Baccara Weekend Band 57

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

BESCHÜTZT IN DEINEN ARMEN von ANNETTE BROADRICK

Mit letzter Kraft erreicht Leslie die rettende Hütte. Auch wenn Jason sie etwas frostig empfängt, ist sie hingerissen von dem attraktiven, durchtrainierten Mann! Er muss ihr helfen, denn sie wird verfolgt. Und wo könnte sie sicherer sein als in Jasons starken Armen?

RETTE MICH, GELIEBTER von MARGARET ALLISON
Ist Katies Jugendfreund Jack nur in ihre Heimatstadt gekommen, um ihre Zeitung zu retten? Als ein Schneesturm ihn am Rückflug nach New York hindert, verbringt sie heiße Stunden vor dem Kamin mit ihm. So viel Leidenschaft! Mehr denn je träumt sie davon, dass es für immer ist …

ZAUBER EINER WEISSEN WINTERNACHT von CAROLINE ANDERSON

Georgia fährt eine Abkürzung – und steckt im Schnee fest. Direkt vorm Anwesen ihres Ex! Fünf aufwühlende, romantische, sinnliche Tage und Nächte lang sind sie und Sebastian von der Außenwelt abgeschnitten. Doch ein altes Geheimnis überschattet ihren prickelnden Neuanfang …


  • Erscheinungstag 10.01.2026
  • Bandnummer 57
  • ISBN / Artikelnummer 9783751538039
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Annette Broadrick, Margaret Allison, Caroline Anderson

BACCARA WEEKEND BAND 57

Annette Broadrick

1. KAPITEL

Es war ein Geräusch draußen vor der Hütte, das Jason Crenshaw weckte, und er war sofort hellwach. Er musste über seinem Buch eingeschlafen sein. Aber da draußen trieb sich jemand herum, obwohl kein vernünftiger Mensch bei einem solchen Schneesturm die eigenen vier Wände freiwillig verlassen würde.

Suchte ihn womöglich jemand? Er konnte sich nicht vorstellen, wer das sein sollte. Nur sein vorgesetzter Offizier wusste, dass er die Jagdhütte eines Freundes in Michigan benutzte, um sich von seinen Verletzungen zu erholen.

Jason stand auf und griff nach seinem Stock. Aus reiner Gewohnheit nahm er die Militärpistole in die Hand, bevor er leise zum Fenster ging.

Die kleine Veranda konnte er aus diesem Blickwinkel nicht sehen, wohl aber die Einfahrt. Da waren keine Reifenspuren zu sehen. Auch wenn es stark schneite, hätte man die Spuren noch erkennen müssen.

In all den Jahren bei der Delta Force hatte er gelernt, auf jede Kleinigkeit zu achten, die um ihn herum passierte, und instinktiv wusste er, dass da ein Mensch die eine Stufe zur Veranda hinaufgestiegen war. Wer war das, und wie war er hierhergekommen?

Jason mochte keine Überraschungen – und schon gar keine unangemeldeten Gäste.

Nun klopfte dieser Jemand an die Tür, und Jason ging hin.

„Wer ist da?“, fragte er. Seine Stimme klang schon ganz heiser, so selten hatte er sie in letzter Zeit gebraucht.

„Entschuldigen Sie die Störung“, antwortete eine zittrige Frauenstimme. „Mein Wagen ist von der Straße abgekommen und steckt im Graben fest. Kann ich Ihr Telefon benutzen?“

Die Geschichte gefiel Jason nicht. Die Straße, die an der Hütte vorbeiführte, war keine Hauptverkehrsstraße. Sie führte zu einem abgelegenen See ungefähr fünfzehn Meilen weiter und endete dort. Was hatte diese Frau auf dieser Nebenstrecke zu suchen?

Da Jason nichts erwiderte, sprach die Frau weiter. „Hallo? Ich komme sicher ungelegen. Aber ich möchte nur …“

Er entriegelte die Tür und öffnete sie gerade weit genug, um die schneebedeckte Gestalt vor ihm zu betrachten. Die Frau trug einen leichten Mantel mit einer Kapuze. Der Mantel war nur halblang, und darunter waren Jeans und Stiefel zu erkennen. Die Augen der Frau hatten die Farbe von altem Whisky, und ihr Gesicht war totenbleich.

Jason murmelte einen Fluch. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Eine schöne Frau in Schwierigkeiten. Und er war überhaupt nicht in der Stimmung, den edlen Ritter zu spielen.

Er öffnete die Tür weiter. Die Pistole hatte er immer noch in der Hand. „Kommen Sie rein, damit ich die Tür zumachen kann.“

Die Frau trat eilig ein. Jason schloss die Tür hinter ihr ab und drehte sich um. Entsetzt starrte die Frau auf die Pistole. Was dachte sie eigentlich, was er tun würde? Irgendwen erschießen, der zufällig hier auftauchte?

Ohne ein Wort ging Jason zum Tisch und legte die Waffe hin.

Als er sich der Frau erneut zuwandte, stand sie immer noch an der Tür.

Sie sah halb erfroren aus.

Das war nicht sein Problem.

Sie zitterte.

Das war nicht sein Problem.

Der Schnee, den sie hereingeschleppt hatte, schmolz und tropfte auf den Fußboden.

Das war nun doch Jasons Problem.

„Schauen Sie, Lady, ich habe nicht die Absicht, Sie zu erschießen. Also ziehen Sie schon den Mantel aus, bevor ich eine Pfütze aufwischen muss.“

„Oh!“ Sie schaute nach unten auf das Wasser zu ihren Füßen. Rasch zog sie den Mantel aus.

Der Strom war schon vor Stunden ausgefallen, und der Raum war nur von einer Petroleumlampe erleuchtet, die auf dem Tisch neben dem Sessel stand, in dem Jason gelesen hatte.

„Da ist ein Garderobenständer.“

Er beobachtete, wie die Frau ihre Handschuhe auszog, den Mantel aufhängte und dann mit den Händen über ihre Jeans strich. Danach sah sie sich um und machte dabei schon wieder ein erschrockenes Gesicht.

Jason wusste, warum. Die Hütte bestand nur aus einem einzigen großen L-förmigen Raum. Im kürzeren Teil war die Küche untergebracht. Außer Tisch und Stühlen gab es eine Couch, die schon bessere Zeiten erlebt hatte, sowie einen nicht weniger abgenutzten Sessel und zwei Etagenbetten.

Mitten im Raum stand ein Holzofen, die einzige Wärmequelle. Das Badezimmer ging von der Küche ab, und Jason hielt die Tür geschlossen, damit es im Zimmer möglichst warm blieb.

Als die Frau ihren Hut abnahm, sah Jason ihre kurzen blonden Locken. Sie war groß, schlank und sah wie ein Teenager aus.

Ihre Augen hatten etwas Unschuldiges an sich, was Jason seltsam fand, weil ihr Mund andererseits zum Küssen geradezu einlud.

Nicht dass Jason das etwas bedeutet hätte, auch wenn er seit seiner Entlassung aus dem Krankenhaus keine Frau mehr zu sehen bekommen hatte. Er wusste, dass er für keine von ihnen eine angemessene Gesellschaft war, und schon gar nicht für einen unschuldigen Teenager.

Jetzt griff die Frau nach einem alten Handtuch, das neben der Tür hing, und wischte hastig die Pfütze auf dem Fußboden auf. Jason weigerte sich, mehr als einen flüchtigen Blick auf ihren Po und ihre gut geformten Beine zu werfen, als sie sich vorbeugte.

Er wandte sich ab, nun doch verunsichert, weil er sich der Anwesenheit dieser Frau so sehr bewusst war. Er legte den Stock weg, zuckte zusammen, als die Narben an seiner Schulter, der Seite und dem Oberschenkel, wo die Kugeln herausoperiert worden waren, wehtaten, und setzte sich wieder in den Sessel, in dem er vor der Ankunft der Frau gesessen hatte.

Der Schmerz erinnerte ihn daran, warum er ganz allein hatte bleiben wollen, bis er wieder vollständig gesund war. Er hatte sein früheres Leben so weit wie möglich hinter sich gelassen. Nicht einmal seine Familie wusste, wo er war. Und genau so wollte er es haben.

Als die Frau sich wieder aufrichtete, sah Jason sie böse an. Es passte ihm überhaupt nicht, dass sie hier aufgetaucht war. Aber so abweisend, dass er ihr etwas Wärme und Sicherheit verweigert hätte, war er dann doch nicht.

Sie machte jetzt Anstalten zu lächeln, gab das aber schnell wieder auf, als Jason nicht darauf reagierte. „Wenn ich Ihr Telefon benutzen darf, um den Abschleppdienst anzurufen, sind Sie mich ganz schnell wieder los.“

Jason starrte sie schweigend an. Sie hatte einen leichten Südstaatenakzent, und das erklärte möglicherweise ihre Kleidung, die für den Winter im Norden völlig ungeeignet war. Und die Tatsache, dass sie leichtsinnigerweise während eines Schneesturms unterwegs war.

„Es ist Ihnen vielleicht nicht aufgefallen, aber es stürmt da draußen ganz ordentlich. Da werden Sie ganz bestimmt niemanden auftreiben, der sein Leben riskiert, um Ihr Auto aus dem Graben zu ziehen. Das muss warten, bis der Sturm vorbei ist.“

Die Frau tat ihr Bestes, um ihre Panik zu verbergen, aber in ihren Augen war zu erkennen, was in ihr vorging.

Sie wandte sich ab und griff nach ihrem Mantel.

„Was haben Sie denn jetzt vor?“, fragte Jason.

Sie schaute über die Schulter zu ihm zurück. „Ich gehe zu meinem Wagen zurück und warte da, bis der Sturm vorbei ist.“

Jason schüttelte ungläubig den Kopf. „Na toll, Miss Alabama“, spottete er. „Tun Sie das. Aber dann erfrieren Sie in Ihrem Auto, während Sie darauf warten, dass es wieder aufklart. Und das kann gut und gerne noch ein paar Tage dauern.“

Die Frau sah Jason an, plötzlich kerzengerade und mit hoch erhobenem Kinn. „Mein Name ist Leslie O’Brien, und ich stamme aus Tennessee, nicht aus Alabama. Und was das Erfrieren angeht, werde ich mein Bestes tun, um mich warm zu halten. Das scheint ja im Moment die einzige Möglichkeit zu sein.“

Lass sie gehen, dachte Jason. Du willst sie hier nicht haben. Soll sie doch erfrieren.

Aber statt das auszusprechen, sagte er: „Nun machen Sie nicht noch mehr Dummheiten als ohnehin schon. Sie bleiben hier, bis jemand kommen kann, der Ihnen hilft.“ Er deutete auf seinen Stock. „Ich fürchte, ich selbst kann es nicht tun. Ich bin immer noch dabei zu lernen, wieder zu laufen, ohne hinzufallen.“

Leslie verschränkte die Arme. Ihr Ausdruck war eisig. „Was genau war denn Ihrer Meinung nach so idiotisch an meinem Verhalten?“ Jasons letzte Bemerkung ignorierte sie.

„Erstens, dass Sie bei diesem Wetter unterwegs waren. Sind Sie vorher schon jemals im Schnee gefahren?“

Leslie verzog den Mund. „Ehrlich gesagt, nein. Als ich das Motel heute früh verlassen habe, habe ich nicht damit gerechnet, in einen Schneesturm zu geraten. Aber ich hatte nur noch dreißig Meilen vor mir, als es anfing, und ich habe nicht erwartet, dass es so schnell so viel schlimmer werden würde. Und dass die Straße so glatt wird.“

Jason schüttelte müde den Kopf. „Es bleibt trotzdem eine Tatsache, dass Sie so lange hierbleiben müssen, bis der Sturm vorbei ist. An der Tatsache führt kein Weg vorbei.“

Das musste Jason genauso akzeptieren wie Leslie.

Jason deutete auf die Kaffeekanne, die auf dem Holzofen stand. „Wie Sie sehen, gibt es keinen Strom. Da ist Kaffee, falls Sie welchen wollen.“

Leslie nickte, trat an den Ofen und streckte die Hände aus, um sie zu wärmen. Jason griff nach seinem Stock und ging in die Küche, um eine zweite Tasse zu holen.

Sie goss sich Kaffee ein und stellte die Tasse dann Jason gegenüber auf den Tisch. Statt sich zu setzen, sah sie sich um. „Darf ich Ihr Bad benutzen?“

Jason deutete auf die Tür. „Nur zu.“

Leslie durchquerte die Küche, ging ins Badezimmer und schloss die Tür leise hinter sich.

Jason überlegte, was er mit dieser Frau anfangen sollte. Er konnte sie einfach nicht wieder in den Sturm hinausschicken, weil sie da erfrieren würde. Aber er wollte sie auch nicht hier haben. Die Hütte war nicht so gebaut, dass zwei Menschen einander einfach aus dem Weg gehen konnten. Sie war nicht mehr als ein Unterschlupf für Jäger, die ein paar Tage bleiben wollten.

Jason war allein, weil er es genau so hatte haben wollen. Er wollte wieder vollständig der Alte sein, wenn er in die Welt zurückkehrte. Und bis dahin brauchte er einen Ort, wo er den Kampf gegen die Dämonen in seinem Inneren ausfechten konnte.

Leslie lehnte von innen gegen die Badezimmertür und zitterte. Es war kalt hier drin. Ob das Wasser wohl gefroren war? Nein, aber es war eiskalt, wie sie feststellte, als sie sich die Hände wusch. Wenigstens steckte sie nicht mehr im Sturm fest.

Aber was sollte sie jetzt tun?

Sie war seit drei Tagen auf der Flucht, hatte Benzin, Motelzimmer und Essen bar bezahlt, damit man sie nicht aufspüren konnte, fühlte sich aber immer noch alles andere als sicher. Ihr Plan war gewesen, im Ferienhaus ihres Cousins Zuflucht zu suchen, weil dort ganz sicher niemand nach ihr suchen würde. Sie brauchte einen Ort, wo sie bleiben konnte, um in Ruhe überlegen zu können, was sie nun unternehmen sollte.

Ihr Cousin Larry besaß eine zweistöckige Blockhütte, wo die Familie immer Urlaub machte. Sie lag irgendwo an dieser Straße, in der Nähe eines Sees. Leslie und ihre Mutter waren schon mehrmals im Sommer dort gewesen, aber jetzt sah alles so anders aus, weil man vor lauter Schnee kaum etwas erkennen konnte.

Leslie hatte keine Ahnung, wie weit es noch zu dem Haus war. Kurz bevor sie in den Graben gerutscht war, hatte sie überlegt, ob sie die Einfahrt vielleicht übersehen hatte.

Der Himmel war schon grau gewesen, und es hatte ein kalter Wind geweht, als Leslie morgens das Motel verlassen hatte. Aber sie hatte keine Ahnung gehabt, dass Schnee in der Luft lag.

Der Mann nebenan hatte recht. Sie hatte die Zeichen nicht erkannt, sonst hätte sie das Motel gar nicht erst verlassen. Aber da sie nur noch dreißig Meilen von Larrys Haus entfernt gewesen war, als es angefangen hatte zu schneien, hatte sie beschlossen weiterzufahren.

Dass es dann so schlimm geworden war, hatte sie in Panik versetzt. Sie hatte die Straße nicht mehr erkennen können, und so war sie ganz langsam gefahren und hatte dabei angestrengt durch die Windschutzscheibe geschaut, hinter der die Scheibenwischer den Kampf mit den Schneemassen immer schlechter bewältigten.

Natürlich wäre sie nicht absichtlich in einen Schneesturm gefahren, wenn sie gewusst hätte, dass einer kommen würde. Sie war ja kein Dummkopf, egal, was ihr mürrischer Gastgeber von ihr hielt.

Nicht dass das jetzt noch eine Rolle gespielt hätte. Sie konnte die Zeit nicht zurückdrehen, um dann eine klügere Entscheidung zu treffen. Und so steckte sie nun in dieser extrem unangenehmen Situation. Wenn sie zu ihrem Auto zurückging, bestand die Gefahr, dass sie erfror. Und wenn sie hierblieb, musste sie sich mit diesem unhöflichen Menschen auseinandersetzen.

Offenbar hatte ihr Glück sie im Stich gelassen, gerade wo sie es am dringendsten brauchte. Von allen Orten, an denen sie hätte landen können, war sie ausgerechnet hier an diesen Einsiedler und Menschenfeind geraten. Oder vielleicht vor allem ein Frauenfeind? Wie auch immer, es war nur zu offensichtlich, dass er sie nicht bei sich haben wollte.

Sie konnte nicht beurteilen, wie alt er war. Vielleicht Ende dreißig? Er war groß und schlank. Leslie hatte keine Ahnung, was mit seinem Bein los war. Sie hatte nur gemerkt, dass er es nach Kräften schonte.

Mit einem Rasierapparat gab er sich offenbar auch nur selten ab. Und ein guter Haarschnitt hätte auch nicht geschadet.

Aber am beunruhigendsten fand Leslie seine Augen. Die waren silbrig blau und ihr Blick war durchdringend. Leslie hatte darin erkennen können, dass dieser Mann sie vom ersten Moment an nicht hatte ernst nehmen wollen.

Erst jetzt warf Leslie einen Blick in den Spiegel. Sie hatte solche Ringe unter den Augen, dass sie schon wie ein Waschbär aussah. Abgesehen davon war sie so bleich wie der Schnee draußen.

Sie holte einen Kamm aus ihrer Handtasche und kämmte ihr kurzes Haar. Sie hatte es am ersten Abend ihrer Flucht abgeschnitten, um ihre äußere Erscheinung zu verändern. Sie war immer der eher unscheinbare Typ gewesen und hoffte, sich als jemand anders ausgeben zu können, falls ihre Situation sich noch weiter verschlechterte.

Leslie fing wieder an zu zittern. Sie würde noch Frostbeulen bekommen, wenn sie zu lange hier drin blieb. Also öffnete sie die Tür und nahm sich vor, so freundlich wie möglich zu sein, so unhöflich ihr ungewollter Gastgeber auch sein mochte.

Er saß immer noch in seinem Sessel und schien in das dicke Buch vor ihm vertieft zu sein.

Leslie setzte sich und trank still ihren Kaffee. Glücklicherweise war er inzwischen nicht mehr ganz so heiß. Aber trotzdem konnte man ihn kaum trinken. Sie wartete darauf, dass ihr Gastgeber aufschaute, sprach oder sonst etwas tat, anstatt sie zu ignorieren.

Aber schließlich gab sie auf. „Es wäre hilfreich, wenn ich Ihren Namen wüsste“, begann sie.

„Jason.“ Er sah sie nicht einmal an.

Na toll. Jason ohne Nachnamen. Die Pistole lag immer noch auf dem Tisch neben ihm. Womöglich war er ein Verbrecher? Oder litt er unter Verfolgungswahn? Vielleicht war er auch ein Verbrecher mit Verfolgungswahn.

Sie zuckte zusammen, als er wieder sprach.

„Falls Sie Hunger haben, Miss Scarlett, da steht Eintopf auf dem Herd. Nehmen Sie sich was.“ Er wandte sich wieder seinem Buch zu. Offenbar waren seine Pflichten als Gastgeber damit für ihn erledigt.

Leslie war tatsächlich fast am Verhungern. Sie hatte nur zum Tanken angehalten, seit sie das Motel verlassen hatte, und den ganzen Tag nur ein paar Schokoriegel gegessen. Vielleicht war sie ja unter anderem auch deshalb jetzt so zittrig.

Der Rest war einfach Angst.

Sie ging in den Küchenbereich und hob den Deckel von dem großen Topf. Bei dem Duft hätte sie fast gestöhnt, so lecker roch der Inhalt. Sie musste zwei Schränke inspizieren, bis sie einen Suppenteller fand.

„Hätten Sie auch gern was?“, fragte sie dann.

Nach kurzem Zögern antwortete er: „Ja. Danke.“

Das war das widerstrebendste Danke, das sie je gehört hatte, aber wenigstens bemühte er sich um ein Minimum an Höflichkeit. Leslie füllte eine zweite Schale und trug beide zum Tisch.

Jason klappte sein Buch zu, und Leslie reichte ihm einen der Löffel, die sie sich in die Tasche gesteckt hatte. Er begann sofort zu essen.

„Was glauben Sie, wann der Sturm vorbei sein wird?“, fragte Leslie.

Es dauerte einen Moment, bis Jason sie ansah. Dann zuckte er die Schultern. „Tut mir leid. Ich habe keine Kristallkugel.“ Daraufhin aß er weiter.

„Schmilzt der Schnee, wenn es aufgehört hat zu schneien?“

Jason seufzte. „Irgendwann ja. Wahrscheinlich spätestens im März.“

„März! Aber das sind noch zwei Monate!“

Jason sah sie ausdruckslos an. „Jemand hätte Ihnen sagen sollen, dass Michigan im Winter nicht das beste Urlaubsziel ist, außer man mag Wintersport.“

Plötzlich hatte Leslie keinen Appetit mehr.

Bald würde der Schnee so hoch sein, dass sie Larrys Einfahrt gar nicht finden konnte, wenn sie ihren Wagen wieder auf der Straße hatte.

Sie achtete auf die Geräusche um sich herum. Das Holz im Ofen knisterte und knackte, ein Ast streifte die Seite der Hütte, der Wind heulte wie ein Geist in einem Horrorfilm. Es duftete nach Eintopf und Kaffee, und die Lampe auf dem Tisch spendete ein goldenes Licht.

Leslie inspizierte die Wände. Die Fugen zwischen dem Holz waren versiegelt worden. Dann sah sie zu den Dachbalken hinauf. Zu dumm, dass der Raum keine richtige Decke hatte. Dann hätte die Wärme nicht ungehindert nach oben steigen können.

Als Jason das Schweigen brach, zuckte sie überrascht zusammen.

„Wie sind Sie überhaupt hier zu dieser Hütte gekommen? Ich habe keine Spuren im Schnee gesehen.“

„Ich, äh, habe zufällig den Rauch aus dem Schornstein aufsteigen sehen, als ich überlegt habe, wie ich den Wagen aus dem Graben herauskriegen könnte. Und dann bin ich zwischen den Bäumen, wo nicht so viel Schnee lag, so gerade wie möglich auf diesen Rauch zugegangen. Ich muss zugeben, dass ich etwas nervös war, bis ich die Hütte endlich gefunden hatte.“

„Ah.“

Leslie räumte das Geschirr ab, als sie aufgegessen hatten, und wusch es ab. Dann füllte sie die Tassen wieder mit Kaffee. Statt sich erneut an den Tisch zu setzen, ging sie zu einem der Fenster und sah hinaus. Laut ihrer Uhr war es erst kurz nach drei, aber es war schon fast dunkel.

Der Wind war inzwischen fast noch stärker geworden. Leslie hatte keine Ahnung, wie weit weg ihr Auto stand. Es war wirklich Glück gewesen, dass sie die Hütte gefunden hatte. Ein Zittern der Erleichterung durchlief sie, und sie schlang die Arme um sich.

Als sie sich wieder vom Fenster abwandte, merkte sie, dass Jason sie beobachtete.

„Ich werde heute Nacht hierbleiben müssen“, sagte sie.

„Sieht so aus, ja.“

„Ich habe aber keine Kleidung hier.“

„Das wundert mich nicht. Schließlich wollten Sie nur telefonieren und nicht gleich einziehen.“

Fast hätte sie gelächelt. Jason hatte so eine Art, das Offensichtliche in Worte zu fassen. Vielleicht vernebelte die Anspannung, unter der Leslie seit drei Tagen stand, ihr Gehirn, aber sie fand Jason schon längst nicht mehr so einschüchternd wie am Anfang. Nur unhöflich.

Natürlich konnte er sie jederzeit erschießen, aber irgendwie glaubte sie nicht, dass er das tun würde. Sie hatte so eine Ahnung, dass er diese Waffe nur zu seinem Schutz benutzte, nicht zum Angreifen. Leslie überlegte, ob er sich vor jemand Bestimmtem schützen musste.

Der Gedanke war nicht gerade beruhigend.

Sie sah auf ihre Kleidung und seufzte.

Jason stand auf und ging zum anderen Ende der Hütte. „Ich sehe mal nach, ob ich etwas habe, worin Sie schlafen können.“

Leslie folgte ihm und sah zu, wie er Schubladen öffnete und ein Sweatshirt, eine Jogginghose, Bettwäsche und eine Decke herausnahm. „Es sind Kissen auf dem Bett.“ Er deutete auf die unbenutzte Koje.

„Danke.“ Leslie nahm die Sachen entgegen und bezog schnell das Bett. Erst danach betrachtete sie die Kleidungsstücke genauer. Obwohl sie groß war, würde sie darin wohl versinken. Aber das war nicht zu ändern.

Sie drehte sich zu Jason um. „Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, aber haben Sie vielleicht etwas, das ich aufhängen könnte, um ein bisschen Privatsphäre zu haben?“

Er sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren. Aber es war ihr egal, was er dachte. Sie verschränkte die Arme und hielt seinem Blick stand.

„Ich bezweifele, dass eine Decke Ihnen Privatsphäre verschaffen kann, außer Sie wollen sie vom oberen Bett herunterhängen lassen. Falls das so ist, bitte schön.“

Jason wandte sich ab und kehrte zum anderen Ende der Hütte zurück. Sogar so eine kleine Anstrengung verursachte Schmerzen in seinem Bein. Er ging ins Bad, schloss die Tür und trat unter die Dusche. Gewöhnlich benutzte er ein Heizkissen, um die Muskeln in seinem Oberschenkel zu entspannen, aber ohne Strom war das heiße Wasser die einzige Möglichkeit. Er war heilfroh, dass sowohl der Boiler als auch der Küchenherd mit Propangas liefen. Er hatte überhaupt Glück gehabt, diese Hütte benutzen zu dürfen. Hier fühlte er sich wie zu Hause. Abgesehen davon, dass der Strom gelegentlich ausfiel, kam er bestens zurecht. Er hatte eine Waschmaschine und einen Trockner, einen funktionstüchtigen Kühlschrank, einen Herd und eine Speisekammer, die so gut gefüllt war, dass er nie einkaufen fahren musste.

Außerdem hatte er genug Platz für die Übungen, die nötig waren, damit er irgendwann sein Bein wieder richtig benutzen konnte.

Als er geduscht und wieder angezogen war, fühlte er sich besser. Er öffnete die Tür und trat in das warme Zimmer. Glücklicherweise hatte er genügend gehacktes Holz, um bis zum Frühjahr heizen zu können, mit oder ohne Strom. Und dann würde er zu seiner Einheit zurückkehren.

Der Gedanke war nicht gerade beruhigend. Er litt immer noch unter Albträumen wegen des Angriffes, und unter Schuldgefühlen, weil er seine Männer in diesen Hinterhalt geführt hatte. Und noch immer wünschte er sich gelegentlich, er wäre zusammen mit den beiden gestorben, die es nicht geschafft hatten.

Leslie hatte zwei Decken aufgehängt, eine auf der Seite, die Jasons Bett gegenüberlag, und eine am Fußende. Da das Bett in einer Ecke stand, waren die übrigen beiden Seiten sowieso vor Blicken geschützt.

„Fühlen Sie sich jetzt sicherer?“

Sie sah ihn an. „Ja, danke.“ Sie hatte wieder das Kinn gehoben, ein eindeutiges Zeichen, dass sie sich ihm gegenüber behaupten wollte.

Irgendwie beeindruckte Jason das. Wenige Frauen wären mit der gegebenen Situation fertig geworden, ohne zu weinen. Seine Mutter war eine davon. Er lächelte, als er an sie dachte. Und Ashley, die Frau seines ältesten Bruders. Das waren Frauen, die sich nichts gefallen ließen.

Er kannte seine anderen beiden Schwägerinnen nicht gut genug, um zu wissen, ob sie in dieselbe Kategorie gehörten, aber er hatte so eine Ahnung, dass es wohl so sein musste, wenn sie mit Jared und John zurechtkamen.

Jason ging wieder zu seinem Sessel und setzte sich. Seit einigen Tagen las er eine Biografie von General Patton. Er fand das Leben dieses Mannes faszinierend, außerdem lenkte das Buch ihn von seiner momentanen Situation ab, zumindest vorübergehend.

Bald musste er eine Entscheidung treffen, was seine weitere Karriere anging. Er konnte um Entlassung aus dem Militärdienst bitten, aber was dann? Bis zu diesem letzten Einsatz hatte er nie in Erwägung gezogen aufzuhören. Aber obwohl ihm seine Vorgesetzten mehrfach versichert hatten, dass er nichts hätte tun können, um die beiden Männer zu retten, und dass die anderen nur durch seine schnelle Einschätzung der Lage überlebt hatten, glaubte er immer noch, er hätte keinen einzigen seiner Kameraden verlieren dürfen.

„Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, gehe ich schlafen. Ich bin heute sehr früh aufgestanden.“

Jason blickte auf und sah, dass Leslie die Sachen angezogen hatte, die er ihr gegeben hatte. Obwohl sie den Hosenbund umgeschlagen hatte, war die Hose immer noch viel zu lang.

Das Sweatshirt saß ein bisschen besser. Und zumindest würde es sie warm halten.

Aus irgendeinem Grund amüsierte es Jason, dass Leslie so höflich war. „Ich werde mich bemühen, so wenig Lärm wie möglich zu machen.“ Da abgesehen von ihren Worten nur gelegentliches Holzknistern zu hören war, erwartete Jason, dass seine Bemerkung Leslie ein Lächeln entlocken würde.

Aber sie nickte ernst. Jason sah zu, wie sie die aufgehängte Decke anhob, ins Bett stieg und die Decke wieder fallen ließ, sodass sie nun dahinter versteckt war.

Er schüttelte den Kopf. Eigentlich hätte sie sich seinetwegen doch keine Sorgen machen müssen. Immerhin konnte er kaum laufen.

Er war nicht sicher, ob er sich geschmeichelt fühlen oder beleidigt sein sollte.

2. KAPITEL

„In Deckung! In Deckung! Ein Hinterhalt! Thompson ist getroffen worden. Wir müssen zu ihm! Nein!“

Leslie setzte sich ruckartig im Bett auf und wäre fast mit dem Kopf ans obere Bett gestoßen. Was war da los? Wer brüllte da?

Sie schob die Decke beiseite. Offenbar träumte Jason. Er lag auf seinem Bett, mit nichts als seiner Unterwäsche, stöhnte und murmelte etwas, das Leslie nicht verstehen konnte.

Sie legte sich wieder hin. Was war mit diesem Mann los? War er Soldat? Sie drehte sich zur Wand um und zog die Decke bis zum Kinn hoch.

Im Zimmer war es wesentlich kälter geworden, seit sie schlafen gegangen war, und Jason war nicht zugedeckt. Vielleicht war es gut, dass es so dunkel war. So hatte Leslie wenig erkennen können. Und die Decke, die sie zwischen den Betten aufgehängt hatte, verschaffte auch Jason ein bisschen Privatsphäre.

Leslie überfiel wieder dieses Zittern. Die Überlegungen über den Fremden, dessen Hütte sie teilte, hatten sie von ihrer eigenen Situation abgelenkt. Sie traute sich nicht, Teri anzurufen und nachzufragen, ob die Männer wiedergekommen waren, um nach ihr zu suchen. Da sie Zugang zu Polizeidateien hatten, hatten sie möglicherweise von Leslies Mietwagen erfahren.

Würden sie nach Verwandten suchen, die Leslie eventuell aufsuchen könnte? Falls ja, hatte sie womöglich Larry und seine Familie in Gefahr gebracht. Diese Männer konnten längst in Michigan sein – und ihr dicht auf den Fersen.

Diese Vorstellung erschreckte Leslie zu Tode.

Aber irgendwann schlief sie wieder ein. Als sie die Augen das nächste Mal öffnete, kam schwaches Licht zum Fenster herein. Leslie streckte einen Arm unter der Decke hervor. Es war kalt, obwohl das Feuer im Ofen immer noch knisterte.

Sie setzte sich auf, schob die aufgehängte Decke beiseite und bemerkte zu ihrer Überraschung, dass Jason auf dem Fußboden Übungen machte. Nach seinen gemurmelten Flüchen zu urteilen, musste er Schmerzen haben. Aber trotzdem bewegte er weiter sein Bein und ein paar Minuten später auch Arm und Schultern.

Leslie wurde plötzlich bewusst, dass sie ihn schon wieder beobachtete, ohne dass er es merkte, und sie ließ die Decke schnell sinken. Im Licht der Petroleumlampe auf dem Tisch hatte Jasons Haut golden geschimmert, und Leslie hatte seine eindrucksvollen Muskeln gut erkennen können.

Sie wartete, bis sie hörte, wie die Badezimmertür geschlossen wurde. Erst danach sah sie sich in der Hütte um. Sie war allein, also zog sie schnell ihre eigene Kleidung an, legte die geborgten Sachen zusammen und packte sie auf ihr Kissen.

Nachdem sie sich die Hände am Ofen gewärmt hatte, ging sie in die Küche und öffnete ein paar Türen. Es war erstaunlich, wie viele Vorräte Jason hatte. Zwar war der Kühlschrank ziemlich leer, aber in der Speisekammer fand Leslie eine Menge, woraus sich ein Frühstück zubereiten ließ.

Sie backte schnell ein paar Brötchen, fand Trockenfrüchte und Nüsse, kochte Hafergrütze und rührte getrocknete Aprikosen und gehackte Walnüsse hinein.

Als Jason wieder aus dem Bad kam, war der Tisch gedeckt, und Leslie hatte auch schon Kaffee eingegossen. Jason hatte geduscht und sich rasiert, und Leslie fand den Unterschied bemerkenswert. Offenbar war Jason jünger, als sie gedacht hatte.

Auch heute trug er Jeans, dazu aber einen Pullover, den offenbar jemand ausgesucht hatte, der ihn liebte. Die Farbe passte genau zu Jasons ungewöhnlichen Augen.

Er blieb abrupt stehen, als er den Tisch sah. Leslie verschwand wieder im Küchenbereich, brachte die Brötchen zum Tisch und kehrte in die Küche zurück.

„Was … Sie hätten nicht …“ Jason brach ab, als Leslie die Hafergrütze brachte.

Sie lächelte ihn an. „Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich Frühstück gemacht habe.“

„Es soll mir was ausmachen?“ Er schob Leslie den Stuhl zurecht, ohne darüber nachzudenken. Erst danach setzte er sich. Leslie stellte fest, dass ihm jemand irgendwann mal Manieren beigebracht hatte … bevor er zum Einsiedler geworden war. „Danke“, sagte er.

Während des Essens redeten sie beide nicht. Erst als Leslie Jason noch mehr Hafergrütze brachte, schaute er auf. „Wie sind Sie auf die Idee gekommen, da was reinzutun?“

Da Jason die erste Portion geradezu verschlungen hatte, sollte das wohl keine Kritik sein. Außerdem hatte sie nur ein Brötchen gegessen und Jason den gesamten Rest. „Das war eine Idee meiner Mutter“, antwortete sie nun. „Ich habe früher Hafergrütze gehasst, also hat sie experimentiert, um mich doch noch dazu zu bewegen, davon zu essen.“

„Hm. Wo wohnt denn Ihre Mutter?“

Was war nur aus dem Griesgram von gestern geworden? Er bemühte sich ja plötzlich richtig, Konversation zu machen.

„Sie hat in Alabama gelebt, bis sie im letzten Frühjahr gestorben ist.“

„Es tut mir leid, das zu hören. Sie sind in Alabama aufgewachsen, oder?“

Leslie verzog das Gesicht. „Ja. Warum?“

„Wenn Sie sprechen, klingt es so.“

Sie legte den Kopf schief. „Und das wissen Sie, weil …“

„Einer der Männer in meiner Einheit war …“ Jason schüttelte den Kopf und trank einen Schluck Kaffee. Jetzt wirkte er plötzlich wieder so mürrisch wie am Tag zuvor.

Leslie wartete, aber er sagte nichts weiter.

Seine Einheit. Militär. Offenbar war etwas Schlimmes geschehen, über das er nicht reden wollte. Das konnte Leslie verstehen. Sie hatte schließlich auch nicht die Absicht, Jason zu erzählen, warum sie Tennessee so übereilt verlassen hatte.

Sie beschloss, das Thema zu wechseln. „Leben Ihre Eltern noch?“, fragte sie schließlich.

Jason nickte und stand auf. Er trug das Geschirr von seiner Seite des Tisches in die Küche. Leslie zuckte mit den Schultern und räumte den Rest ab. Als sie um die Ecke kam, machte Jason gerade Anstalten, das Geschirr abzuwaschen.

„Das kann ich doch machen“, sagte sie, während sie die Tassen abstellte.

„Das ist schon okay.“ Er sah nicht auf. „Übrigens, danke für das Frühstück.“

Was in etwa hieß, dass sie verschwinden sollte.

Sie wandte sich ab, seufzte lautlos und ging zum Ofen, der jetzt wieder richtig warm war. Nachdem sie sich die Hände ein paar Minuten lang gewärmt hatte, trat sie ans Fenster und sah hinaus.

Es schneite immer noch. Offenbar war es kein Witz gewesen, als Jason gesagt hatte, dass das bis März so weitergehen konnte. Aber sicher würde wenigstens der Wind bald nachlassen. Leslie beobachtete eine Weile, wie der Schnee herumgeweht wurde, bevor sie sich wieder abwandte.

Was jetzt?

Sie dachte voller Sehnsucht an die Sachen in ihrem Auto. Auf dem Weg nach Norden hatte sie ein paar Zeitschriften und Taschenbücher gekauft, um sich im Haus ihres Cousins die Zeit vertreiben zu können.

Das schien jetzt genau das Richtige.

Entschlossen griff sie nach ihren Handschuhen, zog ihren Mantel an und die Kapuze so weit wie möglich nach vorn. Als sie gerade an der Tür war, meldete sich Jason zu Wort.

„Was glauben Sie denn, wo Sie hingehen?“

Da war der alte Griesgram wieder. „Zu meinem Auto“, antwortete Leslie, ohne sich zu ihm umzudrehen.

„Wieso?“

Sie zählte innerlich bis zehn. Langsam. „Weil ich ein paar Dinge daraus brauche“, erklärte sie dann, immer noch mit dem Rücken zu ihm.

Er seufzte. „Sie leben wohl wirklich gern gefährlich, was?“

Leslie schüttelte den Kopf. „Eigentlich nicht.“ Sie schob den Riegel zurück, öffnete die Tür, trat schnell hinaus und knallte die Tür wieder zu. Dann sah sie sich um. Sie hatte keine Chance, auf demselben Weg zu ihrem Auto zurückzukehren, den sie gestern genommen hatte, aber die Einfahrt war deutlich genug zu erkennen. Sie konnte bis zur Straße gehen und dann bis zu ihrem Wagen daran entlanglaufen.

Als sie von der Veranda trat, sank sie sofort bis zu den Knien im Schnee ein. Na toll. Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Aber sie hatte nicht die Absicht, ohne etwas zu lesen in die Hütte zurückzukehren, da ihr unfreiwilliger Gastgeber es ja offenbar nicht für nötig hielt, sich mit ihr zu unterhalten. Sie würde weitergehen, selbst wenn sie das umbrachte.

Was durchaus möglich war.

Leslie verlor jegliches Gefühl für Zeit, während sie sich durch den Schnee kämpfte. Wie das am besten ging, lernte sie schnell. Aber ihre Füße waren im Nu nass und kalt. Sie biss die Zähne zusammen. Es kam gar nicht infrage, zurückzugehen und zuzugeben, dass Jason recht gehabt hatte. Also ging sie tapfer weiter.

Als sie endlich die Straße erreicht hatte, keuchte sie und war tatsächlich ins Schwitzen geraten, was sie seltsam fand. Auf der Straße lag glücklicherweise nicht ganz so viel Schnee wie daneben.

Leslie drehte sich um und sah zurück. Die Hütte war nicht mehr in Sicht, aber sie konnte den Rauch sehen. Also würde sie wohl den Weg dorthin wiederfinden, genau wie am Tag zuvor.

Das Auto war voller Schnee. Leslies Handschuhe waren längst völlig durchnässt. Sie zog sie aus und holte die Autoschlüssel aus der Manteltasche.

Dann ging sie zum Kofferraum und schob Schnee beiseite, bis sie das Schloss gefunden hatte.

Es war eingefroren.

Leslie wusste nicht, ob sie weinen oder fluchen sollte. Sie wollte einfach nicht ohne ihre Sachen in die Hütte zurückkehren. Entschlossen kniete sie sich direkt vor das Schloss und fing an zu pusten. Etwa einmal in der Minute versuchte sie es mit dem Schlüssel, dann machte sie weiter. Irgendwann musste sie aufhören, weil ihr ganz schwindelig wurde. Außerdem taten ihre Wangen von der Anstrengung weh.

Doch dann endlich ließ sich der Schlüssel im Schloss bewegen. Es kostete Leslie viel Kraft, den Kofferraum zu öffnen, aber sie fühlte sich wie ein Champion, als sie es endlich geschafft hatte.

Jetzt verschwendete sie keine Zeit mehr. Sie öffnete den Koffer, warf all die Bücher und Zeitschriften hinein, die lose im Auto herumlagen, und hob ihn dann aus dem Auto.

Danach schloss sie den Kofferraum wieder, nahm die Schlüssel und sah sich um. Sie konnte entweder auf der Straße zu Jasons Hütte zurückgehen oder zwischen den Bäumen hindurch, wo der Schnee nicht annähernd so hoch lag. Es war eigentlich gar keine Frage, welche Möglichkeit sie wählte.

Doch heute kam ihr der Weg zwischen den Bäumen hindurch länger vor als gestern. Allerdings hatte sie da auch keinen riesigen Koffer hinter sich hergezogen. Ihre Mutter hatte ihr immer vorgeworfen, sie sei sturer, als gut für sie war.

„Da hattest du recht, Mom“, sagte sie nun laut. Vielleicht hatte ihre Mutter ihr ja auch irgendwie geholfen, den Kofferraum aufzukriegen, wo sie doch gewusst hatte, dass Leslie nicht lockerlassen würde. Leslie lächelte bei dieser Vorstellung.

Sie und ihre Mutter hatten sich immer sehr nahegestanden. Leslies Mutter war gerade mit ihr schwanger gewesen, als Leslies Vater bei einem Einsatz mit der Militärpolizei getötet worden war. Das war sechsundzwanzig Jahre her.

Leslies Mutter hatte sich danach niemals für einen anderen Mann interessiert, und Leslie war in dem Glauben aufgewachsen, dass es für jede Frau einen bestimmten Mann gab, der der Richtige war. Jetzt, mit fünfundzwanzig Jahren, war sie davon allerdings nicht mehr ganz so überzeugt wie mit zehn.

Ihre Mutter hatte ihr das Gefühl vermittelt, etwas Besonderes zu sein. Sie hatte Leslie immer gesagt, dass sie dankbar dafür war, sie zu haben. Überall im Haus hatte es Fotos von Leslies Vater gegeben, sodass Leslie wusste, wer er gewesen war. Aber Leslies Mutter hatte nicht damit gerechnet, dass Leslie einen Hass auf alles Militärische entwickeln würde. Das Militär hatte ihr den Vater genommen und ihrer Mutter den geliebten Mann. Und wofür? Wegen irgendeines Vorfalles, der so unwichtig war, dass er inzwischen längst vergessen war.

Leslie blieb stehen und sah sich um. Hier unter den Bäumen war es zwar dunkler, aber es gab weniger Unterholz, das ihr den Weg versperrt hätte. Sie nahm ihren Koffer und kämpfte sich weiter. Und dachte dabei an ihre Kindheit, eine Zeit, als sie nicht allein, verängstigt und halb erfroren gewesen war.

Leslie war schon über eine Stunde weg. Inzwischen war Jason so wütend auf sie, dass er nicht übel Lust hatte, sie zu erwürgen, vorausgesetzt, sie schaffte es, lebend von ihrem Ausflug zurückzukehren.

Seit zwanzig Minuten ging er von einem Fenster zum anderen, immer mit seinem Stock in der Hand. Er hasste es, so hilflos zu sein. Aber verletztes Bein hin oder her, er hätte sich da draußen zehn Mal besser behauptet als Leslie. Also warum hatte er nicht darauf bestanden, selbst zu gehen?

Weil er nicht geglaubt hatte, dass Leslie tatsächlich so etwas Dummes tun würde. Er hatte gedacht, sie würde bloß eine Weile auf der Veranda stehen, feststellen, dass sie keine Chance hatte und dann wieder reinkommen.

Jason wusste nicht, wie lange es gedauert hatte, bis er gemerkt hatte, dass Leslie immer noch nicht wieder da war. Irgendwann war er aufgestanden und zur Tür gegangen. Dann hatte er im Türrahmen gestanden und erst einmal kräftig geflucht. Er konnte die Spuren im Schnee erkennen und sah auch deutlich, wie oft Leslie auf dem Weg hingefallen war.

Sie verdiente es, da draußen zu erfrieren. Das versuchte Jason sich nun schon eine ganze Weile einzureden. Aber er hatte trotzdem Angst um sie. Viel zu lange schon war sie weg. Ob es ihm nun gefiel oder nicht, er war gezwungen, rauszugehen und sie zu suchen. Wahrscheinlich lag sie irgendwo ohnmächtig und hilflos im Schnee.

Entschlossen zog er seine dicken Wintersachen an. Die Schneeschuhe konnte er nicht benutzen, was ihn noch mehr ärgerte. Stattdessen holte er seine Krücken und hoffte, dass er draußen nicht hinfallen würde.

Er war erst ein paar Meter die Einfahrt entlanggegangen, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung links von sich bemerkte. Es war Leslie, die zwischen den Bäumen hindurchging und einen riesigen Koffer hinter sich herzog. Natürlich kippte das Ding jetzt um, und das nicht zum ersten Mal, wie es aussah. Die kleinen Räder waren natürlich nicht für Schnee gedacht. Leslie blieb stehen, richtete den Koffer auf und ging dann weiter.

Jason hätte am liebsten laut gebrüllt, aber stattdessen drehte er sich mühsam um und ging direkt auf Leslie zu.

Sie sah ihn erst, als er dicht vor ihr war, und als sie dann aufblickte, schrie sie so laut, dass sie ihn erschreckte und aus dem Gleichgewicht brachte. Ohne seine Krücken wäre er nach hinten umgekippt.

„Was zum Teufel ist eigentlich los mit Ihnen? Ich bin hier rausgekommen, um nachzusehen, ob ich Ihnen helfen kann!“

„Sie haben mich erschreckt.“ Ihre Stimme klang ein bisschen heiser.

„Ach, tatsächlich?“ Er griff nach dem Koffer. „Gehen Sie ins Haus.“

„Aber ich …“

„Gehen Sie!“, brüllte er, und sie zuckte zusammen. Dann starrte sie ihn an, und es machte Jason schwer zu schaffen, wie verängstigt sie war. „Bitte gehen Sie ins Haus“, sagte er leiser. „Wärmen Sie sich auf. Ich übernehme den Koffer für den Rest des Weges.“

Sie nickte stumm und wandte sich ab. Jason beobachtete, wie sie sich durch den Schnee kämpfte, hinfiel, wieder aufstand und weiterging, bis sie endlich die Veranda erreichte. Erst jetzt hängte er den Koffer an den Griff einer seiner Krücken und hinkte los.

Als der Albtraum endlich vorbei war und Jason den Koffer auf der Veranda abstellen konnte, war er völlig erschöpft. Er hatte seine verletzte Schulter überanstrengt, und das merkte er nun deutlich. Außerdem hatte er Seitenstechen, als wäre er gerade einen Marathon gelaufen. Und sein Oberschenkel pochte heftig.

Als er die Tür erreichte, konnte er sich kaum noch aufrecht halten. Die Tür ging auf, gerade als Jason nach dem Knauf griff. Leslie stand vor ihm und starrte ihn mit großen Augen an.

„Ich nehme ihn jetzt.“ Sie zog den Koffer in die Hütte. Dann drehte sie sich wieder zu Jason um. „Lassen Sie mich Ihnen helfen …“

„Gehen Sie einfach aus dem Weg“, murmelte er, viel zu erschöpft, um die Stimme zu heben.

Als er drinnen war, schloss er die Tür, verriegelte sie und lehnte sich mit geschlossenen Augen dagegen. Er atmete schwer. Als er die Augen wieder öffnete, stand Leslie dicht vor ihm. „Es tut mir so leid. Sie hätten mir nicht folgen sollen. Ich bin gut zurechtgekommen.“

Jason starrte sie einen Moment an. „Na klar“, spottete er dann. „Ihre Lippen sind ganz blau, und wahrscheinlich sind Sie unterkühlt. Ziehen Sie Ihre Sachen aus und gehen Sie unter die Dusche. Sofort.“ Er sprach ganz leise und verstand gar nicht, warum Leslie nun schnell loslief und ihren Koffer hinter sich herschleifte.

Sie öffnete ihn, warf Bücher und Zeitschriften durch die Gegend, fand ein paar Kleidungsstücke und verschwand damit im Bad.

Jason zog mühsam seine dicke Winterkleidung aus und ging dann langsam zu seinem Sessel. Er musste sein Bein entlasten, sonst würde er sich bald gar nicht mehr bewegen können. Bevor er sich zurücklehnte, streifte er noch die Stiefel ab.

Was war da draußen nur geschehen? Er hatte sich solche Sorgen um Leslie gemacht, dass er die Beherrschung verloren hatte, nachdem er sie endlich gefunden hatte. Dass er Leslie hier nicht haben wollte, bedeutete ja nicht, dass ihm gleichgültig war, ob sie im Hochschnee sterben würde.

Natürlich war er erleichtert gewesen, als er gesehen hatte, wie sie sich entschlossen vorwärtskämpfte, mit diesem Riesenkoffer hinter sich. Aber er hatte noch etwas anderes als das empfunden.

Und das gefiel ihm gar nicht.

3. KAPITEL

Leslie ließ das warme Wasser über sich laufen. Ihr war so kalt. Wie sehr, war ihr gar nicht bewusst gewesen, bevor sie die Dusche aufgedreht hatte. Obwohl das Wasser gar nicht übermäßig heiß war, tat es doch weh auf der Haut.

Sie stand mit geschlossenen Augen da. Warum hatte sie nur so etwas Dummes getan? Sie wusste es nicht.

Nun hatte sie Angst davor, wieder zu Jason ins Zimmer zurückzukehren. Sie hatte nie zuvor jemanden so wütend erlebt. Die Buchhalter, für die sie gearbeitet hatte, waren allesamt ausgeglichene Leute.

Ihr Job! Wie hatte sie den bloß bis jetzt vergessen können? Sie war losgefahren, ohne jemandem Bescheid zu sagen. Jetzt lief ihr doch noch eine Träne über die Wange. Nicht nur war ihr ganzes Leben aus den Fugen geraten, sondern sie hatte auch noch ihren Chef im Stich gelassen.

Allerdings hätte sie ihm sowieso nicht erzählen können, was geschehen war oder wann sie eventuell zurückkommen würde. Womöglich würde sie den Rest ihres Lebens auf der Flucht verbringen. Allerdings würde sie dann Arbeit finden müssen. All ihre Ersparnisse steckten in der betrieblichen Altersvorsorge ihres Arbeitgebers. Früher oder später würde sie deshalb doch mit ihrer Firma Kontakt aufnehmen müssen.

Leslie drehte schließlich den Wasserhahn zu und trat aus der Duschkabine. Im Vergleich zu draußen war es hier im Bad geradezu kuschelig warm. Na ja, jedenfalls war es viel besser als im Freien.

Die Erinnerung an ihren kleinen Ausflug rief ihr auch ins Gedächtnis zurück, dass Jason auf der anderen Seite der Tür wartete. Ihr war nicht ganz klar, ob sie sich mehr vor dem Erfrieren fürchtete oder vor Jasons Wut.

Wenigstens hatte sie jetzt saubere Sachen zum Anziehen. Sie hatte nach dem Ersten gegriffen, was ihr in die Finger gekommen war. Jetzt begriff sie auch, warum manche Leute im Winter lange Unterhosen trugen. Hätte sie doch nur welche! Das würde sie als Erstes kaufen, wenn sie von hier wegkam.

Jason kämpfte sich mühsam bis zur Küche hinüber. Diesmal würde er klein beigeben und das Schmerzmittel nehmen, das der Arzt ihm gegeben hatte.

Er war darauf trainiert, Schmerzen zu ignorieren, und deshalb hatte er sich bisher geweigert, die Tabletten zu nehmen. Sie versetzten ihn in einen komischen, halbwachen Zustand, so als würde er schweben. Doch im Moment hatte er gegen dieses Gefühl nichts einzuwenden, wenn es nur etwas Erleichterung mit sich brachte.

Nachdem er die Tabletten geschluckt hatte, setzte er Kaffeewasser auf und hoffte dabei, dass der Strom bald wieder da sein würde. Er hatte kürzlich eine supermoderne Kaffeemaschine gekauft, die man programmieren konnte. Jetzt zitterte seine Hand so sehr, dass er genauso viel Kaffeepulver verschüttete, wie in der Kanne landete, die er bei seinem Einzug hier vorgefunden hatte. Dieses alte Ding war besser als gar nichts, und er hatte ein heißes Getränk nötig. Und Leslie genauso.

Sie hatte schon vor ein paar Minuten das Wasser abgedreht, aber danach hatte Jason nichts mehr gehört. Aber er hätte es vermutlich gemerkt, wenn sie plötzlich ohnmächtig geworden wäre.

Als der Kaffee fertig war, hatten die Schmerztabletten schon zu wirken begonnen, und es gelang Jason, zwei Tassen zu füllen, ohne sich mit heißem Kaffee vollzuspritzen.

Er hörte, wie die Badezimmertür aufging, drehte sich aber nicht um. „Trinken Sie Ihren Kaffee. Der wird Sie aufwärmen“, rief er ihr zu.

Leslie antwortete nicht, aber Jason hatte nicht vor, sie anzuflehen, auf sich zu achten. Sie bedeutete ihm nichts. Weniger als nichts. Verdammt, er kannte sie doch noch nicht mal vierundzwanzig Stunden.

Er trank seinen Kaffee und sah dabei in den Schnee hinaus, bis Leslie sich an den Tisch setzte. Da schaute er zu ihr und schnell wieder weg. Inzwischen hatten ihre Wangen ein bisschen Farbe bekommen, und ihre Lippen waren pink.

„Danke, dass Sie rausgekommen sind, um mir zu helfen“, sagte sie.

Er zuckte leicht mit den Schultern.

„Was Sie gesagt haben, war ganz richtig. Ich hätte nicht rausgehen sollen, solange es noch schneit. Es war dumm, und Sie haben wirklich recht, sich über mich zu ärgern.“

Er starrte sie an. „Ich ärgere mich nicht über Sie.“

„Na, dann ist es Ihnen aber großartig gelungen, so zu tun als ob.“

„Ich hatte furchtbare Angst, Leslie. Sie waren viel zu lange weg. Ich habe mir vorgestellt, dass Ihre Leiche da draußen in einer Schneewehe liegt.“

Sie lächelte schwach. „Ich konnte den Kofferraum nicht aufkriegen. Das Schloss war eingefroren.“

„Wie haben Sie Ihr Gepäck dann rausbekommen?“

„Ich habe eine Ewigkeit auf das Schloss gepustet, weil ich gehofft habe, dann würde es ein bisschen auftauen.“ Bevor Jason etwas sagen konnte, fügte sie hinzu: „Ich weiß, das war dumm.“

„Nicht, wenn es funktioniert hat.“ Er setzte sich wieder in seinen Sessel. Abgesehen davon, dass er sich fühlte, als hätte er schnell hintereinander mehrere Biere getrunken, ging es ihm gut. Er betrachtete Leslie wieder. Ihr feines Haar sah aus wie die Federn eines Kükens. Dann merkte sie, dass er sie anstarrte. Sie hatte die Kaffeetasse kurz vor dem Mund, trank aber nicht.

Jason fand sie jetzt richtig niedlich. „Wie alt sind Sie?“, fragte er.

„Fünfundzwanzig.“

„Tatsächlich? Ich habe Sie für einen Teenager gehalten.“

„Wie alt sind Sie denn?“

„Ich bin gerade dreißig geworden.“ Er merkte, dass sie überrascht war. Wahrscheinlich hatte sie ihn für einen alten Mann gehalten. „Was dachten Sie denn, wie alt ich bin?“

„Ich weiß nicht. Ich bin nicht gut darin, das Alter von Menschen zu schätzen.“

„Aha.“ Er wartete. Als sie nichts weiter sagte, fragte er: „Was tun Sie denn für Ihren Lebensunterhalt?“

Sie stellte ihre Tasse auf den Tisch und legte die Hände darum. „Wieso wollen Sie das wissen?“

„Einfach so. Ich wollte mich nur ein bisschen unterhalten.“

„Das ist ja mal was Neues“, murmelte sie und trank nun doch einen Schluck.

„Mir ist klar, dass ich nicht gerade freundlich zu Ihnen war, seit Sie hier sind.“

„Ach ja? Meinen Sie?“, spottete sie.

Er zuckte mit den Schultern. „Okay, ich war unhöflich. Ich entschuldige mich dafür. Warum fangen wir nicht noch mal von vorn an?“ Er streckte die Hand aus. „Freut mich, Sie kennenzulernen, Leslie O’Brien. Ich bin Jason Crenshaw aus Texas, ein Angehöriger der Armee der Vereinigten Staaten.“

Sie nahm vorsichtig seine Hand. Ihre war immer noch kalt. Wahrscheinlich war das der Grund, warum Jason das Gefühl hatte, einen kleinen elektrischen Schlag zu bekommen.

Leslie atmete tief ein und zog ihre Hand wieder weg. „Ich nehme an, Sie sind im Urlaub.“

„Ich bin krankgeschrieben. Und ich denke zurzeit darüber nach, meinen Dienst zu quittieren und etwas anderes zu tun. Aber ich habe noch keine Ahnung, was. Auf jeden Fall werde ich irgendwann nach Hause fahren.“

Er freute sich nicht gerade auf diesen Besuch. Hoffentlich würde sein Bein bis dahin so weit in Ordnung sein, dass er seinen Eltern gar nichts von seinen Verletzungen zu erzählen brauchte.

„Nach Texas?“

Jason fragte sich, warum er überhaupt darüber redete. Mit einer Fremden noch dazu. Aber wenn dies dazu beitrug, dass sie sich in seiner Gesellschaft wohler fühlte, warum nicht? In ein paar Tagen würde sie wieder unterwegs sein, wohin auch immer, und er würde sie nie wiedersehen.

„Ja, meine Familie hat eine Ranch mitten in Texas. Sie ist schon seit 1840 im Familienbesitz der Crenshaws.“

„Das ist eine lange Zeit.“ Leslie war beeindruckt.

Er nickte. „Ich bin der jüngste von vier Söhnen.“

„Der jüngste? Ich hätte eher gedacht, Sie wären der älteste, so wie Sie sich benehmen.“

Er grinste. Daraufhin sah sie ihn erstaunt an.

„Was ist denn?“, fragte er.

„Das ist das erste Mal, dass ich Sie lächeln sehe. Sie sollten es öfter tun.“

Er schüttelte wehmütig den Kopf. „Tut mir leid. Ich bin wohl schon zu lange hier allein. In den letzten Monaten gab es nicht viel Grund zu lächeln. Und was meine Brüder angeht … die haben mir das Leben nie leicht gemacht. Direkt nach dem College bin ich zum Militär gegangen. Ich fahre selten nach Hause. Bevor dies hier passiert ist …“, er deutete auf sein Bein, „… war ich die meiste Zeit im Ausland. Ich halte per E-Mail Kontakt mit meiner Familie.“

„Ich wette, Ihre Eltern machen sich Sorgen um Sie. Immerhin sind Sie verletzt und allein hier.“

„Nein. Sie wissen nicht, wo ich bin und dass ich verwundet wurde. Und so soll es bleiben.“ Er sah sich um. „Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht, aber ich habe Hunger. Wollen Sie etwas von dem Eintopf, den ich gestern gekocht habe?“ Er machte Anstalten aufzustehen.

„Bitte bleiben Sie doch sitzen. Ich mache für uns beide etwas heiß.“

Jason beobachtete, wie Leslie wegging. Diese Jeans saßen wirklich gut. Sie waren khakifarben, und es waren andere als gestern. Leslies Beine schienen endlos lang zu sein.

Er wusste, dass sie ihn in der Küche hören konnte. „Sie haben keinen Ehemann oder sonst jemanden erwähnt, der sich vielleicht Sorgen um Sie machen könnte. Gibt es jemanden, den Sie anrufen möchten?“

Sie lehnte sich um die Ecke und sah Jason lange an. „Nein. Ich bin nicht verheiratet, und es gibt auch niemanden sonst.“ Sie verschwand wieder.

„Oh. Zu dumm. Sie sind wirklich eine gut aussehende Frau, Leslie O’Brien.“

Sie kam zurück, und diesmal hatte sie die Hände auf den Hüften. „Haben Sie was getrunken?“

„Nein, Ma’am.“

„Sie benehmen sich seltsam.“

„Wahrscheinlich liegt das an den Pillen.“

„Was für Pillen?“

„Gegen die Schmerzen.“

Sie verzog das Gesicht. „Die müssen ziemlich stark sein.“

„Wer weiß? Ich nehme sonst nie so was.“

„Aber heute haben Sie es getan.“

„Na ja, ich hatte, äh, ein bisschen mehr Schmerzen als gewöhnlich, wissen Sie?“

„Ich verstehe.“ Sie hatte immer noch das Gesicht verzogen.

Sie schüttelte den Kopf und verschwand wieder. Ein paar Minuten später brachte sie zwei Teller Eintopf, holte zwei Gläser Wasser, füllte Kaffee nach und setzte sich dann.

„Vielleicht fühlen Sie sich besser, wenn Sie etwas gegessen haben.“

Er griff nach seinem Löffel. „Oh, ich fühle mich schon jetzt gut. Sehr gut sogar.“

Sie grinste, und er bemerkte das Grübchen auf ihrer Wange. „Ich fange an, das zu glauben.“

„Das ist das erste Mal, dass ich Sie lächeln sehe. Sie haben ein Grübchen“, erklärte Jason.

„Das stimmt.“ Aus irgendeinem Grund schmunzelte sie. Dann begann sie zu essen.

Jason aß schweigend. Als er fertig war, fragte Leslie: „Möchten Sie noch mehr?“

Er schüttelte den Ko...

Autor

Margaret Allison
Margaret Allison wuchs in den Vororten von Detroit, Michigan auf. Sie machte ihren Abschluss in Politikwissenschaften an der Universität in Michigan. Als eine Romantikerin im Herzen, begann sie nie eine politische Karriere. Anstelle davon machte sie ein Diplom in Malerei und ging auf die Suche nach Liebe und Abenteuer. Sie...
Mehr erfahren
Caroline Anderson
<p>Caroline Anderson ist eine bekannte britische Autorin, die über 80 Romane bei Mills &amp; Boon veröffentlicht hat. Ihre Vorliebe dabei sind Arztromane. Ihr Geburtsdatum ist unbekannt und sie lebte die meiste Zeit ihres Lebens in Suffolk, England.</p>
Mehr erfahren
Annette Broadrick
<p>Bis Annette Broadrick mit sechzehn Jahren eine kleine Schwester bekam, wuchs sie als Einzelkind auf. Wahrscheinlich war deshalb das Lesen immer ihre liebste Freizeitbeschäftigung. Mit 18 Jahren, direkt nach ihrem Abschluss an der Highschool, heiratete sie. Zwölf Monate später wurde ihr erster Sohn geboren, und schließlich wurde sie in sieben...
Mehr erfahren
Margaret Allison
Margaret Allison wuchs in den Vororten von Detroit, Michigan auf. Sie machte ihren Abschluss in Politikwissenschaften an der Universität in Michigan. Als eine Romantikerin im Herzen, begann sie nie eine politische Karriere. Anstelle davon machte sie ein Diplom in Malerei und ging auf die Suche nach Liebe und Abenteuer. Sie...
Mehr erfahren
Caroline Anderson
<p>Caroline Anderson ist eine bekannte britische Autorin, die über 80 Romane bei Mills &amp; Boon veröffentlicht hat. Ihre Vorliebe dabei sind Arztromane. Ihr Geburtsdatum ist unbekannt und sie lebte die meiste Zeit ihres Lebens in Suffolk, England.</p>
Mehr erfahren

Gefahren

  • Dieses Produkt enthält keine bekannten Gefahren.

Kontakt zum Herausgeber für weitere Informationen zur Barrierefreiheit

  • Weitere Informationen zur Barrierefreiheit unserer Produkte erhalten Sie unter info@cora.de.

Navigation

  • Dieses E-Book enthält ein Inhaltsverzeichnis mit Hyperlinks, um die Navigation zu allen Abschnitten und Kapiteln innerhalb dieses E-Books zu erleichtern.