Julia Arztroman Band 38

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EIN WUNSCH GEHT IN ERFÜLLUNG von MEREDITH WEBBER

Die Psychologin Daisy sehnt sich nach einer Familie. Doch nach einer gescheiterten Beziehung hat sie geschworen, sich nie wieder zu verlieben. Da scheint eine Vernunftehe mit Dr. Julian Austin die perfekte Lösung. Bis Daisy gegen ihren Willen immer stärkere romantische Gefühle für den attraktiven Kinderarzt hegt ...

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  • Erscheinungstag 25.10.2025
  • Bandnummer 38
  • ISBN / Artikelnummer 9783751533416
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Meredith Webber, Jennifer Taylor, Deanne Anders

JULIA ARZTROMAN BAND 38

Meredith Webber

1. KAPITEL

Daisy lag auf ihrem Bett, starrte zur Decke und fragte sich, ob sie den größten Fehler ihres Lebens begangen hatte, als sie ihre psychologische Beratungssendung im Radio kündigte.

Sicher, ab Montag trat sie ihren neuen Teilzeitjob an, und sie hatte immer noch ihre interaktive Beratung im Internet, aber nun würde die Radiosendung von jemand anderem übernommen werden.

Sie war ihr ans Herz gewachsen wie ein eigenes Kind.

Ein eigenes Kind!

Du meine Güte! Würde sie diesen verrückten Plan wirklich durchziehen? Konnte und durfte sie es?

Ihr Baby! Ein Kind, dem sie all die Liebe geben konnte, die ihr versagt geblieben war – all die Liebe, die ihr das Herz fast überfließen ließ. Aber war es dem Kind gegenüber fair, dass sie ihm einen Elternteil vorenthielt?

Das Klingeln des Telefons riss sie aus ihren Gedanken.

Wie ein über Bord gegangener Seemann nach dem Rettungsring griff, so packte sie den Hörer. Ablenkung war jetzt alles.

„Hallo?“

„Daisy, ich bin es, Gabi. Tut mir Leid, dass ich dich schon so früh anrufe, aber ich bin oben im Penthouse. Du weißt, dass Madeleine und Graham Frost nicht da sind?“

Ohne Daisys Antwort abzuwarten, fuhr Gabi, die im vierten Stock des Apartmenthauses wohnte, fort: „Und Ingrid tobt vor Wut. Sie packt gerade und verflucht dabei Madeleine und ihren Bruder Julian. Zumindest glaube ich, dass sie es sagt, da das meiste auf Schwedisch ist – und sie spricht von Kühen. Aber vielleicht ist es auch Schwedisch und bedeutet etwas ganz anderes.“

Daisy unterdrückte ein Kichern, als sie sich die köstliche Szene vorstellte. Sie wusste, wie temperamentvoll das schwedische Kindermädchen war.

„Ich muss zur Arbeit“, fuhr Gabi fort. „Und du kennst Ingrid besser als wir alle, meinst du, du könntest vielleicht …“

„Ich dusche schnell, dann komme ich sofort hoch“, versprach Daisy.

Zumindest hatte sie jetzt etwas, das sie für eine Weile ablenkte.

Beim Duschen musste sie an Ingrids Schutzbefohlene Shaun und Ewan denken.

Sie kannte Ingrid und die beiden Zwillinge, weil sie mit den dreien oft in den nahen Park gegangen war – einfach aus Freude daran, die beiden Kinder beim Spielen, Herumrennen, Lachen und Rangeln zu beobachten.

Ersatzkinder, wie sie wusste. Irgendwann hatte sie dann die bedeutungsvolle Entscheidung getroffen, mit der Nachtarbeit aufzuhören, wieder ein normales Leben zu führen und ein eigenes Kind zu bekommen.

Obwohl sie seit den vielen Wochen nach der Kündigung ihrer Radiosendung Zeit genug gehabt hatte, sich an den Gedanken zu gewöhnen, zog sich ihr noch immer der Magen zusammen, wenn sie länger darüber nachdachte. Es war eine Mischung aus Angst und Aufregung. Sie schob rasch den Gedanken daran beiseite und konzentrierte sich auf die Zwillinge. Wie würden sie reagieren, wenn ihr Kindermädchen sie verließ, obwohl beide Eltern fort waren?

Sie griff nach den erstbesten Kleidungsstücken, bekam eine weiße Jeans und ein indisches Baumwollhemd in leuchtendem Pink zu fassen, zog beides an und fuhr sich kurz mit der Bürste durch ihre dichte schwarze Lockenmähne.

Jetzt galt es Ingrid davon abzuhalten, einfach zu verschwinden.

Rasch fuhr sie mit dem Fahrstuhl nach oben in den fünften Stock. Die Türen öffneten sich zum Penthouse, und Gabi erwartete sie bereits.

„Ich muss dringend los“, sagte sie über den Lärm hinweg. „Viel Glück.“ Damit verschwand sie im Lift.

Daisy schloss einen Moment die Augen, um Kraft zu sammeln.

„Hallo!“ rief sie dann, um sich wenigstens anzukündigen.

Niemand antwortete. So folgte sie dem Lärm und kam dabei an einem Zimmer vorbei, in dem Ingrid gerade hektisch ihre Habseligkeiten in einen Koffer stopfte. Das nächste Zimmer war das der Zwillinge.

Es war in zwei Bereiche geteilt. Im ersten spielten die Kinder, im anderen, kleineren, schliefen sie.

Mitten im ersten Raum saß ein sehr großer Mann auf einem sehr schmalen Stuhl an einem sehr kleinen Tisch.

Als Erstes fiel ihr sein kräftiges dunkles Haar mit ein paar grauen Strähnen darin auf. Mehr bekam sie allerdings nicht mit, weil die Zwillinge sie ablenkten. Beide lagen auf dem Fußboden, die roten Gesichter waren tränenüberströmt, sie schlugen wild mit Armen und Beinen um sich und kreischten dabei wütend.

Der große Mann wandte sich zu ihr um.

„Ich habe versucht, sie zu beruhigen, und da das nicht hilft, ignoriere ich sie einfach“, sagte er ruhig. Nun sah Daisy auch sein Gesicht richtig. Freundlich, wenn auch im Moment mit einer Falte auf der Stirn, aber in seinen Augen war kein Ärger zu erkennen. Sie meinte sogar ein Lächeln darin zu sehen. „Ich nehme an, Sie sind Daisy.“

„Ignorieren scheint auch nicht zu helfen“, betonte Daisy, aber ihre Kritik beeindruckte ihn offenbar nicht.

Sie setzte sich auf den Boden und hob eins der Kinder auf den Schoß. Es war Shaun, auch wenn sie einem anderen nicht hätte erklären können, woher sie das wusste.

„Pscht, mein Kleiner“, murmelte sie und wiegte ihn sanft hin und her. Dabei streichelte sie gleichzeitig Ewan den Arm. „Wenn du weinst, regst du Ewan nur auf. Sieh doch nur, wie unglücklich er ist. Und schau, wie komisch Onkel Julian auf eurem Stuhl aussieht! Willst du nicht zu ihm gehen, und ich tröste Ewan?“

Aber der Vorschlag kam nicht an, denn er schlang ihr die kleinen Ärmchen fest um den Hals.

„Na schön, dann setz dich auf mein Knie, damit Ewan auch Platz hat“, schlug sie vor und hob seinen Bruder hoch.

Ewan schluchzte jetzt nur noch leise, und innerhalb von Sekunden waren die beiden schon dabei, sich zu treten und zu schlagen.

„So, das reicht!“ sagte Daisy streng. „Hört auf zu weinen und erzählt mir, was los ist.“

„Falsche Frage“, gab der große Mann seinen Senf dazu.

Das merkte sie auch sofort, denn die beiden fingen wieder an zu weinen, und die Erklärungen wurden undeutlich.

Sie bemühte sich, die beiden zu beruhigen, und war nur froh, dass sie keine Drillinge schaukeln musste. Als dann endlich das Schniefen und herzzerreißende Schluchzen nachließ, sagte sie: „Was haltet ihr davon, wenn ihr jetzt ruhig spielt, und ich rede kurz mit Ingrid?“

„Viel Spaß!“ kam eine gemurmelte Bemerkung, während sich die beiden Dreijährigen noch enger an sie kuschelten, als wäre ihr Schoß der einzig sichere Ort auf dieser bösen Welt.

„Wenn ich hier sitze, kann ich nicht mit ihr reden.“ Sie setzte die beiden auf den Teppich und zog eine große Plastikgarage heran. „So, damit könnt ihr spielen. Onkel Julian kann euch noch ein paar Autos von den Regalen holen.“

Sie richtete ihre Worte direkt an den Mann und hoffte, er würde auf die Aufforderung reagieren und seinen Beitrag dazu leisten, die Situation zu entspannen. Ein paar flotte Sprüche reichten da nicht.

Er sprang mit für seine Größe bemerkenswerter Geschmeidigkeit auf, ging hinüber zu den Regalen und durchforstete die Reihen kleiner Autos und Lastwagen.

Onkel Julian! Als Madeleine mit den beiden von einem Urlaub bei ihrem Onkel zurückkehrte, hatten die Jungen von nichts anderem mehr gesprochen. Er hatte in London gelebt und gearbeitet, und als Ingrid sich eine ernsthafte Verletzung am Bein zuzog, hatte Madeleine darauf bestanden, dass sie nach Stockholm zurückflog, bis sie wieder ganz gesund war. Sie und die beiden Kinder blieben während dieser Zeit bei Julian in London.

Nun war Onkel Julian hier.

Sogar direkt neben ihr. Er kniete auf dem Boden, stellte die Wagen auf die verschiedenen Etagen und gab Motorgeräusche von sich, als er mit den kleinen Autos die Rampen hinabraste und die beiden Kinder animierte mitzumachen.

So nahe, wirkte er auf einmal noch größer, und plötzlich ging ihr Atem schneller.

„Julian Austin“, stellte er sich förmlich vor, wobei er weiter mit den Autos um die Garage herumjagte.

„Daisy Rutherford.“ Daisy musterte sein Gesicht. Er hatte dunkle Augenbrauen, eine kräftige Nase und Lippen, die aussahen, als lächele er gern. „Wissen Sie, weshalb Ingrid sich so aufregt?“

Nun lächelte er tatsächlich und blickte sie dabei an. Daisy fand seine Augen faszinierend. Die Farbe war eine Mischung aus Blau und Grün und erinnerte sie an das tiefe, in der Sommersonne schimmernde Meer, an dessen Strand sie als Kind immer Urlaub gemacht hatte.

„Ich glaube, es war meine Frage, ob sie ein Kind von mir wolle.“ Ein humorvolles Glitzern tauchte in seinen Augen auf.

„Oh, wirklich?“ Sie schnaubte abschätzig. Er machte nur einen Witz. „Dummes Mädchen! Man sollte doch denken, eine solche Gelegenheit dürfte sie sich nicht entgehen lassen.“

Julian Austin nickte ernst.

Ihr blieb fast der Mund offen stehen. „Es war doch nur ein Spaß, oder?“ Sie musste sich geirrt haben.

Überrascht sah er sie an und zuckte mit den Schultern. „Warum sollte ich bei so etwas scherzen?“

Es war kein Spaß gewesen.

„Weil man nicht einfach in eine Wohnung geht und das Kindermädchen fragt, ob es ein Kind von einem haben wolle. Es … es …“

Ihr fiel das richtige Wort nicht ein.

„Gehört sich nicht?“ fragte er ruhig. „Aber es ist eine vernünftige Abmachung, und ich dachte, sie wüsste es.“

Daisy schloss die Augen und holte tief Luft. Dann öffnete sie sie vorsichtig wieder. Sie träumte doch nicht etwa?

Nein. Aber der lange Atemzug hatte ihrem Gehirn gut getan.

„Kennen Sie sie schon eine Weile? Umwerben Sie sie schon längere Zeit? Vielleicht sollten Sie Ihren Vorschlag ein wenig romantischer darbieten. Zum Beispiel: Ich liebe dich und will dich heiraten. Bestimmt ist das besser als: Willst du ein Kind von mir?“

Er bewegte sich unruhig. Das Knien schien ihm nicht zu behagen. Er setzte sich hin, die Beine lang ausgestreckt.

„Aber das stimmt nicht. Ich meine das mit der Liebe. Wir kennen uns kaum. Ich bin erst zwei Tage hier, wie soll ich sie da lieben können? Und dass es außerhalb der Medien so etwas wie romantische Liebe gibt, wage ich zu bezweifeln. Zumindest nicht bei Menschen, die die Pubertät hinter sich gelassen haben. Aber Madeleine erzählte mir, Ingrid wolle einen Arzt heiraten, und ich bin Arzt, also warum nicht? Und so wie Madeleine darüber redete, dachte ich, sie hätte Ingrid bereits den Vorschlag gemacht und Einzelheiten besprochen. So ist es doch nur natürlich, dass mir die Worte herausrutschten, als ich sah, wie wundervoll sie mit den Kindern umging.“

„Vollkommen klar. Und Sie meinen, Madeleine hätte schon alles geregelt?“ Das war noch weniger zu glauben. Madeleine war absolut nicht der Typ, der die Hochzeit anderer Leute arrangierte.

Doch jetzt war nicht der geeignete Zeitpunkt, an Madeleines Lebensweise oder ihrer Fähigkeit als Kupplerin herumzumäkeln, geschweige denn, Julians überwältigenden Mangel an Feingefühl anzuprangern. Nicht, wenn sie Ingrids Abreise verhindern wollte. Fassungslos schüttelte Daisy den Kopf, stand auf und ging hinüber zu Ingrids Zimmer.

„Ingrid!“ Trotz der offenen Tür klopfte sie höflich an. Die Blondine ließ sich nicht stören, sondern warf ihren Kofferdeckel zu. „Darf ich hereinkommen?“

Ingrid zuckte nur kurz mit den Schultern.

„Ingrid, reden Sie mit mir. Sagen Sie mir, was los ist. Wir finden schon einen Weg. Sie können doch nicht einfach weggehen und die Kinder sich selbst überlassen.“

„Ich gehe“, verkündete Ingrid, knallte den Koffer auf den Boden und warf persönliche Dinge in den kleineren, der noch auf dem Bett lag. „Madeleine hat mich betrogen.“

„Madeleine? Ich dachte, Sie haben sich über Julian aufgeregt.“

„Über den auch!“ grollte Ingrid. „Aber Madeleine hat mich betrogen. Sie wollte mich zur trächtigen Kuh machen. Ihre Kinder interessieren mich nicht.“

Trächtige Kuh? Gabi hatte tatsächlich richtig gehört.

„Wir sagen Zuchtstute, nicht trächtige Kuh“, berichtigte sie sie automatisch. „Pferde, nicht Kühe. Was hat Madeleine denn getan?“

„Ihrem Bruder erzählt, ich würde sein Kind austragen – wie eine … Zuchtstute, verstehen Sie?“

Daisy bedauerte, überhaupt gefragt zu haben. Ingrids Antworten ließen alles nur noch wirrer erscheinen.

„Da müssen Sie sich geirrt haben“, erwiderte sie fest, auch wenn Julian das Gleiche gesagt hatte.

Aber es konnte doch nicht sein …?

„Wie auch immer, ich gehe. Ich habe Madeleine gesagt, dass ich gehen will. In Japan kann ich gutes Geld als Hostess in einem schicken Restaurant verdienen.“

„Aber es ist ein fremdes Land, mit einer ganz anderen Sprache, und außerdem ist das Leben dort sehr teuer.“ Daisy hoffte, diese ziemlich vagen Informationen würden sie umstimmen. Ingrid war ausgesprochen sparsam.

„Der Besitzer stellt eine Wohnung, und ich kann Englischunterricht geben und mir Geld hinzuverdienen.“ Daisy unterdrückte nur mit Mühe ein Lächeln. Es würde Ingrid noch mehr verletzen.

„Was ist mit den Zwillingen? Sie werden verzweifelt sein, wenn Sie gehen, besonders, da Madeleine fort ist. Könnten Sie nicht bleiben, bis sie und Graham zurückkommen? Es sind doch nur vier Wochen.“

Ingrid schüttelte den Kopf, besaß aber immerhin so viel Anstand, verlegen dreinzuschauen, weil sie Madeleine und Graham im Stich ließ.

„Jetzt ist dieser Job frei, nicht in vier Wochen“, murmelte sie, und Daisys Mitgefühl verwandelte sich in Zorn.

„Sie haben nur abgewartet, bis Madeleine und Graham fort sind“, beschuldigte sie sie. „Mit Julian hat das nichts zu tun.“

Ingrid funkelte sie aus ihren blauen Augen böse an.

„Doch. Ich wäre geblieben … und hätte mir später einen Job in Japan gesucht.“

Aber ihr Blick war unstet, und Daisy war sicher, ihre Vermutung stimmte. Natürlich würde sie es Julian nicht erzählen. Solange er glaubte, an all dem Schlamassel schuld zu sein, würde er eher bereit sein, sich um die Zwillinge zu kümmern.

„Hier ist meine Adresse. Madeleine kann mein restliches Gehalt dorthin schicken.“

Ingrid drückte Daisy einen Zettel in die Hand, stopfte ein paar Papiere in ihre Handtasche, eins davon sah verdächtig nach einem Flugticket aus, ergriff die beiden Koffer und marschierte hinaus.

„Großartig!“ murmelte Daisy vor sich hin. Dann aber eilte sie der Schwedin nach. „Wollen Sie nicht wenigstens den beiden Lebewohl sagen?“ fragte sie, als Ingrid die Koffer abstellte und den Fahrstuhlknopf drückte.

Zum ersten Mal konnte sie zu der jungen Frau durchdringen. Ingrids Augen schimmerten feucht.

„Es würde mich nur traurig machen“, sagte sie. „Sie waren für mich wie eigene Kinder, aber sie sind es nicht. Kindermädchen zu sein, bekommt mir nicht.“

Daisy verstand sie. Sie drückte die weinende junge Frau kurz, wünschte ihr Glück und blieb, bis sich die Türen schlossen.

„Na, das war ja eine großartige Hilfe!“

Sie drehte sich um. Julian stand an der Apartmenttür.

„Sie hatte bereits ein Flugticket. Sie wäre auf jeden Fall gegangen“, erwiderte sie.

„Und ein Taxi wartet auf sie. Der Fahrer hat gerade von unten aus angerufen.“ Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. „Sie wäre auf jeden Fall gegangen?“

Daisy verfluchte sich stumm. So viel zu den Schuldgefühlen!

„So sieht es aus.“ Sie hatte allerdings nicht die Absicht, ihn so leicht davonkommen zu lassen. „Aber Sie haben die Sache noch beschleunigt. Warum um alles in der Welt fragen Sie eine Frau, die Sie so gut wie gar nicht kennen, ob sie ein Baby von Ihnen haben will?“

Shaun erschien und verlangte, dass sein Onkel wieder mit ihm spielte. Julian hob den Jungen auf den Arm und drehte sich zu Daisy um. „Weil ich mindestens ein Kind haben möchte. Zwei oder drei wären besser, aber es ist schwierig, Zwillinge oder Drillinge auf Abruf zu zeugen. Deshalb wäre ich für den Anfang mit einem zufrieden.“

Da er weiterging, folgte sie ihm. Diese bizarre Situation musste sie einfach klären.

„Für Frauen ist es immer einfacher, wenn sie sich für Kinder entscheiden“, fuhr er fort, als unterhielten sie sich übers Wetter. „Weil sie das Kind ja austragen, brauchen sie sich im Fall des Falles nur einen Mann zu suchen, der sie schwängert. Oder sie nehmen den Dienst einer Samenbank in Anspruch.“

Der Mann lebt wirklich in einer anderen Welt, dachte Daisy. Sie hatten das Spielzimmer erreicht. Julian hockte sich auf den Boden und spielte Autorennen mit den beiden Jungen, während er sich weiter unterhielt. Für ihn war es offenbar ein ganz normales Thema.

„Ein Mann hingegen braucht eine Frau, die bereit ist, ein Kind auszutragen und möglicherweise die ersten Monate zu stillen. Ich glaube, ein Kind ist mit zwei Elternteilen besser dran, deswegen dachte ich, eine Ehe …“ Er blickte kurz zu ihr herüber. „Ich meine, um der Kinder wegen alles legal zu machen, aber eine Ehe zu gegenseitigem Vorteil für beide Elternteile. Ich sehe nicht abstoßend aus, denke ich, bin ein gepflegter Mann, Nichtraucher und trinke gern ab und zu ein Glas Bier oder Wein. Doch das könnte ich einem Partner zuliebe sogar aufgeben. Ich verdiene gut, oder werde es zumindest, sobald ich meine eigene Praxis eröffnet habe. In manchen Kreisen würde man mich wohl als gute Partie bezeichnen.“

Er nahm Ewan einen Wagen aus dem Mund und fuhr fort, als wolle er Daisy davon überzeugen, dass er nicht den Verstand verloren hatte.

Dafür musste er aber noch viel tun!

„Es geht um die praktische Seite, wissen Sie? Männliche Geburtshelfer bekommen niemals ein Kind, die meisten Orthopäden haben noch nie ein neues Knie bekommen, und Neurochirurgen müssen nicht unbedingt einen Gehirntumor haben …“

„Okay, ich habe es kapiert – man muss die Erfahrung nicht persönlich gemacht haben, um ein Problem zu lösen. Was hat das mit Ihnen zu tun?“

„Bei einem Kinderarzt ist es anders, und …“

„Sie sind Kinderarzt?“

Diesmal überging er Daisys Zwischenfrage einfach.

„Ich erzähle also den Leuten, wie sie ihre Kinder aufzuziehen haben, und was sie tun und lassen sollen. Aber irgendwann kommt unweigerlich die Frage, ob ich selbst welche habe. Und wenn ich verneine, ändert sich schlagartig ihr Gesichtsausdruck, und man sieht ihnen förmlich an, dass alles, was ich sage, an Bedeutung verliert. Was wirklich schade ist, da ich in vielen Dingen Recht habe, sie es aber nicht einmal ausprobieren, denn woher sollte ich es denn wohl wissen …?“

Langsam begann Daisy zu verstehen.

„Und was wissen Sie?“

„Eine ganze Menge“, erwiderte er selbstbewusst, ohne darüber das Spiel mit den Jungen zu vernachlässigen. „Ich habe an Spitzenkrankenhäusern in aller Welt gearbeitet, aber auch mit behinderten Kindern und solchen mit Verhaltensauffälligkeiten. Kennen Sie sich mit Verhaltensmustern aus?“

„Ein bisschen.“ Daisy sah, wie im nächsten Moment Überraschung in seinen blaugrünen Augen auftauchte und noch etwas – Verlegenheit?

„Daisy Rutherford! Sie nennen mir Ihren Namen, und bei mir fällt nicht einmal der Groschen!“ Er stand auf und hielt ihr die Hand hin. „Entschuldigen Sie bitte“, bat er. „Ich hatte ja keine Ahnung. Typisch Madeleine, dass sie mir nicht erzählt, dass Sie im selben Haus wohnen. Ich finde Ihre Veröffentlichung über Belohnung und Strafe exzellent. Wir sind zu lange den Weg der Belohnung gegangen. Bestrafung muss sein, aber wie Sie hervorheben, sie muss angemessen, nicht verletzend sein und der Schwere des Verbrechens entsprechen.“

„Ich bin sicher, das Wort Verbrechen habe ich nicht benutzt“, protestierte Daisy und wunderte sich, warum sie immer noch seine Hand festhielt.

Weil sie sich warm und irgendwie sicher anfühlte, auch wenn das völlig verrückt war. Rasch entzog sie sie ihm wieder und schob sie in die Hosentasche.

Taschen waren sicher!

„Bestimmt nicht. Dazu sind Sie zu sehr Profi. Ich lese Ihre Fachartikel mit Begeisterung.“ Julian strahlte sie an. „Sie wollen nicht zufällig ein Kind von mir?“

Es war nur ein Witz, und Daisy wusste das auch, aber sie wollte tatsächlich ein Baby. Und dieser Mann war intelligent, er wirkte gesund, die Zwillinge wiesen auf gute Familiengene hin …

„Ich könnte es mir überlegen“, erwiderte sie und überraschte ihn offensichtlich damit. Sie sah es seinem Gesicht an. „Also, ich habe gerade einen Job aufgeben, um ein Kind zu bekommen, aber abgesehen davon, dass ich physisch verfügbar sein muss …“

Sie begriff, wie sich das anhörte, und presste die Hände gegen die plötzlich brennenden Wangen.

„So meinte ich es nicht“, verhaspelte sie sich. „Ich meine, ich habe aufgehört, nachts zu arbeiten, damit … nein, es wird immer schlimmer, nicht wahr?“

Verzweifelt blickte sie Julian an, der sich inzwischen königlich amüsierte.

„Atmen Sie einmal tief durch, und fangen Sie von vorn an“, riet er ihr.

Daisy schüttelte den Kopf.

„Nein danke. Ich habe mich genug blamiert. Ich werde nur noch in mein Apartment zurückgehen und dort vor Scham sterben.“

„Wagen Sie das ja nicht!“

„Vor Scham sterben?“ neckte sie ihn und konnte sogar wieder lächeln. „Das klappt wahrscheinlich sowieso nicht. Ich bin von echten Experten in peinliche Situationen gebracht worden und habe überlebt.“

„Das meinte ich nicht! Sie sollen mich nicht mit den Zwillingen allein lassen. Wie soll ich das überleben? Und was soll ich tun?“

„Vielleicht, auf sie aufpassen? Einige Ihrer Theorien in die Praxis umsetzen?“ Sie lächelte ihn an. „Denken Sie nur an das Ansehen, das Sie dadurch bei Ihren Patienten gewinnen.“

Zum Glück waren sie vom Baby-Thema abgekommen! Hoffentlich würde er so damit beschäftigt sein, ein neues Kindermädchen zu finden, dass er gar nicht mehr daran dachte. Zumindest an ihren Anteil daran.

„Übers Wochenende wäre es wohl kein Problem …“ Er erwiderte ihr Lächeln. „Mit Ihrer Hilfe. Aber Montag eröffne ich meine Praxis. Was mache ich dann?“

„Sie müssen Madeleine anrufen. Vielleicht hat sie vorher schon einmal die Dienste einer Kindermädchenagentur in Anspruch genommen. Sie wird Ihnen sagen, was zu tun ist.“

Julian schüttelte den Kopf, und zum ersten Mal war sein Gesicht richtig ernst.

„Wenn ich es irgendwie vermeiden kann, möchte ich ihr nichts von all dem hier erzählen“, sagte er. „Graham ging es nicht gut … er hat lange unter einem Magenvirus gelitten, das er sich bei einem freiwilligen Einsatz in der Pazifikregion geholt hat, und er scheint an chronischer Erschöpfung zu leiden. Auch wenn er es nicht zugeben mag. Madeleine hatte gehofft, ein langer Urlaub würde seinen Zustand bessern.“

„Oh!“ Daisy war nun so besorgt, wie Julian aussah. „Und wenn Sie sie anrufen, kommt sie umgehend zurück. Und Graham ebenfalls.“

Julian nickte düster.

„Notwendig ist irgendein Plan, damit für das Wohlergehen der beiden Kinder gesorgt ist, ohne dass Madeleine von Ingrids Fahnenflucht erfährt.“

„Was ist mit den Großeltern? Ihrer Mutter? Oder wohnt Grahams Mutter vielleicht in der Nähe?“

„Großeltern … Dass ich nicht gleich daran gedacht habe! Können Sie einen Moment aufpassen, während ich zu Haus anrufe?“

Daisy nickte. Bestimmt würde sie wieder klar denken können, sobald er aus dem Raum war. Sie setzte sich zu den Kindern auf den Boden und wartete, dass der Nebel in ihrem Kopf sich lichtete. Aber anstatt darüber nachzudenken, wie sie dazu kam, Julian Austin diese schwachsinnige Zusage in Aussicht zu stellen, betrachtete sie die Jungen … und träumte von einem Baby.

2. KAPITEL

„Meine Mutter und mein Vater werden Montagmorgen hier sein. Sie kommen beide, da mein Dad geschäftlich in der Stadt zu tun hat. Sie werden frühzeitig eintreffen, so dass ich noch rechtzeitig in der Praxis bin.“ Er wirkte sichtlich erleichtert. „Meinen Sie, wir schaffen es bis dahin?“

„Wir?“

„Sie helfen mir doch, oder?“ fragte er beunruhigt. „Natürlich nur, wenn es geht. Ich weiß, Sie haben bestimmt genug übers Wochenende zu tun, aber da Sie nicht arbeiten …“

Daisy überlegte, was sie sich fürs Wochenende vorgenommen hatte. Aber abgesehen von einem Einkaufsbummel gab es eigentlich nichts Wichtiges oder Aufregendes.

„Ich denke, ich kann Ihnen wohl helfen“, sagte sie, und Julian lächelte sie auf eine Weise an, dass sie ihr Zögern umgehend bedauerte.

„Großartig!“ verkündete er begeistert. Sein Enthusiasmus hätte sie misstrauisch machen müssen. Das wurde ihr im nächsten Augenblick klar. „Dann haben wir genügend Zeit, über diese andere Sache zu reden. Ich meine, das mit dem Baby.“

„Da gibt es nichts zu bereden“, erwiderte sie fest und wandte sich rasch den Kindern zu.

„Aber Sie haben gesagt, Sie könnten es sich überlegen“, erinnerte er sie und wirkte tatsächlich verletzt.

„Das ist mir nur so herausgerutscht“, antwortete sie entschlossen. „Weil ich tatsächlich ein Kind haben will. Aber abgesehen davon, dass wir absolut nichts voneinander wissen, würde Ihnen mein Kind auch beruflich nichts nützen.“

Nun runzelte er die Stirn.

„Und warum nicht? Ein Baby ist ein Baby.“

Daisy warf ihm einen verzweifelten Blick zu.

„Weil Ihnen trotzdem die täglichen Erfahrungen eines Vaters fehlen werden. Ich suche nur nach einem Samenspender und möchte das Kind allein großziehen.“

Noch während sie sprach, fragte sich Daisy entgeistert, wie sie mit einem Fremden so offen über solch intime Dinge plaudern konnte.

„Sie wollen allein erziehende Mutter werden?“

Seine Skepsis ärgerte sie.

„Warum denn nicht?“ brauste sie auf. „Wollen Sie mir erzählen, dass Kinder beide Elternteile brauchen? Wir alle wissen, es ist das Ideal, aber wie oft bietet es für ein Kind wirklich die besten Bedingungen? Was ist, wenn sich die Eltern ständig streiten? Oder laufend ihre Partner wechseln? Ich habe nicht vor, irgendwann zufällig schwanger zu werden und mich erst dann darum zu kümmern, wie der Alltag geregelt, das Kind möglichst noch zwischen Beruf und eigene Bedürfnisse geklemmt wird. Nein, ich habe diese Schwangerschaft geplant und Geld zurückgelegt, so dass ich die ersten entscheidenden Jahre nur für mein Kind da sein kann. Sehen Sie sich doch die vielen Kinder an, die von Ihren Idealpaaren in die Welt gesetzt werden und dann ziemlich schnell bei irgendwelchen Pflegeeltern landen. Sehen Sie sich …“

„He!“

Julian berührte leicht ihren Arm. Die flüchtige Berührung löste ein seltsames Prickeln auf ihrer Haut aus.

„Ich wollte nicht ausdrücken, Sie könnten es nicht schaffen oder dass allein erziehende Eltern schlechte Eltern sind. Ich dachte dabei nur an die Probleme, denen sie sich gegenübersehen. Ihre Mutter kann sehr wahrscheinlich einspringen, sollten Sie einmal krank sein, und bestimmt können Sie sich auch auf Freunde verlassen im Notfall, aber dennoch ist die Erziehung eines Kindes eine gewaltige, nicht zu unterschätzende Aufgabe.“

Sie hörte seine Besorgnis heraus, und sie sah sie auch in seinen Augen. Leider weckte die Erwähnung ihrer Mutter erneut die sorgsam unterdrückten Ängste, die in ihr schlummerten, seit sie die Entscheidung getroffen hatte. Sie senkte den Kopf, damit er ihr Gesicht nicht sah.

„Die Sache ist die“, fuhr er fort, „wahrscheinlich haben Sie sich noch nie mit einer Alternative dazu befasst. Ich meine, wenn kein passender Mann da ist, denkt man auch nicht daran, oder?“

„Hervorragend! Jetzt fühle ich mich erst recht wie eine Versagerin!“ Daisy richtete sich auf und funkelte ihn an. „In meinem von mir selbst gewählten Leben gibt es keinen Mann, damit Sie es wissen!“

„Das glaube ich unbesehen.“ Er half Ewan, ein Känguru umzudrehen, damit es ins Puzzle passte, mit dem er sich gerade beschäftigte. „Sie sind eine sehr attraktive Frau. Aber wollen Sie wirklich nicht über eine Alternative nachdenken? Ein Arrangement, wie ich es Ingrid anbieten wollte? Eine Ehe, von der jeder seinen Nutzen hat – wie eine geschäftliche Partnerschaft?“

„Nein, und ich habe es auch nicht vor!“

„Sehen Sie nicht, wie viel einfacher es grundsätzlich wäre?“ Ruhig drehte er ein weiteres Puzzlestück um. „Zuerst einmal müssten Sie sich keinen Samenspender suchen. Wie wollten Sie ihn finden? Per Anzeige?“

Misstrauisch blickte sie ihn an. Der Mann scherzte auf ihre Kosten. Aber nein, sein Lächeln verriet nichts, und seine Augen blickten ernst – besser gesagt, interessiert.

„Vielleicht in der Art: Frustrierte Single sucht Sperma?“ fragte sie kühl. „So nötig habe ich es nicht.“ Sie erhob sich. „Ich mache jetzt den Jungen Frühstück.“

Und damit verließ sie den Raum, in der Hoffnung, Julian Austin hätte begriffen, dass das Thema abgeschlossen war.

Für immer.

„Diese kleinen Monster!“

Julian ließ sich schwer in den Sessel fallen und wischte sich die Stirn mit einem großen weißen Taschentuch ab.

Es war halb zwei am Nachmittag, und die beiden Jungen waren endlich eingeschlafen. Aber erst, nachdem sie darauf bestanden hatten, dass Julian und Daisy ihnen vorlasen – gemeinsam!

„Sie beuten uns aus“, beklagte sich Daisy. Sie hing ihm gegenüber im anderen Sessel, erschöpft, die Füße auf dem Couchtisch.

„Also, was machen wir?“

Daisy zuckte mit den Schultern. Dann lächelte sie spöttisch. „Sie sind der Experte.“

„Aber ich kenne nur die Theorie. Allmählich verstehe ich manche Eltern, die dafür nur Verachtung hegen. Deswegen brauche ich eine eigene Familie, eigene Kinder, damit ich sehen kann, welcher theoretische Ansatz funktioniert und welcher nicht.“

Nein, jetzt waren sie wieder beim Thema gelandet! Widerwillig musste sie sich eingestehen, dass es sie doch interessierte.

„Haben Sie etwas gegen den natürlichen Weg einzuwenden? Ich meine, auszugehen, eine Frau kennen zu lernen, sich zu verlieben, zu heiraten und Kinder in die Welt zu setzen? Mir ist klar, Ihnen brennt die Sache unter den Nägeln, und Sie glauben, Sie müssten jetzt unbedingt ein Kind haben. Aber was wollen Sie machen, wenn Sie sich in eine Frau verlieben, nachdem Sie Ihre Zuchtstute gefunden haben?“

„Zuchtstute? Du lieber Himmel! Denken Sie, Ingrid hat meinen Vorschlag so verstanden? Kein Wunder, dass sie sauer war.“

In dem Moment wirkte er so überzeugend erstaunt, dass Daisy nur noch den Kopf schütteln konnte.

„Sie kommen einfach daher und fragen eine Frau, ob sie ein Kind von Ihnen will. Wie sollte sie denn wohl sonst darauf reagieren?“

Er rutschte unruhig auf dem Sofa hin und her.

„Vielleicht, als wäre es nur ein Spaß?“

„Nur, dass es keiner war“, erwiderte sie prompt. Ihr Gegenüber seufzte tief und fuhr sich wieder mit den Fingern durchs Haar. „Was ist?“ fragte sie.

Er schüttelte den Kopf.

„Anfangs erschien mir meine Idee genial. Ich brauchte nur eine Frau zu finden, die Kinder wollte und mich nicht zu abstoßend fand, und würde ihr als Gegenleistung dafür ein schönes Heim anbieten, finanzielle Sicherheit, Gesellschaft …“

„Und regelmäßigen Sex!“

Als er sie verwundert anblickte, lachte sie. „Nun, reine Gesellschaft reicht doch nicht, um ein Kind zu bekommen, oder?“

Wurde er tatsächlich rot?

Ein Mann, der rot wurde?

Reizvoll, dachte sie, hielt es aber für sicherer, sich nicht weiter damit zu beschäftigen …

„Sie sind mir noch eine Antwort schuldig. Was haben Sie gegen den üblichen Weg – umwerben, lieben, heiraten? Kinder sollten dann von selbst kommen.“

„Sagen Sie’s mir?“ drehte er den Spieß um.

„Ich habe zuerst gefragt“, konterte sie, und diesmal lachte er.

Dann stand er auf und sagte: „Na schön, aber lassen Sie uns zuerst einen Happen essen, bevor diese Ungeheuer wieder aufwachen.“ Er marschierte Richtung Küche, drehte sich aber noch einmal um. Daisy wollte gerade die Füße vom Tisch nehmen. „Bleiben Sie sitzen. Für Ihren Rettungseinsatz schulde ich Ihnen zumindest, dass ich fürs Essen sorge. Irgendwelche Vorlieben? Allergien? Ein Glas Wein? Graham hat nicht nur einen hervorragend bestückten Weinkeller unten im Haus, sondern auch einen Weinkühlschrank in einen seiner Küchenschränke eingebaut.“

„Ein Mann, der Prioritäten setzt“, bemerkte Daisy. „Trotzdem, danke, ich möchte keinen Wein.“

Julian ging davon und fragte sich, ob ihre Bemerkung auf Graham gemünzt war oder sie sich über ihn lustig machte, weil er, Julian, wusste, wo der Wein stand.

Es ist schon lange her, dass mich jemand geneckt hat, dachte er und entdeckte, es machte ihm sogar Spaß. Die meisten Frauen, mit denen er sich traf, nahmen sich selbst viel zu ernst.

Schluss mit lustig, sagte er sich. Jetzt war es wichtig, diese Frau mit einem leckeren Imbiss zu verwöhnen. Vielleicht stimmte sie das gnädig und sie half ihm weiterhin mit den Zwillingen.

Kurz meldeten sich Schuldgefühle, aber er schob sie beiseite. Auch wenn es nur drei Tage waren, allein würde er es nicht schaffen.

Er öffnete den Kühlschrank und spähte hinein, aber mit seinen Gedanken war er immer noch bei Daisy.

Er sah sie vor sich, wie sie im Sessel saß, das kräftige Pink ihrer Bluse ein wundervoller Kontrast zu den schimmernden dunklen Haaren …

In ihrem Leben gab es keinen Mann, weil sie es so wollte …

Was mochte sie zu dieser Einstellung gebracht haben?

Er holte Oliven, Käse und getrocknete Tomaten und Salat heraus und suchte nach Aufschnitt wie Schinken oder kaltem Braten.

Bestimmt eine gescheiterte Beziehung, dachte er dabei. Aber jeder erlebte so etwas. Selbst er, der normalerweise eine Beziehung gründlich plante. Und weil das Ende, wenn man wieder auseinander ging, letztendlich doch sehr zeitraubend war und ihn von seiner Arbeit ablenkte, hatte er das letzte Jahr insgesamt darauf verzichtet.

Aufschnitt fand er nicht. Julian beschloss, dass Käse als Proteinspender reichen müsse, öffnete den Gefrierschrank, durchstöberte ihn nach Brot und wurde fündig. Die kleinen türkischen Fladenbrote konnte er rasch in der Mikrowelle auftauen.

Daisy Rutherford ließ ihm keine Ruhe. Sie war offensichtlich intelligent und ohne Zweifel eine schöne Frau – was trieb einen Mann dazu, sie zu verlassen?

Er richtete sich auf, legte die Sachen auf die Arbeitsplatte und schob die Tür mit dem Fuß zu. Aus welchem Grund Daisy Rutherford die Männer auch aufgegeben hatte, frei war sie nun auf jeden Fall.

Nicht nur frei, sondern auch intelligent und attraktiv. Außerdem übte sie einen Beruf aus, der durchaus in Beziehung zu seinem stand, was bedeutete, sie könnten gemeinsam arbeiten. Und sie wollte ein Baby …

In den nächsten drei Tagen würden sie eine Menge Zeit miteinander verbringen. Eine ausgezeichnete Gelegenheit, sie besser kennen zu lernen …

„Wo bleiben Sie denn? Ich hätte inzwischen Essen für eine ganze Kompanie zubereitet.“

Sie stand im Durchgang. Die pinkfarbene Bluse war zwar weit geschnitten, aber dünn genug, dass er die weiblichen Formen darunter erahnen konnte. Daisy war nicht mager, aber auch nicht übergewichtig, obwohl er Frauen kannte, die ihre üppige Oberweite unter weiten Blusen verbargen. Seine Fantasie spielte ihm einen Streich – Daisy hatte auf einmal einen deutlich gerundeten Bauch.

Sein Verstand schlug Alarm. Sie will einen Samenspender, keinen Ehemann!

„Ich wollte alles auf einer Platte anrichten, dann kann jeder zulangen. Möchten Sie Aufschnitt? Ich bin sicher, es muss welcher da sein. Nur kann ich ihn nicht finden.“

Sie kam zu ihm, öffnete den Kühlschrank und bückte sich, um hineinzuschauen. Wirklich ein hübsches Hinterteil, musste er sich eingestehen.

„Vielleicht in dem Behältnis mit der Aufschrift Wurst?“ sagte sie, richtete sich auf und hielt ihm die Plastikdose entgegen.

„Das habe ich nicht gesehen.“ Julian riss es ihr fast aus der Hand. „Also, alles auf eine Platte, und jeder nimmt sich?“

Sie nickte und holte Besteck, Servietten und zwei Frühstücksteller heraus.

„Wenn wir uns nicht beeilen, sind Ewan und Shaun wieder wach.“

Wieder Schuldgefühle. Julian sah sie an, schaute ihr zum ersten Mal, wie ihm schien, direkt in die Augen. Welch eine ungewöhnliche Farbe, dachte er fasziniert. Weder Grau noch Grün, aber eine interessante Mischung.

Keine Ablenkungen, ermahnte er sich. Rasch konzentrierte er sich auf seine Aufgabe und füllte die Platte.

„Sie haben mehr als genug getan. Schließlich sind Sie ja nur auf Gabis Hilferuf hin heraufgeeilt. Den Rest des Tages übernehme ich auf jeden Fall die Kinder, aber ich dachte, beim Essen könnten wir vielleicht einen Plan ausarbeiten.“

Sie lächelte. Wahnsinn, ihre Augen funkeln wie Silber, dachte er.

„Eine Art Schichtdienst, meinen Sie?“ sagte sie. „Ich schätze, Sie brauchen jede verfügbare Hilfe, und Ihre Mutter ebenfalls. Lassen Sie mich ein paar Leute zusammentrommeln. Hier im Haus wohnen Mieter, die die Zwillinge schon seit ihrer Geburt kennen. Gabi hat mich in die Sache hineingezogen, sie wird also an erster Stelle dieser Einsatzliste stehen.“

Julian holte das warme, duftende Fladenbrot aus der Mikrowelle, schnitt es in Stücke und legte sie auf die Platte. „Das hat sie wirklich. Ich meine, Sie mit hineingezogen. Hoffentlich fühlen Sie sich nicht, als hätte man Ihnen die Pistole auf die Brust gesetzt.“

Daisy lachte hell auf.

„Übertreiben Sie es nicht mit Ihrer Besorgnis. Sie wissen haargenau, wie Sie mich dazu bringen zuzustimmen – Graham steht mit einem Bein im Grab, Madeleine heult sich die Augen aus vor Sorge um ihn … Ausgelassen haben Sie nur noch, dass Ihrem Vater das Haus gehört und er mich hinauswirft, wenn ich nicht mitmache.“

„Ich bin schockiert – wie können Sie nur so etwas denken!“ Übermütig stupste er sie mit einem verpackten Stück Briekäse an. „Aber ich werde es im Kopf behalten, falls Sie nicht parieren!“

Es ist nur ein Stück Käse, dachte sie, weil sie sich des Kontakts plötzlich deutlich bewusst war, aber sie hatte mit der Neckerei angefangen und wusste, dass er es auch wusste.

Würde er sich fragen, warum?

Wenn ja, so ließ er sich nichts anmerken, wickelte den Käse aus und legte ihn auf den einzigen freien Fleck auf der bunt gefüllten Platte.

„Wollen wir wieder ins Wohnzimmer? Die Sessel sind die gemütlichsten im ganzen Haus. Madeleines Esszimmerstühle mögen todschick sein, aber für den Rücken eines großen Mannes sind sie eine Tortur.“

Daisy folgte ihm. Er hatte wirklich einen netten breiten Rücken, und ihr wurde bewusst, wie lange sie schon nicht mehr den Rücken eines Mannes betrachtet hatte.

Allerdings konnte sie es in diesem Fall natürlich auch nicht vermeiden, schließlich ging er direkt vor ihr.

Julian stellte seine Last auf dem Couchtisch ab, nahm ihr die Sachen ab und deutete auf den Sessel.

„Lassen Sie mich Sie wenigstens bedienen“, sagte er, füllte ihren Frühstücksteller mit einem Stück Brot und einigen Delikatessen. „Eine Gabel?“ Ein Lächeln stand in seinen Augen.

„Danke“, erwiderte sie und sagte sich, dass Männern nicht zu trauen war, selbst wenn ihre Augen noch so gewinnend lächelten. „Kennen Sie den Tagesablauf der Kinder, oder hat Madeleine irgendwo etwas aufgeschrieben?“ fragte sie, um ein ungefährliches Thema anzuschneiden.

Er stellte seinen Teller ab. „Sie hat mir eine Mappe gegeben. Sie liegt in meinem Schlafzimmer. Ich habe sie noch nicht gelesen, weil Ingrid erst in einer Woche freihaben sollte, und bis dahin hätte ich es getan.“

Wieder lächelte er.

„Vielleicht hole ich sie besser. Gehen Sie nicht weg.“ An der Tür drehte er sich noch einmal um. „Ich meine es ernst … heute Morgen haben Sie mich aus einer verzweifelten Lage gerettet, aber wer weiß … wenn Sie verschwinden, ehe wir unsere Pläne gemacht haben, verliere ich doch noch den Verstand.“

„Unsere Pläne?“

„Okay, meinen Plan. Wie finden Sie folgenden Titel? Julian übers Wochenende vor der Klapsmühle bewahren. Klingt das besser?“

Sein Lächeln wurde wärmer … und unwiderstehlich. Daisy musste es einfach erwidern.

„Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie glauben, Sie müssten Ihren Patienten ein eigenes Kind vorweisen“, murrte sie und scheuchte ihn mit einer Handbewegung fort. „Bei Ihrem überwältigenden Charme nehmen sie Ihnen sowieso jedes Wort ab, ob Sie nun persönliche Erfahrung haben oder nicht.“

Das Lächeln wurde strahlender. „Er ist eine Gabe“, erwiderte er ohne falsche Bescheidenheit. „Er wurde mir in die Wiege gelegt – behauptet meine Mutter. Sie meinte auch, er sei eine Kompensation für meine ungewöhnliche Intelligenz und ließe mich menschlich wirken. Ich sehe das anders – da ich einen großen Mund habe, sieht es aus, als würde ich ständig lächeln.“ Er verschwand nach draußen.

Fühlte er sich wegen seiner Intelligenz als Außenseiter? Waren seine früheren Beziehungen daran gescheitert?

„Hier ist es – und wissen Sie was?“

Er kehrte zurück, ehe sie ihre Gedanken weiterverfolgen konnte.

„Freitags – heute ist doch Freitag, oder? – kommt Jason um sieben Uhr abends, wenn die Kinder im Bett liegen, und passt auf sie auf, während wir unten in der Bar etwas essen.“

„Jason wohnt im dritten Stock“, erklärte Daisy. „Aber dort kann doch nicht stehen, wir würden unten essen gehen …“

Julian hob die Hand.

„Sie meint sich und Graham, schlägt aber vor, das Arrangement auszunutzen, da sie Jason sowieso bezahlt.“

„Keine schlechte Idee. Gehen Sie hin. Dann können Sie sich unter den Hausbewohnern ein paar freiwillige Helfer aussuchen.“ Daisy brach sich ein Stück Fladenbrot ab, strich Käse darauf und gab eine Tomate dazu. „Die Bar ist ein beliebter Treffpunkt.“

„Ich dachte eher an Teamarbeit!“ entgegnete er alarmiert. „Ich meine, Sie und mich. Wer stellt mich all diesen Fremden vor und …“

„Beschützt Sie vor zudringlichen Frauen?“ beendete sie seinen Satz. Es war gar nicht gut, sich auf seinen Charme einzulassen … der Mann war einfach zu nett. „Ich komme mit Ihnen“, beschloss sie. „Aber zuerst muss ich noch ein paar Sachen erledigen. Also, was halten Sie davon, wenn ich jetzt zu Ende esse, runtergehe und Ihnen später beim Abendbrot helfe? Nennt Madeleine eine bestimmte Zeit?“

Julian öffnete die Mappe. „Halb sechs. Liste liegt auf dem Kühlschrank“, las er vor.

„Ja, die habe ich vorhin dort gesehen. Madeleine hat aufgeschrieben, was sie essen sollen. Also gut, dann bin ich um fünf wieder hier … Warten Sie, wird vor oder nach dem Abendessen gebadet?“

„Bestimmt hinterher, wenn die beiden immer einen solchen Schweinkram wie beim Frühstück und Mittagessen veranstalten.“

Er schaute wieder aufs Blatt.

„Oje. Vorher.“

Entsetzt sah er sie an.

„Nicht übertreiben, mein Lieber“, tadelte sie ihn mild. „Schön, ich bin um halb fünf hier.“

Julian las weiter hier und da aus der Mappe vor und befand dann, Daisy solle sich lieber selbst ein Bild machen.

„Aber nicht jetzt“, widersprach sie und stellte ihren leeren Teller ab. „Ich muss wirklich los.“

Er erhob sich, ging ihr voraus und betätigte den Fahrstuhlknopf.

„Das Wort Danke drückt nicht im Mindesten aus, was ich empfinde, aber mir fällt nichts Besseres ein“, sagte er, und sie sah seinem Blick an, er meinte es ernst.

„Für den Moment reicht es“, meinte sie, als die Türen zuglitten. „Viel Glück!“

Als Letztes sah sie sein Lächeln und die erhobene Hand mit den lustig wackelnden Fingern – so winkten Kinder zum Abschied!

Das gehört zu seinem Charme, rief sie sich in Erinnerung. Kleiner Junge in Not … man musste schon herzlos sein, wenn man da kein Mitleid hatte.

Nicht dass es bei ihr funktionieren würde. Sie hatte ihre Hilfe angeboten, weil es notwendig war, aus keinem anderen Grund.

Und selbst wenn sie sich gern mit Julian Austin unterhielt und mit ihm lachen konnte – das war nicht der Grund, sich um die Zwillinge zu kümmern, sondern nur eine nette Zugabe.

3. KAPITEL

Wie versprochen, wollte Daisy eine Minute vor halb fünf nach oben fahren, aber als der Fahrstuhl von unten hochkam, stand Julian darin, und die Zwillinge saßen in der Karre. Die Jungen leckten eifrig jeder an einem Eis, mit dem sie sich schon ausgiebig Kinn und Kleidung bekleckert hatten.

„Madeleine hat nicht erwähnt, dass sie nach ihrem Mittagsschlaf die Identität wechseln.“ Julian lächelte nicht einmal andeutungsweise. „Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf“, fügte er finster hinzu, „legen Sie sie bloß nicht schlafen, wenn Sie auf sie aufpassen. Ich habe meinen Eltern immer empfohlen, ihre Kinder nach dem Mittag hinzulegen, aber für diese zwei würde ich das nicht wagen! Sobald sie aufwachen, mutieren sie zu Ungeheuern.“

„Wenn ich tagsüber schlafe, bin ich auch manchmal ziemlich mürrisch“, erwiderte sie, als sie im Penthouse ausstiegen, und brachte die Zwillinge schnurstracks ins Badezimmer. „Vielleicht ist es bei ihnen ebenso.“

„Mürrisch ist gar kein Ausdruck“, erzählte Julian, während er die beiden auszog und Wasser in die Wanne ließ. „Ich verstehe nun, warum die Eltern sich über meine Vorschläge aufregen. In der Theorie ist alles viel leichter.“

Er hob die Jungen in die Wanne und trat dann zwei Schritte zurück. Das Baden soll ich wohl übernehmen, dachte Daisy.

Sie entwand Ewan das Boot, mit dem er voller Lust ins Wasser patschte, dass es überschwappte, dann packte sie Shaun bei den Schultern, damit er aufhörte, eine gigantische Welle zu erzeugen, die dem Badewannenrand gefährlich nahe kam.

„Wollen Sie weiterhin dastehen und zusehen, wie ich klitschnass werde, oder lieber etwas Nützliches tun, wie zum Beispiel den Kindern etwas zu essen machen?“ Sie warf Julian einen Blick zu. „Sie können doch kochen, oder?“

„Aber natürlich!“ bestätigte er gekränkt. „Manche halten mich sogar für einen Experten.“ Er schaute sie an. „Übrigens, die nassen Sachen stehen Ihnen nicht schlecht.“

Daisy ignorierte die Bemerkung und blieb beharrlich beim Thema.

„Ein Experte in Kindermahlzeiten? Sparsam Fleisch und drei Sorten Gemüse?“

Sie drehte sich zu ihm herum und wurde mit einem Lächeln belohnt.

„Na ja, Grundkenntnisse“, gestand er ein, dann zögerte er. „Soll ich Ihnen wirklich nicht dabei helfen, sie herauszuheben, abzutrocknen und anzuziehen? Sieht so aus, als wäre es ein Zwei-Personen-Job.“

Daisy lächelte zurück.

„Danke, aber ich will es versuchen. Schließlich, wenn ich Zwillinge bekomme, muss ich auch allein fertig werden.“

Er lachte leise und verschwand. Sofort entspannte sie sich.

Als sie mit zwei blitzsauberen, süß duftenden Jungen im Pyjama in die Küche kam, war der kleine Tisch bereits gedeckt.

„Vielleicht kommen wir doch ganz gut klar“, bemerkte er, sichtlich froh, dass sie den Tag hinter sich gebracht hatten.

„Noch liegen sie nicht im Bett“, warnte Daisy. „Das Wochenende überstehen wir vielleicht, aber ich denke, Ihre Mutter wird nächste Woche Hilfe benötigen. Da ich ab Montag halbtags arbeite, werde ich immer nachmittags vorbeischauen. Auch Gabi ist nicht voll berufstätig. Außerdem ist sie schwanger und kann praktische Erfahrungen gut gebrauchen. Und Alana und Kirsten helfen sicher auch. Sie lernen sie vielleicht heute Abend bei Mickey kennen. Und wenn nicht, spreche ich morgen oder Sonntag mit ihnen. Normalerweise treffen wir uns jeden Sonntagmorgen in dem kleinen Café gegenüber.“

„So wie jeden Freitagabend in Mickeys Bar? Ist Ihnen das nicht manchmal zu viel? Ich meine, ständig irgendwo zusammenzuhocken?“

Daisy war überrascht. Bisher hatte sie ihn für einen geselligen Menschen gehalten.

Aber ein geselliger Mann würde keine arrangierte Hochzeit wollen, oder?

War dieses charmante Lächeln nur eine Maske?

Und wenn ja, warum?

Da musste sie lächeln. Es war eine berufsbedingte schlechte Angewohnheit von ihr, den Leuten ständig hinter die Fassade sehen zu wollen.

„Offensichtlich nicht, wenn dieses Lächeln etwas zu bedeuten hat.“

Daisy merkte, sie hatte seine Frage noch nicht beantwortet.

„Einige von uns leben hier schon eine halbe Ewigkeit. Ich gehöre noch zu den neueren Mietern, aber es sind auch schon ein paar Jahre“, erklärte sie. „So sind natürlich Freundschaften entstanden, besonders da wir alle irgendwann im lokalen Krankenhaus gearbeitet haben oder noch arbeiten. Werden Sie dort praktizieren?“

Er schüttelte den Kopf.

„Nur Neugeborene begutachten. Ein Freund von mir ist dort Geburtshelfer und möchte meine Dienste in Anspruch nehmen. Am Montag übernehme ich die Praxis von Dr. Clement. Kennen Sie ihn?“

Da er sich abwandte, um einen Löffel aufzuheben, den Ewan auf den Boden geworfen hatte, entging ihm Daisys Reaktion. Schockiert blickte sie auf seinen breiten Rücken.

„Dr. Clement? Sie übernehmen die Praxis von Dr. Clement? Am Montag?“

Stirnrunzelnd drehte er sich um und sah sie an.

„Wieso? Stimmt mit der Praxis irgendetwas nicht? Ich habe mir die Bücher angesehen, die Krankenakten und …“

„Nein!“ Daisy schluckte trocken. „Nein, er ist ein guter Arzt und führt eine großartige Praxis. Es ist nur …“

Fassungslos schüttelte sie den Kopf und starrte ihren zukünftigen Chef an.

„Es ist nur …“

Aber noch bevor sie ihren Satz zu Ende bringen konnte, kippte Shaun seine Milch um, und während Julian aufwischte, brachte sie den Jungen ins Kinderzimmer, um ihm etwas Trockenes anzuziehen.

Als sie jedoch wenig später die schmutzige Wäsche in die Waschmaschine in der Küche steckte, nahm er die Unterhaltung wieder auf.

„Dr. Clement …?“

Sie brachte sogar ein Lächeln zu Stande.

„Ein glücklicher Zufall?“ erwiderte sie. „Ich fange dort am Montag an.“

„Tatsächlich?“

„Vor Jahren habe ich lange mit Dr. Clement zusammengearbeitet“, erklärte sie. „Es ging meist um behinderte Kinder, deren Eltern ich beriet. Beruflich war es wohl die befriedigendste Zeit, die ich je erlebte.“

„Und warum haben Sie damit aufgehört?“

Ihre Augen verdunkelten sich, und sie presste ihre sanften Lippen zusammen. „Ach, ich brauchte wohl neue Herausforderungen, vermute ich.“

„Und jetzt?“ Er musste mehr über diese Frau wissen, die zufällig seinen Weg gekreuzt hatte, eine Frau, die ein Kind wollte, ja, es längst geplant hatte. Die Idee mit der allein erziehenden Mutter würde er ihr ausreden. Das Schicksal wollte es anders. Warum sonst wären sie sich gerade jetzt begegnet? Außerdem fand er die Vorstellung, mit Daisy Rutherford ein Kind zu zeugen, nicht gerade abstoßend. Im Gegenteil …

Ihn traf ein misstrauischer Blick.

„Dieselbe Antwort. Eine weitere Herausforderung, ein Abenteuer. Allerdings wird es nur für ein halbes Jahr sein. Danach ist das Baby …“

„So sehen Sie es, ein Kind zu bekommen? Als Abenteuer?“

Die grauen Wolken in ihren Augen verzogen sich und machten einem sonnigen, warmen Lächeln Platz.

„Aber ist es das denn nicht?“ fragte sie. „Jeden Tag neue Erfahrungen und Entdeckungen, neue Freuden.“

„Gehen Sie erst mal mit den beiden Burschen in den Park. Danach denken Sie anders darüber!“

„Unsinn!“ Ihre Zuversicht amüsierte ihn. „Schwierigkeiten gehören zu jedem Abenteuer. Wenn man sich nicht anstrengen muss, macht es nur halb so viel Spaß.“ Sie deutete auf die Kinder, die gerade damit beschäftigt waren, sich mit Joghurt voll zu spritzen. „Außerdem war ich schon mit ihnen im Park – das heißt, ich habe bereits auf sie aufgepasst, weil Ingrid überraschend irgendwelche mysteriösen Sachen erledigen musste.“ Sie lachte leise. „Wahrscheinlich hat sie ihren Flug nach Japan gebucht.“

Julian nickte, in Gedanken noch bei ihren Worten, dass es ein Abenteuer sei, ein Kind großzuziehen.

Welch eine wundervolle Einstellung, dachte er.

Gerade als seine Fantasie sich der begehrten Zukunft zuwandte, die ihm ein Kind und eine Frau bescheren würde, die zugleich beruflich auch seine Partnerin war, erinnerte ihn ein lauter Schrei an seine Pflichten.

„Ich glaube, die kleinen Räuber müssen schlafen“, meinte Daisy und trennte die beiden Streithähne, indem sie Shaun vom Stuhl hob. „Den hier mache ich bettfertig.“

„Sie sind wirklich eine große Hilfe“, lobte er sie und lächelte, in Gedanken noch immer in der Zukunft.

Daisys Herz schlug auf einmal schneller. Wenn Julian weiterhin so oft lächelte, würde die Zusammenarbeit ...

Autor

Jennifer Taylor
Jennifer Taylor ist Bibliothekarin und nahm nach der Geburt ihres Sohnes eine Halbtagsstelle in einer öffentlichen Bibliothek an, wo sie die Liebesromane von Mills & Boon entdeckte. Bis dato hatte sie noch nie Bücher aus diesem Genre gelesen, wurde aber sofort in ihren Bann gezogen. Je mehr Bücher Sie las,...
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Deanne Anders
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