Ich will dich und deine Küsse

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Der berauschende Kuss, mit dem Nash Samanthas glühende Leidenschaft weckt, lässt sie ihre Zurückhaltung vergessen. Durch ein früheres Albtraum-Erlebnis hat die junge Tierärztin bisher nur Angst vor den Männern und vor Sex gehabt. Aber der breitschultrige Grundstücksmakler Nash ist so einfühlsam, dass sie ihm bedingungslos vertraut. Doch nach der Leidenschaft der Nacht folgt die Realität des Tages: Samantha liebt das Landleben, Nash dagegen lehnt es ab. Deshalb werden sie sich nie wirklich verstehen können, fürchtet Samantha. Oder ist ihre Liebe stark genug, um alle Probleme zu besiegen?


  • Erscheinungstag 22.05.2016
  • Bandnummer 2
  • ISBN / Artikelnummer 9783733774219
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

Double-Cross-Heart-Ranch 1988

Samantha fuhr mit ihrem Pferdetransporter rückwärts an den Stall heran und stieg müde aus. Stöhnend legte sie die Hand ins Kreuz, das ihr nach der siebenstündigen Fahrt schmerzte.

Doch Samantha war es gewohnt, allein unterwegs zu sein. Als sie kurz nach ihrem sechzehnten Geburtstag ihren Führerschein bekommen hatte, hatte ihr Vater ihr den Schlüssel für den Transporter überreicht und sie davon unterrichtet, dass er nicht länger gewillt sei, sie und ihr Pferd durchs Land zu kutschieren. Wenn sie unbedingt bei irgendwelchen Reitturnieren mitmischen wolle, solle sie das gefälligst allein tun.

Sein Verhalten war nicht überraschend, denn Lucas McCloud hatte selten Zeit für seine Töchter.

Heute allerdings hätte Samantha gern ein wenig Gesellschaft auf der langen Fahrt gehabt. Sie hatte gehofft, dass Mandy, ihre ältere Schwester, sie nach Oklahoma begleiten würde. Aber mit dem Baby war es für Mandy nicht mehr so einfach, kurzfristig zu verreisen. Und Merideth … Samantha verzog das Gesicht, als sie sich vorstellte, dass ihre jüngere Schwester mit zu einem Turnier fuhr. Merideth würde sich lieber erschießen, als bei einem Rodeo gesehen zu werden. Der Gedanke, neben Cowboys zu sitzen, Staub auf ihre Schuhe zu bekommen oder sich womöglich einen Fingernagel abzubrechen, war einfach zu schrecklich für sie.

Samantha seufzte und ging ans Ende des Transporters. Sie öffnete ihn und ließ die Rampe herunter. „Komm, Skeeter“, sagte sie leise zu dem Rotschimmel. „Wir sind zu Hause.“ Um die anderen Tiere nicht zu stören, schaltete sie kein Licht in der Scheune an, sondern führte ihr Pferd durch den dunklen, nur vom Mondlicht beschienenen Gang in seine Box. „Bis morgen, Skeeter.“ Sie schloss die Boxentür.

Gerade als sie sich umwandte, trat ein Mann aus dem Schatten der nächsten Box. Samantha unterdrückte einen Schreckensschrei, als sie Reed Wester, einen der Cowboys, erkannte. „Du hast mich fast zu Tode erschreckt, Reed!“

Er lachte. „Du bist wohl ein bisschen nervös, Sam?“

Sie holte tief Luft, um sich wieder zu beruhigen. Sie mochte Reed nicht. Die Art und Weise, wie er sie anschaute, behagte ihr gar nicht. „Nein, nur überrascht.“ Sie wollte um ihn herumgehen, um so schnell wie möglich von ihm wegzukommen, doch Reed verstellte ihr den Weg.

„Ich wette, du bist ein bisschen steif nach der langen Fahrt.“ Er kam näher und legte ihr eine Hand auf den Arm.

Samantha bekam eine Gänsehaut, als der Geruch von billigem Whiskey und Schweiß ihr entgegenschlug.

„Ich könnte dich massieren, Sam. Was hältst du davon?“

„Nein, danke“, murmelte sie, entzog sich ihm und wollte an ihm vorbeistürmen.

Reed packte sie am Arm, riss sie herum und presste sie gegen die Scheunenwand. Er griff nach ihren Handgelenken und hielt sie über ihrem Kopf fest. „Was ist los, Sam? Du glaubst wohl, nur weil du eine McCloud bist, wärst du was Besseres als ich, was?“

Angst stieg in ihr hoch, als sie den Hass in seinen Augen sah. „Nein“, stotterte sie. „Ich bin nur müde.“

Er kam einen Schritt näher und presste sich mit seinem Körper an sie. „Nicht mehr lange. Ich weiß, wie man eine Frau alles vergessen lässt.“

„Bitte lass mich los, Reed“, sagte sie und wand sich, um sich zu befreien.

„Ach, komm schon, Sam. Ich weiß doch, dass du es willst. Du hast doch schon seit Monaten deinen hübschen kleinen Hintern in meine Richtung gestreckt und geradezu darum gebettelt.“

„Nein!“, rief sie entsetzt. „Das habe ich nicht. Ich schwöre es. Lass mich los, Reed, bitte.“

Er drückte seine Nase an ihren Hals, und sein heißer, unangenehmer Atem strich über ihre Haut. „Ich hab dich auf deinem Pferd reiten sehen, hab gesehen, wie du deine Schenkel in seine Flanken gepresst hast. Die ganze Zeit über hab ich mir vorgestellt, du würdest auf mir reiten. Und ich weiß, dass du dir das Gleiche gewünscht hast.“

Bevor sie ihm widersprechen konnte, glitt er mit den Lippen an ihrem Hals hinauf. Bei dem scharfen Geruch von Whiskey und Schweiß wurde ihr fast schlecht. Sie schluckte und versuchte einen klaren Kopf zu behalten. Sie musste Reed entkommen, aber wie? Die anderen Cowboys der Ranch schliefen sicher schon, aber wenn sie laut genug schrie …

„Lass mich los, Reed! Sonst schreie ich, bis alle Cowboys hier auftauchen.“

Sofort nahm er ihre Handgelenke in eine Hand und presste die andere auf ihren Mund. „Das solltest du lieber nicht tun“, sagte er drohend. Er nahm die Hand wieder von ihrem Mund, doch noch bevor sie Luft geholt hatte, um loszuschreien, hatte er seine Lippen auf ihre gepresst.

Tränen schossen ihr in die Augen. Sie würde es nicht zulassen. In der Hoffnung, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen, warf sie sich mit aller Kraft gegen ihn und trat ihm dann heftig auf den Spann.

Er schrie zwar auf vor Schmerz, ließ sie aber nicht los. „Du Miststück!“, zischte er und drückte sich enger an sie, um ihr nicht noch einmal solch eine Gelegenheit zu geben.

Aber sie gab nicht auf, und als er erneut den Kopf beugte, biss sie ihn in die Wange. Aufheulend wich Reed zurück und starrte sie überrascht an. Dann kniff er hämisch die Augen zusammen und legte ihr eine Hand über die Brust. Als er zupackte, verzog sie vor Schmerz das Gesicht.

„Du hättest mir sagen sollen, dass du es lieber etwas härter magst“, brummte er, bevor er mit der Zunge in ihren geöffneten Mund vorstieß und gleichzeitig seine Fingernägel in ihre Brust grub.

Verzweifelt drehte sie den Kopf hin und her, um dem erstickenden Druck seines Mundes zu entkommen. Aber sie war hilflos angesichts seiner Kraft.

Als sie kaum noch Luft bekam, hob er den Kopf und grinste sie an. „Mal sehen, was hier drinsteckt.“ Und mit einem Ruck riss er ihre Bluse auf.

Wohl wissend, dass das vielleicht ihre einzige Hoffnung war, stieß Samantha einen gellenden Schrei aus.

Wütend schlug Reed ihr ins Gesicht, sodass ihr Kopf gegen die Wand flog. Dann zog er sie hart an sich und drehte ihr den Arm auf den Rücken. Sie schaffte es gerade noch, Luft zu holen, bevor sich seine Hand wieder über ihrem Mund schloss.

„Das wirst du bereuen“, sagte er drohend, und obwohl sie sich heftig wehrte, gelang es ihm, sie in eine leere Box zu zerren und niederzuwerfen.

Instinktiv rollte Samantha sich zur Seite, doch bevor sie entkommen konnte, setzte Reed sich rittlings auf sie und befahl ihr, die Beine zu spreizen. Als sie nicht gehorchte, legte er die Finger um ihren Hals und drückte langsam zu. „Ich sagte, mach die Beine breit!“

Sie rang nach Atem und versuchte fieberhaft, seine Finger von ihrem Hals zu lösen.

„Was geht hier vor?“

Reed fuhr herum, und Samantha sah Gabe Peters, den Vorarbeiter der Ranch, in der Boxentür stehen.

Reed verstärkte den Druck auf ihren Hals. „Ich und Sam vergnügen uns nur ein bisschen, oder Sam?“, zischte er warnend.

„Nein!“ Nur mit Mühe brachte sie das Wort heraus. „Gabe, bitte“, krächzte sie heiser. „Hilf mir!“

Zornentbrannt packte Gabe Reed am Kragen und zog ihn hoch. Schritte erklangen im Gang, als weitere Cowboys auftauchten. Gabe wandte sich um und stieß Reed zu dem ersten Mann, der in der Boxentür erschien.

„Sieh zu, dass er seine Sachen packt, und stellt sicher, dass er die Ranch verlässt.“

Augenblicklich wurde Reed von vier Männern umstellt und mitgenommen.

Sobald die Männer weg waren, hockte Gabe sich neben Samantha. „Geht es dir gut, Kleines?“

Samantha kauerte am Boden und hielt krampfhaft ihre Bluse zusammen. „Ich will nach Hause, Gabe“, flüsterte sie und begann zu weinen. „Ich … ich will nur noch nach Hause. “

„Moment, ich ruf nur deinen Daddy und …“

Voller Panik griff sie nach seiner Hand. „Nein! Bitte, Gabe, erzähl es nicht Daddy!“

Dass Samantha ihrem Vater nichts von der Sache erzählen wollte, überraschte Gabe nicht. Lucas McCloud war kein besonders liebevoller Vater. „Okay, okay“, sagte er tröstend. „Beruhig dich. Ich bring dich zum Haus.“ Gabe zog seine Jeansjacke aus und legte sie ihr über die Schultern. Als er aufstand und Samantha hochhalf, gingen plötzlich die Lampen im Stall an.

„Was, zum Teufel, ist hier los?“

Gabe sah zu Samantha, als die wütende Stimme von Lucas ertönte, und erblickte Panik in ihren Augen. Lucas’ aufbrausendes Temperament, unter dem meistens seine Töchter zu leiden hatten, war bekannt. „Ich bin es, Gabe. Und Sam“, fügte er hinzu.

Ein unterdrücktes Fluchen war zu hören, energische Schritte, und dann stand Lucas in der Tür. Samantha zog Gabes Jacke fester um sich, und Gabe trat schützend vor sie.

„Verdammt, was ist hier los?“, wollte Lucas noch einmal wissen.

Nach einem Seufzer erklärte Gabe: „Ich habe Reed dabei erwischt, wie er Sam hier …“ Er zögerte. „Na ja, er hat sie bedrängt. Aber es ist alles unter Kontrolle“, versicherte er rasch. „Die Jungs haben Reed mit zum Haus genommen, damit er seine Sachen packt, und dann werden sie aufpassen, dass er von der Ranch verschwindet.“

Lucas’ Gesicht rötete sich. Die Adern an Schläfen und Hals traten deutlich hervor. Sein ganzer Körper spannte sich an vor kaum unterdrückter Wut. „Wer, zum Teufel, hat dir das Recht gegeben, einen meiner Cowboys zu feuern? Reed ist der beste Pferdetrainer im ganzen Bundesstaat, und das weißt du auch!“

Gabe hatte schon immer gewusst, dass Lucas ein Herz aus Stein hatte, aber dass er einem Mistkerl wie Reed beistehen würde, nachdem der eine seiner Töchter fast vergewaltigt hatte, entsetzte ihn. „Er wollte Sam vergewaltigen, Lucas. Wenn ich sie nicht hätte schreien hören, weiß ich nicht …“

Lucas wandte sich mit abschätzigem Blick an Samantha. Sein Zorn schien sich noch zu verstärken. „Du steckst also hinter all dem hier. Das hätte ich mir denken können.“ Er kam bedrohlich näher. „Was hast du gemacht, um ihn zu provozieren?“

Samantha hätte es nicht für möglich gehalten, dass etwas noch schmerzlicher sein könnte als das, was Reed ihr angetan hatte. Doch sie wollte verdammt sein, wenn ihr Vater merkte, wie sehr er sie mit seinen Worten verletzt hatte. „Nichts“, erwiderte sie und hob das Kinn. „Absolut nichts.“

Lucas kniff die Augen zusammen und verzog verächtlich den Mund. „Geh ins Haus“, befahl er.

„Lucas …“, begann Gabe, um Samantha zu verteidigen.

Lucas wirbelte zu ihm herum. „Sei still! Dein Kopf wird rollen, wenn wir Reed wegen dieser Sache hier verlieren!“ Die Zornesröte im Gesicht seines Chefs ließ Gabe für einen Moment seinen eigenen Ärger vergessen. Seit Lucas’ älteste Tochter Mandy verkündet hatte, dass sie von Jesse Barrister ein Baby bekam, hatten Lucas’ Wutanfälle ungeahnte Ausmaße angenommen. Er hatte ihn überredet, einen Arzt aufzusuchen, doch stur wie er war, hielt Lucas sich weder an die Diät noch nahm er seine Medikamente.

„Du musst dich beruhigen, Lucas. Wenn du dich so aufregst, ist das nicht gerade gut für deinen Blutdruck.“ Schweiß bildete sich auf Lucas’ Gesicht, als er drohend die Faust hob. „Zum Teufel mit meinem Blutdruck! Ich muss Reed finden und versuchen, dieses Chaos zu beseitigen, das ihr hier angerichtet habt. Wo ist er?“

„Hab ich doch schon gesagt“, erwiderte Gabe. „Die Jungs haben ihn zum Haus gebracht und …“

Auf einmal schwankte Lucas und klammerte sich mit einer Hand an die Boxenwand, während er sich mit der anderen ans Herz griff. Gabe wollte ihm helfen, doch Lucas scheuchte ihn fort. „Lass mich“, brummte er. Er atmete keuchend und unregelmäßig, während der Schweiß ihm von der Stirn lief. Plötzlich gaben seine Knie nach, und er sank zu Boden, bevor Gabe ihn auffangen konnte.

„Daddy!“, schrie Samantha und kniete sich neben ihn. Gabe schob sie zur Seite und legte eine Hand auf Lucas’ Brust. Als er keinen Herzschlag spürte, wandte er sich ernst an Samantha. „Ruf einen Krankenwagen. Ich bleibe hier und versuche mein Möglichstes.“

Samantha stand auf und rannte zum Telefon, während die Worte, die ihr Vater an sie gerichtet hatte, sie nicht mehr losließen. Es waren die letzten Worte, die Lucas McCloud je zu seiner Tochter gesagt hatte. Doch die Schuldgefühle, die er ihr damit gemacht hatte, würden sie noch zehn Jahre später belasten.

1. KAPITEL

Austin, Texas, 1998

Samantha blickte stimrunzelnd auf den Zettel, den sie in der Hand hielt, und versuchte die Schrift ihres Neffen zu lesen. Wenn sie wieder auf der Double-Cross-Heart-Ranch war, würde sie sich endlich einen eigenen Telefonanschluss samt Anrufbeantworter für ihre Tierarztpraxis legen lassen. Es war einfach lästig, die gekritzelten Nachrichten zu entziffern, die die anderen ihr immer hinterließen.

Sie hob den Blick und sah durch die schmutzige Windschutzscheibe ihres Transporters auf leere Weiden, die mit Unkraut überwuchert waren. Kaputte Drahtzäune säumten die Grenzlinie, während Spatzen in einem rostigen Wassertrog planschten. Über den bröckelnden Kalksteinsäulen, die den Eingang markierten, hing ein verrostetes Schild. Rivers-Ranch. Da der Name mit dem auf dem Zettel übereinstimmte, war sie hier wohl richtig.

Wenn Nash Rivers sich nicht besser um seine Ranch kümmert, dachte Samantha, dann ist es ja kein Wunder, dass er ein krankes Pferd hat.

Aber seine Fähigkeiten als Rancher gingen sie nichts an. Sie hatte sich nur für seine Tiere zu interessieren. Da sie jedoch selbst auf einer Ranch lebte, konnte sie so viel Vernachlässigung kaum ertragen.

Sie fuhr weiter Richtung Stall, der in einiger Entfernung sichtbar war. Ein Mercedes war davor geparkt, und der silberne Lack glänzte im Sonnenlicht, sodass Samantha fast geblendet wurde. Als sie näher kam, erkannte sie, dass ein Mann zwischen Auto und Stall auf und ab ging. Offenbar hatte er ihren Wagen gehört, denn er blieb nun stehen, drehte sich um und beobachtete sie durch seine dunkle Sonnenbrille. In seinem eleganten grauen Anzug passte er überhaupt nicht in die ländliche Umgebung.

Der grimmige Zug um seinen Mund ließ Samantha erschaudern. Doch sie schob ihre Angst, sich mit dem Mann auseinanderzusetzen, hastig beiseite und versuchte sich auf das Tier zu konzentrieren, das ihre Hilfe benötigte. Sie hielt ihren Transporter an, sprang heraus und nahm ihre Tasche. „Nash Rivers?“

„Ja?“, entgegnete er barsch.

„Ich komme wegen Ihres Pferdes.“

Nash schob seine Sonnenbrille auf die Nasenspitze und schaute auf Samantha hinunter. „Sie sind der Tierarzt?“

Er war nicht der Erste, der sich darüber wunderte, dass Dr. Sam McCloud eine Frau war, aber sein skeptischer Ton brachte Samantha in Verteidigungshaltung. „Ja, haben Sie damit ein Problem?“

Problem? Langsam ließ Nash den Blick von ihrer Baseballkappe über ihr ausgeblichenes T-Shirt und die zerrissenen Jeans bis hinunter zu den schmutzverkrusteten Stiefeln wandern. Ja, er hatte ein Problem, aber nicht mit ihrer Berufswahl. Er hatte ein Problem mit ihr.

Sie kleidete sich wie ein arbeitsloser Cowboy und war offensichtlich ziemlich widerborstig. Wenn ein Mann sich davon nicht abschrecken ließ, würde er vielleicht den langen schwarzen Pferdeschwanz entdecken, der unter der Kappe hervorlugte, und ihre großen braunen Augen bemerken. Einen Schritt näher und ich reiß dir mit bloßer Hand das Herz aus der Brust, schienen sie zu signalisieren. Wenn auch dieser Blick nicht reichte, um einen Mann zu entmutigen, könnte er sich fragen, was sich unter dem viel zu großen T-Shirt und den Jeans verbarg.

Ihm war es egal. Er war an Frauen nicht mehr interessiert. Vor allem nicht an einer, die sich solche Mühe gab, ihre Weiblichkeit zu verbergen.

„Solange Sie Ihre Arbeit gut machen, habe ich kein Problem damit“, entgegnete er schroff und schob seine Sonnenbrille wieder hoch.

Aber Samantha sah noch die Missbilligung in seinen grauen Augen. Sie funkelte ihn böse an, als er sich umdrehte und in den Stall voranging. Sollte er sich doch einen anderen Tierarzt suchen. Am liebsten wäre sie sofort wieder ins Auto gestiegen. Aber das konnte sie nicht. Nicht wenn ein Tier ihre Hilfe brauchte. Sie verdrängte ihren Ärger und folgte Nash durch den ziemlich heruntergekommenen Stall.

Samantha war in Gedanken so mit dem allgemeinen Verfall auf dieser Ranch beschäftigt, dass sie fast auf Nashs Rücken geprallt wäre, als er vor einer Box stehen blieb. Hastig trat sie einen Schritt zurück und zog ihre Mütze tiefer, um ihre geröteten Wangen zu verbergen, wich seinem Blick aus und wandte sich zu dem Pferd.

Es schaffte etwas, was einem Mann selten gelang – es brachte Samantha dazu zu lächeln. „Hallo, Brauner“, flüsterte sie und hielt ihm vorsichtig die Hand hin. „Was fehlt dir denn?“ Das Pferd beschnupperte sie, und ihr Lächeln vertiefte sich.

„Nichts, was ein Gewehr nicht lösen könnte.“

Abrupt wandte sie den Kopf, als sie diesen sarkastischen Kommentar hörte. „Und was soll das bedeuten?“

Nash nahm seine Sonnenbrille ab. „Ich will, dass er eingeschläfert wird.“

Ihre Tasche fiel Samantha aus der Hand und auf den staubigen Boden. „Er soll einschläfert werden?“, wiederholte sie. „Aber warum? Was hat er?“

„Nichts.“ Nash steckte die Brille in seine Jackentasche und schaute ungeduldig auf die Uhr. „Wie lange wird das dauern? Ich muss zurück ins Büro.“

Samantha starrte ihn ungläubig an. „Sie wollen, dass ich ein gesundes Pferd einschläfere?“

Er zog seine Ärmel zurecht und strich sich seine schwarzen Haare glatt. „Genau. Also, wie lange wird das dauern?“ Samantha wurde wütend. Sie schnappte sich ihre Tasche. „Ein Leben lang“, murmelte sie. „Sein Leben lang!“, fügte sie hinzu und wies mit dem Kopf zu dem Pferd, bevor sie davonmarschierte.

So eine Unverschämtheit, dachte sie. Da ließ dieser Mann sie den weiten Weg hierher machen, um sie für solch einen Job zu engagieren. Sie, Samantha McCloud, schläferte niemals ein Tier ein, wenn es nicht aus medizinischen Gründen unbedingt notwendig war. Sie murmelte etwas von Idioten und Mördern und war fast an der Stalltür angelangt, als eine Hand sich um ihren Arm schloss und sie aufhielt.

Nash Rivers stand vor ihr, und seine Augen blitzten gefährlich auf. Sofort dachte Samantha an eine bestimmte Situation, als ein anderer Mann sie ebenfalls gewaltsam aufgehalten hatte. Sie versuchte ihre aufsteigende Angst zu unterdrücken und zischte: „Nehmen Sie Ihre Hand weg!“

Nash ließ sie los. „Ich will mich nicht mit Ihnen streiten. Ich möchte nur, dass die Sache so schnell wie möglich erledigt wird. Ich habe schon genug Zeit damit verbracht, auf Sie zu warten. Und ich habe keine Lust, jetzt auch noch auf einen anderen Tierarzt zu warten.“

„Das ist Ihr verdammtes Pech.“ Samantha wollte gehen. Als Nash erneut nach ihrem Arm griff, wirbelte sie herum und funkelte ihn wütend an.

Der Blick reichte als Warnung. Nash zog seine Hand weg. „Hören Sie“, begann er und bemühte sich um Geduld. „Ich will, dass das Pferd getötet wird. Und ich bin bereit zu zahlen, was Sie verlangen. Machen Sie es nur schnell, okay? Damit wir beide wieder an unsere Arbeit können.“

„Meine Arbeit besteht darin, Pferde zu retten! Und nicht darin, sie umzubringen!“

Ein Muskel zuckte in seinem Gesicht. „Dieses Pferd, das Sie so gern retten wollen, hat fast meine Tochter getötet. Und ich will verdammt sein, wenn ich ihm noch einmal die Möglichkeit dazu gebe. Also, werden Sie ihn jetzt einschläfern oder muss ich einen anderen Tierarzt rufen?“

Bevor Samantha antworten konnte, kam ein Wirbelwind mit hellblondem Haar, die Finger gekrallt, die Augen glühend vor Zorn auf sie zu und griff sie an. „Du darfst mein Pferd nicht umbringen!“, schrie das Kind, während es sie kratzte und trat.

„Hey! Warte.“ Samantha versuchte die Kleine zu fassen zu bekommen. Schließlich gelang es ihr, das Mädchen an den Oberarmen zu packen. Sie kniete sich vor sie und hielt sie fest. Obwohl verkrustetes Blut auf der Stirn auf eine Wunde hinwies, schien die Verletzung die Kraft des Mädchens nicht im Geringsten zu beeinträchtigen. Ihr kleiner Körper zitterte vor Anspannung, während das Kind sie böse anstarrte.

Auch wenn es sie angegriffen hatte, stieg das Mädchen in ihrer Achtung, weil es sich um sein Pferd sorgte. „Ich werde dein Pferd nicht töten, Kleines, ich verspreche es.“

Das Mädchen schaute sie weiterhin aufgebracht und trotzig an.

„Wie heißt du?“, fragte Samantha in der Hoffnung, sie zu beruhigen.

„Colby.“

„Ich bin Sam.“

Trotz ihres Zorns musste das Mädchen lachen. „Sam? Das ist ein Jungsname.“

„Es ist die Abkürzung für Samantha. Wie heißt dein Pferd?“

Das Lächeln verschwand von Colbys Gesicht. „Whiskey, und ich lasse nicht zu, dass du ihm wehtust.“

„Ich werde ihm nichts tun. Aber dein Daddy hat gesagt, dass Whiskey dir wehgetan hat.“

„Das hat er nicht mit Absicht getan!“, rief Colby. „Wir sind nur ein bisschen ausgeritten, und dann hat ihn irgendwas erschreckt. Es war nicht sein Fehler!“ Sie hob die Hand. „Indianerehrenwort.“

Samantha hörte, dass Nash einen skeptischen Laut ausstieß. Er hockte sich nun neben sie und zog Colby auf sein Knie. „Und wie erklärst du dann den Bluterguss auf deinem Rücken und die Verletzung an deinem Kopf?“

Colby schaute ihn mit Tränen in den Augen an. „Aber, Daddy, ich hab dir doch schon gesagt, dass es nicht Whiskeys Fehler war. Ich bin runtergefallen. Er hat mich nicht abgeworfen.“

Nash stand auf und stellte seine Tochter auf die Füße. „Das Ergebnis ist das Gleiche“, sagte er ungerührt von ihren Tränen. „Jetzt geh ins Haus, damit Nina sich um die Wunde kümmern kann.“

Colby stemmte die Hände in die Hüften. „Nein!“ Sie flitzte davon, bevor Nash sie schnappen konnte, und lief zu Whiskeys Box. Flink kletterte sie über die Tür und hüpfte an Whiskeys Seite.

„Verdammt!“, murmelte Nash. „Jetzt sehen Sie, was Sie angerichtet haben! Wenn Sie das Tier eingeschläfert hätten, dann wäre es nicht zu dieser gefühlsduseligen Szene gekommen.“

Obwohl Samantha nicht dieser Meinung war und außerdem am liebsten verschwunden wäre, blieb sie stehen. Vielleicht weil sie Colby in dem Alter sehr ähnlich gewesen war. Vielleicht weil sie sich ebenfalls gegen ihren Vater aufgelehnt hatte. Oder vielleicht fürchtete sie auch, dass Nash einen anderen Tierarzt finden würde, der die schmutzige Arbeit für ihn erledigte.

„Sie werden ihr das Herz brechen, wenn Sie das Pferd erschießen lassen.“

Nash fuhr sich mit der Hand durchs Haar, sodass seine sorgfältige Frisur in Unordnung geriet. Er blickte hinter Colby her. „Ja, aber ich breche ihr lieber das Herz, als dass ich zulasse, dass dieses Biest ihr etwas tut.“

„Unfälle können immer passieren“, erklärte Samantha. „Auf der Straße ebenso wie beim Reiten.“

Er sah sie grimmig an. „Vielen Dank für diese tröstenden Worte.“

Samantha ließ sich durch seinen spöttischen Kommentar nicht beeinflussen. „Die Wunde an Colbys Stirn muss gesäubert werden.“

Nash seufzte. „Ich habe es versucht. Sie lässt nicht zu, dass ich sie berühre.“

„Kein Wunder.“

Nash war sichtlich empört, doch Samantha ließ sich von seinem Blick nicht einschüchtern. „Sie macht sich mehr Sorgen um das Wohlergehen ihres Pferdes als um ihr eigenes. Solange sie das Gefühl hat, dass sie es vor Ihnen beschützen muss, wird sie Sie weder in seine noch in ihre Nähe lassen.“

„Was schlagen Sie also vor? Soll ich warten, bis sie zusammenbricht, bevor ich sie ärztlich versorgen lassen kann?“ Trotz des Sarkasmus in seiner Stimme erkannte Samantha, dass Nash sich um seine Tochter sorgte. Dass er Colby liebte, war ebenso offensichtlich wie die Tatsache, dass er auf ihren Unfall überreagierte.

Sie seufzte resigniert. Da musste sie sich wohl selbst um die Sache kümmern. „Bleiben Sie hier. Mal schauen, was ich tun kann.“ Sie ging zu Whiskeys Box. Colby stand darin und streichelte ihr Pferd.

„Geh weg“, murmelte sie. „Whiskey und ich brauchen dich nicht.“

„Doch, ich glaube, du brauchst mich“, erwiderte Samantha sanft. „Ich habe dir doch schon gesagt, dass dein Pferd bei mir sicher ist. Ich würde niemals ein gesundes Tier erschießen.“

An Colbys Gesichtsausdruck war zu erkennen, dass sie einen inneren Kampf ausfocht, ob sie Samantha trauen durfte oder nicht. „Schwörst du es?“

Samantha hob die Hand, so wie Colby vorhin, und sagte: „Indianerehrenwort.“

„Warum bist du dann noch hier?“

„Deinetwegen.“

Colby verzog das Gesicht. „Wieso?“

„Whiskey braucht zwar keinen Arzt, aber du.“

Colby berührte vorsichtig die Wunde an ihrer Stirn. „Daddy wollte mit mir ins Krankenhaus.“

Samantha beugte sich vor und schaute sich die Wunde an. „Sieht nicht allzu schlimm aus. Die Wunde müsste ein wenig gesäubert werden. Ein bisschen Salbe und ein kleiner Druckverband drauf, und dann müsste es gehen.“ Misstrauisch betrachtete Colby sie. „Ich dachte, Tierärzte können nur Tiere behandeln.“

„Normalerweise schon. Aber ich habe schon häufig auch Menschen behandelt. Einer meiner häufigsten Patienten ist übrigens mein Neffe. Er hat ständig irgendwelche Verletzungen.“

Colby kam einen Schritt näher. „Das ist kein Trick, damit du mich betäuben und dann mein Pferd erschießen kannst, oder?“

Samantha unterdrückte ein Lachen, angesichts der wilden Fantasie des Mädchens, und erklärte feierlich: „Ehrenwort.“

„Okay“, sagte Colby und kam zur Tür. „Aber Daddy muss mitkommen. Ich trau ihm nicht.“

Dieses Mal konnte Samantha ihr Lachen nicht mehr zurückhalten. Auch sie traute Nash nicht. Sie öffnete die Tür, und Colby kam heraus.

„Das tut doch nicht weh, oder?“, fragte Colby und schaute besorgt zu ihr.

Samantha schloss die Tür und lächelte. „Es brennt nur ein bisschen, mehr nicht.“

Autor

Peggy Moreland

Peggy Moreland hat die Stephen F. Austin State Universität in Nacogdoches, Texas, mit einem BBA (Bachelor of Business Administration) abgeschlossen. Sie veröffentlichte 1989 ihren ersten Roman bei Silhouette Books. Sie war Gewinnerin des „National Readers‘ Choice Award“, war für den „Romantic Times Reviewers Choice Award“ nominiert und zweimal Finalistin beim...

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