Julia Royal Band 45

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DAS WUNDER DIESER STILLEN NACHT von JENNIFER FAYE

„Das Fest der Liebe“, flüstert Zoe verzückt beim Schmücken des Tannenbaums. Kronprinz Demetrius Castanavo hat ihr soeben eröffnet, dass er ihrer Ehe noch eine Chance gibt. Wird ein Weihnachtswunder wahr? Aber was, wenn Demetrius ihr trauriges Geheimnis erfährt?

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  • Erscheinungstag 18.10.2025
  • Bandnummer 45
  • ISBN / Artikelnummer 9783751534109
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Jennifer Faye, Christine Rimmer, Fiona Harper

JULIA ROYAL BAND 45

Jennifer Faye

1. KAPITEL

Alles war in die Wege geleitet.

Aber plötzlich überzeugte der Plan ihn nicht mehr so recht.

Demetrius Castanavo, der Kronprinz der Mirraccino-Inseln, verdrängte das Gefühl der Besorgnis, als er aus der klimatisierten schwarzen Limousine stieg. Es wird schon nichts schiefgehen. Er blickte zum klaren blauen Himmel auf und freute sich über diese letzte kleine Schönwetterfront, denn in den verbleibenden Wochen bis zum Weihnachtsfest würde es sich rasch abkühlen.

Demetrius schloss den Knopf seiner anthrazitfarbenen Anzugjacke, zupfte an beiden Ärmeln und straffte die Schultern. Heute musste er tadellos auftreten und perfekt aussehen. Das war lebenswichtig.

Demetrius, der königliche Playboy mit dem ausschweifenden Nachtleben, existierte nicht mehr. Die Zeit der Lässigkeit und des Widerstands gegen das System war vorbei. Jetzt ging es darum, ein angemessener und würdiger Erbe des Throns von Mirraccino zu werden. Immerhin war es sein Geburtsrecht, ob er es wollte oder nicht.

Und jetzt war er im Begriff, ein überaus wichtiges Interview zu geben, das der Gestaltung seines neuen, publikumswirksameren Images zuträglich sein und hoffentlich das Volk von Mirraccino im Sinne seiner Thronbesteigung umstimmen würde.

Er richtete den Blick auf die imposanten Stufen, die zu einem historischen Herrenhaus führten. Den Treppenabsatz bildete ein weitläufiges Podest mit großen weißen Säulen – ein würdiges Entree für das Gebäude im Hintergrund, das mit seinen blauen Fensterläden von zeitloser Schönheit war. Demetrius war froh, es retten zu können, indem er ihm neues Leben einhauchte.

Dieser gut durchdachte Plan hatte nur einen Haken: Zoe.

Seine Noch-Ehefrau.

Doch das Problem sollte bald gelöst sein – sehr bald schon.

Sein Security-Chef rückte nahe an ihn heran und flüsterte: „Die Presse erwartet Sie auf dem Vorbau, Königliche Hoheit.“

Demetrius schob die beunruhigenden Gedanken an seine Noch-Ehefrau zur Seite. Um sie würde er sich am nächsten Tag kümmern. „Gut. Die Sache muss schnellstens über die Bühne gebracht werden, wenn wir unseren heutigen Zeitplan einhalten wollen.“

Eilig stieg Demetrius die sich nach oben verjüngenden Stufen hinauf, die viel Raum einnahmen, aber den Charme des Bauwerks mit ausmachten. Er hatte auf jeden Fall richtig entschieden, als er darauf bestand, dass der barrierefreie Zugang an der Seite des Gebäudes angelegt wurde, leicht erreichbar, aber ohne die ansprechende Ästhetik des Ensembles zu stören.

Er hatte die Vision, die Schönheit des Herrenhauses mit Funktionalität zu paaren. In puncto Funktionalität erbrachten die Arbeiter gute Leistungen. Die Schönheit fiel in Zoes Ressort. Und morgen war ihr erster Arbeitstag.

Abseits an der anderen Seite des Vorbaus stand eine kleine, schlanke Brünette. Ihr Make-up war für seinen Geschmack ein wenig zu stark, doch Demetrius sagte sich, dass es wohl ihren häufigen Auftritten vor Fernsehkameras zuzuschreiben war. Interviews zählten zu seinen am wenigsten geliebten Aufgaben, doch manchmal waren sie unabdingbar – so wie jetzt.

Auf dem Vorbau angelangt, wandte er sich der Reporterin zu. Die Begrüßung fiel knapp und förmlich aus. Demetrius war entschlossen, das Interview rasch abzuhandeln. Ihm war bewusst: Je mehr Zeit er den Medien einräumte, desto mehr erfuhren sie. Und das war seiner Erfahrung nach selten von Vorteil.

Ms. Carla Russo, in Mirraccino das Gesicht der Unterhaltungssparte, hielt ein Mikrofon in der Hand. „Bevor wir anfangen, wüsste ich gern, ob Sie unseren Zuschauern eine Ankündigung zu machen haben.“

„Ja, ich habe etwas zu vermelden …“

„Oh, schön. Wir hören alle möglichen Gerüchte, und unsere Zuschauer fiebern Ihrer Bestätigung entgegen, dass Sie Ihre Prinzessin auserwählt haben.“

Wie bitte?

Der Kameramann rückte näher. Demetrius’ Kehle schnürte sich zu. Sie wussten von Zoe? Nein. Ausgeschlossen. Die Reporterin fragte mit Lügen nach der Wahrheit. Ganz einfach. Für eine Sensationsschlagzeile gab man alles. Tja, er würde ihr keine Sensation bieten.

Demetrius zwang sich zu einem eingeübten Lächeln. „Ich kann Ihnen versichern, dass in absehbarer Zukunft keine Prinzessin in Sicht ist.“

Dieses Interview durfte ihm nicht außer Kontrolle geraten. Nicht nur das Gebäude würde einen neuen Anstrich bekommen. Wenn sein Plan Erfolg hatte, würde sich auch seine Zukunft neu gestalten. Schließlich hatte er die Erfüllung seiner königlichen Pflichten lange genug vor sich her geschoben. Er war erwachsen geworden. Hatte hinzugelernt. Und jetzt wurde er zu dem Mann, der er von Anfang an hätte sein sollen.

Nachdem sein Zwillingsbruder Alexandro inzwischen geheiratet hatte und viel Zeit mit seiner Frau in deren Heimatland verbrachte, lasteten noch größere Verantwortlichkeiten auf den Schultern des Königs. Doch mit dessen Gesundheit stand es nicht zum Besten. Immer wieder ermahnten die Ärzte ihn kürzerzutreten. Und deswegen musste Demetrius’ Plan einfach aufgehen. Er wollte nicht, dass sein Vater einen Herzinfarkt oder Schlimmeres erlitt.

Der erste Teil seines Plans sah unter anderem vor, dass er das Vertrauen der Bevölkerung gewann. Der zweite Teil war schon ein wenig heikler: Er musste seine Noch-Gattin dazu bewegen, in aller Stille die Papiere zur Annullierung ihrer Ehe zu unterzeichnen. Dafür musste zunächst einmal die Frage geklärt werden, warum Zoe seit Monaten nicht auf die zugestellten Dokumente reagiert hatte.

Zu dem Zeitpunkt, als er sein Revitalisierungsprojekt endlich auf den Weg gebracht hatte, strebte auch Zoes Karriere als Innenarchitektin ihrem Höhepunkt zu. Sie hatte an einigen der beachtenswertesten Gebäude in Mirraccinos Hauptstadt Bellacitta mitgearbeitet. Da die Öffentlichkeit von ihrer Arbeit begeistert war, musste er sie einfach engagieren. Seine Berater, die von seiner Vergangenheit mit Zoe wussten, erklärten ihn für verrückt. Doch Demetrius versicherte, dass er gute Gründe für diese unkonventionelle Vorgehensweise hatte.

Sein erster Grund war der, dass sie ein Gespür für Farben und Ausgestaltung hatte, ohne je zu übertreiben. Und der zweite Grund bestand in der Möglichkeit, an sie heranzukommen, ohne dass die Presse Verdacht schöpfte. Wenn sie in seiner Nähe arbeitete, bot ihm das zahlreiche Gelegenheiten, ihr die Antworten zu entlocken, die er zu einer unauffälligen Beendigung seiner kurzzeitigen Ehe benötigte.

Demetrius kämpfte um Ruhe und Gelassenheit. „Heute möchte ich mich auf Mirraccino, insbesondere auf die Erschließung der Südküste, konzentrieren, die mir und dem König sehr am Herzen liegt. Wir versprechen uns davon die Schaffung neuer Wohngebiete, einen Zuwachs an Gewerbe in dieser Gegend und neue Arbeitsplätze für die Ortsansässigen.“

„Dann entsprechen die Gerüchte über eine neue Prinzessin nicht der Wahrheit?“

Er konnte auf lebenslange Erfahrungen im Umgang mit den Medien zurückgreifen, sodass er die Reporterin höflich, aber entschieden in ihre Schranken verwies. „Sie sollen es als Erste erfahren, wenn ich meine Hochzeit bekanntgeben will. Aber ich denke, zunächst einmal möchten die Zuschauer mehr über das Projekt hören.“

Carla Russo zog die Brauen hoch. Ihr Blick ließ auf unausgesprochene Fragen schließen, doch Demetrius sah ihr fest in die Augen. Falls sie es wagte, weiterhin auf diese Weise in seinem Privatleben herumzuschnüffeln, würde er das Interview auf der Stelle beenden.

Die Röte stieg ihr in die Wangen, als sie endlich in die Kamera blickte. „Von dem Südküsten-Projekt wird eine ganze Reihe von Menschen profitieren. Wie genau sind Sie auf den Gedanken gekommen, diese Gegend wieder mit Leben zu füllen?“

„Die Pläne zur Urbanisierung dieses Areals existieren schon sehr lange, doch wir mussten zunächst sämtliche Besitzverhältnisse klären.“

Das Aufheulen eines Motors ließ ihn aufhorchen. Er sah sich nach der Lärmquelle um. Neben seiner Limousine hielt ein Taxi am Straßenrand. Eine große, gertenschlanke Brünette stieg aus dem blau-weißen Fahrzeug, drehte sich um und reichte dem Chauffeur das Fahrgeld durchs Beifahrerfenster. Hätte Demetrius es nicht besser gewusst, er hätte schwören können, dass es sich um seine Frau handelte. Doch er ließ nicht zu, dass seine Fantasie mit ihm durchging und das Interview auf den Kopf stellte.

Er wandte sich wieder der Reporterin zu. „Die Residenza del Rosa ist unser erstes Projekt. Zu Beginn des neuen Jahres nimmt die Einrichtung den Betrieb auf.“

„Sie haben also Pläne für mehr als nur das Herrenhaus?“ Carla Russo sah ihn erwartungsvoll an.

„Sì.“ Demetrius schluckte krampfhaft, bemüht, bei der Sache zu bleiben. „Die Residenza del Rosa ist schon längst auf den Weg gebracht. Sobald die Finanzierung steht, treten wir in die zweite Phase ein, nämlich den Bau erschwinglicher Wohnungen.“ Er hörte Absätze klacken, ließ sich jedoch nicht ablenken.

Der Chef seines Sicherheitsdienstes trat auf ihn zu. Demetrius hob einen Finger, zum Zeichen, dass er das Interview unterbrechen wollte. Der Sicherheitsmann neigte sich ihm zu und flüsterte ihm ins Ohr: „Eine Miss Sarris. Sie hat einen Ausweis und behauptet, dass sie hier arbeitet. Sollen wir sie durchlassen?“

„Oh, sehen Sie nur.“ Carla Russos Miene erhellte sich.

Zu spät. Sie hat Zoe entdeckt, dachte Demetrius frustriert.

Die Augen der Reporterin leuchteten, als hätte man ihr ein großes Geschenk gemacht. „Ist das nicht die Innenarchitektin, Zoe Sarris?“

Bevor er ihr antwortete, forderte Demetrius seinen Sicherheitschef, wenn auch unwillig, mit einem Nicken auf, Zoe zu ihnen zu lassen. Das Timing dieser Frau war schon merkwürdig. Zuerst verließ sie ihn wenige Stunden, nachdem sie ihm ihr Jawort gegeben hatte, und jetzt … Wie schaffte sie das?

Er spürte den Blick der Reporterin und räusperte sich. „Ja, das ist Miss Sarris.“

„Was mag sie hier wollen?“ Die Reporterin sah ihn forschend an. „Haben Sie das arrangiert?“

Er versagte sich mit einiger Mühe einen missbilligenden Blick angesichts der wilden Spekulationen der Reporterin wie auch der Tatsache, dass seine Noch-Ehefrau im Begriff war, sein wichtiges Interview zu ruinieren. „Nein. Anscheinend ist sie gekommen, um zu arbeiten. Wir hatten das große Glück, Miss Sarris engagieren zu können, damit sie eine einladende und entspannende Umgebung für die zukünftigen Bewohner der Residenza del Rosa schafft.“

„Miss Sarris soll die frühere Schönheit dieses herrschaftlichen Hauses wiederherstellen?“

„Wir hoffen, dass sie das vorhandene Potenzial nutzt, aber dennoch frischen Wind in das Bauwerk bringt.“

Carla Russo nickte verstehend. „Großartig, dass sie sich uns anschließen und unseren Zuschauern einen Eindruck von ihren Plänen für dieses Bauwerk vermitteln kann. Ich kenne ihre Arbeit – sie ist fantastisch. Wir könnten Vorher-/Nachher-Aufnahmen vom Herrenhaus machen, natürlich nur mit Ihrer Erlaubnis.“

„Das klingt gut.“

Demetrius folgte Carla Russos Blick auf die besagte Frau. Zoes Garderobe, ein kurzer schwarzer Rock mit pinkfarbener Bluse, war unauffällig. Doch ihre wundervollen Rundungen – Rundungen, die Demetrius immer noch in- und auswendig kannte – kamen darin bestens zur Geltung. Zoe setzte ihre dunkle Sonnenbrille ab, schüttelte ihre braunen Locken und schob sich die Brille dann wie einen Haarreif ins Haar.

Ganz gleich, was zwischen ihnen vorgefallen war, dass sie eine Schönheit war, ließ sich nicht leugnen.

Ihre Beine waren lang, perfekt geformt und leicht gebräunt. Monatelang hatte er Zoe nicht gesehen. Traumerscheinungen zählten nicht, denn die reichten bei Weitem nicht an die Wirklichkeit heran.

„Hier in der Sonne ist es sehr warm. Vielleicht sollten wir ein schattigeres Plätzchen aufsuchen.“ Carla Russo gab dem Kameramann ein Zeichen, dass er eine Pause einlegen sollte. „Prinz Demetrius, ist alles in Ordnung mit Ihnen?“

Der besorgte Ton der Frage riss ihn aus seiner Versunkenheit. Er atmete tief durch. Mühsam löste er den Blick von Zoe und sah der Reporterin ins neugierige Gesicht.

Ganz schlecht, Demetrius. Lass dich nicht ablenken.

Er räusperte sich. „Verzeihung. Mir war gerade etwas Wichtiges eingefallen. Ich muss es mir kurz notieren.“ Er zückte sein Smartphone, tippte etwas ein und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. „Gut, wo waren wir stehengeblieben?“

„Vielleicht sollten wir auf Miss Sarris warten.“

Demetrius hätte sie von seinen Männern abweisen lassen sollen. Wie sollte er sich auf das Interview konzentrieren, wenn sein einziges Bedürfnis darin bestand, Zoe zur Rede zu stellen?

Konzentrier dich auf die Tagesordnung.

„Entschuldigung.“ Zoe konnte ihn nicht offen ansehen. „Ich wusste nicht, dass heute jemand anwesend sein würde. Wenn es gestattet ist, gehe ich einfach ins Haus und mache mir ein paar Notizen.“

„Kein Problem.“ Demetrius trat zurück, um Zoe vorbeizulassen.

„Moment.“ Carla Russo stellte sich ihr in den Weg. „Miss Sarris, haben Sie ein paar Minuten Zeit, mit uns zu reden?“

Zoe schüttelte den Kopf. „Ich will mich nicht aufdrängen.“

„Das tun Sie nicht. Ich würde Sie vielmehr gern zitieren. Aber zunächst einmal muss ich meinen Kameramann aufstöbern. Er wollte ein paar Aufnahmen von den Instandsetzungsarbeiten am Herrenhaus machen.“

Demetrius wartete, bis die Reporterin außer Hörweite war, dann wandte er sich an Zoe. „Was willst du hier?“

„Das sagte ich bereits. Ich will mir Notizen machen.“ Sie sah ihn fest an. „Und was machst du hier?“

Um nicht in diesem Moment schon persönlich zu werden, begnügte er sich mit den Worten: „Ich bin der Prinz und habe jedes Recht, hier zu sein. Schließlich untersteht dieses Projekt der unmittelbaren Kontrolle der Krone.“

„Natürlich.“ Ihre Wangen färbten sich rosig. „Das ist mir klar. Aber deine Anwesenheit hat mich einfach überrumpelt.“

„Hör mal, eines solltest du wissen …“

„Entschuldigen Sie bitte.“ Die Reporterin gesellte sich lächelnd wieder zu ihnen.

Demetrius hüstelte. Es war höchste Zeit, diese Angelegenheit zu einem Ende zu bringen, bevor sie völlig aus dem Ruder lief. Statt das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewinnen, fügte er seinem Ruf womöglich irreparablen Schaden zu, wenn die Wahrheit über seine sehr kurze, sehr überstürzte Heirat ans Licht kam.

Demetrius trat vor. „Miss Sarris hat mich gerade wissen lassen, dass sie leider nicht bleiben kann.“

2. KAPITEL

Nein, ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk war dieses Wiedersehen nicht.

Es war vielmehr eine schöne Bescherung.

Zoe sah Demetrius mit hochgezogenen Augenbrauen an. Alle möglichen Fragen schossen ihr durch den Kopf. Zum Beispiel, was genau ihr Ex-Mann im Schilde führte? Allerdings war ihre Ehe annulliert worden, also war er nicht ihr Ex. Was war er dann? Ihre märchenhafte Vergangenheit? Ihr köstlicher Fehltritt?

Nicht, dass es wichtig gewesen wäre.

„Der Prinz hat recht. Ich wollte hier nur kurz etwas überprüfen.“ Zoe setzte ihr freundlichstes Lächeln auf. „Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen.“

Sie ging um Demetrius herum und entfernte sich. Die beiden führten ihr Interview fort, und Zoe konnte ihre Stimmen noch eine Weile hören. Erst als sie am anderen Ende des Vorbaus angelangt war, warf sie einen Blick über die Schulter zurück.

Sie musterte Demetrius’ maßgeschneiderten anthrazitfarbenen Anzug und die polierten Schuhe. Er wirkte sehr attraktiv in seiner Designer-Kleidung. Sein Haar war kürzer als früher und gut gestylt. So viel zu dem lässigen Prinzen, dem es gleich war, wie er aussah. Das Blatt hatte sich eindeutig gewendet. Der Mann vor der Kamera strahlte unübersehbar Seriosität aus.

Als sein finsterer Blick sie traf, stockte ihr der Atem. Es war sonnenklar, dass sie der letzte Mensch war, mit dem er an diesem Tag gerechnet hatte. Und er freute sich keineswegs, sie zu sehen. Würde er ihr den Auftrag entziehen?

Zoe wurde flau im Magen. Dieser Job war nicht nur spektakulär, sondern auch hervorragend bezahlt. Es würde ihrem nicht besonders prall gefüllten Bankkonto zugutekommen und sie mit genügend finanziellen Mitteln ausstatten, um weiterhin ihre kranke Mutter unterstützen zu können. Wie sie ohne diesen Job über die Runden kommen sollte, wusste Zoe nicht.

Sie hatte zu lange verweilt. Es war höchste Zeit, ins Haus zu schlüpfen, fort von den Paparazzi, fort von den Fragen – fort von Demetrius’ vorwurfsvollem Blick. Sie hatte den Haupteingang des Herrenhauses beinahe erreicht, als ein Mann hinter einer der Säulen hervortrat.

„Ein Lächeln für die Kamera, Süße.“ Er fotografierte sie.

Das Blitzlicht blendete sie kurz. Sie stand da wie angewurzelt. Was zum Teufel …?

Der Mann war ziemlich klein und hatte einen Bierbauch. Einen Rasierer hatte er wohl lange nicht benutzt, und sein fettiges Haar war in Strähnen quer über den Schädel gekämmt. Mit schmalen Augen sah er Zoe an. „Sie werden verrückt nach Ihnen sein.“

„Wer sind Sie? Was wollen Sie?“

„Ich bin der Mann, der Ihnen Ihre Geheimnisse entlockt.“

Ausgeschlossen, dass er zum Team der Reporterin gehörte. Zoe wich zurück. Dabei übersah sie eine Stufe hinter ihr, stolperte und schrie auf.

„Zoe?“, rief Demetrius.

Sie ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht wiederzufinden. Und da packte sie plötzlich jemand am Ellenbogen und zog sie auf sicheren Boden. Zoe fing Demetrius’ besorgten Blick auf.

„Ist alles in Ordnung?“ Seine Stimme klang barsch vor Sorge.

„Mir fehlt nichts.“ Sie schaute sich um, doch der Fotograf, der sie so erschreckt hatte, war verschwunden.

„Hast du diesen Mann gesehen?“

Demetrius schüttelte den Kopf. „Gehörte er zu den Bauarbeitern?“

„Das glaube ich nicht. Er hatte eine Kamera.“

Demetrius rief einen seiner Security-Leute zu sich und unterhielt sich im Flüsterton mit ihm. Dann wandte er sich wieder Zoe zu. „Keine Angst. Falls er noch hier ist, finden sie ihn. Weißt du, was er hier wollte?“

Zoe schüttelte den Kopf.

Carla Russo eilte herbei. „Ist alles in Ordnung?“

„Da war ein Mann“, erklärte Demetrius. „Er hat Miss Sarris einen Schrecken eingejagt.“

Die Reporterin senkte ihr Mikrofon. „Ich habe ihn flüchtig gesehen, bevor er davoneilte.“

Zoe war froh, dass ihn außer ihr noch jemand bemerkt hatte. „Wissen Sie, wer er ist?“

„Seinen Namen kenne ich nicht.“ Die Reporterin zog die dunklen Brauen zusammen. „Aber ich habe ihn schon mal gesehen. Er ist offenbar freier Journalist und verkauft jeden Dreck, den er über Promis ausgräbt, an das meistbietende Blatt. Er sieht nicht so aus, aber er hat einen guten Riecher für Skandalgeschichten.“ Sie blickte von Demetrius zu Zoe. „Nun, Prinz Demetrius, wissen Sie, warum er Sie ausspioniert?“

Demetrius furchte die Stirn. „Ich habe nicht die geringste Ahnung.“

Die Reporterin streifte Zoe mit einem besorgten Blick. „Ist wirklich alles in Ordnung mit Ihnen?“

Zoe nickte. „Ich muss jetzt los.“

„Nicht so eilig, bitte.“ Carla Russo gab ihrem Kameramann ein Zeichen, dass er filmen sollte. „Wenn Sie schon einmal hier sind, könnten Sie uns doch vielleicht schildern, mit welchen Veränderungen das Herrenhaus nach der Renovierung aufwarten wird?“

Unter Aufbietung ihrer geballten Willenskraft lächelte Zoe in die Kamera. „Gern. Sofern Prinz Demetrius keine Einwände hat.“

Er schaute demonstrativ auf seine Rolex. „Dazu bleibt wohl noch Zeit. Aber es muss schnell gehen. In Kürze habe ich noch einen Termin.“

„Klar.“ Die Augen der Reporterin funkelten triumphierend.

Sie begann, weitschweifige Fragen zu dem Projekt zu stellen, während der Kameramann die gesamte Veranstaltung filmte. Es war schon schlimm genug, dass Zoe ihrem Ex-Mann über den Weg laufen musste, aber mit ihm zusammen für eine Primetime-Fernsehsendung gefilmt zu werden, das war zu viel. Konnte dieser Tag noch schlimmer werden?

„Wie haben Sie sich kennengelernt?“

Zoe improvisierte. „Wir kennen uns gar nicht richtig.“

Die Reporterin zog die Brauen hoch. „Das ist ja interessant. Ich hätte schwören können, dass Sie sich gut kennen. Sind Sie sicher, dass es nicht vorher schon ein gemeinsames Projekt gegeben hat? Ein gesellschaftliches Ereignis?“

„Wir verkehren nicht in den gleichen Gesellschaftskreisen“, erklärte Zoe absolut wahrheitsgetreu.

Endlich fand Demetrius seine Sprache wieder. „Dieses ist tatsächlich unsere erste Zusammenarbeit, und vielleicht erinnert Miss Sarris sich nicht, aber wir sind einander flüchtig bei der Eröffnung der DiCapria-Zentrale begegnet. Deren Innenausstattung hat sie so exzellent gemeistert, dass ihr Name mir gleich in den Sinn kam, als das Residenza-del-Rosa-Projekt ins Leben gerufen wurde.“

Natürlich hatte Zoe besagten Moment keineswegs vergessen. Schließlich hatte sich an dem Abend ihr Leben grundlegend verändert. Wie konnte Demetrius dann über ihre allererste Begegnung auf der DiCapria-Party reden, als wäre es eine unbedeutende, folgenlose Zusammenkunft gewesen? Auf dieser Party hatte sie ihr Herz an ihn verloren.

„Das DiCapria-Bürohaus ist sehr beeindruckend“, stimmte die Reporterin zu und wandte sich wieder Zoe zu: „Würden Sie sagen, dass Sie damit Ihren Durchbruch als Innenarchitektin geschafft hatten?“

„Ich denke schon.“ Zoe war sehr stolz auf das Projekt. Man hatte ihr viele Freiräume gelassen und sie hatte sie zur größten Zufriedenheit der Auftraggeber genutzt.

„Wir werden versuchen, Bildmaterial des Gebäudes zu bekommen.“ Die Reporterin machte sich eine Notiz.

Zoes Wangen schmerzten langsam vom ständigen Lächeln. Haben die nicht allmählich genug Filmmaterial? Doch als sie den Blick hob, sah sie, dass der Kameramann seine Filmausrüstung gegen eine Digitalkamera ausgetauscht hatte.

Während die Reporterin mit dem Kameramann sprach, neigte Demetrius sich Zoe zu und flüsterte ihr ins Ohr: „Durchhalten! Wenn wir tun, was sie verlangt, geht alles viel schneller und einfacher, als wenn wir versuchen würden, uns zu drücken.“

Sein spritzig-frisches Aftershave weckte Erinnerungen. Zoe wusste noch allzu gut, wie es war, sich an ihn zu schmiegen und die Lippen auf die glatte Haut an seinem Hals zu pressen. Sein Puls pochte unter ihrem Mund, wenn sie eine Spur von Küssen von seinem Kinn bis hinunter auf seine Brust zog …

Mit einem Stöhnen schob sie diese Gedanken von sich.

Das war damals. Jetzt ist jetzt.

Demetrius bedachte Zoe mit einem warnenden Blick, als er ihr Stöhnen hörte.

Sie musste noch ein bisschen länger durchhalten.

Dieses Interview durfte jetzt nicht den Bach hinuntergehen.

Falls es ihm nicht gelang, das Vertrauen des Volkes zu gewinnen, lief dieser wunderschöne Inselstaat, den sein Vater sein Leben lang beschützt hatte, womöglich Gefahr, von einer Anarchie verwüstet zu werden. Demetrius würde alles tun, was in seiner Macht stand, um solch ein Schicksal von seinem geliebten Heimatland abzuwenden.

Vor allem durfte er seinen Vater nicht enttäuschen. Trotz seiner hohen Stellung hatte sein alter Herr kein leichtes Leben gehabt. Als Demetrius fünfzehn war, kam seine Mutter bei einem Attentat ums Leben. An ihrem Tod war die Familie zerbrochen.

Sein Zwillingsbruder Alexandro fühlte sich für den Mordanschlag mit verantwortlich und hatte die Rolle des Beschützers der Familie übernommen. Der Vater war still und zurückhaltend geworden und widmete sich nur noch seiner Arbeit. Demetrius selbst war ein wenig aus dem Ruder gelaufen und wollte aus seinem Leben alles herausholen, was es zu bieten hatte. Er hatte nie geglaubt, dass einer von ihnen je wieder glücklich werden könnte.

Im vergangenen Jahr hatte sein Bruder dann die Paparazzi zu einer Verfolgungsjagd in die Vereinigten Staaten gelockt, um von Demetrius’ überstürzter Heirat mit Zoe abzulenken. Und der kühne Plan seines Bruders war aufgegangen … gewissermaßen. In den Staaten hatte Alexandro sich in eine Amerikanerin verliebt und sie geheiratet. Irgendwann inmitten dieser Ereignisse waren die Castanavos wieder zu einer Familie zusammengewachsen, mit gemeinsamen Mahlzeiten und dem Austausch von Neuigkeiten. Und dass wollte Demetrius nicht verlieren. Nicht noch einmal.

Doch jetzt, in Zoes Gegenwart, wurde ihm klar, dass es ein Riesenfehler war, zu glauben, er könnte Seite an Seite mit ihr arbeiten. Er blickte zu ihr hinüber. Sie beantwortete weitere Fragen der Reporterin zu ihrem Beruf.

Während er sie ansah, fühlte er sich genauso stark zu ihr hingezogen wie damals, als sie zusammen waren. War sie etwa jetzt noch schöner als damals, als er ihr sein Herz geschenkt hatte? Er ließ den Blick zu ihren vollen Lippen wandern …

Ihm wurde bewusst, welche Richtung seine Gedanken nahmen, und er gebot ihnen Einhalt. Ganz gleich, wie verführerisch er Zoe immer noch fand, er würde sich nicht noch einmal von ihrem Charme hinreißen lassen. Seine Dummheit hatte ihn bereits so viel gekostet.

„Wir sind fast fertig.“ Die Reporterin faltete die Hände. „Ich benötige nur noch ein paar Einstellungen für die Website. Würden Sie beide bis zum Rand der Treppe gehen?“

Während sie zu der angewiesenen Stelle auf der obersten Stufe gingen, warf Demetrius noch einmal einen verstohlenen Blick in Zoes Richtung. Zwar hatte sie die Lippen zu einem Lächeln verzogen, doch es erreichte ihre braunen Augen nicht ganz. Aber er wollte sich nicht beklagen. Immerhin spielte sie mit.

„Würden Sie einander bitte die Hand reichen?“

In Bezug auf jede andere Person hätte diese Aufforderung kein Problem dargestellt, doch Zoe war nun einmal nicht irgendwer. Sie war definitiv jemand – jemand, über den er hinweg war. Er biss die Zähne zusammen. Warum machte er dann eine so große Sache aus der Bitte der Reporterin?

Er streckte Zoe die Hand entgegen.

Sie zögerte einen Augenblick und sah Demetrius an, doch er konnte ihre Gedanken nicht lesen. Als sie ihre Hand in seine legte, ging ein Ruck durch ihn – nein, es war eher, als hätte ihn ein Blitz getroffen.

Das hat nichts zu sagen.

Sie bedeutet mir nichts.

Das ist alles nur Einbildung.

„Bleiben Sie so.“ Die Reporterin drehte sich zu ihrem Kameramann um. „Was ist los? Lass den Prinz nicht warten.“

Der Fotograf winkte die Reporterin zu sich. Mit verwirrtem Blick entschuldigte sie sich und lief die Stufen hinunter, um die Sache abzuklären.

„Hast du tatsächlich vor, dieses Projekt persönlich zu leiten?“ Zoes Augen waren hart und kalt.

Demetrius senkte die Stimme zum Flüsterton. „Warum nicht? Es ist mein Projekt. Das wirst du doch wissen.“

„Ich weiß nur, dass immer wieder dein Name fiel, als ich engagiert wurde, aber da dachte ich, es ginge nur darum, Eindruck zu schinden. Ich hatte keine Ahnung, dass du dich tatsächlich zur Beteiligung an diesem Unternehmen überreden lassen würdest.“

Er sprach weiter mit gesenkter Stimme. „Seit wir uns kennengelernt haben, hat sich einiges verändert.“

„Du verhältst dich, als wären wir Fremde, die sich einmal flüchtig begegnet sind.“

Demetrius räusperte sich. In dem Tonfall, den er einsetzte, wenn seine Berater nicht seiner Meinung waren, flüsterte er: „Dieses Revitalisierungsprojekt ist wichtig. Dabei steht viel mehr auf dem Spiel als nur mein Ruf …“

„Entschuldigen Sie bitte.“ Carla Russo gesellte sich wieder zu ihnen. „Mein Kameramann hatte Probleme mit seiner Ausrüstung. Wir müssen Ihren Handschlag noch einmal filmen.“ Zögernd reichten sie einander erneut die Hand, und die Reporterin lächelte. „Großartig! Das wird den Zuschauern gefallen. Es lässt den Prinzen so zupackend erscheinen.“

Zupackend. Das Wort beschwor Erinnerungen an Zoe in seinen Armen herauf. Demetrius ließ sich seine Gedanken nicht anmerken. Er traute sich nicht, Zoe anzuschauen. Er wollte auf gar keinen Fall eine Reaktion ihrerseits provozieren.

„Würden Sie einander bitte ansehen?“

Widerwillig richtete Demetrius den Blick auf Zoe. Sie sah ihn ausdruckslos an. Auch sie war nicht übermäßig begeistert von diesem unverhofften Wiedersehen. Nun gut, er war gern bereit, ihr Unbehagen zu teilen, doch es war nichts im Vergleich zu dem Schmerz, den Zoe ihm zugefügt hatte, als sie ihn verließ.

„Schön. Schön.“ Die Reporterin war zufrieden. Offensichtlich war sie die Einzige, die sich über dieses Treffen freute. „Bleiben Sie bitte Hand in Hand stehen, und reden Sie über das Projekt. Wir brauchen einen prägnanten Soundclip – einen, der zeigt, dass Sie zusammenarbeiten. Ein Team sind.“

Demetrius räusperte sich. „Grazie. Ich danke Ihnen für Ihr Kommen.“

Es folgte eine Pause, und Demetrius wartete angespannt auf Zoes Entgegnung.

„Es ehrt mich, dass ich für dieses ganz besondere Projekt ausgewählt wurde.“

„Wir dürfen uns glücklich schätzen, dass Sie Ihr Talent zur Verfügung stellen, um für die Bewohner dieser Einrichtung einen fantastischen Zufluchtsort zu schaffen, an dem sie sich in den Gemeinschaftsräumen dieses historischen Gebäudes von ihrem Leben – von ihren Problemen – erholen können.“

Flüchtig verrieten Zoes Augen ihre Gefühle. „Ich hoffe sehr, dass ich Ihre Erwartungen erfüllen kann.“

Eines musste Demetrius ihr lassen: Sie gab sich sehr professionell. Allerdings hatte er Zoe nie vorwerfen können, anders als reif und professionell zu handeln. Sonst hätten sie nie im Leben eine vor den Paparazzi verborgene Beziehung führen können. Was eine Frage offen ließ, die ihm auf den Nägeln brannte, seit Zoe ihn verlassen hatte: Warum hatte sie ihre Geschichte – ihrer beider Geschichte – nicht längst an die Boulevardpresse verkauft?

Er sah sie an. Er verstand Zoe jetzt genauso wenig wie zuvor. Vielleicht sogar noch weniger. Seine Berater waren der Meinung, sie würde mehr Geld herausschlagen wollen – noch mehr, als er ihr per Scheck mit den Annullierungsdokumenten hatte zukommen lassen. Hatte sie die Dokumente deshalb nicht unterzeichnet und zurückgesandt?

Er entzog Zoe seine Hand und wandte sich an die Reporterin. „Miss Sarris muss ihre Arbeit jetzt wieder aufnehmen.“

Zoe bedankte sich bei beiden und wandte sich zum Gehen. Doch statt das Grundstück zu verlassen, schlug sie den Weg ins Gebäude ein. Dass sie die Gelegenheit nicht zur Flucht nutzte, überraschte Demetrius.

3. KAPITEL

Das alles kann gar nicht sein.

Es ist wohl eine Art Albtraum.

Zoe hörte Schritte hinter sich. Sie ließ den Bleistift über ihrer groben Skizze des Ballsaals verharren, die sie mit Anmerkungen zur Gestaltung versehen wollte.

Sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, wer hinter ihr nahte. Was wollte Demetrius jetzt schon wieder? Seine festen Schritte hallten auf dem Marmorboden und wurden lauter, je näher er kam – dann setzten sie aus. Er räusperte sich, als wollte er Zoe auf sich aufmerksam machen. Jeder Muskel ihres Körpers spannte sich an.

Im Grunde genommen schuldete sie Demetrius eine Erklärung. Die war längst überfällig. Doch weder Zeit noch Ort waren dafür geeignet. Zoe wusste überhaupt nicht, was sie sagen sollte. Mit einer Bitte um Entschuldigung war es nicht getan. Trotzdem konnte sie ihn auch nicht einfach ignorieren.

Sie atmete tief durch und drehte sich um. „Brauchen Sie irgendetwas, Hoheit?“

„Vergiss die ‚Hoheit‘, wir sind unter uns.“

Zoe sah sich hastig im Raum um, als wollte sie sich vergewissern. „Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, dich hier anzutreffen.“

„Sieht so aus. Dein Arbeitsbeginn ist erst für morgen vorgesehen. Warum bist du vorzeitig gekommen?“

Sie straffte die Schultern und hob das Kinn. „Ich wollte mich auf mein morgiges Treffen mit Mr. Belmonte vorbereiten.“

„Du triffst dich nicht mit ihm.“

„Was soll das heißen?“

„Das heißt, dass du dich mit mir triffst. Ich habe dich für diesen Job angefordert.“

Zoe wurde flau im Magen. Das alles ergab keinen Sinn. Warum hätte er sie trotz der chaotischen Geschichte, die sie miteinander verband, engagieren sollen?

„Was genau beabsichtigst du eigentlich? Und erzähl’ mir nicht, du hättest mich aus reiner Herzensgüte eingestellt. Denn das würde ich dir nicht glauben.“

Demetrius zog die dunklen Brauen hoch. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glauben, du hättest mich gerade als herzlos bezeichnet.“

„Ich habe keine Lust auf Wortspiele.“ Sie brauchte einen Moment, um sich zu sammeln, denn ihr war, als wäre ihre Welt aus den Fugen geraten. „Was beabsichtigst du?“, fragte sie erneut.

„Das dürfte eigentlich auf der Hand liegen. Hier handelt es sich um ein Projekt des Königshauses, das vom Anfang bis zum Ende unter meiner Regie stattfindet.“

„Das meine ich nicht. Ich will wissen, warum du ausgerechnet mich engagiert hast.“

„Ist das wichtig?“

„Ja.“ Es steckte mehr dahinter, mehr, als er preisgab.

Der Mann, der jetzt vor ihr stand, war nicht mehr der, den sie geheiratet hatte. Der Mann, der ihr Herz im Sturm erobert hatte, war liebevoll und lustig. Und seine größte Sorge bestand darin, wie man möglichst viel Spaß haben konnte. Damals hatte sie nicht verstanden, wie jemand in seiner Position so unbeschwert seine Zeit verbringen konnte, doch offensichtlich hatte ihn der Ernst des Lebens eingeholt. Denn dieser Mann mit den fest zusammengepressten Lippen, der ihr ins Gesicht sah, war sehr entschlossen, dessen war sie sicher.

„Du hast meine Frage immer noch nicht beantwortet. Warum hast du mich engagiert?“ Sie ließ ihn nicht aus den Augen, wusste nicht, was für eine Reaktion sie erwarten sollte.

„Ich wollte die Beste für diesen Auftrag. Und du bist die Beste hier auf der Insel.“

War das sein Ernst? Er hielt sie für die Beste? Ihr wurde warm ums Herz, und ihre Wangen röteten sich. Ihre Blicke trafen sich und Zoes Herz schlug schneller. Sie gestand sich nicht ein, dass Demetrius’ Worte ihr etwas bedeuteten. Sie war über ihn hinweg. Hatte ihn hinter sich gelassen.

„Du willst also mit mir zusammenarbeiten, als wäre … als wäre überhaupt nichts passiert?“

Ein lauter Knall dröhnte durch den riesigen Ballsaal.

Demetrius’ Muskeln spannten sich an.

„Was war das?“, flüsterte Zoe.

Er wusste es nicht, wollte es aber auf jeden Fall herausfinden. Er sah sich gründlich zwischen den Abdeckplanen, Zementeimern und Gerüsten um. „Wer ist da?“

Da nahm er eine Bewegung wahr. Am anderen Ende des Saals richtete sich ein Arbeiter mit gelben Helm auf, der einen Armvoll Bauholz hatte fallen lassen. Der Mann blickte in ihre Richtung. „Hey, hier dürfen Sie sich nicht aufhalten. Hier herrscht Helmpflicht.“

Demetrius nickte. „Wir wollten gerade gehen.“

„Tun Sie das. Ich will Sie nicht rauswerfen müssen.“ Der Mann drehte sich um und ging seiner Wege.

Zoe lachte. Es berührte Demetrius. So lange hatte er sie nicht mehr fröhlich gesehen. Zu Anfang war ihre Beziehung unbeschwert und entspannt gewesen. Er vermisste diese Zeit.

„Ich schätze, er hat gar nicht wahrgenommen, wem er da gerade eine Standpauke gehalten hat“, sagte sie immer noch lächelnd.

„Der Mann hat nur seine Arbeit gemacht und wollte sicherstellen, dass sich niemand in Gefahr bringt.“

„Wir sollten jetzt lieber gehen.“ Sie drehte sich um und schoss mit ihrem Smartphone noch ein paar Fotos von dem Raum. „Die Raummaße und die Bauzeichnungen habe ich bereits erhalten.“ Sie schaute sich noch einmal um. „Und mit diesen Fotos kann ich mich jetzt wohl an die Arbeit machen. Wir sollten gehen, bevor dieser Mann zurückkommt.“

Demetrius verstellte ihr den Weg. „Nicht so eilig. Wir müssen Richtlinien für unsere Zusammenarbeit aufstellen.“

„Das ist nicht schwer. Sobald ich Skizzen angefertigt habe, kontaktiere ich dich.“

Als Zoe um ihn herumgehen wollte, packte er sie beim Handgelenk. „So geht das nicht. Ich will aktiv beteiligt sein.“

Sie entzog ihm ihren Arm und sah Demetrius böse an. „Du willst mir doch nicht etwa über die Schulter gucken?“

„So hätte ich es nicht ausgedrückt, aber genau das ist gemeint.“

Zoe stemmte die Hände in die Hüften. „Unter so strenger Überwachung kann ich nicht gut arbeiten. Ich brauche meinen Freiraum für die Recherche, und dann fange ich an, Skizzen anzufertigen und mit Farben zu spielen. Das geht nicht über Nacht. Ich werde Zeit brauchen.“

„Das verstehe ich. Hauptsache, du verstehst, dass du deine Ausführungspläne vor allen geheim halten musst – auch vor deiner Familie und deinen Freunden. Die große Eröffnung findet in der Woche des königlichen Weihnachtsballs statt. Dann werden wichtige Spender eingeladen, damit sie vor Begeisterung noch mehr Mittel für Renovierungsarbeiten in der Umgebung bereitstellen. Am nächsten Tag bringt Miss Russo einen weiteren Beitrag in ihrer Fernseh-Show, in dem sie den Zuschauern Ansichten des Herrenhauses vor und nach der Umgestaltung zeigt.“

Zoe nickte. „Vertrau mir. Niemand bekommt meine Pläne zu sehen. Wenn ich etwas vorzuweisen habe, können wir uns im Dorf im caffè-Haus treffen.“

„Das ist ausgeschlossen. Meine tägliche Anwesenheit im Dorf samt Security würde zu viel Aufsehen erregen.“

Ihr schönes Gesicht verdüsterte sich. „Gut. Was schlägst du vor?“

„Die beste Lösung wäre meiner Meinung nach, im Palast zu arbeiten.“

„Im Palast?“ Zoe wurde unübersehbar blass.

„Dort sind Büros für den Architekten, den PR-Berater und andere eingerichtet. Es wäre sehr praktisch, alle Schlüsselpersonen unter einem Dach vereint zu haben.“

„Aber ich besitze kein Auto.“

Das hatte er nicht bedacht, doch falls dies ihr einziger Einwand war, würde er schon eine Lösung finden. „Ich lasse dich mit meinem Wagen abholen.“

Sie öffnete den Mund, schloss ihn jedoch gleich wieder, als wären ihr die Gegenargumente ausgegangen.

Schön. Ein weiteres Problem gelöst. „Nachdem wir das alles jetzt geklärt haben, lass uns verschwinden, bevor dieser Mann zurückkommt. Ich habe keine Lust, ihn zur Rede zu stellen.“

4. KAPITEL

Was hatte sie sich nur dabei gedacht?

Seite an Seite mit ihrem Ex-Mann zu arbeiten.

Noch dazu im königlichen Palast.

Wütend murmelte Zoe am nächsten Morgen vor sich hin, während sie ein Outfit nach dem anderen anprobierte und verwarf, sodass der Kleiderhaufen auf ihrem Bett immer weiter anwuchs. Was trug man bloß, wenn man in einem Palast erwartet wurde?

Doch schließlich rief sie sich ins Gedächtnis, dass sie nur ihre Arbeit machen sollte, und wählte einen kurzen lilafarbenen Rock, eine weiße Bluse und Pumps – was sie auch zu jedem anderen offiziellen Termin angezogen hätte.

Bis zum Vortag war sie Demetrius sorgfältig aus dem Weg gegangen. In gewisser Weise schien eine Ewigkeit verstrichen zu sein seit dem grauenhaften Moment, an dem ihr gesamtes Kartenhaus in sich zusammengefallen war, andererseits schien es erst gestern passiert zu sein. Demetrius hatte keine Ahnung, wie viel diese Entscheidung sie gekostet hatte. In jener Nacht hatte sie ihre Liebe geopfert. Und alles hatte sich vollkommen verändert.

Ihr war nichts anderes eingefallen, als wegzulaufen, um ihre Mutter versorgen und den Prinzen schützen zu können. Wenn Zoe aus seinem Leben verschwunden war, konnte er nach vorn schauen. Dann konnte er sich eine andere Frau suchen, die eine perfekte Prinzessin sein würde – eine Frau, deren DNA nicht zu fünfzig Prozent mit der früh einsetzenden Alzheimer-Krankheit belastet war.

Zu Anfang hatte Zoe sich so sehr in den Sog seiner Aufmerksamkeit ziehen lassen – im Glauben, ihre Liebe würde alles überwinden. Am Ende hatte sie die raue Wirklichkeit des Lebens kennengelernt.

Liebe konnte keineswegs alles richten.

Wenn es so wäre, dann wäre ihre Mutter nicht krank. Dann würde ihre Mutter nicht vor Zoes Augen dahinsiechen.

Zurzeit besuchte ihre Mutter gerade eine Freundin der Familie in deren Haus am Meer, in der Gemeinde, in der ihre Mutter aufgewachsen war. Sie hatte es unbedingt gewollt und den Besuch als ihren letzten Urlaub bezeichnet, am Meer, wo sie immer Ruhe und Frieden gefunden hatte. Und da Zoe die Freundin ebenfalls von Kindesbeinen an kannte und ihr absolut vertraute, wusste sie ihre Mutter dort bei Liliana in guten Händen. So hätte diese Reise zu keinem besseren Zeitpunkt stattfinden können. Denn dadurch hatte Zoe den nötigen Freiraum, das Beste aus diesem famosen Jobangebot zu machen.

Das Summen ihres Smartphones riss Zoe aus ihren Gedanken. Die Nummer war unterdrückt. Vermutlich war der Chauffeur, der sie abholen sollte, eingetroffen. Er wartete in einer Nebenstraße auf sie. Augenscheinlich wollte Demetrius keine Aufmerksamkeit auf ihr Kommen und Gehen lenken. Das konnte ihr nur recht sein.

Die meisten Bewohner des Apartmenthauses waren zur Arbeit, und so konnte Zoe unbemerkt die Hintertreppe hinunterhuschen. Sie trat auf die Straße hinaus und entdeckte ein schwarzes Zivilfahrzeug mit getönten Scheiben.

Der Chauffeur öffnete ihr die Tür. Sie stieg ein und lehnte sich in den kühlen Ledersitz zurück. Es war schwer zu begreifen, dass dieser Lebensstil einmal ihrer gewesen war. Sicher, nur für kurze Zeit – für sehr kurze Zeit. Doch es war zauberhaft gewesen.

Während die Limousine durch Bellacitta fuhr, blickte Zoe hinaus auf die farbenfrohe Stadt. Zwar war erst November, doch die Läden waren schon festlich in Rot und Silber dekoriert. Die Laternenmasten waren mit bunten Kränzen geschmückt. Ein Hauch von Liebe und Mitgefühl lag in der Luft. Zoe und ihre Mutter hatten diese Zeit immer sehr genossen. In jedem anderen Jahr wäre der Weihnachtsbaum längst geschmückt, Zutaten für Weihnachtsgebäck würden bereitstehen, und ihr Zuhause würde erfüllt sein von Weihnachtsliedern. Tiefe Traurigkeit überkam Zoe, denn Weihnachten, wie sie es kannte, war nur noch eine Erinnerung, und die Zukunft sah öde und leer aus.

Als der Wagen an einer Kreuzung halten musste, beschlich Zoe das merkwürdige Gefühl, dass jemand sie beobachtete. Sie sah aus dem Fenster. Zunächst entdeckte sie niemanden. Dann fiel ihr Blick auf einen Mann – auf den unheimlichen Reporter aus dem Herrenhaus. Sie erstarrte.

Er stand nur ein paar Schritte entfernt auf dem Gehweg und blickte in ihre Richtung, kniff die Augen zusammen. Ein Stoppelbart überzog seine Wangen. Er presste die Lippen zu einem schmalen Strich aufeinander. Eine Gänsehaut lief über Zoes Arme. Als der Mann die Kamera hob, duckte Zoe sich, bis ihr einfiel, dass die getönten Scheiben sie ja schützten. Erst als die Limousine wieder anfuhr, stieß sie den angehaltenen Atem aus und rieb sich die Arme. Immerhin konnte er ihr zu ihrem Fahrtziel nicht folgen, dessen war sie sicher.

Auf dem Weg aus der Stadt hinaus fragte Zoe sich, worauf der Reporter es abgesehen haben mochte. Hegte er eine bestimmte Absicht, oder hoffte er nur auf einen pikanten Leckerbissen? Sie mahnte sich zur Ruhe. Früher oder später würde der Mann aufgeben und einer anderen Schlagzeile hinterherjagen. Sie konnte nur hoffen, dass es bald geschah.

Der Fahrer bremste, bog ab, und sie befanden sich auf der langen Zufahrtsstraße zum Palast, die von Palmen und farbenprächtig blühenden Pflanzen gesäumt war. Das letzte Mal, als Zoe hier entlanggefahren war, hatte der Mond geschienen …

Als der riesige Palast in Sicht kam, stockte Zoe der Atem. Klar, ihr Leben lang hatte sie ihn auf Bildern gesehen, aber da er abseits und der Öffentlichkeit nicht zugänglich gelegen war, hatte sie ihn nie in voller Pracht und bei Tageslicht zu Gesicht bekommen. Der Anblick war überwältigend – und erinnerte sie wieder einmal daran, dass Demetrius nicht aus der gleichen Welt stammte wie sie.

Zu ihrer Verwunderung hielt die Limousine vor dem Haupteingang. Die mächtige Holztür mit Messingbeschlägen öffnete sich. Ein älterer Herr in gestreifter Smokingjacke und dunkler Hose schritt auf das Auto zu. Dieser surreale Augenblick hatte Zoe so überwältigt, dass sie sich nicht rühren konnte, als der Mann ihr die Tür öffnete. Sie hatte nicht damit gerechnet, im Palast jemals willkommen zu sein, nachdem ihre Beziehung mit Demetrius ein so böses Ende genommen hatte. Und auch, wenn man keinen roten Teppich für sie ausrollte, übertraf dieser Empfang doch ihre Erwartungen.

Der Butler trat zur Seite. „Willkommen, Miss Sarris.“

Zoe kam zu sich und stieg aus. „Sie haben mich erwartet?“

Der Mann nickte. „Prinz Demetrius hat angeordnet, Sie zu den für das Südküsten-Projekt reservierten Büroräumen zu geleiten. Er lässt ausrichten, dass er aufgehalten wurde, aber Ihnen in Kürze zur Verfügung steht.“

Sie versuchte, die Enttäuschung, die sich in ihr breitmachte, zu ignorieren. Schließlich hatte Demetrius sie nicht in den Palast eingeladen, um die guten alten Zeiten wiederzubeleben. Nein, hier handelte es sich schlicht und einfach um berufliche Angelegenheiten. Allerdings war nichts schlicht und einfach, wenn es um ihren Ex-Mann ging – überhaupt nichts.

Zoe hätte sich liebend gern eine Weile umgesehen, doch sie wurde zügig durch einen langen Flur, um eine Ecke und eine Treppenflucht hinunter weitergeführt. Sie bogen noch einmal ab, und dort erwachte der Palast zu hektischem Leben. Leute mit Tablets, Kaffeebechern und Papieren hasteten durch den Flur. Alle lächelten und grüßten sie. Sie waren wirklich freundlich.

Auch Zoes Lippen umspielte ein Lächeln. Vielleicht war diese Arbeitsregelung doch gar nicht so übel. Besonders wenn Demetrius seinen Pflichten als Prinz nachkommen musste. In diesem Moment wurde Zoe klar, dass sie sich unnötige Sorgen gemacht hatte. So betriebsam, wie es hier zuging, bezweifelte sie, dass sie Demetrius oft zu sehen bekommen würde.

„Hier werden Sie arbeiten.“ Der Butler trat zur Seite und ließ sie in den Raum treten.

„Grazie.“

„Gern geschehen, Ma’am. Mit Sicherheit findet sich gleich jemand, der Ihnen eventuelle Fragen beantwortet. Benötigen Sie noch etwas?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, danke.“

Allein im Zimmer, sah sie sich tief beeindruckt von dessen Größe um. Die Wände waren in einem warmen Cremeton gestrichen. Ein kleinteiliges Kranzprofil rahmte die verschnörkelte Decke mit dem Kristalllüster. Das alles war für sie bestimmt?

„Sie dürften Zoe sein“, ertönte eine junge Frauenstimme.

Zoe fuhr herum und sah sich einer hübschen Blondine mit einem freundlichen Lächeln gegenüber. „Hi. Ja, ich bin Zoe. Haben Sie jemals ein Büro wie dieses gesehen? Es ist atemberaubend.“

„Mag sein, wenn man alten Kram liebt.“

Alten Kram? Wie wär’s mit Antiquitäten? Erbstücken? Ausgesuchten Schätzen? „Gehören Sie zum Personal des Palastes?“

Die junge Frau schüttelte den Kopf, sodass ihre Bobfrisur um ihr Kinn schwang. „Ich bin für das Südküsten-Projekt engagiert worden.“ Sie trat weiter in den Raum. „Ich heiße Annabelle.“

„Schön, Sie kennenzulernen. Anscheinend werden wir zusammenarbeiten.“

„Ich freue mich darauf. Falls Sie Fragen haben, zögern Sie nicht, sie zu stellen. Wahrscheinlich habe ich keine Antworten parat, aber ich kann Sie an die jeweiligen Fachleute verweisen.“

„Da bist du ja. Schön.“ Als Demetrius’ Stimme ertönte, drehten sich beide Frauen um.

„Ich überlasse Sie jetzt Ihrer Arbeit.“ Annabelle zog sich eilig zurück.

Demetrius räusperte sich. „Entschuldige die Verspätung. Ich wollte nicht stören.“

„Du hast nicht gestört.“ Er wirkte wie aus dem Ei gepellt mit seinem ordentlich frisierten kurzen Haar und dem gut sitzenden Maßanzug. Zoes Herzschlag beschleunigte sich. Sie redete sich ein, dass es lediglich auf ihre Nervosität zurückzuführen war, und schluckte krampfhaft. „Wir haben uns nur vorgestellt. Annabelle macht einen wirklich netten Eindruck.“

Demetrius zog die Brauen hoch, als wäre er verwundert über ihre Bemerkung. „Annabelle ist großartig. Sie ist die Tochter des Herzogs von Halencia.“

Die Information, dass Annabelle eine Adlige war, dämpfte Zoes Freude über eine vermeintliche Verbündete innerhalb der Palastmauern. Aus unerfindlichen Gründen hatte sie geglaubt, ihre neue Freundin wäre wie sie selbst – eine Bürgerliche.

„Mich wundert, dass sie hier arbeiten will.“ Zoe sprach ihre Gedanken aus, ohne zu überlegen, was ihre Worte vermittelten.

Demetrius räusperte sich erneut. „Das haben der Herzog und mein Vater so vereinbart.“

Eine Vereinbarung? Womöglich mit dem Ziel einer Heirat? Die Eifersucht traf Zoe so schmerzhaft wie ein Messerstich mitten in die Brust und ihr stockte der Atem. Aber sie hatte ja überhaupt kein Recht auf irgendwelche Empfindungen, wenn Demetrius seine Lebensplanung unabhängig von ihr vorantrieb. Nachdem ihre Ehe annulliert worden war, konnte er tun und lassen, was er wollte. Das entsprach doch ihren Wünschen, oder?

Zoe gab sich gleichmütig und sagte: „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihr.“

„Schön.“ Demetrius ging zu dem größeren der beiden Schreibtische. Als Zoe ihm folgte, blieb er stehen und drehte sich um. „Hm. Das hier ist mein Schreibtisch. Deiner steht dort drüben.“

„Heißt das, wir teilen uns ein Büro?“

Er zog die dunklen Brauen hoch. „Ist das ein Problem?“

Als Profi wusste sie, dass die Antwort Nein lauten musste, doch ihr verwundetes Herz sagte etwas anderes. Als hätte sie einen Frosch im Hals, krächzte sie: „Nein. Kein Problem.“

Zoe ging zum anderen Ende des Raumes und legte ihren Laptop und den Terminplaner auf den Schreibtisch, auf dem eine Vase mit frischen Blumen stand. Rote, weiße und violette Blüten verbreiteten einen zarten Duft.

Die ganze Zeit spürte sie Demetrius’ Blick, der jeder ihrer Bewegungen folgte. Sie musste ihm – und sich selbst – zeigen, dass sie über ihn hinweg war. Sie konnte genauso profimäßig auftreten wie er, auch wenn seine bloße Anwesenheit sie innerlich erzittern ließ.

Sie trat um den Schreibtisch herum, blieb vor seinem massiven Arbeitsplatz aus geschnitztem Kirschholz stehen und faltete die Hände.

Demetrius hob den Blick von seinem Monitor. „Brauchst du noch etwas?“

„Ich möchte dir für diese Chance danken. Ich werde dich nicht enttäuschen.“ Seine Augen spiegelten gemischte Reaktionen wider. Vielleicht hätte sie sich um eine bessere Formulierung bemühen sollen. „Außerdem wollte ich dir sagen, dass die Vergangenheit nicht zwischen uns stehen wird.“

Er zog die dunklen Brauen zusammen und gebot ihr mit einer Geste, zu schweigen. Mit langen Schritten ging er zur Tür, schloss sie geräuschlos und wandte sich wieder Zoe zu. „Wenn ich nicht voraussetzen würde, dass du professionell arbeiten kannst, wärst du nicht hier.“

Sie wusste nicht, ob sie seine Worte als Kompliment oder als Beleidigung auffassen sollte. „Grazie.“

„Was diese andere Sache betrifft, besteht Redebedarf. Da müssen wir noch einige Unklarheiten beseitigen. Aber ich will hier nichts Privates besprechen. Man könnte uns belauschen. Und ich will keine Gerüchte in Umlauf bringen.“

„Ich auch nicht.“ Aber freilich aus anderen Gründen als er. „Du brauchst keine Angst zu haben. Annabelle wird von mir nichts über die Vergangenheit erfahren.“

„Das hoffe ich. Wenn du mich jetzt bitte entschuldigst, ich habe eine Besprechung mit dem Bauunternehmer.“ Mit diesen Worten stieß er die Tür auf. Er marschierte den Flur hinunter und ließ Zoe mit der Frage zurück, was seine rätselhafte Bemerkung zu bedeuten haben könnte.

Welche Unklarheiten?

5. KAPITEL

„Wie geht es voran?“

Demetrius betrat spät am folgenden Nachmittag das Büro. Ihm entging nicht, wie Zoe zusammenzuckte. Er hatte sie nicht erschrecken wollen.

„Gut.“ Ihr Tonfall sagte etwas anderes. „Nun ja, so gut, wie man es an diesem Punkt erwarten kann.“

„Ich komme gerade von der Baustelle. Die Arbeiten an den Wohnräumen im rückwärtigen Teil des Herrenhauses sind dem Zeitplan voraus. Bald kannst du dort mit deiner Arbeit anfangen.“

Sie zog die Mundwinkel herab, sagte jedoch nichts. Die Arbeit lief eindeutig nicht so gut, wie sie ihn glauben machen wollte. Vielleicht war sie dieser Aufgabe doch nicht gewachsen. Immer noch hatte sie diese dunklen Ringe unter den Augen. Irgendetwas raubte ihr den Schlaf. Aber was?

Im ersten Impuls wäre er am liebsten zu ihr gegangen, um ihr die Sorgen zu nehmen. Er tat einen Schritt auf sie zu, zögerte dann aber. Was dachte er sich dabei? Anscheinend dachte er überhaupt nicht, jedenf...

Autor

Christine Rimmer
<p>Christine Rimmers Romances sind für ihre liebenswerten, manchmal recht unkonventionellen Hauptfiguren und die spannungsgeladene Atmosphäre bekannt, die dafür sorgen, dass man ihre Bücher nicht aus der Hand legen kann. Ihr erster Liebesroman wurde 1987 veröffentlicht, und seitdem sind 35 weitere zeitgenössische Romances erschienen, die regelmäßig auf den amerikanischen Bestsellerlisten landen....
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Fiona Harper
<p>Als Kind wurde Fiona dauernd dafür gehänselt, ihre Nase ständig in Bücher zu stecken und in einer Traumwelt zu leben. Dies hat sich seitdem kaum geändert, aber immerhin hat sie durch das Schreiben ein Ventil für ihre unbändige Vorstellungskraft gefunden. Fiona lebt in London, doch sie ist auch gern im...
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