Mein süßer blonder Engel

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Ihre blonden langen Haare wehen im Abendwind - John Lee kann kaum den Blick von der faszinierenden Meredith abwenden. Er möchte sie glücklich machen. Aber das wird schwierig. Meredith hat gerade ihr Kind verloren - nach einer neuen Liebe steht ihr sicher nicht der Sinn …


  • Erscheinungstag 22.05.2016
  • Bandnummer 3
  • ISBN / Artikelnummer 9783733774226
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Merideth streckte sich auf den warmen Steinen aus und wünschte, die Kraft der Sonne könnte ihre Wunden heilen. Vor einem Monat war sie auf die Double-Cross-Heart-Ranch zurückgekommen, angeschlagen und verletzt, sowohl körperlich als auch emotional.

Die körperlichen Wunden waren inzwischen verheilt, doch die seelischen schmerzten noch immer und waren eine ständige Erinnerung an ihren Verlust. Ein Sohn, hatte man ihr gesagt. Doch er war viel zu früh geboren, um überleben zu können.

Tränen traten ihr in die Augen, und die Sicht auf die Wolken am blauen Himmel über ihr verschwamm. Sie hatte ihn hier zu Hause beerdigen lassen, neben ihrer Mutter. Jetzt lagen sie nebeneinander – die Mutter, die sie nie kennengelernt hatte, und das Kind, das sie niemals im Arm halten würde.

Merideth schloss die Augen hinter der dunklen Sonnenbrille und versuchte, die Tränen zu unterdrücken. Obwohl sie zu Hause bei ihrer Familie war, fühlte sie sich schrecklich allein. Sie hatte kein Kind, das sie mit Liebe überschütten konnte, keinen Mann, mit dem sie ihre Trauer hätte teilen können. Merideth McCloud, der berühmte Star einer Seifenoper, war allein. Die Frau, nach deren Körper Männer auf der ganzen Welt sich verzehrten – der gleiche Körper, für den Frauen auf der ganzen Welt sie verachteten. Sie wurde um ihr Leben beneidet, und man flüsterte auf Cocktailpartys über ihren Reichtum …

Sie hätte fast laut aufgelacht.

Es war so absurd. Sie war nicht reich, auch wenn es so aussah. Aber sie hatte über ihre Verhältnisse gelebt und alles wieder verloren. Kleider, Schmuck, Reisen, ein aufregendes Leben. Das war es, wonach sie sich gesehnt hatte, als sie damals nach New York gezogen war. Ruhm, Fans, ihr Name in den Klatschspalten, in Verbindung mit den reichen und berühmtesten Männern der Welt. Und sie hatte es geschafft, doch jetzt kam ihr das alles dumm vor, bedeutungslos angesichts des Verlustes, den sie gerade erlitten hatte.

Aber Reue war nach Merideths Meinung sinnlos und wurde von den Schwachen und Dummen nur als Ausrede benutzt, um eigene Fehler zu kaschieren. Merideth war weder schwach noch dumm. Sie war eine McCloud. Sie war stolz, und sie war eine Kämpfernatur. Sie hatte schon andere Tragödien überstanden, sie würde auch diese überleben.

Aber wie? fragte sie sich. Sie hatte ihre Geldprobleme vor ihren Schwestern geheim gehalten. Sie wusste, dass sowohl Sam als auch Mandy ihr ihren letzen Penny geben würden, wenn sie sie darum bat. Doch das würde sie nicht tun. Das ließ ihr Stolz nicht zu, schon gar nicht, da ihren Schwestern etwas gelungen war, was sie nicht geschafft hatte. Sie hatten das Erbe ihres Vaters klug und zukunftsträchtig angelegt, während sie es sinnlos verprasst hatte.

Mit der gleichen Klugheit hatten ihre Schwestern sich einen Mann gewählt. Es waren sehr integre Männer, und es waren Männer, die leidenschaftlich liebten und lebten. Mandy hatte Jesse, und Sam hatte Nash. Aber wen hatte sie, Merideth?

Niemanden, jedenfalls bis jetzt noch nicht.

Sie hatte sich die Männer in ihrem Leben mit der gleichen Torheit ausgesucht, mit der sie ihr Erbe vertan hatte – mit Blick auf Äußerlichkeiten. Ihr letzter und größter Fehler war Marcus gewesen. Ihr Produzent, ihr Liebhaber und der Vater ihres Kindes. Ein reicher, mächtiger Mann, der zudem noch gut aussah. Ein Mann ohne Gewissen, ohne Skrupel, ohne Herz.

Wütend, dass sie überhaupt noch einen Gedanken an ihn verschwendete, versuchte sie sich auf ihr drängendstes Problem zu konzentrieren: Geld, beziehungsweise den Mangel daran.

Sie brauchte einen Job. Aber wo? Und was für einen? Sie wollte nicht zurück nach New York. Doch was für Fähigkeiten hatte sie aufzuweisen? Was sollte eine Schauspielerin anderes tun als spielen?

Sie seufzte und drehte sich auf den Bauch. Wie sollte sie sich der Zukunft stellen, wenn sie noch nicht einmal die Vergangenheit bewältigt hatte und selbst mit der Gegenwart nicht zurechtkam?

John Lee Carter zügelte sein Pferd, schaute hinunter zum Teich – und wäre fast aus dem Sattel gefallen. Statt herumstreunender Kälber sah er eine Frau – eine fantastisch gebaute nackte Frau, die ausgestreckt auf einem der großen Steine lag, die die Quelle verdeckten, aus der der Teich gespeist wurde. Blondes Haar umgab ein so perfekt geschnittenes Gesicht, dass es schon fast unwirklich erschien.

Schweißperlen hatten sich auf ihrer Haut gebildet und sammelten sich in dem kleinen Tal zwischen ihren Brüsten. Er ließ seinen Blick ihren graziösen Körper entlanggleiten, von den wunderschön geformten Brüsten über den glatten Bauch zu der schmalen Taille. Sie hatte ein Knie angezogen, sodass es das Nest blonder Locken zwischen ihren Schenkeln beschattete. Ein Arm lag über ihrer Stirn und schützte sie vor der grellen Sonne.

Merideth McCloud.

John Lee hatte schon gehört, dass sie wieder in der Stadt war und auch weshalb. Er schüttelte den Kopf. Anscheinend konnten nicht einmal die Reichen und Berühmten den Tragödien des Lebens entrinnen. Da er selbst lange Zeit im Rampenlicht gestanden hatte, wusste er das nur allzu gut.

Den Gerüchten zufolge hatte sie einen Nervenzusammenbruch erlitten, nachdem sie ihr Baby verloren hatte. Den Verlust des Babys stellte er nicht infrage, aber die Sache mit dem Nervenzusammenbruch erschien ihm völlig unglaubwürdig. Dafür war Merideth McCloud viel zu stark.

Während er sie beobachtete, sah er, dass ein Schauer sie durchfuhr. Dann drehte sie sich auf den Bauch, sodass er ihr Gesicht nicht länger sehen konnte. Aber die Ansicht, die sich ihm jetzt bot, war fast genauso interessant. Kleine Grübchen über einem wohlgerundeten Po waren ein nicht zu verachtender Anblick.

John Lee schmunzelte und lenkte sein Pferd auf den ausgetretenen Pfad.

Merideth war immer für einen kleinen Flirt gut.

„Weißt du nicht, dass es in Austin verboten ist, sich nackt in der Öffentlichkeit zu zeigen?“

Erschrocken riss Merideth den Kopf hoch. Obwohl sie den Mann, der auf einem großen Schecken saß, lange nicht gesehen hatte, erkannte sie ihn sofort. Dieses selbstsichere Grinsen, diese breiten Schultern und die kräftigen Schenkel. Sonnengebleichtes hellblondes Haar, das bis zum Hemdkragen reichte, und Augen so blau wie der Himmel über Texas an einem Sommertag.

John Lee Carter.

Sein Grinsen vertiefte sich. „Sie haben sogar das Nacktbaden im Lake Travis verboten. Eine Schande, wenn du mich fragst. Ich finde, der menschliche Körper ist ein Kunstwerk, das man bewundern sollte.“

Zu einem anderen Zeitpunkt hätte Merideth ihm zugestimmt, wahrscheinlich sogar mit ihm geflirtet und ihn eingeladen, sich zu ihr zu gesellen.

Heute jedoch nicht.

Heute empfand sie es einfach nur als lästig, dass er plötzlich auftauchte, denn sie hatte sich hierher zurückgezogen, weil sie ungestört sein wollte.

Sie stützte sich mit den Ellenbogen auf dem Stein ab und schob ihre Sonnenbrille auf die Nasenspitze. Das Glitzern in seinen Augen verriet ihr, dass er es genoss, sie in solch einer Situation überrascht zu haben. „Es ist schön zu wissen, dass sich einige Dinge nie ändern“, meinte sie trocken. „John Lee Carter ist immer noch auf der Suche nach schnellen Abenteuern.“

Er warf den Kopf zurück und lachte. „Und du bist immer noch genauso frech wie früher.“

Merideth wusste, dass er sich köstlich darüber amüsieren würde, wenn sie in Verlegenheit geriet, weil er sie nackt erwischt hatte. Sie hatte jedoch nicht vor, ihm dieses Vergnügen zu bereiten. Ruhig begegnete sie seinem Blick. „Willst du den ganzen Tag dort sitzen bleiben und mich anstieren, oder drehst du dich endlich um, damit ich mir etwas anziehen kann?“

Er tat, als müsste er sich die Sache überlegen, und grinste dann wieder. „Ich weiß nicht. Die Aussicht von hier oben ist nicht schlecht. Aber ich möchte natürlich auch nicht, dass du einen Sonnenbrand bekommst.“

Merideth bedachte ihn mit einem eisigen Blick, bevor sie ihre Sonnenbrille wieder zurechtrückte und sich das Handtuch unter ihr schnappte. Hastig setzte sie sich auf und wickelte es um sich, aber nicht bevor John Lee noch einen letzten Blick auf ihre wunderbaren Brüste erhaschen konnte.

Er stieß einen kleinen Pfiff aus, der Merideth noch mehr aufbrachte. „Was machst du hier überhaupt?“, wollte sie wissen. „Du bist auf Privatbesitz.“

„Ich bin nur auf der Suche nach ein paar Kälbern, die sich auf eure Ranch verirrt haben. Und du? Was machst du hier? Hast du dich entschlossen, die Schauspielerei aufzugeben und Rancherin zu werden?“

Merideth wandte den Blick ab. „Vielleicht“, erwiderte sie.

John Lee verschluckte sich fast. Hatte Merideth wirklich „vielleicht“ gesagt? Seine Bemerkung war als Witz gemeint gewesen. Verflixt, sie hasste das Leben auf dem Land. Das hatte sie schon immer getan. Sofort, nachdem ihr Vater gestorben war, hatte sie sich auf den Weg nach New York gemacht. Er war der Meinung gewesen, dass sie jetzt nur vorübergehend hier sei und sofort wieder zu ihrem Leben als Schauspielerin zurückkehren würde, wenn sie sich von dem Unfall, den sie erlitten hatte, erholt hatte.

„Willst du die Schauspielerei wirklich an den Nagel hängen?“

„Vielleicht. Ich habe mich noch nicht entschieden.“

Was, zum Teufel, war mit ihr los? Obwohl sie ihr Kinn gebieterisch vorstreckte, hatte er das Gefühl, sie zitterte.

Sie trauert noch immer, schoss es ihm durch den Kopf, und er hätte sich am liebsten geohrfeigt, weil er so unsensibel gewesen war. „Ich habe von dem Baby gehört. Es tut mir leid“, sagte er sanft.

Merideth ließ das Kinn sinken und zupfte mit zitternden Fingern an dem Handtuch. Ihr gemurmeltes „Danke“ war so leise, dass er es kaum hörte.

Sie sah mitleiderregend aus, und John Lee bedauerte, überhaupt die Rede auf ihr Baby gebracht zu haben. „Wohnst du auf der Ranch?“, fragte er, um das Thema zu wechseln.

Seufzend hob Merideth die Schultern. „Ja, obwohl es etwas schwierig ist, seit Mandy und Jesse verheiratet sind.“

„Du hast doch auch vorher schon bei ihnen gewohnt“, erinnerte er sie.

„Aber da war Sam noch da. Jetzt ist sie auch verheiratet und lebt bei Nash auf der Ranch.“ Sie zog die Knie an und schlang die Arme darum. „Sam kommt zwar fast jeden Tag zu uns auf die Ranch, aber es ist nicht das Gleiche. Ich fühle mich wie das fünfte Rad am Wagen, auch wenn sie mir natürlich versichern, dass es nicht so ist.“

Sie verwöhnen sie schon wieder, stellte John Lee fest. Er war mit den McCloud-Schwestern groß geworden und hatte hautnah miterlebt, wie Mandy und Sam ihre kleine Schwester verhätschelt hatten. Sie waren im Moment wahrscheinlich so sehr damit beschäftigt, Merideth zu trösten und zu bemuttern, dass sie gar nicht merkten, dass sie damit alles noch schlimmer machten.

Merideth durfte man nicht verwöhnen. Was sie brauchte – jedenfalls seiner Meinung nach – war ein Tritt, um sie wieder auf die Beine zu bringen. Als ihr Freund hielt er es für seine Pflicht, ihr diesen Tritt zu geben.

„Warum ziehst du denn nicht aus?“, fragte er herausfordernd. „Du bist doch ein großes Mädchen.“

Sie schaute überrascht auf. „Ausziehen? Aber wohin? Was soll ich denn machen?“

Allein die Tatsache, dass Merideth ihm solche Fragen stellte, bewies John Lee, dass sie Hilfe brauchte, und zwar schnell. Am besten wäre es, sie von ihrem Verlust und ihren Problemen abzulenken.

Und er hatte auch genau die Art von Ablenkung, die sie gebrauchen konnte.

Er stützte sich mit dem Arm auf das Sattelhorn und beugte sich vor. „Wie wäre es mit einem Abendessen bei mir? Ich werfe den Grill an, und dann reden wir über deine Möglichkeiten? Was hältst du davon, Merideth?“

„Ich weiß nicht, John Lee“, murmelte sie. „Ich bin im Moment keine besonders angenehme Gesellschaft.“

„Wann bist du das jemals gewesen?“ Er lachte, als sie ihn empört anblickte. Ja, er konnte sie noch immer auf hundertachtzig bringen. Das hieß, es war nicht alles verloren – noch nicht.

„Um sieben, heute Abend.“ Bevor sie die Einladung ablehnen konnte, vollführte er eine elegante Wendung und galoppierte davon.

Merideth saß vor dem Spiegel und betrachtete sich. Ihre Augen blickten sie glanzlos an, ihr Gesicht war blass – trotz des Sonnenbads –, und ihre Wangen waren eingefallen, weil sie so viel Gewicht verloren hatte.

Trauer war kein schöner Anblick.

Mit künstlerischem Geschick trug sie Make-up auf, bis sie die Maske geschaffen hatte, die sie brauchte – die Maske, hinter die ihre Schwestern nicht sehen konnten.

Aber würde sie auch John Lee täuschen können?

Als er sie heute Nachmittag nackt erwischt hatte, hatte sie nicht nur unfreiwillig ihren Körper entblößt, sondern auch ihre Seele.

Das würde ihr nicht noch einmal passieren. Merideth McCloud zeigte weder ihre Schwächen noch ihre Wünsche. Mittlerweile hatte sie gelernt, dass man anderen damit Macht über sich gab – und sie würde nie wieder zulassen, dass jemand sie beherrschte.

Entschlossen schüttelte sie den Kopf, fuhr sich mit den Fingern durch die dichten blonden Locken und stimmte sich auf die Vorstellung ein, die sie seit ihrer Ankunft auf der Ranch jeden Tag gab, um ihre Schwestern nicht merken zu lassen, wie sehr sie litt und dass sie in finanziellen Schwierigkeiten war.

Es war die schwierigste Rolle, die sie jemals zu spielen hatte. Merideth McCloud, die jüngste der drei Töchter von Lucas McCloud, war stets diejenige gewesen, die sich ausschließlich um ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche kümmerte. Diejenige mit den Allüren.

Ihre Anspannung löste sich langsam, und Merideth spürte neue Energie. Sie hob eine Augenbraue und verzog die Lippen zu dem Schmollmund, für den sie berühmt war. Dann zwinkerte sie ihrem Spiegelbild zu.

Da war sie wieder, die alte Merideth, und genau die würde sie jetzt spielen – jedenfalls eine Zeit lang.

„Weiß sie es?“

Mandy schüttelte den Kopf, während sie fortfuhr, Staub zu wischen. „Ich glaube nicht, denn sonst hätte sie bestimmt etwas gesagt.“

„Meinst du, wir sollten es ihr erzählen?“

Mandy hielt inne und wandte sich an Sam, die sofort gekommen war, so wie jede von ihnen es tun würde, wenn eine der drei Schwestern Hilfe brauchte. „Wenn wir es ihr sagen, fürchte ich, wird sie nicht hingehen, und ich denke wirklich, dass es gut für sie wäre. Sie glaubt zwar, sie kann uns mit ihrem Gehabe täuschen, aber ich weiß, dass sie noch immer schrecklich traurig ist. Sie muss endlich mal wieder unter Leute kommen.“

„Ja, aber ist es gut, wenn sie zu John Lee geht?“

Mandy wickelte sich nervös das Staubtuch um die Finger. „Ich weiß es nicht.“

„Was weißt du nicht?“, fragte Merideth, die gerade ins Zimmer schlenderte. Sie trug ein hauchdünnes, wadenlanges Kleid und bot einen verführerischen Anblick.

Mandy tauschte einen besorgten Blick mit Sam aus und suchte fieberhaft nach einer Erwiderung, ohne die Wahrheit sagen zu müssen. „Ich weiß nicht, woher dieser ganze Staub immer kommt“, murmelte sie und wischte noch einmal über den Kaminsims.

Merideth hob die Arme über den Kopf und streckte sich wie eine Katze. „Ich verstehe nicht, warum du dich überhaupt damit abplagst“, meinte sie und unterdrückte ein gelangweiltes Gähnen. „Morgen ist wieder genauso viel Staub auf den Möbeln.“ Sie blickte zu Sam. „Was machst du denn so spät noch hier?“

„Ich wollte nur nach ein paar Tieren schauen.“ Die Lüge kam Sam leicht über die Lippen. Schließlich war sie Tierärztin, und so hätte es durchaus sein können, dass man sie gerufen hatte. Sie musterte Merideth von Kopf bis Fuß und tat so, als wüsste sie noch nichts von deren Verabredung. „Wofür hast du dich denn so rausgeputzt?“

Seufzend sank Merideth auf das Sofa. „Ich gehe zu John Lee zum Abendessen. Ich habe ihn getroffen, als ich am Cypress-Teich ein Sonnenbad genommen habe. Er hat mich … na ja, überrascht. Als er die Einladung aussprach, habe ich nicht schnell genug geschaltet, und bevor ich sie ablehnen konnte, war er schon weggeritten.“

„Du willst gar nicht hingehen?“, fragte Sam.

„Himmel, nein!“

„Natürlich willst du“, erklärte Mandy. „Es wird dir guttun, ein bisschen rauszukommen und zur Abwechslung ein wenig Spaß zu haben.“

Merideth hob herablassend eine Augenbraue. „Mit einem Playboy wie John Lee? Ich habe ernsthafte Zweifel, dass ein Abend mit ihm Spaß macht.“ Sie spreizte die Finger und inspizierte ihren Nagellack auf mögliche Mängel. „Vielleicht wird es anstrengend“, fügte sie hinzu, „aber bestimmt nicht spaßig.“

„Anstrengend?“

„Ja, wegen all seiner Annäherungsversuche, die ich abwehren muss.“

Mandy lachte und setzte sich zu ihr aufs Sofa. „Das klingt, als hieltest du John Lee für ein sexhungriges Monster.“

„Das ist er doch auch.“

„Ist er nicht!“

Merideth drehte sich zu ihr. „Wie viele Mädchen haben auf der Highschool behauptet, mit ihm geschlafen zu haben?“

Mandy zuckte mit den Achseln. „Ein paar.“

„Ein paar hundert, meinst du. Und mit wie vielen Frauen wurde er in Verbindung gebracht, während er in der nationalen Football-Liga gespielt hat?“

„Mit einer ganzen Menge, aber dein Name wird auch mit einer Reihe von Männern in Verbindung gebracht. Ich hoffe inständig, das bedeutet nicht, dass du mit allen geschlafen hast.“

Merideth reckte ihr Kinn. „Natürlich nicht.“ Sie rückte ihren Diamantring zurecht, ein Geschenk von einem dieser Männer, und lächelte selbstgefällig. „Aber ich habe schließlich auch sehr viel höhere Maßstäbe als John Lee.“

John Lee rutschte auf dem Ledersitz seines Porsche hin und her und versuchte vergeblich, mehr Platz für seine eingezwängten Beine zu schaffen. Er unterdrückte einen Fluch, als der Schmerz in seinem Knie seine übliche gute Laune zu verderben drohte. Stundenlanges Sitzen am Schreibtisch und das anschließende Reiten, um die verirrten Kälber einzufangen, hatten dazu geführt, dass sein Knie geschwollen war und höllisch wehtat.

Zum wiederholten Mal verfluchte er den riesigen Kerl aus der gegnerischen Abwehr, der ihn genau unterhalb des Knies getroffen hatte. Fünf Minuten, wünschte er sich. Fünf Minuten mit ihm allein, und er würde es diesem Mistkerl heimzahlen, dass der seine Football-Karriere vorzeitig beendet und ihm einen Knieschaden zugefügt hatte, mit dem er den Rest seines Lebens immer wieder zu tun haben würde.

Sein Knie hatte vorhin so stark geschmerzt, dass er überlegt hatte, Merideth anzurufen, um die Verabredung abzusagen. Aber dann hatte er sich daran erinnert, wie dringend sie seine Hilfe benötigte – und wie sehr er ihre brauchte.

Er schaute verstohlen auf den Beifahrersitz, wo Merideth saß, den Arm in das geöffnete Fenster gelegt, während der Wind mit ihrem Haar spielte. Vielleicht hätte er doch absagen sollen. Der Umgang mit Merideth war immer schwierig, und heute war er diesem Kampf nicht unbedingt gewachsen.

Seufzend parkte er den Porsche vorm Haus und stieg aus. Er musste einen Moment warten, bis der Schmerz in seinem Knie nachließ. „Verfluchtes Auto“, murmelte er. „Nicht größer als ein Schuhkarton. Ich sollte das verdammte Ding verkaufen und mir ein größeres anschaffen.“

Merideth klappte die Sonnenblende herunter und betrachtete ihr Gesicht in dem beleuchteten Spiegel. Nachdem sie ihre Lippen nachgezogen hatte, fragte sie: „Warum tust du es nicht?“

„Weil ich den Wagen mag“, fuhr John Lee sie mürrisch an, bevor er sich auf den Weg zum Haus machte.

Merideth schaute ihm stirnrunzelnd hinterher. Warum musste sie immer solch ein Pech haben? Der Mann, der sie heute Nachmittag geneckt und mit ihr gelacht hatte, war verschwunden. Stattdessen musste sie sich mit diesem brummigen, schlecht gelaunten Bären abplagen. Seufzend ließ sie sich in den Sitz zurückfallen.

Als John Lee merkte, dass sie ihm nicht folgte, blieb er stehen. „Nun?“, fragte er ungeduldig. „Kommst du oder kommst du nicht?“

Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, klappte sie die Sonnenblende wieder hoch und hob ihr Kinn. „Ich warte darauf, dass du mir die Tür öffnest.“

Er stemmte die Hände in die Hüften und schaute sie äußerst grimmig an. „Du willst hier doch wohl nicht die Primadonna spielen, oder? Du bist ein großes Mädchen. Du kannst diese verdammte Tür selbst öffnen.“

Langsam drehte sie den Kopf zu ihm herum und zog eine Augenbraue hoch. „Ich dachte, hier im Westen behandelten Cowboys die Frauen wie Damen? Es scheint, ich habe mich geirrt.“

„Himmel“, knurrte John Lee, kehrte zum Auto zurück und riss die Beifahrertür auf. „Komm raus“, befahl er unwirsch.

„Oh, was sind wir heute Abend freundlich“, meinte sie sarkastisch. Sie hob eine Hand und wartete darauf, dass er ihr beim Aussteigen half.

Gereizt nahm er ihre Hand und riss Merideth förmlich aus dem Wagen. „Bist du jetzt zufrieden?“

Sie warf ihm einen verächtlichen Blick zu und wandte sich ab. „Deinen Mangel an Finesse machst du mühelos wett mit dem Charme eines zum Cowboy mutierten Footballhelden.“ Ihre sarkastische Bemerkung hatte den gleichen Effekt auf John Lee wie eine Kortisonspritze auf sein Knie. Er vergaß seine Schmerzen, warf den Kopf zurück und lachte. Was für eine Bezeichnung! Auf so etwas konnte nur Merideth kommen. Es sah so aus, als würde doch noch Hoffnung für sie bestehen. Er schlang einen Arm um sie und führte sie zum Haus. „Darling, du wärst überrascht, wie raffiniert wir zu Cowboys mutierten Footballhelden sein können.“

„So, so“, meinte sie zweifelnd.

Im Haus warf John Lee seinen Hut auf den kleinen Tisch im Eingang. „Mrs Baker, ich bin wieder da!“, rief er.

Eine ältere Frau kam aus der Küche und löste die Schürze, die sie um ihre runde Taille gebunden hatte. „Endlich, denn ich kann kaum noch aufrecht stehen.“ Sie knüllte die Schürze zusammen und stopfte sie in die Tasche, die sie von der Garderobe nahm. Gleichzeitig starrte sie Merideth an. Als diese eine Augenbraue hob, drehte Mrs Baker sich missbilligend um.

„Der Salat steht im Kühlschrank“, informierte sie John Lee, „die Kartoffeln sind im Ofen und die Steaks auf dem Grill. Ich habe die Küchenuhr gestellt, aber Sie müssen die Steaks in ungefähr fünf Minuten umdrehen. Und die Kleine …“

Rasch nahm John Lee sie am Ellenbogen und führte sie zur Tür. „Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass Sie sich um alles kümmern, Mrs Baker. Jetzt machen Sie sich mal keine Sorgen, um den Rest kümmere ich mich schon. Bis morgen.“ Bevor Mrs Baker noch Luft holen konnte, hatte er die Tür hinter ihr geschlossen und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Es wirkte, als hätte er gerade den Teufel ausgesperrt. Mit einem gezwungenen Lächeln wandte er sich an Merideth. „Das war meine Haushälterin, Mrs Baker.“

„Ja? Und ich dachte, sie wäre deine Geliebte.“ Merideth lächelte honigsüß, bevor sie ins Wohnzimmer ging.

John Lee klimperte nervös mit dem Kleingeld in seiner Tasche und folgte ihr. „Da ist etwas, was ich dir erzählen muss“, begann er. „Du erinnerst dich doch an meine Schwester Sissy, oder?“

Merideth schaute über die Schulter. „Natürlich erinnere ich mich an Sissy.“

„Na ja, vor ungefähr einem Monat, ist sie …“ Bevor er seine Erklärung beenden konnte, erklang ein Schreien wie von einem Kätzchen oder einem Baby.

„Wer ist das?“, fragte Merideth erstaunt.

John Lee nahm ihren Arm und zog sie hinter sich her. „Das ist Cassie“, erklärte er auf dem Weg in die Küche.

„Du meine Güte, John Lee“, ereiferte sich Merideth und versuchte sich zu befreien. „Du brichst mir noch den …“ Sie hielt inne und zuckte zusammen, als sie nun ausmachte, woher der Schrei gekommen war.

Auf dem Küchenfußboden stand ein Laufstall, und darin saß ein Baby mit rotem Gesicht, das gerade zu einem weiteren Schrei ansetzte.

Wie versteinert starrte Merideth auf das Kind, während ihr der Atem stockte.

„Das wollte ich dir gerade erzählen.“ John Lee ging zu dem Laufstall, hob das Baby hoch und wirbelte es durch die Luft. Sofort hörte es auf zu schreien. Stattdessen griff es in sein Haar und lachte.

„Merideth“, sagte er und platzierte das Baby auf seiner Hüfte. „Ich möchte dir Cassie vorstellen. Cassie“, fuhr er fort, während er seine Nase an ihrer rieb, „das hier ist Merideth McCloud, die Sexbombe, die in der Seifenoper mitspielt, die Mrs Baker sich immer nachmittags anschaut.“

Merideth blickte von dem Baby zu John Lee. „Ist sie deine Tochter?“

„Ja … nein. Also, es ist so …“ In dem Moment klingelte die Küchenuhr, und Cassie begann erneut zu weinen. John Lee wollte sie Merideth reichen. „Halt du sie, während ich nach den Steaks sehe.“

Die Augen auf das Baby gerichtet, verschränkte Merideth die Hände hinter dem Rücken und machte ein paar Schritte rückwärts. „Nein. Ich … ich kann nicht.“

Unschlüssig tanzte John Lee zwischen dem Laufstall und Merideth hin und her. Schließlich setzte er Cassie wieder in den Laufstall und ging zur Tür. „Pass auf sie auf“, befahl er. „Ich bin sofort wieder da.“

„John Lee, warte! Ich …“ Die Tür fiel hinter ihm zu.

Das Baby schrie weiter, und Merideth schloss die Augen und presste die Hände auf die Ohren, um dem Geräusch zu entgehen – ein Geräusch, das sie auch in ihren Träumen verfolgte. In einem immer wiederkehrenden Traum schrie ihr winziger Sohn nach ihr. Suchend lief sie dann herum und folgte den Schreien, doch er war immer außerhalb ihrer Sichtweite.

Das Schreien in der Küche nahm noch zu, und sosehr Merideth es auch versuchte, sie konnte dem Geräusch nicht entkommen. Sie zwang sich, die Augen zu öffnen, und sah, dass die Kleine sich an den Gitterstäben hochgezogen hatte und auf unsicheren Beinen dastand. Dicke Tränen liefen Cassie über die Wangen. Sie ließ die Gitterstäbe nun los und streckte die Arme nach ihr aus.

Autor

Peggy Moreland

Peggy Moreland hat die Stephen F. Austin State Universität in Nacogdoches, Texas, mit einem BBA (Bachelor of Business Administration) abgeschlossen. Sie veröffentlichte 1989 ihren ersten Roman bei Silhouette Books. Sie war Gewinnerin des „National Readers‘ Choice Award“, war für den „Romantic Times Reviewers Choice Award“ nominiert und zweimal Finalistin beim...

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