Sturm über Hatton Manor

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Aufgeregt tritt Faith nach zehn Jahren zum ersten Mal wieder dem attraktiven Nash Connaught entgegen. So viel hat sich verändert: Damals war Nash ihre Jugendliebe, doch nachdem er vermuten musste, dass Faith und ihre Mädchenbande aus dem Waisenhaus seinen Onkel überfallen hatten, wandte er sich von ihr ab. Bis heute weiß er nicht, dass Faith unschuldig war und ihr Herz unter seinen verachtenden Blicken zerbrach! Inzwischen ist sie eine erfolgreiche Architektin, und Nash hat ausgerechnet die Ferndown Stiftung, für die sie arbeitet, mit dem Umbau seines Herrenhauses beauftragt. Ein Traumjob für Faith - wären da nicht Nash, seine männliche Nähe und seine leidenschaftlichen Küsse zwischen Begehren und Verachtung ...


  • Erscheinungstag 08.09.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759254
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Dachtest du wirklich, ich würde dich nicht erkennen?“

Faith Mills war so schockiert, dass sie wie erstarrt dastand. Nash! Was machte er hier? Lebte er nicht in Amerika und leitete das Imperium, das er aufgebaut hatte? Jedenfalls hatte sie das in der einschlägigen Presse gelesen. Nein, er war tatsächlich hier – fast einen Meter neunzig groß und mit einer geradezu animalischen Ausstrahlung. Die Erinnerung an diesen Mann hatte sie in den letzten zehn Jahren nicht nur tagsüber, sondern auch in ihren Träumen gequält.

„Du hast unseren Wohltäter noch nicht kennengelernt, stimmt’s, Faith?“

Ihr was? Soweit Faith wusste, hatten dessen Treuhänder das große, etwa hundert Jahre alte Herrenhaus an die karitative Organisation, für die sie arbeitete, übergeben. Falls sie auch nur einen Moment angenommen hätte, dass Nash … Irgendwie schaffte sie es, nicht zu schaudern und dadurch einen alles andere als professionellen Eindruck zu machen.

Die Ferndown-Stiftung, von dem mittlerweile verstorbenen Großvater ihres Chefs Robert Ferndown gegründet, bot den Familien vorübergehende Unterkunft, die sich gerade in einer finanziellen Notlage befanden. Die Stiftung besaß Häuser in verschiedenen Teilen Englands, und als Faith die Anzeige gesehen hatte, in der ein qualifizierter Architekt oder eine qualifizierte Architektin gesucht wurde, der beziehungsweise die dem Geschäftsführer direkt unterstellt wäre, hatte sie die Stelle unbedingt haben wollen. Aufgrund ihrer Herkunft hatte sie großes Mitgefühl mit Kindern, die in schwierigen Verhältnissen lebten.

Sie verspannte sich, als sie Nash antworten hörte.

„Faith und ich kennen uns bereits.“

Zorn und Angst überkamen Faith. Sie fürchtete sich vor dem, was er sagen könnte, und wusste, dass es ihm richtig Spaß machte, sie zu verletzen und ihr zu schaden. Und trotzdem hatte er das Herrenhaus Robert zufolge mit den anderen Treuhändern ihrer Organisation gestiftet. Eine so großzügige Geste traute sie ihm eigentlich gar nicht zu.

Faith spürte, wie Robert sie anblickte und auf eine Antwort wartete. Es war allerdings nicht sein Schweigen, das sie so aus der Fassung brachte. Grimmig rief sie sich ins Gedächtnis, was sie bereits alles ertragen und überlebt hatte, was sie im Leben erreicht hatte und wie viel sie den wunderbaren Menschen schuldete, die sie unterstützt hatten.

Einer dieser Menschen war ihre inzwischen verstorbene Mutter gewesen, und der andere … Als Faith sich im Arbeitszimmer umblickte, konnte sie das vertraute Gesicht des Mannes, der sie so inspiriert hatte, förmlich vor sich sehen, ebenso wie … Sie schloss die Augen, als Schmerz und Schuldgefühle sie überkamen. Dann öffnete sie sie wieder, jedoch ohne Nash zu beachten. Natürlich wollte er, dass sie sich ihm zuwandte und seine Feindseligkeit spürte.

„Es ist lange her“, sagte sie heiser zu Robert. „Über zehn Jahre.“

Die Angst lähmte sie völlig, sodass Faith sich Nash hilflos ausgeliefert fühlte und nur auf den ersten Schlag wartete. Sie wusste, dass Robert über ihre zögerliche Reaktion enttäuscht gewesen war, als er ihr eröffnet hatte, dass er ihr freie Hand bei der Umgestaltung von Hatton House ließe.

„Es ist einfach ideal für unsere Zwecke“, hatte er begeistert erklärt. „Drei Stockwerke, ein großes Grundstück und Stallungen, die zu Wohnungen umgebaut werden können.“

Natürlich hatte sie ihm den wahren Grund für ihr Zögern nicht nennen können, und nun würde Nash es zweifellos für sie tun.

Das Klingeln von Roberts Mobiltelefon riss sie aus ihren Gedanken. Während Robert den Anruf entgegennahm, lächelte er sie an. Er hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass er sich für sie interessierte, und darauf bestanden, dass sie ihn zu verschiedenen halboffiziellen Anlässen begleitete, an denen er als Sprecher der Stiftung teilnehmen musste. Allerdings war ihre Beziehung bisher rein platonisch gewesen, und sie hatten noch nicht einmal ein richtiges Rendezvous gehabt. Faith war jedoch klar, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Robert sie einlud – zumindest war es das bis zu diesem Augenblick gewesen.

„Tut mir leid“, entschuldigte er sich, nachdem er das Gespräch beendet hatte. „Ich muss sofort nach London zurückfahren. Es gibt ein Problem beim Umbau von Smethwick House. Aber Nash wird sich bestimmt um dich kümmern, Faith, und dir das Haus zeigen. Ich komme spätestens morgen zurück, denn heute schaffe ich es wohl nicht.“

Bevor sie protestieren konnte, war er verschwunden, und sie war mit Nash allein.

„Was ist los?“, fragte Nash schroff. „Oder soll ich raten? Es ist sicher nicht einfach, mit Schuldgefühlen zu leben – obwohl es dir offenbar nicht schwerfällt und du jemand anders fürs Bett gefunden zu haben scheinst. Allerdings hast du noch nie besonders stark ausgeprägte Moralvorstellungen gehabt, nicht, Faith?“

Faith wusste nicht, was stärker war – ihre Angst oder ihr Schmerz. Instinktiv wollte sie sich verteidigen und seine hasserfüllten Vorwürfe zurückweisen, doch sie wusste aus Erfahrung, wie wenig Sinn es hätte. „Es gibt nichts, dessen ich mich schuldig fühlen müsste“, brachte sie schließlich mit bebender Stimme hervor.

Sofort wusste sie, dass sie das Falsche gesagt hatte, denn er bedachte sie mit einem vernichtenden Blick.

„Davon hättest du vielleicht einen Jugendrichter überzeugen können, Faith, aber mich kannst du nicht so leicht hintergehen. Und es heißt ja, dass ein Krimineller – ein Mörder – immer an den Ort seines Verbrechens zurückkehrt, stimmt’s?“

Faith war so entsetzt, dass sie scharf einatmete und ihre Kopfhaut vor Angst zu prickeln begann. Als sie das erste Mal nach Hatton gekommen war, hatte Nash sie wegen ihres dichten honigblonden Haars aufgezogen, indem er behauptete, es wäre gefärbt. Als sie den Sommer hier verbrachte, hatte er seinen Irrtum eingesehen. Ihre Haarfarbe hatte sie genau wie die strahlend blauen Augen von ihrem dänischen Vater geerbt, den sie nie kennengelernt hatte. Er war in den Flitterwochen ertrunken, weil er versucht hatte, einem kleinen Kind das Leben zu retten.

Sobald sie alt genug gewesen war, um über solche Dinge nachzudenken, war sie zu der Überzeugung gelangt, dass die Herzkrankheit, an der ihre Mutter schließlich gestorben war, psychosomatisch war, verursacht durch den Kummer über den frühen Verlust ihres Mannes. Natürlich wusste sie, dass solche Zusammenhänge nicht wissenschaftlich erwiesen waren, aber wie sie aus bitterer Erfahrung wusste, ließen viele Dinge im Leben sich nicht logisch oder wissenschaftlich erklären.

„Was machst du hier?“, fragte sie Nash bitter. Egal, was er glaubte, sie war nicht … sie hatte nicht …

Automatisch schüttelte sie den Kopf, während sie wieder einen klaren Kopf zu bekommen versuchte. Und obwohl sie sich abweisend gab, wurde sie bereits von den Erinnerungen gequält. Hier, in diesem Raum, war sie Philip Hatton, seinem Patenonkel, zum ersten Mal begegnet, und hier hatte sie ihn auch zum letzten Mal gesehen, als er zusammengesunken in seinem Sessel lag, halbseitig gelähmt durch den Schlaganfall, der schließlich auch zu seinem Tod geführt hatte.

Faith zuckte zusammen, als das Entsetzen, das mit diesen Erinnerungen verbunden war, sie zu überwältigen drohte …

„Du hast gehört, was dein Boss gesagt hat.“

Nun erstarrte sie, weil Nash das Wort Boss herausfordernd betonte. Sie hatte sich zwar so weit unter Kontrolle, dass sie darauf nichts erwiderte, gegen die instinktive und verräterische Reaktion ihres Körpers hingegen war sie machtlos. Ihre Augen wurden dunkler und nahmen einen gequälten Ausdruck an.

Mit fünfzehn war ein Mädchen noch zu jung, um zu wissen, was wahre Liebe bedeutete, oder nicht? Diese Gefühle konnten nicht mehr sein als Schwärmerei, die man später, wenn man älter war, nur noch belächelte.

„Als Treuhänder des Anwesens meines verstorbenen Patenonkels habe ich mich entschieden, Hatton House der Ferndown-Stiftung zu stiften. Schließlich weiß ich, wie gut einem Kind so eine Umgebung tut.“

Nash runzelte die Stirn und wandte dabei den Blick ab. Der wütende Ausdruck in seinen Augen wich einer gewissen Unsicherheit.

Er hatte geglaubt, er wäre auf diesen Moment, diese Begegnung vorbereitet und hätte sich unter Kontrolle. Aber es war ein Schock für ihn, das fünfzehnjährige Mädchen von damals, an das er sich so lebhaft erinnerte, als erwachsene Frau wieder zu sehen – eine Frau, die Robert Ferndown und vermutliche viele andere gutgläubige Narren offensichtlich bewunderten und begehrten. Es weckte ein Gefühl in ihm, das den Schutzwall, den er um sich errichtet hatte und für undurchdringlich hielt, ernsthaft gefährdete.

Sich eingestehen zu müssen, dass er ausnahmsweise verunsichert war, machte ihn wütend und riss alte Wunden wieder auf, von denen er angenommen hatte, sie wären längst verheilt. Er wusste, dass er sich in den letzten zehn Jahren den Ruf erworben hatte, ein Furcht einflößender Konkurrent und ein unabhängiger Mann zu sein.

Nash schloss für einen Moment die Augen, während er den aufsteigenden Zorn zu bekämpfen versuchte, der jeden klaren Gedanken unmöglich machte. Er hatte lange darauf gewartet, dass das Schicksal ihm Faith in die Hände spielte. Und nun, da es so weit war …

Nash atmete tief durch und erkundigte sich leise: „Hast du wirklich erwartet, dass du damit davonkommst, Faith? Hast du wirklich geglaubt, es gäbe keine ausgleichende Gerechtigkeit und du würdest dein Verhalten nicht wieder gutmachen müssen?“

Sein kaltes Lächeln erinnerte Faith daran, wie leicht er sie verletzen und das Leben bedrohen konnte, das sie sich aufgebaut hatte.

„Hast du Ferndown erzählt, was du bist und was du getan hast?“, fuhr er aufgebracht fort, sodass sie erneut scharf einatmete.

„Nein, natürlich nicht“, fuhr er verächtlich fort. „Sonst hätte die Stiftung dich niemals eingestellt, trotz Ferndowns unverhohlener ‚Bewunderung‘. Hast du mit ihm geschlafen, bevor er dir den Job gegeben hat, oder hast du ihn solange warten lassen?“

Sie stieß einen gequälten Laut aus, doch er ignorierte es.

„Und, hast du es ihm erzählt?“, hakte er nach.

Da sie nicht lügen, aber auch sonst kein Wort über die Lippen bringen konnte, schüttelte sie den Kopf. Der triumphierende Ausdruck in seinen Augen bestätigte ihre wachsenden Befürchtungen.

Nash schenkte ihr ein weiteres humorloses Lächeln, das ihr Angst machte, sie andererseits aber zu dem Entschluss gelangen ließ, sich nicht von ihm quälen zu lassen, und erwiderte betont lässig: „Nein, natürlich nicht. Deinem Boss zufolge hast du es geschafft, gewisse Fakten in deinem Lebenslauf einfach zu unterschlagen.“

Sie wusste genau, was er meinte. Die Kehle war ihr wie zugeschnürt, und Faith versuchte verzweifelt, ihm nicht zu zeigen, wie groß ihre Angst war.

„Sie waren auch nicht wichtig“, entgegnete sie.

„Nicht wichtig? Die Tatsache, dass du gerade noch mal um eine Haftstrafe herumgekommen warst? Dass du für den Tod eines Menschen verantwortlich warst? Oh nein, hier geblieben!“, fügte er schroff hinzu, als sie die Fassung verlor und aufsprang, um aus dem Zimmer zu stürmen.

Als er sie am Arm packte und seine Finger sich ihr schmerzhaft in die Haut bohrten, schrie sie auf. „Fass mich nicht an!“

„Ich soll dich nicht anfassen? Das hast du damals aber nicht zu mir gesagt, stimmt’s, Faith? Du hast mich sogar angefleht, dich zu berühren …“

Ein gequälter Laut entrang sich ihr. „Ich war fünfzehn – noch ein Kind“, verteidigte sie sich. „Ich wusste nicht, was ich gesagt habe … was ich getan habe …“

„Lügnerin“, unterbrach Nash sie aufgebracht und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen, indem er mit der anderen Hand ihren Kopf festhielt.

Seine Berührung löste eine heftige Reaktion und eine Flut von Erinnerungen aus, und Faith begann am ganzen Körper zu beben – nicht vor Furcht, wie sie schockiert feststellte, sondern weil sie plötzlich ebenso schwindelerregende wie leidenschaftliche Gefühle verspürte, die sie längst hinter sich zu lassen geglaubt hatte.

Wie oft hatte sie in jenem Sommer, in dem sie Nash zum ersten Mal begegnet war, danach gesehnt, von ihm berührt, ja begehrt zu werden? Wie oft hatte sie davon geträumt, dass er sie so wie jetzt hielt? Sich vorgestellt, wie es wäre, seine Finger zu spüren, mit einem verlangenden Funkeln in den Augen von ihm angesehen zu werden und zu merken, wie erregt er war?

Faith erschauerte heftig und machte sich klar, wie naiv sie damals gewesen war. Sie hatte angenommen, sie wäre in Nash verliebt, und hatte sich ihm hingeben wollen, sich mit dem Ungestüm und der Unschuld der Jugend förmlich nach ihm verzehrt.

„Du weißt gar nicht, wovon du redest“, hatte er einmal abfällig erklärt, als sie versucht hatte, ihm zu sagen, wie sie empfand und wonach sie sich sehnte.

„Dann zeig es mir“, hatte sie mutig erwidert und verzweifelt hinzugefügt: „Küss mich, Nash.“

Nash erstarrte ungläubig, als er die Worte hörte, die Faith unbewusst laut ausgesprochen hatte. Er sollte sie küssen? Was für Spielchen trieb sie mit ihm? Er nahm die Hand von ihrem Hals, doch in dem Moment wandte Faith den Kopf, sodass ihre Lippen seine Finger streiften.

Faith atmete scharf ein, als sie seine Finger am Mund spürte. Sie hörte, wie Nash aufstöhnte, und merkte, wie er sich an sie presste. Die andere Hand auf ihrem Rücken, hielt er sie fest und presste die Lippen auf ihre …

Nash spürte das Entsetzen über sein Verhalten im ganzen Körper. Faith fühlte sich so wunderschön an, ihre weichen Rundungen, ihre süßen, warmen Lippen. Die Versuchung, Faith zu berühren, ihr nachzugeben, war groß. Er war nur hierher gekommen, um sich Genugtuung zu verschaffen und sich zu vergewissern, dass sie für das Verbrechen, das sie begangen hatte, bestraft wurde. Zumindest das war er seinem Patenonkel schuldig. Und nun …

Als er ihre Reaktion bemerkte, erschauerte er heftig und rief sich ins Gedächtnis, dass das süße, unschuldige Mädchen, für das er sie naiverweise gehalten hatte, nie wirklich existiert hatte, dass die Frau, die sie jetzt war, genau wusste, was sie tat und welche Wirkung sie auf ihn ausübte. Allerdings nützte es nichts. Er konnte nicht widerstehen, als sie einladend die Lippen öffnete.

Sobald Nash ein erotisches Spiel mit der Zunge begann, wurde Faith von Wellen immer intensiveren Verlangens mitgerissen. Es erfüllte sie und entführte sie an einen Ort dunkler, intensiver Süße, einen Ort heißer, gefährlicher Wildheit, einen Ort, an dem sie und Nash …

Sie und Nash!

Als ihr bewusst wurde, was sie da tat, löste sie sich unvermittelt von ihm. Sie errötete vor Scham, und in ihre Augen trat ein gequälter Ausdruck. Sie hatte ihn als das Mädchen, das sie damals gewesen war, geküsst, ihn als den Mann geliebt, der er gewesen war. Das musste sie sich eingestehen, während sie das, was sie gerade in seinen Armen empfunden hatte, mit der Feindseligkeit und dem Argwohn, die nun zwischen ihnen herrschten, in Einklang zu bringen versuchte.

Nash war einen Schritt zurückgewichen, und Faith beobachtete, wie seine Brust sich hob und senkte, weil er schneller atmete. Unter seinem verächtlichen Blick zuckte sie zusammen.

„Mit der Masche verschwendest du deine Zeit, Faith“, hörte sie ihn zynisch sagen. „Bei anderen Männern funktioniert sie vielleicht, aber ich weiß, wie du wirklich bist …“

„Das ist eine gemeine Unterstellung“, verteidigte sie sich hitzig. „Du hast kein Recht …“

„Von Recht kann überhaupt nicht die Rede sein, wenn es um uns beide geht, Faith“, unterbrach er sie drohend. Was, zum Teufel, war bloß mit ihm los? Aufgebracht rief Nash sich ins Gedächtnis, was Faith war.

Faith biss sich auf die Lippe.

„Mein Patenonkel hatte ein Recht darauf, dass du sein Vertrauen nicht missbrauchst“, fuhr er grimmig fort. „Und er hatte außerdem ein Recht darauf, dass ihm Gerechtigkeit widerfährt – ein Recht darauf, dass sein Tod gerächt wird.“

„Ich war nicht dafür verantwortlich“, protestierte sie mit bebender Stimme. „Du kannst mich nicht …“ Du kannst mich nicht zwingen, etwas zuzugeben, was ich nicht getan habe, hatte sie sagen wollen, aber er ließ sie wieder nicht ausreden.

„Was kann ich dich nicht, Faith?“, erkundigte Nash sich trügerisch leise. „Ich kann dich nicht dafür bezahlen lassen? Oh, ich glaube, du wirst feststellen, dass ich es sehr wohl kann. Du hast bereits zugegeben, dass du einige Fakten in deinem Lebenslauf verschwiegen hast. Und da bekannt ist, dass die Stiftung großen Wert auf Integrität legt, ist dir sicher genauso klar, dass du den Job niemals bekommen hättest, wenn sie die Wahrheit erfahren hätten. Ich will damit nicht behaupten, dass Ferndown nicht trotzdem mit dir geschlafen hätte. Aber ich denke, wir wissen beide, dass er dir ein ganz anderes Angebot gemacht hätte.“

„Ich wurde nie verurteilt“, verteidigte sie sich hilflos. Das Ganze war wie ein Albtraum. Nie hätte sie für möglich gehalten, dass so etwas passieren könnte. Sie hatte immer gewusst, dass Nash sie hasste, weil er ihr die Schuld am Tod seines Patenonkels gab. Dass er sie unbedingt bestrafen wollte, weil sie seiner Meinung nach zu Unrecht nicht im Gefängnis saß, versetzte sie jedoch in Panik.

„Nein, das wurdest du nicht, stimmt’s?“, bestätigte er und bedachte sie mit einem bösen Blick.

Die Kehle war ihr wie zugeschnürt, und Faith schluckte mühsam. Jemand hatte sich für sie eingesetzt, um Milde gebeten und so Mitgefühl bei den Anwesenden hervorgerufen, sodass der Jugendrichter die Strafe zur Bewährung ausgesetzt hatte. Sie hatte nie erfahren, wer diese Person war, und niemand würde je erfahren, wie schwer die Schuldgefühle auf ihr lasteten, die sie Nash gegenüber geleugnet hatte. Niemand – und schon gar nicht er, der sie auf so grausame Weise mit der Vergangenheit konfrontierte und ihr drohte.

„Du wusstest, dass ich herkommen würde“, brachte sie schließlich hervor.

„Ja, ich wusste es“, bestätigte Nash kühl. „Es war wirklich raffiniert von dir, zu behaupten, du hättest keine Familie oder Freunde, die eine Referenz geben können, und den Namen deines Tutors an der Universität zu nennen – eines Mannes, der nur den Teil deines Lebens kannte, der nach dem Tod meines Patenonkels kam.“

„Das habe ich getan, weil es tatsächlich niemanden gab“, erwiderte Faith scharf. „Es hatte nichts mit Raffinesse zu tun. Meine Mutter war meine einzige Verwandte, und sie … sie ist gestorben.“ Sie verstummte, unfähig weiterzusprechen. Ihre Mutter hatte den Kampf gegen ihre Herzkrankheit verloren, zwei Tage nachdem sie, Faith, die Nachricht von Philip Hattons Tod erhalten hatte. Deswegen hatte sie auch nicht zu seiner Beerdigung gehen können.

„Na, es sieht jedenfalls so aus, als hätte dein Tutor große Stücke auf dich gehalten“, fuhr Nash fort und lächelte geringschätzig. „Hast du dich ihm auch so an den Hals geworfen wie mir, Faith?“

„Nein!“, entgegnete sie hitzig, weil sie ihre Gefühle nicht verbergen konnte. Daher bemerkte sie auch das Funkeln nicht, das in seine Augen trat, bevor er sich abwandte.

Als Robert sie von dem Projekt in Kenntnis gesetzt hatte, hatte er ihr erzählt, dass einige Angestellte sich um das Haus kümmerten, die die Stiftung für die Dauer der Umbauarbeiten weiter beschäftigte. Faith verspannte sich, als nun die Haushälterin das Arbeitszimmer betrat.

Es war nicht dieselbe Haushälterin wie damals. Nachdem sie ihr einen kalten Blick zugeworfen hatte, wandte sie sich an Nash. „Ich habe Ihnen das Zimmer hergerichtet, das Sie immer bewohnen, Mr. Nash, und die junge Lady in dem Raum untergebracht, den Sie mir genannt hatten. Das Abendessen, das ich vorbereitet habe, steht im Kühlschrank. Aber wenn ich heute Abend kommen soll …“

„Danke, Mrs. Jenson“, erwiderte er lächelnd, „aber das ist nicht nötig.“

Starr blickte Faith der Haushälterin nach, frustriert, weil diese ihr so feindselig begegnete. Doch es gab wichtigere Dinge, um die sie sich jetzt kümmern musste – viel wichtigere Dinge! Sie wirbelte zu Nash herum und flüsterte: „Du kannst nicht hier übernachten.“

Sein Lächeln jagte ihr wieder Angst ein.

„Und ob ich das kann“, widersprach er leise. „Ich habe es zur Bedingung gemacht, und die Vorstandsmitglieder haben natürlich Verständnis dafür, dass ich die Umbauarbeiten beaufsichtigen möchte – zumal diese von einer unerfahrenen jungen Architektin geleitet werden.“

Verzweifelt sah sie ihn an. „Aber ich wohne hier … Es geht nicht anders. Das kannst du mir nicht antun. Es ist … es ist Schikane“, warf sie ihm vor. „Es ist …“

„Ausgleichende Gerechtigkeit“, ergänzte er gefährlich ruhig.

2. KAPITEL

„Ich habe Mrs. Jenson gebeten, dich in deinem alten Zimmer unterzubringen.“

Ihr altes Zimmer. Faith legte die Arme um sich und erinnerte sich an den herausfordernden Tonfall, in dem Nash diese Worte gesagt hatte. Es war offensichtlich gewesen, dass er mit einer feindseligen Reaktion gerechnet hatte, doch sie wollte nicht zulassen, dass er ihr Verhalten oder ihre Gefühle manipulierte.

Ihr altes Zimmer. Nachdenklich ging sie zu dem kleinen Fenster und blickte hinaus auf den Garten.

Dieser Raum hatte früher zu den Kinderzimmern gehört und lag in einem der Türmchen, die so typisch für die Architektur dieses Hauses waren. Mit fünfzehn war sie noch jung genug gewesen, sich als Märchenprinzessin zu fühlen, und sie hatte die Einsamkeit ihres eigenen Turms genossen.

„Bestimmt bist du enttäuscht, dass der Turm nicht von einem See umgeben ist“, hatte Nash sie geneckt, als sie versucht hatte, ihrer Freude darüber, dass man ihr ein so besonderes Zimmer zugeteilt hatte, Ausdruck zu verleihen. Für sie war das Zimmer, das Philip Hatton für sie ausgesucht hatte, allerdings perfekt, und es fiel ihr schwer, es Nash begreiflich zu machen.

In der ersten Nacht in dem großen Bett schloss sie die Augen und dachte an ihre Mutter. Sie flüsterte ihr in Gedanken zu, wie glücklich sie war, und beschrieb ihr das Zimmer in allen Einzelheiten, in dem Bewusstsein, dass ihre Mutter ihre Freude geteilt hätte. Sie wünschte sehnlichst, ihre Mutter könnte bei ihr sein.

Aber natürlich war es unmöglich. Ihre Augen hatten sich mit Tränen gefüllt, und sie hatte stumm ins Kissen geweint. In den vergangenen sechs Monaten war sie erwachsen geworden, und ihr war klar, dass ihre Mutter Hatton House niemals sehen würde.

Nervös trat Faith vom Fenster zurück. Das Zimmer hatte sich kaum verändert. Das Bett sah noch genauso aus, wie sie es in Erinnerung hatte, lediglich der Bezug und die Gardinen waren anders. Sogar die verblichene, altmodische Tapete mit dem Rosenmuster war noch dieselbe. Faith streckte die Hand aus und berührte vorsichtig eine der Rosen.

Ihr Zimmer in der kleinen Wohnung, die ihre Mutter und sie von der Wohnungsbaugesellschaft gemietet hatten, hatte eine hübsche Tapete gehabt. Ihre Mutter und sie hatten es kurz nach ihrem Einzug selbst tapeziert. Ihrer Mutter hatte es fast das Herz gebrochen, aus dem kleinen Cottage auszuziehen, in dem sie seit ihrer Geburt gelebt hatten. Doch sie hatte sich nicht mehr um den Garten kümmern können, und außerdem lag die Wohnung viel dichter am Krankenhaus und an ihrer Schule.

Es war fast beängstigend, wie stark ein Ereignis das Leben eines Menschen verändern konnte, wie Faith sich eingestehen musste, als sie an ihre Vergangenheit dachte. Es war reiner Zufall gewesen, dass sie überhaupt nach Hatton gekommen war.

Autor

Penny Jordan

Am 31. Dezember 2011 starb unsere Erfolgsautorin Penny Jordan nach langer Krankheit im Alter von 65 Jahren. Penny Jordan galt als eine der größten Romance Autorinnen weltweit. Insgesamt verkaufte sie über 100 Millionen Bücher in über 25 Sprachen, die auf den Bestsellerlisten der Länder regelmäßig vertreten waren. 2011 wurde sie...

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