Bianca Exklusiv Band 393

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EIN MILLIARDÄR ZUM HEIRATEN? von TERI WILSON

„Heiraten Sie mich!“ Chloe glaubt an einen Scherz, als ihr ein attraktiver Fremder im Vorweihnachtsstress einen Antrag macht. Aber Milliardär Anders Kent meint es ernst. Er muss verheiratet sein, um seine Nichte zu adoptieren. Von Liebe keine Rede – aber warum prickelt es bloß so?

DARF ICH DIR MEIN HERZ ANVERTRAUEN? von TERESA SOUTHWICK

Business-Tycoon Calhoun Hart vertraut nur sich selbst! Bis er sich bei einem Karibiktrip das Bein bricht und plötzlich eine persönliche Assistentin braucht. Die hübsche Justine zieht ihn gegen jede Vernunft unwiderstehlich an. Ein Fehler, der ihn sein Herz kostet …

EIN BLICK IN DEINE BLAUEN AUGEN von SUSAN CROSBY

Ein Blick in Mitchs blaue Augen, und Annie ist verloren. Der sexy Cowboy erobert ihr Herz im Sturm – und das ihres kleinen Sohnes. Doch Mitch verbirgt etwas vor ihr. Sie kennt noch nicht mal seinen Nachnamen. Wie kann sie einen Mann lieben, der Geheimnisse vor ihr hat?


  • Erscheinungstag 11.10.2025
  • Bandnummer 393
  • ISBN / Artikelnummer 9783751531184
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Teri Wilson, Teresa Southwick, Susan Crosby

BIANCA EXKLUSIV BAND 393

Teri Wilson

1. KAPITEL

Die Sache mit dem Welpen gab ihr den Rest.

Chloe Wildes Pechsträhne hatte vor einer Woche begonnen, als sie mit den Rockettes bei der Parade zum Thanksgiving Day aufgetreten war. Sie war während der Live-Übertragung im Fernsehen gestolpert und hatte die legendäre Spielzeugsoldaten-Nummer der Showtanztruppe ruiniert. Seitdem war es beständig bergab gegangen, und jetzt – vierundzwanzig Tage vor Weihnachten – hatte sie den Tiefpunkt erreicht.

„Ich verstehe nicht.“ Eine der Geweihstangen an Chloes glitzerndem Hut rutschte ihr vor die Augen, und sie schob sie zur Seite, bevor sie die Frau vor ihr anfunkelte – was in einem Rentierkostüm nicht so einfach war. Aber nach allem, was Chloe in letzter Zeit durchgemacht hatte, schaffte sie sogar das. „Seit zwölf Tagen besuche ich diesen Welpen. Vor einer Woche habe ich einen Adoptionsantrag ausgefüllt. Und gestern Abend haben Sie mich angerufen und informiert, dass ich den Welpen bekomme.“

Der Anruf war die erste gute Sache gewesen, die ihr seit Tagen passiert war. Nein, wenn sie ehrlich war, seit Wochen. Aber das war in Ordnung, denn jetzt würde sie das schlimmste Weihnachtsfest ihres Erwachsenenlebens nicht mehr allein verbringen müssen. Sie würde ein anschmiegsames, süßes Hündchen haben.

Jedenfalls hatte sie das geglaubt.

Der Mann neben Chloe räusperte sich. „Sie hat mich gestern angerufen und mir das Gleiche erzählt.“

„Dass sie Sie zuerst angerufen hat, bedeutet nicht, dass der Welpe Ihnen gehört.“ Chloe warf ihm einen wütenden Blick zu.

Sie wünschte, er wäre nicht so attraktiv. Die ausdrucksstarken blauen Augen waren ebenso schwer zu ignorieren wie das markante Kinn. Seine Kleidung war makellos – sehr maßgeschneidert, sehr Wall Street. Und aus irgendeinem Grund ließ der Schnee auf den Schultern seines dunklen Mantels ihn extrem männlich wirken. Unter normalen Umständen hätte sie ihn für den Typ Mann gehalten, der in einem weihnachtlichen Werbespot von Tiffany’s mit einem kleinen blauen Etui auftauchte.

Aber das hier waren keine normalen Umstände, und er hielt kein kleines blaues Etui in den Händen. Sondern einen Welpen. Ihren Welpen.

„Doch, genau das bedeutet es. Sie hat mich zuerst angerufen, und wir haben mündlich vereinbart, dass ich den Welpen übernehme.“ Er zog eine Augenbraue hoch. „Deshalb gehört er jetzt mir.“

Wer redete so?

Chloe kehrte ihm den Rücken zu und sah die Mitarbeiterin des Tierheims an. „Wollen Sie das wirklich zulassen? Hören Sie sich den Mann an. Er sagt, er will einen Welpen adoptieren, aber er klingt, als ginge es um eine Firmenfusion.“

Der Blick der Mitarbeiterin zuckte zwischen ihnen hin und her, als würde sie bei einer Schneeballschlacht zuschauen.

„Das ist nicht Ihr Hund. Ich adoptiere ihn. Ich habe die Bescheinigung hier.“ Mit der freien Hand zog er einen Umschlag aus der Innentasche seines Anzugs und legte ihn auf den Tresen.

Chloe öffnete ihn nicht, sondern nahm einen identischen Umschlag aus ihrer Tanztasche und knallte ihn neben seinem auf die Holzplatte.

„Ich auch.“ Sie verschränkte die Arme so ruckartig, dass die Glocken an den langen braunen Samtärmeln ihres Kostüms läuteten.

Der Mann zog einen Mundwinkel hoch, was ihn – sehr zu Chloes Leidwesen – noch anziehender machte. „Hübsches Outfit übrigens.“

Sie stützte die Hände auf die Hüften und achtete nicht auf das Klingeln, das sie bei jeder Bewegung von sich gab. „Nur damit Sie es wissen – das ist ein offizielles Rentierkostüm der Rockettes, wie es seit den Dreißigerjahren bei weihnachtlichen Auftritten getragen wird. Ich bin sozusagen ein New Yorker Klassiker, also amüsieren Sie sich ruhig, Sie Welpendieb.“

Sein Lächeln verblasste. „Ich bin kein Welpendieb.“

„Sagt der Mann, der mein Hündchen nicht freigibt.“ Chloe warf einen sehnsuchtsvollen Blick auf die Yorkie-Mischung. „Wissen Sie, wer Sie sind? Sie sind Cruella De Vil in Nadelstreifen.“

„Nadelstreifen sind seit Jahren out“, murmelte er.

„Danke für den Hinweis, Cruella.“

„Wissen Sie was?“, mischte sich die Tierheimfrau endlich ein. „Ich denke, ich hole mal die Geschäftsführerin.“

„Gute Idee. Vielen Dank.“ Chloe nickte. Aus den Augenwinkeln sah sie die Lämpchen an ihrem Geweih blinken.

Ups. Sie hätte schwören können, dass sie die ausgeschaltet hatte.

Ihr neuer Erzfeind drehte sich zu ihr. Chloe wagte nicht, ihn anzusehen. Aber sie konnte schlecht so tun, als wäre er unsichtbar.

Sein Blick richtete sich auf ihr Geweih. „Sind Sie wirklich eine Rockette?“

„Ja.“ Sie nickte. Klingeling.

„Beeindruckend.“

„Danke.“ Sie räusperte sich.

Es war nicht gelogen. Nicht ganz.

Auf dem Papier war sie noch immer eine Rockette. Sie durfte nur nicht mehr auftreten. Ihre Aufgabe bestand darin, zwei Stunden täglich in ihrem Rentierkostüm auf dem Times Square zu stehen und Touristen Flyer in die Hand zu drücken, die für die alljährliche Christmas Show in der Radio City Music Hall warben.

Was für ein Abstieg.

Vier Jahre lang hatte sie ihren Traum gelebt. Vier Jahre lang hatte sie auf der Bühne getanzt – drei Shows am Tag, fünf Wochen lang. Zweimal war sie mit den Rockettes auf Tournee gegangen. Und jetzt stand sie auf dem Times Square herum.

Das Schlimmste daran war nicht die Erniedrigung, sondern das gekürzte Gehalt. Und noch unangenehmer als ihr schrumpfendes Bankkonto oder die über 50.000 Klicks ihres Spielzeugsoldaten-Missgeschicks auf YouTube war die Aussicht, ihrer Familie erklären zu müssen, dass sie nicht mehr tanzte. Vor allem ihrer Mutter Emily, die vor über vierzig Jahren die Wilde School of Dance gegründet hatte und noch immer beinahe täglich unterrichtete.

Chloe hatte fast jedes wöchentliche Familienessen bei den Wildes verpasst. An fast jedem Thanksgiving und Weihnachten war sie bei der Parade oder in Radio City aufgetreten. Sie konnte sich kaum noch erinnern, wann sie zuletzt einen Fuß in die Tanzschule gesetzt hatte. Ihre Mutter beschwerte sich nie darüber. Jetzt fragte Chloe sich, warum sie so rücksichtslos gewesen war. Warum hatte selbst der plötzliche Tod ihres Vaters sie nicht zur Besinnung gebracht?

Sie war ein schrecklicher Mensch. Sie brachte es nicht mal fertig, den Wildes die Wahrheit zu erzählen. Kein Wunder, dass das Schicksal ihr einen Welpendieb geschickt hatte. Sie verdiente es nicht besser.

Ihr Blick fiel auf das kleine Gesicht des Hundes. So süß. Irgendwie wirkte es in den Armes ihres athletischen Rivalen sogar noch süßer.

Sie fühlte, wie ihr Kinn zu zittern begann.

Bleib stark.

Sie durfte jetzt nicht auch noch weinen.

„Stimmt das? Haben Sie diesen Hund an den letzten zwölf Tagen wirklich jeden Nachmittag besucht?“

Sie hob den Kopf und straffte die Schultern. „Natürlich. Halten Sie mich etwa für eine Lügnerin?“

Er seufzte nur.

Chloe begann zu hoffen.

„Ich habe ihm schon ein Hundebett gekauft“, sagte Chloe. „Es ist rot-weiß gestreift, wie eine Zuckerstange.“

„Irgendwie habe ich von einer Frau, die sich als Rudolph kostümiert hat, nichts anderes erwartet.“ Sein Stirnrunzeln verschwand nicht, aber sie glaubte, in seinen Augen ein Glitzern erkennen zu können, das vorher nicht da gewesen war.

War er kurz davor, nachzugeben und ihr den Welpen zu überlassen? Oder wollte er mit ihr flirten, damit sie nachgab? Eine Sekunde lang war Chloe sich nicht sicher, was ihr lieber wäre.

Sie blinzelte.

Hatte sie den Verstand verloren? Ein paar freundliche Worte, ein Augenfunkeln, und schon wurde sie weich?

Niemals. Der Welpe gehörte ihr.

„Netter Versuch“, sagte sie spitz. „Aber ich bin nicht hier, um Spielchen zu spielen.“

„Keine Rentierspiele.“ Er nickte. „Verstanden.“

Der Mann spielte nicht fair, verdammt.

„Gut“, erwiderte sie.

Dann wandte sie sich ab, damit er sie nicht lächeln sah.

Zwischen ihnen herrschte ein angespanntes Schweigen, hin und wieder unterbrochen vom leisen Läuten der Glocken an Chloes Kostüm. Sie tat ihr Bestes, um ihr attraktives Gegenüber nicht anzuschauen. Aber als der Welpe plötzlich leise winselte, musste sie doch hinsehen.

Der winzige Hund nagte an seinem Daumen, was absolut hinreißend gewesen wäre, wenn der Mann ihn dabei angesehen hätte. Aber das tat er nicht. Mit noch immer gerunzelter Stirn starrte er vor sich hin.

Chloe verdrehte die Augen. Vermutlich dachte er an den Aktienmarkt. Oder den Niedergang der Nadelstreifen. Oder an jemanden, den er verklagen konnte. „Warum wollen Sie ausgerechnet diesen Hund? Sie kommen mir wirklich nicht wie ein Yorkie-Typ vor.“

Er schaute erst auf den Hund, dann auf sie. „Was für ein Typ bin ich denn?“

Golden Retriever vielleicht. Oder Irish Setter. Irgendeine klassische Rasse, die sich vor einem Kamin oder in einer Limousine gut machen würde.

„Keine Ahnung“, log sie.

Er musterte sie, als könnte er in ihren Kopf sehen. „Der Welpe soll ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk sein“, sagte er schließlich.

„Ein Weihnachtgeschenk?“, wiederholte sie entrüstet. „Wissen die Leute vom Tierheim das? Hunde sind lebende Geschöpfe. Die kann man nicht einfach verschenken. Das ist der Gipfel der Verantwortungslosigkeit.“

Er nahm den Welpen auf den anderen Arm, weiter weg von ihr. „Keine Sorge, das Personal hier weiß Bescheid. Ich übernehme die volle Verantwortung für den Hund.“

„Also ein Geschenk, ja? Für Ihre Frau?“ Chloes Blick zuckte zu seiner linken Hand.

Kein Ring.

„Ich habe keine Frau“, sagte er und sah plötzlich aus, als wäre es eine Überraschung. Oder ein Problem, das gelöst werden musste.

Chloes Wangen erwärmten sich. Über den Grund wollte sie lieber nicht nachdenken.

Sie holte tief Luft. Wenn sie nicht aufhörte, über den Beziehungsstatus dieses rätselhaften Mannes nachzudenken, anstatt etwas zu tun, würde sie in eine leere Wohnung zurückkehren. Und zu einem leeren Hundebett.

Ihr eigenes war auch leer, aber das machte nichts. Im Gegenteil. Trotzdem fragte sie sich, warum sie gerade jetzt an die freie Seite ihres antiken Schlittenbetts dachte.

Weißt du es wirklich nicht?

Sie warf einen Blick auf den Welpendieb und ihre Yorkie-Mischung und unterdrückte ein Lächeln. Die beiden sahen aus wie aus dem Instagram-Account, von dem ihre Tänzerfreundinnen immer schwärmten – Hot Men and Mutts.

Ja, er war ein heißer Typ, aber mit ihrem Hund auf dem Arm. Sie schluckte. „Hören Sie, können wir die Sache selbst klären? Wenn der Welpe ein Geschenk sein soll, können Sie doch einfach einen anderen aussuchen. Ich liebe diesen Hund. Kann ich etwas tun, um Sie umzustimmen? Egal, was.“

Bestimmt gab es da etwas.

Entschlossen hob sie das Kinn. Keine Rentier-Spielchen mehr.

Machen Sie mir ein Angebot.

Seine Augen wurden schmal. Eine Sekunde lang war sein Blick so intensiv, dass sie zu atmen vergaß.

Also gibt es etwas, was er will.

Dann gab er ihr endlich eine Antwort.

„Heiraten Sie mich“, sagte er, ohne eine Miene zu verziehen.

Anders Kent wollte die Worte schon in dem Moment zurücknehmen, als sie ihm über die Lippen kamen.

Heiraten Sie mich.

Was fiel ihm ein? Er hatte gerade einer wildfremden Frau einen Heiratsantrag gemacht, noch dazu in einem sterilen Raum, in dem es nach Seife und Hundefutter roch. Einer wildfremden Frau, die als Rentier verkleidet war. Und jetzt sah sie ihn an, als wäre er hier der Verrückte.

Ja, klar.

Er war nicht verrückt. Und auch nicht impulsiv, selbst wenn es ganz danach aussah. Er war einfach nur verzweifelt – was schwer nachzuvollziehen war, weil sein Name immer mal wieder in den Boulevardblättern auftauchte. Als einer von New Yorks begehrtesten Junggesellen. Anders Kent hatte ein Büro mit Eckfenster in der führenden Investmentbank der Wall Street und ein Penthouse mit Blick auf den Central Park. Wenn er etwas wollte, bekam er es meistens auch. Einschließlich romantischer Verwicklungen.

Aber sein aktuelles Problem hatte mit Romantik nichts zu tun. Absolut nichts. Seinem Anwalt gegenüberzusitzen und zu erfahren, dass man dreißig Tage Zeit hatte, eine Ehefrau zu finden, war alles andere als romantisch.

Anders hatte das Ultimatum heute Vormittag um neun bekommen, und seitdem schwirrte ihm der Kopf.

Heiraten?

Nein.

Auf gar keinen Fall.

Anders wollte nicht heiraten – niemanden, erst recht nicht die feindselige Frau neben ihm, die aussah, als würde sie ihm gleich den Welpen entreißen.

„Was haben Sie gerade gesagt?“ Sie schluckte schwer, und die Glöckchen an ihrem Hals tanzten.

„Nichts.“ Anders schüttelte den Kopf. Er würde nicht wiederholen, was er gar nicht erst hätte aussprechen dürfen.

Du weiß nicht mal, wie die Frau heißt.

Ihm drehte sich der Magen um. Seit er die Kanzlei seines Anwalts verlassen hatte, ging mit ihm etwas Seltsames vor. Er betrachtete jede Frau, der er begegnete, als potenzielle Heiratskandidatin … als hätte er tatsächlich vor, diese absurde Bedingung zu erfüllen.

Aber das würde er nicht tun. Konnte er gar nicht. Er würde sich dagegen wehren. Mit jedem Dollar, den er besaß. Bis er gewann.

Aber juristische Schlachten kosteten Zeit. Häufig dauerten sie Jahre. Und Anders hatte keine Jahre. Ihm blieb nur ein Monat.

„Wie nichts hat es sich nicht angehört. Es klang eher nach einem großen, fetten Etwas.“ Die Augen der Frau weiteten sich vor Panik.

Sie hatte ihn verstanden.

Vielleicht hätte er sich anders ausdrücken sollen. Was er ihr vorschlug, war keine richtige Heirat, sondern ein geschäftliches Arrangement.

Ja, er brauchte eine Ehefrau. Aber keine echte, nur eine Art Double. Eine Übergangslösung. Sobald er das Sorgerecht für Lolly hatte, würde alles wieder normal werden.

Normal? Normal war ein Wunschtraum. In sein Leben würde nie wieder Normalität einkehren.

Er atmete so tief wie möglich durch und nahm den Blick vom tanzenden Rentier. „Vergessen Sie es.“

„Vergessen?“ Sie warf die Arme in die Luft. Klingeling. „Sie können keinen Heiratsantrag machen und ihn wieder zurücknehmen. Das hier ist nicht das Finale des Bachelor.“

„Die Serie habe ich mir noch nie angesehen“, sagte er hölzern.

Er konnte diese Frau unmöglich heiraten. Sie schaute Trash-TV. Sie war aufdringlich, temperamentvoll und entschieden zu emotional. Sie hatte ein viel zu gutes Herz und verbrachte ihre Freizeit damit, Hunde im Tierheim zu besuchen. Außerdem verachtete sie ihn.

Es würde niemals funktionieren.

Es sei denn …

Er runzelte die Stirn.

Es sei denn, es wäre ein Vorteil, dass sie beide so gar nicht zueinander passten. Er konnte keine Frau heiraten, die er attraktiv fand. Das würde nur zu einer Katastrophe führen. Und er fand das Rentier absolut nicht anziehend.

Na ja, er sollte es nicht anziehend finden.

Plötzlich verspürte er etwas, das sich verdächtig nach Verlangen anfühlte. Was zum Teufel war mit ihm los?

„Ich werde Sie nicht für einen Welpen heiraten“, sagte sie aufgebracht und musterte ihn von Kopf bis Fuß. „Egal, wie … hübsch … Sie beide zusammen aussehen.“

Sie schluckte, wandte sich ab und gestattete Anders einen Blick auf ihren anmutigen Hals.

Eindeutig eine Tänzerin, dachte er. Ihre Haltung, zusammen mit der Art, wie sie sich bewegte, war unbestreitbar grazil. Wunderschön, sogar in dem albernen Kostüm.

„Ich dachte, ich sehe nicht aus wie der Yorkie-Typ“, sagte er.

Ihre Wangen verfärbten sich, aber bevor sie antworten konnte, ging die Tür auf und eine energisch wirkende Frau in einem T-Shirt mit der Aufschrift Adopt, Don’t Shop kam herein und streckte die Hand aus.

„Hallo, Miss Wilde. Mr. Kent. Ich bin die Tierheimleiterin.“ Sie schaute zwischen ihnen hin und her. „Offenbar gibt es ein Missverständnis.“

Anders nickte und sah Rudolph an – der offenbar Miss Wilde hieß. Er wartete auf die Tirade, die jetzt kommen musste.

Aber sie sagte nichts, sondern verschränkte die Arme und brachte ihn mit Blicken um, während die Heimleiterin sich ihre Unterlagen ansah.

Das war knapp gewesen. In New York gab es unzählige Single-Frauen. Er hatte keine Ahnung, wie er darauf gekommen war, ausgerechnet dieser einen Heiratsantrag zu machen.

Trotzdem ging ihm die Traurigkeit in ihren Augen ans Herz. Davon hatte er in den letzten Tagen genug gesehen, und plötzlich verspürte er das Bedürfnis, sie wenigstens zum Lächeln zu bringen.

Er würde einen anderen Hund für Lolly suchen. Das war mit Sicherheit einfacher, als eine Ehefrau zu finden.

„Er gehört Ihnen.“

2. KAPITEL

Der Welpe zappelte in Chloes Armen, während sie dem Mann nachsah, der eben noch ihr Verlobter gewesen war, aber jetzt mit drei langen Schritten durch die Tür verschwand.

Was war das denn gewesen?

Wortlos starrte sie ihm hinterher, bis die Tierheimleiterin sich räusperte.

„Na ja“, sagte sie. „Damit wäre das wohl geklärt. Der Hund gehört Ihnen, falls Sie ihn noch wollen.“

Chloe blinzelte. „Ich will ihn.“

Natürlich wollte sie den Welpen noch. Es fiel ihr bloß schwer, so schnell umzuschalten – vom Heiratsantrag eines wildfremden Mannes zu den logistischen Problemen einer Hundehalterin.

„Das war eigenartig, oder?“ Chloe drückte den Welpen fester an sich.

„Hmm.“ Das Lächeln der anderen Frau verblasste. „Dazu kann ich nichts sagen.“

„Richtig. Den verrückten Teil haben Sie verpasst.“ Der Welpe saugte an Chloes Daumen. Irgendwo in ihrer Handtasche hatte sie ein Kauspielzeug, das sie für diesen Moment gekauft hatte, aber sie war zu durcheinander, um es zu suchen. „Er hat mich gebeten, ihn zu heiraten.“

Die Leiterin zuckte zusammen. „Oh. Ich wusste nicht, dass Sie und Mr. Kent sich kennen.“

Kent.

Genau, so hieß er. Der Name ging ihr durch den Kopf, bis er sich mit ihrem verband.

Chloe Kent.

Mrs. Chloe Kent.

Ihr wurde warm. „Tun wir nicht. Vor heute bin ich ihm noch nie begegnet.“

„Oh.“

Chloe warf einen verstohlenen Blick auf seine Unterlagen, die noch immer auf dem Tresen lagen. „Anders Kent“ stand in Druckschrift in dem entsprechenden Kasten.

„Er hat mir allen Ernstes einen Heiratsantrag gemacht und ihn wieder zurückgenommen.“ Sie seufzte.

Natürlich musste so etwas ausgerechnet ihr passieren. Die Pechsträhne hielt an. Anstatt einen normalen Antrag von einem normalen Mann zu bekommen, von ihrem Ex Steven zum Beispiel, bekam sie einen von einem Spinner, der es sich sofort anders überlegte.

Aber er hatte gar nicht wie ein Spinner gewirkt. Im Gegenteil, er war irgendwie charmant gewesen, besonders mit dem Welpen auf dem Arm. Andererseits, welcher Mann wirkte mit einem süßen Hund auf dem Arm nicht charmant?

„Nicht, dass ich auch nur eine Sekunde daran gedacht hätte, ihn anzunehmen. Trotzdem finde ich es äußerst unhöflich, einen Antrag gleich wieder zurückzuziehen.“ Der Welpe in ihren Armen begann zu winseln, also schaukelte sie ihn etwas. Klingeling. „Das sehen Sie doch bestimmt auch so.“

Die Tierheimleiterin seufzte. „Ehrlich gesagt, solange der Welpe ein gutes Zuhause bekommt, ist mir das egal.“

„Natürlich.“ Warum erzählte sie dieser Frau, dass sie fast verlobt gewesen war?

Noch wichtiger, warum konnte sie diesen erstaunlichen Vorfall nicht einfach auf sich beruhen lassen? Es war ein Nicht-Ereignis, sonst wäre der mysteriöse Anders Kent jetzt nicht verschwunden.

„Wollen Sie den Hund denn nun oder nicht?“ Die Frau schob ihr ein Formular hin.

„Unbedingt.“ Chloe kritzelte ihren Namen auf die gepunktete Linie.

Schließlich war sie hier, um einen Welpen zu adoptieren, und nicht, um sich zu verloben.

Nicht jetzt.

Und auch nicht ein andermal.

Niemals.

„Mr. Kent.“ Edith Summers, Anders’ persönliche Assistentin, erhob sich, als er das Vorzimmer seines Büros betrat. „Wir haben heute gar nicht mehr mit Ihnen gerechnet.“

Anders nickte der älteren Frau zu. Smalltalk am Arbeitsplatz lag ihm nicht. Aber er hatte Mrs. Summers seit der Trauerfeier nicht mehr gesehen, und ihre Anwesenheit hatte etwas Tröstendes gehabt. Seinen Bruder und seine Schwägerin zu beerdigen war nicht einfach gewesen, und dank ihrer Nähe hatte er sich nicht ganz so allein gefühlt.

„Ich habe es mir anders überlegt.“ Er lächelte bemüht.

Er sollte mehr sagen, sich bei ihr bedanken oder wenigstens erwähnen, dass er sie in der Kapelle gesehen hatte. Aber dann fiel sein Blick auf den Namen seines Bruders an der polierten Eichentür neben seiner, und er schluckte die Worte wieder herunter.

Mrs. Summers entging es nicht. Sie straffte die Schultern und räusperte sich. Sie war schon lange genug seine Assistentin, um zu wissen, dass er jetzt Normalität brauchte. Normal war Arbeit. Normal waren Zahlen und Bilanzen und Besprechungen mit Investoren. Normal war für ihn, am Schreibtisch zu sitzen, wenn die Sonne aufging, und erst nach Hause zu fahren, wenn sie unterging …

Aber das würde sich jetzt ändern müssen, oder?

„Ich hole Ihnen einen Kaffee, und dann können wir Ihre Termine durchgehen“, sagte Mrs. Summers.

„Danke.“ Er sah ihr in die Augen, um seinen Dank auszudrücken – dafür, dass sie da gewesen war. Und dafür, dass sie nicht versuchte, ihm seine Gefühle zu entlocken, oder ihn aufforderte, wieder nach Hause zu fahren. Für so vieles.

„Gerne.“ Sie lächelte mitfühlend, und Anders musste tief durchatmen, als sie an ihm vorbeieilte.

Wie lange würde dieser Druck in seiner Brust noch anhalten?

Wann würde er sich endlich wieder stark fühlen – und nicht mehr so, als wäre sein Herz in einem Reißwolf geschreddert worden?

Monate. Jahre vielleicht.

Plötzlich sah er Lollys süßes, unschuldiges Gesicht vor sich und begriff, dass keine Zeit der Welt ausreichen würde. So würde er sich sein Leben lang fühlen.

Aber er musste sich zusammenreißen. Lolly verließ sich auf ihn. Seine Nichte war erst fünf, viel zu jung, um zu verstehen, was ihr passiert war … was ihnen beiden passiert war. Anders dagegen war sich dessen schmerzhaft bewusst.

Noch bewusster war ihm allerdings, dass er nicht der Richtige war, um ein Kind aufzuziehen. Er hatte keine Ahnung vom Vatersein. Natürlich würde er ihr Grant und Olivia niemals ersetzen können. Aber als jemand, der seine eigenen Eltern viel zu früh verloren hatte, wusste er, dass kleine Kinder mit Begriffen wie Vormund und Sorgerecht nichts anfangen konnten. Selbst wenn Lolly ihn weiter Onkel Anders nannte, würde er für sie viel mehr als das sein müssen. Er würde ihr das Radfahren beibringen und bei den Hausaufgaben helfen. Er würde auf ihrer Abschlussfeier jubeln und sich die Haare raufen, wenn sie Autofahren lernte. Er würde sie eines Tages zum Altar führen.

Er würde für sie wie ein Vater sein. Und für den Rest des Lebens den Platz seines jüngeren Bruders einnehmen.

Wenn alles gutging.

„Soll ich für Sie ein Treffen mit dem Nachlassverwalter arrangieren?“ Mrs. Summers stellte einen doppelten Cappuccino mit perfekter Schaumkrone auf seinen Schreibtisch und setzte sich davor. Wie immer hielt sie in einer Hand den Tablet-PC mit seinem Terminplan und ihre Lesebrille in der anderen.

„Nicht nötig. Ich habe ihn heute Morgen getroffen.“ Anders starrte in die Tasse. Er würde mehr als Koffein brauchen, um die nächsten Wochen durchzustehen.

„Oh.“ Seine Sekretärin blinzelte. „Dann ist alles in Ordnung?“

Anders zögerte. Wie viel sollte er ihr erzählen? Einerseits war sie eine Mitarbeiterin, andererseits vielleicht so etwas wie eine gute Freundin, der einzige vertraute Mensch, der ihm nach dem Tod seines Bruders – und Geschäftspartners – geblieben war. So konnte es einem Workaholic ergehen.

„Nicht wirklich“, antwortete er leise.

Das Telefon auf Mrs. Summers’ Schreibtisch läutete, aber als sie aufsprang, winkte Anders sie zurück.

„Lassen Sie es läuten.“ Er nippte am Cappuccino, der heiß und bitter schmeckte. Genau wie seine Stimmung.

Mrs. Summers runzelte die Stirn. „Ich mache mir langsam Sorgen um Sie, Mr. Kent. Gibt es ein Problem?“

Keins, das sich mit einer Ehefrau nicht lösen ließe.

Er schloss die Augen und sah das verwirrte Gesicht der Frau aus dem Tierheim vor sich – die großen braunen Augen und die vollen, zu einem perfekten O geformten Lippen.

Heiraten Sie mich.

Du meine Güte, er hatte es wirklich gesagt, oder? Die vergangene Woche war hart gewesen, kein Zweifel. Es war verblüffend, wie sehr ein einziger Anruf alles verändern und wie eine Klinge durchs Leben schneiden konnte. Wie ein Messerstich in den Bauch.

Bis heute Morgen hatte Anders sich tapfer gehalten, für Lolly und das Geschäft. Trauer war ein Luxus, den er sich nicht leisten konnte. Jedenfalls noch nicht. Und wenn er unter der Last zusammenbrach, würde er nicht wieder aufstehen können – nicht nach dem, was er am Abend vor dem Unfall zu Grant gesagt hatte.

Anders und sein Bruder stritten sich selten, und wenn, dann nur über geschäftliche Dinge. Als zwei der namensgebenden Partner einer der einflussreichsten Investmentbanken der Wall Street hielten sie stets zusammen. Das hieß natürlich nicht, dass sie unkritisch waren. Sie forderten sich gegenseitig heraus und wurden dadurch beide besser.

Aber ihre letzte Auseinandersetzung war anders verlaufen. Anders war zu weit gegangen – er war persönlich geworden. Es hatte laute Stimmen und knallende Türen gegeben, und danach Stille, als Grant aus dem Gebäude gestürmt war. Es war hitzig gewesen, aber das hatte Anders nichts ausgemacht. Schließlich waren sie Brüder, und Grant würde darüber hinwegkommen.

Aber jetzt war es zu spät. Und Anders brachte es nicht einmal fertig, einen Fuß in das leere Büro seines toten Bruders zu setzen.

Es war einfacher, auf dieser Seite der geschlossenen Tür zu bleiben. Sicherer.

Anders hatte diese letzte Konfrontation verdrängt, was leicht gewesen war. Denn er hatte eine Beerdigung planen und sich um die Familie von Grants Frau kümmern müssen. Und natürlich um das kleine Mädchen, das jetzt in seinem Penthouse schlief.

Aber langsam kamen seine Gefühle zum Vorschein. Dass er einer Frau im Rentierkostüm einen Heiratsantrag gemacht hatte, bewies, wie dünn das Eis unter seinen Füßen war.

„Es gibt ein paar Probleme mit dem Sorgerecht für Lolly.“ Er schluckte mühsam.

Mrs. Summers schüttelte den Kopf. „Das verstehe ich nicht. Sie sind ihr Taufpate.“

„Ja, das stimmt.“ Aber offenbar reichte das nicht. Er nahm einen Schluck Cappuccino und stellte die Tasse so heftig ab, dass sie überschwappte. „Leider ist die Sache komplizierter, als ich dachte.“

„Inwiefern?“

„In ihrem Testament haben Grant und Olivia festgelegt, dass ich das volle Sorgerecht nur bekomme, wenn ich verheiratet bin.“

Der Tablet-PC rutschte Mrs. Summers aus der Hand und landete mit dumpfem Geräusch auf dem Boden. Sie ließ ihn liegen. „Verheiratet?“

„Verheiratet.“ Er nickte.

„Aber …“ Sie verstummte, aber Anders ahnte, was sie dachte.

Aber Sie haben seit Jahren nie mehr als drei Dates mit ein und derselben Frau gehabt.

Aber Sie sind ein Workaholic.

Und um seinen Bruder zu zitieren: Aber du bist innerlich tot.

„Genau“, sagte Anders, weil es egal war, welcher Einwand sie zögern ließ. Alle drei trafen zu.

„Das war’s dann? Was wird aus Lolly?“

„Lolly bleibt bei mir.“ Er hatte seinem Bruder etwas versprochen und würde Wort halten. Das war das Mindeste, was er noch für ihn tun konnte. „Ich muss mir einfach eine Ehefrau suchen.“

„Eine Ehefrau suchen?“, wiederholte Mrs. Summers verblüfft. „So einfach, ja?“

„Ja.“

So einfach.

Je länger er darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm die Idee. Eine Ehefrau auf Zeit war genau das, was er brauchte. Er würde es wie eine Firmenfusion angehen, damit kannte er sich schließlich aus. Keine komplizierten Gefühle, keine Erwartungen – nur eine einfache geschäftliche Abmachung zwischen zwei Erwachsenen.

Zwei Erwachsene, die nicht miteinander schlafen und sich auf keine romantischen Verwicklungen einlassen würden.

Vielleicht bin ich wirklich innerlich tot.

Und wenn schon.

Vielleicht hatte Grant ja den Nagel auf den Kopf getroffen, bevor er vor fünf Tagen aus dem Büro gestürmt war. Anders hoffte es jedenfalls. Nichts wäre ihm lieber, als für den Rest seines Lebens betäubt und empfindungslos zu bleiben.

„Mein Mann und ich kannten uns erst sechs Monate, als wir geheiratet haben, und er war die Liebe meines Lebens.“ Mrs. Summers lächelte wehmütig. „Sie haben absolut recht. Es muss nicht kompliziert sein.“

Anders schluckte. „Ich habe keine sechs Monate. Ich habe nur bis Weihnachten Zeit. Wenn ich bis Jahresende nicht verheiratet bin, bekommen Olivias Schwester und ihr Mann die Vormundschaft für Lolly. Das geht nicht, denn sie leben in Kansas, und Lollys ganzes Leben wäre auf den Kopf gestellt. Außerdem haben sie schon fünf eigene Kinder. Bestimmt sind sie gute Eltern, aber für meinen Bruder waren sie nun mal nicht die erste Wahl.“

Anders allerdings auch nicht. Genauer gesagt er allein nicht.

Grant und Olivia hatten gewollt, dass ihre Tochter in einer richtigen Familie aufwuchs. Aber das war nicht der einzige Grund. Sie hatten gewusst, dass er Lolly liebte. Aber sie hatten eben auch gewusst, dass er praktisch an der Wall Street lebte. Für seine Arbeit.

Er würde sich ändern. Für das kleine Mädchen.

Trotzdem sitzt du jetzt hier.

Die getäfelten Wände seines Büros schienen auf ihn zuzukommen. Anders starrte auf die glatte Fläche seines Schreibtischs und atmete tief aus und ein, bis das beklemmende Gefühl vorüberging.

Als er den Kopf hob, hatte Mrs. Summers das Tablet aufgehoben und die Brille aufgesetzt.

„Wie kann ich helfen?“, fragte sie.

Erleichtert sah Anders sie an. Auf seine Assistentin konnte er sich immer verlassen. Er würde es schaffen. Er musste es. „Besorgen Sie mir die Namen und Kontaktdaten von jeder Frau, mit der ich in den letzten zwölf Monaten ausgegangen bin.“

„Ja, Sir.“ Sie notierte sich etwas.

„Sagen wir lieber die letzten achtzehn Monate.“ Es tat gut, einen Plan zu haben. Alte Freundinnen zu fragen war sinnvoller, als einer wildfremden Frau einen Heiratsantrag zu machen.

„Wenn ich etwas vorschlagen darf, Sir: Vielleicht sollten Sie überlegen, ob Sie …“ Mrs. Summers zeigte mit dem Kopf in Richtung des Büros auf der anderen Seite des Flurs. Es gehörte einer anderen Partnerin – Penelope Reed.

Anders erstarrte. Er hatte nicht geahnt, dass jemand von dem Arrangement wusste, dass er mit Penelope getroffen hatte. So viel zur Diskretion.

„Nein.“ Er schüttelte den Kopf.

Sicher, Penelope und er gingen hin und wieder zusammen ins Bett. Und ja, es war eine lockere Beziehung, ohne Verpflichtungen. Aber jemanden aus der Bank zu heiraten war keine gute Idee. Ein gelegentlicher One-Night-Stand ließ sich verheimlichen, eine Ehe allerdings nicht.

„Na gut.“ Mrs. Summers nickte. „Es war nur eine Idee.“

„Ich behalte sie im Kopf.“ Er fragte sich, was es bedeutete, dass er lieber einer wildfremden Frau einen Heiratsantrag machte als einer, mit der er ab und zu ins Bett ging. Nichts Gutes, das stand fest. „Bis dahin muss ich einen neuen Welpen finden.“

Mrs. Summers sah ihn über die Brille hinweg an. „Haben Sie den Termin im Tierheim verpasst? Ich dachte, ich hätte ihn in Ihrem BlackBerry gespeichert.“

„Nein, ich war da. Aber es gab ein Missverständnis. Sie hatten den Hund jemand anderem versprochen.“ Einen kurzen, herrlichen Moment lang dachte Anders nicht an sein aus den Fugen geratenes Leben, sondern an die anmutige Frau im Rentierkostüm – an ihre ausdrucksvollen Augen und die vollen Lippen. Und irgendwie glaubte er sogar, die Glöckchen klingeln zu hören.

„Wie schade. Lolly hätte den kleinen Hund geliebt.“ Seine Assistentin presste eine Hand aufs Herz.

Anders hatte in letzter Zeit viele Fehler begangen. Die Liste war länger als die Schlange der Kinder, die bei Macy’s anstanden, um sich mit Santa Claus fotografieren zu lassen. Aber er hatte das Gefühl, dass es richtig gewesen war, das Tierheim mit leeren Händen zu verlassen. Vielleicht war er doch nicht so herzlos.

Innerlich tot.

Er spürte, wie er Kopfschmerzen bekam. „Es gibt andere Welpen. Vielleicht war es besser so.“

Mrs. Summers musterte ihn, dann nickte sie. „Bestimmt.“

Er konnte es nur hoffen.

„Ich glaube, ich mache den Rest des Nachmittags doch frei.“ Er stand auf und knöpfte die Anzugjacke zu.

Dieses Büro war seine Zuflucht. An seinem Schreibtisch, mit Blick auf das Auf und Ab der Aktienkurse, hatte er sich immer wohler gefühlt als in seinem luxuriösen Penthouse mit Blick auf den Central Park und das National History Museum. Aber heute war es anders …

„Rufen Sie die Nanny an und sagen Sie ihr, dass ich Lolly abhole.“ Vielleicht würde er ihr den Baum im Rockefeller Center zeigen oder mit ihr eine Kutschfahrt durch den Park unternehmen. Irgendetwas Weihnachtliches.

Wie die Show der Rockettes in der Radio City Music Hall?

Er biss die Zähne zusammen.

„Ja, Mr. Kent. Und ich schicke Ihnen eine Liste von Welpen, die infrage kommen.“ Mrs. Summers hob den Kopf vom Tablet. „Soll ich versuchen, eine andere Yorkie-Mischung zu finden?“

Plötzlich hörte er wieder die Stimme der Frau.

Sie kommen mir gar nicht vor wie ein Yorkie-Typ.

Was sollte das bedeuten?

Sah sie ihn eher mit einer Bulldogge? Oder einer Schlange? Und warum hatte es ihn so hart getroffen?

„Was auch immer. Ich bin da ganz offen“, murmelte er. „Nein, stimmt nicht. Ich möchte einen Schoßhund – etwas Süßes und Anschmiegsames. Einen richtigen Kuschelhund.“

Mrs. Summers unterdrückte ein Lächeln. „Natürlich, Sir.“

„Je süßer, desto besser.“

2. KAPITEL

Am Nachmittag nach ihrer seltsamen Begegnung im Tierheim setzte Chloe ihren Welpen zusammen mit dem rot-weiß gestreiften Hundebett und etwa einem Dutzend Spielsachen in ein Laufgitter und ging durch das verschneite West Village zur Wilde School of Dance.

Höchste Zeit, in den sauren Apfel zu beißen.

Sie konnte ihre Familie nicht auf Dauer anlügen, sondern musste ihnen die Wahrheit über ihren Job erzählen. Erst heute Morgen hatte sie auf dem Times Square ihren Cousin gemeint zu sehen, während sie Flyer verteilte. Sie hatte sich hinter einer der vielen anderen weihnachtlich kostümierten Gestalten versteckt, aber ihr blinkendes Geweih war einfach zu auffällig.

Zum Glück war der Mann im Maßanzug doch nicht ihr Cousin gewesen. Und nicht ihr Bruder Zander. Zu ihrer großen Erleichterung war es auch nicht der Mann gewesen, der ihr gestern einen Heiratsantrag gemacht hatte – Anders Kent.

Nicht, dass sie während der zweistündigen Schicht an ihn gedacht hatte. Aber Flyer zu verteilen war ein so anspruchsloser Job, dass dieser Mann sich immer wieder in ihren Kopf schlich. Je mehr sie sich anstrengte, nicht an ihn zu denken, desto lebendiger wurde die Erinnerung an ihre Begegnung.

Chloe seufzte. Warum konnte sie die bedeutungslose Episode nicht einfach aus dem Gedächtnis streichen? Weil ihr Leben ansonsten nicht viel zu bieten hatte. Sie war keine professionelle Tänzerin mehr, und wenn sie es den restlichen Wildes weiterhin verschwieg, würden die es hintenrum erfahren, was noch peinlicher wäre. Emily Wilde war praktisch allwissend. Es war ein Wunder, dass sie ihr noch nicht auf die Schliche gekommen war.

Kaum betrat Chloe die Tanzschule, spürte sie den forschenden Blick ihrer Mutter. Emily unterhielt sich gerade mit einem schlanken Mädchen in einem schwarzen Trikot, aber wie immer entging ihr nichts.

Auf geht’s.

Chloe winkte ihr lächelnd zu, als wäre heute ein ganz normaler Tag. Obwohl sie schon lange nicht mehr hier gewesen war. Das Ahornparkett hatte gelitten, seit sie als Teenager in Spitzenschuhen darauf herumgewirbelt war. Und das Sofa im Wartebereich, auf dem sie ihre Hausaufgaben gemacht hatte, hing in der Mitte leicht durch. Gab es noch immer den alten blauen Plattenspieler, an dem Emily so hing? Ja, da war er, im Regal in der Ecke, genau dort, wo er schon vor Chloes Geburt gestanden hatte.

Wenigstens unterrichtete Emily nicht mehr den ganzen Tag lang, seit Chloes Schwägerin Allegra die meisten Kurse übernommen hatte. Jetzt winkte Allegra Chloe durchs das große Fenster zu, während fröhliche Zehn- und Elfjährige in pinkfarbenen Strumpfhosen und weichen Ballettschuhen aus dem Studio kamen und Chloe grazil auswichen.

Sie musste schluckten, als Nostalgie sie überkam. Alles war so anders und doch noch immer so wie in ihrer Erinnerung.

Hier war sie aufgewachsen. In der Tanzschule hatte sie vermutlich mehr Zeit verbracht als im großen Stadthaus der Familie am Riverside Drive. Wenn man den Erzählungen glauben durfte, hatte sie ihre ersten Schritte im Büro ihrer Mutter zwischen Schuhkartons und Probenkostümen gemacht. Schon wenige Monate später hatte sie an der Stange zur Musik vom alten blauen Plattenspieler Pliés geübt.

Auch ihren ersten Kuss hatte Chloe hier erlebt – mit einem Jungen von der School of American Ballet Theatre bei den Proben für Romeo und Julia. Es war nur ein Bühnenkuss gewesen, aber als sie seine Lippen an ihren gefühlt hatte, war die Blase von den neuen Spitzenschuhen vergessen gewesen.

Der Kuss war gespielt gewesen, aber die Wärme seiner Lippen echt. Genau wie das Gefühl, das dieser Ort in ihr auslöste. Hierher würde sie immer zurückkehren. Hier war ihr Zuhause.

Ich hätte früher kommen sollen.

Sie hatte es vorgehabt. Aber aus Tagen waren Wochen, aus Wochen Monate geworden, und dann war ihr Vater gestorben. Die Kindheitserinnerungen wären zu schmerzhaft gewesen, also war sie einfach ferngeblieben. Sie hatte sich in die Arbeit bei den Rockettes gestürzt, und genau wie alles andere in ihrem Leben war die alte Tanzschule nebensächlich geworden.

Jetzt war sie wieder hier – ohne richtigen Job, ohne enge Freunde, ohne eine mehr als oberflächliche Beziehung zu ihrer Familie und ohne ein Liebesleben, nachdem Steven sie einfach sitzengelassen hatte.

Perfekt. Irgendwie war sie zur unglücklichen Figur in einem Weihnachtsfilm geworden, und nirgendwo war ein rettender Engel in Sicht. Oder doch?

Wieder sah sie Anders Kents markante Züge vor sich. Sie blinzelte. Heftig.

„Chloe!“ Allegra schloss die Tür zum Unterrichtsraum hinter sich und umarmte Chloe. „Was für eine wunderbare Überraschung. Was tust du hier? Musst du um diese Jahreszeit nicht zehnmal am Tag auftreten oder so?“

Bevor sie antworten konnte, kam ihre Mutter auf sie zu. Chloe hielt den Atem an.

„Hallo, Liebes. Wie schön.“ Emily küsste sie auf die Wange.

„Hi, Mom. Allegra. Es ist toll, euch beide zu sehen.“ Sie lächelte unsicher.

Nicht weinen.

„Geht es dir gut, Liebes?“ Emily schaute auf die zierliche Armbanduhr, die sie trug, seit Chloe sich erinnern konnte. „Es ist mitten am Tag. Solltest du jetzt nicht auf der Bühne stehen?“

Es war so weit. Dies war der Moment, in dem sie zugab, dass sie die Rockette war, die zu einer YouTube-Berühmtheit geworden war, weil sie die Thanksgiving-Parade ruiniert hatte.

Sie holte tief Luft. „Nein, ich trete nicht mehr auf. Jedenfalls vorläufig.“

„Was soll das heißen, du trittst nicht auf?“, fragte Emily erstaunt.

Die Enttäuschung in ihren Augen traf Chloe wie ein Messerstich ins Herz. Emily hatte sie immer unterstützt. Chloe hatte zahllose Familientreffen verpasst, aber als Tänzerin hatte sie ihre Mutter stolz gemacht. Bis jetzt.

„Ich mache gerade eine Pause.“ Sie schluckte und schaute ihrer Mutter über die Schulter – ausgerechnet auf das großformatige Hochglanzporträt von einer ihrer Weihnachtsshows. Es hing inmitten einer ganzen Sammlung von Fotos, die sie bei den Rockettes-Auftritten zeigten.

„O Liebes, du bist doch nicht etwa verletzt, oder?“ Emily riss die Augen weit auf.

„Keine Sorge, Mom. Es geht mir gut.“ Ich bin nur ein Weltklassefeigling. Sie brachte es nicht fertig. Sie konnte unmöglich zugeben, dass sie gefeuert worden war. Nicht hier, nicht mit Blick auf ihre Ruhmeswand.

Außerdem hatte ihre Mutter sie gerade auf eine Idee gebracht: Eine Verletzung würde ihr die Zeit verschaffen, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Sie könnte in der Schule aushelfen, das Telefon bedienen, sich um die wartenden Mütter kümmern, und wenn sie wieder richtig zur Familie gehörte, würde sie ihnen endlich alles erzählen.

„Es ist nur eine Verstauchung“, hörte sie sich sagen und schämte sich sofort dafür.

„O nein“, rief Allegra. „Bitte, sag, dass es nicht dein Sprunggelenk ist.“

Chloe schaute auf ihre Füße. Kein Verband. Keine Krücken. „Nein, es ist die Wade.“

„Die Wade?“ Emily zog die Augenbrauen hoch.

„Ja. Da ist ein schmerzhafter Knoten.“ Was für eine lächerliche Lüge. Ihre Mutter würde es niemals glauben.

„Ich verstehe“, sagte Emily leise. Aber falls sie misstrauisch war, so ließ sie es sich nicht anmerken. „Das tut mir leid, Schatz. Trotzdem bin ich froh, dass du hier bist.“ Sie lächelte aufmunternd.

Chloe atmete tief durch. „Ich auch. Ich hatte gehofft, dass du mir etwas zu tun gibst.“

„Hier in der Schule?“, fragte Allegra.

„Ja. Ich würde euch beiden gern helfen. Egal, wobei.“

„Aber deine Wade.“ Allegra sah nach unten.

„Sie hat recht“, warf Emily ein. „Mit der Verletzung kannst du nicht unterrichten. Außerdem können wir es uns nicht leisten.“

Die Schule steckte in Geldproblemen? Kein Wunder, dass alles etwas renovierungsbedürftig aussah. „Mir war nicht klar, dass …“

Natürlich nicht. Wenn sie hin und wieder vorbeigekommen wäre, hätte sie es selbst merken können.

„Ich hätte da eine Idee, aber es wäre nur Teilzeit“, sagte Emily.

„Das ist okay.“ Sie brauchte ohnehin ein paar Stunden frei, um die Flyer zu verteilen.

„Wir führen dieses Jahr den Mini-Nussknacker auf, und du könntest Regie führen.“

„Mini-Nussknacker?“ Chloe hatte keine Ahnung, was das war, fragte aber nicht nach. Was immer es war, offenbar gehörte es zum Repertoire der Schule. „Klingt nach Spaß.“

Emily und Allegra wechselten einen Blick.

„Bist du dir sicher? Es ist zwar Teilzeit, aber kein einfacher Job“, warnte Allegra.

„Und du müsstest bis zum Heiligen Abend durchhalten.“ Emily sah sie fragend an.

Perfekt. „Ich bin mir sicher.“

„Großartig. Du kannst gleich anfangen.“ Emily hielt die Eingangstür auf. Wie aus dem Nichts tauchten Eltern mit kleinen Kindern auf.

Augenblick mal. Was?

„Du meinst … jetzt?“, fragte Chloe entgeistert.

„Jetzt.“ Emily nickte.

Allegra beugte sich vor. „Ich helfe dir. Du hast keine Vorstellung, worauf du dich eingelassen hast, oder?“

Dem Himmel sei Dank für Schwägerinnen. „Absolut keine.“

„Der Mini-Nussknacker ist eine Weihnachtsaufführung für die Ballett-Vorschule, also die Drei- bis Fünfjährigen.“ Sie ging in den großen Unterrichtsraum und winkte Chloe herein. „Es ist eine Kurzversion des klassischen Nussknackers – dieselbe Musik, dieselben Figuren, nur etwas kürzer.“

Vorschüler als Mäuse, Nussknacker und Zuckerfee verkleidet? Wer würde ein solches Angebot ablehnen? „Hört sich hinreißend an.“

Allegra verschränkte die Arme. „Wann hast du zuletzt Ballett-Vorschüler unterrichtet?“

War das eine Fangfrage? „Noch nie. Vielleicht habe ich als Teenager mal ausgeholfen, aber das war es auch schon.“

Chloe zog den Mantel aus. Zum Glück trug sie darunter einen schwarzen Wickelpullover und eine Yogahose – Sachen, in denen sie sich bewegen konnte.

„Hier.“ Allegra warf ihr ein Paar Spitzenschuhe zu.

„Danke.“ Sie zog sie an.

„Die Kleinen sind süß, können aber anstrengend sein.“ Allegra blickte über Chloes Schulter. „Und da sind sie schon.“

Kein Problem. Normalerweise stand sie im Dezember dreimal täglich auf der Bühne. Mit Vorschülern eine halbstündige Aufführung einzustudieren war vermutlich eine eher leichte Übung.

Du wolltest helfen, jetzt kannst du es.

Sie atmete tief durch, drehte sich um und folgte Allegras Blick zum großen Fenster. Dahinter drängten sich winzige Ballettratten in bunten Trikots. Es sah aus, als wäre sämtliche Mütter des Village mit ihren Kleinkindern hier. „Allegra, wie steht es um die Schule?“

„Ziemlich schlimm.“ Allegra seufzte. „Vor einer Weile hatten wir den Tanzmarathon, also sind wir aus den roten Zahlen. Aber wir nehmen gerade genug ein, um die Rechnungen zu bezahlen. Wenn wir renovieren würden, könnten wir mehr fortgeschrittene Schüler anlocken. Vielleicht können wir im Sommer sogar einen Intensivkurs anbieten.“

„Tolle Idee.“ Aber dazu brauchte die Schule dringend eine Verschönerungskur.

Chloe sah sich um und ließ den Blick über die rissigen Wände, den abgewetzten Bodenbelag und die alten Möbel wandern. Selbst die große Fensterscheibe war in einer Ecke beschädigt. Sie runzelte die Stirn, bis sie dahinter noch etwas bemerkte.

Nein, nicht etwas, sondern jemanden.

Er überragte die Kinder und ihre Mütter, und seine Miene war grimmig. Chloe hatte noch nie jemanden gesehen, der in einer Ballettschule so deplatziert wirkte. Unter anderen Umständen wäre es ein komischer Anblick gewesen.

„Mach dich bereit. Ich lasse die Kids jetzt herein.“ Allegra drehte sich noch einmal zu ihr um. „Alles okay? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.“

Kein Gespenst. Einen Dieb.

Einen Welpendieb.

Der Mann auf der anderen Seite der Scheibe bemerkte sie endlich. Er wirkte ebenso überrascht wie sie.

Eine Sekunde lang vergaß sie zu atmen. Den ganzen Tag lang hatte sie sich eingebildet, ihn wiederzusehen, und jetzt war er hier.

Anders Kent.

Ihr Möchtegern-Verlobter.

Anders erstarrte, als sein Blick sich mit Chloes traf. Um ihn herum herrschte das Chaos, während Mütter ihren Kindern die Schneestiefel aus- und pinkfarbene Ballettschuhe und Tutus anzogen. Der Boden war mit Mänteln, Handschuhen und Buggys übersät. Aber das alles vergaß er, als er die Tänzerin auf der anderen Seite der Fensterscheibe bemerkte.

Es war sie.

Obwohl sie kein Rentierkostüm trug, erkannte er sie sofort. Der anmutige Hals, die gerade Haltung, die vollen Lippen waren unverwechselbar. An den Ohren baumelten winzige, wie Zuckerstangen geformte Hänger und streiften die Haut auf eine Weise, die ihn den Atem anhalten ließ. Unwillkürlich fragte er sich, wie ihr Körper sich unter seinen Händen anfühlen würde.

Dann winkte sie ihm zu und holte ihn aus der Trance, in die ihr Anblick ihn versetzt hatte. Er zog eine Augenbraue hoch.

Kein Zweifel, sie war es.

„Können wir jetzt hineingehen?“ Lolly zupfte an seinem Hosenbein.

Er schaute auf ihre winzigen Füße und überlegte, ob er ihr die Ballettschuhe richtig angezogen hatte. Sie war glücklich, allein das zählte. „Natürlich, Schatz.“

Die meisten anderen Kinder stürmten allein in den Unterrichtsraum, aber Lolly wollte begleitet werden. Am Morgen nach dem Unfall, als Anders ihr erzählt hatte, dass Mommy und Daddy jetzt im Himmel waren, hatte sie sich an ihn geklammert und herzzerreißend geweint.

In letzter Zeit war sie fröhlicher, aber noch immer gab es Momente, in denen sie seine Hand halten oder getragen werden wollte. Anders vermutete, sie wollte einfach nur sicher sein, dass er nicht auch verschwinden würde.

Das würde er nicht.

Nicht, wenn es nach ihm ging.

Lolly zog ihn durch die Tür, aber dahinter ließ sie ihn los und rannte zu ihren Freundinnen, die vor der großen Spiegelwand saßen.

Er zögerte, sie zurückzulassen. Und vielleicht wollte ein Teil von ihm sich nicht schon wieder von Miss Wilde trennen.

Was ist los mit dir? Er hatte heute viel zu tun – angefangen damit, dass er Penelope Reed dazu bringen musste, ihn zu heiraten. Er hatte lange nachgedacht, und realistisch gesehen war sie die einzige Option, die ihm blieb.

Er drehte sich um, aber bevor er den nächsten Schritt machen konnte, tippte die unvergessliche Miss Wilde ihm auf die Schulter.

„Wollen Sie schon gehen?“, fragte sie.

Er wandte sich ihr zu und spürte, wie seine Mundwinkel zuckten. Lächelte er etwa? Es kam ihm vor, als hätte er das seit Jahren nicht mehr getan. „Ja. Zurück ins Büro.“

„Ich bin übrigens Chloe. Und Eltern dürfen gern bleiben und zusehen.“

Er schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht. Ich …“ Ich muss mich verloben.

„Hallo, Mr. Kent.“ Allegra, die Tanzlehrerin, die er bei Lollys Aufführung kennengelernt hatte, stellte sich neben Chloe. Sie schaute zwischen ihnen hin und her. „Ihr zwei kennt euch?“

„Nein“, widersprach Anders in exakt der Sekunde, in der Chloe Wilde nickte.

Dann legte sie die Stirn in Falten und funkelte ihn an wie am Tag zuvor, als sie ihn beschuldigt hatte, einen Welpen stehlen zu wollen. „Ist das Ihr Ernst? Gestern haben Sie mich gebeten, Sie zu heiraten, und heute kennen Sie mich nicht mehr?“

Allegra hüstelte laut, aber Anders ließ Chloe nicht aus den Augen. „Das lassen Sie mir nicht durchgehen, was?“

Sie lächelte ihn an. „Nein.“

„Warte mal. Ich bin verwirrt“, sagte Allegra. „Was ist aus Steven geworden?“

„Wer ist Steven?“, entfuhr es ihm.

Chloes Wangen verfärbten sich. „Niemand.“

Anders warf Allegra einen fragenden Blick zu, obwohl ihm schleierhaft war, warum ihn dieser rätselhafte Steven überhaupt interessierte.

Ja, sicher. Du weißt genau, warum.

„Niemand ist er nicht gerade. Chloe, warst du nicht fast drei Jahre mit Steven zusammen?“

In Anders zog sich etwas zusammen. War das etwa ein Anflug von Eifersucht?

Unmöglich. Er kannte diese Frau ja nicht mal. Er hatte sie genau zweimal gesehen und sich beide Male über sie geärgert. Okay, er fand sie attraktiv – schließlich war er nicht blind. Aber eigentlich stand er nicht auf nervige Typen. Verglichen mit den meisten Frauen, mit denen er ausging, war sie irgendwie kompliziert.

Andererseits standen die a...

Autor

Teresa Southwick
<p>Teresa Southwick hat mehr als 40 Liebesromane geschrieben. Wie beliebt ihre Bücher sind, lässt sich an der Liste ihrer Auszeichnungen ablesen. So war sie z.B. zwei Mal für den Romantic Times Reviewer’s Choice Award nominiert, bevor sie ihn 2006 mit ihrem Titel „In Good Company“ gewann. 2003 war die Autorin...
Mehr erfahren
Susan Crosby
<p>Susan Crosby fing mit dem Schreiben zeitgenössischer Liebesromane an, um sich selbst und ihre damals noch kleinen Kinder zu unterhalten. Als die Kinder alt genug für die Schule waren ging sie zurück ans College um ihren Bachelor in Englisch zu machen. Anschließend feilte sie an ihrer Karriere als Autorin, ein...
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