwiderte er schließlich langsam. Rigoros unterdrückte er die Sehnsucht nach ihr, die er fühlte, seit sie aus dem Flugzeug gestiegen war. „Ich habe von Freundschaft gesprochen. Aber wenn deine Beziehungsphobie auch das nicht zulässt, tust du mir leid.“

Melissa wurde blass und sah Arun betroffen an. Leicht berührte sie seinen Arm und hinterließ dabei feuchte Spuren auf seinem Gewand.

„Nein, mir tut es leid, Arun. Es ist nur …“

Die Betroffenheit in ihrem Blick war einer stummen Bitte gewichen. Um Verständnis? Aber wie sollte er Verständnis haben, wenn er nicht wusste, was hier vor sich ging?

Warum wirkte diese starke Frau plötzlich so zerbrechlich? So verletzlich?

Melissa lächelte ihn müde an. „Kann ich es auf den Jetlag schieben, wenn ich im Moment etwas verwirrt bin?“

Sie könnte, aber Arun würde ihr nicht glauben. Diese Frau konnte nach einer leidenschaftlichen Nacht und völlig unausgeschlafen einen brillanten Vortrag auf einem schwierigen Symposium halten. Also bezweifelte er, dass ein Jetlag sie derart aus dem Konzept bringen konnte.

Er setzte sich zu ihr. Hier waren sie ganz allein. Er könnte sie küssen.

„Du möchtest also erst einmal nicht darüber sprechen?“, fragte er. Dabei erinnerte er sich so lebhaft an ihr Liebesspiel, dass sich sein Körper vor Erregung anspannte.

Wieder schenkte sie ihm ein mattes Lächeln. „Im Moment, ja“, antwortete Melissa. „Aber später – morgen oder nach der Hochzeit – unterhalten wir uns.“

„Versprichst du mir das?“

Sie nickte.

Er kam ihr näher, und sie zog sich nicht zurück. Aber sie wirkte nervös.

„Hier in Zaheer besiegeln wir Versprechen mit einem Kuss“, flüsterte Arun.

Autor

Meredith Webber
Bevor Meredith Webber sich entschloss, Arztromane zu schreiben, war sie als Lehrerin tätig, besaß ein eigenes Geschäft, jobbte im Reisebüro und in einem Schweinezuchtbetrieb, arbeitete auf Baustellen, war Sozialarbeiterin für Behinderte und half beim medizinischen Notdienst.
Aber all das genügte ihr nicht, und sie suchte nach einer neuen Herausforderung, die sie...
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