Romana Weekend Band 31

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DAS GLÜCK WARTET IN NEW YORK von BARBARA WALLACE

Endlich Wochenende! Alle genießen die Sonne, nur Sophie arbeitet. Bis ein Nachbar anfängt zu hämmern. Doch als sie sich beschweren will, ist sie sprachlos: Vor ihr steht ein umwerfend attraktiver Mann. Leider erlauben Sophies Karrierepläne keinerlei Ablenkung – eigentlich …

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  • Erscheinungstag 25.10.2025
  • Bandnummer 31
  • ISBN / Artikelnummer 9783751533287
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Barbara Wallace, Joanne Rock, Nikki Logan

ROMANA WEEKEND BAND 31

Barbara Wallace

1. KAPITEL

Er tat es schon wieder.

Seit Sophie Messina vor einem Monat eingezogen war, hatte ihr Nachbar tagelang gehämmert und einen unglaublichen Lärm in der Wohnung über ihr veranstaltet. Mit dem Ergebnis, dass sie sich überhaupt nicht konzentrieren konnte.

War ihm denn nicht klar, dass es Leute gab, die am Wochenende ihre Ruhe haben wollten? Oder arbeiten mussten?

Sophie seufzte. Allen Breckinridge, einer der Geschäftsführer ihrer Firma, hatte ihr mitgeteilt, dass er ihren Entwurf für die Firmenfusion am Dienstag bräuchte. Das bedeutete, sie musste ihn erst einmal überprüfen, bevor sie die Zahlen weiterleiten konnte, und dazu blieb ihr wenig Zeit.

Sophie hingegen legte vor allem Wert darauf, effektiv zu arbeiten, denn schließlich wollte sie irgendwann einmal selbst Geschäftsführerin werden. Je früher, desto besser.

Bumm!

Verdammt noch einmal, was machte der Mann da oben nur? Schlug er Löcher in die Wand? Ärgerlich riss sich Sophie die Lesebrille von der Nase und warf sie auf den Esstisch. Das war ja eine Frechheit! Inzwischen hatte sie ihm bestimmt ein halbes Dutzend Zettel unter der Tür durchgeschoben und ihn höflich, aber bestimmt aufgefordert, mit dem Krach aufzuhören.

Schließlich hatte sie damit gedroht, sich bei der Verwaltung über ihn zu beschweren. Doch er hatte all ihre Warnungen ignoriert. Nun, damit musste jetzt endlich ein für alle Mal Schluss sein.

Entschlossen strich sie eine widerspenstige Haarsträhne zurück, die sich aus ihrem langen Pferdeschwanz gelöst hatte, verließ ihr Apartment und trat hinaus in die Lobby.

Früher war das Gebäude aus rötlichem Sandstein, in dem sich ihre Wohnung befand, ein elegantes Stadthaus gewesen, und die Architekten hatten sich große Mühe gegeben, den ursprünglichen Stil zu bewahren. Ein großer Kronleuchter zierte die Eingangshalle, und in der Mitte der Lobby befand sich eine große Freitreppe mit einer für das neunzehnte Jahrhundert typischen Balustrade. Sie verliehen dem Gebäude einen historischen Anstrich, was für Sophie gleichbedeutend mit Stabilität war. Sie mochte Stabilität.

Als sie jetzt die Treppe hinaufstieg, hatte sie das Gefühl, als würde sich das Hämmern mit jedem ihrer Schritte verstärken. Musste der Typ das, was er machte, wirklich so laut machen?

Vor zwanzig Jahren war sie in die Stadt gezogen, weil man dort unbehelligt leben konnte. Dabei war Sophies Einstellung nicht unsozial. Sie zog es nur vor, sich ihre Gesellschaft auszusuchen. Denn wenn sie wirklich alles erreichen wollte, was sie sich vorgenommen hatte, durfte sie keine Zeit verschwenden.

Den Namen ihres Nachbarn kannte sie zufällig, weil sich sein Briefkasten neben ihrem befand. G. Templeton. Er stand auch auf einem Pick-up, der oft vor dem Haus geparkt war. Wahrscheinlich war der Typ Bauunternehmer.

Ob er in seiner Wohnung etwas umbaute? Gegen ihren Willen musste Sophie an das heruntergekommene Umfeld denken, aus dem sie stammte. Ärgerlich versuchte sie, die Geister aus der Vergangenheit wieder zu verbannen. Mit dem Kauf ihrer Eigentumswohnung hatte sie gehofft, all dem für immer zu entgehen.

Andererseits war es gut, dass sie ihre Wurzeln nicht vergessen hatte, denn sie waren die größte Motivation für ihre Arbeit. Nur durch eiserne Disziplin und unermüdlichen Einsatz war es ihr gelungen, das Apartment in diesem schönen Gebäude zu erwerben, und sie hatte gehofft, dass es dort ruhig und friedlich zugehen würde.

Als sie jetzt den zweiten Stock erreicht hatte und der Lärm mit jedem ihrer Schritte schlimmer geworden war, war Sophie so sauer, dass sie Mr. Templeton nur noch ordentlich zusammenstauchen wollte. Entschlossen klopfte sie an seine Wohnungstür, woraufhin von drinnen noch ein Schlag mit dem Hammer erfolgte.

Na gut – dieses Spiel konnte man auch zu zweit spielen. Sie hämmerte wütend an die Tür.

„Mr. Templeton!“, rief sie dabei laut.

„Ich komme ja schon“, kam die mürrische Antwort. Als wäre er derjenige, der gestört wurde!

Sophie verschränkte die Arme vor der Brust. Ich werde ihn daran erinnern, dass es außer ihm noch andere Mitbewohner gibt, die ein ruhiges Wochenende verleben wollen, nahm sie sich vor.

In diesem Moment wurde die Tür geöffnet.

Oh nein! Sophie vergaß ihre Standpauke augenblicklich, denn auf der Schwelle stand der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte, und strahlte eine umwerfende Sinnlichkeit aus.

Seine Haut war glatt und leicht gebräunt, sein Kinn energisch. Seine Nase mochte ein wenig zu lang sein, aber das störte das Gesamtbild nicht. Starke Männer mussten markante Gesichtszüge haben. Die Farbe seines Haars erinnerte an dunklen Honig, und die seiner Augen glich der von Karamellbonbons. Er hatte eine breite Brust, die zum Anlehnen einlud.

Er schien mindestens zehn Jahre jünger zu sein als sie und hielt einen Vorschlaghammer in den Händen, dessen Anblick Sophie wieder in die Realität zurückholte. Wütend funkelte sie den Typen an.

„Mr. Templeton?“

Er musterte sie langsam von Kopf bis Fuß. „Ja, und wer sind Sie?“

Wenn er gedacht hatte, sie irritieren zu können, hatte er sich geirrt. „Ich bin Sophie Messina und wohne unter Ihnen.“

„Ah, die Lady, die all diese Zettel geschrieben hat. Was kann ich für Sie tun, Mrs. Messina?“

„Miss“, korrigierte sie ihn sofort.

Er lehnte sein Werkzeug gegen die Wand und verschränkte wie sie die Arme vor der Brust. „Okay, weshalb sind Sie hier, Miss Messina?“

„In letzter Zeit sind Sie ganz schön laut.“

„Ja, ich renoviere gerade“, erwiderte er. „Ich weide sozusagen das Badezimmer aus und will dort eine Wanne mit Eisenfüßen aufstellen.“

„Interessant.“ Sie strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. „Und ich entwerfe gerade ein Finanzierungskonzept für eine potenzielle Übernahme.“

Er verzog die Lippen. „Ein Finanzierungskonzept, sagen Sie?“

„Ja, ich bin Analystin für Investments bei Twamley Greenwood.“ Sie ging davon aus, dass der prestigeträchtige Name seine Wirkung bei ihm nicht verfehlen würde.

„Schön für Sie.“ Offensichtlich war ihm der ausgezeichnete Ruf ihrer Firma völlig egal. „Aber was wollen Sie von mir?“

War das nicht offensichtlich? „Müssen Sie unbedingt einen solchen Lärm machen? Ich kann mich dabei überhaupt nicht auf die Arbeit konzentrieren.“

„Es ist gar nicht so einfach, mit einem Vorschlaghammer weniger Krach zu machen.“

Sophie biss die Zähne zusammen. Sie kannte diesen herablassenden Ton. „Hören Sie zu“, sagte sie und richtete sich gerade auf. Dabei musste sie leider feststellen, dass er trotzdem noch zehn Zentimeter größer war als sie. „Ich habe Sie schon mehrfach um mehr Ruhe gebeten.“

„Sie haben mich um gar nichts gebeten, sondern mir nur Zettel unter der Tür durchgeschoben.“

„Gut, dann bitte ich Sie jetzt darum.“

„Tut mir leid. Das wird nicht gehen.“

„Wieso nicht?“, fragte sie fassungslos.

„Wie ich Ihnen bereits sagte, muss ich das Bad renovieren. Haben Sie eine Ahnung, was das bedeutet?“

„Ja“, erwiderte sie.

„Wirklich? Ansonsten kann ich es Ihnen gern demonstrieren. Sie können es auch selbst mal versuchen, wenn Sie wollen.“

„Ich …?“ Flirtete er etwa mit ihr? Seine Frechheit verschlug Sophie den Atem.

„Hören Sie, Mr. Templeton, ich habe viel zu tun und …“

„Genau wie ich“, unterbrach er sie. „Wenn der Lärm Sie so sehr stört, würde ich Ihnen empfehlen, Ihr Finanzierungskonzept woanders zu machen.“

Das war nicht der Punkt. Natürlich hätte sich Sophie in ihr schönes Büro im Finanzdistrikt zurückziehen können. Doch sie hatte keine Lust, auch noch am Wochenende nach Manhattan zu fahren. Wozu hatte sie sich eine so teure Wohnung gekauft, wenn sie nicht einmal zu Hause arbeiten konnte?

Was die Frage nahelegte, wieso sich ein so junger Mann ein solch exklusives Domizil leisten konnte. Sophie hatte zwanzig Jahre lang jeden Penny zurücklegen müssen, bis sie dazu endlich in der Lage gewesen war. Vielleicht war er ja Millionär. Wenn er jedoch vermögend war, würde er wohl kaum selbst Hand anlegen.

„Ich würde mich ja auch nicht beschweren, wenn Sie nicht seit über einem Monat einen solchen Höllenlärm veranstalten würden.“

„Was soll ich dazu sagen?“, meinte er und zuckte die Schultern.

Ich muss ihm gegenüber wohl energischer auftreten, dachte sie und bereute es, kein Kostüm angezogen zu haben, denn ihr jetziger Aufzug wirkte ein bisschen zu mädchenhaft.

„Was ist mit den anderen Bewohnern? Hat sich außer mir sonst niemand beschwert?“

„Nicht, dass ich wüsste. Sie sind bisher die Einzige.“

Jetzt musste sie ihm zeigen, dass mit ihr nicht zu spaßen war. „Vielleicht sollte ich den Fall mal dem Verwalter schildern.“

„In Ihrer letzten freundlichen Mitteilung erwähnten Sie diese Möglichkeit ja bereits.“

„Schön, dass Sie sie überhaupt zur Kenntnis genommen haben. Sie wollen das Ganze bestimmt doch nicht an die große Glocke hängen, oder?“

„Es gibt da leider nur etwas zu beachten. Ich bin der Verwalter.“

Das sollte wohl ein Witz sein!

„Die anderen Wohnungsbesitzer wollten nichts mit der Verwaltung zu tun haben und haben mir deshalb diese Aufgabe übertragen.“ Er lächelte. „Wahrscheinlich beschweren sie sich deshalb auch nicht.“

„Unglaublich“, sagte Sophie fassungslos.

„Nicht wirklich. Schließlich bin ich genau der Richtige für diesen Job. So, und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich muss noch ein paar Kacheln von den Wänden klopfen.“ Er griff nach der Klinke.

„Moment!“ Sie stellte schnell ihren Fuß zwischen Tür und Rahmen. „Was schlagen Sie vor, bis Sie fertig sind?“

„In dem Laden um die Ecke gibt es Kopfhörer zu kaufen. Die sollten Sie sich zulegen.“

Sophie hatte kaum Zeit, ihren Fuß zurückzuziehen, da schlug er ihr auch schon die Tür vor der Nase zu.

In der Nacht von Sonntag auf Montag hatte Sophie bis ein Uhr gearbeitet, um Breckinridge endlich den fertigen Entwurf mailen zu können. Obwohl sie gern länger als vier Stunden geschlafen hätte, war daran nicht zu denken gewesen, denn die globalen Märkte erforderten ständige Präsenz. Und wenn man wie sie vorankommen wollte, musste man ranklotzen.

Sie wollte nach ganz oben, damit die Gespenster der Vergangenheit keine Macht mehr über sie haben würden. Gelang ihr das, würde sie früh in den Ruhestand gehen und jeden Morgen bis um elf Uhr im Bett liegen. Wenn die Gerüchte stimmten, dass Raymond Twamley kurz davor stand, die Firma zu verlassen, war sie vielleicht sogar schon zwei Jahre früher als geplant am Ziel.

Sie ging jetzt in die Gemeinschaftsküche und inspizierte die Vorräte. Ja, die Dose mit Kaffee war noch zu einem Viertel voll. Der Karamellton des Pulvers erinnerte sie plötzlich an die Augen ihres Nachbarn. Dabei sollte er ihr eigentlich völlig egal sein. Der Mann hatte ihr schließlich die Tür vor der Nase zugeschlagen und war ein unhöflicher, ungehobelter …

„Na, liest du aus dem Kaffeesatz?“

Sie musste gar nicht aufschauen, um zu wissen, wer die Frage gestellt hatte. Obwohl sie normalerweise Distanz zu ihren Kollegen hielt, machte sie bei David Harrington eine Ausnahme. Er arbeitete in der juristischen Abteilung der Firma. Sophie hatte ihn vor einigen Jahren bei der Weihnachtsfeier kennengelernt und verstand sich ausgesprochen gut mit ihm.

„Nein, ich brauche nur dringend etwas, was mich wachhält“, erwiderte sie.

Der grauhaarige Anwalt ließ sich am Tisch nieder. Obwohl es noch früh am Morgen war, wirkte er in seinem Anzug und mit der blauen Krawatte wie aus dem Ei gepellt. Eigentlich sah er immer so aus.

„Ich wollte mal schauen, wie es dir geht“, sagte er. „Als du am Samstag unsere Verabredung zum Essen abgesagt hast, hast du ziemlich gestresst geklungen.“

Sie sah ihn schuldbewusst an. „Tut mir leid. Ich musste bis spät in die Nacht arbeiten.“

David winkte ab. „Kein Problem. Wir holen das einfach nach.“

„Danke für dein Verständnis.“ Sophie mochte an ihm, dass er so unkompliziert war. Na gut, es gab wahrscheinlich aufregendere Männer als ihn. Doch für eine langfristige Beziehung war David genau der richtige Kandidat.

„Wahrscheinlich wäre es sowieso kein netter Abend geworden. Ob du’s glaubst oder nicht, mein Nachbar hat mir das ganze Wochenende verdorben“, fuhr sie fort und erzählte ihm von ihrem Zusammentreffen mit G. Templeton, ließ jedoch geflissentlich seinen Bizeps und das anzügliche Lächeln aus.

Wie erwartet war David ebenso empört wie sie. „Er hat dir einfach die Tür vor der Nase zugeschlagen?“

„Offensichtlich glaubte er, dass alles gesagt wäre.“

„Wahrscheinlich wollte er sich nur einer weiteren Auseinandersetzung entziehen. Du warst bestimmt nicht die Einzige, die sich über den Lärm beschwert hat.“

„Das behauptet er aber.“

„Unsinn! Ich wette, auf der Eigentümerversammlung wird es von Beschwerden nur so wimmeln.“

„Angeblich ist er der Verwalter. Das bedeutet, niemand wird sich über ihn aufregen.“

David sah sie erstaunt an.

Sophie seufzte. „Ich fürchte, ich muss so lange mit diesem Lärm leben, bis er mit seiner Arbeit fertig ist.“

„Was macht er denn?“

„Angeblich renoviert er sein Badezimmer. Sonntag hat er jedenfalls den ganzen Schutt nach unten getragen.“

„Armes Mädchen! Kein Wunder, dass du gestresst warst. Warum bist du nicht einfach zu mir gekommen?“

„Beim nächsten Mal mache ich das wahrscheinlich auch“, meinte Sophie, obwohl sie wusste, dass sie es nicht machen würde, denn sie verspürte keine Lust, die Wochenenden mit David zu verbringen.

„Jedenfalls bin ich dadurch mit der Arbeit in Verzug“, fügte sie deprimiert hinzu.

„Auch mit dem heutigen Statusbericht?“, fragte ihr Boss Allen Breckinridge, der in diesem Moment die Küche betrat.

Sophie hätte sich um ein Haar verschluckt. Das war wieder einmal typisch – Allen hatte ein Talent dafür, immer im ungeeigneten Moment zu erscheinen.

„Guten Morgen, Allen“, sagte David, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließ. „Hatten Sie ein schönes Wochenende?“

„Ja, ganz erträglich. Joyce und ich waren in den Hamptons. Was den Bericht angeht …“

„Hier ist er“, sagte Sophie hastig und drückte ihm die Kopie in die Hand. Sie verkniff sich zu bemerken, dass sie ihm den Bericht gestern Nacht bereits gemailt hatte.

„Danke“, erwiderte er und überflog die Seiten rasch. Dann warf er David einen auffordernden Blick zu.

„Ich wollte sowieso gerade gehen“, meinte David und erhob sich. „Wenn du noch mehr Informationen über die Unternehmensbewertung brauchst, lass es mich wissen, Sophie.“

„Danke.“ Davids Diskretion gefiel ihr. Er verstand genau, dass sie ihre Beziehung nicht öffentlich machen wollte.

Allen hatte sich unterdessen Sophies Bericht angeschaut. Obwohl sie wusste, dass sie alle Zahlen doppelt und dreifach geprüft hatte, hielt sie den Atem an. Dann legte er die Ausarbeitung beiseite.

„Ich habe ein neues Projekt für Sie“, meinte er unvermittelt. „Franklin Technologies plant den Verkauf von Unternehmensanteilen an der Börse. Ich treffe mich morgen in Boston mit dem Vorstand und brauche bis dahin eine Analyse von Ihnen.“

„Kein Problem.“ Sophie wusste, dass sie mit ihrem Team in nur wenigen Stunden eine Recherche durchführen konnte, die normalerweise einige Tage dauerte.

Es versprach, wieder einmal ein typischer Montag zu werden. Bestimmt würde sie eine Menge Kaffee brauchen.

Nachdem Allen ihr den Auftrag gegeben hatte, schien sich jedoch alles gegen Sophie verschworen zu haben. Immer wenn sie mit der Arbeit beginnen wollte, wurde sie von jemandem aufgehalten. Sie kam nicht einmal zum Essen. Als sie endlich das Büro verließ, fühlte sie sich vollkommen zerschlagen.

Dennoch zwang sie sich, wie jeden Abend noch ins Fitnessstudio zu gehen und vierzig Minuten auf dem Stepper zu verbringen, in der Hoffnung, dass es ihre Stimmung heben würde. Weit gefehlt – danach war sie noch kaputter als vorher.

Verschwitzt und müde machte sie sich auf den Weg zu den Waschräumen. Doch auch hier hatte sie Pech – sie wurden gerade neu gestrichen.

So ein Mist, das hatte Sophie gerade noch gefehlt. Bedrückt dachte sie an die viele Arbeit, die zu Hause noch auf sie wartete. Nein, heute war wirklich nicht ihr Tag!

Und er war noch nicht zu Ende. Die U-Bahn war noch voller als sonst, sodass die Züge heiß und stickig waren. Als sie endlich vor ihrer Wohnungstür stand, konnte sie es kaum erwarten, sich die Kleidung vom Leib zu reißen und unter die Dusche zu gehen.

Erleichtert schob sie den Schlüssel ins Schloss. Endlich war sie zu Hause. Keiner ihrer Freunde verstand, was sie damit verband und wie viel es ihr bedeutete. Oder warum sie so sehr darauf bestand, die Wochenenden dort zu verbringen. Die Tatsache, dass die Wohnung ihr Eigentum war, machte Sophie unglaublich stolz.

An dem Tag, als sie den Kredit dafür aufgenommen hatte, hatte sie ein Ziel erreicht, das sie sich schon als Teenager gesetzt hatte. An diesem Ort konnte sie tun und lassen, was sie wollte. Wenn ihr danach war, konnte sie das Wohnzimmer neongrün anstreichen.

Erleichtert warf sie ihre Sporttasche aufs Bett und ging ins Bad, dessen Wände weiß und grün gekachelt waren. Die Armaturen stammten aus den dreißiger Jahren. David hatte ihr vorgeschlagen, das Ganze zu modernisieren, aber eigentlich gefiel Sophie der altmodische Charme.

Sie zog sich rasch aus, schob den Duschvorhang zur Seite und stellte sich unter die Brause. Dann drehte sie den Hahn auf.

Nichts passierte. Sie runzelte die Stirn und probierte es noch einmal. Wieder nichts.

Das konnte einfach nicht sein. Sie ging zum Spülbecken und probierte es dort, ebenfalls ohne Erfolg. Irgendjemand hatte das Wasser abgestellt.

Nein, nein, nein! Das war doch nicht möglich. Hatte sie etwa eine Benachrichtigung übersehen? Sie zog sich ihren Bademantel über, ging zur Eingangstür und schaute nach, ob dort ein Zettel hing. Nichts.

Am liebsten hätte sie wie ein kleines Mädchen mit dem Fuß aufgestampft und einen Wutanfall bekommen. Warum musste das ausgerechnet heute passieren? Warum nicht am Wochenende?

Plötzlich war ihr alles klar. Sie wusste genau, was geschehen war. Es hatte etwas mit einer Badewanne mit Eisenfüßen zu tun.

2. KAPITEL

„Was soll das heißen, du hast Nein gesagt?“

Grant ignorierte den ungläubigen Ton seines Bruders Mike und trank noch einen großen Schluck Bier. Während er mit Mike telefonierte, sah Grant sich ein Baseballspiel an und ahnte schon, was als Nächstes kommen würde.

„Was für eine schreckliche Sünde hat dein potenzieller Kunde denn jetzt wieder begangen? Hat er die falsche Wandfarbe gewählt?“

„Er wollte alles modernisieren.“

„Oh, das erklärt natürlich alles. In deinen Augen gibt es ja nichts Schlimmeres als zeitgenössisches Design.“

„Entschuldige bitte, das Gebäude war in klassischem Art-déco-Stil gebaut. Weißt du überhaupt, wie selten das ist?“

„Kann schon sein. Aber ist es denn wirklich so schlimm, wenn jemand in einem Haus leben will, das ins einundzwanzigste Jahrhundert passt?“

„Dann sollten man eben in ein Gebäude ziehen, das vor zwanzig oder dreißig Jahren errichtet wurde. Deswegen muss man doch nicht gleich ein architektonisches Juwel aus dem letzten Jahrhundert zerstören!“

„Und das sagt ein Mann, der gerade seine Wohnung in Schutt und Asche legt.“

„Ich lege sie nicht in Schutt und Asche, im Gegenteil. Ich behebe nur eine Bausünde.“

„Schön und gut. Es ist ja nichts dagegen zu sagen, dass du Prinzipien hast. Doch du kannst unmöglich deine Kunden vergraulen. So wird dein Geschäft nie wachsen.“

Ach ja, Erfolg! Wie hatte Grant vergessen können, dass es den Templetons immer nur darum ging? Man musste der Beste sein, und zwar in allem. Grant kannte dieses Mantra seiner Familie in- und auswendig. Die ersten siebenundzwanzig Jahre seines Lebens hatte er auch danach gelebt und darin sogar seinen älteren Bruder übertroffen.

„Vielleicht will ich das gar nicht“, stellte er beiläufig fest.

„Und was ist mit dem Überleben? Hat dir schon einmal jemand erzählt, dass man in unserer Welt ein Einkommen haben muss? Oder hast du in Betriebswirtschaft geschlafen?“

„Betriebswirtschaft habe ich nicht studiert.“ Außerdem verfügte Grant über ein Einkommen aus seinen Investitionen. Damit konnte er eine lange Durststrecke überwinden, was seinem Bruder durchaus bekannt war. „Es werden bestimmt wieder neue Kunden kommen. So war das bisher schließlich immer.“

„Vielleicht. Doch darauf würde ich mich nicht verlassen. Irgendwann wird dir auch dein jungenhafter Charme nichts mehr nützen.“

„Warum nicht? Bisher bin ich damit gut durchgekommen.“

„Du musst langsam mal an deine Zukunft denken.“

Grant wusste, was sein Bruder damit andeuten wollte. Er sollte wieder in die Firma einsteigen, wo er hingehörte. Seine Familie war alles andere als begeistert gewesen, als er sich selbstständig gemacht hatte. Ihrer Meinung nach verschwendete er damit nur seine Zeit.

„Wir machen uns alle Sorgen um dich“, fuhr Mike fort. „Früher warst du immer so klar auf dein Ziel fokussiert.“

Ja, weil er einen Tunnelblick gehabt hatte. Warum verstanden sie nicht, dass er nie wieder wie früher sein konnte? Ihm wurde schon schlecht, wenn er nur an diese Zeit dachte. Schnell trank er noch einen Schluck, um den schlechten Geschmack loszuwerden.

„Das Ganze ist jetzt schon zwei Jahre her“, bemerkte Mike ruhig.

„Zwei Jahre und vier Monate“, korrigierte Grant ihn. Ja, und? Glaubte sein Bruder wirklich, dass er wieder der Mann sein würde, der er früher gewesen war, nur weil inzwischen Zeit vergangen war? Nate Silverman würde sich nie wieder normal bewegen können. Nur das zählte.

„Nate würde sich bestimmt auch wünschen, dass du …“

„Hör auf“, fuhr Grant seinen Bruder an. Sie wussten beide, was er sich wünschen würde. Es hatte nichts mit Grant oder seiner Zukunft zu tun.

Du warst sein bester Freund, Grant. Wieso hast du nicht erkannt, dass er in Gefahr war? Er hat dich doch angerufen, verdammt noch einmal!

Aber Grant war nicht ans Telefon gegangen.

„Können wir bitte das Thema wechseln?“ Er hatte schon genug unter seinen Selbstvorwürfen zu leiden.

„Wie du möchtest“, lenkte Mike ein. „Aber du kannst nicht ewig vor dieser Geschichte davonlaufen, weißt du?“

Dafür sorgte ja schon seine Familie! „Habe ich dir eigentlich schon von meiner neuen Nachbarin erzählt?“

„Die Frau, die dir Zettel unter der Tür durchschiebt?“

„Genau die.“

„Wie ist sie denn so?“

Grant lachte.

„Ein bisschen wie die weibliche Ausgabe von dir.“ Das stimmte wirklich. Sie war genau wie Mike der Ansicht, dass es im Leben vor allem um Arbeit ging.

„Dem entnehme ich, dass ihr miteinander wohl keinen besonders guten Start hattet.“

„Sie hat mir mit dem Verwalter gedroht, woraufhin ich ihr eröffnet habe, dass ich das bin.“

„Verstehe. Jetzt weißt du also, dass du dich auf deinen jungenhaften Charme nicht ewig verlassen kannst.“

„Ich dachte, wir wollten von etwas anderem sprechen.“

„Ich will dich ja nur darauf aufmerksam machen, dass nicht jeder dich charmant findet. Obwohl es mich ziemlich überrascht, dass dir das ausgerechnet bei einer Frau passiert ist.“

„Sie ist glücklicherweise überhaupt nicht mein Typ“, erwiderte er. Was nicht ganz stimmte, denn gut aussehende Blondinen mit schönen Brüsten gefielen ihm durchaus.

Grant musste sich eingestehen, dass Sophie Messina ihm irgendwie bekannt vorgekommen war, denn vor über zwei Jahren war er genauso wie sie gewesen. Deshalb hatte Grant das Gefühl gehabt, die weibliche Version seines früheren Selbst getroffen zu haben.

In diesem Moment klingelte es an der Tür. „Endlich. Mein Abendessen wird geliefert.“

Kaum hatte er es gesagt, fing sein Magen auch schon an zu grummeln. Wenn es um Pizza ging, konnte er einfach nicht widerstehen. Er teilte seinem Bruder mit, dass er ihn im Lauf der Woche anrufen würde, und beendete das Gespräch.

Der Bote schien ziemlich ungeduldig zu sein, denn jetzt klingelte er Sturm. Grant schnappte sich seine Brieftasche und eilte zur Tür.

Doch als er öffnete, musste er feststellen, dass es gar nicht der Pizzabringdienst war. Stattdessen stand ihm eine wütende und verschwitzte Sophie Messina gegenüber. Sie hatte die Arme kämpferisch vor der Brust verschränkt und funkelte ihn wütend an.

„Was haben Sie mit dem Wasser gemacht?“, fuhr sie ihn an, und ihre Augen blitzten.

Grant brauchte eine volle Minute, um zu begreifen, was Sophie meinte. Außerdem erkannte er sie kaum wieder, denn im Gegensatz zu der glamourösen und angespannten Frau, die er bis jetzt kennengelernt hatte, wirkte sie jetzt sehr feminin.

Eine Locke, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatte, war ihr in die Stirn gefallen, und Grant hätte sie ihr am liebsten zurückgestrichen. Ihre Lippen … er verstand überhaupt nicht, dass ihm am Samstag nicht aufgefallen war, wie voll und sinnlich sie waren. Jedenfalls reagierte sein Körper sofort auf ihren Anblick. Wie war er nur darauf gekommen, dass sie nicht sein Typ sein könnte?

„Na?“, fragte sie und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. „Werden Sie es jetzt wieder anstellen?“

„Was denn?“, fragte er, abgelenkt von ihren Augen, die dauernd die Farbe zu wechseln schienen. Auch das war ihm vorher noch nicht aufgefallen.

„Wieso starren Sie mich so an, als hätte ich drei Köpfe?“, sagte Sophie ärgerlich. „Bei mir kommt kein Wasser aus der Leitung. Wahrscheinlich haben Sie es abgestellt, als Sie Ihre Badewanne installiert haben. Da Sie ja offensichtlich nicht mehr arbeiten“, sie warf einen bezeichnenden Blick auf das Bierglas in seiner Hand, „möchte ich Sie bitten, sofort wieder für Wasser zu sorgen, damit ich duschen kann. Sie sehen ja, ich habe es bitter nötig.“

Grant atmete tief ein. „Das ist leider unmöglich“, sagte er dann bedauernd.

Sie runzelte die Stirn. „Wieso?“

„Weil ich es nicht abgestellt habe.“

„Wer denn sonst?“

„Keine Ahnung“, erwiderte er. „Haben Sie Ihre Rechnung bezahlt?“

Sie erstarrte und richtete sich gerade auf. „Ich begleiche meine Rechnungen immer.“

„Ist ja gut, ist ja gut“, erwiderte er beschwichtigend. Verdammt! Da hatte er wohl ins Fettnäpfchen getreten. „Das sollte nur ein Witz sein.“

„Um ehrlich zu sein, ist mir im Moment nicht sehr nach Scherzen zumute. Ich hatte einen langen Tag und will jetzt nur noch duschen.“

Sie sagte das so sehnsüchtig wie ein kleines Mädchen, dem man ein Vergnügen versagt hatte. Grant ging ihr Tonfall richtig zu Herzen.

„Ich würde Ihnen wirklich gern helfen“, sagte er, „aber bei mir kommt das Wasser aus der Leitung. Ich hatte es zwar vorübergehend abgestellt, aber gestern wieder angestellt.“

„Sie haben nicht zufällig meins aus Versehen mit abgestellt, oder?“

„Wie hätten Sie dann heute Morgen duschen können? Außerdem hat jede Wohnung einen eigenen Anschluss.“

„Sind Sie sicher?“

Sie gehörte offensichtlich nicht zu den Menschen, die leicht aufgaben.

„Ganz sicher. Ich fürchte, es bleibt Ihnen gar nichts anderes übrig, als einen Klempner zu bestellen.“

„Na, das ist ja toll!“ Sie schien plötzlich in sich zusammenzusacken. Einen kurzen Moment lang glaubte Grant sogar, Tränen in ihren Augen zu sehen. „Gut, dann muss ich mich wohl oder übel selbst darum kümmern.“ Sie wandte sich unvermittelt ab, drehte sich aber noch einmal zu ihm um. „Andererseits – ist das nicht Ihre Aufgabe? Sie haben mir doch erzählt, Sie wären der Verwalter. Müssen Sie sich dann nicht auch um solche Probleme kümmern?“

Grant schüttelte den Kopf.

„Nein, das ist Sache der einzelnen Bewohner.“

„Alles andere hätte mich auch überrascht.“ Nun wandte sie sich endgültig ab und ging langsam die Treppe hinunter.

Er sah ihr mit gemischten Gefühlen nach. Warum sah sie jetzt so niedergeschlagen aus? Als würde sie jeden Moment zusammenbrechen. Plötzlich fühlte er sich mitschuldig an ihrem Zustand. „Warten Sie“, rief er ihr nach. „Ich kann ja mal unten im Keller nachschauen. Dann bin ich zumindest in der Lage, Ihnen zu sagen, was Sie dem Klempner mitteilen müssen.“

„Danke, dafür wäre ich Ihnen sehr verbunden. Vorausgesetzt, es macht Ihnen nichts aus.“

Und ob es mir etwas ausmacht, dachte Grant. Doch er konnte einfach nicht Nein sagen.

Während Sophie mit ihrem Nachbarn nach unten ging, kam sie zu dem Schluss, dass dieser Mr. Templeton durchaus etwas für sie tun konnte, nachdem er ihr die letzten Wochenenden verdorben hatte. Doch plötzlich fühlte sie sich unbehaglich in ihren Shorts, obwohl sie vorher in der U-Bahn keinen Gedanken an ihr Outfit verschwendet hatte. Andererseits war ihr während der Fahrt auch kein Mann begegnet, der so aussah wie ihr jetziger Begleiter.

Als sie auf dem Weg zum Keller an ihrer Wohnungstür vorbeikamen, griff sie nach der Klinke, um sich in ihrem Schlafzimmer schnell umzuziehen.

Doch ihr Nachbar packte sie am Ellenbogen. „Oh nein“, sagte er, „Sie kommen mit mir.“

Sophie spürte, wie ihr Puls zu rasen begann. „Wieso?“

„Sie gehen mit mir nach unten, damit wir gemeinsam herausfinden, was das Problem ist.“

„Aber ich habe keine Ahnung von Rohrleitungen.“

„Das ist mir egal. Ich möchte Ihnen nur beweisen, dass ich an Ihrem Dilemma nicht schuld bin.“

„Na gut, wie Sie meinen.“ Sie machte einen Schritt zur Seite und gab ihm den Vortritt. Wenigstens spürte sie jetzt seinen Blick nicht mehr im Nacken.

Der schummrige Kellerraum, den sie wenig später betraten, war früher die Küche der Dienstboten gewesen, und dort war es ziemlich stickig. Sophie rang nach Luft, während sie an eingelagerten Kisten und am ehemaligen Essensaufzug vorbeigingen. Sophie streifte dabei mit dem Kopf ein riesiges Spinnennetz und wischte es schnell fort.

Ihr Begleiter, der nichts davon mitbekommen hatte, wies in diesem Moment auf die Heizkörper an der Wand. Sie waren an ein Leitungsrohr angeschlossen, das nach oben führte. Grant ging schnurstracks darauf zu und untersuchte das Verbindungsstück.

„Ich glaube, ich habe ein Leck gefunden“, verkündete er dann. „Kommen Sie her.“

Sophie stellte sich neben ihn.

„Durch diese Leitungen fließt das Wasser zu Ihrer Wohnung. Ich kann es zwar nicht mit Bestimmtheit sagen, aber ich glaube, dass das Ventil gebrochen ist.“

Sophie sah ihn beim Anblick der Kupferleitungen fragend an.

„Beim Verlegen haben die Klempner offensichtlich Ventile eingesetzt, die schon lange nicht mehr verwendet werden. Wenn sich Ablagerungen im Inneren des Rohrs lösen, erzeugt das zu viel Druck auf das Absperrventil, wodurch der Wasserzufluss blockiert wird.“ Er zwinkerte ihr zu. „Sie dürfen sich also jederzeit bei mir entschuldigen.“

„Können Sie das reparieren?“, fragte sie stattdessen.

Er schüttelte den Kopf. „Nein, das fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich. Ich fürchte, Sie müssen einen Handwerker holen.“

Damit war sie also wieder genauso schlau wie vorher. Wo sollte sie jetzt so spät am Abend noch einen Klempner herbekommen? Im Geiste sah Sophie sich am nächsten Tag schon stundenlang auf ihn warten. Das bedeutete, sie würde mit der Arbeit noch mehr in Verzug geraten. Ihrem Boss würde der Grund, warum sie zu Hause bleiben musste, bestimmt ziemlich egal sein. Sie stieß einen leisen Fluch aus.

„Tun Sie sich nur keinen Zwang an“, meinte ihr Nachbar amüsiert.

Sie lächelte zaghaft. „Ich fürchte, ich war in letzter Zeit ein bisschen schwierig, oder? Dafür möchte ich mich entschuldigen.“

Er zuckte die Schultern. „Wahrscheinlich habe ich mich Ihnen gegenüber auch nicht korrekt verhalten.“

„Wegen des Lärms? Oder weil Sie mir die Tür vor der Nase zugeschlagen haben?“

„Ich habe Ihnen nicht die Tür vor der Nase zugeschlagen. Ich habe sie zugemacht.“

„Gut, dann habe ich mich wohl geirrt.“

„Ich nehme Ihre Entschuldigung an.“

„Leider hatten wir miteinander keinen guten Start“, sagte sie bedauernd. „Normalerweise bin ich nicht so zickig. Obwohl meine Assistenten das manchmal durchaus denken.“

„Verlangen Sie denn so viel von Ihren Angestellten?“

„Ich erwarte viel von anderen.“

Er schien über ihre Antwort nachzudenken.

„Genau den Eindruck hatte ich in den letzten Tagen auch von Ihnen.“

Sophie errötete. Es war schon das dritte Mal in der letzten halben Stunde. Verdammt, dieser Mann machte sie nervös. „Soll ich mich schon wieder bei Ihnen entschuldigen?“

„Nein, ich möchte Sie nur daran erinnern, wie wir zueinander stehen.“

„Nämlich?“

„Im Moment sind wir Nachbarn, die einigermaßen gut miteinander auskommen. Wenn wir das Kriegsbeil begraben, könnten wir das ‚einigermaßen‘ sogar streichen.“

Er trat ein wenig näher an sie heran, und unwillkürlich fiel ihr Blick auf seinen offenen Hemdkragen, unter dem etwas von seiner behaarten Brust zu sehen war. Er roch ein wenig nach Bier und Pfefferminz.

Was war nur mit ihr los? Wieso beschäftigte dieser Fremde sie so? Schließlich kannte sie noch nicht einmal seinen …

„Vornamen!“

In dem stillen Kellerraum klang das Wort lauter, als Sophie beabsichtigt hatte. „Ich wollte sagen, ich weiß gar nicht, wie Sie mit Vornamen heißen.“

„Grant.“

„Grant“, wiederholte sie. Jetzt kam er ihr schon vertrauter vor. Sie beschloss, in Zukunft alle unzüchtigen Gedanken an ihn zu verdrängen. „Was halten Sie davon, wenn wir noch einmal von vorn anfangen? Ich bin Sophie Messina.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Sophie Messina.“

Der Griff seiner Hand war fest. Sophie konnte sogar die Schwielen spüren. Sie passten zu einem Mann, der körperlich hart arbeitete. Sie sah ihn an und bemerkte das Funkeln in seinen karamellfarbenen Augen. Dann räusperte er sich, und sie merkte, dass sie noch immer seine Hand hielt. Schnell ließ Sophie sie los, woraufhin ein verlegenes Schweigen entstand.

Irgendwo in der Ferne hörten sie eine Türklingel.

„Oh, verdammt, das habe ich ja völlig vergessen.“

Sophie trat rasch zur Seite, als Grant an ihr vorbeistürmte. „Was denn?“

Er antwortete nicht, sondern eilte die Treppen hoch.

„Warten Sie!“, hörte sie ihn rufen und folgte ihm. Grant stand an der offenen Tür der Lobby und sah nach draußen. Hatte er eine Verabredung gehabt?

Er sah sie zornig an. „Jetzt schulden Sie mir ein Abendessen.“

„Wieso?“

„Ihretwegen habe ich den Pizzaboten verpasst.“

„Warum rufen Sie nicht die Pizzeria an?“

Grant stieß einen Fluch aus und fuhr sich durchs Haar. Es sah ungemein attraktiv aus. „Die Pizza kam von Chezzerones.“

„Oh.“ Das war natürlich ein Problem. Chezzerones machten die beste Pizza in der ganzen Gegend. Aber sie hatten auch klare Richtlinien, was die Zustellung betraf. Wenn man ihre Lieferung nicht in Empfang nahm, wurde man auf die schwarze Liste gesetzt. Und genau das schien Grant gerade zu drohen.

Verdammt noch mal, es sah wirklich so aus, als würde sie ihm ein Abendessen schulden!

3. KAPITEL

„Also gut, dann kommen Sie mit“, sagte sie.

Grant sah sie an und runzelte die Stirn. „Wohin?“

„In meine Wohnung. Sie haben doch gesagt, ich würde Ihnen ein Abendessen schulden.“

Als sie in ihrer Tasche nach dem Schlüssel zu ihrem Apartment suchte, spürte sie Grants Nähe ganz deutlich. Außerdem stieg ihr der Pfefferminzduft, der von ihm ausging, in die Nase, was ihr einen Schauer über den Rücken jagte.

Was zum Teufel war nur mit ihr los? Es war ja schließlich nicht das erste Mal in ihrem Leben, dass sie es mit einem attraktiven Mann zu tun hatte.

Wahrscheinlich brauchte sie einfach nur eine Dusche und eine Nacht ungestörten Schlafs.

Sophies Apartment war u-förmig angelegt. Rechts befand sich der Eingangsbereich, links das Schlafzimmer. Dazwischen lagen das Wohn- und das Esszimmer. In beiden Räumen gab es einen Kamin. Die Küche lag im rückwärtigen Bereich, direkt hinter dem Esszimmer.

Nachdem Sophie die Tür geöffnet hatte, wollte sie in die Küche gehen. Doch dann merkte sie, dass Grant ihr nicht gefolgt war. Er betrachtete die Flügeltür, die die beiden großen Zimmer miteinander verband.

„Sie haben die behalten“, stellte er fest und ließ die Hand leicht über das Holz gleiten.

Sophie nickte. „Ja, für den Moment. Schließlich wohne ich hier erst seit einem Monat. Ich wollte mich eingewöhnen, bevor ich große Veränderungen vornehme.“

„Hat der Makler Ihnen gesagt, dass die Einbauten noch aus der Gründerzeit sind?“

„Ja, das hat er erwähnt.“

„Etta – Mrs. Feldman, die frühere Besitzerin, hat darauf bestanden, dass das Gebäude im Originalzustand erhalten bleibt. Aber die meisten anderen Wohnungen sind inzwischen modernisiert.“

„Mein …“ Sophie verstummte unvermittelt, denn sie wusste nicht, wie sie David betiteln sollte. Freund war ja eigentlich korrekt, aber irgendwie brachte sie das Wort nicht über die Lippen. Außerdem war sie abgelenkt, weil Grant die Finger so zärtlich über die getäfelte Tür gleiten ließ, als würde er eine Geliebte berühren. „Ein guter Bekannter hat mir geraten, das Holz weiß zu streichen.“

„Bitte nicht! Schließlich handelt es sich hier um schwarzen Nussbaum.“

„Ja, und?“

„Nur weiches Holz, wie zum Beispiel Pinie, lässt sich anstreichen. Hartes wie Nussbaum muss poliert werden.“

„Das wusste ich gar nicht“, sagte sie erstaunt. „Kennen Sie Mrs. Feldman gut?“

„Ja, wir haben uns kennengelernt, als sie das Gebäude umbauen ließ. Dabei hat sie mir viel über die Geschichte des Hauses erzählt.“

„Der Makler meinte, sie wäre die ganze Zeit die Eigentümerin gewesen.“

„Das stimmt nicht ganz“, erwiderte Grant. „Das Gebäude stammt aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg. Damals gehörte es bereits der Familie ihres Mannes. Sie hat es nur deshalb in Eigentumswohnungen umgewandelt, um zu verhindern, dass es abgerissen wird. Deshalb hat sie sich auch so sehr dafür eingesetzt, dass es möglichst im Originalzustand erhalten bleibt.“

„Das scheint Ihnen ja auch sehr am Herzen zu liegen.“

Er nickte. „Ja, in den letzten Jahren ist mir das immer wichtiger geworden.“ Es klang irgendwie bedauernd, und eigenartigerweise wirkte er plötzlich irgendwie gealtert.

„Ich muss zugeben, ich habe eine Schwäche für historische Elemente“, sagte sie. „Das Foyer ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie gut Altes und Modernes zusammenpassen können.“

„Ja, das sehe ich genauso“, stimmte er ihr zu, und erneut kam er ihr irgendwie abgeklärt vor.

Doch darüber wollte sie nicht länger nachdenken, denn Grant hatte bereits die Küche betreten und sah sich dort interessiert um.

„Wie gefällt sie Ihnen?“, fragte Sophie, die kaum mit ihm hatte Schritt halten können.

„Ich finde es toll, dass auch hier noch alles original ist.“

Er kniete nieder, um eine Vitrine zu inspizieren. Sophie nutzte die Gelegenheit, um an ihm vorbeizuhuschen, wobei sie versuchte, ihn nicht zu streifen. Aber Grant war zu beschäftigt, um es zu bemerken.

„Sieht so aus, als bräuchten Sie neue Scharniere“, meinte er und öffnete die Schranktür.

„Ich habe mir schon überlegt, ob ich die Küche nicht komplett modernisieren sollte.“ Sophie hatte sie von Anfang an als zu eng empfunden. Nun, da Grant hier war, fiel es ihr noch mehr auf.

„Was würden Sie denn verändern?“

Sie hatte nur eine vage Vorstellung. „Ich würde den Raum auf jeden Fall heller streichen“, sagte sie. „Sonniger. Außerdem denke ich da an neue Fenster und polierte Holzschränke.“

„Klingt so, als wüssten Sie genau, was Sie wollen“, stellte er lächelnd fest. Ihre Blicke begegneten sich, und Sophie merkte, wie sich ihr plötzlich der Magen umdrehte.

„Ach, die Pizza.“ Fast hätte sie vergessen, warum sie überhaupt in der Küche waren. „Was für eine hätten Sie denn gern?“

„Habe ich denn die Wahl?“

„Ja, natürlich. Ich kann es zwar nicht mit denen von Chezzerones aufnehmen, aber ich könnte Ihnen mit einer Pizza Hawaii, Margarita oder einer mit Thunfisch dienen …“

„Du meine Güte!“ Grant stand jetzt direkt hinter ihr, und sie zuckte unwillkürlich zusammen. „Das ist ja fast wie im Supermarkt.“

„Ich habe immer gern etwas zu essen in Reserve, zum Beispiel für Notfälle.“

„Hier“, sagte sie und holte eine Packung aus der Tiefkühltruhe. „Wie wär’s mit einer Pizza Hawaii?“

Er betrachtete die Packung und sah dann Sophie an.

„Gibt es ein Problem?“

„Was muss ich damit machen?“

Sie zeigte auf die Gebrauchsanweisung. „Ich habe meine Lesebrille zwar nicht zur Hand, bin mir aber ziemlich sicher, dass man den Ofen auf zweihundertundzwanzig Grad vorheizen muss.“

„Verstehe.“ Grant rührte sich nicht von der Stelle, und es sah nicht so aus, als ob er Lust hätte, sich selbst um sein Essen zu kümmern.

Sophie seufzte frustriert. Es war wirklich ein langer Tag gewesen. Sie musste sich immer noch um einen Klempner kümmern und ihre Analyse fertigstellen. Eigentlich hatte sie für ihren Nachbarn gar keine Zeit.

Gerade wollte sie es ihm sagen, als ihr Magen laut und vernehmlich knurrte.

„Gut“, meinte sie resigniert. „Ich mache das Abendessen. Erwarten Sie jedoch nicht, dass ich Ihnen die ganze Zeit über Gesellschaft leiste.“

Nachdem sie die Pizza in den Ofen geschoben hatte, entschuldigte Sophie sich bei Grant und flüchtete in ihr Schlafzimmer. Wenn sie sich ein bisschen frisch machte, würde sie wieder mehr sie selbst sein. Immer wieder ertappte sie sich bei dem Gedanken, wie Grants Haut sich wohl anfühlen mochte. Das sah ihr gar nicht ähnlich!

Außerdem hatte sie Wichtigeres zu tun. Sie schaltete ihr Smartphone ein und sah, dass sie inzwischen elf Nachrichten empfangen hatte. Nein, zwölf, denn in diesem Moment traf eine weitere ein.

Sie wusch sich mit einem Schwamm kurz ab, band ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und zog ein langes Kleid aus weichem Jersey an. Als sie gerade ihre Wimpern tuschte, erstarrte sie plötzlich mitten in der Bewegung. Was machst du hier eigentlich, Sophie? Wieso brezelst du dich so auf? Sie betrachtete ihr Spiegelbild, und sofort fielen ihr die Fältchen um Augen und Mund auf, die immer tiefer zu werden schienen. Seit zwanzig Jahren versuchte sie nun schon, nach ihrer Fasson zu leben. Doch in diesem Moment fühlte sie sich wie ein Teenager. Hatte sie es wirklich nötig, Eyeliner aufzutragen, nur um mit einem jungen Mann eine tiefgekühlte Pizza zu essen?

Reiß dich zusammen! rief sie sich zur Ordnung. Verdammt noch einmal, sie war schließlich keine ältere Frau auf der Suche nach Beute. Entschlossen löste sie den Pferdeschwanz und fasste das Haar in einem strengen Knoten zusammen. Viel besser. Jetzt fühlte sie sich wieder mehr wie sie selbst.

Während ihrer Abwesenheit war Grant ins Wohnzimmer gegangen. Als sie jetzt den Raum betrat, sah er sie an und schnitt ein Gesicht.

„Stimmt etwas nicht?“

„Sie sehen ja plötzlich ganz anders aus.“

Warum klang es so, als würde er nicht nur auf ihre Kleidung anspielen? Also wirklich, dachte Sophie, ich muss aufhören, in jede seiner Äußerungen etwas hineinzuinterpretieren. Das Klappern von Tellern riss sie jedoch aus ihren Überlegungen.

„Was machen Sie denn da?“

„Ich decke den Tisch.“

„Das sehe ich.“ Er musste das Geschirr aus der Küche geholt haben, es fehlten nur noch die Servietten. Stattdessen hatte er zwei Blatt Küchenkrepp sorgfältig gefaltet und neben das Besteck gelegt.

„Schließlich können wir die Pizza schlecht aus der Hand essen.“ Er verschwand wieder in die Küche. Sophie folgte ihm und sah, dass er den Inhalt des Kühlschranks inspizierte. „Na, die Auswahl an Getränken ist ja nicht gerade berauschend. Hat Sie die Lust am Einkaufen verlassen?“

„Tut mir leid, dass ich Sie enttäusche“, erwiderte sie, verärgert über seine Kritik.

„Entspannen Sie sich, ich wollte Sie nur ein bisschen auf den Arm nehmen. Eigentlich bin ich ja beeindruckt, denn Sie haben sogar mein Lieblingsbier hier.“ Er zeigte auf eine bernsteinfarbene Flasche. „Möchten Sie auch eins? Oder wollen Sie lieber ein Glas Wein?“

„Um ehrlich zu sein, ich trinke keinen Alkohol.“

„Gar nicht?“

Sie schüttelte den Kopf. „Meine Mutter hatte damit ein Problem.“

„Oh, das tut mir leid.“

„Das muss es nicht. Sie war schließlich nicht Ihre Mutter.“ Normalerweise sagte Sophie immer nur, dass Alkohol ihr nicht bekomme. Doch aus irgendwelchen Gründen erschien ihr diese Erklärung jetzt zu banal. Als sie allerdings bemerkte, wie peinlich berührt er wirkte, bereute sie ihre Offenheit, deshalb fügte sie schnell hinzu: „Nur für Gäste habe ich so etwas im Haus.“

Inzwischen konnte es nicht mehr lange dauern, bis die Pizza fertig war. Sophie griff nach den Küchenhandschuhen. „Leider kann ich Ihnen beim Essen nicht lange Gesellschaft leisten. Ich habe nämlich noch eine Menge Arbeit.“

„Sie sind sehr beschäftigt, oder?“

„Das bringt mein Beruf nun einmal mit sich. Die Börse schläft nie, und ich schlafe auch nicht gerade viel.“

„Nicht einmal dazu nehmen Sie sich Zeit?“

Sophie hatte inzwischen die Pizza aus dem Ofen geholt und wollte sie anschneiden, doch seine Worte ließen sie in der Bewegung innehalten. Aus den Augenwinkeln sah sie ihn grinsen.

„Also, ein paar Stunden kann ich mir schon leisten“, erwiderte sie betont lässig. „Wie viel Schlaf ich bekomme, hängt allerdings davon ab, wie oft ich gestört werde“, meinte sie in Anspielung auf den Lärm, den er verursacht hatte.

Doch er überging die Spitze. „Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob es die ganze Mühe überhaupt wert ist?“

„Nein, natürlich nicht“, erwiderte sie empört. „Erfolg wird einem schließlich nicht in den Schoß gelegt. Wenn Sie etwas erreichen wollen, müssen Sie sich schon anstrengen.“

Sie stellte die Pizza auf einem Holzbrett mitten auf den Tisch und ließ sich in ihrem Lieblingsstuhl nieder. Grant nahm ihr gegenüber Platz. Wie lange war es her, dass sie zuletzt einen Gast zum Essen gehabt hatte? Sophie konnte sich nicht daran erinnern. David ging mit ihr am liebsten in Restaurants … und davor? Es fiel ihr niemand sonst ein.

Wieder summte ihr Smartphone. Inzwischen waren es schon fünfzehn E-Mails, die sie nicht beantwortet hatte.

Grant ließ sich die Pizza genussvoll schmecken. „Gar nicht schlecht“, sagte er dann. „Natürlich nicht so gut wie die von Chezzerones, aber für eine Tiefkühlpizza ziemlich ordentlich.“

„Es freut mich sehr, dass ich Ihrem verwöhnten Gaumen genügen konnte.“

„Sie sollten auch mal ein Stück davon probieren, bevor sie kalt wird“, schlug er vor.

Sophie sah leicht genervt auf, und er hob abwehrend die Hand. „Nein, ich weiß, Sie wollen endlich arbeiten. Das hört wohl nie auf, oder? Ich meine, dieser Druck. Egal, wie viel man leistet, es gibt immer noch mehr zu tun.“

„Woher wissen Sie das? Haben Sie meine To-do-Liste gesehen?“

Er antwortete nicht gleich, sondern nahm sich noch ein Stück. „Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?“

„Wie persönlich?“, fragte sie alarmiert.

„Welches Ziel wollen Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?“

Oh. Damit hatte sie nicht gerechnet. „Ich habe es Ihnen doch schon in der Küche gesagt. Ich will vorankommen.“

„Nur voran?“

„Ich möchte Geschäftsführerin werden.“

„Ganz schön ehrgeizig. Und dann?“

„Dann bin ich ganz oben.“ Niemand in ihrer Familie hätte damit gerechnet, dass sie es so weit bringen würde. „In dieser Position werde ich diejenige sein, die anderen mit E-Mails auf den Wecker geht.“

„Klingt so, als hätten Sie alles bis ins kleinste Detail geplant.“

„Allerdings.“ Sie zögerte kurz und setzte hinzu: „Ich bin in der Firma als Junioranalystin eingestiegen und habe es inzwischen zur Senioranalystin gebracht. Wenn ich Glück habe, werde ich demnächst Geschäftsführerin. Es geht das Gerücht um, dass einer der Direktoren demnächst in den Ruhestand gehen wird. Dann wäre ich automatisch seine Nachfolgerin.“

„Und dann?“

„… kann ich mich auf andere Ziele konzentrieren.“

„Auf welche denn noch?“ Grant beugte sich vor und legte Sophie ein Stück Pizza auf den Teller.

Sie seufzte. „Mir war nicht klar, dass dieses Dinner in ein Verhör ausarten würde.“

„Ich bin nur neugierig.“

„Also gut. Wenn Sie es unbedingt wissen wollen: Ich habe eine To-do-Liste bezüglich meines Lebens.“ Darauf standen Dinge, die sie bereits erreicht hatte, und andere, die sie noch im Fokus hatte. So zum Beispiel einen Abschluss in Betriebswirtschaft, ein eigenes Haus und einen gut dotierten Job. Außerdem wünschte sie sich einen erfolgreichen, erfahrenen Mann als Ehepartner und ein Sommerhaus.

„Dann scheinen Sie sich ja ganz schön festgelegt zu haben.“

Das stimmte, aber bisher war ihre Strategie ja aufgegangen. Jedenfalls mehr, als er wissen konnte. Wahrscheinlich hatte Grant mit seinem umwerfenden Lächeln bisher jede Hürde im Leben spielend genommen. „Finden Sie nicht, dass man seine Zukunft planen sollte?“

Ihr fiel auf, dass er bei der Frage zusammenzuckte. Ein distanzierter Ausdruck trat in seine Augen. Dann schüttelte er heftig den Kopf. „Wo bleibt da die Überraschung?“

„Ich mag Unvorhergesehenes nicht besonders und ziehe es vor, auf Risiken vorbereitet zu sein. Wenn Sie erst einmal so alt sind wie ich, werden Sie das verstehen.“

Sein verführerisches Lächeln wurde breiter. „Sie klingen ja wie meine Mutter.“

„Von den Jahren her könnte ich es doch auch fast sein.“

„Unsinn!“

„Na gut, so betagt bin ich nun auch wieder nicht, älter als Sie jedoch auf jeden Fall.“

Er trank einen großen Schluck Bier. „Reif fürs Altersheim sind Sie aber auch noch nicht. Außerdem kann ich Ihnen versichern, dass Sie meiner Mutter überhaupt nicht ähnlich sehen.“ Wie zum Beweis unterzog er sie von Kopf bis Fuß einer genauen Musterung.

Sophie war dabei äußerst unbehaglich zumute. Um ihrer Verlegenheit Herr zu werden, versuchte sie, sich auf ihre Pizza zu konzentrieren. Doch während sie mit einem scharfen Messer die harte Kante bearbeitete, spürte sie, dass sie knallrot geworden war.

In diesem Moment klingelte ihr Handy und brach das bedrückende Schweigen.

„Die Pflicht scheint zu rufen“, hörte sie Grant sagen.

„Wie immer“, erwiderte sie. Es juckte ihr in den Fingern, endlich all ihre E-Mails zu beantworten.

„Na gut, dann werde ich jetzt mal gehen. Schließlich möchte ich Ihren Aufstieg auf der Karriereleiter nicht behindern.“

„Das ist sehr freundlich von Ihnen“, erwiderte Sophie, der sein sarkastischer Unterton nicht entgangen war. Si...

Autor

Joanne Rock
<p>Joanne Rock hat sich schon in der Schule Liebesgeschichten ausgedacht, um ihre beste Freundin zu unterhalten. Die Mädchen waren selbst die Stars dieser Abenteuer, die sich um die Schule und die Jungs, die sie gerade mochten, drehten. Joanne Rock gibt zu, dass ihre Geschichten damals eher dem Leben einer Barbie...
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Nikki Logan
Nikki Logan lebt mit ihrem Partner in einem Naturschutzgebiet an der Westküste Australiens. Sie ist eine große Tierfreundin. In ihrer Menagerie tummeln sich zahlreiche gefiederte und pelzige Freunde. Nach ihrem Studium der Film- und Theaterwissenschaften war Nikki zunächst in der Werbung tätig. Doch dann widmete sie sich ihrem Hauptinteresse: dem...
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