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Über viele Jahre hinweg hat Stacy aufopferungsvoll ihren kranken Vater gepflegt. Für Liebe blieb da keine Zeit. Als Adam Tyler, Architekt, in ihren Heimatort kommt, kann Stacy an nichts anderes mehr denken als heiße neue Erfahrungen mit ihm. Sie springt über ihren Schatten und bietet ihm einen gewagten Handel an: Ihre Arbeit gegen Sex mit ihm! Wie wird Adam reagieren?


  • Erscheinungstag 15.02.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733776114
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Adam Tyler fühlte sich großartig nach dem langen Nachtflug von Rio de Janeiro nach Chicago. Und das nicht nur, weil er nach – zwei, drei, vier? – Monaten endlich wieder daheim in den Staaten war, oder weil sein nächster Auftrag einen klarblauen Himmel und Sonnenschein versprach, einschließlich eines eindeutigen Mangels an Giftschlangen.

Er warf einen Blick in den Seitenspiegel, bevor er sich mit seinem tomatenroten Beamer auf dem Drehkreuz von Chicagos Flughafen O’Hara zur nächsten Ausfahrt einfädelte. „Ich bin so froh, wieder zurück zu sein.“

„Was für eine sentimentale Bemerkung!“ Die Stimme seines Kollegen Ryan Jennings klang spöttisch durch das Autotelefon. „Du hast also vor zu bleiben?“

„Auf keinen Fall. Bin praktisch schon auf dem Weg nach Las Vegas.“

„Okay. Reisende soll man nicht aufhalten. Und du hast es verdient. Sechs Monate Bau eines Krankenhauses an den Ufern des Amazonas … du liebe Güte, das ist hart.“

„Fünfeinhalb Monate“, verbesserte Adam. „Wir haben die Arbeit vor Termin abgeschlossen.“

„Dafür bekommst du Pluspunkte im Himmel – und bei Lasser & Thomas. Der alte Lasser wird dir ganz sicher das Vegas-Projekt übergeben.“

„Gut, ich brauche es“, sagte Adam. „Der Dschungel war fantastisch, aber ich möchte nie wieder dorthin zurück.“

„Wie ich gehört hab, war es gar nicht so übel. Es hieß, dass eine gewisse Endrundenteilnehmerin der Miss-Universum-Wahl vom letzten Jahr dich besucht habe.“

„Nur zwei Mal“, sagte Adam. „Und Miss Venezuela war Zweite, kam gleich nach Miss Trinidad & Tobago. Sie war charmant und sehr schön, ganz ohne Zweifel, aber sie war nicht mein Typ.“

„Adam, die sind alle dein Typ. Wir könnten dich zu einem Bauvorhaben in die Antarktis schicken, und du wärst der einzige Mann dort, der eine Verabredung zum Dinner hat. Und sie wäre einfach sagenhaft.“

Adam klemmte den Hörer zwischen Schulter und Ohr, als er aus der Tasche die Mautmünzen hervorkramte. Er wurde nun einmal diesen Ruf nicht los, den er sich vor Jahren, als er noch keine dreißig war, eingeheimst hatte. Aber in diesem Fall hätte er sich nicht tugendhafter verhalten können. Zu mehr als einem Kuss war es bei der Schönheitskönigin nicht gekommen.

„Mich solltest du bedauern“, fuhr Ryan fort. „Mir wurde ein Job angeboten in Deerhorn, Wisconsin. Ein kleiner Farmerort, ein richtiger Krähwinkel. Ich werde eine Grundschule bauen, um ein Einraumschulhaus zu ersetzen. Lasser ist dort aufgewachsen. Also tut er es aus Gefälligkeit. Er trägt die Kosten.“

„Das ist großzügig – für ihn.“

„Aber ich muss es ausführen. Überleg nur, zwei oder drei Monate nur Kühe, Maisfelder, selbst gebrautes Bier und Käsefondue. Warum bekomme nur ich all die glamourösen Aufträge?“

„Lieber wäre mir dann schon der Amazonas“, erwiderte Adam mitfühlend. „Sommer in Wisconsin? Lang-wei-lig!“

„Ich nehme an, dass Lasser es heute amtlich macht, obwohl er wahrscheinlich mit deiner Sache wartet, bis du ins Büro kommst.“

„Ich werde morgen früh da sein.“

„Prima. Wir essen Lunch zusammen. Vergleichen unsere Leben. Du kannst ja vorgeben, dass dir Vegas gleichgültig ist, und ich bewahre Haltung wegen Deerhorn.“

„Ryan, ich weiß nicht, wie du das schaffen willst.“

„Hey, ich habe Familie“, sagte Ryan. „Ich kann keinen Job annehmen, der mich zu lange von zu Hause fernhält. Und bei den langfristigen Aufträgen muss ich imstande sein, die ganze Sippe mitzunehmen – einschließlich Hund. Las Vegas ist kein Platz für eine Familie.“

„Auch ich habe Familie“, gab Adam zu bedenken.

Aber sie beide wussten, dass es nicht das Gleiche war. Ryan war verheiratet, hatte zwei Jungs, Zwillinge, und eine Schwiegermutter im Haus. Er war Trainer einer Juniorliga im Baseball, Führer einer Pfadfindergruppe, und er hatte jeden Freitagabend ein Date mit seiner Frau.

Als Familie hatte Adam seine Haushälterin, ein Handy, eine Reihe von Zeichnungen in seiner Brieftasche und eine Tochter mit dem Namen Karen, die diese Zeichnungen angefertigt hatte und die seine Sekretärin ihm von der Lasser & Thomas-Zentrale zufaxte.

Immerhin führte er ein Leben, das ihm zusagte, hatte die Möglichkeit, sich frei und ungebunden zu bewegen, was ihm wichtig war. Und er brauchte – im Gegensatz zu Ryan – keine Familienkonferenz einzuberufen, sobald er einen neuen Auftrag annahm. Er wünschte sich allerdings, Karen öfter zu sehen. Und dieses Gefühl wurde heftiger, wenn er nach Hause kam und sah, wie sie wieder ein Stück gewachsen war. Er verdrängte den Gedanken, dass er eines Tages von einem Job zurückkehrte und sie kein Kind mehr war.

Wie auch immer, sosehr er sich über das Amazonasprojekt gefreut hatte, sosehr freute er sich jetzt, nach Hause zu kommen. Sogar die nachmittägliche Stoßzeit stimmte ihn froh und auch die Werbeplakate zu beiden Seiten des Freeways und die ersten zehn Tophits im Radio … all das, was er im Amazonasgebiet von Brasilien nicht gehabt hatte. Er winkte dem Fahrer des Lieferwagens freundlich zu, der ihn geschnitten hatte. Und er ging mit dem Tempo runter, um einem anderen Fahrer die Vorfahrt zu lassen. Er lauschte den Radiowerbungen, lachte über Episoden der Situationskomik und über die witzige musikalische Einladung zu einem königlichen Burger in einer der Fast-Food-Ketten.

Er dachte über das Treffen mit Lasser morgen früh nach. Er würde ein neues Projekt bekommen, würde all die Post durchgehen, die seine Sekretärin für ihn aufgehoben hatte, und würde sich um den Flug nach Vegas kümmern.

Er hatte einen Haarschnitt dringend nötig. Das sonst bürstenschnittkurze dunkelbraune, jetzt sonnengebleichte Haar reichte ihm bis zum Kragen des Jacketts. Seine Anzüge waren ein weiteres Problem. Die er nach Brasilien zu den selten stattfindenden Konferenzen mitgenommen hatte, zwängten ihn in den Schultern ein und saßen schlaff um die Taille herum. Seine Muskeln hatten sich während der vergangenen Monate besser ausgebildet, als ein zweimaliger Besuch in der Woche in einem Fitnesscenter es jemals hätte schaffen können.

Adam stand in dem Ruf, dass er alles daransetzte, um ein Bauwerk termingerecht und unter den veranschlagten Kosten abzuschließen. Bei diesem letzten Job war das möglich geworden durch sein Einspringen als Vorarbeiter, nachdem der Maurermeister von Lasser & Thomas nach einem Schlangenbiss ausgeflogen werden musste. Davor hatte er tatkräftig mit seinen Männern zusammen die Lichtung des Urwaldes innerhalb von nur achtzehn Tagen bewältigt. Diese Einsätze hatte er in seine Arbeitszeitblätter nicht eingetragen.

Wenn er ein kurzärmliges Hemd anhätte, würde Lasser ihn hänseln, dass es eher ganz danach aussähe, als ob er zwei Monate am Strand verbracht hätte, statt zu arbeiten. Nachdem der anfängliche Sonnenbrand gewichen war, hatte seine Haut die ebenmäßige Farbe von dulce de leche, einem brasilianischen Karamellpudding, angenommen.

Er verließ die I-294 bei der Ausfahrt Willow Road und steuerte Northfield West an. Im Gepäck hatte er eine Puppe für Karen und eine Samttasche voller loser Edelsteine, die er in Rio de Janeiro gekauft hatte. Er würde die Steine gerecht aufteilen unter den drei Menschen, die ihm am nächsten standen – seine Sekretärin, seine Haushälterin und seine Tochter Karen. Karen würde nicht allzu beeindruckt sein, aber seine Sekretärin hatte es schon immer zu schätzen gewusst, was er ihr von seinen Jobs mitbrachte. Und seine Haushälterin …?

Ihr gegenüber hatte er ein ausgesprochen schlechtes Gewissen, weil er während der vergangenen fünf Monate seltener zu Besuchen nach Hause zurückgekehrt war, als er versprochen hatte. Und so kaufte er im Blumenladen gleich um die Ecke all die Rosen auf, die da waren. Und er sollte es lieber nicht vergessen, ihr eine großzügige Extrazulage zu zahlen, falls sie sich dazu überreden ließ, auch noch für die Zeit zu bleiben, die er für Las Vegas brauchte.

Ryan hatte recht. Las Vegas war kein Ort für eine Familie. Zumindest nicht der Teil von Vegas, wo seine Arbeitsstätte sein würde.

Er fuhr in die Gasse mit den gepflegten grünen Rasenflächen und den Beeten von bunten Blumen, die die schmalen einstöckigen Häuser umgaben. Er parkte vor dem Haus mit dem braunen Gras und den wenigen welken, von der Sonne arg mitgenommenen Tausendschönchen. Daheim. Er holte vom Fondsitz den Strauß aus mehreren Dutzend Rosen.

Als Affie, die Haushälterin, aus dem Haus herausgestürzt kam, erkannte Adam sie nicht sofort. Blondes, lockiges Haar … War sie beim letzten Mal, wo er sie gesehen hatte, nicht brünett gewesen? Oder war es ihre Vorgängerin gewesen?

Und was sollte der Koffer? Adam stieg aus.

„Hallo, Affie. Danke für all das, was Sie …“, sagte er und hielt ihr die Rosen entgegen.

Sie hatte die Augenbrauen hochgezogen, was Affie recht wütend wirken ließ.

„Ich gehe.“

„Was ist mit Karen?“

Affie warf ihren Koffer in den Kofferraum ihres rostigen Zweisitzers und wies mit dem Daumen aufgebracht in Richtung des Hauses. „Vielleicht lernen Sie es noch, für sie ein Vater zu sein“, sagte sie.

Adam umfasste die Rosen fester in seiner Hand, weil sie ihm sonst vor lauter Schreck entglitten wären. „Wo gehen Sie hin?“

„Irgendwohin. Sie sind sechs Monate weg gewesen …“

„Fünfeinhalb.“

„Sechs! Und wissen Sie, wie oft Sie zurück waren, um mir einen freien Tag zu geben?“

„Viermal?“ Adam war sich nicht sicher.

Affie warf ihm einen vernichtenden Blick zu.

„Drei…?“

„Zweimal!“, rief sie.

„Tut mir leid.“

„Wie oft haben Sie Ihr kleines Mädchen gesehen?“

Adam atmete tief aus und fuhr sich mit der Hand durchs Haar.

„Zweimal! Und wie oft haben Sie sie angerufen?“

„So oft wie ich es konnte. Aber die Fernmeldeverbindung im Urwald ist nicht die aller…“

„Vergessen Sie’s. Sorgen Sie nur dafür, dass Ihre Sekretärin mir den letzten Lohnscheck zuschickt. Die Bezahlung ist okay, aber ich habe seit ich-weiß-nicht-wie-lange keinen einzigen freien Tag gehabt.“

Ich auch nicht, dachte Adam. Aber ihm war klar, dass er sich mit Affie nicht vergleichen konnte. Für ihn bedeutete die Arbeit alles.

Er starrte dem kleinen Zweisitzer hinterher, der abrupt am Ende des Häuserblocks anhielt und dann, so plötzlich, wie er davongebraust war, im Rückwärtsgang zurückschoss. Mit einem Ruck blieb er am Straßenrand direkt vor Adam stehen, und Affie kurbelte das Türfenster auf der Beifahrerseite herunter.

„Und noch eins“, sagte sie. „Ich habe Ihren verdammten Hund immer, immer gehasst. Er furzt, er sabbert, und er ist viel zu alt, um niedlich zu sein.“

Sie rammte den Fuß auf das Gaspedal. Der Zweisitzer raste zur nächsten Ecke, wendete und verschwand.

Keine gute Heimkehr. Adam fragte sich, ob ihm genug Zeit verbliebe, bei der Reinigung vorbeizufahren, um seine Hemden noch gewaschen zu bekommen, ehe er sich auf den Weg nach Vegas machte.

Er betrat das Haus und war überrascht, wenn auch nicht geschockt über die Unordnung, die ihn empfing … Spielzeug, Stapel von Tageszeitungen und Illustrierten, leere weiße Pizzalieferkartons und der unmissverständliche Geruch von Zigaretten und Nagellackentferner.

„Hey, Mugs“, sagte er zu dem braunäugigen Köter, der in der Eingangshalle lag. Mugs zog seinen alten Körper hoch und schnüffelte an Adams Hand. Er wedelte dankbar mit dem Schwanz, als sein Herrchen ihn hinter dem Ohr kraulte. „Sie hat es nicht so gemeint. Da bin ich mir sicher.“

Gähnend tapste Mugs hinter ihm her zum Schlafzimmer.

Karen lag auf ihrem Bett. Sie hob den Kopf vom Kissen, als Adam eintrat. Ihr schokoladenbraunes gekräuseltes Haar war in zwei schiefe Zöpfe geflochten.

„Es tut mir leid, Daddy“, schniefte sie und wischte sich die schmutzigen Tränen von den Wangen. „Nun ist auch Affie weg, wie all die anderen.“

„Das hat nichts mit dir zu tun“, erwiderte Adam. Er setzte sich auf den Bettrand.

„Wenn ich brav gewesen wäre, wären sie nicht alle gegangen“, schluchzte Karen und barg das Gesicht an seiner Brust, als Adam sie zu einer Umarmung an sich zog. „Mir tut es leid, dass ich böse bin.“

„Du bist brav. Ich bin der Böse.“

Sie saßen schweigend da und dachten über ihre Fehler nach.

„Wie kommt das, dass du mich niemals mitnimmst?“, fragte Karen. „Ich bin alt genug. Ich kann auf mich aufpassen.“

„Du bist fünf Jahre alt.“

„Aber wo willst du eine andere Haushälterin finden? Wir haben sie alle aufgebraucht.“

„Chicago hat noch eine Reihe mehr.“

Seit fünf Jahren erstaunte es ihn immer noch aufs Neue, dass die Nachtklubbesitzerin in Miami Beach ihm ein Baby übergab mit den Worten, er sei erstens der Vater, und zweitens wirke sich Mutterschaft störend aus auf ihre persönliche Entwicklung. Er hatte Karens Mutter nie wiedergesehen, verschwendete kaum einen Gedanken an sie, nur blieb ihm kaum die Gelegenheit, sich zwischen seinen Jobs um Karen selbst zu kümmern. Es machte ihm Spaß, mit Karen durch den Zoo zu bummeln, mit ihr einen Tag am Michigansee zu verbringen, Hand in Hand mit ihr durch die Arena Schlittschuh zu laufen. Ganz sicher hätte er sie morgen auch mit in sein Büro genommen, wo sie am Computer spielen, aus Büroklammern ein Halsband knüpfen, seiner Sekretärin auf ihren Gängen überallhin folgen und eine Menge Druckerpapier verbrauchen würde. Und dann hätte er sich wieder auf den Weg zu einer neuen Aufgabe gemacht.

Eine endlose Reihe von Haushälterinnen war eingestellt und gefeuert worden … wenn sie nicht selbst gekündigt hatten. Affie war ihm nicht gerade als außergewöhnlich gut oder schlecht vorgekommen mit dem, was sie getan hatte. Ihr zorniges Gehabe hatte ihn auch nicht gerade geschockt, eher zermürbt.

Karen rieb sich die Augen, ihre Unterlippe zitterte vor unterdrücktem Weinen.

Er war kein guter Dad. Adam stritt es auch gar nicht ab. Er bezahlte die Rechnungen, verwöhnte sein einziges Kind, wenn er mit ihm zusammen war, und tat sein Bestes, um von sich hören zu lassen, wenn er weg war. Aber er war kein Dad, kein richtiger Dad. Und da Karen keine Mutter hatte, die sich um sie kümmerte …

„Vielleicht sollte ich dich mitnehmen.“

Karen blickte mit großen Augen zu ihm auf. „Wohin?“

„Las Vegas. Du wirst es mögen. Und auch du, Mugs.“

Mugs klopfte mit dem Schwanz lahm auf den Teppich.

Adam legte sich zurück in Karens Kissen mit den kleinen Ponys auf dem Überzug, und sie schmiegte sich an seine Seite, während er ihr über die Wunderwelt von Las Vegas erzählte … die Wüste, die Swimmingpools, die Restaurants, die Neonlichter, das Pferdereiten – besonders das Pferdereiten. Kein Wort von den Showgirls, dem Glücksspiel, den Elvis-Nachahmern oder den rund um die Uhr bereitstehenden Hochzeitskapellen.

Auch kein Wort über Blondinen.

Adam verdrängte all die beunruhigenden Gedanken, dass er sich um ein fünfjähriges Mädchen kümmern müsse … eine Aussicht, die ihm entmutigender erschien als die Durchführung eines gigantischen Baus auf einem Haufen Wüstensand in Las Vegas.

„Werde ich wirklich auf einem Pferd reiten können?“, fragte Karen.

„Ja, Baby. Gleich als Erstes lassen wir dich in einer Reitschule eintragen.“

Sein Handy meldete sich in seiner Tasche. Er hielt mahnend den Finger hoch, damit Karen ihn jetzt nicht unterbrach. Sie legte gehorsam die Hand auf den Mund.

„Tyler hier.“

„Willkommen in Chicago, Kumpel!“ Die autoritäre Stimme seines Arbeitgebers, J.P. Lasser, dröhnte durch den Hörer. „Wie mir die brasilianische Regierung mitteilte, sieht das Krankenhaus fantastisch aus. Die haben sogar die Zahlungsüberweisung früher freigegeben als erwartet.“

„Danke, Lasser.“

„Es gibt nur ein kleines Problem.“

„Und das wäre?“

„Miss Venezuela. Ihr Vater ist verärgert. Ihr Exverlobter, der zufällig in der technischen Abteilung der brasilianischen Verwaltung für Ingenieurwesen arbeitet, ist wütend.“

„Wie geht es ihr?“

„Hat Ihren Vorschlag befolgt, den Collegeabschluss zu machen.“

„Darüber bin ich froh. Sie ist mehr als nur ein hübsches Gesicht.“

„Nun ja, Sie hätten nicht so charmant sein dürfen, Adam. Wie ich aus inoffiziellen Quellen erfahren habe, bekommt Lasser & Thomas Ihretwegen nicht den Kontrakt für den Bürokomplex in der Nähe des Krankenhauses.“

„Das tut mir leid“, erwiderte Adam. „Wie steht es aber mit der nächsten Aufgabe?“

„Sie werden sie mögen.“

„Gut“, sagte Adam und zwinkerte seiner Tochter zu.

Karen strahlte, und er nahm sich vor, sie in der Reitschule anzumelden, noch bevor er die örtlichen Bauleute und Vertragslieferanten einstellte oder mit den Stadtfunktionären von Vegas verhandelte.

„Ich zähle auf Sie, zähle wirklich auf Sie, weil dieser Job mir sehr viel bedeutet …“, fuhr J.P fort und fügte hinzu: „Mir ganz persönlich viel bedeutet. Ich verschaffe Ihnen damit eine ruhigere Zeit … die Sie ja auch nötig haben.“

„Nein, nein. Ich brauche keine Ruhe …“

„Wenn Sie hier im Büro sind, dann unterhalten wir uns darüber. Nur um eins möchte ich Sie schon jetzt bitten. Halten Sie Ihren Charme unter Kontrolle. Es ist eine Kleinstadt mit dem Gehabe von Kleinstädtern. Sie werden die Leute für schrecklich altmodisch halten, vielleicht sogar für rückständig.“

„Mr Lasser, das soll doch wohl ein Scherz sein. Ich habe noch nie gehört, dass man Las Vegas als altmodisch bezeichnet“, entgegnete Adam. „Oder rückständig.“

Es folgte eine lange Pause.

„Oh, nun ja, Adam, darüber wollte ich mich mit Ihnen unterhalten …“

2. KAPITEL

Drei Wochen später in Deerhorn, Wisconsin … Adam war gerade dabei, die Frühstückspfannkuchen zu wenden, als das Telefon klingelte. Das darauffolgende Gespräch war die reinste Zumutung für ihn. Und er konnte sich nur mit Mühe zurückhalten, um nicht aufzubrausen.

„Lehrerkonferenz! Was meinen Sie mit Lehrerkonferenz?“

„Es ist ein Tag für Lehrersitzungen und Schreibarbeiten“, erklärte die freundliche Stimme am anderen Ende der Leitung.

„Aber Sie sind nur ein Einraumschulhaus! Wie können Sie da Sitzungen haben?“

„Vorschrift des Staates Wisconsin. Ich bin verpflichtet, die Sitzung mit mir selbst abzuhalten und meine Überlegungen über den Fortschritt eines jeden Kindes mit mir selbst abzusprechen. Und Ziele und Pläne für das nächste Schuljahr selbst festzusetzen.“

Adam blickte wie Hilfe suchend zur Decke hoch. „Tut mir leid“, sagte er.

„Mir auch. Ich halte es einfach für albern. Aber ich muss der Anweisung der Landesregierung nachkommen. Es steht auf Ihrem Schulkalender, aber da Sie Karen erst vor anderthalb Wochen angemeldet haben, dachte ich, es sei besser, Sie daran zu erinnern.“

„Aber was soll ich jetzt mit ihr tun?“

„Das ist Ihre Sache. Die meisten Moms bleiben an dem Tag zu Hause.“

„Ich bin keine Mom.“

Eine peinliche Stille entstand.

„Ich habe eine Konferenz mit dem Bürgermeister und dem Gemeinderat, um ihnen meine Pläne für das neue Schulhaus vorzulegen“, erklärte Adam. „Ich kann mir den Tag nicht einfach so freinehmen.“

„Viele Mütter – und Väter – arbeiten in der Käsefabrik im nächsten Ort. Gewöhnlich treffen sie Vorkehrungen mit einer Mom, die nicht arbeitet und für sie einspringt“, sagte Mrs Smith zartfühlend.

„Ich kenne keine anderen Mütter. Und ich habe im Branchenverzeichnis nach einer Agentur für Kindermädchen nachgeschlagen, aber keine gefunden“, setzte er verzweifelt hinzu.

„Eine Agentur für Kindermädchen …“ Sie lachte. „Sie meinen das als Scherz, nicht wahr? Wir sind hier in Deerhorn. Wir haben keine Kindermädchen. Oder Erzieherinnen. Oder Butler. Oder Dienstmädchen.“

„Wie wär’s mit einer guten Haushälterin?“

„Ein jeder hier kümmert sich um seinen eigenen Haushalt. Oder man hat eine Verwandte, die einem aushilft.“

„Ich würde jede adoptieren, die auf eine Fünfjährige achtgibt, kocht, sauber macht und nichts gegen lange Arbeitsstunden einzuwenden hat.“

„Ich kenne niemanden, die das machen würde. Mein Vorschlag ist, nehmen Sie ein Malbuch zur Versammlung mit und sagen Sie Ihrer Tochter, dass sie sich selbst beschäftigen und ruhig bleiben soll. Karen ist ein braves Kind, sie wird Ihnen folgen. Wie auch immer, Mr Tyler, ich sehe Sie morgen früh zur gewöhnlichen Zeit.“

Adam murmelte ein „Auf Wiedersehen“ und legte auf. Mugs blickte von seinem Morgenschläfchen hoch.

Lehrerkonferenz.

Vor genau drei Wochen hatte er geglaubt, dass das Leben nicht schlimmer werden könnte, als sich mit Giftschlangen herumzuplagen, sich den Weg durch den Dschungel zu schlagen oder mit den örtlichen Stammesfürsten zu verhandeln. Oder dass es nicht schlimmer werden könnte, als von seinem Boss zu hören, er erwarte einen Gefallen …

Er nahm das dünne Deerhorn-Telefonbuch vom Küchentresen und das schnurlose Telefon vom Esstisch. Dann ging er hinauf in das geräumige zweite Schlafzimmer. Die Wände schienen einen grünen Anstrich zu haben … was eine reine Einbildung war und nur durch einen Baldachin von Bäumen ermöglicht wurde, der wie eine Himmelskuppel wirkte.

„Karen, wir müssen miteinander reden“, sagte er und lehnte sich gegen den Türrahmen.

„Nein, ich will heute hierbleiben“, kam eine Stimme von unter der Decke hervor. „Ich hab dich am Telefon gehört. Ich werde wieder stundenlang ruhig sein müssen.“

„Ich muss zu einer Konferenz.“

„Ich will nicht wieder zur Konferenz. Ich mag keine Bilder mehr bemalen.“

Adam konnte es ihr nicht verübeln. Seit J.P. Lasser ihm das Deerhorn-Projekt aufgehalst hatte, war Karen bei fünfzehn Vorstellungsgesprächen mit Haushälterinnen dabei gewesen … von denen eine jede katastrophal endete. Sie wurde zu sechs Geschäftsessen mitgenommen und zu drei Verabredungen mit Frauen, die Adam mittlerweile abgeschrieben hatte, weil er sicher war, dass keine von ihnen Wert darauf legte, ihn jemals wiederzusehen. Eine Fünfjährige mit einem Malbuch ließ nun einmal keine romantische Stimmung aufkommen. Und das war noch nicht alles gewesen. Karen hatte außerdem zwei Runden Golf mit achtzehn Löchern überstehen müssen, während er versucht hatte, J.P. Lasser davon abzubringen, ihn nach Wisconsin zu schicken, und vier Versammlungen der Lasser & Thomas-Mitarbeiter, die unter seiner Leitung das Deerhorn-Projekt durchführen sollten.

Er konnte die Malhefte und die ganzen Stapel von Kinderbüchern auch nicht mehr sehen.

„Wie wär’s mit deiner Sekretärin?“, fragte Karen. „Ich könnte bei ihr im Büro bleiben.“

„Sie ist in Chicago. Im Haupthaus. Wir sind in Wisconsin. Einhundert Meilen entfernt.“

„Ich dachte, wir fahren nach Vegas.“

„Das dachte ich auch.“

„Ich bleibe heute lieber im Bett. Ich werde brav sein.“

„Karen, hast du keine Freundin in der Schule, mit der du gern spielen möchtest?“

„Nein, die sind alle doof.“

„Nicht alle.“

Adam warf einen Blick auf seine Uhr. Viertel vor acht. Und er war mitten in einer Debatte, ob alle Vorschüler in Deerhorn, Wisconsin, doof waren oder nicht. Er hätte den Haushälterinnen eine Streitzulage zu ihrem Lohn zahlen sollen. Außerdem roch es auf einmal merkwürdig …

„Karen, Liebling, das ist wichtig. Hast du überhaupt keine Freundin?“, fragte Adam und schnupperte. Es roch wie damals, als Miss Venezuela im Zelt den Haartrockner zu lange gebraucht hatte. „Karen fällt dir jemand ein, mit dem du einige wenige Stunden zusammen sein möchtest?“

„Stacy!“

Adam ging vor ihrem Bett in die Hocke. „Wie heißt sie noch?“

„Baum.“

„Stacy Baum?“

Seine Tochter kam von unter der Decke hervor. „Nein, sei nicht albern, Daddy“, sagte sie mit einem Gesichtsausdruck, der ihm klarmachte, wie sehr sie ihn zum Verzweifeln fand. „Ihr Name ist ein Baum.“

Kirschbaum. Esche. Fichte. Kiefer. Ahorn. Eiche. Weide. Hagedorn.

Adam ging im Geiste alle Baumbezeichnungen durch, an die er sich erinnern konnte, während er seine Tochter die Treppe hinunterdrängelte. Er wusste, dass er nach Strohhalmen griff, als er in seinem Gedächtnis weiter nach Baumnamen kramte, aber er hatte nur noch zwanzig Minuten Zeit, bevor der Bürgermeister von Deerhorn ihn dem Gemeinderat vorstellte.

Er war noch nicht ganz die Treppe hinunter und hatte auch noch nicht aufgehört, sich den Kopf zu zerbrechen über all die Bäume und Büsche und Sträucher und Reben, als er aus der Küche Schwaden von Rauch ins gegenüberliegende Esszimmer quellen sah.

„Pfannkuchen!“, rief er und schlug sich an die Stirn.

Er stürmte in die Rauchwolke, ergriff den Krug mit dem Orangensaft und leerte den Inhalt über die Pfanne auf dem Gasherd. Ein Zischen, ein Prasseln, ein Ächzen … und der Gestank von verbrannter Butter und Zitrone hing in der Luft.

Die Pfannkuchen waren eine unappetitliche orangefarbene und schwarze Manscherei.

„P wie Pfannkuchen!“, rief Karen aufgeregt und klatschte in die Hände. „Jetzt erinnere ich mich an Stacys Namen. Poplar – wie Pappel.“

Na großartig! Aber das Haus wäre fast abgebrannt. Und es war gemietet. Und Lasser hätte ihn wahrscheinlich dazu gebracht, noch länger hierzubleiben, um es neu aufzubauen, wenn es in Flammen aufgegangen wäre.

Nun, es war nicht das erste Frühstück, das er in den vergangenen Wochen ruiniert hatte.

„Essen wir heute Morgen wieder Pop-Tarts, Daddy?“, fragte Karen und öffnete das Küchenfenster. „Oder haben wir noch von der Torte, die uns die Nachbarn gebracht haben?“

Adam lockerte die Krawatte und setzte sich an den Küchentisch. „Was meinst du, würde Stacys Mutter dich bis Mittag aufnehmen, wenn ich ihr dafür anbiete, dass Stacy hier mit dir den ganzen Nachmittag spielen darf?“

Karen überlegte kurz. „Ich glaube schon.“

Hörte sich nicht schlecht an.

Adam öffnete das Telefonbuch und schickte ein Dankgebet zum Himmel hinauf, als er unter P mühelos den Namen S. Poplar fand. Er vergaß vor Aufregung sogar einen Blick auf die Adresse zu werfen. Das Glück war ihm weiter hold, als er in Sekundenschnelle eine weibliche Stimme am Telefon hatte.

Autor

Vivian Leiber
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