Du weißt doch, was ich will

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Beim Renovieren von Alaynas Waisenhaus packt Jack begeistert mit an. Harte Arbeit kann ihn nicht schrecken, tiefe Gefühle dagegen schon. Nach traurigen Erfahrungen hat er sein Herz fest verschlossen - für immer. Es sei denn, Alayna findet den richtigen Schlüssel …


  • Erscheinungstag 22.05.2016
  • Bandnummer 4
  • ISBN / Artikelnummer 9783733774233
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Jack Cordell gab einen weiteren Löffel Zucker in seinen Kaffee und rührte endlos darin herum.

Er hatte sich für seinen Lunch eine kleine Stadt ausgesucht und dort ein traditionelles Restaurant gefunden, das hausgemachte Gerichte ab 4,95 Dollar anbot. Wenngleich ihn der Preis nicht sonderlich interessierte, so hatte ihn die Aussicht auf eine anständige Mahlzeit gelockt. In den sechs Monaten, die er schon unterwegs war, hatte er sich fast ausschließlich von Fast Food ernährt, und sein Magen verlangte nach einem herzhaften Essen.

Obwohl in dem Restaurant reger Betrieb herrschte, als er es betreten hatte, war es nun fast leer. Gelegentlich hörte man aus der Küche ein paar Töpfe klappern, und die Kreppsohlen der Kellnerin, die die Tische abräumte, quietschten auf dem abgelaufenen Linoleumboden. Sie war etwa Ende fünfzig, vollbusig, wohlgenährt und hatte ihr rot gefärbtes Haar mit einer goldenen Spange hochgesteckt. Ihre rationelle Arbeitsweise zeigte, dass sie ein alter Hase im Geschäft war.

Der Blick durch die staubige Scheibe bot Jack eine gute Aussicht auf den leeren Parkplatz des Restaurants, die Bank auf der anderen Straßenseite und das Postamt daneben. Wenn er seinen Hals reckte, konnte er sogar das ganze Zentrum der Stadt überblicken. Jack hatte die letzten fünf Jahre seines Lebens in Houston verbracht, aber aufgewachsen war er in einem Ort, der so groß war wie dieser. Vielleicht fand er deshalb diese kleine Stadt Driftwood so anziehend, ja, geradezu friedlich.

Und es war lange her, seit Jack so etwas wie Frieden empfunden hatte.

Als er die große Eiche betrachtete, die das Bankgebäude beschattete, überkam ihn eine tiefe Schwermut. Er hatte das Davonlaufen satt. Er hatte es satt, den größten Teil seiner Zeit im Truck zu verbringen und sein Essen aus fettverschmierten Papiertüten zu sich zu nehmen. Er hatte genug von dieser monotonen weißen Linie, der er ständig hinterherjagte. Sein einziger Freund war eine Flasche Whiskey, die er unter dem Fahrersitz versteckt hatte und die ihm helfen sollte, seinen Schuldgefühlen zu entkommen. Aber nichts konnte ihm Erleichterung verschaffen, wenn sich der Kummer in sein Herz schlich und das Leid ihn zu erdrücken drohte.

Eigentlich hatte er ja ein Zuhause, und in seinen alten Beruf könnte er auch wieder einsteigen. Aber die Vorstellung, dorthin zurückzukehren, reizte ihn nicht mehr.

Während er noch nachdenklich zur anderen Straßenseite hinüberblickte, bemerkte er, wie eine hübsche Frau aus der Bank trat. Das blonde, füllige Haar reichte ihr bis über die Schultern und ließ sie geradezu zerbrechlich erscheinen. Sie trug ein weites hellblaues Kleid ohne Ärmel, das wadenlang war und nur wenig Bein zeigte. Schade, dass ihre Figur in diesem formlosen Kleidungsstück vollkommen unterging. Nur ihre schmalen, zierlichen Füße, die in hochhackigen Sandaletten steckten, deuteten darauf hin, dass sie schlank sein musste.

Mit geneigtem Kopf schlenderte sie langsam über die Straße und schien völlig in ihre Gedanken vertieft zu sein. Leider konnte Jack ihr Gesicht nicht erkennen, aber ihre Schritte führten sie unaufhaltsam zu dem Restaurant, aus welchem Jack sie beobachtete. An der Eingangstür hob sie den Kopf und straffte die Schultern.

Jack erstarrte. Ihm war, als blickte er in das Gesicht eines Engels, und zwar eines ungewöhnlich attraktiven Engels. Mit ihrem makellosen Teint und den perfekten Gesichtszügen sah sie fast zu schön aus, um irdisch zu sein. Jack war überwältigt von ihren klaren, blauen Augen und ihren vollen, roten Lippen. Sie bewegte sich mit einer natürlichen Anmut, die in ihm Gefühle weckte, von denen er geglaubt hatte, dass sie seit Monaten tot seien.

Für ein paar Sekunden verlor Jack sie aus den Augen. Aber er erwartete sie schon ungeduldig, als sie, begleitet von einem Schwall heißer, schwüler Luft, durch die Tür trat. Sie hielt inne, schaute sich um und begegnete für Sekunden seinem Blick. Dabei lag ein süßes Lächeln auf ihren Lippen. Dann drehte sie sich um und ging zur Bar.

Sie strich sich das feuchte Haar aus der Stirn. „Maudie“, hörte er sie sagen, „sicherlich hast du noch ein Glas von deinem berühmten Eistee für mich.“

Die Kellnerin wischte sich die Hände an der Schürze ab, ihre rot angemalten Lippen verzogen sich zu einem freundlichen Lächeln. „Na, durstig?“

„Durstig? Ich komme fast um vor Durst!“ Der attraktive Engel – wie Jack die Frau insgeheim nannte – ließ sich an der Bar nieder. Ihr Kleid wölbte sich wie ein aufgeblasener Luftballon um den Hocker. Sie stützte einen Ellbogen auf den Tresen und fächelte sich mit ihrer kleinen Hand Luft zu. „Glaub mir, es ist so heiß, dass man auf dem Gehweg Spiegeleier braten könnte.“ Maudie füllte Eiswürfel in ein Glas. „Hast du das gehört, Ed?“, rief sie in die Küche und goss aus einer Karaffe Eistee in das Glas, ohne einen Tropfen zu verschütten. „Alayna meint, dass wir die Eier auf dem Asphalt braten könnten. Warum stellst du nicht den Grill ab und verlagerst deine Küche nach draußen? Dann wäre es hier drinnen kühler und wir könnten noch das Geld für Gas sparen.“

Jack hörte eine mürrische Männerstimme antworten, konnte die Worte aber nicht verstehen. Alayna – dank Maudie hatte er endlich einen Namen für den attraktiven Engel – berührte mit den Fingerspitzen ihre Brust und rief dem Mann in der Küche in einem übertriebenen Südstaatenakzent zu: „Eddy, du weißt wirklich, wie du einer Frau mit Süßholzgeraspel den Kopf verdrehen kannst.“

Maudie warf den Kopf in den Nacken und brach in schallendes Gelächter aus. „Glaub mir, du hast dich soeben angehört wie deine Mutter.“ Immer noch lachend, zog sie sich einen Hocker heran und setzte sich. „Wie geht’s der alten Zicke eigentlich?“ Der spöttische Kommentar über ihre Mutter ließ Alayna unbeeindruckt. „Gut. Sie macht Daddy wie immer das Leben schwer.“

„Geschieht ihm auch recht dafür, dass er seine Heimat Texas verlassen hat, um eine Südstaatenschönheit zu heiraten.“ Während Maudie bedauernd den Kopf schüttelte, nahm sie sich ein Glas, um es zu polieren. Offensichtlich schien sie zu einem ausgiebigen Tratsch bereit zu sein. „Wie geht eigentlich der Umbau deines Hauses voran?“

Alaynas Lächeln verblasste. Langsam griff sie nach einer Serviette und betupfte sich den Mund. Jack vermutete, dass sie ihre Gesprächspartnerin hinhalten wollte. „Leider nicht besonders gut.“ Sie zerknüllte die Serviette in ihrer Faust. „Frank ist weg!“

Maudies Augen wurden riesengroß. „Und wie viel hat er dir abgeknöpft?“

Jack konnte noch sehen, wie sich Alaynas Wangen röteten, bevor sie ihr Glas hob, als wollte sie sich dahinter verstecken.

„Genug“, sagte sie leise.

Maudie hieb mit der Faust so heftig auf den Tresen, dass die Servietten, die darauf lagen, zu Boden wirbelten. „Dieser hinterhältige Schurke! Ich wusste doch, dass er es darauf abgesehen hat, dich auszunehmen. Hab ich dir nicht gleich gesagt, dass du diesem Bastard nicht trauen darfst?“

Alaynas Röte vertiefte sich, ob aus Wut oder Verlegenheit, konnte Jack nicht feststellen.

„Ja, schon“, hörte er sie kleinlaut antworten. „Aber ich hatte keine große Auswahl an Bewerbern. Und seine handwerklichen Fähigkeiten schienen sehr gut zu sein. Also glaubte ich ihm, als er sagte, dass er das Pond-Haus fachgerecht renovieren würde.“

„Das kann schon sein. Trotzdem bin ich mir sicher, dass der Name McCloud und dein Doktortitel diese falsche Schlange Frank angelockt haben. Er muss darin sofort eine Chance gewittert haben, seine Taschen mit leicht verdientem Geld zu füllen.“

Sie ist also Ärztin, dachte Jack. Zwar wusste er, dass es sich nicht gehörte, die beiden heimlich zu belauschen, aber er konnte einfach nicht anders. Außerdem hätte er sonst nie ihren vollständigen Namen erfahren: Alayna McCloud. Ihm gefiel der sanfte weibliche Klang, der dennoch Stärke ausdrückte. Und so schätzte Jack auch ihren Charakter ein.

Mitfühlend schüttelte er den Kopf. Sie war also von einem Mann hereingelegt worden, der ihr das Haus umbauen sollte. Solche Geschichten kamen ihm bekannt vor.

„Er hat es immerhin bewohnbar gemacht“, hörte Jack sie erwidern. „Die Küche und zwei der Badezimmer sind so gut wie fertig.“

„Und bezahlt hast du ihn im Voraus?“

„Nun ja, nicht ganz. Er hat mich um das Geld gebeten, weil er es brauche, um die Miete zu bezahlen. Sonst würde der Vermieter ihn und seine Familie rauswerfen.“

„Zum Teufel, Alayna! Frank hat doch gar keine Familie. Anstatt dein Haus zu renovieren, erzählt er dir rührselige Geschichten.“ Alayna blieb vor Verblüffung der Mund offen stehen, und Maudie seufzte tief. „So, und was willst du nun machen?“

Alayna sah auf den Tresen und tauchte ihren Finger in das kondensierte Wasser, das ihr Glas hinterlassen hatte. „Ich habe daran gedacht, eine Anzeige in die ‚Austin Paper‘ zu setzen.“ Als sie den Kopf hob, lag in ihren Augen so viel kindliche Hoffnung und Naivität, dass Jack dem Mann, der sie im Stich gelassen hatte, am liebsten eine runtergehauen hätte.

„Ich glaube kaum, dass du in Austin einen Zimmermann finden wirst.“

Jack spitzte die Ohren, als er das Wort „Zimmermann“ hörte. Melancholie überkam ihn wieder, und er wischte sich seine plötzlich feucht gewordenen Handflächen an der Hose ab. Es war Jahre her, dass er einen Hammer geschwungen, an einer Drehbank gesessen und das befriedigende Gefühl gehabt hatte, wenn sich das Holz unter seinen Fingern erwärmte. Er war gelernter Zimmermann, aber die letzten Jahre, seitdem er sich selbständig gemacht hatte, hatte er sich nur noch um Verträge gekümmert, mit Architekten verhandelt und mit Lieferanten gefeilscht. Wollte er überhaupt in seine Firma zurückkehren und dieses Leben weiterführen? Wollte er überhaupt jemals wieder nach Houston?

Durch das Fenster schaute Jack erneut zu der Eiche, die einen gewaltigen Stamm besaß und Äste, die weit über die Straße reichten. Er kniff die Augen zusammen und richtete den Blick auf die hübschen kleinen Geschäfte, die an der Straße lagen. Ja, in genauso einer kleinen friedlichen Stadt, wo jeder jeden kannte, war er aufgewachsen.

Seufzend verdrängte er die aufsteigenden Erinnerungen. Er hatte es zwar satt, ständig davonzulaufen, aber er war noch nicht bereit, nach Hause zurückzukehren. Noch nicht. Vielleicht würde er es auch nie sein.

Er erhob sich, nahm seine Mütze von der Stuhllehne und ging zur Kasse. Dort fischte er einen Zehndollarschein aus seiner Hosentasche.

Maudie stand der Ärger noch ins Gesicht geschrieben, als sie zu ihm kam. „Hat es geschmeckt?“ Sie bemühte sich, Jack anzulächeln, während sie seinen Schein entgegennahm.

„Sehr gut, danke“, murmelte Jack höflich und steckte das Wechselgeld ein. Nach einem letzten Blick auf Alayna drehte er sich um und verließ das Restaurant.

Alayna ließ die Tür des Restaurants hinter sich zufallen und hielt inne, um tief Luft zu holen. Maudies Vorwürfe waren zu erwarten gewesen. Aber das half jetzt auch nichts mehr. Sie war mehrere Tausend Dollar los und saß mit einem halb fertigen Haus da.

Es hätte noch schlimmer kommen können, sagte sie sich, indem sie versuchte, die positive Seite zu sehen. Es hätte auch passieren können, dass Frank mit dem Geld verschwunden wäre, ohne einen Finger gerührt zu haben. Wenigstens dafür sollte sie dankbar sein. Immerhin konnte sie nun in ihrem eigenen Haus schlafen und sich waschen, was, wie sie fand, schon ein bedeutender Fortschritt war. Auch konnte sie sich ihre Mahlzeiten zubereiten und war nicht mehr auf die Gastfreundschaft ihrer Cousinen angewiesen. Obwohl sie sehr gern bei Mandy, Sam und Merideth gegessen hatte und dadurch deren Familien nähergekommen war, konnte sie die Zeit, die sie mit Hin- und Herfahren verbracht hatte, sinnvoller für andere Dinge nützen. Dafür sollte sie Frank auch dankbar sein.

Und da waren noch die …

„Entschuldigen Sie bitte.“

Alayna fuhr zusammen, als ein Mann aus dem Schatten des Restaurants trat.

„Tut mir leid“, sagte er und nahm seine Mütze ab. „Es war nicht meine Absicht, Sie zu erschrecken.“

Alayna presste sich unwillkürlich die Hand aufs Herz. „Sie haben mich gar nicht erschreckt.“

Fragend blickte er auf ihre erhobene Hand. „Was Sie nicht sagen.“

Alayna sah an sich hinab und bemerkte erst jetzt, wo ihre Hand lag. Verlegen ließ sie sie sinken. Da sie nichts Bedrohliches in der Haltung und den Augen des Mannes erkennen konnte, beruhigte sie sich wieder und setzte ein selbstbewusstes Lächeln auf. „Na ja, vielleicht ein bisschen“, gab sie zu. „Sagen Sie mal, waren Sie vorhin nicht auch im Restaurant?“

Unruhig spielten seine Finger mit der Mütze. „Ja, und ich habe unabsichtlich Ihr Gespräch mitgehört.“

„Sie meinen wohl Maudies Vortrag?“

Jack zuckte die Schultern. „Es klang so, als wolle sie nur Ihr Bestes.“

„Kann ja sein, aber wissen Sie, ich komme mir ziemlich dumm vor, besonders weil Maudie mich ausdrücklich vor Frank gewarnt hat.“ Alayna seufzte und betrachtete Jack genauer. „Ich glaube nicht, dass ich Sie hier schon mal gesehen habe. Leben Sie in Driftwood?“

„Oh nein, ich bin nicht aus dieser Gegend.“

„Hab ich’s mir doch gedacht.“ Sie lachte auf. „In Driftwood kennt jeder jeden.“

Wie ein Echo vernahm er seine eigene Meinung über diese Stadt aus ihrem Munde. Aber wie konnte er ihr nur seine Idee nahe bringen, die ihm vorhin gekommen war?

Alayna, die merkte, dass er ein Anliegen hatte, schaute ihn fragend an. „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“

„Vielleicht schon“, begann er unsicher. „Wie gesagt, habe ich Ihr Gespräch mit angehört, und Sie erwähnten, dass Sie jemanden suchen, der Ihnen das Haus renoviert. Ich möchte mich für diesen Job bewerben und Ihnen die Mühe ersparen, eine Anzeige aufzugeben.“

„Sind Sie etwa Zimmermann?“

„Ja, ich habe die meiste Zeit meines Lebens in diesem Beruf gearbeitet. Mein Vater war auch Zimmermann und hat mich und meinen Bruder dieses Handwerk gelehrt. Zudem kann ich alles, was bei einer Renovierung so anfällt, sei es Kabel verlegen, Leitungen installieren oder Wände streichen … Was immer Sie wollen.“

Sie unterzog ihn jetzt einer genaueren Prüfung. Er war ungefähr in ihrem Alter, wenn nicht etwas älter. Seine markanten männlichen Gesichtszüge und die kräftigen Schultern gefielen ihr. Zweifellos konnte der Mann hart anpacken. Außerdem sah er sie offen an, was sie für ein Zeichen seiner Aufrichtigkeit hielt.

Trotzdem entdeckte sie in seinem Blick etwas Beunruhigendes: eine gewisse Traurigkeit, wenn nicht gar Leere. Nicht, dass sie das in ihrer Entscheidung, ihn anzustellen, beeinflussen würde. Aber es machte sie neugierig auf diesen Menschen und seine Geschichte. Vielleicht hatte er eine schwere Enttäuschung hinter sich oder musste den Verlust einer geliebten Person verarbeiten, denn er wirkte desillusioniert und verschlossen. Sie fragte sich, ob er vielleicht eines Tages seinen Schmerz mit ihr teilen würde und sie ihm helfen könnte, besser damit fertig zu werden.

Aus irgendeinem Grund empfand sie eine gewisse Zuneigung für diesen Mann.

Ihr war klar, dass Maudie einen hysterischen Anfall bekäme, wenn sie einen wildfremden Mann anstellen würde, besonders nach dem Reinfall mit Frank. Aber Alayna war verzweifelt, denn sie brauchte dringend jemanden.

„Ich bezahle nach Stunden“, sagte sie, nannte ihm den Betrag und wartete auf seine Reaktion.

Er nickte. „Damit bin ich einverstanden.“

„Und ich besorge, was Sie an Material benötigen.“

„Wie Sie möchten.“

„Sie sagten, Sie sind nicht von hier?“

„Ja.“

„Nun, wo werden Sie wohnen?“

„Ich weiß es noch nicht, aber ich werde sicherlich etwas finden.“

„Auf meinem Grundstück steht eine kleine Hütte. Ich habe dort gewohnt, bis ich in das Haus einziehen konnte.“

Jack war nicht klar, ob er dies als Einladung auffassen sollte. Deshalb hielt er es für klüger, vorerst nicht zu antworten.

„Sie können gern dort wohnen. Es ist zwar bescheiden, aber Sie werden dort das Nötigste vorfinden.“

„Mehr brauche ich auch nicht.“

„Sind Sie ein Mann, der zu seinem Wort steht?“

Schon allein die Frage hätte Jack als Beleidigung empfunden, wenn sie nicht von ihr gekommen wäre. „Mein Wort zählt so viel wie jeder Vertrag.“

„Und ich habe Ihr Wort, dass Sie den Umbau bis zum Ende durchziehen werden?“

Er nickte entschlossen. „Sie haben mein Wort.“

„Wann können Sie anfangen?“

„Ab wann brauchen Sie mich?“

Alayna schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln. „Haben Sie heute Nachmittag schon etwas vor?“

„Nichts Bestimmtes.“

Nachdem sie etwas zum Schreiben aus ihrer Tasche geholt hatte, klemmte sie sich diese gegen ihren Bauch und benutzte sie als Unterlage. „Ich habe noch etwas zu erledigen“, erklärte sie ihm, während sie den Weg zu ihrem Haus notierte. „Aber um drei werde ich zurück sein.“

Jack nahm den Zettel entgegen und bewunderte ihre elegante Schrift. Als er aufsah, streckte sie ihm lächelnd die Hand entgegen. „Übrigens, ich heiße Alayna McCloud.“

So nah, wie sie nun bei ihm stand, bemerkte er, dass ihre Augen noch blauer waren, als er vorhin gedacht hatte. Er fürchtete fast, er könnte darin ertrinken, wenn er sie nur lange genug ansah. Zögernd ergriff er ihre Hand und schüttelte sie. „Jack Cordell.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Jack.“

Ihr warmer Händedruck ließ ihn nicht ungerührt, und auf einmal verspürte er einen Kloß im Hals. Schnell zog er seine Hand zurück. „Gleichfalls“, entgegnete er und wandte sich abrupt um.

Jack saß auf der Verandatreppe und wartete. Mit dem Ärmel wischte er sich hin und wieder den Schweiß von der Stirn. Alayna hatte drei Uhr gesagt, nun war es fast halb vier.

Seufzend streckte er die Beine aus. Vielleicht hatte er sich etwas übereilt für diese Arbeit entschieden. Was hatte ihn eigentlich mehr gereizt? Die Chance, wieder mit den Händen zu arbeiten, oder diese aufregende Frau?

Beides, entschied er und spähte erwartungsvoll zur Auffahrt hinüber. Er sollte sich nicht beklagen. Er hatte einen Job, eine Wohnung – und eine wunderschöne Frau in seiner Nähe. Gar kein schlechtes Geschäft, das er da gemacht hatte.

Während er so wartend auf der Veranda saß, kroch eine Katze unter der Treppe hervor und strich ihm um die Beine. Jack versuchte vergeblich, das verwahrloste Tier zu verscheuchen. Als er endlich ein Motorengeräusch hörte, sprang er erleichtert auf und sah einen Kleinbus näher kommen. Das Fahrzeug hielt vor dem Haus, die Tür öffnete sich, und Alayna glitt vom Sitz. Rasch beugte sie sich noch mal hinein, um die Einkäufe vom Beifahrersitz zu holen. Dabei rutschte ihr Rock nach oben, und Jack konnte ihre braun gebrannten Waden und die zarte Haut ihrer Kniekehlen sehen. Sein Puls beschleunigte sich, und ihm wurde noch heißer.

„Hallo!“, rief sie gut gelaunt und kam auf ihn zugelaufen. „Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe.“

Jack zog sich den Schirm seiner Mütze tiefer ins Gesicht, um seine neugierigen Blicke vor ihr zu verbergen. „Ist schon okay.“ Sie setzte ihre Taschen ab, bückte sich nach der Katze und strich ihr zur Begrüßung über das struppige Fell. „Wie ich sehe, haben Sie sich schon mit Captain Jinx angefreundet.“ Jack beobachtete missmutig, wie sich der von Flöhen geplagte Stummelschwanzkater schnurrend von seiner hübschen Herrin tätscheln ließ.

Als sie sich wieder aufrichtete und sah, wie er angewidert den Mund verzog, lachte sie. „Sie mögen wohl keine Katzen?“ Er zuckte die Schultern. „Geht so.“

„Er gehört nicht wirklich mir, aber er war eines Tages da und ist geblieben.“

„Haben Sie ihn gefüttert?“

„Ja. Warum fragen Sie?“

„Das muss ihn wohl veranlasst haben, bei Ihnen zu bleiben.“ Alayna musterte Jack einen Moment. Wieder war sie überrascht von der Trauer und Leere in seinen Augen und fragte sich, was ihnen ihr lebendiges Funkeln geraubt haben mochte. Würde Jack so wie der Kater bei ihr bleiben, wenn sie ihn nur gut versorgte?

Sofort schämte sie sich wegen dieser Gedanken und nahm ihre Taschen wieder auf. „Was möchten Sie zuerst sehen? Ihre Hütte oder das Haus?“

Seine Unterkunft interessierte ihn herzlich wenig, aber das Haus mit seiner eindrucksvollen Architektur faszinierte ihn. „Zuerst das Haus, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“

Alayna führte ihn zum Hintereingang. Jack kam ihr augenblicklich zu Hilfe und hielt die Tür für sie auf. Mit klopfendem Herzen registrierte er ihr dankbares Lächeln und ihren blumigen Duft, als sie an ihm vorbei ins Haus trat, und starrte ihr dann wie benommen hinterher. Er bewunderte die anmutigen Bewegungen ihrer Hüften sowie ihr langes Haar, das bei jedem ihrer Schritte sanft mitschwang. Zu gern hätte er gewusst, wie es sich anfühlen würde, wenn er mit den Fingern hindurchführe. Er versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, ihre Haut mit den Lippen zu berühren … Als ihm endlich bewusst wurde, wohin ihn seine Schwärmereien führten, seufzte er und beeilte sich, ihr zu folgen.

In der Küche begann Alayna damit, ihre Taschen auszuräumen und die Lebensmittel zu verstauen. „Möchten Sie etwas trinken?“, fragte sie und ging zum Kühlschrank. „Ich habe heute Morgen Limonade gemacht, aber ich kann Ihnen auch ein Bier anbieten. Frank hat ein paar Flaschen dagelassen.“

Jack schaute sich interessiert um und bewunderte eine alte Glasvitrine. „Limonade, bitte“, antwortete er abwesend. Er ging hinüber zur Frühstücksecke und fuhr mit den Fingern prüfend über die verblichene Tapete.

Alayna beobachtete ihn, während sie den Krug mit der Limonade aus dem Kühlschrank holte. „Frank hat hier noch nicht viel getan, obwohl die Küche, mein Schlafzimmer und die Bäder Vorrang hatten.“ Sie nahm zwei Gläser aus der Vitrine und gab ein paar Eiswürfel hinein.

„Da ist etwas unter der Tapete.“ Jack holte ein Messer aus der Hosentasche und begann vorsichtig, die Tapete abzukratzen.

„Wie bitte?“

Er klappte das Messer zusammen und steckte es wieder ein. „Da ist Holz drunter. Jemand hat die Tapete direkt auf das Holz geklebt.“

Mit den Gläsern in der Hand kam sie zu ihm. Nachdem sie ihm eins gereicht hatte, musterte sie den kleinen, von der Tapete befreiten Teil der Holzwand. „Ist das schlimm?“, fragte sie besorgt und trat gefährlich nahe an ihn heran.

Jack ging einen Schritt zur Seite, um ihr Platz zu machen. Außerdem raubte ihm ihre Nähe die Luft zum Atmen. „Nicht unbedingt schlimm, aber dumm.“

Alayna unterdrückte ein Lachen und trank einen Schluck von ihrer Limonade. Die McClouds waren eine stolze, alte Familie und fänden es sicher nicht lustig, wenn man ihre Intelligenz anzweifelte. „Und was schlagen Sie vor? Was könnten wir mit dieser Wand machen?“

Erstaunt darüber, dass sie „wir“ sagte, drehte er ihr den Kopf zu. Aber er beschloss, es als ein Zeichen dafür zu sehen, dass sie seiner Meinung vertraute. „Es ist Ihr Haus. Aber wenn ich die Wahl hätte, würde ich die Tapete entfernen und das Holz freilegen. Es würde fabelhaft aussehen, das kann ich Ihnen versichern.“

Alayna, die so viel Aufhebens um eine Holzwand nicht verstehen konnte, war überrascht von der Begeisterung, die sie aus seiner Stimme heraushörte. Also steckte doch noch Leben in ihm. „Wird das teuer?“

„Es erfordert vorwiegend Muskelarbeit, weil man vorher nie weiß, auf welche Probleme man stoßen wird.“

Alayna ging einen Schritt zurück und versuchte, sich die Wand ohne die verblichene Tapete vorzustellen. Dabei fragte sie sich, was sonst wohl noch Jacks Begeisterung erwecken konnte, und nahm sich vor, es herauszufinden. „Okay“, meinte sie schließlich, „worauf warten wir noch?“

„Was, sofort?“

Sie lachte über seinen entsetzten Gesichtsausdruck. „Nein, ich meine nicht sofort. Ich wollte damit nur sagen, dass ich einverstanden bin.“

Dass sie seinen Vorschlag so spontan akzeptierte, überraschte Jack. Aus Erfahrung wusste er, dass Hausbesitzer oft unrealistische Vorstellungen hatten, was Reparaturen betraf, und Handwerker damit zur Verzweiflung bringen konnten. Insgeheim hoffte er, dass die Tapete nicht irgendwelche Schäden von Termiten oder Wasser verbergen sollte, die zum Vorschein kämen, wenn er sie ablöste. Während er noch darüber nachdachte, spürte er eine sanfte Berührung am Arm.

„Kommen Sie, ich zeige Ihnen den Rest des Hauses.“

Benommen von dem Prickeln, das ihre Berührung auf seinem Arm hinterlassen hatte, folgte er ihr.

Autor

Peggy Moreland

Peggy Moreland hat die Stephen F. Austin State Universität in Nacogdoches, Texas, mit einem BBA (Bachelor of Business Administration) abgeschlossen. Sie veröffentlichte 1989 ihren ersten Roman bei Silhouette Books. Sie war Gewinnerin des „National Readers‘ Choice Award“, war für den „Romantic Times Reviewers Choice Award“ nominiert und zweimal Finalistin beim...

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