Julia Sommeredition Band 3

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KÜSSE, SO SÜSS WIE SPANISCHER WEIN von LIZA GOODMANN
Eigentlich wollte Rose nur kurz die Finca auf Mallorca besichtigen, die sie überraschenderweise geerbt hat. Doch ein heftiger Sommersturm zwingt sie und den atemberaubend attraktiven Adam Ferrier, der ihr Landhaus kaufen will, Tage und Nächte dort gemeinsam zu verbringen. Ein sinnliches Abenteuer beginnt …

CASTILLO DER VERSUCHUNG von LYNNE GRAHAM
Der stolze Aristokrat Antonio Rocha stellt Sophie ein Ultimatum: Sie muss ihn heiraten und Nacht für Nacht das prunkvolle Bett seiner andalusischen Villa mit ihm teilen. Sonst nimmt er ihr das Kind weg, das sie seit dem Tod ihrer Schwester aufzieht. Sophie ist empört. Und doch fühlt sie sich auf unerklärliche Weise zu dem feurigen Spanier hingezogen ...

TAUSEND STERNE ÜBER SPANIEN von LUCY MONROE
Fotoshooting in Barcelona: Unter Miguel Menendez’ kritischen Blicken zeigt Supermodel Amber, was sie kann. Und der spanische Millionär scheint überzeugt! Denn als tausend Sterne über Spanien leuchten, lädt er Amber auf seine Jacht ein. Eine Nacht, wie für die Liebe gemacht …


  • Erscheinungstag 02.08.2022
  • Bandnummer 3
  • ISBN / Artikelnummer 9783751512251
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Liza Goodman, Lynne Graham, Lucy Monroe

JULIA SOMMEREDITION BAND 3

1. KAPITEL

Die Bucht war einfach wunderschön. Unter dem wolkenlosen Himmel glitzerte das tiefblaue Wasser, wie mit Diamanten übersät. Rose hob ihren Fotoapparat, ließ ihn dann aber langsam wieder sinken. Sie durfte keinen Film verschwenden. Aber wären ein paar Aufnahmen von der Bucht wirklich Verschwendung? Schließlich war sie auf Mallorca, um eine Werbeaktion für ein Reiseunternehmen vorzubereiten. Rose seufzte. Vielleicht sollte sie sich lieber vorher mit ihrem zukünftigen Kunden absprechen.

Dennoch würden solche Fotos gut in das Konzept passen. Und wenn nicht, dann würde sie eben selbst dafür aufkommen und die Aufnahmen behalten. Sie zückte den Apparat erneut und blickte durch den Sucher, um ein geeignetes Motiv zu finden.

Da, bei der kleinen Gruppe von Booten, kam plötzlich eine männliche Gestalt ins Blickfeld, und Rose stockte der Atem. Die Idee, die ihr schon des Längeren vorschwebte, schien Formen angenommen zu haben.

Der Mann verkörperte genau das, was sie sich vorgestellt hatte. Er war groß, größer als der durchschnittliche Mallorquiner, tief gebräunt, und er schien eine großartige Figur zu haben, was durch das weiße Hemd und die tief auf den Hüften sitzenden Jeans betont wurde. Er betrachtete eine große weiße Yacht, sodass Rose lediglich sein markantes Profil erkennen konnte.

Nun drehte der Fremde den Kopf und schaute direkt in ihre Richtung. Rose atmete tief durch. Er war der attraktivste Mann, den sie seit Langem gesehen hatte. Als er aus ihrem Blickwinkel verschwand, ließ sie den Apparat sinken und hatte dabei das unbestimmte Gefühl, etwas Wichtiges wäre ihr abhandengekommen. Warum sie so fühlte, war ihr unklar. Immerhin hatte sie den Mann auf dem Film festgehalten, und nun lag es an ihr, dem Chef des Reiseunternehmens, mit dem sie sich auf Mallorca treffen sollte, ihr Konzept zu verkaufen.

Eine Bewegung in ihrer Nähe ließ Rose aufblicken. Sie erstarrte, weil der Mann, den sie fotografiert hatte, plötzlich direkt bei ihr stand. Er war noch attraktiver, als er ihr aus der Ferne erschienen war, und überragte Rose um einiges. Zudem wirkte er außerordentlich ärgerlich.

Sie schaute ihm in die Augen, und einen Moment lang wurden die Geräusche der lebhaft befahrenen Promenade ausgeblendet. Es gab nur sie beide, allein in ihrer eigenen Welt und sich derartig intensiv der gegenseitigen Gegenwart bewusst, wie Rose es bis zu diesem Moment noch nicht erlebt hatte.

Ein Kind schrie, und der Zauber war gebrochen. Rose vermochte nun kaum noch zu fassen, was da eben geschehen war. Wie konnte sie nur in dem Maße auf einen ihr völlig Unbekannten reagieren? Er musste wie sie empfunden haben, denn in seinen Augen lag ein Ausdruck, den sie nicht verstehen wollte. Er schüttelte den Kopf, und sie wusste, was immer es auch gewesen war, es war vorbei.

„Was machen Sie da eigentlich?“, fragte der Mann unwirsch.

„Ich …, ich …“ Rose fühlte sich völlig aus dem Konzept gebracht.

Reiß dich zusammen, wies sie sich zurecht. Er ist Engländer, und selbst wenn er jetzt so aussieht, als wolle er mir den Hals umdrehen, wird er es gewiss nicht tun.

Im nächsten Moment war sie sich dessen nicht mehr ganz so sicher. Der Mann griff nach der Kamera und riss sie ihr aus der Hand. Wie gelähmt sah Rose zu, wie er den Apparat öffnete. Aber blitzschnell erwachte sie wieder aus ihrer Erstarrung, während der Mann den Film ins Wasser warf.

„Was soll das?“, schrie Rose. „Was fällt Ihnen ein, meinen Film wegzuwerfen? Sie haben nicht das Recht …“

„Und ob ich es habe! Niemand darf mich ohne meine Einwilligung fotografieren. Ihr Touristen seid alle gleich. Ihr meint, euch sei alles erlaubt. Zu ihrer Information, es gibt noch ein paar Menschen auf dieser Welt, denen ihr Privatleben sehr wichtig ist. Es liegt mir nichts daran, von schwachköpfigen Teenagern angehimmelt zu werden.“

Rose schluckte die Worte hinunter, die sie dem Mann am liebsten entgegengeschleudert hätte. Es war schlimm, für eine Touristin oder gar für einen schwachköpfigen Teenager gehalten zu werden.

Sie bemühte sich, ihren Ärger im Zaum zu halten, und sah dem Mann geradewegs in die Augen. Das brachte sie jedoch erneut aus der Fassung, denn Rose hatte noch nie solch eindringlich blickende blaue Augen gesehen. Am liebsten hätte sie sich umgedreht und sich schnell davongemacht. Aber diese Genugtuung wollte sie ihm nicht geben.

„Ich bin weder eine Touristin noch ein Teenager“, sagte sie kühl. „Ich sehe ein, dass ich hätte fragen sollen, ob ich Sie fotografieren darf. Trotzdem meine ich, dass Sie viel Lärm um nichts machen. Oder haben Sie vielleicht etwas zu verbergen?“

„Was wollen Sie denn damit sagen?“, fuhr er sie an. „Ich habe nichts zu verbergen, sondern lege Wert darauf, das zu tun, was mir passt, ohne von irgendeinem Püppchen mit Fotoapparat belästigt zu werden.“

„Das gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, meinen Film zu vernichten. Hätten Sie zugestimmt, wenn ich Sie gefragt hätte?“

„Wahrscheinlich nicht. Versuchen Sie mir etwa weiszumachen, dass Sie beruflich fotografieren? Das zieht bei mir nicht, Kleine.“ Er kniff die Augen leicht zusammen. „Gehört dieser Fotoapparat überhaupt Ihnen? Vielleicht haben Sie ja vergessen, auch den Besitzer um Erlaubnis zu fragen. Ich denke, ich sollte die Kamera der Polizei übergeben – und Sie gleich mit.“

Der Mann streckte die Hand nach ihr aus, aber Rose wich zur Seite und griff dabei nach dem Apparat. Der Fremde hielt ihn fest, ließ ihn dann aber ganz plötzlich los. Sie verlor daraufhin die Balance, die Kamera rutschte ihr aus der Hand und flog direkt unter die Räder eines zurücksetzenden Autos.

Rose stand starr vor Entsetzen, als sie das Knirschen des Metalls hörte. Der Mann neben ihr fluchte leise, und das brachte sie wieder zu sich. Sie wirbelte herum – ein kleines blondes Energiebündel voller Zorn.

„Da sehen Sie, was Sie angerichtet haben! Der Apparat hat mehrere hundert Pfund gekostet und gehört mir nicht einmal.“

„Hab ich’s doch gedacht! Sie haben ihn ‚ausgeliehen‘, stimmt’s?“

„Nein, habe ich nicht! Nur ein arroganter Kerl wie Sie kommt auf solche Gedanken. Wenn Sie’s genau wissen möchten, Mr. Wer-auch-immer-Sie-sind, er gehört meiner Firma, und ich bin hier, um zu arbeiten.“

Ihr Blick fiel auf die Überbleibsel, die einmal ein Fotoapparat gewesen waren, und sie stöhnte auf. Hastig presste sie die Faust vor den Mund, um sich vor dem Mann, der so überheblich und so verletzend war, keine Blöße zu geben.

Dann drehte Rose sich um und lief über die dicht befahrene Straße, ungeachtet der hupenden Autofahrer und der Rufe des Mannes.

Wie durch ein Wunder erreichte Rose heil die gegenüberliegende Straßenseite. Dann rannte sie die erstbeste Straße hinunter, um jegliche Verfolgung auszuschließen.

Ein paar Minuten später verlangsamte Rose ihr Tempo und schaute vorsichtig über die Schulter zurück. Bis auf einige wenige Menschen, von denen keiner groß und gebräunt war, war die schmale Gasse menschenleer. Langsam ging Rose zu dem bescheidenen Hotel, in dem sie sich mit so großen Erwartungen am Abend zuvor einquartiert hatte. Sie war so erschöpft gewesen nach dem Flug von England und so aufgeregt über den ersten großen Auftrag, mit dem Craig sie betraut hatte, dass sie kaum hatte schlafen können. Und dann gab es da noch einen anderen Grund für ihre Reise nach Mallorca. Aber nun hatte der Vorfall mit dem Fotoapparat alles zunichte gemacht.

Craig. Leise stöhnend öffnete sie die Tür zu ihrem Zimmer. Wie sollte sie ihm das Ganze bloß beibringen? Sie ließ sich bäuchlings aufs Bett fallen und stützte das Gesicht in beide Hände.

Rose hatte Craig vor über einem Jahr kennengelernt. Damals hatte sie sich als Assistentin bei dem Beratungsbüro „Design for Today“ in Warwick beworben. Nachdem sie eine Ausbildung als Fotografin absolviert und ein Jahr beim Fernsehen gearbeitet hatte, wollte sie sich unbedingt beruflich verändern. Der erste Eindruck von Craig Dawson stimmte sie zuversichtlich, gut mit ihm zusammenarbeiten zu können, und sie schöpfte Hoffnung, dass es ihr vielleicht auch gelingen würde, die unschönen Erlebnisse der letzten Monate vergessen zu können.

Craig hatte keinen Zweifel, dass sie genau dem entsprach, was er sich unter einer guten Assistentin vorstellte. Roses Gefühl, was die gute Zusammenarbeit anging, erwies sich als richtig, und seit einiger Zeit standen sie sich näher, als es normalerweise zwischen Arbeitgeber und Angestellter üblich war.

Craig vermittelte zudem den Eindruck, dass er einen guten Ehemann und Vater abgeben würde. Was wollte sie also mehr? Himmelstürmende Liebe gab es lediglich in Liebesromanen, nicht aber in der Wirklichkeit, wie Rose nur zu genau erfahren hatte. Craig teilte ihre Meinung. Sie passten gut zusammen, und nach dem zu urteilen, was er ihr vor ihrer Abreise aus England gesagt hatte, war er so gut wie bereit, den entscheidenden Schritt mit ihr zu gehen.

Es war zwar alles ein bisschen berechenbar und geruhsam, doch schließlich waren sie beide keine Teenager mehr. Craig war achtundzwanzig und sie fünf Jahre jünger, und heiraten und eine Familie gründen waren ernst zu nehmende Vorhaben. Es gab keine rosaroten Wolken, auf denen man schweben konnte, die Erde bebte nicht, wenn sie beide sich küssten, und das fand Rose auch gut so. Aber eine Sache bereitete ihr dennoch Kopfzerbrechen: Trotz aller Vertrautheit, die sich zwischen ihnen entwickelte, tat Craig sich schwer, ihr mehr als nur routinemäßige Arbeiten anzuvertrauen.

Rose hatte sich zunehmend über seine Einstellung geärgert, dass Männer in allem, was etwas schwieriger war, besser wären. Sie befürchtete schon, dass ihre Enttäuschung darüber sich möglicherweise auf ihre Beziehung auswirken könnte, als Craig ihr überraschenderweise den Auftrag für „Ferrier Travel“ auf Mallorca übertrug. Und nun war ihr gleich am ersten Tag so etwas passiert …

Sie ballte die Hände zu Fäusten. Wie gern hätte sie diesen grässlichen Mann damit bearbeitet! Der Fotoapparat war Craigs ganzer Stolz und hatte für ihn einen nicht unerheblichen finanziellen Aufwand bedeutet. Denn die Geschäfte, das musste sie leider zugeben, gingen nicht so gut, wie sie sollten. Und ihr war durchaus bewusst, dass Craigs Einstellung eine ganze Menge mit dem Stagnieren der Firma zu tun hatte. Craig war von Haus aus konservativ und missbilligte die Risikofreude seiner Konkurrenten aufs Schärfste.

„Wir leisten gute, solide Arbeit“, hatte er ernsthaft gesagt, und Rose konnte nur zustimmen. Niemand konnte Craig nachsagen, dass er sich nicht für alle seine Aufträge Zeit nahm und sorgfältig recherchierte. Und wenn einige Kunden meinten, er sei nicht nur gewissenhaft, sondern auch ziemlich langweilig, und zu dynamischeren und kreativeren Firmen überwechselten, dann schrieb Craig das dem schlechten Geschmack der Klientel zu. Leider war das der Firma „Design for Today“ nicht gerade förderlich.

Rose stand auf, strich sich energisch das helle Sommerkleid glatt und ging auf die Tür zu. Von einem wenn auch nicht gerade unerheblichen Rückschlag wollte Rose sich nicht in die Knie zwingen lassen. In einem Ort wie Puerto Pollensa musste doch ein vernünftiger Fotoapparat aufzutreiben sein.

Nach zwei Stunden gab Rose sich geschlagen. Sie hatte die kleine Stadt von einem Ende bis zum anderen durchkämmt, aber nirgendwo gab es einen geeigneten Fotoapparat zu leihen. Zu kaufen schon, doch die guten waren viel zu kostspielig. Rose betrachtete skeptisch den einfachen Apparat, den sie gerade erstanden hatte. Er mochte gut genug für den Durchschnittstouristen sein, aber für ihren Job kam er ihr jämmerlich unzureichend vor.

Sie setzte sich auf eine Bank mit Blick auf die Bucht. Die Idee, die Rose vor wenigen Stunden noch so großartig erschienen war, hatte ihr nichts als Ärger eingebracht. Statt der gewöhnlichen Reisebroschüren mit ihren ewigen schönen Landschaftsbildern und den ebenso schönen jungen Menschen hatte sie einmal etwas ganz Neues machen wollen. Es gab Dutzende dieser Kataloge, aber Rose war aufgefallen, dass die Leute von „Ferrier Travel“ mit ihren Exklusivreisen besonders Familien und ältere Leute ansprechen wollten. Und so war sie auf die Idee gekommen, Menschen verschiedener Altersgruppen in Einklang mit der Landschaft zu bringen. Für Rose stand fest, dass dieses Konzept gut ankommen würde.

Und dieser Idee war es auch zu verdanken, dass sie einen Probeauftrag erhalten hatten. „Ferrier Travel“ war eines der ältesten und größten Reiseunternehmen und hatte einen guten Ruf, obwohl die Firma sich nach Roses Meinung etwas altmodisch gab.

Craig wollte sich an die traditionelle Ausrichtung halten, Rose jedoch hatte das unbestimmte Gefühl, dass ihnen hier andere Firmen einen Schritt voraus waren und ihre einzige Chance darin lag, sich etwas Neues einfallen zu lassen. Zumindest mussten sie den altbewährten Konzepten einen neuen Kick versetzen, wenn sie ins Geschäft kommen wollten, was sie bitter nötig hatten.

Rose hatte Craig schließlich davon überzeugen können, es einmal mit ihren Vorstellungen zu versuchen, wobei sie sich absichtlich vage darüber äußerte, was sie eigentlich im Sinn hatte. Craig glaubte, sie wolle die ursprünglichere Seite der Insel fotografieren, was Rose durchaus beabsichtigte. Sie wollte aber auch das festhalten, was die Insel Menschen der verschiedensten Altersgruppen zu bieten hatte.

Nun war Rose sich nicht mehr sicher, ob sie das auch würde realisieren können. Vielleicht sollte sie sich erst einmal darauf konzentrieren, weshalb sie außerdem nach Mallorca gereist war. Sie hatte vor, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und Geschäftliches mit Urlaub zu verbinden. Craig hatte nur eingewilligt, weil Rose bereit gewesen war, für die Reise ihren „normalen“ Urlaub zu opfern. Er war aber bereit, einen Teil der Kosten zu übernehmen. Als Rose es Maisie, der Empfangssekretärin, erzählt hatte, meinte diese, Craig sei ein Geizkragen.

„Craig ist nicht kleinlich, Maisie“, hatte Rose gesagt, entrüstet darüber, dass jemand Craigs Geschäftssinn falsch deutete. „Ich habe einen Brief von einem Rechtsanwalt auf Mallorca erhalten – eine mir unbekannte Tante hat mich in ihrem Testament bedacht. Ich könnte natürlich schreiben und um Einzelheiten bitten, da ich aber nun Gelegenheit habe, sowieso dorthin zu fahren, kann ich mich auch persönlich mit Señor Pueg bekannt machen und gleichzeitig die Recherchen für den Auftrag übernehmen.“

„Was Ihre Tante Ihnen wohl vermacht hat?“ Maisie sah Rose mit großen Augen neugierig an.

„Keine Ahnung. Ich wusste zwar, dass da irgendwelche Verwandte meiner Mutter auf der Insel lebten, aber ich dachte, die wären alle längst tot.“

„Schickt der Chef deshalb nicht Oliver Hanson nach Mallorca? Der gute alte Oliver hatte sich schon so auf ein paar schöne Tage in der Sonne gefreut. Ich vermute, unser lieber Chef konnte nicht widerstehen, als Sie anboten, den Job mit Ihrem Urlaub zu verbinden. Trotzdem meine ich, Sie sollten ein paar extra Urlaubstage eingeräumt bekommen.“

Rose warf Maisie einen ärgerlichen Blick zu. Sie brauchte nicht auch noch Maisie, um sich ihrer eigenen Vorbehalte, was Craig betraf, bewusst zu werden. Doch Rose verdrängte ihre Zweifel schnell und lächelte die Sekretärin an.

„Mir soll das alles nur recht sein – ich kann Berufliches mit einem Urlaub verbinden, mich mit dem Rechtsanwalt meiner Tante treffen und darf mal etwas anderes fotografieren als immer nur Suppendosen.“

„Ach, ist das romantisch“, hatte Maisie schwärmerisch geflüstert, und Rose hatte lachen müssen und Maisie dann versprochen, ihr eine Ansichtskarte zu schicken.

Rose fröstelte nun trotz der Hitze. Bis Maisie es ihr erzählt hatte, war Rose nicht bekannt gewesen, dass Craig vorhatte, Oliver Hanson nach Mallorca zu schicken. Ein unbestimmtes Gefühl der Beunruhigung durchfuhr sie bei dem Gedanken, es nicht selbst von Craig erfahren zu haben. Jetzt verstand sie, warum er seine Meinung geändert hatte.

Sie lächelte ironisch. Maisie hatte recht – Craig hatte die Gelegenheit erkannt, Geld zu sparen, was sie ihm wohl schlecht übel nehmen konnte.

Ich bin mir sicher, dass ich genauso gute Arbeit leisten kann wie Oliver, sogar noch bessere, sagte sie sich trotzig. Oliver arbeitete zwar sehr zuverlässig, gehörte allerdings nicht gerade zu denen, die freiwillig neue Ideen verfolgten.

Sie stand auf. Es hatte keinen Zweck, etwas auf die lange Bank zu schieben. Craig erwartete von ihr, dass sie sich nach ihrer Ankunft mit Señor Bauza, dem Agenten von „Ferrier Travel“, in Verbindung setzte. Vielleicht konnte der ihr ja bei dem Problem mit dem Fotoapparat behilflich sein? Zuversichtlich machte sie sich auf den Weg zur Agentur.

Bald stand sie in einer kleinen, von Bäumen beschatteten Seitenstraße vor einem Tor mit dem Schild „Ferrier Travel“. Hinter dem Tor lag inmitten eines kleinen Parks eine hübsche Villa. Was für ein Unterschied zu den Büros, die ich normalerweise aufsuche, dachte Rose, als sie auf das Haus zuging.

Die attraktive schwarzhaarige Empfangssekretärin lächelte bedauernd, als Rose sich vorstellte.

„Señor Bauza musste unerwartet fort“, sagte die Frau, „und leider wird er erst in ein paar Tagen zurückkommen.“

Rose seufzte. Es war äußerst wichtig, dass sie sich mit jemandem über die Broschüre unterhielt. Wenn Señor Bauza nicht zur Verfügung stand, würde das die Angelegenheit in die Länge ziehen, wovon Craig sicher nicht begeistert wäre.

„Ich habe jedoch eine Nachricht für Sie, Señorita“, sagte die Sekretärin ruhig.

Rose sah sie fragend an.

„Señor Ferrier erwartet Sie bei einer Party, die er heute Abend im Hotel Alonzo gibt. Er bedauert sehr, dass er Ihnen vorher nicht zur Verfügung stehen kann.“

Unwillkürlich wurde Rose hellhörig. Aus dem ruhigen Tonfall der Sekretärin glaubte sie unterschwellig einen Befehl herauszuhören, dem sie zu gehorchen hatte.

„Señor Ferrier bat mich, Ihnen zu verstehen zu geben, wie wichtig Ihre Anwesenheit bei dieser Party sei. Er ist ein sehr beschäftigter Mann. In den nächsten Tagen wird sich keine andere Gelegenheit zu einem Treffen bieten“, fuhr die Sekretärin fort.

Rose hatte das Gefühl, dass sie und ihre Pläne zum Scheitern verurteilt waren. Zuerst die Sache mit dem Fotoapparat, und nun musste sie sich, statt im Büro des Kunden mit dem Agenten die Geschäfte zu bereden, mit dem Chef auf einer Party treffen, wo sich wohl kaum Gelegenheit zu einem ordentlichen Gespräch ergeben würde.

Auf dem Rückweg zum Stadtzentrum fluchte Rose innerlich vor sich hin. Eigentlich hätten die Vorgespräche schon längst in England stattgefunden haben sollen, aber Mr. Ferrier hatte nie die Zeit für einen Besuch gefunden. Dieser verflixte Mann! Konnte er sich nicht einmal die Zeit nehmen, um seine Vorstellungen mit den Leuten zu besprechen, die diese später umsetzen sollten?

Als Rose sich abends für die Party zurechtmachte, beschäftigte sie nur ein Gedanke: Sie musste Mr. Ferrier beeindrucken, oder es war alles verloren.

Gottlob hatte sie ihr neues Abendkleid eingepackt. Es war ausgesprochen extravagant, aber beim Gedanken an Craigs Reaktion darauf wusste sie, dass das Kleid sein Geld wert war. Nun würde sie es tragen, nicht für Craig, sondern für einen Fremden, der vielleicht in geschäftlicher Hinsicht lebenswichtig für sie und Craig sein konnte.

Rose betrachtete sich in dem kleinen Spiegel – er war gerade groß genug, dass sie sehen konnte, wie perfekt das durch schmale Träger gehaltene und in verschiedenen Grüntönen schimmernde Seidenoberteil saß. Wie der weitfallende Rock ihre schlanken Beine umspielte, blieb Roses Fantasie überlassen.

Behutsam trug sie lichtgrünen Lidschatten auf und versuchte dann hartnäckig, ihren Haaren eine halbwegs ansehnliche Fasson zu geben. Wie immer gab sie es schließlich auf und fand sich damit ab, dass sich ihre Locken immer wieder selbstständig machten.

Man sollte den Tatsachen ins Gesicht sehen – sie würde niemals wie eine elegante Dame aussehen. Es war wohl ihr Schicksal, dass sie auf jeden, nur nicht auf sich selbst, wie eine leicht überspannte Blondine wirkte. Rose vollendete ihr Make-up mit einem rosafarbenen Lippenstift, strich den zarten Seidenstoff über den ihrer Meinung nach zu üppigen Brüsten glatt und zog die dunkelgrüne Schleife fester um die schmale Taille.

Dann schlüpfte Rose in die hochhackigen Sandaletten, die in den grünlichen Farbtönen des Kleides gehalten waren, griff nach einem dunkelgrünen Seidenschal mit langen Fransen und verließ das Zimmer.

Schon während des Tages hatte sie das Hotel Alonzo ausfindig gemacht. Es befand sich ganz in der Nähe des Hotels Maria, in dem Rose wohnte, aber da endeten die Ähnlichkeiten auch schon. Das Alonzo war groß und modern und zog die Wohlhabenden an. Ihr gefiel es nicht so recht. Es wirkte einschüchternd, und bestimmt waren hier nur Oberkellner beschäftigt, die die Augenbrauen hochzogen, wenn man nicht ein Menü mit mindestens vier Gängen bestellte.

Langsam ging sie die Strandpromenade entlang, vorbei an überfüllten Bars und Restaurants, in denen man fast alles bekommen konnte: angefangen bei den köstlich duftenden und appetitanregenden Gerichten, die typisch für die Insel waren, bis hin zu den üblichen Pommes frites.

Rose näherte sich dem imposanten Eingang des Hotels Alonzo. Mit einem Stoßgebet auf den Lippen und ehe der Mut sie verließ, ging sie in das Hotel. Sie erkundigte sich an der Rezeption nach Señor Ferrier und wurde auf die zweite Etage verwiesen. Rose betrat den Lift und hoffte, möglichst bald den Gastgeber zu finden und sich mit ihm für den nächsten Tag verabreden zu können. Eine Party war ungeeignet, um über Geschäfte zu reden.

Sanft fuhr der Lift nach oben, und genauso sanft kam er zum Stehen. Die Türen öffneten sich geräuschlos und gaben den Blick auf einen hell erleuchteten Raum frei. Gedämpftes Stimmengewirr war zu hören. Nach kurzem Zögern verließ Rose den Lift. Sie war froh, ein präsentables Kleid anzuhaben, wenn es auch nicht annähernd mit den Modellkleidern mitzuhalten vermochte, die die meisten der anwesenden Damen trugen.

Rose entdeckte unter den vielen gut gekleideten Herren niemanden, der vielleicht der Gastgeber hätte sein können. Sollte sie nach ihm fragen? Dann stellte sie sich vor, wie sie daraufhin gemustert werden würde. Ein Kellner bot ihr einen Drink an, und sie nahm das erstbeste Glas und nippte daran. Um sie herum wurde nur Spanisch gesprochen, das sie leider nicht verstand.

Der Drink war ihr zu stark. Rose stellte das Glas auf dem nächstbesten Tisch ab und schlenderte so unauffällig wie möglich zu den großen Glastüren, die auf einen Balkon führten.

Ah, das war schon besser, kühl und frisch, mit spektakulärem Blick. Die Bucht, die sie schon vor der verheerenden Begegnung mit dem anmaßenden Fremden bewundert hatte, erstreckte sich vor ihrem Auge. Die Berge links und rechts davon bildeten bei dieser Beleuchtung lediglich eine schattenhafte Kulisse. Auf dem Wasser spiegelte sich der Vollmond. Es fehlte eigentlich nur der attraktive Mann, der den Film vernichtet hatte.

Na ja, dass der Mann nicht da war, bedeutete keinen großen Verlust, und Rose hoffte, ihm nie wieder begegnen zu müssen. Eine Begegnung war auch ziemlich unwahrscheinlich, denn Männer wie er hielten sich wohl kaum längere Zeit in einem kleinen Urlaubsnest auf. Rose fühlte eine gewisse Beklommenheit, die sie leicht beben ließ, und schob es auf die aufkommende Brise. Was konnte es auch anderes sein?

„Miss Grey?“

Die Stimme war tief und wohlklingend und Rose nur zu gut bekannt. Sie drehte sich um, dankbar, dass ihr Gesicht im Schatten lag. Vielleicht würde der Mann sie nicht erkennen. Doch sie ahnte, dass diesem Mann keine Sekunde lang etwas verborgen bleiben würde.

„Sie“, sagte er mit einer eisigen Ruhe, die Rose erschauern ließ. „Was machen Sie denn hier?“

„Ich könnte Sie das Gleiche fragen. Wieso sind Sie mir gefolgt?“

Er beantwortete ihre Frage genauso wenig wie Rose seine.

„Sie sind offenbar Miss Grey von ‚Design for Today‘“, meinte er nach einer Weile lakonisch.

„Und Sie sind der Gastgeber Adam Ferrier.“ Leider konnte es sich wohl um keinen anderen handeln.

„In der Tat“, sagte er kühl. „Ich habe geahnt, dass ich Ihnen nicht zum letzten Mal begegnet bin. Aber dass ich Sie hier wiedersehen würde, damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet.“

„Ich bin ebenfalls sehr erfreut“, erwiderte sie ironisch. „Den ganzen Tag lang habe ich mir den Kopf zerbrochen, wie ich dem hohen Mr. Ferrier am besten erklären soll, dass ich nicht die gewünschten Bilder machen kann, weil ein Flegel meinen Apparat ruiniert hat. Wenigstens kann ich mir nun eine Erklärung sparen.“ Rose warf den Kopf zurück, sich völlig unbewusst, dass das Mondlicht silbern auf ihren Locken glänzte, die weich ihr schmales Gesicht umrahmten.

„Sie brauchten den Fotoapparat also tatsächlich für berufliche Zwecke.“

Rose nickte. Er kam einen Schritt näher, und all ihre Sinne warnten sie, dass dieser Mann ihr gefährlicher werden könnte, als ihr lieb war.

„Meinen Sie nicht auch“, sagte er bedrohlich sanft, „dass es etwas unverantwortlich war, auf Firmenkosten einen Film zu verknipsen, und zwar zu Ihrem reinen Privatvergnügen?“

Rose sah ihn empört an. Sie hatte ihn richtig eingeschätzt. Nicht ein Wort verlor er darüber, dass er ihren Film ruiniert hatte und der kostspielige Apparat zum Teufel war. Dieser Ferrier war offensichtlich der Meinung, dass Angriff die beste Verteidigung sei. Schön, sie konnte das Spielchen mitmachen. Lächelnd trat sie so dicht wie möglich an Adam Ferrier heran, ohne ihn jedoch zu berühren.

„Ich konnte Ihnen nicht widerstehen“, flüsterte sie. „Sie gaben ein so tolles Bild ab, wie Sie da am Geländer standen.“

Seine Augen glitzerten plötzlich, und sie wich schnell etwas zurück. Der Wunsch, ihn zu verspotten, war unwiderstehlich, aber überhaupt nicht klug gewesen, und sie sollte dem Mann so schnell wie möglich erklären, warum sie ihn hatte fotografieren wollen.

Aber es blieb ihr keine Zeit für Erklärungen, denn Rose fühlte sich von seinen Armen umschlungen und ganz fest an seinen Körper gezogen. Sie konnte nur noch mit einem selbst für sie schwach klingenden „Nein!“, protestieren, ehe sie Adam Ferriers Lippen auf ihrem Mund spürte.

Rose war schon oft geküsst worden, aber kein Kuss hatte den Effekt wie jetzt dieser. Die Welt schien plötzlich stillzustehen, und der Mond war offenbar vom Himmel heruntergekommen und umgab sie beide mit seinem silbrigen Licht, schuf ihnen ihr eigenes Universum. Rose schmiegte sich an Adam Ferrier und schloss die Augen. Unwillkürlich öffnete sie ihre unbewusst geballten Hände und anstatt ihn wegzustoßen, ließ sie die Finger durch sein dichtes Haar gleiten.

Rose wünschte, der verzauberte Moment würde ewig dauern, aber jäh hob Adam Ferrier den Kopf und löste sich von ihr. Verwirrt öffnete Rose die Augen und begegnete Adam Ferriers Blick, der außerordentlich hart und zynisch war.

„Sieh mal einer an! Wer hätte das erwartet? Ein fauchendes Kätzchen verwandelt sich in eine sexhungrige Frau. Nun haben Sie endlich Ihr wahres Gesicht gezeigt“, verspottete er sie und zog damit – was noch schlimmer war – den Kuss, den er ihr gegeben hatte, ins Lächerliche.

Sie holte aus und schlug Adam Ferrier ins Gesicht. Wie konnte er nur so, so … Er sah sie nun auf eine Art an, dass Rose keinen passenden Ausdruck dafür fand. Und ehe sie etwas tun oder antworten konnte, zog Adam Ferrier sie erneut an sich und küsste sie, aber jetzt, um sie zu bestrafen, das fühlte sie deutlich.

Nach einer Ewigkeit, wie ihr schien, ließ er Rose endlich los. Ihr schmerzte der Körper, so fest hatte Adam Ferrier sie an sich gepresst. Und ihre Lippen fühlten sich geschwollen an. Aber trotz des Unbehagens und Ärgers über seine Gewalttätigkeit konnte Rose ihre Erregung nicht verleugnen.

Rose hatte es fertiggebracht, stocksteif mit herunterhängenden Armen dazustehen, obwohl sie Adam Ferrier gern mit den Fäusten bearbeitet hätte. Oder hatte sie ihn im Grunde wieder umarmen und seinen Kuss erwidern wollen, bis sich Strafe in Leidenschaft verwandelte? Entsetzt über diesen Gedanken, musste sie heftig schlucken.

„Schlagen Sie mich nicht noch einmal“, sagte Adam Ferrier rau, und eine innere Stimme sagte ihr, dass er wohl doch nicht ganz so ungerührt war, wie er sich zu geben versuchte. „Ich könnte zurückschlagen oder Sie so bestrafen, dass wir beide Spaß daran haben.“

Er lachte, als Rose errötete. Sie holte tief Luft, um ihm zu sagen, was sie davon hielt, aber jemand hinter ihm ließ sie gerade noch rechtzeitig schweigen.

„Hier bist du also, Adam. Ich dachte, du hattest etwas Geschäftliches zu besprechen?“ Eine große rothaarige Frau in einem silbernen Abendkleid hakte sich bei Adam Ferrier ein und musterte Rose mit grün schimmernden Augen misstrauisch.

„Miss Lawdon – Miss Grey“, stellte Adam vor.

Rose streckte die Hand aus, aber die Fremde rührte sich nicht, sodass Rose die Hand schnell wieder sinken ließ.

„Miss Grey und ich haben tatsächlich etwas Geschäftliches zu besprechen, Estelle“, sagte er zu der rothaarigen Frau. „Hab noch ein paar Minuten Geduld, dann kann ich mich dir wieder widmen.“ Er lächelte sie an, und sie schmiegte sich an ihn und küsste ihn auf die Wange. „Beeil dich, Darling!“, flüsterte sie, bevor sie wieder im Festraum verschwand.

„Eine Party ist wohl kaum der geeignete Ort für Geschäftsgespräche“, bemerkte Rose, deren Nerven zum Zerreißen gespannt waren. Adam Ferrier stand ihr offensichtlich ablehnend gegenüber, würde vermutlich jede ihrer Ideen ablehnen, und sie bereitete sich auf das Schlimmste vor. Zu ihrer Überraschung erkannte Rose jedoch so etwas wie einen Funken von Humor in seinen blauen Augen.

„Ich bin ganz Ihrer Meinung. Wir sollten Geschäftliches nicht hier besprechen. Aber unsere Begegnung hat sich bereits gelohnt“, meinte er und lächelte dabei so überheblich, dass Rose am liebsten wieder zugeschlagen hätte. „Wir treffen uns morgen Mittag um zwölf Uhr hier im Hotel, um uns über unser Projekt zu unterhalten, Miss Grey. Es ist zwar Sonntag, aber das macht Ihnen sicherlich nichts aus, denn meine Zeit ist sehr knapp bemessen.“

Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um und trat durch eine der großen Glastüren zurück in den Saal. Sofort war er von Menschen umringt, vorwiegend von Frauen, was Rose nicht weiter verwunderte.

Da sie ihm heute unter keinen Umständen ein zweites Mal begegnen wollte, beschloss sie, sich möglichst unauffällig fortzuschleichen. Dass ihr dabei ein Blick aus faszinierend blauen Augen folgte, bis sie außer Sichtweite war, bemerkte Rose nicht.

2. KAPITEL

Sonnenstrahlen kitzelten sie an der Nase und weckten Rose aus einem verwirrenden und nicht gerade glücklichen Traum. Sie rieb sich die Augen und streckte sich. Im ersten Augenblick wusste sie nicht, wo sie war, doch dann erinnerte sie sich wieder und lächelnd genoss sie den Gedanken daran, auf Mallorca zu sein. Als ihr jedoch der gestrige Tag mit all seinen Vorkommnissen wieder einfiel, schwand ihre gute Laune augenblicklich. Wie hatte sie diesen Widerling Adam Ferrier auch nur einen Augenblick lang vergessen können? Nur zu deutlich erinnerte sie sich an seine Küsse, und ihr wurde heiß. Wie bereitwillig hatte sie auf den ersten Kuss reagiert! Adam Ferrier war ganz sicher kühl und arrogant, doch es ließ sich nicht leugnen, dass er sie nicht kalt ließ und sie erregt hatte wie kein anderer Mann zuvor.

Aber schließlich bin ich auch nicht auf Ferriers Verhalten vorbereitet gewesen, versuchte sie sich einzureden. Er küsst zwar wunderbar, hat mich jedoch überrumpelt, und das war das Entscheidende, sagte sie sich energisch, als sie sich ankleidete.

Nach dem Frühstück entschied sich Rose, die Zeit bis zum Treffen mit Ferrier zu genießen und ein bisschen die Gegend zu erkunden. Als sie den Strand entlangschlenderte, wünschte sie sich, sie hätte die Kamera noch – es gab so viele schöne Motive.

Abrupt blieb Rose stehen – sehr zum Ärger einer Möwe, die direkt vor ihren Füßen gerade ein Stückchen Brot mit dem Schnabel ergreifen wollte. Zwar war Craigs Kamera zum Teufel, aber sie besaß ja noch die, die sie hier gekauft hatte! Schnell holte sie den Apparat aus ihrer Handtasche und musste lachen, als der Vogel mit dem Brot im Schnabel verärgert davonflog.

Die nächsten anderthalb Stunden verbrachte Rose damit, sich im Städtchen umzusehen, wobei sie alles fotografierte, was ihr interessant zu sein schien. Als sie eine Uhr schlagen hörte, wurde Rose plötzlich bewusst, dass sie noch die Unterlagen für das Gespräch mit Adam Ferrier brauchte, und sie ging zum Hotel zurück.

Dort zog sie sich schnell noch um. Das hübsche Kleid aus leichter gelbweißer Baumwolle hatte kurze Ärmel und schmiegte sich perfekt um Roses schmale Taille. Der weite Rock fiel in sanften Falten bis zum Knie. Rose kämmte sich noch schnell ihr Haar und erneuerte ihr Lippenrot, danach hängte sie sich die geräumige Tasche mit den Plänen über die Schulter und verließ das Hotel.

Es war inzwischen heiß geworden, und Rose hätte sich am liebsten bei einem erfrischenden Getränk irgendwo im Schatten abgekühlt. Stattdessen musste sie sich mit einem Mann treffen, bei dem schon der Gedanke an seine Nähe sie nervös machte.

Das Ganze war sowieso nur Zeitvergeudung. Rose war sicher, dass sie und ihre Firma überhaupt keine Chancen hatten, mit Adam Ferrier zu einem Vertrag zu kommen.

Armer Craig, er hatte so große Hoffnung in dieses Projekt gesetzt! Rose wusste, dass die Schwierigkeiten bei „Design for Today“ größer waren, als er zugeben wollte. Ihr war nicht entgangen, dass sie während der letzten sechs Monate mehr Kunden verloren als gewonnen hatten, und das konnte keine Firma lange verkraften.

Drohend tauchte das Hotel Alonzo vor Rose auf. Sie hatte das Gefühl, zu ihrer eigenen Hinrichtung zu gehen, aber sie straffte die Schultern und betrat die Hotelhalle.

„Señor Ferrier wohnt ganz oben“, sagte die Empfangsdame freundlich und wies auf den Lift.

Rose fuhr in die oberste Etage, und als die Liftgitter sich zu einer kleinen Diele öffneten, ging eine Tür auf und Adam Ferrier trat heraus. Rose stockte der Atem – er sah umwerfend aus. Die weiße Hose betonte seine muskulösen Oberschenkel, und das rauchblaue Oberhemd unterstrich lebhaft die Farbe seiner Augen.

Mit einer höflichen Geste bat er Rose in einen geräumigen Salon, dessen Fenster auf das Meer hinausgingen. Immer noch wortlos wies er Rose an, Platz zu nehmen, und setzte sich ihr gegenüber.

Das war der reinste Nervenkrieg, und Zorn stieg in ihr auf. Dieser arrogante Kerl, was bezweckte er eigentlich damit? Wenn er nicht bald zu reden anfing, würde sie platzen!

„Miss Grey …, Miss Rosalinda Grey“, meinte er schließlich, und Rose zuckte unwillkürlich zusammen. Rosalinda – unmöglich!

„Man nennt mich Rose“, meinte sie steif. „Mein voller Name ist viel zu lang.“

„Da bin ich ganz und gar nicht Ihrer Meinung, obwohl das für den alltäglichen Gebrauch wohl zutrifft. Ich werde Sie jedenfalls Rosalinda nennen, und Sie können Adam zu mir sagen.“

„Ich bleibe lieber bei Mr. Ferrier. Bei Geschäftsverhandlungen halte ich eine gewisse Förmlichkeit für angebracht.“

„Darin stimme ich Ihnen zu, aber ich glaube, dass wir eher privat als geschäftlich etwas miteinander zu tun haben werden.“

Rose sprang auf. Das war ja noch schlimmer, als sie befürchtet hatte! Er machte kurz und bündig sämtliche Hoffnungen auf einen Auftrag zunichte – und zudem noch ganz eindeutige Anspielungen. Was für eine Unverschämtheit!

Doch bevor Rose einen Schritt machen konnte, war Adam Ferrier bei ihr. Und ehe sie protestieren konnte, hatte er sie in den Sessel zurückgedrückt. Wütend maß sie den Mann, der sich ihr gegenüber wieder niederließ und sie gelassen beobachtete.

„Sie finden das nicht gut?“, fragte er, die Augenbrauen hochgezogen.

„Sie sagen es.“ Rose versuchte, sich seinem ironischen Ton anzupassen. Doch das Blitzen in Adam Ferriers Augen machte ihr bewusst, dass sie kläglich versagte.

„Sie könnten Ihre Meinung ändern“, meinte er.

Rose schüttelte nur den Kopf, da sie ihrer Stimme nicht traute.

„Nein? Wir werden sehen. Darf ich Ihnen einen Drink anbieten, ehe wir weitersprechen?“ Adam Ferrier stand auf, und Rose bat um einen Orangensaft. Sie musste einen klaren Kopf behalten, aber sie war durstig. Adam Ferrier selbst schenkte sich ein Glas Weißwein ein, setzte sich dann wieder und sah sie gedankenverloren an.

„Ich nehme an, dass Sie mit mir über Ihr Werbekonzept reden wollen“, sagte er.

„Wenn Sie mir ohne Vorurteil zuhören können, möchte ich das gern. Sollte es aber nur ein Ablenkungsmanöver sein, um mich ins Bett zu kriegen, habe ich kein Interesse“, sagte sie kühl. Zu ihrem Erstaunen begann er zu lachen.

„Sie überraschen mich immer wieder aufs Neue, meine kleine Rosalinda – aber gut, ich werde Ihnen aufmerksam zuhören.“

Sie blickte ihn misstrauisch an. Etwas in seiner Stimme gefiel Rose nicht. Er traute ihr vermutlich kein gutes Konzept zu. Was hatte er vor? Sie presste die Lippen zusammen. So, wie die Dinge lagen, war eine Unterhaltung mit ihm im Grunde die reinste Zeitverschwendung. Doch schon um Craigs willen musste sie alles versuchen.

Rose langte nach der Tasche neben sich und nahm eine Mappe heraus. Während der nächsten zwanzig Minuten erläuterte Rose ihr Konzept, und es überraschte sie, dass Adam Ferrier tatsächlich aufmerksam zuhörte. Nachdem sie geendet hatte, sah sie ihn erwartungsvoll an.

Er blätterte ihren Entwurf durch, wobei er hier und da einige Absätze las. Roses Nerven waren zum Zerreißen gespannt.

„Nun, was halten Sie davon?“, fragte sie und versuchte, seine Miene zu ergründen. Aber sein Gesicht war ausdruckslos, während er die Aufzeichnungen durchsah. Endlich blickte er auf und schaute Rose an.

„Ihre Ideen sind ganz interessant …, Miss Grey. Sie wissen, dass es sich um anspruchsvolle Exklusivreisen handelt? Unsere Kunden setzen sich vorwiegend aus Pensionären, also Menschen fortgeschrittenen Alters, zusammen. Haben Sie schon mal daran gedacht, einen Videofilm zu machen? Ich könnte mir vorstellen, dass das bei den älteren Leuten gut ankommt.“

„Das würde gut in mein Konzept passen“, sagte sie wie zu sich selbst. „Ich könnte mich mehr auf die nicht so bekannten Aspekte der Insel konzentrieren, mit dem Schwerpunkt auf dem, was ältere Leute anspricht.“

Adam Ferriers Gesicht drückte nun nicht gerade Begeisterung aus, aber auch keinen Unwillen.

„Das klingt nicht schlecht“, meinte er gedehnt. „Ich muss mich wohl entschuldigen, dass ich angenommen hatte, Sie hätten auf Firmenkosten für Ihr Privatvergnügen geknipst. Ihnen sollte jedoch klar sein, dass noch nichts entschieden ist. Andere Werbeagenturen sind auch interessiert. Deren Ideen mögen Ihrer Meinung nach zu konventionell wirken, aber sie haben vermutlich auch etwas für sich. Halten Sie sich das vor Augen, Miss Grey, wenn Sie den Film machen. Meine Gäste werden nicht in riesigen Hotels untergebracht, sondern in individuellen Villen in kleinen Städten und Dörfern, manche abseits gelegen, und generell steht ein Privatauto zur Verfügung.“

Mit wachsender Begeisterung hörte Rose zu. Nicht nur für ältere Menschen, sondern auch für Familien mit halb erwachsenen Kindern, die sich in einem Hotel zu eingeengt fühlen, würde so ein Ferienaufenthalt genau das Richtige sein.

Sie musste sich aber etwas ganz Besonderes mit dem Film einfallen lassen, wenn sie die erfahrene Konkurrenz übertrumpfen wollte …

Adam Ferrier lächelte Rose an. Einen Moment lang fühlte sie sich wieder in seinen Bann gezogen. Der Auftrag, der Film, Craig – alles wurde bedeutungslos im Vergleich zu der Spannung, die zwischen den beiden knisterte.

„Ich würde mir gern eine Videokamera leihen“, sagte sie, um die Spannung zu durchbrechen. „Doch das dürfte hier nicht möglich sein …“

„Ich stelle Ihnen eine Kamera zur Verfügung. Um neunzehn Uhr werde ich Sie abholen. Alles Weitere besprechen wir beim Dinner.“ Adam Ferrier stand auf, und Rose erhob sich ebenfalls. Er reichte ihr die Hand. „Ich würde gern mit Ihnen zum Lunch gehen, bin jedoch bereits verabredet.“ Er schien mit seinen Gedanken schon woanders zu sein, und Rose verzichtete auf Fragen. Sie hätte allerdings gern sofort mehr erfahren – natürlich nur im Hinblick auf die Kamera, mit wem Adam Ferrier zum Lunch ging, interessierte sie nun wirklich nicht.

„Sie sind zu neugierig“, sagte er. „Meine Verabredung geht Sie nichts an.“ Überrascht blickte sie zu ihm auf, bevor er sie zum Lift begleitete.

Konnte Adam Ferrier etwa Gedanken lesen? Trotz der Hitze fröstelte Rose, als sie an den Geschäften an der Seepromenade vorbeiging. Es gefiel Rose gar nicht, dass er offensichtlich wusste, was sie dachte. Während sie vor einer Schaufensterauslage stehen blieb, fuhr ein grüner Sportwagen vorbei.

Rose schaute auf und erblickte gerade noch Adam Ferrier und eine rothaarige Schönheit neben ihm. Das ließ keinen Zweifel, mit wem er sich zum Lunch verabredet hatte. In einem hatte er allerdings recht: Es ging sie wirklich nichts an – außerdem war das alles sowieso eine Nummer zu groß für sie.

Die Videokamera, nur die war wichtig. Rose seufzte und wanderte langsam weiter. Aber warum sollte sie mit Adam Ferrier zu Abend essen? Dafür gab es keinen Grund. Am besten, sie rief diesen unmöglichen Mann an und sagte ihm …, ja, was? Dass sie die Kamera brauchte, mit ihm jedoch nicht zum Dinner gehen wollte?

Das konnte sie sich beruflich nicht leisten. Es ging kein Weg daran vorbei, sie musste tun, was Adam Ferrier verlangte …, in Grenzen, natürlich. Mit ihm zu schlafen, kam nicht infrage.

Fast der ganze Nachmittag lag noch vor Rose. Wieder in ihrem Hotel, aß sie eine Kleinigkeit und ging dann aufs Zimmer. Sie wollte die Arbeit und ganz besonders Adam Ferrier für eine Weile vergessen.

Sie zog das Kleid aus, legte sich aufs Bett und begann einen Kriminalroman ihres Lieblingsautors zu lesen, immer wieder hatte sie jedoch Adam Ferriers Gesicht vor Augen.

Würde alles glattgehen? Sie rechnete nicht damit. Er war undurchschaubar. Aber offensichtlich ging es ihm nur um seine Interessen, ob andere Leute Probleme hatten, interessierte ihn nicht. Rose schloss die Augen, fiel in Schlaf – und träumte irgendwann von Adam.

Erschreckt fuhr sie danach hoch und schaute voller Panik auf die Uhr. Mr. Ferrier hatte neunzehn Uhr gesagt, und er würde sicher sehr ärgerlich sein, wenn sie sich verspätete.

Gottlob war es erst kurz nach sechs, also hatte sie noch genug Zeit, sich zurechtzumachen. Das blassrosa Kleid, das sie auswählte, hatte ein figurbetontes Oberteil mit breiten Trägern und einen engen Rock. Ein rosa-weiß gestreiftes kurzärmeliges Jäckchen passte im Farbton genau dazu.

Dennoch betrachtete Rose sich unzufrieden im Spiegel. Nie würde sie mit der eleganten rothaarigen Estelle konkurrieren können!

Nicht, dass ihr in dieser Hinsicht etwas an Adam Ferriers Gunst lag, schon der Gedanke daran ließ Rose frösteln. Sein überlegenes Auftreten und seine starke erotische Ausstrahlung schüchterten sie allerdings ein.

Jäh straffte Rose die Schultern. Ach, Unsinn! Natürlich hatte sie keine Angst vor ihm, jedenfalls nicht persönlich, aber ein möglicher Auftrag war schon eine äußerst wichtige Sache, was „Design for Today“ anging.

Energisch wandte Rose ihre Gedanken Craig zu. Sie sollte an ihn und ihre gemeinsame Zukunft denken. Craig und die eventuelle Heirat erschienen Rose jedoch wie ein längst vergessener Traum.

Als sie dann auf der Hotelterrasse saß und auf das Glas Orangensaft starrte, musste Rose unwillkürlich wieder an Adam Ferrier und seinen Lebensstil denken, der so gar nicht zu ihr passte. Leise seufzte sie. Wenn sich diese sinnlosen Gedanken doch genauso schnell verflüchtigen würden wie die Eiswürfel in dem Glas!

„So traurig, Rosalinda? Denken Sie an einen Mann im fernen England?“ Adam Ferrier hatte geräuschlos die Terrasse betreten und schaute Rose fragend an.

Sie zuckte leicht zusammen. Sie hatte ihn erwartet, doch wie immer ließ seine Gegenwart ihr Herz schneller schlagen.

„Guten Abend, Mr. Ferrier“, sagte Rose betont gelassen. „Ich bin pünktlich, wie Sie sehen, aber ist es unbedingt nötig, dass wir zum Dinner gehen?“

Er lachte kurz auf, und Rose erkannte, dass sie ihm nicht eine Sekunde lang etwas hatte vormachen können. Wenn nur der Abend schon vorbei wäre!

„Und ob es wichtig ist, Rosalinda. Wir müssen beide etwas essen, und ich esse ungern allein. Sehen Sie es als Geschäftsessen an.“ Er streckte die Hand aus, aber Rose hatte das merkwürdige Gefühl, sie würde sich ihm ausliefern, wenn sie diese Hand ergriff. Was wollte er eigentlich von ihr, wo er doch eine so hinreißend schöne Freundin wie die rothaarige Estelle hatte?

Rose ignorierte seine Hand und sein Stirnrunzeln, stand auf und folgte ihm zum Parkplatz, wo der luxuriöse grüne Wagen stand. Adam half ihr beim Einsteigen, und diesmal konnte sie nicht ausweichen. Seine kräftigen Finger auf ihrem Arm ließen Rose erbeben, und sie sah einen Moment lang so etwas wie Genugtuung in seinen Augen.

„Warum wehren Sie sich eigentlich gegen das Unausweichliche?“, fragte er leise, nachdem er sich hinters Steuer gesetzt hatte.

Rose schnallte sich an und schüttelte dabei leicht den Kopf.

„Ich weiß nicht, wovon Sie reden“, erwiderte sie steif.

„Das wissen Sie sehr genau. Sie haben Gefallen an dem Spielchen, und mir macht es Spaß – jedenfalls noch.“ Er startete den Wagen, und Rose versuchte, die Drohung hinter seinen sanft gesprochenen Worten zu überhören.

Auf der Fahrt zum Restaurant suchte sie verzweifelt nach einem neutralen Gesprächsthema. Ihr fiel aber nichts ein. Plötzlich legte er eine Kassette ein.

Bei der ihr vertrauten Musik entspannte Rose sich. Adam schaute sie einen Moment lang von der Seite an und lächelte.

„Sie mögen klassische Musik?“, fragte er leise, und die Andeutung von Überraschung in seiner Stimme machte Rose gleich wieder wütend.

„Warum sollte ich nicht? Mir sind die feinen Dinge im Leben nicht ganz so fremd, wie Sie vielleicht denken“, erwiderte sie bissig.

„Sie haben genauso viele Dornen, wie der erste Teil Ihres Namens. Das macht mich neugierig. Ich bin sicher, dass Sie dem gerecht werden könnten, was der Name Rosalinda in mir wachruft. Ich freue mich schon darauf.“

Rose blickte ihn zornig an. Sie hätte zu gern gewusst, was er sich bei ihrem Namen vorstellte, hütete sich aber, nachzufragen.

„Rosalinda bedeutet auf Spanisch ‚Schöne Rose‘, der Sage eines anderen europäischen Volkes nach jedoch ‚Rossschlange‘“, sagte Adam Ferrier.

„Oh …“

Er lachte. „Das hört sich nur so schlimm an. Die Schlange wird immerhin als heilig angesehen. Ich finde die spanische Bedeutung allerdings auch schöner.“

Rose atmete auf. Immerhin gefiel ihm ihr Name.

„Bei dem Namen Rosalinda stelle ich mir eine sanfte, nachgiebige Frau vor, die gern verwöhnt werden möchte, aber auch selbst gern verwöhnt“, fuhr Adam mit samtweicher Stimme fort.

Rose richtete sich sofort aufrecht hin und sah ihn misstrauisch an. Gerade hatte sie sich einigermaßen in Sicherheit gewiegt, und schon startete er einen neuen Angriff. Je schneller sie den Film drehte, desto eher würde sie nach England zurückkehren können. Sollte Craig sich dann um den Rest der Werbeaktion kümmern – sofern es überhaupt zu einem Auftrag kam. Adam Ferrier würde mit ihr nicht länger Katz und Maus spielen! Selbst wenn er ein erfahrener Kater war, sie war jedenfalls keine Maus. Ja hieß ja, Nein hieß nein!

Adam Ferrier blickte sie wieder von der Seite an.

„Sie sehen sehr entschlossen aus, Rosalinda“, stellte er fest. „Sie müssen nur aufpassen, dass Sie nicht Nein sagen, wenn Sie Ja sagen sollten. Erstaunlich, dass ich meist weiß, was Sie denken, nicht wahr? Aber wenn Sie wollten, könnten Sie sicherlich meine Gedanken genauso leicht lesen.“

Rose erkannte, dass er in einem Punkt recht hatte. Kaum etwas blieb ihm verborgen. Aber für sie blieb er einfach ein Rätsel.

Das Restaurant lag in einem ruhigen Innenhof, und Rose schaute sich interessiert um. Für hiesige Verhältnisse war es noch verhältnismäßig früh, und nur wenige Tische waren besetzt. Adam führte sie zu einem Eckplatz. Sofort eilte ein Ober herbei. Das war bei Adam Ferrier eben so: Er hatte eine derartig überlegene und selbstsichere Ausstrahlung, dass gewöhnliche Sterbliche für ihn sofort alles stehen und liegen ließen.

„Rosalinda?“

„Ja …, äh …, wie bitte?“ Offenbar hatte er sie etwas gefragt, und das war ihr entgangen. „Verzeihung, ich war nicht ganz bei der Sache“, sagte sie so würdevoll wie möglich und lächelte den Ober an. Der lächelte zurück, und Adam runzelte die Stirn.

„Ich hatte Sie gefragt, ob Sie einen Drink vor dem Essen möchten.“

„Ja, bitte Orangensaft.“

„Offensichtlich lieben Sie Orangensaft.“

Adam Ferrier bestellte für Rose den Saft und für sich einen Sherry.

Erstaunlicherweise verlief das Dinner dann angenehm und ruhig. Adam Ferrier erwies sich als ausgezeichneter Gastgeber, und er erzählte ihr vorwiegend von der Insel.

„Sind Sie nicht eigentlich in London zu Hause?“, fragte Rose während einer kurzen Gesprächspause.

„Ich besitze eine Wohnung in London, die man vielleicht mein Zuhause nennen könnte, habe aber auch noch ein Haus in Warwick. Dort halte ich mich allerdings selten auf. Ich wünschte, ich könnte mehr Zeit dort verbringen. Nun, wenn das Projekt hier unter Dach und Fach ist, wird das wohl möglich sein. Um ein Anwesen wie das in Warwick muss man sich kümmern, das können Sie sich sicherlich vorstellen.“

Rose fühlte sich unbehaglich, was er wohl auch hatte bezwecken wollen. Er lächelte flüchtig und wechselte das Thema. „Morgen ist auch noch ein Tag, um über unsere geschäftlichen Pläne zu reden.“

Sie sah ihn erstaunt und etwas verärgert an. „Ich dachte, wir wollten beim Dinner Einzelheiten besprechen.“

„Ich hatte zwar gesagt, Sie könnten die Einladung als Geschäftsessen betrachten, aber ich meine, gedämpftes Licht, gutes Essen und eine hübsche Begleitung passen nicht dazu.“ Er blickte ihr in die Augen, und Rose musste ihm zustimmen: Geschäfte hatten bis morgen Zeit.

Nachdem die beiden noch einen Kaffee getrunken hatten, fuhren sie zurück nach Puerto Pollensa. Als sie vor Roses Hotel anhielten, brachte Adam das Gespräch auf die Kamera.

„Ich werde morgen alles, was Sie brauchen, bereit haben. Kommen Sie um zehn Uhr in mein Hotel, dann können Sie sich die Videokamera holen.“

„Ich nahm an, die Kamera sei auch ein Grund für unser Treffen heute Abend.“

„Es ging mir lediglich darum, mit Ihnen zusammen zu sein, um Sie besser kennenzulernen. Immerhin handelt es sich um ein Exklusivprojekt, das mir sehr wichtig ist, und Sie verstehen sicher, dass ich es Ihnen nicht so ohne Weiteres anvertrauen kann.“

„Das werden Sie auch nie tun, stimmt’s? So langsam wird mir klar, dass das überhaupt nicht Ihre Absicht ist. Was für ein Spiel treiben Sie eigentlich, Mr. Ferrier?“

Er öffnete die Tür, stieg aus und half Rose wenig später aus dem Auto. „Was möchten Sie denn spielen, Rosalinda? Ich bin bereit, Ihren Regeln zu folgen.“

Sie sah ihn empört an. Adam Ferrier würde sich ganz sicher nach niemandem richten. Er bestimmte die Regeln, jeder sollte sich nach ihm richten.

„Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, Mr. Ferrier“, sagte sie und wollte an ihm vorbeigehen, aber er hielt sie fest und küsste sie.

Rose stemmte die Hände gegen seine Schultern, was jedoch keinen Eindruck auf ihn zu machen schien. Er ließ erst von ihr ab, als er es für angebracht hielt.

„Angenehme Träume“, sagte er spöttisch. „Pünktlich um zehn, Rosalinda.“ Und bevor sie reagieren konnte, saß er wieder im Auto und fuhr davon.

3. KAPITEL

Der Montagmorgen kam viel zu schnell. Rose erwachte von dem schrillen Klingeln des Reiseweckers, stöhnte und wünschte, Adam Ferrier hätte das Treffen erst um zwölf Uhr angesetzt anstatt um zehn. Rose stand auf und fühlte sich wie zerschlagen. Zu ihrem Erstaunen sah sie im Spiegel nicht so erschöpft aus, wie sie sich fühlte.

Nach dem Frühstück fühlte sie sich wesentlich besser, und sie machte sich auf den Weg zum Hotel Alonzo. Es war ein für Mallorca typischer sonniger Tag, und es waren bereits etliche Touristen unterwegs.

Das wird bald zur Gewohnheit, dachte sie, als sie die Hoteltreppe emporstieg. Ich hoffe, ein weiterer Besuch bleibt mir erspart.

Adam Ferrier erwartete sie schon, als sie aus dem Lift trat, küsste sie flüchtig auf die Wange und führte Rose, ehe sie sich von dem Schock über die unangemessene Vertraulichkeit erholt hatte, in den Salon. Die Videokamera lag auf dem Tisch vor dem Fenster. Rose hatte keinen Blick für die spektakuläre Aussicht, sondern konzentrierte sich ganz auf die teure Ausrüstung.

„Na, gefällt sie Ihnen?“, fragte Adam Ferrier, und seine Stimme klang gleichgültig.

„Sie ist wunderbar!“ Behutsam berührte Rose das glänzende Metall. „Ich trau mich kaum, sie anzufassen. Craig würde mir nie verzeihen, wenn etwas damit passiert.“

„Ich leihe sie Ihnen, Craig Dawson hat nichts damit zu tun“, sagte er barsch, und Rose schaute ihn verdutzt an.

„Sie meinen als Beauftragte Ihrer Firma?“, fragte sie zögernd, und er schüttelte energisch den Kopf.

„Sie ist eine persönliche Leihgabe, die Kamera gehört mir, und Sie selbst werden für jeglichen eventuellen Schaden aufkommen.“

Rose zuckte zurück, als würde der Apparat bei der kleinsten Berührung zu Staub zerfallen. „Zu diesen Bedingungen kann ich die Kamera nicht annehmen. Ich habe nicht die Mittel, falls …, falls …“

„Falls Sie sie unter ein Auto werfen?“

Das war gemein!

„Hören Sie, wenn jemand was geworfen hat, dann waren Sie es.“

„Darüber lässt sich streiten – sagen wir, wir waren beide schuld?“

„Ich denke nicht daran, und von Ihnen werde ich mir nichts ausleihen.“

„Hm … Aber wenn Sie mein Angebot ausschlagen, wie wollen Sie dann einen Film drehen?“

Rose fühlte sich plötzlich wie ausgepumpt. Adam Ferrier war ein Teufel. Wenn sie auf die Videokamera verzichtete, waren die Chancen für Craig, den Auftrag zu bekommen, gleich null. Sie hatte also keine Wahl, wie der Mann, der sie kühl und berechnend ansah, nur zu gut wusste. Sie musste die Kamera eben wie ihren Augapfel hüten.

„Also gut“, sagte Rose förmlich. „Ich nehme Ihr Angebot an und werde alles tun, damit nichts passiert.“ Hätte Adam auch nur einen Anflug von Triumph oder die geringste Genugtuung zur Schau gestellt, hätte sie sich umgedreht und wäre gegangen. Craig oder der Vertrag wären ihr gleichgültig gewesen. Doch Adam Ferrier wurde sachlich und erklärte ihr genau, wie die komplizierte Kamera funktionierte.

„Ich werde morgen den ganzen Tag zu tun haben“, sagte er und verstaute den Apparat in der Umhängetasche, in der sich auch das Zubehör und ein Film befanden, den er Rose trotz ihres Protestes auch noch zur Verfügung stellte. „Ich schlage vor, Sie machen sich mit dem Apparat vertraut, bis ich Gelegenheit habe, Ihnen einige der fertiggestellten Villen zu zeigen.“

„Das brauchen Sie nicht. Wenn Sie mir sagen, wo ich sie finden kann, komme ich schon zurecht“, sagte sie entschlossen und nahm die Tasche entgegen. Rose wollte auf keinen Fall, dass Adam Ferrier ihr dauernd über die Schulter sah. Dann würde sie höchstwahrscheinlich die Kamera schon vor lauter Nervosität fallen lassen.

„Daran habe ich keinen Zweifel“, sagte er und lächelte amüsiert. „Ich möchte Sie jedoch gern selbst herumführen – dabei kann ich aufpassen, dass wenigstens Ihnen nichts passiert, wenn die Kamera zu Schaden kommen sollte.“ Er begleitete Rose zum Lift, küsste sie wieder auf die Wange, schloss die Liftgitter und murmelte etwas, das wie „werde Sie anrufen“ klang.

Das war wirklich der Gipfel! Rose schnaubte. Dieser arrogante und anmaßende Kerl glaubte wohl, er brauche nur mit dem Finger zu schnippen, und sie würde springen. Auch das Küssen musste aufhören. Nicht, dass sie seine Küsse nicht mochte – man konnte sich an alles gewöhnen –, aber wenn sie beide miteinander zu tun hatten, sollte das in einer sachlichen Atmosphäre geschehen, darauf würde sie von nun an bestehen.

Wenig später verließ sie das Hotel und bummelte die Straße entlang. Das Gewicht der Kamera erinnerte sie dann daran, dass sie nicht zum Vergnügen hier war, und sie machte sich auf den Weg zum Hafen.

Die nächsten Stunden vergingen wie im Flug. Sie filmte alles, was ihr gefiel, und erst ihr knurrender Magen ließ sie auf die Uhr sehen.

Es machte Spaß, mit der Kamera zu arbeiten, und sie konnte es kaum erwarten, den Film zu schneiden. Leider musste sie damit bis nach ihrer Rückkehr nach England warten.

England, Craig …, um Himmels willen, er wird sich fragen, was los ist, schoss es Rose durch den Kopf. Craig hatte sie beim Abschied gebeten, ihn gleich nach der Ankunft anzurufen, und sie war bereits drei Tage hier. Die Sache mit dem teuren Fotoapparat war ihr so unangenehm, dass sie wohl im Unterbewusstsein das Gespräch mit Craig immer wieder hinausgezögert hatte.

Stimmt das wirklich, fragte eine innere Stimme. Waren deine Gedanken nicht so sehr mit Adam Ferrier beschäftigt, dass alles andere in den Hintergrund trat?

Unsinn! Rose schüttelte unwillig den Kopf und ging zu ihrem Hotel.

„Hier ist eine Nachricht für Sie, Señorita. Sie möchten bitte diese Nummer anrufen.“ Die Rezeptionistin reichte Rose ein Stück Papier.

Neugierig blickte sie auf den Zettel. Es handelte sich um eine hiesige Telefonnummer, also konnte es nur die von Adam Ferrier sein. Rose ging hinüber zum öffentlichen Fernsprecher, wählte die angegebene Nummer und wartete ungeduldig darauf, den Klang der tiefen, vollen Stimme zu hören. Sie war enttäuscht, als die Telefonistin der Agentur ihr nur freundlich mitteilte, dass Señor Ferrier wissen wolle, ob die Señorita etwas brauche.

„Nein, aber vielleicht könnten Sie mir sagen, wo man Fotos schnell entwickeln lassen kann“, sagte Rose und dachte an die Schnappschüsse, die sie mit ihrem hier gekauften Apparat gemacht hatte.

„Kein Problem – ich kümmere mich darum“, erwiderte die Telefonistin entgegenkommend. „Ich werde den Film in Ihrem Hotel abholen lassen.“

„Vielen Dank.“ Rose hängte den Hörer ein.

Ihre Enttäuschung, dass Adam Ferrier nicht selbst am Telefon gewesen war, wollte Rose sich nicht eingestehen. Ob sie Craig nun anrufen sollte? Sie entschied sich, das am Abend zu machen, wenn das Telefonieren billiger war.

Während sie einen gemischten Salat aß, kamen ihr plötzlich Ideen zu dem Projekt, die sie nicht mehr losließen. Alles war zwar noch sehr vage, aber durchaus vielversprechend. Es musste einfach etwas werden! Schön und gut, unter anderem abgelegene Orte der Insel zu filmen, doch das brachte nicht viel. Adam Ferrier erwartete sowohl geschäftlich als auch privat Perfektion, und zweifellos war er bisher auch immer zufriedengestellt worden.

Rose stellte sich die schöne und elegante Estelle vor und seufzte. Mit deren Kleidung konnte sie nicht mithalten. Aus Designermode hatte sie sich eigentlich noch nie etwas gemacht, und es lag kein Grund vor, jetzt damit zu beginnen. Bei Adam Ferrier handelte es sich um einen potenziellen Kunden, um nichts weiter.

Rose verbrachte die Zeit bis zum Abendessen mit Filmen. Und dann wollte sie Craig endlich anrufen. Sie steuerte gerade auf den öffentlichen Fernsprecher zu, als die Rezeptionistin ihren Namen rief.

„Ein Telefongespräch für Sie, Señorita Grey, aus England. Sie können das Gespräch im Büro annehmen.“ Sie deutete auf die Tür hinter sich.

Rose musste lächeln. Craig hatte offensichtlich den gleichen Gedanken wie sie gehabt.

„Was machst du denn?“, sagte Craig, sowie er ihre Stimme hörte.

„Guten Abend, Craig, das ist aber nett, dass du anrufst. Ich arbeite – was sonst?“ Sie war etwas verärgert. Als beinahe Verlobte hatte sie eine andere Begrüßung erwartet.

„Ach ja, guten Abend, Rose. Entschuldige, dass ich ein bisschen kurz war, ich hatte längst einen Anruf von dir erwartet.“

„Es war alles ein bisschen hektisch, ich wollte dich jedoch gerade anrufen. Gut, dass du mir zuvorgekommen bist, denn die Gespräche von hier nach England sind sehr teuer.“

„Du kannst sie doch als Spesen absetzen“, sagte er vorwurfsvoll.

„Das weiß ich, und ich werde es auch machen, ich will nur nicht mein ganzes Bargeld aufbrauchen. Du hast mir ja keinen Spesenvorschuss gegeben, Craig, und diese Geschäftsreise ist auch gleichzeitig mein Urlaub.“

„Du wirst schon zurechtkommen“, meinte er, und Rose musste an Maisies Worte denken. Er war natürlich nicht knausrig, nur manchmal ein bisschen zu vorsichtig.

„Kommst du mit der Kamera gut klar?“, fragte er unvermittelt.

„Das kann ich nicht gerade sagen, ich habe kein einziges Bild gemacht.“ Rose war nicht in der Stimmung, ihm die Nachricht schonend beizubringen.

„Warum nicht? Was ist passiert?“

„Die Kamera ist hinüber. Ich stolperte, der Apparat fiel auf die Straße und wurde von einem Auto überfahren.“

Rose hielt den Hörer vom Ohr weg, bis Craig sich etwas beruhigt hatte.

„Es tut mir leid, Craig. Aber der Schaden wird doch sicher von der Versicherung übernommen?“

„Darum geht es nicht, Rose. Ich hatte dir die Kamera anvertraut, sie war sehr teuer. Bist du sicher, dass sie nicht repariert werden kann?“

„Ziemlich sicher. Ich konnte jedoch eine Videokamera auftreiben, die Arbeit damit ist toll.“

„Ist dir klar, dass du für die Leihkamera und eventuelle Schäden selbst verantwortlich bist? Ich denke nicht daran, für deine Ungeschicklichkeit aufzukommen.“

„Ich weiß, dass man immer auf dich zählen kann, Craig.“

„Das hoffe ich“, sagte er ungnädig. Roses Ironie war völlig an ihm vorbeigegangen.

„Ich auch.“

„Ich muss Schluss machen, Rose. Ruf mich Ende der Woche an.“

„Ruf du mich zurück, Craig – Bargeld, weißt du?“, sagte Rose und musste bei seiner gebrummelten Erwiderung schmunzeln. Rose war jedoch alles andere als heiter zumute. Craig wirkte wie ein Fremder und nicht wie der Mann, den sie liebte und heiraten wollte. Aber liebte sie Craig wirklich, oder wünschte sie sich nur jemanden, den sie lieben konnte und der sie lieb hatte?

Während der nächsten Tage durchstreifte Rose den Ort, und ihre flüchtigen Ideen begannen Gestalt anzunehmen. Drei Filme, die sie mit ihrem Fotoapparat aufgenommen hatte, waren entwickelt und lagen nun vor ihr ausgebreitet auf dem Bett, und selbst ein Adam Ferrier dürfte eigentlich nichts an den Aufnahmen zu bemängeln haben.

Alles hatte sie in Einklang bringen können: Die zwei jungen Männer, die sich nach den Mädchen umschauten, ein älteres Ehepaar, das sich über die drollige Art eines kleinen Jungen amüsierte, eine vierköpfige Familie, die einem alten Mann zuhörte, der mit einer weiten Geste auf die See zeigte.

Roses Vorstellungen wurden immer klarer, und sie teilte die Fotos in Kategorien auf. Oh ja, Adam Ferrier sollte seine Stimmungsbilder haben, aber nicht ohne die Menschen, die Leben in diese Bilder brachten.

Sie wartete ungeduldig auf seinen Anruf, konnte dann jedoch beim Klang seiner Stimme vor Aufregung kaum sprechen.

„Habe ich Ihnen gefehlt, Rosalinda?“, fragte er beiläufig, nachdem er die ersten paar Minuten nur nach der Videokamera und Roses Erfahrungen damit gefragt hatte. Rose wollte gerade zugeben, dass sie ihn vermisste, als plötzlich im Hintergrund ein Lachen zu hören war und eine Frauenstimme seinen Namen rief.

„Ich muss Schluss machen, Rosalinda. Ich werde morgen zurück sein und mich sofort nach meiner Ankunft in Puerto Pollensa bei Ihnen melden. Wir müssen dann unbedingt zusammen zu Abend essen.“ Er verabschiedete sich leise, und dann war die Leitung tot.

Rose legte den Hörer auf. Sie hatte den Anruf mit Spannung erwartet, nun fühlte sie sich irgendwie enttäuscht. Adam Ferrier hatte sich, mit Ausnahme der Frage, ob sie ihn vermisst hatte, völlig sachlich verhalten. Nun, warum sollte er auch an sie denken, wenn er sich anderweitig gut amüsierte? Sie hatten ja schließlich bloß eine geschäftliche Beziehung.

Die Augenblicke gegenseitiger Attraktion waren für ihn eben nur Momente, die kamen und gingen. Rose schlug mit der Faust auf die Handfläche.

„Ich werde morgen nicht den ganzen Tag hier sitzen und auf ihn warten“, sagte sie laut. „Es wird Zeit, dass ich den Rechtsanwalt meiner Tante aufsuche. Wie war noch die Adresse?“

Rose holte den aus England mitgebrachten Brief hervor, glättete ihn und überflog noch einmal den in einem etwas steifen Englisch verfassten Inhalt und war aufs Neue verblüfft, dass eine ihr unbekannte Tante überhaupt von ihrer Existenz gewusst und sie sogar im Testament bedacht hatte.

Der Brief hatte Rose überrascht. Ihre Mutter war auf Mallorca geboren worden, jedoch gestorben, als Rose zwei Jahre alt gewesen war, und von ihrem inzwischen ebenfalls verstorbenen Vater, einem liebenswürdigen, warmherzigen Mann, an dem sie sehr gehangen hatte, hatte sie nicht viel erfahren. Sie wusste lediglich, dass die Eltern ihrer Mutter ihn einst ablehnten, weil er Ausländer war und ihnen ihre Tochter weggenommen hatte. Deshalb zog ihn nichts nach Mallorca, und Rose hatte keine weiteren Fragen gestellt, die für ihn nur schmerzvoll gewesen wären.

Morgen also werde ich nach Pollensa fahren, nahm sie sich vor. Sie sah keinen Grund, warum sie nicht ein paar Stunden ihren eigenen Angelegenheiten widmen sollte. Sie würde sich ein Auto mieten, das machte sie unabhängiger, vor allen Dingen von Adam Ferrier.

Am nächsten Morgen fuhr Rose mit einem kleinen weißen Ford Fiesta aus der Stadt heraus. Der Wagen sah ein bisschen mitgenommen aus und war auch nicht allzu sauber, aber der Motor hörte sich gut an, und das war die Hauptsache. Die Landstraße nach Pollensa war breit und nicht stark befahren, sodass Rose schon bald den Ort erreichte.

Sie parkte das Auto in einer schmalen Straße und machte sich zu Fuß auf den Weg. Rose hatte am Tag zuvor noch das Büro von Señor Irullan Pueg angerufen und einen Termin für zwölf Uhr mittags abgemacht. Also hatte sie Zeit, sich ein bisschen umzuschauen.

Rose schlenderte durch die Altstadt mit den engen Gassen, die zwischen hohen Steinhäusern entlangführten. Die Holzläden waren wegen der bereits brennenden Sonne geschlossen. Alles sah aus, als hätte sich seit Hunderten von Jahren nichts verändert. Rose tupfte sich das Gesicht mit einem Taschentuch ab. Ihr hellrosa Kleid war zwar aus leichter Baumwolle, aber ihr war trotzdem heiß. Sie schaute durch die offene Tür eines kleinen Ladens, der alle möglichen Dinge feilhielt. Vielleicht auch Hüte? Ja, hinten in der Ecke bei der Treppe waren einige aufgestapelt. Rose trat näher.

Fünf Minuten später trat sie wieder auf die Straße, einen hübschen Strohhut auf den Locken. Als Rose um eine Ecke bog, sah sie einen weiten Platz vor sich mit Ständen voll Obst und Gemüse. Rose kaufte sich einen saftigen Pfirsich und bummelte gemächlich weiter.

Die alte Kirchturmuhr schlug halb zwölf, und Rose sah unwillig hoch. Sie wäre gern noch auf dem Markt geblieben, musste aber das Rechtsanwaltbüro ausfindig machen. In einem nahe gelegenen Lokal machte sie sich in der Damentoilette frisch und schaute dabei in den Spiegel. Der Hut stand ihr gut, fand sie. Er bedeckte ihr Haar, das ihrer Meinung nach einen völlig falschen Eindruck von ihrer Persönlichkeit vermittelte. Wie konnte jemand mit so kindlichen Locken und zierlicher Gestalt ernst genommen werden?

Energisch zupfte Rose ihr Kleid zurecht und trat hinaus auf die sonnendurchflutete Straße. Nach einigem Suchen fand Rose endlich die richtige Hausnummer und war auch keine Minute zu früh. Rose lächelte die Dame im Vorzimmer des Rechtsanwalts an und erklärte, dass sie einen Termin habe. Zu Roses Erleichterung sprach die Sekretärin ein wenig Englisch.

„Señor Pueg erwartet Sie“, sagte sie und führte Rose in das Büro.

Señor Irullan Pueg war ein kleiner, dünner Mann mit Stirnglatze und schütteren grauen Haaren. Mit seinem langen Hals und den kleinen schwarzen Augen sah er aus wie ein Reptil. Rose unterdrückte ein Schaudern, als sie dem Anwalt die Hand zur Begrüßung reichte.

„Señorita Grey, ich freue mich, Sie kennenzulernen“, sagte er mit einem schweren spanischen Akzent. Er deutete auf einen Stuhl vor dem eindrucksvollen Schreibtisch. Das ganze Büro war prunkvoller eingerichtet, als Rose das sonst von einer Anwaltskanzlei gewohnt war. Es wirkte vielmehr wie ein Raum in einem Privathaus mit den Originalgemälden an den Wänden und dem feinen Porzellan und Silber, das auf einem Sideboard zur Schau stand.

„Ich hatte nicht mit Ihrem Besuch auf Mallorca gerechnet“, sagte Señor Pueg. Er musterte Rose prüfend mit seinen kleinen, durchdringenden Augen.

„Ich hatte die Gelegenheit, meinen Urlaub mit einem Arbeitsprojekt zu verbinden. Und so wollte ich mich persönlich mit Ihnen bekannt machen, um Näheres über das Testament meiner Tante zu erfahren. Sie schrieben, dass ich darin erwähnt bin, nannten aber keine Details.“

„Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Sie an den Einzelheiten interessiert wären, da Sie so weit entfernt wohnen. Soviel ich weiß, kannten Sie Ihre Tante nicht, und es wäre Ihre schriftliche Vollmacht an mich ausreichend gewesen, um Ihr Erbteil zu verkaufen und den Erlös an Sie zu überweisen.“

Vor Entrüstung war Rose einen Moment lang sprachlos. Wie konnte dieses Reptil von Mann auch nur in Erwägung ziehen, ihr Erbteil zu veräußern, ehe sie überhaupt wusste, um was es sich handelte?

„Ich habe meine Tante nicht gekannt, aber ganz offensichtlich wusste sie von meiner Existenz, und ich bin sicher, sie wollte, dass ich zumindest erfahre, um was es sich bei der Erbschaft handelt.“

Pueg erkannte den Sarkasmus in ihrer Stimme und wurde starr, seine kleinen schwarzen Augen wirkten noch stechender. Er war es offensichtlich nicht gewohnt, dass eine Frau so mit ihm sprach. Rose bedauerte die Frauen in seinem Leben.

„Nun gut, Señorita, wenn Sie darauf bestehen.“ Er schob ein Dokument über den Schreibtisch.

„Dieses ist also die Abschrift des Testaments meiner Tante.“ Rose zögerte einen Augenblick, nahm dann das Testament, faltete es zusammen und stand auf.

„Wo wollen Sie denn hin?“, fragte der Anwalt verblüfft.

„Das Testament ist auf Spanisch, Señor. Ich kenne jemanden in Puerto Pollensa, der das für mich übersetzen kann.“

„Das ist nicht nötig“, sagte er mit hochrotem Gesicht und hatte Mühe, seinen Zorn herunterzuschlucken.

Rose setzte sich wieder hin. Sie hatte natürlich gewusst, dass er das Testament auch übersetzen konnte, aber die Andeutung, es sich von einem anderen vorlesen zu lassen, garantierte ihr, dass Pueg nichts ausließ.

„Señorita Rosalinda Miralles, Ihre Tante, hat Ihnen ihren ganzen Besitz hinterlassen.“

Rose saß ganz still und umklammerte krampfhaft das Testament. Dass die ihr unbekannte Tante denselben Vornamen wie sie hatte, erstaunte sie, aber dass sie ihr auch ihren ganzen Besitz vermacht hatte, versetzte Rose einen Schock.

„Sie sagen gar nichts dazu, Señorita? Es muss Sie doch überraschen, dass Ihnen eine Verwandte, von der Sie nie etwas gehört haben, ihre ganze Habe hinterlässt, obwohl es sicher jemanden geben muss, der mehr Anspruch darauf hätte.“ Er lehnte sich zurück und lächelte, doch seine Augen blickten kalt, und Rose wusste instinktiv, wen er meinte.

„Ich war nicht darauf vorbereitet, Señor“, antwortete sie höflich. „Ich bin sicher, meine Tante kannte viele Menschen, aber offensichtlich niemanden, den sie im Testament bedenken wollte. Ich habe meine Tante leider nie kennengelernt, aber ich gehöre zu ihrer Familie und bin nach ihr benannt.“

„Das ist mir nicht entgangen.“

„Nun, Señor Pueg, vielleicht hätten Sie die Güte, mir den Besitz meiner Tante zu beschreiben?“

Er schien einen Moment lang zu zögern, beugte sich dann aber dem Unausweichlichen. „Also gut, Señorita Grey. Ihre Tante besitzt ein Haus, nicht weit von hier entfernt, außerdem gibt es einige Schmuckstücke und eine kleine Summe Geld.“

Pueg nannte den Betrag, der für Rose nicht unerheblich klang, und lächelte säuerlich bei ihrer Reaktion.

„Bis vor fünf Jahren bewirtschaftete Ihre Tante selbst das große Stück Land, aber mit zunehmendem Alter wurde ihr das zur Last, und sie verkaufte den größten Teil an die umliegenden Bauern. Die letzten zwei Jahre verbrachte sie in einem Pflegeheim in Palma, wobei sie den größten Teil ihres Geldes aufbrauchte. Das Haus wollte sie nicht aufgeben, und ich befürchte, es ist in keinem guten Zustand. Es ist praktisch nur noch eine Ruine, Señorita Grey.“ Er schien Genugtuung bei diesen Worten zu empfinden, und erneut stieg Ärger in Rose hoch.

„Dann lässt es sich wohl kaum leicht verkaufen, oder?“

„Nicht als Wohnsitz, aber für die angrenzenden Bauern ist das Land wertvoll.“ Pueg nahm einen amtlich aussehenden Vordruck aus der Schublade und schob ihn ihr über den Schreibtisch zu.

„Unterzeichnen Sie bitte hier und hier.“ Mit seinem dürren Zeigefinger tippte er auf die entsprechenden Stellen. „Ich werde mich in Ihrem Sinne darum kümmern.“

Autor

Lucy Monroe

Die preisgekrönte Bestsellerautorin Lucy Monroe lebt mit unzähligen Haustieren und Kindern (ihren eigenen, denen der Nachbarn und denen ihrer Schwester) an der wundervollen Pazifikküste Nordamerikas. Inspiration für ihre Geschichten bekommt sie von überall, da sie gerne Menschen beobachtet. Das führte sogar so weit, dass sie ihren späteren Ehemann bei ihrem...

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