Ein prickelndes Spiel

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Die schöne Nicole Bennett eine Juwelendiebin? So vieles spricht dafür, dass es die Nerven des Versicherungsdetektives Alex Cassavetes blank liegen lässt. Denn nachdem sie seine einzige Spur in einem brisanten Versicherungsfall ist, muss er ihr erstens mehr Informationen anvertrauen, als ihm lieb ist. Und zweitens ist er dieser rätselhaften Frau mit dem atemberaubenden Temperament schon nach einem einzigen leidenschaftlichen Kuss so komplett verfallen, dass von einem kühlen Kopf keine Rede mehr sein kann! Genau den aber hätte er in dem prickelnden Katz-und-Maus-Spiel, zu dem Nicole ihn verführt, ganz dringend gebraucht ...


  • Erscheinungstag 29.12.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733745356
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Nicole Bennett hatte zwei Schwächen: Schmuck von Tiffany und Männer. Dadurch geriet sie immer wieder in große Schwierigkeiten, denn der Schmuck gehörte leider nicht ihr. Und was die Männer betraf, einer hatte ihr gerade vor fünf Minuten die Polizei auf den Hals gehetzt.

Nicole wirbelte hektisch in dem schäbigen Einzimmerapartment herum, das Sebastian Pollock gehörte, einem Theaterschauspieler, bei dem sie seit etwa einer Woche wohnte. Verzweifelt versuchte sie, ihre Fingerabdrücke von den staubigen Flächen zu entfernen, wobei sie immer wieder aus dem Fenster sah. Die Polizei musste jeden Moment hier sein. Schnell stopfte sie ihren schwarzen Kater Devil in den Tragekorb, hängte ihn sich über die linke Schulter und schwang sich ihren schwarzen Lederrucksack auf den Rücken. Den Silberschmuck steckte sie in einen gefütterten Umschlag. Hätte sie sich doch bloß heute Morgen bei Sebastian, nachdem sie sich geliebt hatten, nicht beklagt, dass er immer so schnell fertig war.

Sie öffnete die Wohnungstür, und bevor sie auf den Hausflur trat, wischte sie den Türknauf mit ihrem roten Taschentuch ab. Dann erst blickte sie hoch, und ihr stockte der Atem. Vor ihr stand Sebastian, lässig an die Wand gelehnt, die Arme über der breiten Brust verschränkt.

„Wo willst du denn hin?“, fragte er und sah sie lächelnd an.

„,Schnallen Sie sich gut an. Die Nacht wird stürmisch‘“, zitierte sie ihren Lieblingsspruch von Bette Davis, der haargenau zu ihrer jetzigen Situation passte. Wenn sie ehrlich war, traf er auf ihr ganzes Leben zu.

Sie verzog das Gesicht. Weshalb klappte es nur nie zwischen ihr und den großen gut aussehenden Männern, die den seelischen Tiefgang einer Schlammpfütze hatten? Es stimmte schon, der Vorteil dieser Männer war, dass sie selten Fragen stellten, was bei ihrem Job als Diebin nicht unwichtig war. Andererseits waren sie immer sehr schnell beleidigt, wenn man auch nur die winzigste Kritik übte. In Bezug auf Sebastian war die Vorstellung, mit ihm Sex zu haben, sehr viel aufregender gewesen, als der Akt selbst es dann tatsächlich war.

Nun gut, es handelte sich nur um einen weiteren Irrtum in ihrem Leben.

Nicole versetzte Sebastian einen kräftigen Schlag mit dem Handballen genau auf den Solarplexus, sodass er aufstöhnte und ohnmächtig zusammensackte. Schnell durchsuchte sie seine Taschen. Ein Schmuckstück fehlte ihr. Da, in einer der vorderen Taschen seiner Jeans fand sie es. Sie zog das Armband heraus. „Ich werde dich nie vergessen“, las sie laut den eingravierten Spruch steckte das Schmuckstück in die wattierte Tüte.

Ohne sich noch einmal umzusehen, ging sie den Flur hinunter bis zur Feuertreppe. Wahrscheinlich würden die Polizisten jeden Moment das Treppenhaus stürmen, dieses Risiko wollte sie lieber nicht eingehen.

Und nun? Wo sollte sie jetzt hin? Am besten doch nach Baltimore.

Devil miaute, und Nicole warf ihm schnell einen Blick zu. „Ich fürchte, wir müssen mal wieder Tante Danika besuchen.“

1. KAPITEL

Irgendjemand folgte ihr.

Drei Tage nach der Episode mit Sebastian saß Nicole in Baltimore im „Flanagan’s“, einem irischen Pub. Das Pub war im Grunde nicht ihr Ziel gewesen, aber sie musste ihren Verfolger loswerden.

Sie war ziemlich sicher, dass sie beobachtet wurde. Vielleicht schon seit ihrer Ankunft in dieser Stadt. Sie hatte zwar ihren Verfolger noch nicht gesehen, aber sie hatte das Gefühl, dass jemand ihr auf Schritt und Tritt folgte. Irgendwie kribbelte ihr die Haut, und es sträubten sich ihr die Nackenhaare.

Ihr Verfolger war jetzt nicht hier, das wusste sie mit Bestimmtheit. Innerhalb weniger Sekunden hatte sie die Gäste gecheckt und eingeordnet. Zwei Männer in dunklen Anzügen saßen hinten in einer Nische. Wenn sie nicht gerade ihre Scherze mit der Barfrau machten, die durchaus in der Lage war zu kontern, dann besprachen sie wohl Geschäftliches. Außerdem sahen sie zu teigig und blass aus, als dass sie irgendetwas mit der Polizei zu tun haben könnten. Vielleicht mit dem Finanzamt? Aber vor dem Finanzamt hatte Nicole keine Angst. Da das Finanzamt nicht beweisen konnte, dass sie überhaupt etwas besaß, konnte es auch keine Steuern von ihr fordern. An einem anderen Tisch saß eine ältere Frau mit ihren nicht mehr ganz jungen Töchtern. Offensichtlich ruhten sie sich von einem Einkaufsbummel aus. Sie hatten Guiness vor sich stehen und lachten immer wieder laut los. Nein, die drei stellten keine Gefahr dar.

Nicole warf einen Blick auf die Frau hinter der Theke. Die hatte ihr anfangs einiges Kopfzerbrechen gemacht, denn für eine Barfrau war sie einfach zu intelligent und schlagfertig. Aber da Nicole rein zufällig hier gelandet war, war es mehr als unwahrscheinlich, dass sie zur Polizei gehörte. Keine Behörde handelte so vorausschauend.

Die junge Frau wirkte allerdings etwas nervös. Sicher wegen eines Mannes, dachte Nicole. Das konnte sie nur zu gut verstehen.

„Wahrscheinlich hat er sich schon längst die nächste Frau aufgetan“, murmelte die Barfrau vor sich hin und wischte energisch die Theke blank.

Bingo. Aber dass sie recht behalten hatte, tröstete Nicole in diesem Fall nicht. Im Gegenteil, es war bitter zu sehen, dass die andere genau das Gleiche durchgemacht hatte wie sie.

Die Tür wurde aufgestoßen, und eine attraktive Rothaarige rauschte herein. Klamotten und Schmuck waren vom Feinsten, wie Nicole sofort registrierte. Wahrscheinlich aber war die Neue nicht mit einem silbernen Löffel im Mund geboren worden. Nicole hatte genügend Erfahrung mit Leuten, die ihr Geld geerbt hatten, und mit Neureichen, um jeden Menschen mit einem Blick einzuordnen. Was die Sachen wohl wert waren? Nicht wenig, aber es war nicht für sie. Denn Nicole war nur hinter Edelsteinen von Tiffany her und nahm nur ungefasste Steine beziehungsweise ungeschliffene Steine.

„Tolles T-Shirt.“

Die Rothaarige hatte die Barfrau angesprochen. Die trug ein Frauen-Power-Shirt, Nicole dagegen eine glatte schwarze Lederhose und eine Lederweste.

„Du siehst gar nicht aus wie ein T-Shirt-Typ“, sagte die Barfrau jetzt lächelnd.

Die Rothaarige lachte laut los, und sofort drehten sich die beiden Geschäftsleute nach ihr um, was sie sicher auch beabsichtigt hatte. „Glaub mir, Schwesterchen, so sehe ich nicht jeden Tag aus. Das da …“, sie wies auf das Shirt, „… gefällt mir viel besser als mein üblicher Look.“

„Ich mag es auch.“ Die Barfrau goss einen ordentlichen Whisky ein und schob ihn der Rothaarigen zu. „Ich bin Venus Messina.“

Die Neue streckte die Hand aus. „Und ich bin Sydney Colburn.“

Nicole blickte unauffällig hinüber.

Die Barfrau starrte die Rothaarige überrascht an. „Sydney Colburn? Die Schriftstellerin?“

Sydney nickte und nahm einen Schluck. „Genau die.“

Jetzt erst begriff auch Nicole, wen sie da vor sich hatte. Ja, sie kannte die Autorin. Sie hatte schon einiges von ihr gelesen, meist auf Flügen, und war immer sehr gefesselt gewesen.

Venus erzählte Sydney gerade, wie gut ihr deren Romane gefielen und wie schade es sei, dass Männer in Wirklichkeit doch ganz anders seien. „Vor allem, weil die Heldinnen sich endlich was trauen und sich nicht einschüchtern lassen. Das ist nicht leicht für die Männer.“

„Aber es gibt solche Männer“, sagte Sydney jetzt leise. „Man muss sie nur finden.“

Wie recht sie hatte! Nicole nickte automatisch.

„Finden ist eine Sache“, sagte Venus. „Aber sie halten, das ist eine andere. An mir bleiben immer nur die kleben, die mich entweder meinen Job kosten oder sich von mir aushalten lassen wollen. Nicht die tollen Supermänner mit dem unwiderstehlichen Lächeln.“

„Hm“, machte Sydney.

„Was?“

„Es hat dich offenbar schwer erwischt.“

Nicole musste grinsen. Das kannst du wohl laut sagen, dachte sie.

Venus runzelte die Stirn. „Dich doch auch.“

Sydney nickte nur.

Venus goss ihr noch einen Whisky ein. „Wir schlimmen Mädchen haben es nicht leicht“, sagte sie nachdenklich. „Wir erwarten immer zu viel von den Männern, und bei jeder neuen Beziehung hoffen wir aufs Neue.“

Nicole richtete sich leicht auf, als Venus ihr jetzt zuwinkte. „Komm rüber. Setz dich zu uns. Wir schlimmen Mädchen müssen zusammenhalten.“

Nicole sah beide Frauen prüfend an. Es war nicht so sehr Venus’ direkte Art, die sie verblüffte, sondern die Tatsache, dass sie sie gleich durchschaut hatte. War das eine spezielle Gabe, eine verwandte Seele zu erkennen? In meinem Fall ist das zwar ziemlich einfach, dachte Nicole. Von Kopf bis Fuß in schwarzes Leder gekleidet gehörte sie ganz sicher nicht zu den braven Mädchen.

Aber unabhängig von der Kleidung, Nicole war ziemlich sicher, dass sie mit den beiden Frauen eine ganze Menge gemein hatte und in vielem übereinstimmte, was Männer betraf, aber auch das Leben ganz allgemein. Was allerdings den Beruf anging … Na ja, sie musste ihnen ja nicht auf die Nase binden, dass sie eine professionelle Diebin war und den Wert von Sydneys Schmuck sehr genau schätzen konnte.

Sie nahm ihr Glas und setzte sich neben die Rothaarige. „Schlimme Mädchen? Wollen wir einen Club gründen oder was?“

Entsetzt schüttelte die Barfrau den Kopf. „Um Himmels willen. Der letzte Club, dem ich angehörte, waren die Pfadfinder. Dort hat man mich rausgeschmissen, als ich elf war. Man hat mich mit Tommy Callahan im Schrank erwischt. Und dabei hatte er so süße Sommersprossen und eine tolle Zahnspange.“

Sydney Colburn lachte laut. „Und meine Mutter hat mir immer Vorwürfe gemacht, dass man mich aus dem Kindergarten geworfen hat. Ich habe den Jungs meine Unterwäsche gezeigt.“

Venus grinste. „Und darüber hat sie sich beschwert?“

„Verstehe ich auch nicht.“ Nicole warf Venus einen vielsagenden Blick zu, worauf beide wie aus einem Mund sagten: „Immerhin hast du Unterwäsche angehabt.“

Alle drei prusteten los, und als sie sich endlich beruhigt hatten, hob Nicole das Glas. „Ich bin übrigens Nicole Bennett. Es freut mich, dass ich euch getroffen habe.“

Noch vor wenigen Minuten waren sie einander fremd gewesen, und jetzt fühlten sie sich einander plötzlich verbunden. Nicole hatte sich schon lange nicht mehr mit anderen Frauen so wohl gefühlt. Das tat gut, selbst wenn es nicht lange andauern sollte.

Sie schwatzten und lachten, bis Sydneys Handy klingelte und das Gespräch unterbrach. Venus musste zwei neue Gäste bedienen, und als sie zurückkam, hatte Sydney ihr Handy wieder in die Tasche gesteckt. Sie warf einen Hundertdollarschein auf den Tresen und rutschte vom Barhocker. „Muss los, Mädels. Bye, bye!“

Venus nahm den Schein. „Halt, dein Wechselgeld.“

Sydney winkte nur ab und ging zur Tür. Doch bevor sie sie öffnen konnte, wurde die Tür aufgestoßen, und ein Mann stürmte herein. Nicole musterte ihn blitzschnell. Ja, der große kräftige Fremde konnte durchaus ein Polizist sein. Aber egal, er war ausgesprochen attraktiv.

Nicole sah, wie er entschuldigend um Sydney herumging und sofort an den Tresen trat. Dabei hatte er nur eine einzige Frau im Blick: Venus.

Nicole seufzte leise. Im Grunde war es so besser. Nach ihren letzten Erfahrungen mit Männern sollte sie vielleicht lieber eine Zeit lang solo bleiben. Dennoch wäre es interessant zu wissen, ob dieser Mann derjenige war, der sie verfolgte.

Sie warf einen Blick auf Venus, die den Fremden anstarrte und aussah, als wollte sie ihm gleich um den Hals fallen.

Nicole stieß einen leisen Pfiff aus. Das war ohne Zweifel der Mann, auf den Venus vorher angespielt hatte. Zeit, sich davonzumachen. Sie rutschte von dem Barhocker herunter und winkte Venus zu.

Als sich die Tür hinter ihr schloss, sah Nicole sich vorsichtig um. Keine verdächtige Person war zu sehen. Nur die normalen Spaziergänger, die das schöne Wetter herausgelockt hatte.

Sie hängte sich den Rucksack über die Schulter und ging die Straße hinunter. Merkwürdigerweise war das Gefühl, verfolgt zu werden, vollkommen verschwunden. Sollte sie sich so getäuscht haben? Sie atmete tief durch. Vielleicht neigte man zum Verfolgungswahn, wenn man älter wurde. Oder hatte es eher damit zu tun, dass sie von den drei verbliebenen Familienmitgliedern die Einzige war, die noch aktiv als Diebin arbeitete? Ihr Bruder Jeremy hatte das Stehlen vor einem Jahr aufgegeben, als er Joanna kennenlernte und sie bald darauf heiratete. Und ihr Vater …

Nicole musste schlucken. Vielleicht war sie deshalb so überempfindlich und beinahe ängstlich in letzter Zeit. Denn was ihrem Vater passiert war, das wollte sie auf keinen Fall erleben.

Schnell warf sie einen Blick zurück. Verschwand da nicht eine Gestalt in einem Hauseingang? Vielleicht bildete sie sich doch nichts ein?

Alex Cassavetes trat schnell in den Hauseingang, als die ebenso clevere wie verführerische Nicole Bennett sich umwandte. Er rieb sich nachdenklich das Kinn. Kein Zweifel, sie wusste, dass sie verfolgt wurde, und hatte ihn gesehen. Das war nicht gut für einen ehemaligen Beamten im Raubdezernat der New Yorker Polizei, der zurzeit als Ermittler für eine Versicherung arbeitete.

Alex schob den Jackettärmel hoch und blickte auf seine Armbanduhr. Es wäre Wahnsinn, Nicole Bennett weiter zu folgen. Sie hatte ihn wahrscheinlich schon bemerkt, bevor sie in das Pub ging. Deshalb war er draußen geblieben. Umso erstaunlicher war, dass sie ihn sofort wieder gesehen hatte, als sie aus dem Pub herauskam, obgleich er mit vielen anderen in dem Café gegenübergesessen hatte.

Verdammt!

Alex trat aus dem Hauseingang. Wenn er daran dachte, wie nah dran er gewesen war, mit seiner Zielperson Kontakt aufzunehmen, hätte er sich ohrfeigen können.

Das Geräusch seiner Schritte hallte von den hohen Gebäuden wider, die die lebhafte Geschäftsstraße säumten. Nicole Bennett, die Königin der Diebe, war vor drei Tagen von New York nach Baltimore geflogen. Seitdem war er ihr auf Schritt und Tritt gefolgt, ob in Dessousgeschäfte oder Restaurants. Er hatte sogar das Stundenhotel überprüft, das ihrem Hotel gegenüberlag. Aber nichts in seinem Leben, er war immerhin schon 32, hatte ihn darauf vorbereitet, welche Wirkung ihr Blick auf ihn hatte.

„Die Augen einer Hexe“ hätte Panayiota, seine griechische Großmutter, gesagt. Schwarze Augen, die schwer zu lesen waren. Wiesen sie einen zurück? Zogen sie einen an? Wie würde er erst auf diese mandelförmigen Augen reagieren, wenn er sie dicht vor sich hätte? Die Fotos von Nicole Bennett wurden ihr in keiner Weise gerecht.

„Vorsicht“, sagte er leise zu sich selbst, bog um eine Ecke und musste sich zwingen, sich nicht umzusehen. Das Beste war, zu ihrem Hotel zurückzukehren. Irgendwann musste sie ja zurückkommen, und dann konnte er seine Verfolgung wieder aufnehmen.

Und wenn sie nicht zurückkam? Sie war der Typ, der sofort verschwinden würde, sobald sie Verdacht geschöpft hatte, überwacht zu werden. Er hatte heute Morgen ihr Zimmer durchsucht und dabei nichts gefunden, das irgendwelche Rückschlüsse auf die Frau zuließ. Nichts Wichtiges hatte sie zurückgelassen. Entweder trug sie all ihre persönlichen Sachen in dem großen Lederrucksack mit sich herum, oder sie hatte sie in den verschiedenen Schließfächern in den Bus- und Bahnstationen versteckt, die sie regelmäßig aufsuchte.

Genau deshalb war sie so schwer zu überführen.

Aber er würde es schaffen.

Alex Cassavetes hatte bisher noch jeden gekriegt, hinter dem er her war. Aber die clevere, verführerische Nicole schlüpfte ihm immer wieder durch die Finger. Zum ersten Mal zweifelte er an seinen Fähigkeiten als Versicherungsermittler. Sie war schon ein ganz besonderer Fall. Durch Steckbriefe und geheime Rundbriefe an alle Polizeistationen würde man sie nicht erwischen. Meist heftete sie sich an die Fersen anderer Diebe und nahm ihnen dann ihre Beute ab.

Aber er würde sie erwischen.

Er betrat das schäbige Hotel, in dem sie wohnte, und lief schnell die Treppe zum ersten Stock hoch. Er erinnerte sich nicht mehr genau daran, wann er zwei und zwei zusammengezählt hatte und schließlich Nicole Bennett verdächtigte. Er war damals der Bande von Christine Bowman auf der Spur, die Diamanten gestohlen hatte. Nach drei Monaten konnte er sie endlich stellen. Christine wurde verhaftet und später auch verurteilt, für den Diebstahl und wegen des Mordes an zwei Sicherheitsbeamten. Die Diamanten aber hatte man nie gefunden. Die Versicherung, für die Alex arbeitete, hatte viel Geld zahlen müssen. Aber irgendetwas an diesem Fall hatte ihm keine Ruhe gelassen. So hatte er sich eine ganze Nacht um die Ohren geschlagen und war seine Unterlagen noch einmal durchgegangen. Und plötzlich hatte es klick gemacht. Er hatte sich natürlich auch die Fotos angesehen, die während der Beschattung und später bei der Verhaftung gemacht worden waren. Dabei war ihm eine Frau aufgefallen, die während der Verhaftung von Christine Bowman auf der anderen Seite der Busstation stand. Diese geheimnisvolle Frau hatte keinen Verdacht auf sich gelenkt, obgleich sie aufregend aussah und schwarze Lederkleidung trug. Daraufhin hatte er sich noch die Akten von anderen Diebstählen durchgesehen, bei denen die Diebe zwar verhaftet wurden, die Beute aber unauffindbar geblieben war. Und in zwei Fällen war die dunkle Frau, wenn auch nur schemenhaft, zu erkennen gewesen. Er hatte sich dann mit Ripley Logan von der Polizei in St. Louis unterhalten, der ihm ihren Namen gab: Nicole Bennett.

Und unter diesem Namen war die schwarz gekleidete Frau auch in diesem Hotel abgestiegen und bewohnte jetzt das Zimmer, das seinem gegenüberlag.

Er bog um die Ecke und kam in den Flur, in dem sein Zimmer – es hatte die Nummer 107 – lag. Er steckte den Schlüssel ins Schlüsselloch, hielt aber plötzlich in der Bewegung inne. Etwas stimmte nicht. Wurde er beobachtet? Etwa aus dem Zimmer gegenüber? Durch den Türspion?

Er stieß die Tür seines Zimmers auf und blieb stehen. Aus einem Impuls heraus drehte er sich um und klopfte an die gegenüberliegende Tür. Dabei ließ er den Spion nicht aus den Augen.

Stille.

Alex grinste leicht. Er wusste, dass Nicole Bennett da war, glaubte ihre Präsens körperlich zu spüren.

Er hob schon die Hand, um noch einmal zu klopfen, als er hörte, wie sich jemand am Schloss zu schaffen machte. Die Tür ging auf, und er blickte Nicole Bennett direkt in die unergründlichen schwarzen Augen. Sie hatte sich gegen den Türrahmen gelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt. „Ja, bitte? Was wollen Sie?“

Alex war, als hätte man ihm einen Schlag versetzt. Die Atmosphäre schien sofort elektrisch geladen, und er musste seine ganze Geistesgegenwart zusammennehmen, um sich nicht zu verraten.

Er grinste. Sie war schlau. Sie ließ sich nicht anmerken, dass sie in ihm ihren Verfolger erkannte. Aber sie hatte ihn beobachtet, das war eindeutig, denn er hatte keine Schritte gehört, bevor sie die Tür öffnete. Sie hatte ihn auch auf der Straße gesehen, und sie wusste, wer er war.

Er blickte auf den tiefen Ausschnitt ihrer Lederweste. Ihre Figur konnte einen umhauen. Nicht nur der Ansatz ihrer Brüste versprach einiges, auch die schlanken muskulösen Arme hätte Alex gern um seinen Nacken gespürt. Schließlich löste er den Blick von ihren Brüsten und sah ihr ins Gesicht, das jetzt rosig angehaucht war. „Ich habe eine Bitte. Aber, entschuldigen Sie, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Ich bin Alex.“ Wenn er gehofft hatte, sie würde sich nun ihrerseits vorstellen, so hatte er sich gründlich getäuscht. „Ich wohne auf der anderen Seite des Flurs.“ Er versuchte, einen Blick in ihr Zimmer zu werfen, obgleich er es erst an diesem Morgen gründlich durchsucht hatte. „Haben Sie Handtücher? Bei mir …“

Ohne weiter zuzuhören, ging die Frau in das winzige Badezimmer und kam mit einem rauen, verwaschenen Handtuch zurück. „Hier bitte.“

„Danke.“

„Keine Ursache.“ Sie schloss die Tür und legte die Kette vor.

Alex blieb noch eine ganze Zeit vor der Tür stehen. Da er nicht gehört hatte, dass sie sich entfernte, vermutete er, dass sie ihn wieder durch den Spion beobachtete. Nur mit Mühe unterdrückte er den Impuls, ihr zuzuwinken, bevor er sich schließlich umdrehte und in sein Zimmer ging.

Eine erstaunliche Frau. Sie war nicht nur in das Hotel zurückgekehrt, sondern schien auch nicht im Geringsten beunruhigt zu sein, dass er sie beschattete. Noch nie war ihm eine Frau begegnet, die so selbstsicher war. Und so aufregend.

Wer weiß, was sich daraus noch entwickeln würde.

2. KAPITEL

Nicole stand am Rand der Partygesellschaft, ihre kurze blonde Perücke saß perfekt, das schwarze Kleid war eng, aber elegant. Nicht zu auffällig, nicht zu modisch, das war ihre Devise. Plötzlich fiel ihr ihr zweitliebster Spruch ein, diesmal von Rita Mae Brown.„Führe mich nicht in Versuchung. Den Weg dahin finde ich schon selbst.“

Alex war die personifizierte Versuchung. Und sie würde den Weg zu ihm finden, das war sonnenklar.

Sie kniff die Augen zusammen und ließ den Blick über die Menge gleiten. War keiner darunter, der so aussah, als gehöre er nicht hierher? Eine leise Stimme in ihr ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Das Hotel und der Job sind unwichtig, sagte die Stimme. Nur Alex zählt.

Nicole schreckte aus ihren Gedanken auf, als ein Kellner ihr ein Champagner anbot. Sie nahm dankend ein Glas und verglich automatisch den Kellner mit Alex’ beeindruckender Erscheinung.

Alex war fast eins neunzig und erfüllte damit schon mal eine ihrer Forderungen, die sie an Männer stellte. Sein Haar war fast so dunkel wie ihr eigenes, dazu dicht und seidig. Seine Augen? Ja, seine Augen waren grün und blickten wissend und sexy. Und wenn sie an seinen gut geschnittenen Mund dachte, dann wurden ihre Brustspitzen gleich hart, und tief in ihr stieg drängendes Verlangen auf.

Sie musste zugeben, Alex war gefährlich attraktiv. Und genau aus diesem Grund hätte sie nie in das Hotel zurückkehren dürfen. Dass er Polizist war, hatte sie ihm gleich angesehen. Sie musste über sich selbst den Kopf schütteln. Als wenn sie nicht schon genügend Probleme mit ihrem Liebesleben hatte. Ein unwiderstehlicher Cop hatte ihr gerade noch gefehlt.

Sie prostete einem älteren Herrn zu, der sie schon eine ganze Weile von der anderen Seite des Raums her beobachtete. Vor sechs Stunden hatte sie Alex das erste Mal gesehen, dann hatte sie beobachtet, wie er die Tür zu seinem Zimmer aufschloss. Natürlich hatte sie nie daran gedacht, dass er ihren Blick, als sie hinter dem Spion stand, erwidern würde, geschweige denn, dass er die Frechheit besitzen würde, an ihre Tür zu klopfen und nach einem Handtuch zu fragen, obgleich er noch nicht einmal in seinem Zimmer gewesen war. Das bestätigte allerdings ihren Verdacht.

Sie nippte am Champagner. Das war sicher Dom Perignon. Die Theismans wussten, was sie ihren Gästen schuldig waren. Vor allem an ihrem ersten Hochzeitstag. Was für ein Paar! Mrs. Theisman konnte höchstens Anfang zwanzig sein, während Mr. Theisman von „Theismans Telecommunications“ bestimmt nahe an siebzig war. Seine wievielte Frau das wohl war? Doch sicher Nummer drei, vielleicht auch schon Nummer vier.

Nicole nickte einer Frau freundlich zu, die auf sie zukam. „Ein reizendes Paar, finden Sie nicht?“, sagte die Frau.

Nicole sah sie fragend an. Also, von reizend konnte hier nun wirklich keine Rede sein. So lächelte sie nur und verschwand in der Menge.

Ihre Füße schmerzten in den teuren Pumps. Im Grunde stand es ihr gar nicht zu, die Partnerwahl anderer Menschen zu kritisieren. Wenn sie sich ihre Freunde nicht nur nach dem Aussehen aussuchen würde, dann würde sie nicht regelmäßig in denselben Schlamassel geraten. Wenn sie mehr auf den Charakter ihrer Bettpartner achten würde als auf ihr Aussehen, dann müsste sie vielleicht nicht in Zukunft befürchten, eines Morgens aufzuwachen und festzustellen, dass der Kerl den gestohlenen Schmuck gefunden und bereits die Polizei informiert hatte.

Eine Kellnerin ging an ihr vorbei, und Nicole sah, dass ein Tattoo aus dem weißen gestärkten Kragen hervorguckte. Wenn sie sich nicht sehr täuschte, würden die Diebe heute Nacht zuschlagen. Das Alarmsystem war sicher ausgeschaltet, und es war leicht, sich unter die Gäste zu mischen. Oder die Diebe heuerten bei der Cateringfirma an, ein beliebtes und erprobtes Mittel, Zugang zu solchen Partys zu bekommen. Das war diesmal umso einfacher, da die junge Mrs. Theisman nicht auf die alte bewährte Firma zurückgegriffen, sondern ein neues Unternehmen engagiert hatte. Damit wollte sie wahrscheinlich beweisen, dass sie in der Lage war, eine solche Gesellschaft zu geben. Stattdessen bot sie sich als leichte Beute an.

Nicole blickte auf die geschwungene Treppe zu ihrer Linken. Sie hatte von dem geplanten Raubüberfall Wind bekommen, einen Tag, bevor sie mit Sebastian oder er mit ihr Schluss machte. Einzelheiten kannte sie nicht, und sie wusste auch nicht, wer den Diebstahl begehen würde, aber da klar war, dass an die Ware leicht heranzukommen war, würde der Diebstahl auch stattfinden. In den letzten drei Tagen hatte sie sich genauer über die Theisman-Villa informiert. In dem 12-Zimmer-Haus der gab es drei Safes. Einer befand sich im Büro im Parterre, einer in dem Bad, das an das Schlafzimmer der Theismans anschloss. Und der dritte war unter dem Perserteppich versteckt, der in dem dritten Gästezimmer unter dem Doppelbett lag.

Vermutlich waren dort die ungeschliffenen Rubine im Wert von mehr als zweihunderttausend Dollar versteckt, die Mr. Theisman seiner jungen Frau zum Hochzeitstag gekauft hatte.

Die Frage war, ob die Diebe sie schon gefunden hatten.

Nicole blickte auf ihre mit falschen Diamanten besetzten Uhr und verschüttete scheinbar versehentlich ein bisschen Champagner auf ihrem Kleid. Während sie sich bei den Gästen entschuldigte, die um sie herumstanden, wandte sie sich dem hinteren Teil des Hauses und damit auch der Küche zu, obwohl sie auch die Toilette gleich neben dem Foyer hätte benutzen können. Wenige Minuten später stieg sie mit den Schuhen in der Hand die rückwärtige Treppe hoch. Die Leute in der Küche hatten von ihr kaum Notiz genommen, aber Nicole war aufgefallen, dass ein Mitglied der Cateringcrew fehlte. Das war ihr dann auch von der Frau bestätigt worden, die am Herd stand und ganz entnervt gefragt hatte, ob denn keiner Mike gesehen habe.

Im ersten Stock stellte Nicole fest, dass sämtliche Zimmer nicht abgeschlossen waren. Der lange Flur war nur schwach erleuchtet, gold gerahmte Drucke, die Städteansichten zeigten, schmückten die Wände, das krasse Gegenteil zu den erbsengrünen Wänden des „Commodore“, deren Farbe stellenweise abblätterte, aber irgendwie fühlte Nicole sich in diesen schäbigen Hotels sicherer als in teuren. Sie waren weniger auffällig, und man konnte leicht verschwinden. Die Leute, die dort wohnten, hatten Schwierigkeiten, das Nötigste für ihr Leben aufzubringen. Ihnen ging es nicht darum, eine hohe Hypothek abzuzahlen oder auf die Sauna zu sparen, sondern sie kämpften ums nackte Überleben. Und damit hatten sie so viel zu tun, dass sie sich selten um die anderen Hotelgäste kümmerten.

Wieder musste sie an Alex denken. Seine Erscheinung war zu auffällig, als dass er in einer gesichtslosen Masse untergehen konnte. Und das hatte nicht nur mit seiner Größe und seinem guten Aussehen zu tun, sondern auch mit einer ganz bestimmten Ausstrahlung, die Nicole bisher noch nicht richtig definieren konnte. Sie wusste nur, dass sie viel lieber heute Nacht wieder in ihr kleines Hotel zurückkehren würde, anstatt den Zug um Mitternacht nach New York zu nehmen – mit den Rubinen.

Sie schlüpfte in das Gästezimmer, das dem Raum gegenüberlag, in dem wahrscheinlich der dritte Safe untergebracht war, und schob die Tür bis auf einen schmalen Spalt zu. Schon lange hatte sie nicht solche Schwierigkeiten gehabt, sich auf die vor ihr liegende Aufgabe zu konzentrieren. Alex stellte eine Gefahr für sie dar, gut. Dass sie darüber nachdachte, war zu verstehen. Aber dass sie sich immer wieder vorstellte, wie es wäre, sich an ihn zu schmiegen und ihn zu küssen, das hatte mit ihrem Beruf nun wirklich nichts zu tun.

Da, ein Schatten.

Nicole griff schnell in ihre Handtasche und holte eine kleine Pistole heraus. Sie entsicherte die Waffe und sah durch den Türspalt, dass jemand, der wie ein Kellner gekleidet war, aus dem Schlafzimmer am anderen Ende des Flurs kam und nun in ihre Richtung ging. Entweder war er gierig und hatte auch noch das mitnehmen wollen, was sich in dem Safe im Schlafzimmer befand, oder er wusste nicht, dass die Rubine sich höchstwahrscheinlich im Safe in diesem Gästezimmer befanden. Das bedeutete, dass er entweder ein Neuling oder verrückt war. Oder beides, eine gefährliche Kombination. Denn während sie ihre Anwesenheit hier in dem Gästezimmer immer mit einer leichten Übelkeit erklären konnte, die sie gezwungen hatte, sich ein wenig hinzulegen, gab es für einen Kellner keinen Grund, sich hier aufzuhalten.

Umso besser. Sie hatte vor, ihm die Steine abzunehmen, sowie er sich sicher fühlte. Der Kellner blickte in ihre Richtung, und Nicole trat einen Schritt zurück, damit er sie nicht sehen konnte. Und stieß gegen etwas, das sie instinktiv als Mann identifizierte.

„Oh!“ Sie unterdrückte mit Mühe einen entsetzten Ausruf.

„Guten Abend“, flüsterte Alex direkt neben Nicoles Ohr.

Autor

Tori Carrington

Lori und Tony Karayianni haben unter dem Namen Tori Carrington mehr als 35 Liebesromane veröffentlicht, und schreiben seit über 21 Jahren gemeinsam. Diese Tatsache verrät schon einiges über die beiden!

Auch wenn sie sich mittlerweile gar nicht mehr vorstellen können, jemals ohne einander gewesen zu sein, gab es auch ein...

Mehr erfahren