Sag doch ja, John!

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Courtneys 30. Geburtstag rückt immer näher! Bis dahin muss sie verheiratet sein - sonst verliert sie den Anspruch auf ihr riesiges Erbe. Der blonde Zimmermann John scheint genau der Richtige für eine Vernunftehe zu sein. Doch so vernünftig, wie gedacht, wird diese Ehe gar nicht…


  • Erscheinungstag 16.08.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733779474
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Willst du meine Mommy werden?“ Courtney Tamberlaine erschrak, als sie die leise, melodische Stimme hörte. Eigentlich hatte Courtney angenommen, sie wäre ganz allein. Schließlich saß sie gerade in ihrem eigenen Garten. Sie löste den Blick von dem Krimi, der sie bisher nur mäßig interessiert hatte, um herauszufinden, wer ihr die Frage gestellt hatte.

Vor ihr stand ein kleines Mädchen mit weizenblondem Haar und himmelblauen Augen. Etwa vier oder fünf Jahre war die Kleine wohl alt, und Courtney hatte sie noch nie zuvor gesehen.

Sie schloss das Buch und schwang die Beine vom Liegestuhl. Dann schirmte sie ihre Augen gegen die Sonnenstrahlen ab, die sich im Swimmingpool spiegelten und sie blendeten, und betrachtete das Kind wortlos. Wer ist das, und wie ist sie hier in den Garten gekommen? fragte sie sich. „Wie bitte?“, sagte sie schließlich zu dem Mädchen.

Auf einmal wirkte die Kleine ganz schüchtern und vergrub die Hände in den Taschen ihrer rosafarbenen mit Blumen bedruckten Latzhose. Jetzt erst bemerkte Courtney, wie blass das Mädchen war. Mit ihrer hellen Haut erinnerte die Kleine sie an die Porzellanpuppen, die sie früher einmal gesammelt hatte.

„Willst du meine Mommy werden?“, wiederholte das Kind schließlich. Nun wich ihre Schüchternheit einem Lächeln, das alles um sie herum zu erhellen schien. „Du siehst nämlich genauso aus wie sie.“

Das kleine Mädchen jedoch sah überhaupt niemandem aus Courtneys Bekanntenkreis ähnlich. „Wer bist du denn?“

Soweit Courtney wusste, hatte keiner von ihren Angestellten eine Tochter, Nichte oder Enkelin in diesem Alter, und das Mädchen hätte unmöglich von der Straße aus hier hereingelangen können. Dann hätten nämlich die Sensoren, die am schwarzen schmiedeeisernen Zaun angebracht waren, etwas registriert, und die Alarmanlage hätte sich gemeldet, noch bevor das Mädchen beim Swimmingpool angekommen wäre.

„Katie!“ Direkt hinter Courtney ertönte eine tiefe männliche Stimme. Die Stimme klang streng, aber gleichzeitig sehr liebevoll. Und anstatt verlegen oder ängstlich zu reagieren, lächelte die Kleine über das ganze Gesicht, als ihr Blick den Mann fand, der da nach ihr gerufen hatte.

Wie viele unbekannte Leute laufen hier eigentlich noch herum? dachte Courtney. Ärgerlich wandte sie sich um und erblickte dabei den Fremden, der auf sie und das Kind zukam: ein blonder, sonnengebräunter Mann mit nacktem, verschwitztem Oberkörper und der Statur eines griechischen Gottes. Die Jeans, die er trug, saßen nur knapp über den Hüften, das Gewicht eines schweren Werkzeuggürtels zog sie nach unten. Eine ganze Weile lang konnte Courtney den Blick nicht von ihm lösen.

Wer war das bloß?

Ihn wiederum schien es gar nicht zu interessieren, wer sie war, denn er nickte ihr nur kurz höflich zu und ergriff dann die Hand des Mädchens. Courtney war es nicht gewohnt, so schnell und leichthin abgefertigt zu werden. Sie richtete sich auf.

„Es tut mir leid, sie hat hier eigentlich gar nichts zu suchen“, sagte der Mann und schaute liebevoll in das Gesicht des Mädchens, das zu ihm hochblickte. „Katie, habe ich dir nicht gesagt, dass du nicht die Leute belästigen sollst, während ich arbeite?“

„Doch, hast du.“ Das Kind schien unbeeindruckt von der sanften Zurechtweisung. „Aber schau doch mal, Daddy, sie sieht genauso aus wie Mommy.“

Courtney ließ den Blick über seinen schlanken muskulösen Oberkörper gleiten. Seine Haut glänzte noch von der anstrengenden körperlichen Arbeit, der er bis eben nachgegangen sein musste. Als Courtney sich darüber klar wurde, dass sie schon die ganze Zeit die Luft anhielt, atmete sie ganz langsam aus. Wer auch immer „Mommy“ war, sie konnte sich wirklich glücklich schätzen.

Auf das Geheiß des Mädchens hin betrachtete der Mann Courtney nun flüchtig. Sein Blick bewirkte, dass ihr ausgerechnet jetzt, mitten am wärmsten Julitag, den es seit langem in Kalifornien gegeben hatte, ein eisiger Schauer über den Rücken lief.

„Nein, sie sieht nicht so aus wie Mommy“, erwiderte der Mann schließlich geduldig. Allerdings kostete es ihn offenbar große Mühe, die Worte auszusprechen.

„Aber sie sieht aus wie auf dem Bild“, beharrte Katie und sah verwirrt zu ihrem Vater hoch. „Das Bild in deinem großen weißen Buch.“

So unterhaltsam das kleine Zwischenspiel auch war, Courtneys Frage war noch immer unbeantwortet: Wer waren diese Leute, und was machten sie auf ihrem Grundstück?

Courtney erhob sich vom Liegestuhl, zupfte sich den knapp geschnittenen Bikini zurecht und klemmte das Buch unter den Arm. Dabei betrachtete sie das Gesicht des Mannes und bemerkte zufrieden den anerkennenden Ausdruck in seinen Augen.

Als sich ihre Blicke begegneten, wandte er sich abrupt ab und entfernte sich langsam. Dabei hielt er die Hand seiner Tochter fest umschlossen. Courtney sah dabei zu, wie der Griff des Hammers, den er im Werkzeuggürtel trug, ihm beim Gehen rhythmisch gegen die Hüfte schlug.

Courtney blinzelte. Die beiden schienen sich hier auf ihrem Grundstück wie zu Hause zu fühlen. „Hey, Moment mal!“, rief sie ihnen hinterher. „Wer sind Sie überhaupt?“

Der Mann hielt inne und drehte sich wieder zu ihr um. „Ich heiße John Gabriel, und ich wurde von einem Mann namens Sloan angeheuert, um das Gästehaus zu renovieren. Und das hier ist meine Tochter Katie.“

„Ach so.“ Langsam und bedächtig ging Courtney zu den beiden hin. Es verwirrte sie, dass John Gabriel ihr dabei die ganze Zeit ins Gesicht sah.

Jetzt erinnerte sie sich auch wieder verschwommen daran, dass sie Sloan darum gebeten hatte, irgendwann mal jemanden damit zu beauftragen, das Gästehaus einer Generalüberholung zu unterziehen. Und weil sie ihrem alten Butler blind vertraute, hatte sie die Angelegenheit ganz ihm überlassen und sich nicht weiter darum gekümmert. Wenn jedenfalls der Mann, den Sloan da eingestellt hatte, nur halb so gut arbeitete, wie er aussah …

„Dann arbeiten Sie also für mich“, bemerkte sie und streckte die Hand aus. „Ich heiße Courtney Tamberlaine. Das hier ist mein Haus.“

John ergriff ihre Hand und schüttelte sie. „Haus“ schien ihm kaum eine angemessene Bezeichnung für das mächtige Gebäude zu sein, das auf dem weitläufigen Grundstück stand.

„Nett hier“, sagte er schließlich. Die Frau hielt immer noch seine Hand umschlossen, und ihm fiel auf, wie fröhlich Katie aussah. Obwohl er sich darüber freute, seine Tochter so glücklich zu sehen, wollte er auf keinen Fall, dass sie sich mit ihrer blühenden Mädchenfantasie noch falsche Vorstellungen machte. „Na ja, ich werde hier pro Stunde bezahlt“, erklärte er, um damit anzudeuten, dass er sich wieder an die Arbeit machen müsste.

Courtney nickte und entzog ihm die Hand. „Dann will ich Sie nicht länger aufhalten.“ Sie wandte sich ab und entfernte sich. Dabei war sie sich sicher, dass er sie aufmerksam beobachtete.

Als sie jedoch einen Blick über die Schulter warf, bemerkte sie, dass er sich gerade ausschließlich darauf konzentrierte, seine Tochter zum Gästehaus zurückzubringen und dabei noch nicht einmal in ihre Richtung sah. Ein wenig beleidigt zuckte Courtney mit den Schultern, dann öffnete sie die gläserne Verandatür. Für heute hatte sie genug Sonne abbekommen.

Gerade hatte sie das Wohnzimmer zur Hälfte durchschritten, als sie bemerkte, dass sie nicht allein im Raum war.

„Aha, so kleidet man sich also heutzutage an der Riviera – oder sollte ich besser sagen: So entkleidet man sich?“

Courtney brauchte gar nicht erst hinzuschauen, die Stimme war ihr seit frühester Kindheit vertraut. Sofort breitete Courtney die Arme aus und eilte ihrer ältesten Freundin entgegen. „Mandy! Wann bist du denn hier angekommen?“ Courtney hatte eigentlich damit gerechnet, sie frühestens in einer Woche wieder zu sehen.

Miranda Calhoun erwiderte Courtneys stürmische Umarmung ebenso herzlich. „Heute Morgen.“ Dann seufzte sie betont dramatisch. „Der Flug von Athen hierher war eine einzige Belastungsprobe.“

Courtney griff nach dem kurzen grünen Bademantel, den sie auf dem Sofa hatte liegen lassen. „In der ersten Klasse?“ Lachend schlüpfte sie in das Kleidungsstück. „Das glaube ich dir sofort.“

Mandy nahm auf dem Sofa Platz und setzte sich in Pose. Dabei strich sie sich den weiten eisblauen Rock glatt, der ihre Urlaubsbräune perfekt unterstrich. „Wie meinst du das, erste Klasse? Ich bin doch in Louis’ Privatjet mitgeflogen. Louis war die Belastungsprobe.“ Ihre braunen Augen, die nur ein kleines bisschen dunkler waren als ihr Haar, blitzten schelmisch auf. „Er will mich heiraten.“

Nun ja, das wollten alle Männer: Mandy heiraten. Im Gegensatz zu Courtney war sie klein und zierlich, damit weckte sie in vielen den Beschützerinstinkt. Der äußere Eindruck täuschte allerdings, denn Mandy besaß einen eisernen Willen und einen großen Freiheitsdrang.

Courtney lehnte sich seitlich gegen das Sofa. Sie kannte die Antwort schon, bevor sie die Frage ausgesprochen hatte, gönnte Mandy jedoch ihren kleinen Auftritt. „Und?“

„Was, und?“ Mandy zog die exakt gezupften Brauen zusammen. „Bin ich etwa verrückt? Wenn ich irgendwann mal heirate, dann bestimmt nicht, um die dritte Mrs. Norville zu werden. Ich will nicht die Dritte sein, für niemanden.“ Sie strich sich eine Falte im Rock glatt. „Wenn ich einmal heirate, dann will ich die erste Mrs. Wie-auch-immer sein.“ Nun legte sie den Kopf schief und betrachtete ihre beste Freundin aufmerksam. „Apropos heiraten …“

Abrupt stieß Courtney sich vom Sofa ab und warf Mandy einen warnenden Blick zu. „Jetzt fang bitte nicht damit an.“

Allein der Tonfall war Antwort genug. Mandy konnte es kaum glauben. „Soll das etwa heißen, dass du noch nicht mal angefangen hast?“

„Angefangen womit?“

„Na, mit den … Maßnahmen.“

„Den Maßnahmen also“, wiederholte Courtney, und ein leises Lächeln umspielte ihren Mund. Maßnahmen. Eine hübsche Umschreibung für Hochzeitsvorbereitungen. „Das dürfte ein bisschen schwierig sein, so ganz ohne Bräutigam.“

„Na, dann beeil dich lieber, sonst stehst du bald als Blumenverkäuferin auf der Straße. Und zwar genau in … dreißig Tagen, kommt das hin?“

Courtney rechnete nach. „Nein, achtundzwanzig, aber wen interessiert das schon so genau?“

„Dich sollte das eigentlich interessieren. Du liebe Güte, Court, du bist ja wohl Weltmeisterin im Verdrängen!“ Mandy runzelte die Stirn. „Sag mal, was glaubst du eigentlich, warum dein Vater das überhaupt gemacht hat?“

Courtneys Vater hatte ihr immer wieder angedroht, eine gewisse Klausel in sein Testament zu setzen, aber sie hatte einfach nicht daran geglaubt … bis er vor elf Jahren gestorben war und das Testament verlesen wurde.

„Ich glaube, Dad wollte mir damit irgendeine Lektion über moralische Werte erteilen“, sagte Courtney gleichgültig. Sie hatte nicht vor, die Angelegenheit weiter zu diskutieren. „Ach, ich weiß auch nicht. Ich weiß bloß, dass diese Klausel einfach lächerlich ist und dass unser Familienanwalt mich unmöglich darauf festnageln wird.“ Ihr Blick begegnete Mandys, und die Freundin sah sehr skeptisch aus. „Das kann Edwin Parsons einfach nicht tun.“

Da die Tamberlaines und die Calhouns beide von derselben Kanzlei vertreten wurden, kannte auch Mandy Calhoun den dünnen humorlosen Juristen sehr gut. „Ich weiß nicht, Daddy meint, er ist immer sehr korrekt“, erinnerte sie die Freundin.

Courtney hatte lange dafür gebraucht, sich mit dem Gedanken auszusöhnen, dass ihr Vater es nur gut gemeint hatte. Aber sie konnte immer noch nicht akzeptieren, dass sie – abgesehen von einer geringfügigen jährlichen Unterhaltszahlung – tatsächlich weitestgehend enterbt würde, wenn sie sich nicht an die Klausel im Testament hielt. Wenn sie sich eben nicht bis zu ihrem dreißigsten Geburtstag in vier Wochen mit jemandem vor den Altar stellte und Worte dahersagte, die heutzutage sowieso niemand mehr ernst meinte.

Mandy hingegen war vollends überzeugt, dass ihre Freundin sich der Klausel würde fügen müssen. „Courtney, wenn du nicht willst, dass dein Erbe in alle Winde verstreut wird und an fünfhundert verschiedene Wohltätigkeitseinrichtungen geht, dann suchst du dir besser einen Mann. Und zwar schnell.“

Courtney seufzte. Da war sie nun fast dreißig und immer noch nicht berechtigt, über ihr gesamtes Vermögen zu verfügen, und das hatte sie ihrem Vater und seinen aus seiner Sicht so weisen Entscheidungen zu verdanken. „Einen Mann zu finden dürfte nicht das Problem sein“, sagte sie. Schließlich kannte sie eine ganze Reihe von Männern, die alle nur zu gern mit dem Tamberlaine-Vermögen in Berührung gekommen wären. Andererseits erfüllte keiner von diesen Männern die Bedingungen, die ihr Vater an den Wunschkandidaten gestellt hatte: Ein richtiger Arbeiter sollte es sein, der sein Geld im Schweiße seines Angesichts verdiente. „Ich sehe einfach nicht ein, warum ich von heute auf morgen jemanden heiraten soll“, sagte Courtney. „Das kann mir niemand vorschreiben.“

Mandy grinste. „Na ja, dein Vater kann dir offenbar doch etwas vorschreiben, selbst noch aus dem Jenseits“, sagte sie schließlich.

Das stimmte allerdings, obwohl es Courtney ganz und gar nicht gefiel. „Wahrscheinlich hat er das alles nur gut gemeint. Aber bloß weil Mum früher als Kellnerin gearbeitet hat, heißt das doch noch lange nicht, dass ich mir jetzt meinen Ehemann von der Baustelle holen muss, oder?“

„Warum gibst du nicht einfach eine Anzeige auf?“ Um Mandys Mundwinkel zuckte es verdächtig. „Suche Ehemann, biete Benimmschulung.“ Sie zwinkerte ihrer Freundin zu. „Nur für den Fall, dass seine derbe Herkunft doch zu derb für deinen Geschmack sein sollte.“

Courtney konnte nicht erkennen, was an dieser Angelegenheit auch noch witzig sein sollte. „Mir gefällt es grundsätzlich nicht, wenn ich zu etwas gezwungen werde.“

In diesem Augenblick entdeckte Mandy den Mann, der draußen im Garten neben Courtneys Gästehaus stand. Einen umwerfenden, halb nackten Mann, von dem sich Mandy wünschte, dass er mehr als bloß sein Hemd ausgezogen hätte.

Mandy kniete sich auf das Sofa, um den Mann dort draußen besser dabei beobachten zu können, wie er gerade etwas abmaß. Sie schluckte. Mit glänzenden Augen sah sie schließlich zu ihrer Freundin hinüber. „Hey, wer ist eigentlich dieser Traummann da drüben?“

„Wie bitte?“ Geistesabwesend gesellte Courtney sich zu ihr, um herauszufinden, wovon Mandy da gerade so fasziniert war. Eigentlich hätte sie es sich ja denken können. „Ach, der.“ Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Sloan hat ihn angeheuert, damit er das Gästehaus in Ordnung bringt.“

„Wow. Kann Sloan ihn wohl auch mal bei mir vorbeischicken?“

Courtney hatte im Moment ganz andere Sorgen. Je länger sie über alles nachdachte, was Mandy zu der Klausel im Testament gesagt hatte, desto stärker wurde ihr Gefühl, dass die Freundin diesmal ausnahmsweise recht haben könnte. Vielleicht würde sich Parsons, der Anwalt, tatsächlich unnachgiebig zeigen.

„Du hast doch gar kein Gästehaus“, murmelte Courtney zerstreut. Dann ging sie zum Schreibtisch und zog dort das Telefon zu sich hin.

„Wieso Gästehaus?“ Mandy warf Courtney einen flüchtigen Blick zu, bevor sie sich wieder ganz auf den Mann konzentrierte, der hinter dem Swimmingpool stand. „Ich will ihn doch für mich haben. Er ist einfach umwerfend.“

Das letzte Wort klang beinahe wie ein Seufzen. Nun hob auch Courtney den Blick und sah sich John Gabriel noch einmal an. Sie zuckte mit den Schultern. „Ja, auf seine etwas derbe Art ist er das vielleicht.“ Dann nahm sie den Hörer auf und tippte die Nummer von Edwin Parsons’ Kanzlei in den Apparat. „Ich hätte gern Mr. Parsons gesprochen“, bat Courtney die Frau am anderen Ende der Leitung und stöhnte, als diese sie vertrösten wollte. „Nein, ich möchte keine Nachricht hinterlassen. Hier spricht Courtney Tamberlaine, und ich muss Mr. Parsons unbedingt persönlich erreichen. Sofort. Vielen Dank.“

Es dauerte ein wenig, bis Parsons das Gespräch entgegennahm. In der Zwischenzeit wickelte sich Courtney das Telefonkabel um den Finger und beobachtete gleichzeitig Mandy. Die Freundin sah aus, als wäre sie in Trance. Neugierig folgte Courtney ihrem entrückten Blick. Gerade war John Gabriel wieder auf der Bildfläche erschienen. Sein verschwitzter Oberkörper glänzte im Sonnenlicht.

Mandy seufzte und sah dann zu Courtney. „Sein Körper schimmert richtig, nicht?“

Sie wandte sich ab. „Das ist Schweiß.“

„Ja …“ Mandy schmiegte sich in die Sofakissen, als würde sie sich bereits ihren Fantasien hingeben. „Ich weiß.“

Als die leise klassische Musik am anderen Ende der Leitung plötzlich unterbrochen wurde, war Courtney sofort wieder bei ihrem Anruf. „Mr. Parsons? Ja, hier spricht Courtney Tamberlaine. Es geht um das Testament meines Vaters …“

Der Mann am anderen Ende der Leitung ließ sie den Satz gar nicht erst zu Ende bringen: „Ja, Miss Tamberlaine?“

Parsons’ Tonfall nach zu urteilen, würde Courtney es nicht leicht mit ihm haben. Aber was machte das schon, sie war der Herausforderung gewachsen. Schließlich stand auch einiges auf dem Spiel. Jedenfalls hatte sie jetzt keine Zeit, am Telefon Belanglosigkeiten auszutauschen. Sie atmete einmal tief durch und kam sofort zur Sache: „Mr. Parsons, Sie wollen meine Erbschaft doch wohl nicht ernsthaft an diese lächerliche Klausel binden, oder?“

Courtney hätte schwören können, dass sie die leichte Belustigung des Anwalts am anderen Ende der Leitung spürte. Womöglich hatte Parsons sogar gerade gelächelt! Ein äußerst seltener Anblick, dachte sie gereizt.

„Reden Sie gerade davon, dass Ihre gesamte Erbschaft verschiedenen Wohltätigkeitseinrichtungen gespendet wird, wenn Sie bis zu Ihrem dreißigsten Geburtstag noch nicht mit einem hart arbeitenden Mann verheiratet sind? Und Sie dann sozusagen nur einen recht großzügig bemessenen Unterhalt ausgezahlt bekommen?“

Im Geiste knirschte Courtney mit den Zähnen. „Ja, genau das meinte ich.“

„Dann kann ich Ihnen versichern, dass ich mich fest an diese Klausel halten werde.“

Nun war Courtney sich ganz sicher, dass der Anwalt über sie lächelte. Wahrscheinlich grinste er sogar! Sie bemühte sich darum, so Ehrfurcht gebietend wie möglich zu klingen, als sie ihn erneut ansprach: „Mr. Parsons …“

Leider hatte es nicht den Anschein, dass er sich von ihrem Tonfall einschüchtern ließ, so wie ihr das bei anderen Leuten meist gelang. „Es geht hier nicht um mein Testament, Miss Tamberlaine, sondern um das Testament Ihres Vaters, und als sein Anwalt ist es meine Pflicht, mich um die Vollstreckung zu kümmern.“

Aber es muss doch eine Möglichkeit geben, diese eine Klausel zu umgehen, dachte Courtney. „Wenn ich nur noch etwas mehr Zeit bekommen könnte …“

Einige Sekunden lang hörte sie nur das Rascheln von Papier. Es klang ganz so, als würde Mr. Parsons das Testament durchgehen, um noch einmal ganz genau alles nachzulesen. Als ob er es nicht ohnehin schon in- und auswendig kannte, genau wie jedes andere Dokument, an dessen Niederschrift er mitgewirkt hatte.

Schließlich meldete sich der Anwalt wieder zu Wort: „Hier steht nichts von einer möglichen Verlängerung.“

Eigentlich hatte Courtney gehofft, er würde ihr ein bisschen entgegenkommen, statt sie zu bevormunden. Sie wagte noch einen weiteren Versuch und appellierte dabei an seinen Gerechtigkeitssinn: „Nun kommen Sie schon, Sie werden doch wohl nicht von mir erwarten, dass ich losgehe und einfach den ersten Arbeiter heirate, der mir über den Weg läuft!“

Als sie zu Mandy hinübersah, grinste die sie an und deutete auf die gläserne Terrassentür. Schnell wandte Courtney der Freundin den Rücken zu.

„Ich habe gar nicht das Recht, irgendetwas von Ihnen zu erwarten, Miss Tamberlaine“, erwiderte Parsons vorsichtig. „Aber Ihr Vater, der Sie vor seinem Tod mit den Bedingungen in seinem Testament vertraut gemacht hat, hatte sehr wohl das Recht, von Ihnen zu erwarten, dass Sie mittlerweile jemanden gefunden haben. Schließlich kommt das für Sie ja nicht ganz aus heiterem Himmel.“

Dieser aufgeblasene Schnösel! Courtney musste sich Mühe geben, um ihre Empörung für sich zu behalten. „Nein, aber ich hatte eigentlich angenommen, dass ich mit Ihnen vernünftig reden könnte.“

„Miss Tamberlaine, ich bin sozusagen die Vernunft selbst. Und trotzdem steht hier immer noch schwarz auf weiß …“

Courtney wusste nur zu gut, was in dem Testament stand, sie musste es sich nicht noch ein weiteres Mal vorlesen lassen. „Also gut, ich habe verstanden.“ Ungewohnt temperamentvoll schmetterte sie den Hörer auf die Gabel.

Und jetzt?

„Na, kein Glück gehabt?“, amüsierte sich Mandy. Nur widerwillig löste sie sich von dem Anblick, der sich ihr im Garten bot.

„Ach, das ist ein knallhartes altes Miststück“, klagte Courtney. Was hätte es dem alten Erbsenzähler schon geschadet, wenn er ihr noch eine Gnadenfrist gegönnt hätte?

Mandy lehnte sich in die Sofakissen zurück. „Er befolgt doch bloß die Wünsche deines Vaters.“

„Du bist mir auch keine große Hilfe“, murrte Courtney. „Wie soll ich denn bitte in achtundzwanzig Tagen die Liebe meines Lebens finden? Wo soll ich mit dem Suchen anfangen? In den Gelben Seiten unter dem Buchstaben L etwa?“

Mandy lächelte plötzlich. „Warum nicht vor der eigenen Tür? Um genauer zu sein: im Garten.“

Na wunderbar. Da steckte Courtney in einer Krise, und Mandy schmachtete immer noch ihrem Hilfsarbeiter hinterher! Courtney seufzte. „Er heißt übrigens John Gage oder John Gabriel oder so. Möchtest du dich mit ihm verabreden?“

Mandy wollte noch einen letzten Blick auf den Mann werfen, doch der war schon wieder außer Sichtweite. „Schön wär’s. Aber ich hatte da eher an dich gedacht.“

Courtney war die ganze Zeit nervös auf und ab gegangen. Nun blieb sie abrupt stehen und sah ihre Freundin an. „Wie meinst du das, an mich?“, fragte sie langsam.

Aufgeregt erhob Mandy sich vom Sofa. „Da hast du doch deinen Arbeiter.“ Sie umfasste Courtneys Arme und schob die Freundin zur Verandatür. „Das ist genau der Typ Mann, den dein Vater in seinem Testament beschrieben hat.“

Courtney befreite sich und rollte mit den Augen. „Also, ich bitte dich … außerdem ist er verheiratet.“

„Oh. Ach so.“ Mandys Enttäuschung hätte deutlicher nicht sein können. „Weißt du das genau?“

„Der Mann hat eine Tochter“, klärte Courtney sie auf. „Die mich übrigens eben gefragt hat, ob ich nicht ihre Mommy werden möchte.“ Courtney ging den Zwischenfall am Swimmingpool im Geiste noch einmal durch. „Wie kommt sie wohl darauf, mich so etwas zu fragen?“

Mandy zuckte mit den Schultern. „Vielleicht mag sie ihre richtige Mutter ja nicht?“

Nein, das ist nicht der Grund, dachte Courtney und biss sich gedankenverloren auf die Unterlippe. „Hm, sie hat etwas davon erzählt, dass ich aussehe wie sie … auf einem Foto.“

Nun brauchte Mandy keine weiteren Erklärungen mehr. „Hey, das kann doch nur heißen, dass sie jetzt keine Mutter mehr hat!“ Ihre Augen funkelten vor Aufregung, und erneut griff Mandy nach Courtneys Arm. „Und das wiederum bedeutet, dass der scharfe Mann mit dem Werkzeuggürtel über den sexy Hüften entweder geschieden oder verwitwet ist.“ Sie schnipste mit den Fingern. „Bingo.“

„Bingo?“

Manchmal musste man Courtney aber auch wirklich alles erklären! Mandy konnte ihre Ungeduld kaum unter Kontrolle halten. „Ja, das heißt: Du hast gewonnen.“ Sie wies auf die Verandatür, hinter denen jetzt wieder der Mann zu sehen war, der es Mandy offenbar so angetan hatte. „Und zwar ihn.“

Courtney erstarrte. „Du willst mir doch wohl nicht im Ernst vorschlagen …“

„Doch, das ist mein voller Ernst“, beharrte Mandy, und ihr Gesichtsausdruck bestätigte ihre Worte. „Dieser Mann ist die Rettung in der Not … und gleichzeitig ein Fleisch gewordener Traum.“ Sie betrachtete ihre beste Freundin. „Oder hast du etwa eine bessere Idee?“

Courtney kehrte dem Garten und damit gleichzeitig John Gabriel den Rücken zu. Sie weigerte sich, Mandy anzusehen. Auf einmal fühlte Courtney sich schrecklich müde und verwirrt. Sie ging zur Hausbar hinüber. Normalerweise trank sie kaum Alkohol, und wenn doch, dann erst nach fünf Uhr nachmittags. Aber dies war eine Ausnahme. „Mandy, wenn ich dich nicht schon seit Ewigkeiten kennen würde, würde ich dich jetzt einweisen lassen.“ Courtney nahm ein Glas aus dem Schrank und griff dann nach einer Kristallkaraffe, auf der sie die Hand verharren ließ.

Mandy berührte die Freundin sanft am Arm. „Nun komm schon, Court, denk doch mal darüber nach. Das Ganze wäre eine rein geschäftliche Angelegenheit. Ein Mann wie er wird doch sicher gewisse Bedürfnisse haben …“

Courtney lachte kurz auf, aber es klang alles andere als belustigt. Sie war sich sicher, dass sich John Gabriel im Grunde nicht von den anderen Männern unterscheiden würde, denen sie bisher in ihrem Leben begegnet war: nur auf seine eigenen Vorteile und sein eigenes Vergnügen bedacht. „Ja, ich weiß.“

Mandy lächelte schelmisch. „Nein, nicht, was du jetzt denkst. Ich meinte eigentlich finanzielle Bedürfnisse. Schließlich ist er ein allein erziehender Vater, der sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser hält. Und heutzutage ist doch alles sehr teuer. Vielleicht würde er seiner Tochter gern viel mehr gönnen, als er sich eigentlich leisten kann – vielleicht ein Studium.“ Mandy zuckte mit den Schultern. „Schlag ihm einfach einen Handel vor. Dabei kannst du nur gewinnen, zu verlieren hast du nichts.“

Courtney überlegte hin und her. Der Vorschlag ihrer Freundin war einfach verrückt, andererseits hatte sie wohl gar keine andere Wahl. Und zumindest hätte sie in der Angelegenheit das Sagen, weil sie diejenige sein würde, die die Regeln festlegte. „Auf deine verrückte Art und Weise hast du vielleicht wirklich recht“, sagte sie schließlich. „In den nächsten achtundzwanzig Tagen wird mir bestimmt nicht die große Liebe über den Weg laufen.“ Sie legte beide Hände auf den Griff der Verandatür und zog sie auf. „Also gut. Los geht’s.“

Doch bevor sie nach draußen gehen konnte, hielt Mandy sie auf.

„Was ist denn?“, wollte Courtney wissen. Tat sie nicht gerade genau das, was ihre Freundin ihr geraten hatte?

Autor

Marie Ferrarella

Marie Ferrarella zählt zu produktivsten US-amerikanischen Schriftstellerinnen, ihren ersten Roman veröffentlichte sie im Jahr 1981. Bisher hat sie bereits 300 Liebesromane verfasst, viele davon wurden in sieben Sprachen übersetzt. Auch unter den Pseudonymen Marie Nicole, Marie Charles sowie Marie Michael erschienen Werke von Marie Ferrarella. Zu den zahlreichen Preisen, die...

Mehr erfahren