Julia Ärzte zum Verlieben Band 209

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ERSTE HILFE – ZWEITE CHANCE von TINA BECKETT

Drei Jahre nach ihrer Trennung steht seine Ex unerwartet vor Dr. Eli Jacobsen! Ab sofort wird er mit Georgia in der Notaufnahme des Krankenhauses zusammenarbeiten. Zum Glück bin ich über sie hinweg, sagt Elis Verstand. Aber sein Herz widerspricht …

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  • Erscheinungstag 18.10.2025
  • Bandnummer 209
  • ISBN / Artikelnummer 9783751533546
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Tina Beckett, Karin Baine, Annie Claydon

JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN BAND 209

Tina Beckett

PROLOG

Ihr Blick folgte dem leuchtend rosa Sparschwein, als es durch die Luft segelte und krachend zu Boden stürzte. Etwas traf ihre Hand, und sie zuckte vor Schmerz zusammen, während sie auf die Silbermünzen und scharfen Glasscherben zu ihren Füßen starrte.

Sie begann zu weinen, konnte nicht aufhören, obwohl sie wusste, dass es alles nur schlimmer machte.

„Georgia, bleib stehen!“ Die bebende Stimme ihrer Mutter drang zu ihr durch, obwohl ihr Daddy vor ihr stand, größer und furchterregender als je zuvor.

Georgia, im Nachthemd und barfuß, wollte zurückweichen, um von ihm wegzukommen. Doch blitzschnell war ihre Mutter bei ihr und stellte sich schützend vor sie.

„Verschwinde! Verschwinde auf der Stelle!“, zischte sie in einem Ton, der Georgia einen Schauer über den Rücken jagte. Ihre Tränen versiegten schlagartig.

Nie zuvor hatte ihre Mom so mit ihrem Dad geredet. Niemals. Sonst entschuldigte sie sich bei ihm immer wieder für Dinge, die Georgia nicht verstand.

Heute nicht.

Vorsichtig lugte sie um ihre Mom herum, um zu sehen, wie ihr Dad reagierte. Völlig unerwartet schien seine Wut verraucht. Sein Blick fiel auf Georgia. Er streckte eine Hand aus und bedeutete ihr, zu ihm zu kommen. Ihre Mutter schlug die Hand beiseite, zog ihr Handy heraus und tippte darauf herum.

Das wirkte anscheinend. Ihr Vater trat einen Schritt zurück. „Du wirst mich noch anflehen, zurückzukommen!“, drohte er, das Gesicht finster verzogen. „Allein schaffst du es nicht.“

Es folgte ein langes Schweigen. Dann drückte ihre Mom die Schultern durch. „Täusch dich da nicht, Gavin.“

Ihr Dad holte aus und schmetterte seine Bierdose an die Wand. Die Dose landete mit einem hässlichen dumpfen Geräusch am Boden und verspritzte ihren Inhalt auf den einzigen Teppich. Ihr Dad fuhr herum, riss die Tür auf und stürmte hinaus, ohne sie wieder zu schließen. Der Wind trieb Schneeflocken und eisige Kälte ins Haus. Ihr Dad verschwand in der Nacht.

Ihre Mom rannte zur Tür, zog sie zu, schloss sie ab und lehnte sich dagegen. Nicht nur Georgia weinte, ihre Mom auch. „I…Ist alles okay, Baby?“

Georgia nickte. „Aber mein neues Sparschwein … das der Weihnachtsmann mir geschenkt hat …“

„Wir kaufen dir ein neues. Wir werden …“ Sie sprach nicht weiter, als sie einen Fleck auf dem Fußboden entdeckte. „Du blutest ja.“

Georgia blickte an sich hinunter und sah, dass etwas Rotes von ihrer Hand tropfte. Angst befiel sie. „Mom, ich glaube, ich hab mir wehgetan.“

Ihre Mom griff sich rasch eine Decke vom Sofa und warf sie vor Georgia auf den Boden. Als sie auf Georgia zukam, knirschte es unter ihren Füßen. Sie hob Georgia hoch und setzte sie ein paar Schritte weiter auf einem scherbenfreien Platz ab. Dann zupfte sie ein paar Papiertücher aus der Pappschachtel und klebte sie mit dem bunten Washi-Tape, mit dem sie die Weihnachtsgeschenke verpackt hatte, notdürftig auf die Wunde. „Warte, ich hole deinen Mantel.“

„Aber mein Sparschwein …“

„Darum kümmern wir uns später. Zuerst muss sich jemand dein Handgelenk ansehen.“

Innerhalb von Minuten waren Mäntel und Stiefel angezogen, und ihre Mom fuhr mit ihr im Schneetreiben durch die Dunkelheit. Georgia fragte sich, ob ihr Dad zurück war, wenn sie nach Hause kamen.

Sie glaubte es nicht. Irgendwie ahnte sie, dass er nie wieder nach Hause kommen würde.

1. KAPITEL

Georgia Sumter berührte die Narbe an ihrem linken Handgelenk, als sie das Anchorage Memorial Hospital betrat. Nichts hatte sich verändert in den drei Jahren, seit sie fortgegangen war. Merkwürdig, wie manche Dinge sich nicht änderten, andere dagegen für immer.

Zum Beispiel ihr Zuhause aus der Kindheit, das es schon längst nicht mehr gab. Das Haus war ihrer Mom nach der Scheidung zugesprochen worden. Aber sie waren nicht dortgeblieben. Umgehend hatte sie es verkauft und war mit Georgia in eine Zweizimmerwohnung gezogen. Es war zwar beengter, aber Georgia fühlte sich dort so sicher wie nie zuvor in ihrem Leben. Erst als sie älter wurde, begriff sie, warum.

Ihr rosa Sparschwein wurde durch eine größere Spardose in Form eines weißen Kaninchens ersetzt. Als sie achtzehn wurde, war es bis oben hin vollgestopft mit Münzen und Scheinen. Aber sie hatte es nie zerschlagen, um an das Geld zu kommen. Bis heute löste bei ihr das Klirren von Scherben, wenn etwas zu Bruch ging, Herzrasen aus.

Entschlossen vertrieb sie die Gedanken. Die Entscheidung, ins Anchorage Memorial zurückzukehren, war ihr nicht leichtgefallen. Nicht nach all dem, was hier geschehen war. Aber sich von der Arbeit freistellen zu lassen und in ihre Heimatstadt auf Kodiak Island zu flüchten, war auch nicht die beste Idee gewesen. Sie hatte gedacht, in der Nähe ihrer Mom würde sie sich geborgen fühlen und ihre Wunden heilen können. So war es auch gewesen – anfangs.

Doch die fast täglichen Beteuerungen ihrer Mom, sie habe richtig gehandelt, waren schließlich zu einem düsteren, sich wiederholenden und unerträglichen Wehklagen geworden. Die Geborgenheit hatte sich in etwas Klaustrophobisches verwandelt. Auch in der kleinen Klinik, in der sie arbeitete, hatte sie sich eingeengt gefühlt. Außerdem musste sie sich keine Sorgen machen, dass sie ihrem Dad begegnen könnte. Er lebte nicht mehr in der Stadt. Sie wusste nicht einmal, wo er jetzt wohnte. Und sie wollte es auch gar nicht wissen.

Im Flur begegnete ihr ein bekanntes Gesicht. Der Mann blieb stehen und starrte sie an, als hätte er einen Geist gesehen.

„Georgia?“

Ihr Haar war an die dreißig Zentimeter kürzer als vor drei Jahren, als sie sich zuletzt gesehen hatten. Jetzt reichte es ihr gerade bis zu den Schultern. Die früher gebleichten Locken besaßen nun wieder ihre natürliche Farbe. Dunkelbraun. Sie verstand, warum er so perplex war. Hinzu kam noch ihre Aussage von damals, dass sie nie mehr in das Krankenhaus zurückkehren würde, das sie so sehr geliebt hatte.

„Ich bin es. Nur ein wenig älter und hoffentlich weiser, als du mich das letzte Mal gesehen hast.“

William Harris kam auf sie zu. „Ich hatte keine Ahnung, dass du wieder in Anchorage bist. Als ich das letzte Mal von dir hörte, warst du noch auf Kodiak.“

Ihr Kindheitsfreund, mit dem sie durch dick und dünn gegangen war, war auf derselben Insel aufgewachsen wie sie, hatte sie aber mit achtzehn verlassen. In all den Jahren hatten sie jedoch Verbindung gehalten und dann zusammen im Anchorage Memorial gearbeitet. Bis sie die schwere Entscheidung traf, zu gehen.

Aber ihr hatte das Leben hier gefehlt. So sehr. So sehr, dass sie bereit war zu riskieren, ihm zu begegnen …

Nein. Denke nicht daran.

Sie suchte in ihrer Tasche nach ihrem Glücksbringer. Vergeblich. Sie hatte die Halskette im Auto liegen lassen. Zum Duschen hatte sie sie morgens abgenommen und sie in ihrer Eile, ins Krankenhaus zu kommen, ins Handschuhfach geworfen. Wo sie jetzt immer noch lag.

„Ich habe beschlossen, zurückzukommen. Mir hat die Klinik gefehlt und …“ Sie lächelte ihn an. „… und auch meine Freunde. Ich denke, ich komme klar. Es ist genug Zeit vergangen. Außerdem ist Eli verheiratet. Also sollte es für mich kein Problem sein …“

Er runzelte die Stirn. „Verdammt, Georgia, warum hast du mir nicht gesagt, dass du vorhast, zurückzukommen?“

Verblüfft sah sie ihn an. „Ich dachte, du freust dich, mich zu sehen.“

Er nahm kurz ihre Hand, drückte sie und ließ sie wieder los. „Natürlich freue ich mich. Es ist nur so, dass Eli nicht mehr …“

Hatte ihr Ex die Gegend verlassen? Obwohl es besser für sie wäre, spürte sie einen dumpfen Druck in der Magengegend bei dem Gedanken, ihn nie wiederzusehen. Hattest du nicht genau das gehofft, als du vor drei Jahren weggegangen bist?

Ja, sie war entschlossen gewesen, ihn in die Vergangenheit zu schieben, so wie sie ihren Dad in der Vergangenheit versenkt hatte. Nur waren ihre Gründe in Elis Fall völlig andere. Eli hatte sie immer unterstützt. Nur hatte er mehr gewollt, als sie geben konnte.

„Ist er weggezogen?“

„Nein.“ Er sah sie an. „Aber er ist nicht mehr verheiratet. Lainey und er haben sich vor etwa einem Jahr scheiden lassen.“

Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. „Warum hast du mir das nicht gesagt?“

„Ich hätte nicht gedacht, dass du zurückkommst. Oder auf den neuesten Stand gebracht werden willst, was Eli betrifft – so wie es zwischen euch geendet hat. Außerdem hast du immer gesagt, dass es für dich in Kodiak großartig läuft.“

Das war die Strafe für ihre Lüge. Unwillkürlich schob sie die Hand wieder in ihre Tasche. Normalerweise trug sie den Schmetterling bei sich, um sich zu vergewissern, dass sie frei war und immer frei sein wollte. Ihn in den Fingern zu spüren, half, wenn sie gestresst war. Und im Moment hätte sie ihn dringend gebraucht!

„Ich weiß. Natürlich musstest du mich nicht auf dem Laufenden halten. Es ist meine Schuld, dass ich dir nicht gesagt habe, dass ich zurückkomme. Als ich auf der Suche nach etwas Neuem war, sah ich zufällig die Anzeige, dass hier jemand für die Notaufnahme gesucht wird. Ich habe mich beworben und sofort die Antwort bekommen, dass man mich gerne wiederhaben möchte. Danach hatte ich alle Hände voll zu tun, um alles Notwendige im Kodiak General zu erledigen.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Und ich dachte, ich überrasche dich einfach …“

„Was dir gelungen ist. Im positiven Sinn.“ Er lächelte. „Ich wusste, dass jemand Neues kommen würde, aber ich habe mir nicht die Mühe gemacht, mir den Namen anzusehen. Nur gehofft, dass es kein zweiter Dr. Mueller wird.“

„Dr. Mueller?“ Der Name sagte ihr nichts.

„Ronny Mueller“, sagte William grimmig. „Als klar war, du würdest nicht wiederkommen, hat er deine Position übernommen. Und ehrlich gesagt, seitdem ist hier alles anders geworden. Würde mich nicht wundern, wenn er der Grund war, warum Dr. Hawthorne die Notaufnahme verlassen hat.“

„Oh, das ist aber schade. Ich mochte Becky wirklich.“

Becky war eine ihrer besten Freundinnen am Anchorage Memorial gewesen. Georgia hatte sich gefreut, wieder mit ihr zusammenarbeiten zu können. Allmählich beschlich sie das unangenehme Gefühl, dass sich die Gründe für ihre Rückkehr langsam in Luft auflösten.

„Das ging uns allen so. Aber sie wollte in einer der kleineren Kliniken in der Gegend arbeiten. Sie ist also nicht aus der Welt.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich freue mich jedenfalls, dass du wieder da bist. Mehr, als du dir vorstellen kannst. Musst du heute arbeiten?“

„Nein. Ich habe noch Papierkram in der Personalabteilung zu erledigen. Ich glaube, offiziell fange ich morgen an. Aber jetzt muss ich los, sonst komme ich zu spät.“

Er lächelte. „Das wäre nichts Neues …“

Georgia gab ihm einen Klaps auf den Arm. „Ich habe vor, mich zu bessern.“

„Das glaube ich erst, wenn ich es sehe. Lass uns doch mal zusammen essen gehen, ja?“

Sie lächelte und versuchte, nicht an Eli zu denken oder daran, was sie sagen würde, wenn sie ihm doch noch irgendwo begegnete.

„Gute Idee. Und versprochen, ich werde pünktlich sein.“

Er gab einen ungläubigen Laut von sich. William war ein prima Kerl, und sie wunderte sich, dass er noch niemanden gefunden hatte.

Aber sie auch nicht. Und sie wollte es auch nicht. Ihre Mutter hatte genug warnende Geschichten erzählt, die für ein ganzes Leben reichten. Georgia war bereit gewesen, sich auf Dates einzulassen. Solche Beziehungen zu beenden, war weit weniger problematisch als eine Scheidung. Das hatte sie bewiesen, als sie vor drei Jahren Anchorage verließ.

Aber eine Ehe? Ihrer Mutter war es unbeschreiblich schwergefallen, sich von ihrem Mann zu trennen. Was Georgia aber nicht gewusst hatte: Ihr Vater hatte versucht, die Vormundschaft für sie zu bekommen, und auch beinahe erhalten. Er hatte ihrer Mutter Vernachlässigung und Misshandlungen vorgeworfen. Was lachhaft war, denn es war genau andersherum gewesen.

Heiraten und Kinder haben? Georgia war ihre Freiheit wichtiger.

„Okay“, sagte William. „Gib mir Bescheid, wann es dir passt. Jetzt muss ich los.“

Er machte sich auf den Weg zu Notaufnahme. Georgia ging Richtung Fahrstuhl.

Du lieber Himmel, Eli ist nicht mehr verheiratet? Dabei war seine Heirat einer der Gründe gewesen, warum sie überlegt hatte, die Stelle anzunehmen. Sie kannte sich selbst und ihn gut genug, um zu wissen, dass weder sie noch Eli jemals jemanden betrügen würden. Also dachte sie, sie wäre sicher. Sie beide. Dass Eli eine Frau geheiratet hatte, die sie beide aus der Klinik kannten, und das bereits ein Jahr nach der Trennung von Georgia, das hatte ihr sehr zu schaffen gemacht. Zumal sie selbst in der ganzen Zeit nicht einmal ein Date gehabt hatte. Doch all das bestätigte ihr, dass es richtig gewesen war, fortzugehen.

Und nun?

Sobald sie wieder im Wagen saß, holte sie ihren Talisman aus dem Handschuhfach und legte die Halskette um. In Zukunft würde sie daran denken, sie stets zu tragen, egal, wohin sie ging.

Eli streifte sich die OP-Handschuhe ab und warf sie in den Abfalleimer, ehe er die Doppeltür zum OP aufdrückte. Die Implantation eines biventrikulären Herzschrittmachers war schwierig gewesen, und er hätte die Patientin zwei Mal fast verloren, bevor er ihren Brustkorb überhaupt eröffnet hatte.

Im fortgeschrittenen Stadium der Herzinsuffizienz aufgrund von Herzrhythmusstörungen war ihre Herzfrequenz gefährlich niedrig gewesen. Doch der neue Schrittmacher war darauf ausgerichtet, den Rhythmus zwischen den Kammern zu koordinieren, und würde der Fünfzigjährigen hoffentlich eine Chance auf eine bessere Lebensqualität geben. Wahrscheinlich wäre sie in wenigen Wochen, wenn nicht Tagen gestorben. Jetzt war ihr Herz immer noch schwach, aber wenigstens schlug es regelmäßig und mit einer besseren Frequenz. Eli hatte den Schrittmacher mit einem implantierbaren Defibrillator kombiniert, für den Fall, dass ihr Herz erneut versagen sollte. Durch diese Operation konnte ihr Herz vielleicht wieder an Kraft gewinnen. Das würden die kommenden Monate zeigen.

Er hatte sich mit seinem väterlichen Freund Steve Davis verabredet, der vor einigen Jahren seine Tätigkeit als Hausarzt aufgegeben hatte. Ohne Steve hätte Eli nicht den Beruf ergriffen, den er über alles liebte. Steve war sein Trauzeuge gewesen. Aber Eli hatte gewusst, dass Steve sich nicht sicher war, ob Lainey und er wirklich zueinander passten. Hätte er ebenso gedacht, wenn Georgia die Braut gewesen wäre?

Aber darüber nachzudenken, war fruchtlos, denn sie hatte von Anfang an klargemacht, dass sie an einer festen Verbindung nicht interessiert war. Noch immer wusste er nicht genau, warum sie so lange gewartet hatte, es auszusprechen. Ihnen beiden wäre viel Schmerz erspart geblieben. Eigentlich hätte er die Anzeichen schon viel früher sehen müssen. Ihre raschen, ausweichenden Antworten, wenn er sie nach ihrer Kindheit oder ihren Eltern fragte. Dass sie kaum einmal über die Zukunft sprach, sondern behauptete, lieber nur den Moment zu leben. Weil man nie wüsste, was einem das Schicksal in den Weg werfen würde. Und er hatte den Fehler begangen, ihr nicht nach und nach den Gedanken an eine Ehe näherzubringen. Stattdessen überfiel er sie mit seinem Heiratsantrag. Es war eine impulsive Entscheidung gewesen, auch wenn er den Ehering schon vor Monaten gekauft hatte.

An Laineys Schulter hatte er sich ausweinen können. Er und Georgia hatten mit der Kinderärztin zusammengearbeitet. Sie hatte ihm zugehört und war mit ihm in die Kneipe gegangen, hatte ihn nach Hause gefahren, als er sich nach Georgias Worten fürchterlich betrunken hatte: Es tut mir so leid, Eli. Ich will nur einfach nicht heiraten. Nicht dich. Auch nicht jemand anderen. Niemanden. Es liegt nicht an dir. Nur an mir.

Und obwohl sie nicht offiziell mit ihm Schluss machte, war die Botschaft eindeutig. Ebenso wie ihre plötzliche Entscheidung, eine Auszeit zu nehmen.

Und Lainey … Nun, sie schien all das zu sein, was Georgia nicht war. Sie sprach offen über ihre Vergangenheit. Und schien die gleichen Interessen und Zukunftsträume wie er zu haben. Acht Monate später beschleunigte sich alles, nachdem sie miteinander geschlafen hatten. In Windeseile beschlossen sie, zu heiraten. Und auch dies hatte er vermasselt. Vielleicht hatte Georgia recht damit, dass die Ehe absoluter Schwachsinn war.

Er fuhr mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss und ging an ein paar Büros vorbei. Eine Bewegung hinter einem der Glasfenster ließ ihn abrupt stehenbleiben. Und er fragte sich, ob seine vorherigen Gedanken plötzlich eine Erscheinung hervorgerufen hatten. Eine Erscheinung, die er nicht sehen wollte.

Und es war eindeutig nicht Lainey.

Er presste die Lippen zusammen, als ihm klar wurde, dass es keine Erscheinung war. Diese Person war sehr real – ein Schatten aus der Vergangenheit. In Fleisch und Blut.

Was zum Teufel macht sie hier?

Er schaute auf das Schild an der Tür.

Personalabteilung.

Unmöglich. So unfair konnte das Schicksal nicht sein. Oder doch?

Sie öffnete die Tür, schaute aber noch nach drinnen. „Danke. Meine Schlüssel hole ich morgen ab, okay?“

„Schlüssel?“, fragte er ungewollt laut.

Sie fuhr herum, sah ihn und klammerte sich an die Tür. Ihre Fingerknöchel wurden weiß.

„Eli …“, flüsterte sie kaum hörbar.

„Ja, ich bin es, Georgia. Sicherlich hast du mich noch nicht vergessen, oder?“

Sie ließ die Tür los, die langsam wieder ins Schloss fiel. Aber er konnte sehen, dass Adrienne, die Personalleiterin, sie beide bestürzt anstarrte.

Georgia biss sich auf die Lippen, eine nur zu vertraute Geste. Er hatte sie an ihrem letzten Tag als Paar gesehen. Als er ihr den Heiratsantrag machte.

„Wieso bist du hier?“

Es klang ziemlich unfreundlich. Adrienne blickte noch immer herüber. So deutete er auf den Flur ihnen gegenüber mit den Lager- und Putzmittelräumen. Georgia folgte ihm. Kaum waren sie außer Sicht, blieb er stehen.

Sie blickte ihn an, das Kinn trotzig erhoben. „Ich … ich übernehme Becky Hawthornes Stelle. Sie … ist gegangen.“

War ihr überhaupt bewusst, wie sich das anhörte?

„Das scheint typisch für die Ärzte in der Notaufnahme des Anchorage Memorial zu sein.“ Seine Augen bohrten sich förmlich in ihre. „Wegzugehen, meine ich.“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß, was du sagen willst, und es ist nicht sehr nett. Ganz sicher hatte Becky ihre Gründe.“

„Ich bin kein sehr netter Mann. Nicht mehr. Und sicher hatte sie ihre Gründe. Aber das beantwortet meine Frage noch nicht. Wieso bist du hier?“ Er betonte diesmal das erste Wort.

„Weil mir das Krankenhaus gefehlt hat. Und meine Freunde hier in Anchorage.“

Ihr hatten also die Klinik und ihre Freunde gefehlt. Er nicht. Das war deutlich genug. Aber natürlich hatte er nicht damit gerechnet, dass sie ihm ihre ewige Liebe gestehen würde.

„Dann bist du also wieder zurück in der Notaufnahme?“

Sie trat einen Schritt auf ihn zu. „Ist das so schlimm? Wir sind jeder unseren eigenen Weg gegangen, Eli. Da werden wir doch es doch wohl schaffen, im selben Krankenhaus zu arbeiten, wenn auch nicht in derselben Abteilung.“

Stimmt, aber darüber freuen musste er sich nicht. „Du hättest dich nicht beworben, wenn wir in derselben Abteilung arbeiten würden?“

Georgia blickte ihn lange an. „Wahrscheinlich nicht.“

„Ich bin sicher, dass wir uns nicht über den Weg laufen, wenn wir uns genug darum bemühen.“

„Nochmals, Eli, es tut mir leid. Ich dachte, du wärst verheiratet. Sonst hätte ich niemals …“

Ein Pfleger, den er aus der Notaufnahme kannte, kam um die Ecke und blieb vor ihnen stehen. „Adrienne hat gesagt, dass du hier langgegangen …“ Er warf einen Blick auf Eli, bevor er wieder Georgia anblickte. „Verzeihung, störe ich gerade?“

Nun erinnerte Eli sich an den Mann. Ein alter Freund aus Georgias Kindheit. William.

„Alles gut.“ Georgia hob den Kopf. „Gibt es ein Problem?“

„Ich bin mir nicht sicher. Kannst du mitkommen und mit der Patientin reden? Dr. Mueller hat mit ihr gesprochen, aber da ist etwas …“

„Sicher.“ Die Erleichterung in ihrer Stimme hätte zum Lachen komisch sein können, wäre es nicht alles andere als witzig, dass sie plötzlich hier im Krankenhaus auftauchte. „Wir sehen uns später, Eli.“

Bevor er sagen konnte, er hoffe es nicht, wandten sich die beiden ab und eilten davon. Eli hörte noch, wie William etwas über die Patientin sagte, dann waren sie um die nächste Ecke verschwunden.

Eli fluchte leise vor sich hin, riss sich zusammen und machte sich auf den Weg zu seinem Treffen mit Steve.

Georgia war wieder da. Und er wusste nicht, was er davon halten und noch weniger, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte. Aber das sollte er so schnell wie möglich herausfinden. Bevor sie sich wieder begegneten. Denn das würden sie, trotz seiner vorherigen Worte. Und dann wollte er vorbereitet sein.

„Wie ich schon sagte, sie klagte darüber, dass ihr Herz ohne Vorwarnung anfing zu rasen, und Dr. Mueller nahm das einfach nicht ernst. Er bot an, ihr ein Medikament gegen Angstzustände zu verschreiben. Ohne weitere Untersuchungen außer einem Standard-EKG durchzuführen.“

„Wie kommst du darauf, dass da mehr sein könnte?“

William zuckte die Schultern. „Vielleicht, weil sie überhaupt nicht beruhigt wirkte. Als hätte sie nichts anderes von ihm erwartet oder so etwas schon einmal gehört. Oder auch, weil ich nicht zum ersten Mal erlebt habe, dass Dr. Mueller Befürchtungen der Patienten einfach abgetan hat. Und einmal … nun, es ging nicht gut aus für den Patienten.“

„Okay. In welchem Zimmer liegt sie?“

„Drei. Ich hoffe, sie ist noch da.“

Als sie jedoch die Tür öffneten, war da nur eine Krankenschwester, die die Untersuchungsliege abwischte.

„Wo ist Molly Breckin?“

„Wer?“

„Die Patientin, die eben noch in diesem Raum gewesen ist.“

„Sie ist gerade gegangen. Noch bevor Dr. Mueller mit den Unterlagen zurück war.“

„Verdammt.“

Die Schwester blickte ihn nun schärfer an, und ihre Miene hellte sich auf. „Du kannst sie vielleicht noch erwischen, bevor sie auf dem Parkplatz ist. Und ich bin übrigens deiner Meinung.“

William fragte nicht nach, was sie damit meinte. Sie eilten zum nächsten Ausgang, und William rief: „Da ist sie!“

Georgia sah eine schlanke junge Frau mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern den Bürgersteig entlanggehen. Sie wirkte niedergeschlagen. Georgia und William rannten nach draußen.

„Miss Breckin, warten Sie bitte einen Moment!“

Die Frau zuckte zusammen und drehte sich dann um. „Ich habe schon Medikamente gegen Angst genommen, aber die haben nicht geholfen. Außerdem passiert es auch, wenn ich nicht unter Stress stehe. Wenn ich ruhig im Sessel sitze oder lese. Manchmal werde ich von diesem Herzrasen aus dem tiefsten Schlaf gerissen.“

Georgia streckte ihre Hand aus. „Wollen Sie nicht wieder reinkommen, und wir reden noch mal darüber?“

„Wer sind Sie?“

„Ich bin Dr. Sumter, Notfallärztin.“

Molly seufzte. „Es hat doch keinen Zweck. Der andere Arzt hat schon ein EKG gemacht, genau wie die anderen, bei denen ich vorher war. Und sie haben nichts gesehen, weil nichts passiert ist, als ich ans EKG angeschlossen war.“

„Aber …“

Die junge Frau schüttelte heftig den Kopf. „Nein. Ich habe genug von Ärzten. Bis jetzt hat es mich noch nicht umgebracht. Warum sollte es also gefährlich sein?“

Georgia spürte einen Druck auf der Brust. Es konnte wirklich gefährlich für die Patientin sein, je nachdem, was die Herzrhythmusstörungen auslöste. Sie kannte eine scheinbar gesunde Jugendliche, die an einem unbemerkten Herzproblem gestorben war. Die meisten Menschen erkannten es nicht früh genug.

„Wollen Sie es sich nicht noch einmal überlegen? Es könnte sein, dass …“

„Nein.“

Georgia sah die Frau lange an. Dann zog sie einen Zettel aus der Handtasche und schrieb ihren Namen und ihre Handynummer darauf.

„Wenn Sie es sich anders überlegen, rufen Sie mich bitte an. Egal wann. Wenn ich gerade einen Patienten habe, rufe ich zurück, sobald ich kann.“

Molly sah sie erstaunt an und zögerte einen Moment, bevor sie den Zettel schließlich nahm. „Okay.“ Dann lächelte sie schwach. „Sie sind der erste Arzt, der mir zu glauben scheint. Danke.“

Und bevor Georgia oder William noch etwas sagen konnten, ging sie eilig davon.

Georgia drückte kurz Williams Hand. „Du hast getan, was du konntest.“

„Aber warum habe ich das Gefühl, dass es nicht reichte?“

Darauf wusste Georgia keine Antwort. Oft genug war es ihr ebenso ergangen. Es gab Patienten, bei denen sie das Gefühl hatte, versagt zu haben. Als hätte sie mehr geben, mehr tun müssen. Doch im Nachhinein konnte sie nicht sagen, was.

So wie es mit Eli geendet hatte. Es war alles andere als befriedigend gewesen. Aber sie wusste nicht, was sie hätte anders machen sollen. Denn letztendlich gab es nur die Entscheidung, Eli zu verlassen. Nicht nur ihretwegen, sondern auch, um Eli vor Schmerz und Kummer zu bewahren.

2. KAPITEL

Am nächsten Abend war Eli gerade mit Patientenunterlagen beschäftigt, da klopfte es an der Tür. Ohne aufzublicken, rief er: „Herein!“

Als er aufblickte, sah er jemanden, den er nicht erwartet hatte. Zumindest nicht so schnell. Und bestimmt nicht, dass sie zu ihm kam. „Ich dachte, wir waren uns einig, dass wir uns aus dem Weg zu gehen.“

„Ich weiß, und es tut mir auch leid, aber …“ Sie blieb in der halb geöffneten Tür stehen. „Hast du vielleicht einen Moment Zeit?“

Er legte den Kugelschreiber nieder und seufzte. „Du kannst auch hereinkommen.“

Es war keine sehr herzliche Einladung, aber er konnte nicht anders. Noch immer stand er unter dem Schock, sie hier wiederzusehen.

Georgia betrat das Zimmer, schloss die Tür und ließ sich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch sinken. „Ich habe eine Frage.“

„Okay?“

„Es geht um eine Patientin.“

Erleichterung überflutete ihn. Immerhin wollte sie nicht über private Dinge reden. Aber wieso überraschte es ihn? Hatte er wirklich erwartet, sie würde herkommen und darum bitten, dass sie dort weitermachten, wo sie aufgehört hatten? Oder ihm zu erklären versuchen, weswegen sie vor drei Jahren Schluss gemacht und die Stadt verlassen hatte?

In seinem Traum in der letzten Nacht war genau das passiert. Wie ein Idiot hatte er sie umarmt und geküsst – und noch viel mehr war geschehen. Er war schweißgebadet aufgewacht. Schon bei der Erinnerung daran verspannte er sich wieder.

Rasch vertrieb er die Gedanken und blickte sie an. „Um welche Patientin geht es?“ Da kam ihm ein Gedanke. „Um die von gestern, als William dich holen wollte?“

Sie nickte. „Sie ist eigentlich nicht meine Patientin, sondern Dr. Muellers.“

Eli stöhnte hörbar. „Dr. Mueller ist ziemlich empfindlich, was seine Patienten betrifft. Er mag keine Einmischungen. Ich bin deswegen schon ein paar Mal mit ihm aneinandergeraten. War nicht besonders angenehm.“

„Aber wenn es um das Leben einer Patientin geht, würdest du es wieder tun?“

„Georgia, dass er hier arbeitet, haben wir allein dir zu verdanken.“

Sichtlich verblüfft blickte sie ihn an. „Bitte?“

„Ich will damit sagen, er hat deine Stelle übernommen.“

„Darauf hatte ich keinen Einfluss.“

Nein. Hatte sie nicht. Aber es war ihre Entscheidung gewesen, das Krankenhaus zu verlassen. Und ihn. Doch es hatte wenig Sinn, die Vergangenheit heraufzubeschwören. „Das ist mir klar. Um welches Problem geht es? Ich kann nicht garantieren, dass ich helfen kann, außer, Mueller bittet mich darum.“

„Also …“ Sie mied nun seinen Blick. „Genau gesagt, befindet sie sich nicht mehr hier in der Klinik.“

War sie gestorben? „Das heißt?“

„Sie ist gegen ärztlichen Rat gegangen.“

Gegen ärztlichen Rat gegangen.

Kein Arzt auf der Welt mochte so etwas. „Ich vermute, sie war eine Herzpatientin?“

„Nein. Zumindest nicht offiziell. Weil er ihr nicht geglaubt hat.“

„Wer?“

Sie sah ihn an, als wäre er schwer von Begriff. „Mueller.“

Eli hatte Gerüchte über Mueller gehört – dass er dazu neigte, die komplizierteren Fälle zu meiden.

„Vielleicht erklärst du mir etwas genauer, was dir Sorgen bereitet.“

Dass William sie hatte holen wollen, bedeutete, dass der Pfleger sich auch Sorgen machte. Ausreichend, um den behandelnden Arzt zu umgehen, was am Anchorage Memorial sehr ungewöhnlich war. Und dass Williams Bedenken gerechtfertigt waren, zeigte, dass Georgia mit ihm übereinstimmte.

„Ich habe sie nicht untersucht, aber ihre Krankenakte gelesen.“ Sie berichtete von einer jungen Patientin, die über ständig wiederkehrendes Herzrasen klagte. Das allein war kein Grund, gleich das Schlimmste anzunehmen. Besonders da sie noch jung war. Bis er erfuhr, dass sie bei mehreren Ärzten gewesen war, die alle Angstzustände bei ihr diagnostiziert hatten.

Das machte ihn hellhörig, zumal keins der verschriebenen Medikamente geholfen hatte.

„Welche Untersuchungen wurden gemacht?“

„In anderen Krankenhäusern? Keine Ahnung. Aber bei uns hat sie ein 15-Sekunden-EKG bekommen, das unauffällig war.“

Ihre Miene verriet deutlich, wie sie darüber dachte. Aber sie war nie gut darin gewesen, ihre Gefühle zu verbergen. Ob sie nun traurig oder kurz vor dem Höhepunkt war. Und wenn sie kam …

Ärgerlich drängte er die Gedanken zurück und konzentrierte sich auf das, was sie gerade gesagt hatte.

Das EKG hatte sicher seine Berechtigung. Aber bei idiopathischen Herzrhythmusstörungen war es so gut wie nutzlos, denn wenn das Herz zu diesem Zeitpunkt nicht aus dem Rhythmus war, konnte man es einfach ignorieren. So wie es Mueller bei seiner Patientin getan hatte. Eli hätte sicher nicht bei einem „unauffälligen“ Befund aufgehört.

„Hat sie Mueller erzählt, dass sie bereits bei anderen Ärzten gewesen ist?“

Georgia rümpfte die Nase. Wie immer, wenn sie frustriert war. Oder verlegen. „Ich bin mir nicht sicher. William und mir hat sie es jedenfalls gesagt.“

„Aber wenn sie sich selbst entlassen hat, wie konnte sie es dir dann persönlich sagen?“

„William und ich sind ihr zum Parkplatz nachgerannt.“

„Nachgerannt …“ Eli stellte sich vor, wie sie einer Patientin nachliefen und sie dann nach ihren Symptomen ausfragten, und musste lachen.

„Was ist daran so komisch?“

„Nicht die Krankengeschichte. Aber dass ihr hinterherlauft und … und was? Versucht habt, sie zu überreden, wieder mit hineinzukommen? Hast du eigentlich schon offiziell angefangen?“

„Also … Ja zur ersten Frage, und nein, was die zweite betriff. Ich fange erst morgen an.“

„Dir ist klar, dass sie umgehend wieder bei Mueller gelandet wäre?“

„Nicht, wenn ich dich erreicht hätte, ehe Mueller davon erfährt.“

Sie hätte ihn echt gebeten, Mueller zu umgehen? Das hätte in vielerlei Hinsicht schlecht ausgehen können. Für Georgia und ihn selbst. Für ihre Patienten war sie eine unerschütterliche Fürsprecherin. Eigentlich hätte es ihn also nicht überraschen sollen, dass sie riskierte, den Zorn eines Kollegen auf sich zu ziehen, obwohl es nicht einmal ihre Patientin war. Das war eins der Dinge, die er immer an ihr geliebt hatte.

Geliebt. Vergangenheit.

Als würde ihr jetzt erst bewusst, welche Folgen ihr Handeln hätte haben können, schüttelte sie langsam den Kopf. „Tut mir leid. Ich hätte weder herkommen noch etwas sagen sollen.“

Doch, hätte sie. Denn wenn es ihr gelungen wäre, die Patientin wieder ins Haus zu holen und sie in den vierten Stock zu bringen, hätte er sie sicher genauer unter die Lupe genommen. Mit Mueller hatte er sich schon einmal wegen eines Patienten angelegt. Sein Kollege hatte schließlich einen Rückzieher gemacht, als sich herausstellte, dass Eli richtiglag: Der Patient brauchte einen Herzkatheter.

Aber wenn die Patientin nicht einmal an einen Herzspezialisten verwiesen worden war? Eli war ziemlich sicher, dass Mueller eine Beschwerde gegen Georgia und gegen ihn selbst eingereicht hätte. Er bezweifelte zwar, dass das Krankenhaus etwas gegen ihn unternehmen würde. Aber es könnte Georgias Stellenangebot zurückziehen, wenn sie so kurz nach ihrer Wiedereinstellung Ärger machte.

„Doch, aber du musst vorsichtig sein, was Mueller betrifft. Mit ihm ist nicht gut Kirschen essen. Er hat sich schon öfter an offizieller Stelle über Kolleginnen und Kollegen beschwert.“

„Mich interessiert nicht, wer er ist, oder wie viele Beschwerden er eingereicht hat. Wenn ich noch einmal so etwas höre wie gestern, beschwere ich mich über ihn!“

Diesmal lachte Eli nicht, aber er lächelte. „Warte lieber mit solchen Aktionen, bis du angefangen hast. Du könntest einen Tritt in den Hintern bekommen und rausfliegen.“

Georgia lächelte ebenfalls. Und es war, als wären die letzten Worte, die sie ihm bei der Trennung entgegengeschleudert hatte, nicht so tief gegangen wie gedacht.

„Mein Hintern kann allerhand ab. Und normalerweise bleibe ich nicht unten liegen.“

„Oh, das kann ich bestätigen …“

Ihr Lächeln verblasste, und sie saßen da und starrten sich an. Und mit jeder Sekunde wurde es unbehaglicher. Zumindest, was ihn betraf. Und wahrscheinlich hätte er das nicht sagen sollen. Denn seine Worte waren ziemlich doppeldeutig gewesen. Hatte er das wirklich gewollt?

Wahrscheinlich.

„Du hast offensichtlich auch nicht lange am Boden gelegen.“ Dann schüttelte sie den Kopf. „Tut mir leid, das war daneben. Ich lasse dich besser mit deiner Arbeit weitermachen. Aber ich hätte mich einfach unwohl gefühlt, wenn ich nicht wenigstens versucht hätte, deine Meinung dazu zu hören.“

Ihre kryptische Bemerkung traf den Nagel auf den Kopf. Schließlich hatte er sich, von ihrer Warte aus betrachtet, ziemlich bald nach ihrer Trennung mit einer anderen getröstet. Aber genau wie die Patientin konnte er nichts tun. Und was seine Meinung zu dieser Patientin betraf, so wurde ihm klar, dass er Georgia gegenüber keine abgegeben hatte. Weil er es nicht konnte. Plötzliches Herzrasen konnte viele Ursachen haben. Manche waren harmlos, andere tödlich.

„Weißt du was? Wenn die Patientin wieder hier auftaucht, gib mir Bescheid, dann komme ich runter.“

„Ich habe ihr meine Handynummer gegeben. Wenn sie anruft, wärst du dann bereit, mit ihr zu sprechen? Du hast ja neben deinem Job im Krankenhaus noch eine Privatpraxis. Dort könntest du sie doch untersuchen, ohne Probleme mit Mueller zu bekommen, oder?“

„Normalerweise bräuchte ich eine Überweisung. Aber ich würde mit ihr reden und ihr anbieten, dass ich ihre Symptome genauestens untersuche. Wäre das eine Hilfe?“

„Auf jeden Fall.“ Sie gab ihm einen Zettel mit dem Namen. „Sie heißt Molly Breckin. Danke, Eli. Das meine ich ernst.“

Damit stand sie auf und ging hinaus, so wie sie hereingekommen war: ruhig und mit sanft schwingenden Hüften. Aber es nagte an seiner Gelassenheit, genauso wie beim ersten Wiedersehen. Er saß da, starrte auf den Zettel und fragte sich, wie es weitergehen sollte.

Nicht wegen der Patientin, sondern wegen Georgia. Sie legte es nicht darauf an, das war klar, aber sie ließ ihn nicht kalt. Was sollte er tun?

Antworten waren keine in Sicht. Seufzend zog er die linke Schreibtischschublade auf und legte den Zettel hinein.

Wieso bin ich so erleichtert, dass Eli mich ernst genommen hat? fragte sich Georgia. Hatte sie erwartet, dass er sie mit ein paar unfreundlichen Worten abspeiste und ihr die Tür zeigte? Vielleicht. Und vielleicht verdiente sie es auch. Oder? Schließlich war sie vor drei Jahren ihrem Herzen gefolgt. Das konnte ihr doch niemand übelnehmen, oder? Und hätte sie schon beim ersten Date gewusst, dass Eli unbedingt heiraten wollte, hätte sie gleich einen Schlussstrich gezogen.

Viele Männer – und auch Frauen – banden sich auf unbestimmte Zeit an jemanden, ohne darauf zu hoffen, dass sich die Beziehung vertiefte.

Anscheinend hatte sie in La-la-Land gelebt. Doch damit war Schluss. Es bestand kein Zweifel daran, dass er sich mit weniger als der Ehe nicht zufriedengeben würde. Und zwar spätestens, nachdem er nur ein Jahr nach seiner Trennung von Georgia eine andere geheiratet hatte. Wie naiv von ihr, zu glauben, dass ihm ein warmes Bett und liebevolle Worte genügten.

Obwohl sie sich genau das erhofft hatte. Oh ja, sie liebte ihn, von ganzem Herzen. Sie hatte es sogar einige Male gesagt. Aber einen Ring am Finger hatte sie weder gewollt noch gebraucht. Und als er es mehr oder weniger einforderte, hatte sie die Reißleine gezogen. Sowohl körperlich als auch emotional.

Wie auch immer, es war an der Zeit, nach Hause zu gehen, sich ein schönes langes Bad und ein Glas Wein zu gönnen und Molly Breckin und Eli Jacobsen zu vergessen. Sie war sich nicht sicher, ob es ihr gelingen würde, aber versuchen sollte sie es, um den Mut zu haben, morgen zur Arbeit zu gehen. Und am Tag danach auch. Sonst könnte sie gleich ihre Siebensachen packen und nach Kodiak zurückfahren.

Kaum erreichte sie am Morgen die Notaufnahme, wurde sie gleich richtig gefordert. In der Auffahrt standen mehrere Krankenwagen.

„Was ist passiert?“, erkundigte sie sich bei William.

„Ein Wasserflugzeug mit einer Gruppe Camper an Bord musste wegen Motorversagens notlanden. Es wurde eine ziemlich harte Landung. Wir warten noch auf drei Passagiere, vier wurden bereits aus dem Wasser gefischt und per Hubschrauber hergeflogen.“

„Ernste Verletzungen?“

„Ja, ein paar. Ein Patient mit Milzriss ist bereits im OP. Andere haben Knochenbrüche. Und eine Schwangere klagt über Schmerzen im Unterleib. Wir warten noch auf sie.“

„Okay, sagt mir, wo ich gebraucht werde.“

Ihre Frage wurde beantwortet, als Sanitäter im selben Moment eine Frau hereinschoben, die mit beiden Hände schützend ihren Bauch umfasste, wie es nur Schwangere tun.

„Ich bringe sie in einen Untersuchungsraum“, erklärte Georgia. „Ist die Entbindungsstation schon informiert?“

„Ja, aber im Augenblick haben sie dort mit zwei Notgeburten alle Hände voll zu tun. Es wäre gut, wenn wir die Frau stabilisieren könnten, bis man jemand von oben schickt. Wenn es nicht gut aussieht, schaffen wir sie mit der Trage dorthin.“

„Verstanden. Danke.“

Sie schaute auf das riesige Whiteboard. „Okay, Raum 6 ist frei.“

Georgia eilte zu der Schwangeren. „Ich bin Dr. Sumter“, stellte sie sich vor und lächelte beruhigend. „Wir bringen Sie jetzt in einen Raum, wo ich Sie untersuchen kann. Irgendwelche Atembeschwerden?“

Die Frau war Anfang zwanzig. „Nein, mein Bauch tut weh, und mein Baby …“ Sie schloss die Augen. „Ich spüre nicht, dass es sich bewegt. Ich habe schreckliche Angst.“

„Das kann ich verstehen. Ich weiß, Sie sind von der Landung im Wasser noch nass, aber fühlen Sie warme Flüssigkeit zwischen den Beinen?“

„Nein.“

Das bedeutete hoffentlich, dass keine Blutung vorlag und der Uterus nicht geschädigt war. Die Armbänder bei der Aufnahme waren oft farblich gekennzeichnet, um zu bestimmen, in welcher Reihenfolge die Patienten behandelt werden mussten. Bei schwangeren Frauen waren die Skalen, nach denen Einschätzungen vorgenommen wurden, nicht immer zuverlässig. Georgia brachte die junge Frau deshalb direkt in ein Untersuchungszimmer.

Einer der Sanitäter reichte ihr ein Krankenblatt. Die Patientin hieß mit Vornamen Lydia.

„Lydia, haben Sie einen Stoß in den Unterleib bekommen?“

„Ich … ich glaube nicht. Es ging alles so schnell. Als wir auf dem Wasser aufprallten, waren wir alle angeschnallt.“

„Saß der Gurt tief? Hier etwa?“ Georgia deutete auf das untere Ende des Bauchs.

„Ja.“

„Das ist gut. Ich helfe Ihnen jetzt aus der Kleidung und in ein trockenes Hemd. Dann überzeugen wir uns davon, dass das Herz Ihres Babys noch immer kräftig schlägt. Wie weit sind Sie?“

Die Patientin zitterte, wahrscheinlich wegen des kalten Wassers und der absichtlich kühl gehaltenen Notaufnahme. Die meisten Leute beklagten sich über die Kälte. „Im vierten Monat.“

„Camping im Katmai-Nationalpark ist ziemlich herausfordernd, oder?“

„Ja, aber meine Ärztin meinte, es sei noch früh genug dafür …“

Georgia legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm. „Das sollte keine Kritik sein. Ich selbst habe schon öfters überlegt, dorthin zur Bärenbeobachtung zu fahren, es aber nie geschafft.“

„Heute war es für uns das dritte Mal.“

„Sie waren nicht allein dort?“

„Nein, mit meinem Mann. Beim ersten Mal konnten sie ihn nicht mitnehmen, denn er war nicht schwer verletzt. Sobald man einen weiteren Hubschrauber organisiert hat, holt man ihn ab.“

Lauren Adams, eine der Krankenschwestern, die auch schon vor drei Jahren hier gearbeitet hatte, kam herein und half Georgia beim Entkleiden der Patientin. „Wie schön, dass du wieder hier bist“, sagte sie zu Georgia.

„Und ich freue mich, zurück zu sein.“

An Lydias Unterwäsche waren keine Blutspuren zu sehen. Ein gutes Zeichen. „Wann kommt jemand aus der Geburtshilfe?“

„Sie sind immer noch alle im OP beschäftigt.“

„Okay, dann machen wir jetzt einen Ultraschall. Und kannst du dann bitte am Tresen fragen, ob ihr Mann schon angekommen ist …?“ Sie blickte Lydia an. „Wie heißt er?“

„Mark. Mark Jones.“

Georgia wandte sich wieder an Laura. „Es wäre für alle hilfreich, wenn wir Mark gleich nach seiner Ankunft herholen könnten.“

„Okay.“ Lydia verschwand nach draußen.

Einige Minuten später rollte sie das Ultraschallgerät herein. Georgia gab etwas Ultraschallgel aufs Pad. „Es wird sich gleich ein wenig kalt anfühlen …“, warnte sie die Patientin vor. „Dürfen wir anfangen?“

Lydia nickte.

Georgia verteilte das Gel auf dem Bereich, den sie scannen wollte. Dann drückte sie den Schallkopf auf Lydias Bauch und schaute auf den Bildschirm. Inständig hoffte sie, einen gesunden Herzschlag zu hören und den für dieses Schwangerschaftsstadium typischen Entwicklungsstand zu sehen.

Im Zimmer herrschte absolute Stille. Erst als sie den Unterbauch schallte, zuckte Lydia zusammen.

„Was ist?“

„Ich weiß es nicht. Da tut es weh.“

Es war genau die Stelle, an der sich der Sicherheitsgurt befunden hatte.

„Okay. Ich werde ganz vorsichtig sein. Sagen Sie es mir, wenn es wehtut.“ Georgia hoffte, dass die Schmerzen nur vom Gurt herrührten.

Als sie immer noch keinen Herzschlag fand, wurde sie unruhig. „Ich sehe mir jetzt die andere Seite an.“

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Lydia, nun hörbar ängstlich.

„Ich glaube, das Baby hat die Lage gewechselt“, versuchte sie Lydia zu beruhigen.

Sie strich mehr Gel auf die Haut und suchte den anderen Bereich ab. Immer noch nichts.

Gerade als sie sich einer dritten Stelle zuwenden wollte, hörte sie etwas.

Lub-dub, lub-dub, lub-dub.

„Gott sei Dank.“ Lydias geflüsterte Worte waren im ganzen Raum zu hören. Stumm pflichtete Georgia ihr bei. Und als sie zu Lauren hinüberblickte, wischte sich diese gerade über die Augen. Auch sie selbst war ein wenig gerührt. Wie wäre es, wenn sie hier liegen würde und hoffte, dass es ihrem Baby gut ging?

Aber das war ziemlich unwahrscheinlich, denn sie würde wohl nie Mutter werden. Weil sie keine Beziehung für immer haben wollte. Nicht mit einem Mann, mit niemand.

Auch nie ein eigenes Kind?

Sie wusste es nicht. Richtig darüber nachgedacht hatte sie noch nicht. Bis jetzt. Aber sie glaubte nicht, dass sie dazu beschaffen war, ein Kind großzuziehen. Sie hatte erlebt, wie hart es für ihre eigene Mutter gewesen war, nachdem ihr Vater sie verlassen hatte. Trotzdem musste Georgia sich eingestehen, dass ihre Mutter zu sich selbst gefunden hatte. Sie war fröhlicher geworden, selbstbewusster.

Sie hatte sogar eine Selbsthilfegruppe für Frauen geleitet, die in toxischen Beziehungen gefangen waren. Einmal hatte Georgia sie zu einem Treffen begleitet. Was sie dort hörte, hatte sie nur darin bestärkt, dass eine Ehe nichts für sie war.

„Das Herz Ihres Babys schlägt stark und regelmäßig. Ich möchte mir nur noch einige andere Dinge ansehen, wenn Sie nichts dagegen haben.“

„Oh, bitte. Ich möchte ganz sicher sein, dass alles okay ist.“

Nun, da sie wussten, dass das Kind lebte, nahm sich Georgia die Zeit, einige Dinge auf dem Monitor zu erklären. Noch während sie das tat, drehte das Kind den Kopf, als würde es sie anschauen. Dann führte es eine Hand zum Mund.

„Ich glaube, es lutscht am Daumen“, sagte Georgia.

Das Wunder eines Kindes im Mutterleib faszinierte sie jedes Mal aufs Neue. So sehr, dass sie fast Geburtshelferin geworden wäre. Doch dann hatte sie sich doch dagegen entschieden. Vielleicht wegen ihrer Kindheitstraumata. Und sie war immer noch überzeugt, mit der Ausbildung zur Notfallmedizinerin die richtige Wahl getroffen zu haben. Sie liebte die vielfältigen Fälle und das hohe Tempo in der Notaufnahme. Und besonders die beglückenden Momente wie dieser, die den ganzen Tag überstrahlten.

„Ja, so sieht es aus“, gab Lydia ihr recht.

Die Tür ging auf, und ein Mann stürzte herein. „Lydia, Schatz, ist alles in Ordnung?“

Die Schwangere brach in Tränen aus, und der Mann sah Georgia mit Panik in den Augen an.

„Dem Kind geht es gut, soweit ich sehen kann“, versicherte sie ihm schnell.

Er zog sich einen Stuhl heran, setzte sich neben seine Frau und schmiegte seine Wange an ihre.

„Alles ist gut, mein Schatz. Jetzt bin ich bei dir.“

„Sie müssen Mark sein.“

Als er aufblickte und ihr zunickte, lächelte Georgia. „Geht es Ihnen gut? Sind Sie verletzt?“

„Nein. Nur ein bisschen am Daumen, aber das ist nicht schlimm.“

Er hielt den Daumen hoch. An der Seite war eine hässliche Schnittwunde zu sehen.

„Hm … ich glaube, das muss genäht werden. Und da die Wunde im Wasser war, sollten Sie vorsichtshalber eine Tetanusspritze bekommen.“

„Ich bin mit allem einverstanden – solange es Lydia und dem Baby gut geht.“

„Ich möchte, dass jemand von der Geburtshilfe sie untersucht, wenn sie mit ihren Notfällen dort fertig sind. Das kann eine Weile dauern. Ist das in Ordnung?“

„Kein Problem.“

„Ich nähe Ihre Wunde gleich hier. Und ich glaube, es wird noch jemand vom Empfang kommen, der von Ihnen ein paar Informationen haben möchte. Aber Sie beide hatten großes Glück.“

„Das weiß ich.“

Lydia wischte sich die Augen und gab ihrem Mann einen schnellen Kuss, bevor sie sich wieder Georgia zuwandte.

„Vielen Dank für Ihre Hilfe.“

„Gern geschehen.“ Georgia säuberte den Schallkopf mit einem Alkoholtupfer und gab ihn Lauren, die sich um den Rest kümmerte. „Wir werden Sie jetzt waschen und dann Ihren Mann verarzten. Und sobald der Geburtshelfer sein Okay gegeben hat, können Sie wieder los und weiter Ihren Urlaub genießen.“

Lydia griff nach der Hand ihres Mannes. „Was hältst du davon, wenn wir nach Hause fahren und uns stattdessen eine Doku über Bären ansehen?“

Alle im Raum lachten, und die angespannte Stimmung der letzten halben Stunde löste sich.

„Super Idee“, erwiderte Mark. „Und nochmals danke.“

„Gern. Aber nun wollen wir uns Ihren Daumen vornehmen.“

Eine Dreiviertelstunde später war Marks Verletzung genäht, er hatte eine Tetanusspritze bekommen, und einer der Ärzte aus der Gynäkologie hatte Lydia übernommen.

So konnte Georgia gehen und nachschauen, was als Nächstes anstand. Aber es war jetzt ungewöhnlich ruhig in der Abteilung. Und auch William war nirgendwo zu sehen.

Sie ging zum Empfang. „Gibt es noch Patienten, um die ich mich kümmern muss?“

„Nein. Sie sind entweder schon entlassen oder auf andere Abteilungen zur weiteren Behandlung verteilt worden.“

„Okay.“ Bei einem Blick auf ihre Uhr sah sie überrascht, dass es bereits Nachmittag war. Ihr knurrte der Magen. „Ist es in Ordnung, wenn ich kurz in die Cafeteria gehe und einen Happen esse?“

„Ja, kein Problem im Augenblick.“

„Gut, dann sagt mir Bescheid, wenn ich gebraucht werde. Länger als eine halbe Stunde werde ich nicht weg sein.“

„Lass dir Zeit und genieß das Essen.“

3. KAPITEL

Eli saß in der Cafeteria und genoss seine zweite Tasse Kaffee zum Schinken-Käse-Sandwich. Als er gerade gehen wollte, kam Georgia herein.

Verdammt. Er hätte sich einfach nur einen Kaffee zum Mitnehmen bestellen und gleich wieder verschwinden sollen.

Noch hatte sie ihn nicht gesehen. Sie ging am Tresen entlang und inspizierte die Auslage.

Ihre dunklen Haare lockten sich um Gesicht und Hals und fielen ihr über die Schultern. Es war eine andere Frisur als damals, doch sie stand ihr gut. Was ihn nicht überraschte. Ihr würde alles gut stehen.

Ihre schwarze Hose schmiegte sich um Po und Hüften, und er konnte einen schmalen Streifen nackter Haut sehen, als sie sich vorbeugte, um nach etwas zu greifen. Er schluckte, erinnerte sich nur zu gut, wie sie sich unter seinen Fingern angefühlt hatte.

Steh auf und verschwinde, ehe sie dich entdeckt.

Irgendetwas hielt ihn davon ab. Vielleicht, weil er nicht als Feigling dastehen wollte, der sich heimlich davonschlich.

Aber es fiel ihm schwer, es nicht zu tun. So wie sie vor drei Jahren? Er glaubte zu wissen, wie sie sich damals gefühlt hatte, denn er wusste nicht, ob er es mit ihr im selben Gebäude aushalten würde. Nachdem sie die Scheidung eingereicht hatte, war Lainey noch einige Wochen in der Klinik geblieben. Und obwohl ihr Betrug ihn unglaublich wütend gemacht hatte, lagen die Dinge bei Georgia anders. Sie hatte ihn nicht betrogen. Sie war eben überzeugt gewesen, dass er es nicht wert war, ihr Leben mit ihm zu verbringen.

Lass es gut sein, Eli. Das ist dir doch schon viel zu oft durch den Kopf gegangen.

Sie bezahlte und drehte sich mit ihrem Tablett um, als ein lautes Klirren durch die Cafeteria hallte. Wahrscheinlich hatte jemand einen Teller oder ein Glas fallen lassen.

Georgia stellte hastig ihr Tablett zurück und griff sich hektisch an den Hals, als suche sie etwas. Wie erstarrt stand sie ein paar Sekunden da, auch als jemand an ihr vorbeiging und ihr einen flüchtigen Blick zuwarf.

Eli stand auf und eilte zu ihr. „Hey, alles in Ordnung?“

Als wäre plötzlich ein Bann gebrochen, blinzelte sie ein paar Mal und drehte sich zu ihm um. „Oh, ich …“ Dann schüttelte sie den Kopf. „Ja, alles okay. Ich habe mich nur erschrocken.“

Die Situation erinnerte ihn an eine ähnliche damals in seiner Wohnung, als Georgia sich umgedreht hatte, um ihm etwas zu sagen, und dabei ein Glas um stieß. Es schepperte, Scherben flogen in alle Richtungen.

Auch damals war sie erstarrt, wollte die Scherben nicht anfassen. Er hatte sie aufgesammelt und sie gefragt, warum sie so reagierte. Sie hatte genau das gesagt wie eben. Dass sie sich nur erschrocken hätte.

„Warte, ich nehme dein Tablett.“

Dass sie es ohne Widerspruch zuließ, zeigte ihm, wie durcheinander sie noch war.

Er stellte das Tablett auf dem Tisch ab, zog einen Stuhl für sie heraus und wartete, bis sie sich gesetzt hatte. Dann erst nahm auch er wieder Platz. „Ist wirklich alles okay mit dir?“

„Auf jeden Fall. Hat dich noch nie ein lautes Geräusch erschreckt?“

„Kommt immer darauf an, was es war.“

Sie setzte zu einer Antwort an, ließ es dann aber doch sein. Stattdessen trank sie einen Schluck Tee und atmete tief durch.

„Vielen Dank. Ich weiß nicht, warum ich so heftig reagiert habe. Vielleicht war ich nur etwas angespannt wegen der Patienten in der Notaufnahme vorhin.“

„Meinst du die von der Notlandung? Ich habe gehört, dass wir einige Patienten davon aufgenommen haben.“

„Sogar alle sieben, wenn ich es richtig verstanden habe“, antwortete Georgia. „Ich habe eine schwangere Frau behandelt. Gott sei Dank ging es ihr gut. Aber einige sollen schlimmer verletzt sein.“

„Bei einem musste die Milz entfernt ...

Autor

Karin Baine
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Annie Claydon
<p>Annie Claydon wurde mit einer großen Leidenschaft für das Lesen gesegnet, in ihrer Kindheit verbrachte sie viel Zeit hinter Buchdeckeln. Später machte sie ihren Abschluss in Englischer Literatur und gab sich danach vorerst vollständig ihrer Liebe zu romantischen Geschichten hin. Sie las nicht länger bloß, sondern verbrachte einen langen und...
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