Heiraten Sie mich, Mylord!

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London, 1816. Oh, möge sich unter ihr der Boden öffnen und sie verschlingen! Die bürgerliche Jessica Danby ist zutiefst beschämt. Sie hat Alexander Demeral, dem siebten Duke of Malvern, einen Heiratsantrag gemacht. Es schien ideal: Sie ist reich und braucht einen adligen Ehemann, er ist verarmt und braucht eine vermögende Gattin. Aber Alexander hat Nein gesagt, weil er keine Vernunftehe will! Dennoch sucht er fortan ihre Nähe, bittet sie bereits beim nächsten Ball um einen Tanz. Weil er ihren Mut schätzt – oder spielen in seinem stolzen Herzen doch noch andere Gefühle eine Rolle?


  • Erscheinungstag 14.10.2025
  • Bandnummer 438
  • ISBN / Artikelnummer 9783751531740
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

Louise Allen

Heiraten Sie mich, Mylord!

1. KAPITEL

London, 10. Februar 1816

Einfach anklopfen. Und vergiss nicht zu atmen.

Miss Jessica Danby nickte entschieden, und Alfred, ihr Diener, schritt die restlichen Stufen hinauf und hieb mit dem schweren Türklopfer forsch an die Tür.

Neben ihr ließ Trotter, ihre Zofe, einen Laut wie ein schwaches Wimmern hören. Jessica ignorierte sie. Sie würde ihre Entschlossenheit von nichts erschüttern lassen. Durch das feine Netz ihres Schleiers sah sie, wie die Tür geöffnet wurde und ein schwarz gekleideter Butler erschien.

„Miss Danby möchte Seine Gnaden sehen“, sagte Alfred und überreichte ihre Visitenkarte.

Der Butler zwinkerte, ein einziges Mal. Sein Blick glitt von Alfred in dessen makelloser Livree zu Jessica in ihrem hoch modernen Ausgehkleid und schließlich zu Trotter, einem Muster an Anstand und Achtbarkeit, an ihrer Seite.

„Wenn Sie die Güte haben wollen einzutreten, Madam. Ich werde erkunden, ob Seine Gnaden empfängt.“

Er sprach mit bewundernswerter Ruhe, fand Jessica, denn selbst dem erfahrensten Butler könnte vergeben werden, wenn er auf das unangekündigte Erscheinen einer respektablen unverheirateten Dame auf der Türschwelle eines ledigen Dukes befremdet reagieren würde, noch dazu um elf Uhr morgens.

Sie neigte dankend den Kopf und kam die Stufen herauf.

Vergiss nicht zu atmen. Was kann schon schiefgehen?

Alles.

Alexander Francis Demeral, siebter Duke of Malvern, lümmelte im kunstvoll geschnitzten Sessel hinter seinem Schreibtisch und starrte die Spitzen seiner Stiefel an, die zurzeit auf der Schreibunterlage ruhten.

Sie waren ziemlich abgenutzt, da es alte Stiefel waren, oft ausgebessert und bequem, was ein glücklicher Umstand war, denn der Letzte vom Geschlecht der Pfennigfuchser-Dukes besaß genauso beschränkte Geldmittel wie seine Ahnen.

König Charles II. hatte den damaligen Viscount Demeral zu einem Duke ernannt – als eine Art Entschädigung für seine Affäre mit Lady Demeral. Doch abgelenkt durch die Ereignisse im Jahr 1660 vergaß er, Ländereien an ihn zu vergeben, die die Ehre hätten festigen können. Und dann taten die Pest und der Große Brand von London ein Übriges, um jemanden zu ermutigen, allzu drängende Anforderungen an die Königliche Börse zu stellen.

Der König hatte jedoch ein nachhaltiges Erbe anderer Art hinterlassen, denn einige Monate später brachte Lady Demeral einen Sohn zur Welt, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten war. Selbst jetzt, einhundertfünfzig Jahre später, war die Ähnlichkeit des Dukes mit dem jungen Charles Stuart erstaunlich – die schlanke, hohe Gestalt, das schwarze Haar, die dunklen Augen unter schweren Lidern und die auffallende Nase. Es fehlten nur die Perücke langer schwarzer Locken, der überdrüssige Blick und die lange Reihe vollbusiger Mätressen.

Alex dachte über seine Möglichkeiten nach, die Häuser seiner Pächter auf seinem Gut in Herefordshire zu reparieren. Er schien nur zwischen zwei Dingen wählen zu können: Entweder verkaufte er ein weiteres Stück Land, das nicht dem Fideikommiss unterlag – nicht, dass viel davon übrig wäre –, oder er heiratete eine Erbin. Das Anstarren seiner Stiefel brachte ihm keine Antworten ein.

Es war Februar, die Saison kam jetzt richtig in Schwung. Eine Heirat war die einzige vernünftige Lösung, und jetzt war die bestmögliche Zeit, um eine Braut zu finden.

Das Problem war nur … Das Problem war ganz allein sein Charakter, wie er sich nach kurzem inneren Kampf eingestehen musste. Er war romantisch, schon immer gewesen. Er wollte sich verlieben. Er musste sich verlieben. Es gab da eine Tradition, dass ein Demeral aus Liebe heiraten musste – nach jener ersten königlichen Untreue.

In dieser Hinsicht war er ein wahrer Demeral, da er in einem Haushalt aufgewachsen war, in dem es nie an Liebe oder Zuneigung gefehlt hatte. Allerdings schienen die Demerals immer jungen Damen zu verfallen, die ebenso vornehm und verarmt waren wie sie selbst, und somit einen weiteren Pfennigfuchser-Duke zeugten.

Also musste er selbst seine wahre Liebe finden, die allerdings nicht nur gesund, vornehm und intelligent, sondern auch mit einer großen Mitgift gesegnet sein musste und mit Eltern, die bereit waren, ihre Tochter samt Mitgift gegen den Titel einzutauschen.

Er sollte ein stärkeres Pflichtbewusstsein haben und mit der Tradition brechen. Er sollte sich nicht nach einer Beziehung sehnen, wie sie seine Eltern und Großeltern genossen hatten. Der gesamte ton würde sich kranklachen bei dem Gedanken an einen Duke, der nach einer Liebesheirat schmachtete.

Mit anderen Worten, er sollte der letzte der Pfennigfuchser-Dukes sein und stattdessen der erste der wohlhabenden Dukes – Männer, die vernünftige Verbindungen eingingen, ihren Besitz erweiterten, ihren Pächtern stabile Häuser zur Verfügung stellten, Demeral Castle wieder instand setzten und Kinder in die Welt setzten, die später in die besten Familien des Landes einheirateten. Und doch, etwas in ihm weigerte sich, die Hoffnung aufzugeben, dass er nur über die Menge in einem Saal zu sehen brauchte und sie plötzlich vor sich erblicken würde – die einzige Frau für ihn.

Er hatte in dieser Saison bereits an unzähligen Bällen, Musikabenden, Nachmittagspartys und Maskeraden teilgenommen. Das hätte doch reichen müssen, um die meisten jungen Damen kennenzulernen, die in diesem Jahr debütierten oder ihre zweite oder dritte Saison in Angriff nahmen. Aber keine von ihnen hatte etwas in ihm erweckt, was man Liebe hätte nennen können, oder wenigstens den Wunsch, sie besser kennenzulernen.

Vielleicht machte er sich besser doch daran, die Moorweide in der Nähe des Bristolkanals zu verkaufen. Die Häuser der Pächter waren undicht, er musste einen neuen Brunnen bauen lassen, und etwas musste mit dem östlichen Turm des Schlosses getan werden, bevor er in die große Eingangshalle stürzte.

„Eine Miss Danby wünscht Sie zu sprechen, Euer Gnaden.“

Alex schwang die Beine vom Schreibtisch, setzte sich auf und starrte seinen Butler an, der offensichtlich den Verstand verloren hatte. „Wer? Ich erwarte keine Besucher, geschweige denn weibliche.“

„Ihre Karte, Euer Gnaden.“ Pitwick reichte ihm ein leicht abgenutztes Silbertablett, auf dem eine Visitenkarte mit Goldrand lag.

Miss Danby

Adam Street

„Wer zum Teufel ist Miss Danby?“, verlangte Alex zu wissen. Die Adresse befand sich in einem vornehmen Viertel, eine der Straßen, die von der Strand in der Nähe der Royal Adelphi Terrace ausgingen, einem schönen Bau der Gebrüder Adam. Ihre Nachbarn mussten also wohlhabend und gesellschaftlich anerkannt sein und vielleicht sogar den höchsten Rängen des ton angehören.

„Ich bedaure, sagen zu müssen, Euer Gnaden, dass ich das nicht weiß. Sie wird von einem livrierten Lakaien und ihrer Zofe begleitet und scheint eine äußerst respektable Frau zu sein. Ihr Aufzug ist modisch und von hoher Qualität.“

„Mit anderen Worten, eine Dame, keine …“

Pitwick räusperte sich diskret. „Oh nein, ganz gewiss keine von dieser Sorte. Und auch eine junge Dame, vermute ich, obwohl sie einen Schleier trägt.“

„Dann führen Sie sie am besten in den Salon, Pitwick. Tee, würden Sie sagen?“

„Jawohl, Euer Gnaden. Tee hat so etwas Beruhigendes, Respektables.“

Es sprach vieles für einen Butler mit einem Sinn für Humor, sagte sich Alex, während er aufstand und kurz in den alten, fast blinden Spiegel über dem Kamin blickte.

Er fuhr sich mit einer Hand durch das Haar, das er sehr kurz trug, weniger um der Mode zu entsprechen als vielmehr um jede mögliche Ähnlichkeit mit Charles Stuarts schwarzen Locken zu vermeiden. Es half allerdings nicht sehr. Mit seinen dunklen Farben und der langen Nase sah er wie der junge Prinz aus, der im Begriff stand, seine Perücke aufzusetzen.

Während er die Halle durchquerte, kam er an einem Mann vorbei, der in Habtachtstellung dastand, hochgewachsen und mit einer dunkelblauen Livree angetan. Neben ihm auf einem der harten Stühle in der Halle saß eine Zofe, und auch sie sah aus, als hätte man sie aus einem Katalog idealer Dienstboten gewählt. Sie erhob sich, sobald sie ihn sah, den Blick gesenkt, und knickste, als er an ihr vorbeikam.

Interessant, dass sie ihre Herrin nicht in den Salon begleitet hatte. Vorsichtshalber ließ er die Tür zur Halle weit offen, als er eintrat.

Die Frau, die er erblickte und die gerade ein Porträt seiner Eltern betrachtete, war von mittlerer Größe, und ihr schlanker Körper kam in einem dunkelgrünen Ausgehkleid sehr schön zur Geltung. Beim Klang seiner Schritte drehte sie sich um und knickste. Ihm fielen attraktive Rundungen und jugendliche Anmut auf.

„Euer Gnaden.“

„Miss Danby?“

„Ich danke Ihnen, dass Sie mich empfangen haben, Euer Gnaden.“

Irgendetwas an ihr kam ihm vertraut vor. Sie hatte den Schleier aus dem Gesicht genommen und erwiderte seinen Blick mit ruhigen blauen Augen. Honigblondes Haar, ein ovales Gesicht, Sommersprossen und ein offener, intelligenter Ausdruck ohne einen Hauch von Koketterie. Sie war eine angenehm aussehende junge Dame, wenn auch keine Schönheit.

„Wollen Sie sich nicht setzen, Miss Danby? Tee ist auf dem Weg.“

„Danke.“ Sie ließ sich anmutig auf den nächsten Sessel sinken, und Alex wählte den ihr gegenüber, sodass sich der niedrige Teetisch zwischen ihnen befand.

„Mir ist bewusst, wie unkonventionell mein Besuch ist“, sagte sie, und zum ersten Mal bemerkte er Anzeichen der Unruhe an dem leichten Zittern ihrer Stimme. Ihr Akzent deutete von einer guten Erziehung, und sie würde sehr angenehm klingen, wenn sie nicht so aufgeregt wäre.

„Wenn Sie mir vielleicht sagen wollten, auf welche Weise ich Ihnen behilflich sein kann?“, schlug er vor. Wo blieb Pitwick mit dem verwünschten Tee? Und warum hatte er nicht einfach ausrichten lassen, dass er nicht zu Hause war?

„Wenn Sie mir erlauben, spreche ich mit Ihnen über meine Umstände“, begann sie, hielt aber inne, als Pitwick und James, einer der Lakaien, mit dem Teetablett eintraten.

Der Butler wies auf den niedrigen Tisch. „Hier, James. Möchten Sie einschenken, Miss Danby, oder soll ich?“

„Danke, das kann ich gern übernehmen“, sagte sie mit einem Lächeln und machte sich daran, genau das zu tun. Offensichtlich war sie zur Dame erzogen worden. „Zucker, Euer Gnaden? Zitrone oder Milch?“

Alex war sich flüchtig bewusst, dass seine Diener den Raum wieder verließen, aber die Tür glücklicherweise offen ließen.

„Zitrone, danke.“ Er nahm seine Tasse entgegen und wartete, bis sie einen Schluck aus ihrer eigenen genommen hatte. „Sie wollten mir gerade von Ihren Umständen erzählen, glaube ich.“

„Ja. Wir sind uns bereits begegnet, Euer Gnaden. Zweimal haben Sie mich mit einem Tanz beehrt, aber nein, ich erwarte nicht, dass Sie sich an mich erinnern“, fügte sie hinzu, als er etwas sagen wollte. „In London wimmelt es nur so von jungen Damen, und die meisten sind sehr viel auffälliger als ich. Aber mein Vater ist Broughton Danby, ein Eisenfabrikant. Ein sehr wohlhabender Mann. Sie werden mir vergeben, dass ich eine so vulgäre Tatsache zur Sprache bringe, aber sie ist maßgeblich für meinen Zweck.“

„Natürlich habe ich schon von Mr. Danby gehört.“ Wer nicht? Wie die Namen einer Handvoll von Unternehmern, die eine Welt von Eisen und Kohle, Dampf, Ton- und Tuchwaren beherrschten, war ihm auch der Name Mr. Danbys wohlbekannt.

„Papa ist nicht bei sehr guter Gesundheit und hat sich aus dem täglichen Betrieb des Unternehmens zurückgezogen, das jetzt in den Händen meiner beiden Brüder liegt“, fuhr Miss Danby fort. Sie stellte ihre Tasse und Untertasse mit einem leichten Klirren auf dem Tisch ab. „Papa und ich sind für eine Weile nach London gezogen. Er möchte, dass ich in die Gesellschaft eingeführt werde und an der Saison teilnehme. Um einen Gatten zu finden.“ Sie atmete tief ein. „Verzeihen Sie bitte noch einmal meinen Freimut, aber meine Mitgift ist groß. Papa möchte sichergehen, dass ich einen Ehemann von Rang finde. Seit meine Mutter starb, ist dieses Ziel sein einziger Wunsch.“

Alex fiel keine Antwort darauf ein, und so murmelte er nur höflich, wie leid es ihm täte, von Mr. Danbys schlechter Gesundheit zu hören. Insgeheim begann er, sich entschieden unruhig zu fühlen. Mitgift? Er hätte sie niemals hereinlassen dürfen.

„Natürlich möchte ich Papa jeden Wunsch erfüllen“, fuhr diese bemerkenswerte junge Frau gefasst fort. „Allerdings stelle ich fest, dass ich einerseits von Mitgiftjägern umworben werde, denen ich weder Zuneigung noch Bewunderung entgegenbringen kann, und andererseits wegen meiner bescheidenen Herkunft und Verbindung zum Geschäftsleben verächtlich behandelt werde.“

Miss Danbys Haltung und Akzent waren makellos – zweifellos das Ergebnis einer Erziehung und Schulung, bei der keine Kosten gespart worden waren –, und auch ihre Kleidung wies keinen Hauch von Vulgarität auf, aber das verhinderte natürlich nicht, dass über ihre Herkunft aus der Welt des Handels und den „Gestank der Fabrikschornsteine“ getuschelt und gespottet wurde.

„Das kann ich mir vorstellen“, sagte er. Wohin zum Teufel sollte das alles führen?

„Ich habe das Gefühl, ich bin es mir schuldig, jemanden zu heiraten, dem ich Zuneigung und Respekt entgegenbringen und auch auf von ihm empfangen kann. Also beschloss ich, die Angelegenheit selbst in die Hand zu nehmen.“ Miss Danby setzte sich gerader hin und nickte abrupt, als wolle sie sich ermutigen. „Ich versuchte, den Charakter der Gentlemen einzuschätzen und daraufhin meine eigene Wahl zu treffen. Und so habe ich Sie bemerkt, Euer Gnaden. Mir fiel auf, dass Sie zuvorkommend waren, dass Sie sich die Mühe machten, Mauerblümchen zum Tanz aufzufordern, und sich mit den älteren Damen unterhielten. Kein einziges Mal habe ich gesehen, dass Sie die Diener unhöflich behandelt oder mit sonst jemandem grob oder respektlos gesprochen hätten.“

Sie atmete wieder tief ein, und Alex schluckte unruhig. Sie würde doch wohl nicht …

„Und ich habe gehört, Sie seien kein reicher Mann. Es wird gemunkelt, dass Sie sich diese Saison auf dem Heiratsmarkt nach einer Braut mit reicher Mitgift umsehen. Also dachte ich, ich … ich frage Sie. Für den Fall, dass Ihnen nicht aufgefallen ist, dass ich vielleicht für Sie infrage käme. Als Ehefrau. Weil ich glaube, das würde ich“, schloss sie hastig, schloss die Augen und errötete heftig.

Zum Henker. Ich habe gerade einen Antrag bekommen.

2. KAPITEL

Alex stellte seine Tasse ab. Ihm fiel auf, dass er sich anspannte, als wolle er gleich aufspringen und fliehen.

„Miss Danby.“ Wie zum Teufel sollte er sie abweisen? Noch nie hatte es eine solche Situation gegeben, soweit er wusste, und alles in ihm warnte ihn, dass er sich in einer äußerst prekären Lage befand. Wie würde sie auf eine Zurückweisung ihres ungeheuerlichen Antrags reagieren? Indem sie eine Szene machte und womöglich zeterte, er habe versucht, ihr Gewalt anzutun? Indem sie zu ihrem Vater zurücklief und behauptete, Alex habe sie kompromittiert?

„Miss Danby, Ihre Einschätzung meines Charakters ehrt mich sehr, aber ich muss Ihren ausgesprochen schmeichelhaften Vorschlag ablehnen. Ich habe … meine Suche nach einer angemessenen Duchess kaum begonnen.“ Er nahm einen tiefen Atemzug, um sich zu beruhigen, und kam zu dem Schluss, dass nur absolute Offenheit helfen konnte, selbst wenn sie ihn auslachte, weil er ein solcher Romantiker war.

„Ich weiß nicht, ob es irgendwo eine Dame gibt, für die ich wärmere Gefühle entwickeln könnte als lediglich ein wenig Zuneigung, aber ich gestehe, dass es mein größter Wunsch ist. Und dass ich sie sofort erkennen werde, sobald ich sie finde. Mich auf eine Verlobung mit einer Dame einzulassen, die ich nicht kenne und die, so aufmerksam sie mich auch beobachtet haben mag, mich nicht wirklich kennt … Das hielte ich für unbesonnen. Es kann zukünftig nur zu Unzufriedenheit und Kummer führen.“

Er prüfte seine Rede noch einmal schnell nach. War sie taktvoll gewesen, aber dennoch entschieden? Er musste sanft sein, aber ihr nicht die geringste Hoffnung lassen, er könnte seine Meinung noch ändern. Eigentlich glaubte er, dass es ihm gelungen war, und jetzt musste er sie nur aus dem Haus bekommen. Und zwar schnell.

„Ja“, erwiderte sie einen Moment später und öffnete die Augen. „Ich verstehe. Natürlich. Und ich hatte mit einer negativen Antwort gerechnet.“ Ihre Stimme klang gepresst. „Aber ich dachte, ich sollte es wenigstens versuchen. Für den Fall, dass Sie glauben, wir könnten zusammenpassen.“ Sie erhob sich, und Alex sprang auf. „Ich danke Ihnen für Ihr Taktgefühl.“

„Sie können sich auf meine Diskretion verlassen“, sagte er. War es seine Einbildung oder lief ihm wirklich kalter Schweiß über den Rücken? „Sie sind in Ihrer eigenen Kutsche gekommen?“

„Sie wartet an der Ecke“, antwortete sie und ließ den Schleier wieder über ihr Gesicht fallen, während Alex den Klingelzug betätigte.

„Pitwick. Bitte begleiten Sie Miss … die Dame zur Tür. Einen schönen Tag noch, Ma’am.“

„Ihnen auch einen schönen Tag, Euer Gnaden.“ Sie knickste wieder auf ihre elegante Weise und verließ den Salon.

Alex trat ans Fenster. Zu seiner großen Erleichterung wies Hill Street heute keine vornehmen Spaziergänger auf, die sofort zu einem Skandalblatt laufen und verkünden könnten, dass eine verschleierte Dame zu einer äußerst unangebrachten Stunde das Stadthaus des Duke of Malvern verlassen hatte. Wofür er gebührend seinem Schutzengel dankte – wer immer es auch sein mochte, der über verarmte Dukes wachte.

Alex durchquerte die Halle, als die Vordertür sich hinter Miss Danby und ihren Begleitern schloss, und ließ sich mit dem Gefühl in den Sessel hinter seinem Schreibtisch fallen, den ein Fuchs haben musste, wenn er der Hundemeute entkommen war.

Wenigstens war er nicht im Zweifel gewesen, als er Miss Danby zurückgewiesen hatte. Er war nicht durch die Aussicht auf ihre Mitgift in Versuchung geraten. Das wäre verhängnisvoll gewesen, denn hätte er sich auch nur das geringste Zögern anmerken lassen, hätte sie sich womöglich ermutigt gefühlt, ihn umzustimmen. Und das wäre für sie beide nur unendlich peinlich geworden.

Jetzt allerdings, da er allein war und klarer denken konnte, wurde Alex bewusst, dass er doch in Versuchung und es nur der Schock darüber gewesen war, von einer Dame einen Heiratsantrag zu bekommen, der ihn nicht hatte überlegen lassen. Danby war ein sehr reicher Mann. Das Vermögen eines Eisenfabrikanten würde Alex sichern, was er bereits besaß, ihm erlauben, mehr Land zu erwerben und somit ein Gut aufzubauen, wie es einem Duke gebührte. Er würde das Schloss instand setzen, den Pächtern bewohnbare Häuser geben können und vielleicht sogar dafür sorgen, dass das Dorf eine Schule bekam und in jeder Hinsicht vorbildlich wurde.

Und Miss Danby war vielleicht keine große Schönheit, aber sie machte einen intelligenten, gebildeten Eindruck und schien über guten Geschmack zu verfügen – wenn auch nicht unbedingt über die Tugend der Sittsamkeit, Diskretion und Zurückhaltung.

Eine solche Verbindung würde für Gekicher und Getuschel sorgen, aber seine Ahnen waren ja schon jeher als die Pfennigfuchser-Dukes bekannt, also würde man ihn vielleicht eher dafür bewundern, dass er einen solchen Preis gewonnen hatte.

Aber. Aber er würde sich dafür verachten, das wusste er. Er hatte sich damit abgefunden, dass er wenigstens eine Dame mit einer ansehnlichen Mitgift heiraten musste, doch gleichzeitig war er entschlossen, nur zu heiraten, wenn er für diese Dame Liebe empfinden konnte. Und Miss Jessica Danby liebte er nicht. Offenbar hatte er mit ihr getanzt, ohne die geringste Anziehungskraft zu spüren, und eben gerade hatte er nur das nebelhafte Gefühl gehabt, sie irgendwann gesehen zu haben. Während sie von seinem Titel erfahren, ihn lange genug beobachtet hatte, um sich über seinen Charakter im Klaren zu sein, und dann um ihn angehalten hatte.

Ein weiser Mann würde sich jetzt vor Mr. Danby präsentieren und um die Ehre ersuchen, seine Tochter zu ehelichen. Und er würde angenommen werden, daran gab es keinen Zweifel. Miss Danby jedoch würde dann wissen, dass er kaltblütig ihre große Mitgift eingeschätzt und entschieden hatte, sie überwiege bei Weitem all die warmen Gefühle, von denen er gesprochen hatte. Sie würde nicht nur denken, er ließe sich von seinem Verlangen nach der Mitgift leiten, was sie ja auch akzeptierte, sondern ihn außerdem für einen Heuchler halten.

Er hatte alle Brücken hinter sich abgebrochen. Hätte er seine Suche nach wahrer Liebe nur entschlossener aufgegeben und wäre sich ihrer Mitgift bewusst gewesen und der Tatsache, dass sie ihn passabel fand, dann hätte er sich ihr nähern und langsam eine Beziehung zu ihr aufbauen können, um zu sehen, ob sie beide zueinander passten.

„Zum Teufel noch mal, du Idiot“, sagte Alex, gerade als sich die Tür öffnete.

„Verzeihung, Euer Gnaden.“

„Nicht Sie, Pitwick. Ich. Ich hätte Erkundigungen einziehen sollen, bevor ich mich auf den Heiratsmarkt geworfen habe, und jetzt habe ich den wahrscheinlich größten Preis verloren, den ich offenbar hätte gewinnen können.“

Es hatte keinen Zweck, seine Umstände vor seinem Butler oder auch seinem Kammerdiener zu verstecken. Sie kannten seine finanzielle Situation ebenso gut wie er selbst. Und sie wussten wahrscheinlich auch, warum er sich so dickköpfig davor sträubte, sich richtig zu verhalten und eine Erbin zu heiraten. Wenn er doch nur die Überzeugung abschütteln könnte, dass es irgendwo die wahre Liebe für ihn gab.

Pitwick schnalzte bedauernd mit der Zunge. „Und werden Sie sich heute Abend wieder auf das bewegte Meer des Heiratsmarkts werfen, Euer Gnaden?“

„Das sollte ich wohl besser, Pitwick. Seien Sie so freundlich und sagen Sie der Köchin, ich werde heute die Erfrischungen von Almack’s zu mir nehmen. Das erspart uns wenigstens die Kosten eines Abendessens.“

Sein Butler sah ihn mitfühlend an und nicht ohne Grund. Fade Limonade und leicht trockener Mohnkuchen waren keine Mahlzeit für einen erwachsenen Mann.

Die Erde hatte sich nicht unter ihr aufgetan und ihr den Gefallen getan, sie mitsamt ihrer Verlegenheit und ihren hochroten Wangen zu verschlucken. Jessica war selbst jetzt noch ganz heiß zumute. Sie würde die Zähne zusammenbeißen und sich auf einen weiteren qualvollen Abend bei Almack’s vorbereiten müssen. Es war Mittwoch, einer der Abende, an denen die Versammlungsräume für jene Glücklichen geöffnet wurden, die die kostbaren Eintrittskarten erhalten hatten.

„Das blaue Seidenkleid, glaube ich, Trotter“, sagte sie. Sie hatte heute Morgen Dunkelgrün getragen, und instinktiv drängte es sie dazu, eine andere Farbe zu wählen, als könnte sie sich auf diese Weise vor den Blicken des Dukes verstecken.

Der Duke war sehr rücksichtsvoll, dachte sie jetzt wohl schon zum hundertsten Mal. Er war höflich und rücksichtsvoll gewesen, indem er ihr einen Grund für seine Zurückweisung genannt hatte, der nichts mit ihrer Person zu tun hatte. Er hätte sich weigern können, sie zu empfangen – was sehr klug von ihm gewesen wäre –, oder er hätte vor ihrem unschicklichen Antrag zurückschrecken und sie wegen ihres wenig vornehmen Vermögens und ihrer bescheidenen Herkunft voller Verachtung brüskieren können. Stattdessen war er freundlich und taktvoll geblieben.

Was natürlich auch der Grund war, warum sie ihn überhaupt ausgesucht hatte. Sie saß still da, während Trotter etwas Kompliziertes mit ihrem Haar anstellte. Wenigstens war ihre Einschätzung seines Charakters richtig gewesen.

„Geht es Ihnen gut, Miss Jessica?“, fragte Trotter. „Sie sind ein wenig blass, wenn ich das sagen darf.“

„Sehr gut. Danke, Trotter. Ich bin lediglich ein wenig müde.“

Und es gab ja wirklich keinen Grund, sich Sorgen zu machen, weil sie den Duke wiedersehen würde. Er hatte schon zweimal vorher mit ihr getanzt und sich heute Morgen dennoch nicht an sie erinnert. „Zu diesem Kleid such mir am besten die Perlen-und-Saphir-Ohrringe heraus.“

Jessica, begleitet von ihrer Anstandsdame Lady Cassington, erreichte die Versammlungsräume in der King Street um neun Uhr. Zu Beginn der Saison hatte ihr Vater die Dienste der Witwe eines Baronets in Anspruch genommen, die über eine makellose Herkunft, aber sehr geringe Mittel verfügte. Almeria Cassington hatte sich als perfekte Wahl herausgestellt, denn als Cousine von Lady Cowper, einer der Schirmherrinnen, hatte sie ihre liebenswürdige Verwandte dazu überreden können, Jessica eine der begehrten Eintrittskarten für Almack’s zu gewähren.

Jetzt stand Jessica auf der Schwelle zu den Versammlungsräumen und sah, dass der größere von ihnen sich schnell mit Gästen zu füllen begann. Vor dem Ende des Abendessens um elf Uhr, wenn die Türen zu Almack’s geschlossen wurden – und niemandem wurde danach noch Eintritt gewährt –, würden wohl mehr als fünfhundert Gäste anwesend sein.

Jessica sah sich nach ihren besonderen Freundinnen um, die sie insgeheim die „Exotischen Mauerblümchen“ nannte.

Natürlich gab es auch ganz normale, farblose Mauerblümchen – die viel zu schüchternen jungen Damen, für die ein solcher Abend eine Qual war, und die unscheinbaren Mädchen ohne nennenswerten Esprit oder eine angenehm große Mitgift, die ihr Aussehen aufwiegen könnte. Das Urteil der eleganten Elite war recht gnadenlos jenen gegenüber, die ihren Erwartungen nicht entsprachen.

Jessicas Mauerblümchen besaßen Witz und Verstand in Hülle und Fülle, doch darüber hinaus auch gewisse Hemmnisse, die sie von den begehrenswerten jungen Damen trennten, die die nötige Kombination aus Schönheit, makelloser Herkunft und angemessener Mitgift aufwiesen.

Ihre Freundinnen schienen alle in der gewohnten Mauernische zu sitzen. Lady Anthea Mulrose, ein entschiedener Blaustrumpf, hatte nichts übrig für Gentlemen, die kein Interesse an den Naturwissenschaften zeigten, die Klassiker nicht faszinierend fanden und nicht auf dem Laufenden waren, was die jüngsten Theorien über die Entstehung der Erde anging. Miss Belinda Newlyn war von vornehmer Geburt und bescheidener Mitgift, hübsch und geistreich, hinkte aber auffallend. Lady Lucinda Herricks Großvater war ein Nabob der East India Company gewesen, der jedoch in jenen Zeiten eine indische Prinzessin geheiratet hatte, als die Einstellung zu all jenen, die keine Christen waren und nicht aus Europa stammten, noch nicht so intolerant gewesen war wie heutzutage. Und Miss Jane Beech mit ihren rotbraunen Locken wurde für ausgesprochen vulgär gehalten, als könnte sie etwas gegen die Farbe ihres Haares unternehmen. Ihr angenehmes Gesicht wies unzählige Sommersprossen auf, und diese Kombination zusätzlich zu einer sehr bescheidenen Mitgift reichte aus, dass man sie ignorierte.

Jessica mochte sie alle, jede auf ihre Weise, und war bald schon in ihrer Mitte aufgenommen worden. Man störte sie nur selten, es sei denn, wenn einer der Gentlemen mit einem ausgeprägteren Pflichtbewusstsein, wie zum Beispiel der Duke of Malvern, eine von ihnen zum Tanz aufforderte, oder eine entschlossene Anstandsdame einen widerwilligen jungen Mann herbeizerrte und ihn dazu zwang, mit seiner ebenso widerwilligen Partnerin auf die Tanzfläche zu gehen. Oder natürlich wenn ein Mitgiftjäger es schaffte, Miss Danby aufzuspüren.

Sie setzte sich neben Miss Beech, während Lady Cassington sich auf ihre nie enden wollende Suche nach einem passenden Partner für sie machte.

„Ist es Ihnen gelungen, einen guten Farbkasten bei Ackermann’s zu finden?“ Miss Beech war eine wunderbare Aquarellmalerin und hatte beschlossen, sich mit besseren Materialien auszustatten.

„Oh ja. Vielen Dank für Ihre Empfehlung. Ihr Geschäft in der Strand ist wirklich großartig. Ich hätte meine gesamte vierteljährige Zuwendung dort ausgeben können.“ Neben ihr sprachen Miss Newlyn und Lady Lucinda über die Schrecken, die es mit sich brachte, wenn einem die Maße für ein Hofballkleid genommen wurden. „Ich schwöre, ich sah in diesen fürchterlichen Reifröcken wie ein Dochtlöscher aus!“ Lady Anthea war wie gewöhnlich in ein schmales Pamphlet vertieft, das sie aus ihrem Retikül geholt hatte.

Plötzlich hatte Jessica das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden. Bitte, nicht der Duke, dachte sie unwillkürlich und suchte verstohlen, halb hinter ihrem Fächer verborgen, den unmittelbaren Bereich in ihrer Nähe ab.

Eine kleine Gruppe junger Männer stand nicht weit entfernt und kicherte unverhohlen. Sie stießen sich gegenseitig an und starrten nicht sie an, wie Jessica erkannte, sondern Jane Beech. So als wollten sie sich zu einer Mutprobe anstacheln.

Drei von ihnen kamen herangeschlendert. „Miss Beech, oder?“, begann einer von ihnen unelegant. Sehr junge Männer, dachte Jessica. Sehr jung und sehr albern.

„Ja“, antwortete Jane unruhig.

„Wir haben uns nur gefragt, wissen Sie, ob Sie gern auf die Jagd gehen.“

„Nein. Überhaupt nicht.“

„Ha, hab ich dir doch gesagt“, meinte der junge Mann zu seinen Freunden. „Natürlich nicht“, wandte er sich wieder an Jane, „schließlich muss Ihre Mutter von einem Fuchs erschreckt worden sein, als sie Sie erwartete!“ Und damit brachen alle drei in wieherndes Gelächter aus.

Jane wurde puterrot, und Jessica öffnete den Mund, um ihnen einen gehörigen Rüffel zu verpassen, als eine ruhige Stimme ihr zuvorkam. „Guten Abend, meine Damen. Miss Beech, dies ist mein Tanz, glaube ich.“

3. KAPITEL

„Dies ist mein Tanz, glaube ich.“

Es war der Duke of Malvern. Jane starrte ihn verblüfft an, während sie dabei war, die Tränen wegzublinzeln. Jessica hatte sich halb erhoben, setzte sich jetzt aber abrupt, und der Duke bedachte die drei jungen Männer mit einem kühlen Blick.

„Belästigen Sie womöglich meine Partnerin?“, fragte er. „Ich bin immer wieder erstaunt über die Tatsache, dass es so viel Gesindel heutzutage gelingt, Karten für Almack’s zu bekommen“, fuhr er fort und wandte sich an die Damen. „Ich muss wirklich mit den Schirmherrinnen reden.“

Jane nahm wortlos die Hand, die er ihr reichte, und wurde von ihm auf die Tanzfläche geführt.

„Das war der Duke of Malvern“, sagte Lady Anthea. „Was in aller Welt tut er nur? Ich weiß genau, dass die Tanzkarte unserer lieben Jane völlig leer ist.“

„Er ist ihr zu Hilfe gekommen“, sagte Jessica und fächelte sich unbewusst Luft zu. Sie fühlte sich plötzlich so … atemlos. Wie geschickt er doch gewesen war, und so gelassen. Auf der anderen Seite der Tanzfläche sah sie die drei jungen Männer hastig zum Ausgang eilen. Von denen war kein Kichern mehr zu befürchten.

„Aber warum macht er sich die Mühe?“, beharrte Anthea. „Er kennt doch keine von uns. Es hat wirklich gehandelt wie ein wahrer Gentleman, und so schnell!“

„Der Duke muss in unserer Nähe gestanden haben“, antwortete Jessica. „Vielleicht ist er diesen jungen Männern schon einmal begegnet, rechnete schon mit Ärger und hat sie im Auge behalten.“

Oder mich.

Es war ihr nicht aufgefallen, dass er sie beobachtet hätte, aber der Raum war heute ja auch gedrängt voll. Unter den herumwirbelnden Tänzern konnte sie sehen, wie der Duke und Jane sich unterhielten. Jane war nicht mehr rot im Gesicht und sah ausgesprochen glücklich aus.

Als der Tanz zum Ende kam, rechneten sie damit, dass Jane atemlos und aufgeregt zu ihnen zurückkehren würde, aber Jessica sah nur hier und da auf der anderen Seite des Raums ihr rotes Haar aufleuchten.

„Du meine Güte, er hat sie einem anderen Partner vorgestellt“, sagte Belinda begeistert. „Oh, seht doch mal, ist das nicht Mr. Locksley?“

Und tatsächlich, Jane knickste vor dem einzigen anderen Menschen im Raum, dessen Haar mit ihrem mithalten konnte. Mr. Locksley, hochgewachsen und bebrillt, strahlte seine neue Partnerin an, und Jane sah lächelnd zu ihm auf.

„Und er ist ziemlich wohlhabend, glaube ich“, meinte Lucinda. „Hat ein sehr nettes Gut in Warwickshire, und seine Patentante ist die Cousine des Bischofs von Somerley.“

„Es ist nur ein Tanz“, wandte Jessica ein. „Keine Verlobung.“ Aber ihr fiel auf, dass mehrere Leute das Paar beobachteten, und ihr Lächeln war freundlich, nicht spöttisch. Zwei Rotschöpfe schienen sich gegenseitig auszugleichen, oder vielleicht lag es einfach daran, dass Mr. Locksley bekannt und beliebt war.

„Wie klug vom Duke“, sagte Anthea. „Und wie aufmerksam.“

„Ja, ich glaube, er ist beides“, warf Jessica ein. „Soweit ich bisher sehen konnte“, fügte sie hinzu, bevor sie jemand fragen konnte, woher sie das wusste.

„Nun, in dem Fall sollte er vielleicht für uns alle einen passenden Partner finden“, sagte Belinda. „Er stellt sich sehr viel besser an als Janes Tante, die sich seit einem ganzen Monat umsonst bemüht hat. Wenn wir jetzt bitte noch einen Professor für Anthea haben könnten, einen Pferdezüchter für mich, einen Kunstkenner für Lucinda und einen … was für einen Gentleman hättest du gern, Jessica?“

Einen verarmten Duke, bitte.

„Oh, den reichsten Mann in ganz England“, sagte sie lachend. „Dann wird ihm meine Mitgift gleichgültig sein und er kann sich die Freiheit nehmen, sich Hals über Kopf in meine eleganten Augenbrauen und meine erlesenen Ohrläppchen zu verlieben.“

Doch vom Duke war nichts zu sehen – ganz offensichtlich war es weder ihren Augenbrauen noch ihren Ohrläppchen gelungen, Eindruck auf ihn zu machen.

Schließlich kehrte Mr. Locksley mit Jane zu ihnen zurück und fragte sie, ob sie ihm den Tanz vor dem Abendessen schenken würde.

Zum Erstaunen ihrer Freundinnen antwortete Jane recht gelassen, wenn auch unter heftigem Erröten, dass sie entzückt wäre, und so verbeugte er sich und ging.

„Wie war es, mit dem Duke zu tanzen?“, wollte Lucinda sofort wissen.

„Oh, ich war kurz davor, vor Demütigung in Ohnmacht zu fallen.“ Jane fächelte sich heftig Luft zu. „Aber er war so freundlich. Er meinte, es sei eine bedauerliche Tatsache, dass unreife junge Männer oft die wahre Schönheit ungewöhnlicher Dinge nicht erkannten, weil ihnen die nötige Kultiviertheit fehlt. Ihre Unsicherheit, sagte er, lässt sie ungehobelt und beleidigend werden. Und ich konnte ihn nur anstarren, weil ich nicht fassen konnte, dass er meinte, mein Haar sei schön, aber dann sagte er noch, ich solle Komplimente über mein Haar immer ohne Scheu oder Verlegenheit annehmen. Und dann tanzten wir einfach nur und plauderten über alltägliche Dinge, und ich bin kein einziges Mal über meine Füße gestolpert, wie ich gefürchtet hatte, denn … ich meine, er ist doch ein Duke!“, sagte sie glücklich. „Und dann stellte er mir auch noch Mr. Locksley vor, und der war auch reizend.“

Jessica hörte stumm zu, während die anderen jede Einzelheit über Mr. Locksley wissen wollten. Wo war der Duke aber? Sie ließ den Blick über die Menge gleiten, und in der Nähe des Eingangs zum Raum mit den Erfrischungen entdeckte sie ihn dann.

„Entschuldigt mich bitte“, sagte sie. Ihre Freundinnen, tief in ihr Gespräch vertieft, schenkten ihr nur ein flüchtiges Lächeln und widmeten sich dann wieder der Analyse von Janes plötzlichem Erfolg.

Jessica ging am Rand des Raums entlang, begrüßte einige Bekannte und ignorierte die verächtlichen Blicke jener, die dachten, die Tochter eines Eisenfabrikanten habe nichts bei Almack’s verloren. 

Der Duke unterhielt sich mit einer Gruppe von Männern seines Alters. Sie sprachen über Pferderennen, wie Jessica vermutete, nachdem sie einige Worte aufgeschnappt hatte.

Sie erregte die Aufmerksamkeit des Dukes, und ohne innezuhalten neigte sie nur den Kopf, formte unhörbar das Wort danke mit den Lippen und ging weiter.

Er hatte vielleicht eingegriffen, weil es ihm unangenehm war, sie abgewiesen zu haben. Aber welche Gründe er auch gehabt haben mochte, sie hatte ihm gedankt, und jetzt bestand keine Notwendigkeit mehr, sich je wieder zu begegnen.

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