Mein Highlander und Herzensbrecher

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Schottland, 1287: Ein Blick in die eisblauen Augen des schwarzhaarigen Highlanders Alasdair Og, und um Lady Juliana MacDougall ist es geschehen! Doch der berüchtigte Hochlandkämpfer ist ihr ärgster Feind - und er nimmt sie als Geisel. In seiner Burg hoch in den grünen Hügeln Schottlands erkennt Juliana, dass Alasdair nicht nur in der Kriegs-, sondern auch in der Liebeskunst äußerst bewandert ist …


  • Erscheinungstag 24.05.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733778255
  • Seitenanzahl 100
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Coeffin Castle, Lismore, Schottland,
Februar 1287

In der Großen Halle war es still bis auf den Lärm der beiden Kinder, die auf unsichtbaren Ponys umhergaloppierten und Stöcke gegeneinander schwangen, als wären es Schwerter. Juliana MacDougall liebte ihre kleinen Neffen, aber im Augenblick war ihr nicht nach Lächeln zumute. Ein Zittern durchlief sie, und es war nicht die winterliche Kälte, die sie erschauern ließ, sondern die geballte Angst in ihrem Innern.

Sie ließ den Blick zu ihrer Schwester Mary gleiten, die auf der anderen Seite der Halle an der langen Tafel saß und ihren jüngsten Sohn stillte. Die innige Verbundenheit zwischen Mutter und Säugling zu sehen berührte Juliana tief, zumal sie selbst keine Kinder hatte. Mary war ihre beste Freundin, obwohl der Altersunterschied zwischen ihnen neun Jahre betrug, und Juliana konnte sich nichts Schöneres vorstellen, als ihre große Schwester bei sich zu Gast zu haben. Sie wäre froh gewesen, wenn es sich bei dem derzeitigen Besuch um einen rein familiären gehandelt hätte, doch dem war nicht so. Mary hielt sich wegen des Krieges auf Coeffin Castle auf.

Und es herrschte Krieg, weil Schottland keinen König hatte.

Allmächtiger, würde es je wieder Frieden geben? In Julianas Schläfen begann es schmerzhaft zu pochen. Wie sie es hasste, dazusitzen und auf Nachricht von denen warten zu müssen, die sie liebte!

Mary blickte auf. Sie war eine schöne Frau mit himmelblauen Augen und rötlich blondem Haar, und ihre natürliche Anmut zog Männer wie Frauen gleichermaßen in ihren Bann. Ein warmherziges Lächeln breitete sich auf ihren Zügen aus, doch die Sorge in ihren Augen war unübersehbar, als sie ihren zwölf Monate alten Sohn auf den anderen Arm nahm, um ihr Übergewand zu richten. „Ich werde Thomas demnächst entwöhnen müssen“, sagte sie sanft.

Juliana nickte. „Du hast recht, es wird Zeit.“ Im Frühsommer erwartete Mary ihr viertes Kind, auf das sie sich ebenso freute wie Juliana, die auf eine kleine Nichte hoffte.

Marys Lächeln verblasste. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass Buittle erobert wurde“, sagte sie bitter. Die Burg hatte John Balliol gehört, sie war Teil der Mitgift gewesen, die seine Frau in die Ehe eingebracht hatte. Eben erst war die Botschaft vom Fall von Buittle Castle überbracht worden.

Die beiden Jungen stießen Schlachtrufe aus und hieben wie wild mit den Stöcken aufeinander ein. Julianas Kopfschmerz wurde schlimmer, und sie stand auf. „Roger! Donald! Schluss jetzt!“

Ihre vier und fünf Jahre alten Neffen konnten sich kaum halten vor Lachen, unterbrachen jedoch ihr Spiel und sahen ihre Tante kichernd an. Der blonde Donald warf seinem sommersprossigen, rothaarigen Bruder einen verschwörerischen Blick zu, dann hob er seinen Stock gegen sie. „Es lebe Comyn!“, stieß den Schlachtruf seiner Familie aus und wedelte drohend mit seinem Spielzeugschwert.

„Donald.“ Die Stimme seiner Mutter klang warnend.

„Zweifellos wirst du einmal ein ebenso großer Krieger werden wie dein Vater.“ Geschickt entwand Juliana ihm den Stock. „Aber du wirst auch lernen müssen, dass du dein Schwert – oder deine Hand – nicht gegen eine Dame erheben darfst. Und schon gar nicht gegen deine Tante.“

Zutiefst beschämt stand Donald da. „Es tut mir leid, Tante Juliana“, sagte er zerknirscht.

„Das sollte es auch.“ Juliana nahm auch Roger den Stock ab. „Wenn ihr euch wie barbarische Wikinger benehmen wollt, müsst ihr nach draußen gehen.“

Sie legte die Stöcke auf den Tisch und setzte sich neben ihre Schwester. „Vielleicht ist es nicht so verhängnisvoll, wie es uns erscheint“, versuchte sie Mary Mut zu machen, wenn auch wider besseres Wissen. Es war ein Verhängnis, und nicht nur wegen der engen Bande zwischen ihrer Familie und den Balliols. Im Land herrschte Krieg, weil der König seiner Enkelin den Thron vermacht hatte, einem Kind, und das wollten viele nicht akzeptieren.

„Bruce hat die königlichen Stellungen in Wigtown und Dumfries eingenommen und jetzt auch noch Buittle?“ Mary war aschfahl geworden. Robert Bruce, Earl of Annandale, war ein mächtiger Adliger, der sich im vergangenen April zum legitimen Erben König Alexanders erklärt hatte – und das nicht zum ersten Mal. Er behauptete, König Alexander habe ihn bereits vor Jahrzehnten zu seinem Nachfolger bestimmt. Niemand glaubte ihm, doch vor ein paar Monaten hatten er und seine Anhänger zu den Waffen gegriffen und Dumfries, Wigtown und nun auch Buittle erobert. Ohne jeden Zweifel beabsichtigte Bruce, sich des schottischen Throns zu bemächtigen.

Er war indes nicht der Einzige, der Alexanders Nachfolger werden wollte. John Balliol hatte sein Recht auf die schottische Krone ebenfalls angemeldet, genau wie ein Dutzend anderer Adliger im ganzen Land und selbst von außerhalb. Und wie auch nicht? Niemand konnte sich vorstellen, dass ein dreijähriges Kind den Thron besteigen würde. Schottland war, so musste es jedem scheinen, wie eine reife Frucht, die nur darauf wartete, gepflückt zu werden.

Und ohne Regent, mit nur sechs Reichsverwesern, die das Land regieren sollten, war Schottland binnen kürzester Zeit in uralte bittere Rivalitäten zerfallen. Die Comyns und die MacDougalls waren seit Menschengedenken Feinde der Familie Bruce, selbst ohne den Anspruch der Balliols auf den Thron. Bruces glühendster Anhänger war Angus Mor, Lord of Islay. Auch zwei seiner Söhne, Alexander, genannt Alasdair, und Angus Og, hatten sich ihm angeschlossen. Und der Donald-Clan war der Erzfeind der MacDougalls. Die Blutfehde zwischen den beiden Familien reichte Jahrhunderte zurück, in eine Zeit, da ein Vorfahr Julianas, Dougall mit Namen, von seinem eigenen Neffen Donald ermordet worden war.

Marys Ehemann William Comyn, war zusammen mit ihrem Bruder Alexander MacDougall und vielen anderen Comyns und MacDougalls in den Krieg gezogen, um zu verhindern, dass Robert Bruce den Thron bestieg – in der Hoffnung, eines Tages John Balliol an seiner statt krönen zu können.

„Vielleicht stimmte die Botschaft nicht.“ Juliana war sich bewusst, dass sie nach einem Strohhalm griff. „Oder vielleicht sind unsere Streitkräfte just in diesem Augenblick, da wir miteinander sprechen, dabei, Buittle Castle für John Balliol zurückzuerobern.“

Mary sah sie grimmig an. „Mir ist es egal, in wessen Besitz Buittle sich gerade befindet, und das heißt nicht, dass ich treuebrüchig bin! Aber ich muss wissen, ob William verwundet ist … oder ob er gar …“

„Ich weiß“, sagte Juliana mitfühlend.

„Ich bin erst siebenundzwanzig“, Marys Stimme war nur noch ein Flüstern, „und ich habe bereits drei Ehemänner verloren. Ich liebe William so sehr, Juliana. Ich könnte es nicht ertragen, ihn ebenfalls entbehren zu müssen.“

Juliana drückte ihr die Hand. Mary war kurz mit dem König der Isle of Man verheiratet gewesen, danach mit dem Earl of Strathearn und dann mit einem weiteren schottischen Edelmann. Krieg und Krankheit hatten ihr die Männer genommen. Vor sechs Jahren war sie William Comyn, dem dritten Sohn des Earl of Buchan, begegnet und hatte sich in ihn verliebt. Die Familie Comyn war die mächtigste Dynastie im Norden Schottlands, und ihr Bruder Alexander hatte der Verbindung mit Freuden zugestimmt.

Juliana wusste, dass Mary ebenso loyal war wie sie selber, dass die Geschicke ihrer beider Familien ihr tief am Herzen lagen und dass sie Bruces Niederlage herbeisehnte. Denn wenn er siegte, würden die Mitglieder der Familien MacDougall und Comyn leiden – nicht nur Ländereien und Titel und Ansprüche würden sie verlieren, sondern auch ihr Leben. Doch jetzt, in diesem Moment, überwog die Angst um ihren Ehemann und ließ alles andere in den Hintergrund rücken. Juliana konnte es Mary nicht verübeln, denn insgeheim bewunderte sie ihre Schwester sehr und beneidete sie auch ein bisschen – nicht weil sie ihre drei vorherigen Ehemänner überlebt und eine so vorteilhafte vierte Ehe geschlossen hatte, sondern weil sie ihren Mann liebte und er sie. Juliana kannte kein anderes Paar, das sich so innig zugetan war wie Mary und William. Schließlich ging es bei einer Heirat in erster Linie um Politik und Macht.

„Lass uns in die Kirche gehen und beten.“ Mary stand auf. Sie winkte eine Magd herbei, damit sie ihr den schlafenden Thomas abnahm. „Danke, Elasaid. Im Gebet werden wir Ruhe finden“, setzte sie hoffnungsvoll hinzu.

Eine Stunde später waren die Kinder in ihrer Kammer untergebracht, und die beiden Frauen wickelten sich in ihre Pelzumhänge. Ian, der Befehlshaber von Julianas Wachleuten, stand wartend draußen, wie sie es befohlen hatte. Vier weitere Hochlandkrieger würden sie ebenfalls begleiten.

Für Juliana war es selbstverständlich, eine eigene Wachabteilung zu haben. Lismore gehörte zu ihrer Aussteuer. Es war eine fruchtbare Insel mit großem Fischreichtum und saftigen Weiden, doch wirkliche Bedeutung hatte das Eiland durch Coeffin Castle, die den Firth of Lorn, die wuchtige St.-Moluag-Kirche und Achanduin Castle, den Sitz des Bischofs von Argyll, überblickte.

Lismore war eine sichere Zuflucht und hatte zu Julianas Lebzeiten nie einen ernsthaften Angriff erlebt. Die beiden größten Burgen ihres Bruders erhoben sich im Osten und im Südwesten, sodass es einem Feind praktisch unmöglich war, über den Firth nach Argyll zu gelangen. Dennoch hatten die MacDonalds, die MacSweens und sogar die MacRuaris es versucht, solange Juliana sich erinnern konnte.

Im vergangenen Jahr wäre sie beinahe mit Lachlan, einem von Alan MacRuaris Söhnen, verheiratet worden. Der Ruari-Clan hatte überzeugt werden können, sich mit ihnen zu verbünden, und ihr Bruder war zuversichtlich gewesen, die unbeständige Beziehung zwischen den Familien zu festigen. Doch letzten Sommer hatte Lachlan in einer Seeschlacht den Tod gefunden. Bislang war noch keine andere Verbindung in Sicht, und weil Juliana inzwischen achtzehn Lenze zählte, wurde sie langsam unruhig. Die meisten Frauen waren mit fünfzehn verheiratet. Man würde sie für verblüht ansehen, wenn ihr Bruder nicht rasch einen Ehemann für sie fand.

Sie traten aus der Pforte des Wohnturms. Ian half ihr in den Sattel ihrer Stute, und Juliana lächelte zu ihm herunter. Als auch Mary aufgesessen hatte, setzte sich der kleine Zug in Bewegung. Trotz der Kälte war es ein zauberhafter Wintertag mit strahlendem Sonnenschein und einem wolkenlosen blauen Himmel. Auf dem Weg, den sie einschlugen, und selbst auf den Hügeln schmolz der Schnee. Eichhörnchen flitzten durchs Gebüsch auf der Suche nach Futter. Juliana warf Mary einen Blick zu, doch als sie sah, dass ihre Schwester tief in Gedanken versunken war, schwieg sie.

Vor ihnen kam das von hohen Kiefern umstandene Gotteshaus von St. Moluag in Sicht, ein gedrungenes, von zwei Steintürmen flankiertes Bauwerk, das erst ein Jahrhundert alt war und kaum größer als eine Dorfkirche. Auf einem Hügel vor dem Gebäude ragte ein zwei Mann hohes steinernes Kreuz in den Himmel. Etwas weiter unterhalb der Kirche und vom Weg aus nicht zu sehen, lag inmitten von Streuobstwiesen das dazugehörige Kloster.

Sie ritten auf den Vorplatz. Juliana zügelte ihre Stute und glitt aus dem Sattel. Mary tat es ihr nach. Ihre Leibgarde blieb bei den Pferden, während die beiden Frauen die Kirche betraten. Im Vorraum stehend, blickten sie den Mittelgang hinunter. Zwei Bäuerinnen beteten kniend, und der Bischof stand vor der Sakristei und wandte ihnen den Rücken zu.

Es war ungewöhnlich still in der Kirche. Juliana legte den Kopf in den Nacken und sah zur Decke empor. Als kleines Mädchen an der Hand ihrer Mutter hatte sie diese Kirche das erste Mal betreten und seitdem stets Frieden und Erhabenheit in ihren Mauern gefunden. Es war das Haus Gottes, der ihre Gebete erhörte und William und Alexander beschützte. Daran hegte sie keinerlei Zweifel.

Alan Frasier, der Bischof von Argyll, hatte sie entdeckt. Der mittelgroße Mann mit dunklem Haar und freundlichen Augen kam ihnen lächelnd entgegen. „Lady Juliana! Lady Comyn! Ich freue mich, Euch begrüßen zu dürfen.“

„Ich kann mit dem Beten nicht bis zur Messe warten.“ Es gelang Mary zu lächeln.

„Mit dem Beten sollte man niemals warten“, erwiderte der Bischof und wandte sich an Juliana. „Gibt es Neuigkeiten? Ihr wirkt beunruhigt.“

Juliana kannte den Bischof, seit sie denken konnte. Und er kannte sie. „Habt Ihr noch nicht gehört, dass Buittle eingenommen wurde?“, fragte sie sorgenvoll.

Der Bischof wurde blass. „Wie konnte das geschehen?“, murmelte er entsetzt. „Hat Bruce Euren Bruder und die mächtige Familie Comyn tatsächlich besiegt?“

Juliana zuckte zusammen. „Es handelt sich lediglich um ein Gefecht unter vielen, Exzellenz, und meiner Einschätzung nach hat der Krieg gerade erst begonnen. Mein Bruder pflegt siegreich zu sein, und zweifellos wird er auch diesmal triumphieren.“

„Hoffen wir es.“ Alan nickte düster.

Juliana berührte seinen Arm. „Ich bin besorgt“, gestand sie leise und beobachtete Mary, die begonnen hatte, Kerzen anzuzünden. „Und Ihr seid es ebenfalls.“

Der Bischof zögerte. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass Bruce Dumfries und Wigtown und die dortigen Stellungen der englischen Streitkräfte überrennt. Und nun hat Balliol auch noch Buittle verloren. Das verheißt nichts Gutes, Lady Juliana. Gar nichts Gutes. Aber wenigstens finden die Kämpfe weit fort von hier statt.“

Es wäre Juliana lieber gewesen, wenn er sich zuversichtlich geäußert hätte – noch mehr Sorgen konnte sie im Augenblick wahrhaftig nicht gebrauchen. Seine letzte Bemerkung kam ihr rätselhaft vor – sehr rätselhaft sogar –, doch ehe sie darüber nachdenken konnte, erschollen dröhnende Kampfrufe.

Juliana erstarrte, und Mary schrie auf. Die gellenden Schlachtrufe der Highlandkrieger hatten sie beide schon zu oft in ihrem Leben gehört, sie ließen einem das Blut in den Adern gefrieren. Zu Tode erschrocken drehte Juliana sich um, als draußen vor der Kirche die Schwerter der kämpfenden Soldaten zu klirren begannen. Pferde wieherten angstvoll, Männer brüllten in blutrünstiger Raserei. Die Zeit schien stillzustehen, als sie erkannte, dass die Kirche – und ihre Leibwache – angegriffen wurde.

Sie packte ihre Schwester und wollte sie den Mittelgang hinunter zu einer Seitentür im südlichen Querschiff ziehen, durch die sie fliehen konnten, doch genau in diesem Moment wurde die Eingangstür aufgestoßen, und Ian und ein weiterer Soldat ihrer Leibgarde kamen hereingerannt.

„Lady Juliana! Lady Comyn!“ Erbitterung stand in Ians Miene, seine Augen waren vor Zorn geweitet. Blut tropfte von seinem Schwert.

Bevor sie sich regen konnte, stürmte ein Dutzend Hochlandkrieger in die Kirche, ein wilder Haufen hochgewachsener, langhaariger Männer mit Fellumhängen und bloßen Waden, die Schwerter und Dolche schwangen.

Mary und sie schrien gleichzeitig auf. Ian wirbelte herum, um die Eindringlinge aufzuhalten, doch vergeblich. Das Schwert wurde ihm aus der Hand geschlagen, und im nächsten Moment durchbohrte eine Klinge seine Brust.

Juliana unterdrückte ein verzweifeltes Schluchzen, und noch ehe Ian zusammenbrach, packte sie Mary erneut und hastete mit ihr zur rechten Seite der Kirche, um durch den Seiteneingang im Querschiff zu entkommen. Sie hatten ihr Ziel beinahe erreicht, als die unauffällige Pforte von außen aufgestoßen wurde. Juliana strauchelte und blieb wie angewurzelt stehen. Ein Highlander stürmte durch den Eingang herein – ein hochgewachsener Krieger mit wirrem schwarzem Haar und einem dunkelblau und rot karierten Umhang.

Die Farben ihrer Erzfeinde.

Mary und sie standen wie versteinert, als der Highlander ihrer ansichtig wurde, das erhobene Schwert in der Hand. Eine Horde seiner Männer stürzte durch den Eingang an ihm vorbei. Julianas Erschütterung verwandelte sich in Entsetzen, als der Blick seiner hellblauen Augen ihrem begegnete.

Es waren MacDonalds, die ihre Kirche angriffen, ihre Leibwache und ihr Land!

Plötzlich rannte der hoch aufragende Highlander an ihr vorbei. Juliana wandte sich um und schrie auf, als er den Bischof packte und ihm brutal seinen Dolch an die Kehle presste.

Sie wollte ihn anschreien, ihm befehlen aufzuhören, doch es kam kein Wort über ihre Lippen. Der MacDonald würde ihren Bischof umbringen, so viel war sicher, genau wie seine Männer ihre Soldaten massakriert hatten. Sie konnte die Mordlust in seinen gnadenlosen blauen Augen erkennen.

„Lasst mich am Leben, Alasdair! Ich flehe Euch an!“ Der Bischof schluchzte.

„Nein!“ Juliana hörte, wie sie aufkeuchte vor Angst, und kaum hatte der Laut ihre Lippen verlassen, wurde sie brutal von hinten an den Haaren gepackt und rückwärts gezerrt. Ihr Peiniger umklammerte sie und setzte auch ihr ein Messer an die Kehle. Aus dem Augenwinkel konnte Juliana erkennen, dass es Mary ebenso erging. Sie versteifte sich. Der Highlander – Alasdair –, der den Bischof festhielt, wandte sich zu ihr um.

„Tut meiner Schwester nichts!“ Julianas Blick verfing sich mit dem des Hochlandkriegers. „Sie erwartet ein Kind.“

„Wir sind nicht wegen euch Frauen hier“, erwiderte er kalt, stieß Alan Frasier brutal mit dem Gesicht nach vorne zu Boden und stellte ihm seinen gespornten und bestiefelten Fuß in den Nacken. Flüchtig glitt ein Ausdruck von Abscheu über seine Züge, dann sagte er beiläufig in Julianas Richtung: „Lasst die Frauen gehen!“

Seine Männer gehorchten auf der Stelle. Juliana eilte zu Mary, ergriff ihre Hand, doch sie konnte den Blick nicht von Alasdair lösen, der den Bischof nach wie vor mit seinem Stiefel zu Boden drückte.

Sie begann zu zittern. Ihre Wachleute waren tot, und den Bischof würde der Highlander ebenfalls ermorden. Ihre Angst wuchs. Hatte sie es mit Alasdair Og zu tun, dem ältesten Sohn von Angus Mor, Lord of the Isles?

Alasdairs Vater war ein erbarmungsloser Krieger, der sich als König betrachtete. Und im Grunde genommen war er es auch. Angus Mor gebot nicht nur über Islay und Kintyre, sondern auch über andere, kleinere Inseln, außerdem herrschte er über Ländereien in Argyll und Galloway und ein weites Hochseegebiet, auf das kein anderer Regent einen Machtanspruch anzumelden wagte. Die Könige von Schottland, England und Norwegen hatten es versucht und waren gescheitert.

Angus Mor kam in die Jahre, doch vom Hörensagen wusste Juliana, dass sein Sohn ebenso gnadenlos, todesmutig und ehrgeizig war wie der Vater und dass er eines womöglich nicht allzu fernen Tages seinen Titel als Herr der Inseln erben würde.

Alasdair war nicht nur hochgewachsen, er war sogar einen guten Kopf größer als die meisten Männer. Mit seinen breiten Schultern, dem mächtigen Brustkorb und den kraftvollen Armen war er ein typischer Highlander, der sein Leben lang Schwerter und Streitäxte geschwungen hatte. Sein schwarzes Haar musste dringend geschnitten werden, es reichte ihm bis weit über die Schultern hinunter. Über der rechten Schläfe war ein Teil davon zu einem schmalen Zopf geflochten. Eine Feder steckte darin, die vom gleichen blassen Blau war wie seine Augen.

Mit einem Mal fiel ihr auf, dass sie ihn anstarrte, und als sie erkannte, dass auch er sie unverhohlen musterte, zuckte sie zusammen. Flammende Röte schoss ihr in die Wangen. Er wirkte nicht im Mindesten gnadenlos, wie er da stand und den Blick auf ihr rotes Haar heftete, das sich aus dem Zopf an ihrem Hinterkopf gelöst hatte und ihr nun über die Brust floss.

„Was wollt Ihr?“, brachte sie schließlich hervor. Es zuckte um seine Mundwinkel, und er nahm den Fuß von Frasiers Nacken. Umgehend rappelte der Bischof sich auf alle viere hoch, kroch so schnell er konnte von ihm fort, doch Alasdair hatte den Geistlichen mit zwei langen Schritten eingeholt, packte ihn bei der Schulter und zerrte ihn auf die Füße. „Schneller kannst du nicht krabbeln?“, fragte er höhnisch.

„Ich habe nichts Böses getan, Mylord!“ Frasier atmete keuchend, seine Wangen waren tränennass.

Juliana konnte die Erniedrigung ihres Bischofs nicht länger mitansehen. „Hört auf!“, verlangte sie gebieterisch. Sie spürte, wie Mary nach ihrer anderen Hand griff. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie die entsetzte Miene ihrer Schwester, fing ihren warnenden Blick auf.

Langsam drehte Alasdair sich zu ihr um, und plötzlich war es so still in der Kirche, dass Juliana ihren eigenen und Marys gleichermaßen angestrengten Atem hören konnte. „Was sagtet Ihr?“ Die rechte Braue des Highlanders schoss in die Höhe.

Juliana schluckte. Was für ebenmäßige Züge er hatte. Sie bemerkte eine kleine, sichelförmige Narbe unter seinem rechten Auge. Sie benetzte ihre Lippen. Alasdair MacDonald war kein Mann, den man herumkommandieren konnte. „Bitte lasst Euch das, was Ihr zu tun gedenkt, noch einmal durch den Kopf gehen.“

Ein amüsiertes Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus, und er wandte sich dem Krieger zu, der am nächsten bei ihm stand, einem Highlander mit langem, lockigem roten Haar. „Bring ihn nach draußen und fessele ihn. Ich komme gleich nach und erledige den Rest.“

„Ich habe Euch nicht verraten!“ In Frasiers sich überschlagender Stimme schwang Todesangst mit.

„Lügner.“ Mit dem Handrücken versetzte Alasdair ihm eine schallende Ohrfeige. Der Schlag wirkte mühelos, doch war er so kraftvoll, dass Knochen und Knorpel brachen, Blut floss und der Bischof durch das Mittelschiff geschleudert wurde. Einer der Highlander fing ihn auf und zerrte ihn nach draußen.

Sie konnte unmöglich dulden, was hier geschah! Juliana stürmte zu Alasdair. „Hört auf! Was habt Ihr mit Alan Frasier zu tun? Warum quält Ihr ihn?“

Wieder sah er sie an. Diesmal stand unverhohlene Neugier in seinen Augen. „Der Bischof hat mich verraten, meine Dame. Wenn Ihr es unbedingt wissen müsst.“

„Kann es sich um ein Missverständnis handeln? Ich kenne Alan Frasier seit mehr als zehn Jahren. Er ist ein guter Mensch.“

„Sicher. Weshalb überrascht es mich nicht, dass Ihr so denkt?“ Ein träges Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus, und Juliana erschauerte. Die Art, wie er sie ansah, gefiel ihr ganz und gar nicht – ausgiebig musterte er jede Einzelheit ihres Gesichts und ihrer Figur. „Ihr müsst die Herrin von Lismore sein.“

Natürlich hatte er sie früher oder später erkennen müssen. Jedermann wusste, dass Lismore ihr Heiratsgut war, und kein Mensch konnte übersehen, dass er in ihr eine Adlige vor sich hatte. Ihr rotgoldenes Haar erregte Neugier und Bewunderung, doch es verriet sie auch.

„Ich bin Lady Juliana MacDougall.“

„Die Barden lassen Euch keine Gerechtigkeit widerfahren, Mylady“, erwiderte Alasdair leise und sehr sanft. „Sie singen Euer Loblied – aber nicht gut genug. Ihre Lieder lassen nicht ahnen, wie schön Ihr wirklich seid.“

Abermals überlief Juliana ein Zittern. Ian lag tot im Eingang, so wie auch ein anderer ihrer Wachleute. Und Alasdair wagte es, ihr zu schmeicheln? „Ihr habt mein Land angegriffen. Meine Männer getötet!“

Autor

Brenda Joyce

Brenda Joyce glaubt fest an ihre Muse, ohne die sie nicht New York Times Bestseller-Autorin hätte werden können. Ihre Ideen treffen sie manchmal wie ein Blitz – zum Beispiel beim Wandern, einem ihrer Hobbys neben der Pferdezucht. Sie würde sich niemals ohne eine Inspiration an den Schreibtisch setzen und einfach...

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