Julia Exklusiv Band 305

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  • Erscheinungstag 07.12.2018
  • Bandnummer 0305
  • ISBN / Artikelnummer 9783733711221
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Vivian Leiber, Carole Mortimer, Sharon Kendrick

JULIA EXKLUSIV BAND 305

1. KAPITEL

Mittlerweile scheint sich Königin Marianya von Monticello an Prinz Giancarlos Playboymanieren zu stören. Während der verrufene Prinz in Begleitung einiger Damen der Gesellschaft seinen Skiurlaub in der Schweiz genießt, wird über die Königin berichtet, dass sie seinen Junggesellenstatus sogar vor ihrem Kabinett diskutiert. Nach einem Vertrag mit Spanien aus dem Jahre 1456 fällt das Königreich Monticello in Spaniens Regierungsobhut zurück, sollte Giancarlos Stammhalter nicht innerhalb der nächsten zwei Jahre geboren werden – vor dem fünfunddreißigsten Geburtstag des Prinzen. Aus palastinternen Kreisen wird berichtet, dass die Königin durchaus dazu bereit ist, zugunsten ihres Sohnes zurückzutreten. Sie drängt auf eine baldige Hochzeit und die Geburt eines Thronfolgers. Erschwerend kommt die Tradition von Monticello hinzu: Giancarlos zukünftige Braut muss von einer der fünf berühmtesten Adelsfamilien des Königreichs abstammen. Jener Familien, deren Vorfahren fünf berüchtigte Ritter sind; bis zum heutigen Tage berühmt für ihren Wagemut während des Krieges zwischen Monticello und Spanien im Jahre 1456.

Heute blüht Monticello mit seiner idyllischen Form der Landwirtschaft immer mehr auf und macht zudem enorme Umsätze durch Tourismus und internationale Bankgeschäfte. Doch seit Erscheinen unseres letzten Artikels herrscht helle Aufregung: wir berichteten über die pikanten Beziehungen des Prinzen zu diversen Töchtern des Hochadels …

Aleta Clayton überflog die Fotos zu dem Bericht des „International Snoop“. Sie zeigten Prinz Giancarlo von Monticello bei einer Schneeballschlacht mit zwei hübschen Blondinen. Die bunten Skianzüge der drei Menschen vor dem weiß verschneiten Hintergrund standen in starkem Kontrast zu dem grau verregneten Tag in Chicago, den Aleta durch ihr Bürofenster beobachten konnte. Sie teilte sich einen Raum mit drei anderen Buchhalterinnen der „McCormick Industrial Supply Company“.

Die Autoren des Artikels schienen Prinz Giancarlo für einen verwöhnten, widerspenstigen und überheblichen Choleriker zu halten, obwohl er im Vorjahr an der Mittelmeerküste von Monticello eine Frau vor dem Ertrinken gerettet hatte. Damals hatte das Magazin ihn als einen starken und trotzdem sensiblen, charmanten, aber leider missverstandenen Helden dargestellt. Doch danach hatte der Prinz einen Fotografen des „Snoop“ angegriffen, der von einem Baum aus die fürstliche Gartenterrasse observiert hatte. Dieser Ausbruch kostete ihn die Gunst der internationalen Presse.

„Was für ein Leben“, seufzte Aleta verträumt und dachte an den Prinzen. Sie strich über die kühle Oberfläche ihres Amuletts, das sie einst von ihrer Mutter geschenkt bekommen hatte. Es zeigte die Schlacht zwischen den fünf Monticello-Rittern und den spanischen Soldaten. Und für Aleta symbolisierte es die unbewusste Hoffnung, ein Teil der heutigen Glitzerwelt von Monticello möge sich auf ihr eigenes Leben übertragen.

Ich hätte nichts dagegen, eine Prinzessin zu sein, dachte sie und sah sich selbst für einen Augenblick auf den Fotos abgebildet, mitten zwischen Prinz Giancarlo und seinen Freunden im Nachtclub. Sie spürte förmlich die teuren Stoffe auf ihrer Haut und den prickelnden Champagner in ihrer Kehle.

Wenigstens in meiner Fantasie können mir die verrücktesten Dinge passieren, träumte sie weiter. Und am liebsten mit dem bestaussehendsten Prinzen der ganzen Welt! Stattdessen bin ich nur eine einfache Buchhalterin aus Chicago. Mein Leben könnte so anders sein als Prinzessin …

„Sind diese Rechnungen hier versandfertig?“

Eine gereizte Stimme riss Aleta aus ihren Gedanken. Mr. McCormick stand direkt vor ihrem Tisch. Hastig sah sie auf ihre Uhr und bemerkte dann erleichtert, dass sie offiziell noch Pause hatte. Sie musste also kein schlechtes Gewissen wegen der Zeitschrift auf ihrem Schoß haben.

Aber wann hatte sich Mr. McCormick schon einmal an die Pausen gehalten, wenn es darum ging, lautstark die Erledigung aller möglichen Arbeiten anzutreiben? Eilig schlug Aleta die Zeitschrift zu und verstaute sie in ihrer Handtasche.

„Es tut mir leid, Mr. McCormick“, begann sie und sah der imposanten Erscheinung vor ihr direkt in die Augen. „Wonach fragten Sie gerade?“

Maggie, Aletas Kollegin und beste Freundin, verdrehte hinter dem Rücken ihres Chefs die Augen und schenkte Aleta ein mitleidiges Lächeln. Rhoda und Carla, die ebenfalls das Büro mit Aleta teilten, versteckten sich buchstäblich hinter ihren Arbeitsunterlagen. Die beiden Frauen waren etwa Mitte dreißig und arbeiteten schon seit ihrem Schulabschluss in dieser Firma. Daher hatten sie bereits etliche Ausbrüche von Mr. McCormick miterlebt und ließen sich mittlerweile nur wenig davon beeindrucken. Manchmal gaben sie ihm sogar laute und deutliche Widerworte!

Aleta und Maggie dagegen arbeiteten erst seit zwei Jahren dort. Und während Maggie sich ziemlich schnell angewöhnt hatte, ihren Chef entweder zu ignorieren oder ihm selbstbewusst zu widersprechen, wenn es nötig war, zuckte Aleta noch immer unter der Lautstärke seiner Stimme zusammen.

„Die Rechnungen!“, wiederholte er gereizt. Beinahe sah es so aus, als würde er nachdrücklich mit dem Fuß auf den Boden stampfen. „Sie erinnern sich doch an das Phänomen von Rechnungen? Wenn diese nicht bezahlt werden, kann ich zum Beispiel Ihren Lohn nicht aufbringen!“

„Nein, tut mir leid, ich habe sie noch nicht fertig“, antwortete Aleta und wurde zu allem Überfluss rot. Im Grunde hatte sie sich nichts vorzuwerfen, aber ihre Gesichtsfarbe ließ sie aussehen, als wäre sie sich einer Schuld bewusst. Gequält blickte sie auf ihren Schreibtisch, auf die unfertigen Abrechnungen und die Papierstreifen aus der Addiermaschine.

Eigentlich war Aletas Vorgesetzte an der Verzögerung schuld, denn sie hatte die aktuellen Zahlen noch nicht weitergegeben. Doch Aleta brachte es nicht übers Herz, die Frau bei Mr. McCormick anzuschwärzen, damit er seinen Wutausbruch dann einfach an anderer Stelle fortführen konnte und sie selbst ungeschoren davonkäme.

Mit ruhiger Stimme entschuldigte sie sich ein weiteres Mal. „Ich werde die Abrechnungen so schnell wie möglich fertig stellen.“

Einen dramatischen Moment lang herrschte Schweigen, dann atmete der bullige Mann vor ihrem Schreibtisch tief durch und wandte sich ab.

„Wahrscheinlich ist es unmöglich, mit einem Prinz zu konkurrieren, wenn man selbst nur der Mann ist, der Ihnen den wöchentlichen Lohnscheck überreicht“, murmelte er ungehalten und ging auf die Tür zu. „Ich will die Rechnungen um ein Uhr fertig haben, Prinzessin!“

Voller Anspannung warteten die vier Frauen, bis sich die schweren Schritte ihres Chefs auf dem Flur entfernt hatten und seine Bürotür am Ende des Ganges zugeschlagen worden war. Dann kicherten sie erleichtert.

„Du musst wirklich langsam lernen, dich zur Wehr zu setzen“, schimpfte Rhoda. „Weißt du, immer wenn er mich anschreit, schmettere ich gleich zurück. Letzte Woche habe ich ihn zurechtgewiesen wegen dieser Lohnabzüge, die er durchsetzen wollte. Danach war er so klein mit Hut und hat mir sogar für diesen Donnerstagnachmittag freigegeben, damit ich mit meinem kleinen Billy zu seinem Schulfest gehen kann.“

„Ich lasse ihn auch nie damit durchkommen, wenn er ungerecht wird“, stimmte Carla zu. „Jedes Mal, wenn er sich im Ton vergreift, mache ich ihn sofort darauf aufmerksam. Außerdem ist er viel unpersönlicher, wenn er mich maßregelt.“

„Aber ich weiß einfach nicht, was ich zu ihm sagen soll“, wandte Aleta ein. „Ich bin so nervös, dass mir kein vernünftiges Wort über die Lippen kommt. Innerlich bin ich dann praktisch wie erstarrt.“

„Lern einfach zu kämpfen!“ Rhoda schüttelte den Kopf. „Du musst ja gar nicht so laut werden wie er. Kämpfen bedeutet nur, dass du über deine eigenen Grenzen entscheidest und sie verteidigst. Wenn du nicht kämpfen kannst, wirst du nie überleben. Der alte McCormick wird zu einem richtigen Teddybär, wenn du ihm entgegentrittst und ihm zeigst, dass du dich nicht unterkriegen lässt.“

Die Frauen verkniffen sich weitere Ratschläge und widmeten sich wieder ihrer Arbeit. Nur Maggie blieb vor Aletas Schreibtisch stehen und sah ihre Freundin liebevoll an. „Das bedeutet wohl, du kommst nicht mit zu ‚Marshall Field’s‘?“

Schon einige Wochen zuvor hatten die vier Kolleginnen beschlossen, in der Mittagspause einen Abstecher zu dem Einkaufszentrum zu machen, da dort an diesem Tag ein Ausverkauf stattfand.

„Ist auch ganz gut so“, meinte Aleta gelassen. Sie hatte sich zwar sehr auf diesen Ausflug gefreut, aber mit Mr. McCormick auf dem Kriegspfad konnte sie diesen Plan vergessen. „Ich habe ohnehin kein Geld dafür übrig.“

Mitfühlend nickte Maggie und ging zu ihrem eigenen Arbeitsplatz hinüber.

Aleta dagegen gönnte sich in ihrer Fantasie einen letzten Augenblick in den Armen ihres Prinzen Giancarlo. Einen Augenblick, der nicht durch ihre Unfähigkeit, ihr eigenes Leben zu kontrollieren, gestört wurde. Ein letztes Mal glücklich durchatmen, bevor die unangenehmen Abrechnungen ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen würden.

Um viertel vor eins saß sie noch immer an ihrem Schreibtisch über den Rechnungen. Ihre Vorgesetzte hatte ihr ziemlich spät die aktuellen Zahlen überreicht, und so musste Aleta sich anstrengen, bis ein Uhr mit ihrer Arbeit fertig zu werden. Maggie hatte versprochen, ihr aus dem Einkaufszentrum ein Sandwich mitzubringen, damit Aleta keine zusätzliche Zeit mit einer Mittagspause verlor. Nur so konnte sie den Termin einhalten.

Ob sich Mr. McCormick jemals ändern wird? fragte sich Aleta. Auf seine unbeholfene Art kann er trotzdem so nett sein. Wenn nur diese irrationalen, launischen Ausbrüche nicht wären!

Im vergangenen Winter hatte er bei einem besonders schlimmen Schneesturm allen seinen Angestellten freigegeben. Als er dann später aus seinem Bürofenster die lange Schlange an der Bushaltestelle gesehen hatte, hatte er sogar Aleta, ihre Kolleginnen und die Chefsekretärin in seinem eigenen Wagen nach Hause gefahren. Es war eine zermürbende, stundenlange Fahrt gewesen, erschwert durch dichten Verkehr und noch dichteres Schneetreiben. Aber zu keinem Zeitpunkt hatte er sich darüber beschwert, sondern hatte stattdessen gemeinsam mit den Frauen Weihnachtslieder angestimmt.

Manchmal fragte sich Aleta, wer eigentlich das Problem war: er oder vielleicht sogar sie selbst. Warum fiel es ihren Kolleginnen so leicht, seine Tiraden mit Humor und einem Schulterzucken zu ertragen, während sie tagelang missmutig darüber nachdachte?

Kann ich wirklich nicht für das kämpfen, was mir wichtig ist? überlegte sie. Und mich nicht verteidigen, wenn ich zu Unrecht beschuldigt werde? Vielleicht liegt es auch an Mutters Tod? Scheinbar habe ich während der letzten fünf Jahre nicht einmal die Kraft zum Kämpfen gehabt.

Als sie damals nach der Beerdigung die noch zu zahlenden Rechnungen durchgegangen war, hatte sie erst gemerkt, wie viele Opfer ihre Mutter gebracht hatte, um Aleta eine unbeschwerte Jugend finanzieren zu können. Leider hatte Mrs. Clayton bei all der heimlichen Sparerei ihre Tochter nicht auf die wirkliche Welt vorbereitet: eine Welt voller schlecht gelaunter Chefs, unbezahlter Rechnungen und schwerer Entscheidungen. Aleta lebte plötzlich in einer Welt, in der jeder auf die ein oder andere Art und Weise für sich kämpfen musste.

Die Verwandlung vom glücklichen Teenager zu einer ernsten, etwas eingeschüchterten Frau war unvermeidlich gewesen. Nur wenige ihrer Schulfreunde würden Aleta, wie sie sich in ihrem strengen Geschäftskostüm und mit verschlossener Miene über die Abrechnungen der Firma beugte, wieder erkennen.

„Du bist die geborene Prinzessin“, hatte ihre Mutter oft zu ihr gesagt. Noch heute musste Aleta über diesen liebevollen Scherz ihrer Mutter lachen. Wahrscheinlich um Aleta das Selbstbewusstsein einer Königin zu geben, und sie damit auf die Veränderungen des Lebens vorzubereiten, hatte Mrs. Clayton Aleta oft erzählt, sie stamme direkt von einer der fünf adeligen Monticello-Familien ab. Und dass sie selbst aus dem Königreich verbannt worden war, nachdem sie einen Amerikaner geheiratet hatte – Aletas Vater. Er war an Krebs gestorben, als Aleta zwei Jahre alt war.

Eine märchenhafte Vorstellung von der eigenen Vergangenheit, die schon Mrs. Clayton von den Schwierigkeiten abgelenkt hatte, die das Leben als allein erziehende Mutter unweigerlich mit sich brachte. Zwar zweifelte Aleta nicht daran, dass ihre familiären Wurzeln in dem kleinen Königreich lagen, aber direkt bei Hofe …

Eine Prinzessin! Schmunzelnd tippte Aleta auf der Addiermaschine herum. Zum ersten Mal hatte sie die Geschichte ihrer Mutter gehört, als sie neun Jahre alt gewesen war. Sie waren gemeinsam beim Einkaufen gewesen und hatten auf dem Verkaufstisch eine Zeitschrift entdeckt, deren Titelblatt den jungen Prinzen von Monticello zeigte.

„Das ist dein zukünftiger Ehemann“, hatte ihre Mutter sie geneckt. Danach hatte Mrs. Clayton ihre erstaunte Tochter über ihre angeblichen familiären Verbindungen zum Königreich aufgeklärt. Sie hatte dies auf eine so amüsante, fröhliche Art getan, dass Aleta gern an diese Stunden zurückdachte. Und sie hatte sich als Neunjährige schon fest vorgenommen, diesen Mann zu heiraten, den ihre Mutter ihr prophezeit hatte.

Wer konnte es der armen Frau vorwerfen, dass sie ihr eigenes und das Leben ihrer Tochter mit etwas Zauber und Glamour zu erhellen versucht hatte? Aber Aletas Mutter war nun tot, und so blieb Aleta nur noch die Erinnerung und die Schwärmerei für dieses alte Familienmärchen.

Das Telefon unterbrach ihre Tagträume mit einem schrillen Klingeln.

„Hier ist ein Herr, der Sie sprechen möchte“, teilte ihr die Empfangssekretärin der Firma mit. „Soll ich ihn zu Ihnen schicken?“

Entgeistert starrte Aleta auf ihr Telefon. Das wird mal wieder ein Kunde sein, der irgendeine fadenscheinige Erklärung herunterleiern will, warum seine Firma unsere Rechnung nicht zahlen kann, dachte sie. Mr. McCormick wird begeistert sein!

Aber sie konnte einen solchen Kunden nicht einfach abwimmeln, wenn dieser sich die Mühe machte, persönlich vorzusprechen. Immerhin gab es da ganz andere Leute, die ihre Rechnungen nicht zahlten und monatelang auch nicht auf schriftliche und telefonische Mahnungen reagierten. Und auch in diesem Punkt war Aleta nicht besonders kämpferisch: es fiel ihr unendlich schwer, Geld für ihren Chef einzutreiben. Das hatte ihr schon des Öfteren Schwierigkeiten eingebracht.

„Ist gut, schicken Sie ihn mir in mein Büro!“, sagte Aleta schließlich.

Was für ein grauenhafter Tag, stöhnte sie innerlich und hoffte, der Kunde würde sie nicht allzu lange aufhalten. Heute werde ich mich nicht sofort einwickeln lassen, sondern auf die Zahlung der offen stehenden Posten bestehen!

Sie stand auf und wappnete sich mit einem professionellen Lächeln, als der Besucher schließlich eintrat. Er war nicht besonders groß, sehr elegant gekleidet und wirkte, als würde er einen Ballsaal und nicht das Buchhaltungsbüro der McCormick Industrial Supply Company betreten. Eine Reihe von glänzenden Abzeichen und Aufnähern zierte sein weißes Jackett. Er machte eine leichte Verbeugung vor Aletas Schreibtisch und ergriff ihre ausgestreckte Hand, um sie an seine Lippen zu führen. Der flüchtige Luftkuss oberhalb ihres Handgelenks überraschte Aleta. Eigentlich hatte sie dem Besucher die Hand schütteln wollen.

Etwas irritiert überlegte sie, wer dort vor ihr stehen mochte und entschied, dass er in jedem Fall der Firma eine ungeheure Menge Geld schulden musste.

„Sind Sie Aleta Maria Coronado Clayton?“, erkundigte er sich, und in seiner Stimme schwang ein starker Akzent mit. Aleta vermutete, dass seine Muttersprache Spanisch war. Mit einigen Kunden der Firma sprach sie selbst auch spanisch. Ihre Mutter hatte es ihr beigebracht. Aber sie war sich in diesem Moment nicht sicher, ob sie den Mann nicht beleidigen würde, indem sie ihm einen Wechsel zu seiner Muttersprache vorschlug.

„Ja, bin ich“, entgegnete sie langsam. Woher kennt er meinen vollständigen Namen? schoss es ihr durch den Kopf. Auf den Geschäftsbriefen steht er jedenfalls nicht. Eigentlich benutze ich meine mittleren Namen überhaupt nicht. Irgendetwas stimmt hier nicht! Seine Hände sind auch viel zu sauber, überlegte sie weiter und beugte sich fast unmerklich vor. Die meisten Kunden kommen doch direkt von der Arbeit hierher, aus Fabriken oder Großhandelsgeschäften.

„Mit wem habe ich das Vergnügen?“, fügte sie hinzu.

Er verbeugte sich erneut.

„Ich bin Hauptmann Hortensio Manilla Coronado de Gustavio“, stellte er sich vor und richtete sich zu seiner ganzen Größe auf. Aleta kam er trotzdem eher kleinwüchsig vor. „Zu Ihren Diensten. Ein glücklicher Zufall will es, dass ich um etwa sechzehn Ecken ihr zehnter Cousin bin. Wir stammen beide von Gustavio Coronado ab, der 1456 sein Leben riskierte, um unseren geliebten Herrscher in der Schlacht von Monticello zu retten. Sie stehen ihm natürlich näher als ich.“

Aleta beschloss, auf den Punkt zu kommen.

„Sind Sie uns Geld schuldig?“

Der Fremde brach in Gelächter aus.

„Nein, ganz und gar nicht“, wehrte er ab. „Ich spreche zu Ihnen als Privatperson.“ Er machte eine kurze Pause. „Sie sind die Tochter von Anna Maria Aleta Gabriella Coronado, die einen Amerikaner namens Barry Clayton geheiratet hat. Sie sind doch ihre Tochter Aleta, oder nicht?“

Sie nickte langsam. Ein undurchdringbares Wirrwarr füllte ihre Gedanken. Sie dachte an den merkwürdigen spanischen Akzent ihrer Mutter, den Mrs. Clayton immer ihrer Herkunft zugeschrieben hatte. Wenn du jemals nach Monticello berufen wirst, musst du dort deine Pflichten erfüllen, hatte Aletas Mutter wieder und wieder zu ihrer kleinen Tochter gesagt. Später war das Thema dann nicht mehr so oft angesprochen worden, und abgesehen davon hatte Aleta, je älter sie wurde, die Schilderungen ihrer Mutter weniger ernst genommen.

Doch der Akzent des Besuchers klang genau wie der Akzent ihrer Mutter, und seine Aufmachung hatte ebenfalls etwas Exotisches. Und dann diese förmliche Haltung …

„Kommen Sie wirklich aus Monticello?“, fragte sie direkt und stützte sich mit den Händen auf ihren Schreibtisch. Ihr war schwindelig geworden, und sie konnte diese Stütze gut gebrauchen.

Der Mann nickte.

„Ich muss Sie bitten, zur Erfüllung Ihrer Pflichten in das Land Ihrer Mutter zurückzukommen“, erklärte er ruhig. „Und ich hoffe sehr, dass Sie diesem Ruf folgen werden.“

Wie betäubt ließ sich Aleta rückwärts auf ihren Stuhl fallen. Nichts in ihrem ganzen Leben hatte sie jemals so geschockt wie diese beiden Sätze, die ihr mysteriöser Besucher gerade hervorgebracht hatte. Die halb vergessenen Geschichten, die ihre Mutter ihr immer wieder über Monticello erzählt hatte, waren keine übertriebene Träumerei gewesen!

„Spionage?“, flüsterte sie und wusste dabei selbst nicht, warum dies ihr erster Gedanke war. Vor ihrem inneren Auge tauchten Bilder von exotischen Schauplätzen, interessanten Menschen und verwegenen Abenteuern auf.

Der Mann schüttelte den Kopf.

„Geht es um Tourismus?“ Sie wusste, dass der Tourismus eine Haupteinnahmequelle des Königreichs war. „Oder Bankgeschäfte?“

Wieder schüttelte er den Kopf.

„An was haben Sie dann gedacht?“ Die ganze Situation kam ihr äußerst skurril vor. „Wie könnte ich Monticello von Nutzen sein?“

„Nehmen Sie eine Einladung zum Abendessen an!“, verkündete er mit einer leichten Verbeugung.

Aleta öffnete den Mund, brachte jedoch keinen Ton heraus. So war sie noch nie nach einer Verabredung gefragt worden.

Der Fremde schien ihre Verwirrung zu bemerken und schenkte ihr ein mildes Lächeln. Seine Freundlichkeit beruhigte Aleta, und sie entspannte sich ein wenig.

„Mit Ihnen?“ Wenn ich wirklich um unzählige Ecken mit ihm verwandt sein sollte, muss ich wohl zustimmen, nahm sie sich vor. Wenn auch nur aus Höflichkeit.

„Mit seiner Majestät, Prinz Giancarlo, natürlich“, berichtigte Hortensio sie und verbeugte sich noch einmal.

„Wenn ich eine Prinzessin wäre, würde ich jeden Tag bis zum Mittag schlafen.“ Lachend griff Maggie in die Bonbonschale auf ihrem Tisch.

„Und wenn ich Prinzessin wäre, wären alle meine Klamotten von Chanel“, rief Carla. „Außerdem müsste jemand anderes auf meine Kinder aufpassen, wenn ich müde bin.“

„Ich würde als Prinzessin jeden Tag am Strand verbringen“, schaltete Rhoda sich ein, die sich gerade sorgfältig ihre Fingernägel feilte. „Vor allem würde ich diesen Job hier sofort hinschmeißen und Mr. McCormick noch einmal gehörig die Meinung geigen, bevor ich gehe.“

Die beiden anderen Frauen nickten zustimmend. Sie alle hatten sich um Maggies Schreibtisch versammelt und aßen Schokoladenbonbons. Immerhin war ihr Chef an diesem Nachmittag außer Haus, und Aleta würde Prinzessin werden!

Nun, vielleicht war es zunächst nur ein Abendessen, möglicherweise mit zahlreichen anderen Fremden, die wegen ihrer Verbindung zu Monticello eingeladen worden waren. Obwohl der Hauptmann diesen letzten Punkt nicht näher ausgeführt hatte. Die drei Frauen aus der Buchhaltung zweifelten jedoch nicht eine Minute daran, dass ihre Kollegin Aleta Prinz Giancarlos Blicke auf sich ziehen würde, danach sein Herz und schließlich seine Krone.

Nur die zukünftige Prinzessin sprach kein einziges Wort mehr. Schweigend trommelte sie mit ihrem Zeigefinger auf der Lehne ihres Stuhls herum und starrte ins Leere.

Atemberaubende Aufregung war ihre erste echte Reaktion auf den unerwarteten Besuch gewesen, gefolgt von abgrundtiefem Misstrauen dem Hauptmann gegenüber. Aber nachdem er alle Fragen nach dem Königreich, die Aleta ihm gestellt hatte, einwandfrei beantworten konnte, hatte er sie schließlich überzeugt. Sie selbst wusste vieles aus den Erzählungen ihrer Mutter, und sie erinnerte sich nun mehr und mehr an Einzelheiten. Einiges hatte sie sich auch über die Jahre in der Klatschpresse angelesen. Hauptmann Hortensio war offenbar wirklich der persönliche Berater und engste Vertraute des Prinzen, für den er sich ausgab. Und die förmliche Einladung, auf der in goldenen Buchstaben ihr Name stand, besiegelte die Abmachung.

Sie hatte dem Abendessen zugestimmt.

Nachdem der Hauptmann gegangen war, musste sich Aleta erst einmal sammeln. Schließlich bekam eine einfache Buchhalterin nicht alle Tage die Gelegenheit, mit einem waschechten Prinzen den Abend zu verbringen. Auch wenn das Abendessen wahrscheinlich unter den Augen zahlreicher anderer Gäste stattfinden würde. Aleta würde sich, sollte sie den Prinzen auch nur von weitem zu sehen bekommen, trotzdem nervös, unsicher und fehl am Platze fühlen.

Immerhin war er der Mann, von dem sie insgeheim träumte und den schon ihre geliebte Mutter ihr ans Herz hatte legen wollen.

Was ist, wenn ich mich völlig danebenbenehme? ging es ihr plötzlich durch den Kopf. Wenn ich etwas Dummes sage, meinen Drink verschütte oder niemand dort ein einziges Wort mit mir spricht? Ich kenne ja nicht einmal die höfischen Benimmregeln! Andererseits kann man das von mir eigentlich auch nicht erwarten.

Als dann Aletas Kolleginnen bepackt mit Einkaufstüten aus ihrer Mittagspause zurück ins Büro gekommen waren, hatte ihnen Aleta sofort die Neuigkeiten erzählt. Sie waren augenblicklich genauso aus dem Häuschen gewesen wie sie selbst. Jetzt allerdings standen sie relativ gelassen um Maggies Tisch herum, während Aleta unruhig im Zimmer auf und ab ging.

Die drei Frauen wollten natürlich jedes Detail von ihr erfahren und löcherten sie permanent mit Fragen. Danach sahen sie gemeinsam den „International Snoop“ durch und staunten über die Fotos und Beschreibungen des Prinzen.

„Weißt du, diese königlichen Eheschließungen funktionieren alle nicht“, meinte Rhoda. „Stell dir doch einmal vor! Diese Prinzen werden von Geburt an dazu erzogen, sich wie … na, sich eben genau wie Prinzen zu benehmen.“

„Ja, sie helfen dir nie mit den Kindern“, stimmte Carla zu.

„Dazu ist ja auch die Dienerschaft da“, korrigierte sie Maggie. „Glaubst du, eine Prinzessin muss dreckige Wäsche sortieren oder im Ballsaal Staub saugen?“

„Nein, aber Carla hat schon recht.“ Rhoda rutschte auf ihrem Stuhl hin und her. „Viele Prinzessinnen mussten sich schon um den kleinen, kranken Thronfolger kümmern, während ihr Mann beim Polospiel oder auf einer Kreuzfahrt war. Man könnte genauso gut eine allein erziehende Mutter sein.“

„Eine sehr reiche, allein erziehende Mutter“, fügte Maggie hinzu.

Erschöpft vom Nervenkrieg in ihrem Innern setzte Aleta sich hinter ihren Schreibtisch und starrte auf die Berge von Arbeit, die vor ihr lagen. Zum Glück hatte Mr. McCormick für diesen Tag das Büro verlassen, ohne sich an die Frist von ein Uhr zu erinnern, die er ihr gegeben hatte.

„Aber wenn ich wirklich eine Prinzessin werden könnte“, träumte Carla laut weiter, „würde ich mich nur noch von Kaviar und Champagner ernähren. Und ich würde nie mehr Polyester an meine Haut lassen, nur noch Samt und Seide, mein Leben lang.“

„Und wenn mein Prinz dann nicht richtig spurt, würde ich mir einen Geliebten nehmen“, verkündete Rhoda.

Maggie und Carla kicherten.

„Das erlauben sie dir dort gar nicht“, widersprach Carla. „Du musst wie eine Nonne leben. Nachdem du einen Stammhalter und dazu einen zweiten Erben produziert hast, ist das Thema Sex für dich gestorben. Es sei denn, seine königliche Hoheit gönnt es dir noch einmal.“

Sie warf Aleta einen vielsagenden Blick zu. Diese lief sofort dunkelrot an. Intimere Gespräche ihrer Kolleginnen hatten sie schon immer in Verlegenheit gebracht, und die anderen Frauen neckten sie häufig wegen ihrer Schamhaftigkeit.

Doch an diesem Tag machte sich keiner über Aleta lustig. Die Frauen merkten, wie ernst sie diese Einladung und deren Umstände nahm.

„Hey, was wirst du denn heute Abend überhaupt anziehen?“, wechselte Maggie schnell das Thema, um ihrer Freundin weitere Peinlichkeiten zu ersparen. „Dieses Lokal hier auf der Einladung ist der feinste Laden, in den man nur gehen kann. Da kannst du auf keinen Fall so etwas tragen wie jetzt gerade!“

Ratlos sah Aleta an sich herunter und betrachtete kritisch ihren schlichten schwarzen Rock und die weiße Bluse. Maggie hatte recht, ihr Bürooutfit wäre absolut nicht das Richtige für ein Treffen mit einem echten Prinzen.

„Hast du irgendetwas Ausgefallenes zum Anziehen?“, erkundigte sich Rhoda.

Aleta brauchte nicht lange zu überlegen. Hilflos schüttelte sie den Kopf. „Nichts Besseres als das, was ich gerade trage.“

„Du gehst einfach zu wenig aus. Denn wenn du es tun würdest, wärst du auch dauernd einkaufen, genau wie Maggie“, lachte Carla. „Und dein Schrank wäre voller toller Kleider.“

Daraufhin lachten sie alle vier, und Carla und Rhoda beschlossen, die Neuigkeiten über die spektakuläre Verabredung ihrer Kollegin mit einigen Freundinnen und Familienmitgliedern zu besprechen. Wenige Minuten später saßen die beiden älteren Frauen am Telefon und erzählten ihren Liebsten aufgeregt von Aletas Familienabstammung.

Maggie wollte niemanden anrufen, sie starrte einfach nur ihre Freundin an. Ihr war klar, dass Aleta sich kaum verabredete. Einige wenige Male hatte Maggie sie zu verkuppeln versucht, immer ohne Erfolg. Auch Maggie hatte nach dem Tod von Mrs. Clayton gemerkt, wie Aleta sich von einem jungen, fröhlichen Mädchen in eine ernsthaftere, nüchternere Frau verwandelt hatte. Ihre Freundin hatte sich seit jener Zeit sehr verändert. Und nun würde sie möglicherweise eine unglückliche Prinzessin werden …

„Ich habe eine Idee“, rief Maggie mit leuchtender Miene. „Wie wäre es, wenn wir heute etwas früher Schluss machen und zu mir fahren? Du kannst dir jedes Kleid aussuchen, das du tragen willst.“

Dieser Vorschlag rettete Aleta aus ihrer Verzweiflung. Maggie hatte einen guten Geschmack und würde mit ihr gemeinsam bestimmt das Richtige für diesen Abend heraussuchen.

„Ach, lass uns einfach jetzt verschwinden!“, drängte Maggie. „McCormick kommt ohnehin erst morgen wieder. Für den fängt heute außerdem seine Golfsaison an.“

„Was ist eigentlich, wenn sich der Prinz als totaler Vollidiot erweisen sollte?“, fragte Carla, die gerade den Telefonhörer auflegte. „Ich meine, es gibt viele Frauen, die einen Prinzen geheiratet haben, nur um hinterher festzustellen, dass er ein Frosch ist.“

„Sie sollte ihn trotzdem heiraten“, antwortete Maggie strahlend. „Nicht alle Ehen zwischen Bürgerlichen und Adeligen enden fatal. Wenn Aleta ihn heiratet, braucht sie sich ihr Leben lang keine Sorgen mehr um McCormick oder irgendein anderes banales Problem zu machen.“

„Vorausgesetzt, sie hat überhaupt die Gelegenheit, mit ihrem Prinzen ins Gespräch zu kommen“, warnte Rhoda und hielt mit einer Hand den Hörer zu, den sie fest umklammerte. „Denkt daran, er ist ein Playboy! Nichts für ungut, Aleta, aber wahrscheinlich hängen ihm heute ein halbes Dutzend Frauen am Hals. Immerhin ist er mit der Gewissheit aufgewachsen, dass jede Frau alles tun würde, um eine Chance bei ihm zu haben. Bei so einem Mann muss man die Dinge selbst in die Hand nehmen, aber er muss es auch wert sein.“

„Ja, Aleta, Liebes, das solltest du wirklich bedenken“, riet ihr Carla. „Wenn du ihn heiratest, weil er ein Prinz ist, erkennst du vielleicht nicht die Person, die dahinter steckt. Andere Mädchen haben diesen Fehler bereits gemacht!“

Damit kamen Carla und Rhoda der Wahrheit viel näher, als es Aleta lieb war. Denn nicht einmal Maggie wusste, dass Aleta bereits jetzt in ihren Prinzen verliebt war, ohne ihn jemals kennen gelernt zu haben. Und ohne weiter darüber nachzudenken, sprach sie ihre Gedanken aus. „Ihr irrt euch. Er ist einfach wundervoll.“

„Aber du bist ihm noch nie begegnet, und ihr habt auch nicht viel gemeinsam.“ Rhoda wirkte ernsthaft besorgt. „Du kannst nicht einmal Skifahren, und das ist bekanntlich sein liebstes Hobby. Du hasst laute Musik, und er treibt sich dauernd in Nachtclubs herum. Der ‚Snoop‘ schreibt über ihn, er ist verwöhnt, starrköpfig, herrisch und überheblich.“

„Ich weiß genug über ihn“, unterbrach Aleta sie. „Ich kenne sein Leibgericht, die Namen seiner ehemaligen Freundinnen und seine Lieblingsfarbe. Ich weiß fast alles über ihn, und ich liebe ihn.“

Diesen letzten drei Worten folgte ein unangenehmes Schweigen, und Aleta schlug erschrocken eine Hand vor den Mund. Aber die Worte, ihr intimstes Geheimnis, waren schon ausgesprochen.

Wie in Zeitlupe leckte sich Carla Schokolade von den Fingerspitzen. Rhoda sagte der Person am Telefon, sie würde später noch einmal anrufen, und widmete sich dann langsam wieder ihrer Arbeit.

„Na, komm schon!“ Maggie zerrte ungeduldig an Aletas Ärmel. „Wir müssen dir jetzt etwas Hübsches zum Anziehen aussuchen. Du kannst dich auch bei mir fertig machen, wenn du willst.“

Während Aleta sich aus dem Büro ziehen ließ, warf sie einen letzten Blick auf Maggies Schreibtisch. Zwischen Schokoladenpapier und Stiften lächelte ihr Prinz sie vom Zeitungsfoto aus an. Zum ersten Mal kam ihr der Gedanke, dass er vielleicht nicht der unbeschwerte junge Mann war, für den sie und der Rest der Welt ihn immer gehalten hatten. Auch er hatte unter unangenehmen Verpflichtungen zu leiden, die sein Leben bestimmten.

Aleta zitterte unwillkürlich. Für sie wurde in diesen Augenblicken ein Märchen wahr, und sie wollte nicht, dass die Realität diesen Traum zerstörte …

2. KAPITEL

Ich könnte Maggie umbringen, schoss es Aleta durch den Kopf. Oder eher mich selbst.

Nervös zupfte sie an den Satinbändern des aufwändigen Ballkleides, das ihre beste Freundin ihr aufgeschwatzt hatte. Ein Blick in das elegante Restaurant des „Ambassador East Hotel“ genügte, um zu wissen, dass sie einen riesigen Fehler begangen hatte.

Im Grunde ihres Herzens wusste Aleta, wie unfair es war, ihrer Freundin einen Vorwurf zu machen. Immerhin hatte Maggie es gut gemeint. Aber angesichts des glamourösen Speiseraums fühlte sich Aleta vollkommen fehl am Platze. Und dabei war es ihr so wichtig gewesen, speziell an diesem Abend das Richtige zu tragen, obwohl sie sonst kaum einen Gedanken an ihre Aufmachung verschwendete.

Alle Frauen um sie herum waren passender gekleidet als sie: Cocktailkleider, kurze Röcke mit atemberaubenden Oberteilen kombiniert, alles war von schlichter Eleganz. Aleta wurde augenblicklich schlecht. Diese Frauen gehörten hierher, selbstbewusst tranken sie Champagner aus kostbaren Gläsern und würdigten der beängstigenden Anzahl an verschiedensten Bestecken auf den gedeckten Tischen keinen einzigen besorgten Blick. Ganz im Gegensatz zu Aleta.

Sie trug extra die Lieblingsfarbe des Prinzen: Lila. Ein lilafarbenes Kleid mit dazu passenden Schuhen in Lila, lilafarbene Handschuhe und eine ebenfalls lilafarbenen Tasche. Der voluminöse, steife Glockenrock des Kleides füllte beinahe die gesamte Breite des Eingangsbereichs zum Speiseraum aus. In diesem Flur hingen unzählige Fotos von prominenten Schauspielern, Politikern, Schriftstellern, Athleten und anderen Stars, die zu den ständigen Gästen des Restaurants zählten.

Ganz bestimmt ist da keine einzige Buchhalterin bei, versuchte Aleta sich selbst aufzuheitern. Und niemand hatte wohl jemals ein so auffälliges, lilafarbenes Kleid getragen!

Hastig zog sie die ellenbogenlangen Handschuhe aus, die ihr noch eine Stunde zuvor so gut gefallen hatten.

„Kann ich etwas für Sie tun?“

Der Hotelangestellte hatte in professionellem Tonfall eine höfliche Frage gestellt, doch für Aleta klang es wie beißender Spott. Sie murmelte eine Entschuldigung und verließ fluchtartig den Flur. Im Gang zur Hotellobby warf sie einen Blick auf die Uhr. Es war fünf Minuten vor sechs. Damit hatte sie keine Zeit mehr, nach Hause zu fahren und in etwas weniger Auffälliges zu schlüpfen. Aber sie musste wenigstens schnell ein Bad finden, um etwas von dem überladenen Make-up wieder loszuwerden, das Maggie ihr so großzügig aufgetragen hatte. Und vielleicht sollte sie noch ihre Frisur ändern, aber ganz bestimmt würde sie sich sofort Maggies falsche Wimpern abzupfen und ihre großen Ohrringe abnehmen.

Und dann werde ich eine Million Tränen vergießen, dachte Aleta verzweifelt. Dieser Abend ist meine einmalige Chance, dem eintönigen Leben einer Buchhalterin zu entfliehen. Und jetzt ist alles ruiniert!

Vollkommen in ihre trüben Gedanken versunken, prallte sie gegen eine breite Männerbrust. Zwei starke Arme fingen sie auf, als sie zu stolpern drohte. Atemlos und erschrocken über den Zusammenstoß sah sie auf – direkt in die Augen ihres Prinzen.

Es gab keinen Zweifel daran, dass er es war. Sie hätte ihn unter Tausenden sofort erkannt.

Ihre Blicke trafen sich, und für Aleta blieb die Welt stehen. Endlich befand sie sich in den Armen des Mannes, den sie seit ihrer Kindheit verehrte. Selbst wenn sie ihn nach dem heutigen Abend nie wiedersehen würde, außer in Zeitungen und Magazinen, würde sie den Druck seiner Arme für immer an ihrem Körper spüren. Dessen war sich Aleta sicher.

Seine Augen waren von viel tieferem Blau, als sie erwartet hatte. Offenbar konnte ein Foto die Intensität seines Blickes gar nicht realistisch wiedergeben. Er war auch etwas größer als in ihrer Vorstellung, und seine tiefschwarzen Locken waren länger als auf den letzten Aufnahmen, die sie gesehen hatte.

Er war überraschend lässig und dennoch edel gekleidet und machte auf sie einen äußerst entspannten Eindruck. Aleta hätte von sich selbst gern das Gleiche behauptet. Neben ihm sah sie noch lächerlicher aus, als sie sich bisher gefühlt hatte.

Galant ließ er sie los, um sich nach den lilafarbenen Handschuhen und der Handtasche zu bücken, die Aleta hatte fallen lassen.

„Sie haben dies hier verloren“, sagte er ohne den leisesten spanischen Akzent. Sein Blick drückte Mitleid aus, während er ihr die Sachen in die Hand drückte. „Stimmt etwas nicht?“

Voller Panik riss sie die Augen auf.

„Nein“, krächzte sie und verlor ihre Stimme dann für einen Moment ganz. „Es ist nur …“ Hilflos wies sie mit einer Hand hinter sich zum Eingang des Restaurants. „Ich habe das Falsche an.“

Ohne ein weiteres Wort nickte er ihr zu und war gleich darauf im Begriff, an ihr vorbeizugehen. Doch Aleta packte ihn spontan am Arm. Sofort sah er sie mit einer Mischung aus Sorge und Misstrauen an. Seine blauen Augen wurden dunkler, und Aleta spürte, wie er die Muskeln unter ihren Händen anspannte. Er war in Alarmbereitschaft und ganz offensichtlich auf alles vorbereitet.

Bin ich denn völlig verrückt geworden? fragte sie sich hektisch. Jetzt hält er mich für einen wahnsinnigen Fan oder, noch schlimmer, für eine Journalistin. Immerhin wird der arme Kerl ständig von geldgierigen, heiratswütigen Frauen und andererseits von aufdringlichen Presseleuten verfolgt.

„Ich bin Aleta Clayton“, platzte sie heraus in der Hoffnung, dieser simple Satz könnte das Eis zwischen ihnen brechen.

Aber ihr Name schien ihm nichts zu sagen. Er lächelte sie etwas abwesend an, ohne dass seine Augen auch nur eine Spur freundlicher blickten. Warum sollte er auch anders auf meinen Namen reagieren? fragte sie sich selbst. Dieser Abend mit den unzähligen Gästen ist wahrscheinlich nur ein weiterer Termin in seinem höfischen Pflichtprogramm.

„Ich soll heute mit Ihnen zu Abend essen“, versuchte sie es weiter und ließ dabei endlich seinen Arm los. „Hauptmann Hortensio Soundso sagte mir, ich solle mich hier mit Ihnen treffen.“

Krampfhaft wünschte Aleta sich, der Erdboden möge sich unter ihr auftun und sie verschlingen, während der Prinz seinen prüfenden Blick langsam an ihr hinuntergleiten ließ. Überraschung breitete sich auf seinem Gesicht aus, und ohne es wirklich zu wollen, schob Aleta trotzig ihr Kinn vor.

Ich bin vielleicht ein Normalbürger, dachte sie verletzt, eine kleine amerikanische Buchhaltungsangestellte. Und vielleicht trage ich auch das lächerlichste lila Outfit, das die Welt je gesehen hat. Aber ich habe trotzdem jedes Recht, heute Abend hier zu sein, und ich werde diesen Abend genießen!

„Sie sind Aleta Maria Coronado Clayton?“, erkundigte er sich ungläubig und musterte ihre Aufmachung.

„Erstaunlich, wie gut sie die Gästeliste im Kopf haben“, bemerkte Aleta ohne zu überlegen und bereute ihren Kommentar augenblicklich. Sie klang einfach zu naiv und ungeschickt. „Ihre Majestät, ich meine, Eure Hoheit …“ Sie suchte nach den richtigen Worten. „Ich kann unmöglich dort hineingehen, verstehen Sie, ich habe diese Lokalität hier falsch eingeschätzt. Niemand ist dort so angezogen wie ich.“

Es war ein fürchterlicher Moment für Aleta, auf den sie dennoch ihr Leben lang gewartet hatte. Und jetzt plapperte sie die sinnlosesten Entschuldigungen daher und hinterließ einen denkbar schlechten Eindruck auf den Mann ihrer Träume!

Es stimmt wohl, was die Zeitungen schreiben, schoss es ihr durch den Kopf. Er ist ein bisschen überheblich, denn jeder andere höfliche Mensch hätte mich doch schon längst unterbrochen und die Situation gerettet. Aber er starrt mich einfach schweigend an und lässt mich ins Verderben laufen!

„Mir war nicht klar, dass sich niemand für den heutigen Abend derart herausputzen würde“, schloss sie ihre Erklärungen mit lahmer Stimme.

Schließlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck, und er bot ihr seinen Arm an.

„Begleiten Sie mich zur Lobby!“, sagte er knapp.

Am Arm ihres Traummannes durch einen Flur geführt zu werden, war für Aleta der zweite großartige Moment an diesem Abend und eine kleine Entschädigung für die qualvollen Minuten, die sie gerade hinter sich gebracht hatte.

„Ich nehme an, Sie wollen sich im Waschraum etwas frisch machen. Ich bin nur kurz fort und warte dann dort auf Sie.“ Er zeigte auf eine mit Samt bezogene Couch in der Ecke. Dann gab er ihren Arm frei und verschwand im Aufzug.

Wie versteinert sah Aleta ihm nach. Sie konnte es nicht fassen, dass ihr Treffen mit dem Prinzen einen so katastrophalen Verlauf genommen hatte. Es gab doch so vieles, über das sie mit ihm hätte sprechen können: ihre Mutter, Monticello, seinen Aufenthalt in Chicago. Selbst das Wetter wäre als Thema besser geeignet gewesen als Maggies unmögliches Abschlussballkleid.

Mittlerweile spürte sie die neugierigen Blicke der Menschen um sie herum. Ihr war nicht klar, ob man sich für sie interessierte, weil sie mit dem Prinzen gesprochen hatte oder weil sie in einem derart derangierten Zustand war. Jedenfalls war sie so viel Aufmerksamkeit nicht gewohnt, und es gefiel ihr auch nicht besonders. Sie wandte sich ab und schritt hoch erhobenen Hauptes auf die Waschräume zu.

„Mein Abend mit einem echten Prinzen“, sagte sie zu ihrem Spiegelbild und musste plötzlich lachen. Sie sah einfach schrecklich aus. Die Schminke war verlaufen, und am Rand der Augenlider lösten sich die falschen Wimpern. „Ein zweiminütiges Gespräch, von dem ich noch meinen Enkeln erzählen kann. Und die werden sich wahrscheinlich denken, ihre Oma ist verrückt.“

Es dauerte nur kurze Zeit, bis sie es geschafft hatte, ihr Aussehen wieder natürlich wirken zu lassen. Mit offenen Haaren und ohne das übertriebene Make-up erschien Aleta bereits wie verwandelt. Dann stopfte sie noch ihren riesigen Unterrock in den Mülleimer und die Handschuhe in ihre Tasche. Fürs Erste zufrieden gestellt, drehte sie sich vor dem Spiegel.

Ich werde Maggie einen neuen Unterrock kaufen, nahm sie sich vor und war froh darüber, dass ihr Kleid nun um einiges unauffälliger aussah. Und jetzt werde ich mich einfach wie eine richtige Prinzessin benehmen und den Abend nutzen. Immerhin werden Maggie, Rhoda und Carla mir morgen Löcher in den Bauch fragen, da kann ich nicht einfach kneifen!

Entschlossen atmete sie durch und straffte die Schultern, während sie zurück in die Lobby ging. Wieder erregte sie ungewöhnlich viel Aufmerksamkeit, aber dieses Mal machte es Aleta fast nichts aus. Selbstbewusst schritt sie auf die Couch zu, wo ihr Prinz schon auf sie wartete.

Er trug jetzt eine weiße, mit Orden geschmückte Uniform, die Aleta schon von Fotos aus dem „International Snoop“ kannte. Giancarlo trug sie oft zu offiziellen Anlässen.

Als er sich erhob, merkte Aleta, wie es in der Lobby ruhiger wurde. Alle schienen sie und den Prinzen zu beobachten, der in dieser Sekunde ihre Hand ergriff und sie zu einem angedeuteten Kuss an seine Lippen hob.

Impulsiv wollte sie ihm für seine Geduld danken, die er aufbrachte, um ihr zu helfen. Sie war sicher, dass er die Uniform angezogen hatte, um ihrem eigenen formellen Aufzug einen legitimen Hintergrund zu verleihen. Diese Geste war unglaublich charmant, und am liebsten wäre sie ihm um den Hals gefallen. Doch sein eindringlicher Blick schnitt ihr bereits das erste Wort des Dankes ab.

„Man sollte sich immer für ein formelles Dinner entsprechend kleiden“, bemerkte er kühl und legte ihre Hand auf seinen Unterarm.

Aleta fand keine Worte mehr, um ihm zu sagen, dass sie seine Feinfühligkeit zu schätzen wusste. Eine Meute von Journalisten stürzte plötzlich aus einem Seitenflur auf sie zu, und das unerwartete Blitzlichtgewitter blendete sie. Instinktiv schreckte sie zurück und klammerte sich fest an Giancarlos Arm.

„Diese fürchterlichen Fotografen“, flüsterte er leise. „Lächeln Sie einfach, und schauen Sie niemanden direkt an, dann kommen Sie auch nicht in Schwierigkeiten.“

Wie im Traum ließ sich Aleta von dem Prinzen durch die laute, aufdringliche Menge führen, ohne die Gegenwart der vielen Menschen richtig wahrzunehmen. Hauptmann Hortensio empfing sie beide am Eingang zum Speiseraum und blockte hinter ihnen die Fotografen ab.

„Bitte, meine Damen und Herren, der Prinz versucht, ein privates Dinner abzuhalten“, erklärte er mit lauter Stimme. „Er wird später für Fotos zur Verfügung stehen. Dies ist eine geschlossene Gesellschaft, ein privates Dinner mit einer Freundin der königlichen Familie.“

„Wer ist sie?“

„Kommt sie aus Chicago?“

„Hat dies alles mit den Bestrebungen der Königin zu tun, Prinz Giancarlo zu vermählen?“

Ängstlich sah Aleta Giancarlo an. Sie fühlte sich vollkommen mit der Situation überfordert. Wie konnte Giancarlo nur mit so viel Wirbel um seine Person leben? Selbst am heutigen Abend musste er sich nach dem Essen noch einer Pressekonferenz stellen.

Seit dem Mittag hatte Aleta nichts mehr gegessen, und trotz ihrer Aufregung verspürte sie Appetit auf die exquisiten Leckereien, die an diesem Abend serviert werden würden. Für den Prinzen von Monticello würde man mit Sicherheit nur die exquisitesten Speisen zubereiten.

Sie erreichten das Pult des Oberkellners, der den berühmten Gast erfreut anlächelte.

„Eure Hoheit“, begrüßte er Giancarlo und verbeugte sich tief. Nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte, warf er einen flüchtigen Blick auf Aleta. Wenn er sich ein Urteil über sie bildete, ließ er sich das jedenfalls nicht anmerken. „Mademoiselle, hier entlang bitte!“

Sie wurden an einigen Tischen entlang zum hinteren Teil des Raumes geführt, während alle anderen Gäste sie unverhohlen anstarrten. Erleichtert stellte Aleta fest, dass ihr Tisch sich hinter einer halbhohen chinesischen Trennwand befand. Zu ihrer Überraschung war der Tisch nur für zwei Personen gedeckt.

„Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte Giancarlo, der ihren verwirrten Gesichtsausdruck bemerkt hatte.

„Nein, ich meine, doch“, gab sie kopfschüttelnd zurück und setzte sich auf den Stuhl, den der Oberkellner ihr zurechtrückte. „Ich hatte nur angenommen, es würden viel mehr Menschen am Dinner teilnehmen. Zum Beispiel alle Bürger von Chicago, die Verwandte in Monticello haben. Da gäbe es doch mehr als nur mich.“

Giancarlos Lächeln wirkte freundlich, obwohl seine Augen weiterhin einen sehr ernsten Ausdruck hatten. Schon in der Lobby war Aleta aufgefallen, dass er sein Gesicht wie eine Maske trug, die keine spontanen Gefühle preisgab. Aber vielleicht ließen ihn auch nur die vielen offiziellen Anlässe, denen er ständig beiwohnen musste, so sachlich wirken.

„Nein, nur ich, Hortensio und ein weiterer Einwohner von Monticello stehen zu Ihrer Unterhaltung zur Verfügung“, erläuterte er umständlich. „Ich hoffe, Sie sind nicht enttäuscht.“

„Enttäuscht? Nein, überhaupt nicht.“

Er sah von der Menükarte hoch, die ihm zuvor gereicht worden war, und musterte Aleta, als würde er ihre Vorzüge und Nachteile gegeneinander abwägen. Es war deutlich, dass er seine Zeit nicht gern mit ihr verbrachte, und sie konnte ihm deshalb wirklich keinen Vorwurf machen. Wahrscheinlich musste er ständig mit irgendwelchen Fremden zu Abend essen.

Aber warum habe ich heute das große Los gezogen? fragte sie sich. Ich habe keinen Einfluss, bin nicht reich und kann ihm oder seinem Land auch nicht von Nutzen sein. Warum hat man ihm also befohlen, mit mir den Abend zu verbringen?

Ratlos betrachtete sie ihn, während er sich wieder mit voller Konzentration der Karte widmete. Ihr brannten noch immer Dutzende von Fragen auf der Zunge, doch Giancarlo sah im Moment nicht so aus, als wäre er geneigt, sie zu beantworten. Er schien gar nicht mit ihr sprechen zu wollen, solange es sich vermeiden ließ.

Also entschied Aleta sich dafür, ihm den ersten Schritt zu einer Tischkonversation zu überlassen. Sorgfältig faltete sie ihre Serviette auseinander und studierte dann ihrerseits die Menükarte.

Langsam fiel etwas Anspannung von ihr ab, und sie fand es fast ein wenig lustig, vor einer königlichen Hoheit zu sitzen und darauf zu warten, dass man angesprochen wird.

Mehrere Minuten vergingen schweigend, da sie beide in Beschreibungen von gebackenem Brie mit Kruste, gerösteter Entenbrust auf einem Bett von Pinienkernen, sowie von Carpaccio mit Parmesan und Olivenöl vertieft waren. Und dies war erst die Vorspeisenauswahl.

Plötzlich tauchte Hortensio hinter dem eleganten chinesischen Raumteiler auf. Bei ihm war ein schlanker, junger Mann, der einen sehr schlecht sitzenden Anzug trug. Die beiden Männer verbeugten sich vor Giancarlo, der ihre Gegenwart nur mit einem formlosen Schulterzucken zur Kenntnis nahm.

„Miss Clayton.“ Hortensio neigte sich höflich in ihre Richtung. „Darf ich Ihnen meinen Assistenten Rudolph vorstellen?“

Der junge Mann lächelte Aleta scheu an und setzte sich an den Tisch. Dann holte er ein Notizbuch aus seiner Innentasche, steckte es jedoch sofort wieder weg, als der Hauptmann sich überdeutlich räusperte.

„Wir werden zuerst die Getränke bestellen“, verkündete Giancarlo schließlich und klang dabei fast ein wenig feindselig. Er schien die Anwesenheit des Hauptmannes und seines Assistenten nicht sonderlich zu schätzen.

„Natürlich, Eure Hoheit“, sagte Hortensio schnell. „Ich halte es nur für richtig, sich zuerst einmal zu entspannen und sich kennen zu lernen, bevor wir beginnen.“

Irritiert verfolgte Aleta das Geschehen um sie herum. Man stellte ein hohes Champagnerglas vor sie hin und nahm ihr die Serviette aus der Hand. Ein Kellner platzierte das edle Stück Stoff auf ihrem Schoß. Teurer französischer Champagner wurde ausgeschenkt, und Hortensio erhob grinsend sein Glas.

„Auf unsere geliebte Regentin, Königin Marianya“, rief er. „Auf die Fortsetzung der königlichen Herrschaft über Monticello, die ungebrochene Linie der königlichen Familie, auf vierhundert Jahre Freiheit von spanischer Tyrannei, auf die Nachfahren der Coronados, auf …“

„Das reicht langsam“, fuhr Giancarlo dazwischen.

Perplex sah der Hauptmann ihn an, und für einen Sekundenbruchteil schien es, als würden die beiden Männer eine Diskussion beginnen. Die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt.

Diese Leute wissen, wie man einen netten Abend gestaltet, spottete Aleta innerlich. Giancarlo würde mit dieser Form von Entertainment überhaupt keine Verabredungen haben, wenn er nicht zufällig ein Prinz wäre. Und wenn er nicht so gut aussehend und reich wäre – und nicht so eine massive sexuelle Ausstrahlung hätte!

Diese ganze Angelegenheit ist ein einziger verrückter Albtraum, dachte sie und trank einen großen Schluck Champagner. Mein Traumprinz mag mich nicht und will sich noch nicht einmal mit mir unterhalten. Und ich sitze jetzt hier mit drei stocksteifen Gestalten an einem Tisch und habe keine Ahnung, was ich mit ihnen reden soll.

„Genug geplaudert“, scherzte Hortensio unvermittelt und durchbrach damit die unangenehme Stille. „Vielleicht helfen uns einige konkrete Fragen, um etwas mehr voneinander zu erfahren.“ Er wandte sich an Aleta. „Miss Clayton, sind Sie jemals verheiratet gewesen, oder haben Sie Kinder?“

Sie schüttelte den Kopf und wunderte sich über diese sonderbaren Andeutungen. Dies konnte doch auch in Monticello kein üblicher Weg sein, ein Gespräch zu beginnen?

Giancarlo tat weiterhin unbeteiligt und studierte inzwischen die Weinkarte so genau, als müsse er sie auswendig lernen. Rudolph dagegen schrieb nun doch eifrig in seinem Notizbuch herum, bis der Prinz es ihm plötzlich wegnahm und hinter seiner Weinkarte verschwinden ließ. Voller Unbehagen faltete der junge Mann daraufhin seine Hände vor dem Bauch.

„Gibt es vielleicht eine körperliche Ursache, die einen Kinderwunsch verhindert?“

Mit hochrotem Kopf starrte Aleta den Hauptmann an. „Diese Auskunft erscheint mir ein bisschen sehr persönlich.“ Sie war selbst erstaunt über die ungewohnte Härte in ihrer Stimme.

Mittlerweile sah auch Giancarlo Aleta direkt in die Augen.

„Dann habe ich nur noch eine weitere Frage.“ Hortensio wirkte nun etwas zurückhaltender. „Und es tut mir leid, wenn ich dabei aufdringlich erscheine. Aber Sie müssen verstehen, in unsicheren Zeiten und einer schnelllebigen Welt müssen wir den Menschen in der Nähe seiner Hoheit mehr persönliche Fragen stellen, als es früher der Fall gewesen ist.“

„Sie fragen mich das aus Sicherheitsgründen?“

„So könnte man es sagen.“

Dann war die Stimmung wohl nur so verkrampft, weil der notwendige Sicherheitsstandard noch nicht hergestellt war, überlegte sie. Wie immer der auch aussehen mag!

„Bitte, fragen Sie!“

„Sind sie noch jungfräulich?“

Die Frage blieb in der Luft hängen, und Aleta wusste beim besten Willen nicht, wie sie die maßlose Wut in den Griff bekommen sollte, die sie angesichts dieser Dreistigkeit des Hauptmanns überfiel. Einmal abgesehen davon, dass eine solche Frage nahezu jeden Menschen in ihrer Situation beleidigt hätte, bedeutete sie für Aleta eine besondere Demütigung.

Schon auf der Schule hatte Maggie mit ihrem langjährigen Freund geschlafen, während Aleta sich immer zu den unschuldigen Schülerinnen gezählt hatte. Und das Schlimmste daran war gewesen, dass ihre Freundin ihr zum Spaß eingeredet hatte, man könne an den Augen einer Frau erkennen, ob diese schon einmal Sex gehabt hat. Lange Zeit hatte Aleta im Stillen daran geglaubt und war extrem verunsichert gewesen.

„Ich glaube nicht, dass diese Frage etwas mit Ihrer Sicherheit zu tun hat“, antwortete sie schließlich so ruhig, wie es ihr möglich war. „Und wenn Sie mir noch eine derart unverschämte Frage stellen, werde ich sofort gehen.“

„Sicherlich fühlen Sie sich beleidigt, Verehrteste“, entschuldigte sich Hortensio hastig. „Aber die Art unserer Mission verlangt leider Derartiges.“

„Genug“, unterbrach ihn Giancarlo. „Ich kenne die Antwort bereits.“

„Ach, wirklich?“, fragte Aleta spitz.

„Ja. Ich kann es in Ihren Augen sehen.“

Sie öffnete den Mund, aber keiner der etwa tausend boshaften Kommentare, die ihr durch den Kopf rauschten, kam ihr über die Lippen. Am liebsten hätte sie einfach laut geschrien, und in diesem Augenblick hasste sie den Prinzen für seine verletzende Arroganz. Aber im Grunde war sie noch nie gut darin gewesen, sich verbal zu verteidigen, erst recht nicht während der letzten Jahre. Und jetzt war dieser Abend schon so skurril, dass es Aleta gar nicht mehr so abwegig vorkam, ihre Jungfräulichkeit mit fremden Männern zu besprechen.

„Warum interessiert Sie das?“, hakte sie nach und ignorierte dabei den warnenden Blick des Hauptmanns. „So etwas interessierte Sie auch nicht, als Sie dem Prinzen von Luxemburg die Freundin ausgespannt haben. Die war sicherlich keine Jungfrau mehr.“

„Ich habe sie ihm nicht ausgespannt.“

„Und als Sie sich mit dem englischen Pornostar getroffen haben?“, fuhr sie unbeirrt fort und war regelrecht stolz auf ihren mutigen Tonfall. „Der haben Sie bestimmt nicht diese Frage gestellt!“

„Ich hatte niemals etwas mit dieser Dame zu tun“, erwiderte Giancarlo, und in seinen Augen begann es zu funkeln. „Sie hat sich die ganze Geschichte ausgedacht.“

„Und diese französische Gräfin war ja auch nicht mehr ganz unschuldig“, setzte Aleta nach. „Immerhin war sie vier Mal verheiratet gewesen.“

Es war faszinierend, wie offen sein Gesicht wirkte, wenn er wütend wurde. Er warf seine Serviette auf den Tisch. „Mir war schon immer egal, ob die Frau, mit der ich schlafe, noch Jungfrau ist“, brauste er auf. „Wichtig ist das nur bei der Frau, die ich heiraten muss. Meine Geliebten …“ Hier brach er kurz ab und sah Aleta voller Missbilligung an. „Meine Geliebten sind keine unerfahrenen Schulmädchen.“

Sie hielt den Atem an und versuchte krampfhaft, den Sinn der Worte zu begreifen, die er ihr gerade entgegengeschleudert hatte.

„Eure Hoheit, bitte!“, schaltete Hortensio sich ein. „Lassen Sie uns die Sache etwas ruhiger angehen!“

Mit geschlossenen Augen lehnte Aleta sich auf ihrem Stuhl zurück. In ihrem Kopf drehte sich alles. Langsam wurde ihr klar, dass dieses unausgesprochene Märchen von der königlichen Hochzeit wahr sein musste, jedoch mit einem schicksalhaften Haken: die Braut würde im Palast sitzen, während der Gemahl sich mit seinen Betthäschen vergnügte.

Soll ich diesen Wutausbruch von Giancarlo jetzt als Heiratsantrag betrachten? fragte sie sich voller Ironie. Es schien ganz so, als ob sie zwar die Funktion seiner Ehefrau ausfüllen, nicht aber seine Leidenschaft erwecken konnte. Was war das nur für eine verrückte Geschichte?

„Miss Clayton, nehmen Sie noch etwas Champagner!“

Hortensio hielt ihr das volle Glas hin, während Rudolph ihr mit zitternden Fingern ein Taschentuch reichte.

Giancarlo betrachtete sie einfach nur.

„Sie werden sich gleich besser fühlen“, versprach Hortensio. „Und dann können wir diese Brautschau eventuell etwas zivilisierter fortsetzen.“

Aleta ignorierte den Hauptmann und blickte fassungslos zu Giancarlo. „Ich? Eine Braut?“, wisperte sie und kämpfte innerlich gegen ihre Tränen an. „Sie meinen, ich werde gezwungen oder aufgefordert, Sie zu heiraten?“

Der Prinz nickte stumm.

„Eure Hoheit, ich glaube nicht, dies ist der richtige Ansatz, um auf Miss Clayton zuzugehen“, tadelte Hortensio. „Bedenken Sie, sie ist die letzte Kandidatin auf diesem Kontinent!“

„Aber Sie sind doch auch nicht gerade unschuldig“, wandte Aleta ein, ohne auf Hortensio zu achten.

„Das muss ich auch nicht sein.“ Giancarlo war noch immer ziemlich aufgebracht. „Aber Sie müssen eine Jungfrau sein. Und für diesen zugegebenermaßen geringen Einsatz werden Sie zu einer Prinzessin gemacht. Und irgendwann sogar zur Königin. Was stimmt denn bei Ihnen nicht? Wollen Sie keine Prinzessin werden?“

„Vorsicht, Eure Hoheit!“, brummte Hortensio. „Vielleicht sollten wir zuerst das Menü bestellen.“

Das Essen war Aleta mittlerweile vollkommen egal. Ihr war es ohnehin unmöglich, etwas zu sich zu nehmen. Nur mühsam folgte sie den weiteren Worten von Giancarlo.

„Eine Prinzessin zu werden ist kein schlechtes Geschäft. Sie regieren irgendwann über Millionen von Menschen, reisen als Diplomatin durch die ganze Welt, können sich einen außergewöhnlichen Lebensstil leisten und müssen nie wieder selbst einen Brief tippen oder etwa Miete zahlen.“

Unter Aufbringung all ihrer Kräfte stand Aleta auf. „Eure königliche Hoheit“, begann sie tonlos. „Ich würde Sie nicht heiraten, wenn Sie der letzte Mann auf Erden wären. Alles, was die Presse über Sie schreibt, ist wahr. Sie sind rüde, arrogant, kalt und verwöhnt. Nachdem Sie sich für mich umgezogen hatten, habe ich Sie eigentlich für einen netten Mann gehalten. Aber da habe ich mich gründlich getäuscht. Sie, Prinz Giancarlo, sind ein Idiot!“

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte sie sich auf dem Absatz um und ging mit so viel Würde, wie sie nur aufbringen konnte, zur Tür. Dabei liefen ihr unaufhaltsam die Tränen, die sie bis jetzt zurückgehalten hatte, übers Gesicht.

„Sie hat mich einen Idioten genannt“, sagte Giancarlo und starrte in sein Champagnerglas. „Sie hat mich allen Ernstes einen Idioten genannt.“

„Eure Hoheit, Sie hat doch nur wiedergegeben, was sie Presse über Sie schreibt“, wiegelte Hortensio ab.

„Das ist etwas anderes. Es kümmert mich nicht, was der ‚International Snoop‘ oder andere Magazine von mir denken. Aber warum sollte ausgerechnet sie glauben, ich wäre ein Idiot? Und warum hat sie geweint? Immerhin habe ich sie gefragt, ob sie mich heiraten will. Mich haben viele Frauen schon regelrecht angefleht, ihnen einen solchen Antrag zu machen. Und sie hält mich nur für einen Idioten.“ Er schüttelte den Kopf. „Was ist bloß mit dieser Aleta nicht in Ordnung?“

3. KAPITEL

„Lass mich das noch einmal klarstellen!“ Maggie hatte ihre Augen vor Überraschung weit aufgerissen. „Der vielleicht bestaussehende, begehrteste, reichste Mann der ganzen Welt macht dir gestern Abend einen Heiratsantrag, und du lehnst ihn ab?“

Die ganze Geschichte war zu kompliziert und auch zu schmerzhaft, als dass Aleta sie im Einzelnen erörtern wollte. Sie nickte müde.

„Du sagst es.“

Maggie warf sich mit einer dramatischen Geste in ihren Schreibtischstuhl. „Aber gestern hast du uns doch noch gesagt, dass du ihn liebst? Das ergibt doch alles keinen Sinn.“

In diesem Augenblick stürmte Carla mit einem lauten Schrei ins Büro. „Hört euch diese Schlagzeile an!“

Mit einem lauten Knall warf sie drei Ausgaben des „Chicago Tribune“ auf ihren Schreibtisch und hielt eine vierte triumphierend in die Höhe. „Das glaubt ihr nicht! Es ist sogar ein Bild dabei.“

Sie tippte mit einem Finger auf die Zeitungsseite. „‚Geheimnisvolle Unbekannte bringt den Prinzen von Monticello unter die Haube‘.“

Aleta schnappte nach Luft und betrachtete wie hypnotisiert das Foto von sich und dem Prinzen in der Hotellobby. Sie selbst wirkte wie ein verschrecktes Kaninchen, während Giancarlo seine übliche, etwas gereizte Miene aufgesetzt hatte. Nun konnte sie auch nachvollziehen, warum er auf so vielen Fotos arrogant und unnahbar wirkte. Ständig von Fotografen umlagert zu sein, musste einen ja an die Grenzen der eigenen Geduld bringen.

„Mein lieber Mann, ihr habt aber toll gegessen“, staunte Maggie und las gemeinsam mit Carla und Rhoda den Artikel unter dem Foto, der die Menüfolge genau beschrieb.

„Wir sind gar nicht zum Essen gekommen“, gab Aleta zu. „Ich meine, unser gemeinsamer Abend war schon beendet, bevor das Essen überhaupt serviert wurde. Ich habe mir auf dem Heimweg ein Sandwich geholt.“

„Aber ihr habt Champagner getrunken“, rief Rhoda, ohne von der Zeitung aufzusehen. „Und du hast ein Designerkleid getragen. Man vermutet, es ist ein Model aus der letzten Frühjahrskollektion von Chanel.“

„Ich wusste, das Kleid ist perfekt“, schwärmte Maggie. „Ich habe es damals zum halben Preis bekommen, und jetzt glauben einige Leute tatsächlich, es wäre von Chanel.“

Nun las auch Aleta sich den Artikel genauer durch und wunderte sich über die vielen inhaltlichen Fehler und dreisten Mutmaßungen. Dem Leser wurde eine romantische Verabredung beschrieben, die nichts mit der kühlen Konferenz zu tun hatte, die sie hinter dem chinesischen Raumteiler über sich hatte ergehen lassen müssen. Wenigstens hatte man ihre Identität nicht feststellen können. Für die Presse war sie nur eine mysteriöse Unbekannte, die dem Prinzen den Kopf verdreht hatte.

Im Geiste sah Aleta schon die Reporter vor sich, die sie brutal jagten und jedes einzelne, unangenehme Detail aus ihrer Vergangenheit ans Licht zerrten. Ohne Rücksicht auf ihre Gefühle oder Privatsphäre. Ihr Leben würde auf jeden Fall nicht mehr ihr gehören, so viel wusste sie bereits über das höfische Leben.

Es ist die richtige Entscheidung gewesen, den Antrag abzulehnen, ermutigte sie sich selbst. Spätestens in ein paar Tagen würde er eine andere Frau im Arm halten, und der Klatsch um diesen fürchterlichen Abend wäre vergessen.

Doch diese Vorstellung schmerzte Aleta, und erschrocken stellte sie fest, dass sie ihm schon vollkommen verfallen war. Warum musste er auch so unfassbar sexy sein? Man könnte glatt vergessen, dass eine Ehe ausschließlich auf gegenseitiger Liebe basieren sollte. Eine verliebte Buchhalterin, deren Prinz nicht das Geringste für sie empfindet, war nun einmal nicht genug für ein unbeschwertes Familienglück.

Doch ihre Mutter hat sich auch gegen alle Konventionen für die Liebe entschieden. Wenn die Geschichte wahr war, dann hatte sie gut situierte Adelige abgewiesen, um mit ihrer großen Liebe durchzubrennen. Und drei Jahre später saß sie dann ohne einen Penny da. Eine einsame, allein erziehende Witwe mitten in Chicago, während ihre Familie in Monticello ihr nicht vergeben konnte. Aber trotzdem schien sie diesen Entschluss von damals nie bereut zu haben.

In Gedanken versunken nahm Aleta zuerst gar nicht wahr, dass ihr Telefon klingelte. „Hier war ein Mann“, erklärte die Empfangssekretärin, nachdem Aleta den Hörer abgenommen hatte. „Ich habe ihn nur ganz kurz gesehen, als er vorbeigestürmt ist. Er ist auf dem Weg zu Ihnen.“

Der Prinz! dachte Aleta sofort, und ihr Herz machte einen Satz. Er hat es sich noch einmal überlegt und will mir nun als Mann und nicht als Kronprinz entgegentreten. Gleich kommt er herein, entschuldigt sich, und wir fangen noch einmal ganz von vorn an.

Aber nicht der Prinz betrat kurz darauf ihr Büro, sondern Hortensio. Sein Erscheinen ließ Aleta augenblicklich ernüchtern, und ihr Herzschlag beruhigte sich wieder.

„Seine Hoheit schickt mich mit der Bitte, Sie zu einem Frühstück abzuholen“, begann er etwas umständlich. „Ein Wagen steht unten schon bereit.“

„Hey, Aleta, beeile dich lieber“, rief Rhoda aufgeregt. „So eine Chance bekommst du nie wieder.“

Aletas Blick fiel auf das Bild von ihr und Giancarlo in der Zeitung.

Wie ein verschrecktes Kaninchen, wiederholte sie in Gedanken. Ohne Rückgrat oder Selbstbewusstsein. Für eine Ehefrau gut genug, aber unbrauchbar als Geliebte!

„Nein“, entgegnete sie schließlich und schob die Zeitung von sich.

„Was?“, schrie Maggie entsetzt. „Heißt das, du willst nicht hingehen?“

„Nein“, bestätigte Aleta erneut. „Wenn der Prinz meint, er könne mich wie einen seiner Untertanen herumkommandieren, hat er sich getäuscht. Ich bin Amerikanerin, und ich arbeite heute.“

„Wir sagen McCormick einfach, dass du krank bist.“

„Folgen Sie dem Wunsch des Prinzen“, bat nun auch Hortensio. „Er verlangt doch nur nach Ihrer Gesellschaft.“

„Wenn sich der Prinz nach meiner Gesellschaft sehnt, kann er mir das selbst sagen“, erwiderte Aleta spitz. Danach wandte sie sich mit übertriebener Konzentration ihrer Arbeit zu.

Der Hauptmann tat ihr leid. Mit Sicherheit war es ihm äußerst unangenehm, seinem Vorgesetzten eine negative Nachricht überbringen zu müssen, aber das ließ sich eben nicht ändern. Aleta hatte es einfach satt, dass sie ständig von anderen Menschen gegängelt wurde. Das hatte sie sich schon viel zu lange gefallen lassen, und die irreale Situation, in der sie sich augenblicklich befand, machte es ihr merkwürdigerweise sehr leicht, endlich für sich selbst einzustehen.

Eine Ehefrau sollte auch immer die Geliebte ihres Mannes sein, bestärkte sie sich selbst. Und sie sollte um ihren Mann kämpfen, damit es von Anfang an so ist und auch immer so bleibt!

„Ja, der Prinz ist hier herzlich willkommen“, scherzte Carla. „Immerhin sind wir so etwas wie Familie für Aleta, und wir möchten ihn uns einmal angucken, bevor sie mit ihm ausgeht.“

Hortensio schüttelte den Kopf. „Sie wollen ihn ganz bestimmt nicht in Ihrem Büro haben“, versicherte er ihr. „Meine liebe Aleta, bitte begleiten Sie mich!“

„Nein, das werde ich nicht tun.“ Sie sah flüchtig auf. „Anscheinend glaubt der Prinz, er würde mir mit dieser Einladung einen großen Gefallen tun. Und vielleicht stimmt das sogar. Aber ich bin eine normale Frau und will auch als solche behandelt und nicht wie ein Untertan beordert werden. Also, wenn er sich mit mir treffen will, kann er mich persönlich fragen.“

Nach dieser kurzen Rede zitterte sie vor Aufregung am ganzen Körper, doch ihr Entschluss stand fest. Wenn es für sie jemals eine Ehe geben sollte, würde sie auf Liebe und nicht auf Pflichterfüllung begründet sein. Doch da sie noch nie echte Erfahrungen in Sachen Liebe gemacht hatte, konnte sie selbst nicht beurteilen, inwieweit sie sich kindisch und leichtsinnig verhielt. Sie handelte einfach aus ihrem instinktiven Gefühl heraus.

Im Büro breitete sich eine unangenehme Stille aus. Hortensio verbeugte sich schweigend und verschwand, während Aletas Kolleginnen sie sprachlos anstarrten. Und Aleta fragte sich unwillkürlich, ob sie den Hauptmann von Monticello an diesem Tag wohl zum letzten Mal gesehen hatte.

Warum habe ich mich bloß von meinem Stolz in diese Position manövrieren lassen? ärgerte sie sich plötzlich. So bin ich doch sonst gar nicht! Giancarlo ist ein absoluter Traummann, mein Traummann, und ich verschenke meine Chancen.

Aber Aleta hatte über die Jahre von vielen unglücklichen königlichen Ehen gehört, über sie gelesen und die armen Prinzessinnen bedauert. Wollte sie selbst wirklich ein solches Schicksal annehmen, bloß weil es ihr überraschend in den Schoß gefallen war?

Natürlich gab es nie eine Garantie für Treue und Glück, aber man musste ja auch nicht unter den schlechtesten persönlichen Voraussetzungen heiraten. Und die Beziehung zwischen Aleta und Giancarlo hatte nun einmal einen denkbar schlechten Anfang genommen. Dazu kam, dass sie verrückt nach ihm war, und er überhaupt nichts für sie empfand.

Weit entfernt im Flur hörte Aleta einen Tumult, der allmählich lauter wurde. Ihr Blut schien zu gefrieren, als sie die unverständlichen Fragen einer Reportermeute vernahm, unterbrochen von abwehrenden Rufen durch Hortensio und ruppigen Befehlen des Prinzen.

Einen Sekundenbruchteil später stand er vor ihr im Büro. Sein Gesicht glich einer starren Maske. Aleta fühlte sich, als hätte sie seine Warnungen vor irgendetwas missachtet und müsse nun die grauenhaften Konsequenzen tragen. Kurz, sein entschlossenes Auftreten wirkte auf sie zutiefst einschüchternd.

Einen langen Moment sahen sie sich in die Augen, und Aleta nutzte die Zeit, um sich wieder zu fassen. Nun hatte sie ihr Stolz schon so weit gebracht, dass sie nicht einfach in ihr altes Verhaltensmuster zurückfallen konnte, ohne den Respekt vor sich selbst zu verlieren.

„Es ist die mysteriöse Frau!“, rief einer der Reporter.

Dann folgte ein Blitzlichtgewitter, und Aleta wurde mit Fragen nur so überschüttet. Den Prinzen schien dies alles kalt zu lassen. Er reagierte überhaupt nicht auf die Anwesenheit der Journalisten, sondern beobachtete nur Aletas Reaktion.

„Entschuldigen Sie, Miss“, drängte sich ein Reporter vor und griff nach dem Namensschild auf ihrem Schreibtisch. „Miss Aleta Clayton. Erzählen Sie ein wenig von sich! Wie alt sind Sie, wo sind Sie geboren, wo haben Sie ihre Kindheit verbracht?“

„Wie haben sie den Prinzen kennen gelernt?“

„Stammen sie von einer der fünf berühmten Monticello-Familien ab?“

„Hat er Ihnen einen Antrag gemacht?“

„Sind Sie verliebt?“

Wie aus weiter Entfernung hörte sie, wie auch ihre Kolleginnen mit Fragen gelöchert wurden. Maggie plauderte über die gemeinsame Jugend, und Aleta selbst wurde ständig um ein neues, besser posiertes Foto gebeten.

„Können wir Sie auch mal zusammen fotografieren?“

„Arm in Arm. Und wie wäre es mit einem Kuss?“

Plötzlich griff Hortensio an einem der Fotografen vorbei nach Aletas Ellenbogen und zog daran. „Miss Clayton kann Ihnen zu diesem Zeitpunkt kein Interview geben“, mischte er sich ein und zerrte sie hinter sich her. „Sie wird Ihnen allen bei einer noch zu arrangierenden Pressekonferenz zur Verfügung stehen.“

Mittlerweile hatten die Journalisten gemerkt, dass Aleta im Begriff war, den Raum zu verlassen. Sie stürzten allesamt auf die Tür zu, doch Aleta war schon von Hortensio in die Arme des Prinzen geschoben worden, der sie auf den Flur führte.

„Lassen Sie uns gehen!“ Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte er mit ihr den Flur hinunter, gefolgt von Hortensio und der Pressemeute. Der Hauptmann verhinderte gekonnt, dass ein Journalist ihnen in den Fahrstuhl folgen konnte, und somit war ihnen die Flucht geglückt.

Aleta stand unter Schock und merkte erst jetzt, dass Giancarlo sie noch immer im Arm hielt und dass ihre Wangen tränenüberströmt waren. Sie wusste nicht, ob ihr Flattern im Magen durch seine Nähe oder die ganze Aufregung von eben ausgelöst worden war.

Autor

Vivian Leiber
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