Atemlos vor lauter Liebe

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Seit Heather ihren neuen Nachbarn kennengelernt hat, ist ihr Leben plötzlich total aufregend und längst nicht mehr so beschaulich und ruhig wie vorher! Denn Alex Waterstone ist nicht nur ein aufregender Mann - er steckt auch noch in großen Schwierigkeiten! Heather muss ihn retten! Sie fasst sich ein Herz und entführt ihn in eine einsame Hütte …


  • Erscheinungstag 28.02.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755737
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Kommt, erzählen wir uns Geistergeschichten“, schlug Dorothy vor, schob ihr Sammelalbum zur Seite und streckte sich auf dem Schlafsack aus, um den sich ihre Freundinnen versammelt hatten.

Geistergeschichten? Heather stockte der Atem und ihr Mund wurde trocken.

„Oh ja, das wird spannend.“ Penny, die von der Idee begeistert zu sein schien, setzte sich auf. Die Zeitschriften und Zeitungen um sie herum, aus denen die Mädchen bisher Fotos von der königlichen Hochzeit geschnitten hatten, waren auf einmal vergessen.

Heather versuchte, die aufsteigende Panik zurückzudrängen. Sie drehte sich um und schaute durch das Fliegengitter der Tür hinaus in die Dunkelheit. Aber es ist Pennys Pyjamaparty, sagte sich Heather. Ihre Freundin hatte ein Recht darauf, das zu tun, was ihr Spaß machte. Trotzdem …

Karin sprang auf. „Wir könnten das Licht ausschalten und ich werde …“

Das Licht aus? „Nein!“

Die drei Mädchen starrten Heather erstaunt an. Sie versuchte etwas zu sagen, aber ihr Mund war viel zu trocken. Schließlich, nachdem sie tief Luft geholt hatte, zwang sie sich zu einem Lächeln.

„Unsere Sammelalben sind noch nicht einmal halb voll“, erklärte sie.

„Wen kümmert das?“, fragte Karin und stellte sich neben den Lichtschalter. „Das hier macht viel mehr Spaß.“

Spaß? Aus Angst nicht einschlafen zu können, machte Spaß?

Bereits im Alter von acht Jahren wusste Heather Anne Mahoney, dass es Dinge gab, die unabänderlich waren. Falls sie jemals in den Wäldern von Lake Palomara spielte, würde sie von tollwütigen Waschbären und Fledermäusen und Wieseln gebissen und einen so furchtbaren Tod sterben, wie das kleine Mädchen, das Großtante Millies Cousin gekannt hatte. Falls sie im Sommer ihr Fenster offen ließ, würde sie sich erkälten, eine Lungenentzündung bekommen und an dem schrecklich hohen Fieber sterben, wie der kleine Junge, der früher einmal neben der Mutter der besten Freundin von Mrs. Schubert wohnte. Und falls sie bei einem Gewitter hinausginge, würde sie von einem Blitz getroffen und zu Tode gegrillt. Sogar die Haare qualmen dann, hatte der Mann, der einst mit Grandpa Mahoney im Sägewerk arbeitete, erzählt.

Als Heather zwölf Jahre alt war, hatte sie noch einige Dinge zu dieser Liste hinzugefügt. Jungen hatten immer nur Dummheiten im Kopf, und man konnte ihnen nicht über den Weg trauen, und falls sie einmal einen Fehler in der Öffentlichkeit machte, würde sie das niemals jemand vergessen lassen.

Und jetzt da sie vierzehn Jahre alt war, kannte sie sich bestens mit den Gefahren aus, die die Welt bereithielt – auch mit denen, die der Rest der Welt nicht als solche erkannte.

„Du hast doch nicht etwa Angst, oder?“, fragte Karin.

„Warum sollte sie Angst haben?“ Dorothy lachte. „Es sind doch nur Geschichten. Heather weiß das.“

Aber Penny warf ihrer Freundin einen langen wissenden Blick zu. „Was würdest du denn lieber tun?“

Heather spürte, wie ihre Schuldgefühle sich wie eine schwere Last auf ihre Schultern legten. Penny war so nett, und Heather wusste, dass sie den Geistergeschichten zustimmen sollten, aber was wäre, wenn es tatsächlich Geister gäbe und die Geschichten sie hervorlocken und …

Heathers Blick fiel auf das Bild der Prinzessin in ihrem Hochzeitskleid und ihr kam die rettende Idee. „Wir könnten doch unsere Hochzeit planen?“

„Unsere Hochzeit planen?“, rief Karin so verächtlich aus, dass Heather innerlich zusammen zuckte. „Wozu um alles in der Welt?“

„Aus Spaß“, erwiderte Heather. „Wir planen unsere Hochzeit und schreiben alles auf. Dann erinnern wir uns in zehn Jahren daran.“

„Wenn wir diesen Plan erst in zehn Jahren brauchen, können wir auch noch ein paar Tage länger damit warten“, sagte Karin, die immer noch am Lichtschalter stand, „und uns jetzt Geistergeschichten erzählen.“

„Wir können ja beides machen“, bemerkte Dorothy und setzte sich auf. „Womit fangen wir an?“

Mit einem lauten Seufzer ließ sich Karin ebenfalls auf die Couch fallen, und Heather gab sich Mühe, Karins angewiderten Gesichtsausdruck zu ignorieren. Ihre Freundin würde schon merken, wie viel Spaß das machte.

„Wahrscheinlich wollt ihr alle Hochzeiten wie Prinzessin Diana“, erklärte Karin. „Mit einem tollen Rüschenkleid, einem reichen, bedeutenden Ehemann und einer Pferdekutsche, die mit Blumen dekoriert ist. Fertig.“

Heather holte tief Luft und presste ihr Kissen an die Brust. „So eine Hochzeit wünsche ich mir nicht“, erklärte sie.

„Nein?“ Dorothy hörte sich überrascht an. „Ich dachte, dass wäre der Traum eines jeden Mädchens.“

„Mit all diesen Leuten, die dir zuschauen?“, fragte Heather.

„Nun, ungefähr die halbe Welt“, gab Dorothy zu. Sie nahm sich eine Hand voll Popcorn und ein verträumtes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. „Ich hätte zu gern so ein Kleid mit einer langen Schleppe, und überall Blumen und …“

„Ich würde gern draußen heiraten“, warf Penny ein. „In einem Garten voller Blumen.“

„Deine Schleppe würde schmutzig werden“, bemerkte Karin trocken.

„Ich hätte keine. Ich würde nur ein schlichtes Kleid tragen und einen kurzen Schleier.“ Penny nahm ihr Glas Limonade in die Hand und trank einen Schluck. „Vielleicht würde ich mir statt eines Schleiers auch nur Blumen in das Haar stecken.“

„Aber wisst ihr, was ich am Allerromantischsten fände?“, fragte Heather. „Wenn man mit jemandem durchbrennt.“

Ihre drei Freundinnen schauten sie erstaunt an. Dorothy hörte auf, Popcorn zu essen, Penny ihre Limonade zu trinken und Karins Gesicht hatte einen neugierigen Ausdruck angenommen.

„Durchbrennen?“, wiederholte Karin.

Heather nickte. „Wäre es nicht wundervoll, jemanden so zu lieben, dass nichts anderes auf der Welt mehr zählt?“

„Aber willst du denn nicht, dass deine Familie und Freunde bei deiner Hochzeit dabei sind?“

„Vielleicht würde ich später noch eine Party geben und alle einladen.“

Karin schüttelte den Kopf. „Und du willst nicht, dass man dir Reis zuwirft und Blechbüchsen an den Wagen bindet?“

„Reis ist schlecht für die Vögel.“

Dorothy setzte sich auf. „Aber wenn du durchbrennst, wird niemand von Chesterton bei deiner Hochzeit dabei sein.“

„Richtig, also wird auch kein Alex Waterstone mit dem Fahrrad über den Deich rasen.“ Heather erschauerte bei dem Gedanken an den tollkühnen Draufgänger der Stadt. „Er wäre die letzte Person, die ich auf meiner Hochzeit sehen will.“

1. KAPITEL

„Regnet es dort?“ Man hörte laut und deutlich die Sorge aus Ediths Mahoneys Stimme heraus. „Ich habe im Fernsehen gesehen, dass es in Nord-Indiana regnen soll. Du hast doch hoffentlich deine Fenster geschlossen?“

Heather lehnte sich über den Küchenschrank zum Fenster hinüber und schaute hinaus zum Abendhimmel. „Es regnet nicht, Mom. Es sind noch nicht einmal Wolken am Himmel.“

„Der Wetterbericht lügt nicht“, erwiderte ihre Mutter. „Vielleicht solltest du in den Keller gehen. Wir haben Mitte August, das ist immer noch Tornado-Saison.“

Heather straffte sich. Ihr Abendessen wartete auf dem Küchentisch auf sie. Aber sie hasste es zu essen, während sie redete. Nicht, dass sie wirklich an dieses Ammenmärchen glaubte, dass man am Essen ersticken konnte, aber sie sah keinen Sinn darin, ein unnötiges Risiko einzugehen.

„Mom, es geht mir gut. Vielleicht ist der Sturm ja östlich von uns.“

„Stell wenigstens den Fernseher an, damit du die Sturmwarnung hörst.“ Ihre Mutter seufzte laut. „Dein Vater und ich hätten nie aus Chesterton wegziehen sollen. Wenn wir jetzt dort wären, würde sein Knie uns verraten, ob wirklich ein Sturm kommt, oder nicht.“

Heather hätte ihre Mutter jetzt gern für ihre Fürsorge umarmt, aber trotzdem wünschte sie sich, dass sie endlich aufhören würde, sich ständig ihretwegen Sorgen zu machen. Verflixt noch mal, Heather war jetzt dreiunddreißig Jahre alt, nicht mehr vierzehn. Aber sie wusste, dass sich am Verhalten ihrer Mutter wahrscheinlich nie etwas ändern würde. Versuchen sie zu verändern, wäre von vorneherein ein sinnloses Unternehmen.

„Du brauchst einfach einen Mann um dich herum“, begann ihre Mutter mit ihrem Lieblingsthema. „Was tust du, wenn du eine Maus im Haus hast?“

„Die Katzen werden sich darum kümmern.“

„Und wenn du ein Geräusch mitten in der Nacht hörst?“

Heather hörte immer Geräusche mitten in der Nacht und fand, dass es weitaus effektiver war, sich tief unter die Decke zu vergraben, als sich auf die Suche nach der Ursache zu begeben.

Aber das wollte ihre Mutter bestimmt nicht hören. „Wenn jemand einbricht, rufe ich die Polizei an“, versicherte sie ihr.

„Heather!“, beklagte sich ihre Mutter. „Ich meine es ernst. Du bist ganz allein in Chesterton, und ich mache mir Sorgen um dich.“

Aber Heather war nicht allein. Sie hatte viele Freunde, die sofort zur Stelle waren, falls sie einmal tatsächlich Hilfe brauchte. „Mom, falls wirklich einmal etwas passiert, kann ich immer noch Alex rufen.“

„Alex Waterstone?“ Heather konnte spüren, wie ein Schauder des Schreckens ihre Mutter durchfuhr. „Ich würde es lieber sehen, wenn Godzilla neben dir haust.“

„Mom, Alex ist ein netter Mann. Nun, ich kenne ihn nicht sehr gut, aber er scheint ganz nett zu sein.“

„Nett?“ Die Stimme ihrer Mutter war plötzlich schrill geworden. „Ich werde nie vergessen, was für Alpträume du bekommen hast, als er mit seinem Fahrrad über den Deich gefahren ist.“

„Er fährt nicht mehr über Deiche, Mom. Er ist ein Collegeprofessor, sehr ordentlich und ziemlich langweilig.“ Aber wenn Heather ehrlich sein wollte, musste sie zugeben, dass er ganz und gar nicht langweilig aussah. Sie war sicher, dass all seine Studentinnen bis über beide Ohren in ihn verliebt waren. „Aber ich kann mir vorstellen, dass er eine Maus für mich fangen würde, sollte es notwendig sein.“

„Alex, ha! Der setzt dir höchstens noch eine zweite dazu“, fuhr ihre Mutter fort. „Der hat doch nur Flausen im Kopf.“

Heather lachte leise. Da irrte sich ihre Mutter. Der wilde Junge von einst hatte sich in einen ruhigen Erwachsenen verwandelt. „Nun, du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Alex Waterstone und ich reden kaum miteinander. Ich bezweifle, dass er seine Nase lange genug aus seinen Gedichtbänden nimmt, um mich überhaupt zu bemerken.“

Ihre Mutter stieß einen verächtlichen Laut aus. „Das ist sein Pech.“

Heather lachte erneut, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung im Garten wahrnahm. Sie schaute hinaus und sah, wie eine kleine graue Katze durch eines der Blumenbeete lief und dann unter den Rosenbüschen verschwand. Das herrenlose Kätzchen war zurück.

„Mom, könnten wir jetzt Schluss machen? Dieses Kätzchen, das ich fangen wollte, ist wieder zurück.“

„Ich wünschte nur, du wärst hinter Männer genauso her, wie hinter diesen Katzen“, sagte ihre Mutter mit einem Seufzer. „Nun, sei vorsichtig, Kind. Zieh dir Handschuhe an.“

Alex Waterstone hielt auf dem Parkplatz und stieg aus seinem Wagen – einen Gedichtband in der Hand und eine SIG-Sauer dreihundertachtzig Automatik in der Pistolentasche, die er am rechten Fußknöchel trug. Entspannt ging er zum Restaurant hinüber. Das Leben war gut. Nachdem er unzählige Monate an seiner perfekten Tarnung gearbeitet hatte, kam das Unternehmen endlich in Gang.

Zwei Agentenkollegen saßen an einem Tisch in der Ecke. Mit ihren kurzärmligen Baumwollhemden und schlichten Hosen fügten sie sich perfekt in die Umgebung ein. Alex setzte sich zu ihnen und niemand schenkte ihnen Beachtung.

„Gibt es Probleme?“, fragte Fitzgerald leise.

„Deine Tarnung ist doch nicht aufgeflogen, oder?“, fügte Casio, Alex’ Kontaktmann und Vorgesetzter hinzu.

Alex hatte auf einmal das Gefühl, an dem Vinylbezug der Bank festzukleben, und vor ihm stieg die schreckliche Vision auf, für immer an einem Platz festzementiert zu sein. Beständigkeit, das Schrecklichste, das er sich vorstellen konnte. Ein Leben, das in Mikromillisekunden dahinkroch. Aber er lächelte nur. „Probleme? Warum sollte ein respektierter Literaturprofessor Probleme haben?“

Casio stöhnte. „Fang nicht damit an. Wir können es uns nicht leisten, die ganze Nacht hier zu bleiben.“

„Das einzige Problem, das ich habe, ist das richtige Versmaß für mein nächstes Gedicht zu finden.“ Alex hatte seinen Gedichtband auf den Tisch gelegt und schaute jetzt auf das Menü, das die Kellnerin ihm hingelegt hatte. Da er keinen Hunger hatte, war sein Entschluss schnell gefasst. „Eistee und einen gemischten Salat.“

Die Kellnerin nahm das Menü, ging in die Küche und ließ die drei Männer wieder allein am Tisch zurück.

„So, was ist los?“, fragte Alex.

Casio schob den Rest seines Salates zur Seite. „Es findet morgen statt.“

„Na endlich.“ Alex hatte das Gefühl, ewig darauf gewartet zu haben. Um seine Tarnung aufzubauen, hatte er auf Nummer sicher gehen müssen, aber langsam hatte er genug von Sicherheit. Wenn es nicht bald losgegangen wäre, hätte er aus lauter Langeweile wieder begonnen, mit dem Fahrrad bei Sturm über den Deich zu fahren. Aber hätte er mit vierunddreißig noch den gleichen Spaß gehabt wie mit vierzehn? Er zog die Mappe mit den Fotos zu sich herüber, die Casio mitgebracht hatte. „Nun, wer ist jetzt wer?“

In der nächsten Stunde sprachen sie über Fotos, über die Details und die Risiken der Operation. Es ging hier um organisiertes Verbrechen, um Drahtzieher von illegalen Spielen, um Erpresser und Kredithaie, um Männer, die bekannt dafür waren, dass sie zuerst schossen und dann Fragen stellten.

„Ich könnte schon heute Abend gehen“, sagte Alex. „Warum warten wir bis morgen?“

„Gedichte zu schreiben, bietet dir wohl nicht genug Aufregung?“, fragte Casio.

„Mein Kindermädchen hat immer gesagt, dass man sehr vorsichtig mit seinen Wünschen umgehen soll“, warf Fitz ein. „Man kann auch zu viel Aufregung erhalten.“

Alex atmete tief durch. Sie verstanden ihn einfach nicht. „Ich kann es nicht mehr erwarten, diese Kerle endlich hinter Gitter zu bringen. Das ist alles.“

Casio lachte. „So? Vielleicht willst du dich aus dem Geschäft zurückziehen und deine Tage damit verbringen, Gedichte zu schreiben.“

„Hey, vielleicht hat er ein Auge auf eine hübsche Studentin geworfen“, witzelte Fitz. „Oder vielleicht fühlt er sich zu einer Nachbarin hingezogen, die ihm Kekse backt.“

Alex Magen zog sich zusammen. Obwohl sie jetzt fünf Jahre mit ihm zusammenarbeiteten, kannten sie ihn immer noch nicht. Glaubten sie wirklich, er würde einmal ein bürgerliches Leben führen? Ha! Wahrscheinlich würde er dann vor Langeweile sterben.

Aber er lächelte seine Kollegen nur freundlich an. „Mrs. Fallon lebt südlich von mir. Sie ist eine fünfundsechzigjährige Witwe, die mir nichts anderes als die Ratschläge ihres verstorbenen Mannes gibt. Auf der anderen Seite, nördlich von mir, wohnt eine jüngere Frau, die allerdings seit der Grundschule kaum ein Wort mit mir gesprochen hat. Auch sie backt mir leider keine Kekse.“

„Vielleicht steht sie ja auf dich und ist nur zu schüchtern, es zuzugeben.“

Verärgert wandte er sich wieder der Arbeit zu. Er kannte doch langsam ihre Witze. Warum regte er sich nur so darüber auf. Eigentlich sollten sie ihn kalt lassen. Sein Verhalten bewies nur einmal wieder, dass er unbedingt ein wenig Aktion brauchte. In der letzten Zeit ging ihm alles ein wenig auf die Nerven, besonders das gemächliche Leben in Chesterton.

Das FBI hatte geglaubt, es wäre die perfekte Tarnung, wenn er wieder in seine Heimatstadt Chesterton zurückkehren würde, aber sie hatten nicht bedacht, was das für ihn bedeutete. Von der Erneuerung alter Freundschaften begonnen, bis hin zur Teilnahme am Zauberer von Oz – Festival, das jährlich im September stattfand. Sogar Helen Mahoneys Schweigen ging ihm auf die Nerven. Sie hatte während der Lesung letzte Woche neben ihm gestanden und kaum ein Wort mit ihm gesprochen. Dass sich in diesem Fall jetzt endlich etwas rührte, kam ihm wirklich sehr gelegen.

„Also, ist alles klar?“, fragte Casio.

„Morgen um vierzehn Uhr.“ Alex faltete sorgfältig das Papier mit der Adresse und steckte es in seine Hosentasche. „Ich werde dort sein.“

Es war dunkel, als sie sich schließlich trennten und jeder in eine andere Richtung fuhr.

Endlich würde Phase zwei des Unternehmens starten. Falls alles richtig lief, würde er Zutritt zu einem privaten Spielclub erhalten und sich selbst als waghalsiger Spieler präsentieren. In einer Woche würde er bereits so viele Spielschulden haben, dass er nur noch mit einem Kredit weiter spielen könnte, einem Kredit, zu dem ihm diese Schurken sicherlich verhelfen würden. Allerdings hatte er nicht die Absicht ihn zurückzuzahlen, sondern freute sich schon darauf, wenn die Schlägertrupps bei ihm anrückten.

Alex lächelte. Das war besser, als bei einem Sturm mit dem Fahrrad über den Deich zu fahren. Es war das Leben, für das er geboren war. Er wünschte, er hätte das bemerkt, bevor er vier Jahre als Lehrer arbeitete, nur, weil seine Mutter es so wollte. Aber sie hatte so verzweifelt glauben wollen, dass er sein Draufgängertum endlich abgelegt hatte, dass er alles getan hatte, um sie glücklich zu machen. Allerdings konnte niemand auf Dauer seine wahre Natur verleugnen.

Alex bog in seine Straße ein, froh, endlich zu Hause zu sein. Er sollte vielleicht heute Abend noch eine Stunde joggen oder ein wenig Hanteltraining machen. Er wollte auf morgen vorbereitet sein.

Als er noch darüber nachdachte, wie er den Abend verbringen wollte, schaute er in der Dunkelheit zu seinem Haus hinüber. Er drückte auf den Scannerknopf seines Überwachungsgerätes im Wagen. Nicht, dass jemals jemand …

Zu seinem Erstaunen summte das Gerät. Überschaut schaute er auf die Anzeige und stellte fest, dass nur das äußere System Alarm anzeigte, nicht das Haussystem. Jemand war in seinen Garten gegangen. Er drückte auf einen anderen Knopf. Der Alarm war nur einmal genau um einundzwanzig Uhr fünfundfünfzig losgegangen. Wer auch immer in seinem Garten war, er hatte ihn noch nicht verlassen.

Sein Herz raste, als er in eine Nebenstraße, einige Meter von seinem Haus entfernt einbog und parkte. Entschlossen stieg er aus, holte seinen Revolver hervor und ging im Schutz der Büsche näher. Verflixt. Das konnte doch kein Zufall sein, dass das genau in der Nacht geschah, bevor das Unternehmen startete. War man ihm etwa gefolgt? Oder war es bereits zuvor geschehen?

Langsam schlich er sich von den Büschen zu dem hohen Zaun von Mrs. Fallons Haus hinüber. Im Schatten seiner Garage und der schwachen Straßenbeleuchtung war es einfach, sich zu verstecken.

Es sei denn, jemand hatte ihn beobachtet.

Hinter Mrs. Fallons Zaun hockte er sich nieder und schaute zu seinem Garten hinüber, doch er sah nichts. War es ein Fehlalarm? Konnte der Alarm rein zufällig ausgelöst worden sein? Möglich, aber nicht wahrscheinlich.

Was war also passiert? War seine Tarnung aufgeflogen? Und wenn das so war, von wem? Eine eisige Ruhe durchströmte ihn auf. Es spielte im Moment keine Rolle, wer es war. Sondern nur, dass er kein grüner Junge war, den man überrumpeln konnte. Er wusste, was er tat.

Er hörte ein Geräusch und bemerkte, dass sich hinter seiner Garage etwas bewegte und lächelte. Besser hätte er den Platz nicht wählen können. Mit der Garage auf der einen und dem Zaun und den Büschen auf der anderen, gab es nur einen Weg aus dieser Ecke. Und dort würde er gleich stehen.

Er schwang sich mit Hilfe eines niedrigen Astes über den Zaun in den Garten. Die Person schlich immer noch hinter der Garage herum, offensichtlich war er nicht bemerkt worden. Ganz langsam rückte er näher heran. Es war fast zu einfach!

Dieser Gedanke machte ihn noch vorsichtiger. Vielleicht trieb sich ja noch ein zweiter Eindringling hier herum. Doch mit dem Rücken zur Garage hatte er die Situation einigermaßen im Griff. Noch zwei Schritte und dann stürmte er mit gezogener und entsicherter Pistole hinaus ins Freie, den Lauf auf die Gestalt hinter dem Fliederbusch gerichtet.

„Stehen bleiben!“, schrie er.

Im Licht der Straßenlaterne sah er, wie jemand sich aufrichtete, sah blondes Haar, das zu einem Zopf geflochten war und blaue Augen, die ihn ungläubig anstarrten. Weit aufgerissene Augen, die ihn an die eines Rehs erinnerten, das im Licht eines Autoscheinwerfers erstarrte.

Nachdem er sich von seinem Schock erholte hatte, stieg unbändige Wut in ihm auf. Er senkte die Pistole.

„Heather“, rief er. Was um alles in der Welt suchte sie hier? Er hätte sie erschießen können. Besaß sie denn keinen Funken Verstand? Aber statt ihr Vorwürfe zu machen, holte er tief Luft, räusperte sich und versuchte, seine Professorenstimme wieder zu finden. „Was für eine nette Überraschung! Kann ich dir irgendwie behilflich sein?“

Heather starrte Alex einfach nur an. Alex und die Pistole in seiner Hand. Ihr Herz hatte für einen Moment ausgesetzt. Sie war sich ganz sicher, dass jetzt ihre letzte Stunde geschlagen hatte.

Sie blinzelte und schloss für einen Moment die Augen. Als sie sie wieder öffnete, band Alex seine Schuhe zu und nirgendwo war eine Pistole zu sehen. Natürlich war da keine Pistole! Er war ein Englischprofessor, verflixt noch mal. Ein Literat, ein Poet. Warum sollte er eine Waffe haben? Sie musste es geträumt haben. Sie hatte in seiner Nähe stets so ein komisches Gefühl im Magen, und jetzt erfand sie bereits Dinge, die überhaupt nicht existierten.

Sie schluckte und blinzelte noch einmal, aber diesmal geschah nichts mehr. Sie saß immer noch in ihrem Pyjama auf dem feuchten Boden von Alex’ Garten, und er starrte sie immer noch an, als ob sie gerade aus einer fliegenden Untertasse gestiegen wäre.

„Heather?“, fragte er. „Suchst du etwas?“

Sie brauchte einen Moment, bis ihr klar wurde, dass er sie nicht nur anschaute, sondern auch mit ihr gesprochen hatte. Jetzt waren Taten gefragt oder zumindest eine Antwort. Na, großartig, und jetzt? Sie versuchte aufzustehen, aber ihre Beine schienen sie nicht tragen zu wollen. Wenn sie eines ihrer Vorschulkinder gewesen wäre, hätte sie geweint, einem anderen Kind die Schuld zugeschoben oder hätte einfach das Thema gewechselt.

„Das war eine großartige Lesung letzte Woche“, sagte sie. Es hatte gutgelaunt klingen sollen, aber irgendwie waren die Worte viel zu leise herausgekommen. Oder zu dämlich? Das war wirklich die dümmste Bemerkung, die sie jemals gemacht hatte.

„Ja, sie war sehr aufbauend“, erwiderte Alex vorsichtig, als ob er nicht wüsste, ob Heather nun gefährlich war oder nicht. „Dürfte ich fragen, warum du hier in …“

„… in meinem Pyjama herumlaufe?“, beendete sie den Satz. Er sah eigentlich aus wie ein T-Shirt mit Shorts, verriet sich aber als Schlafanzug durch den über und über mit schlafenden Kätzchen bedruckten Stoff.

„Nun …“ Er schwieg, als wenn er um Worte verlegen wäre. „Ich wollte sagen, warum du hier in der Dunkelheit herumläufst.“

„Oh.“ Er hatte es nicht gewusst, bis sie es ihm gesagt hatte. Sie schloss kurz die Augen und wäre am liebsten tot umgefallen. Wo waren die giftigen Spinnen, wenn man sie brauchte?

Sie öffnete wieder die Augen und schaute zu Alex hinüber. Er war der bestaussehendste Mann in ganz Indiana – dunkles Haar, das ihm leicht in die Stirn fiel, groß und breitschultrig – und er jagte ihr Angst ein. Seit er als Professor wieder nach Chesterton zurückgekehrt war, schien er sogar noch gefährlicher als in seiner Kindheit zu sein. Zumindest empfand sie es so. Was natürlich verrückt war!

„Ich habe ein Kätzchen in deinen Garten laufen sehen“, gab sie zu. „Ich habe bereits früher am Abend versucht, es einzufangen. Leider ohne Erfolg. Ich dachte, du hättest nichts dagegen, wenn ich es auf deinem Grundstück noch einmal versuche.“

„Ein Kätzchen?“, fragte er ungläubig und schaute unter die Büsche.

„Sie muss da irgendwo drin sein.“ Heather kniete sich und hielt die Taschenlampe so, dass das Licht die kleine Kreatur nicht zu sehr blendete.

Alex rückte näher. Zu nahe. Als er sich vorbeugte, um unter die Büsche zu schauen, berührte er ihren Arm – verflixt noch mal nur ihren Arm! Aber ihr Körper glühte auf einmal, als ob sie vierzig Grad Fieber hätte.

Du lieber Himmel! War sie verrückt geworden. Sie konnte sich doch unmöglich zu Alex Waterstone hingezogen fühlen.

„Da ist wirklich ein kleines Kätzchen“, stellte er fest.

Heather Herz quoll vor Mitgefühl über. „Ja, das arme Ding“, sagte sie. „Es muss …“

Alex griff entschlossen unter die Büsche und wollte das Tier packen. Man hörte ein lautes Fauchen und Alex zog sofort seine Hand wieder zurück.

„Hey!“, rief er, während er sich auf seine Fersen setzte und seine Hand schüttelte. „Dieses kleine Biest hat mich gebissen.“

„Oh, das ist alles meine Schuld“, rief Heather. „Ich hätte dir sagen müssen, dass sie wild ist. Es tut mir leid. Ich hätte dich nicht hineingreifen lassen sollen.“

Sie nahm Alex Hand, sah den Kratzer und spürte, wie eine Welle der Erleichterung sie durchströmte. Oder rührte diese wundervolle Wärme etwa von einem anderen Gefühl her? Ihre Wangen glühten auf einmal und sie ließ rasch seine Hand los.

„Sie hat dich nur gekratzt, nicht gebissen“, erklärte sie. „Wir sollten ihn auswaschen, aber es ist nichts, worüber du dir Sorgen machen solltest.“

„Ich habe mir keine Sorgen gemacht“, erwiderte Alex. „Und soweit ich mich erinnern kann, warst du auch nicht diejenige, die mich aufgefordert hat, sie herauszuholen. Ich habe es selbst getan.“

Er klang ein wenig schroff, aber sie machte ihm deswegen keine Vorwürfe. Wahrscheinlich war er müde und verärgert darüber, dass sie ihn in seinem Garten aufhielt. Sie wünschte sich auf einmal, er würde so schnell wie möglich ins Haus gehen. Allein seine Nähe machte sie nervös. Sie atmete einmal tief durch und schaute wieder unter die Büsche.

„Aber eines ist sicher“, erklärte sie. „Diese kleine Katze wird heute bei mir im Haus schlafen.“

Sie holte eine kleine Büchse Thunfisch aus ihrer Tasche, die sie für solche Fälle stets bereithielt und versuchte nicht daran zu denken, dass Alex ihr zuschaute. Und auch nicht daran, wie dünn der Stoff ihres Pyjamas war. Oder dass herrenlose Kätzchen einzufangen das Interessanteste war, dass Heather einem Mann bieten konnte.

Mach, wozu du gekommen bist, befahl sie sich, während sie etwas Thunfisch auf einen kleinen Teller gab. Und dann gehe wieder dahin, wohin du gehörst.

Sie schob den Teller langsam auf das Kätzchen zu. „Nun komm, Kleines“, sagte sie leise. „Duftet das nicht wundervoll. Ich wette, du bist hungrig, nicht wahr?“

Ein leiser Schrei war die Antwort, und die Katze kroch ein wenig näher.

„Gut“, sagte Alex. „Komm nur und hau dir den Bauch voll.“

Heather sah erstaunt zu Alex hinüber, der auf dem Bauch lag und zu dem Kätzchen hinüberschaute. Wollte er ihr etwa helfen?

Autor

Andrea Edwards
Mehr erfahren