Die falsche Braut – der richtige Mann!

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Sie soll seine Braut spielen? Weil er einen Artikel über tolle Flitterwochen-Locations schreiben will und seine Verlobung geplatzt ist? Erst lacht Callie über Finns verrücktes Angebot. Sicher, er ist sexy, er ist ein angesagter Journalist. Aber das heißt doch nicht, dass sie sich von ihm kaufen lässt! Doch dann braucht Callie dringend eine gute Ausrede für ihre Abwesenheit bei einem Familientreffen. Plötzlich klingt Finns Flitterwochenplan ideal. Als falsche Braut stürzt sie sich ins Abenteuer - was sich nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht erstaunlich richtig anfühlt …


  • Erscheinungstag 29.03.2016
  • Bandnummer 0007
  • ISBN / Artikelnummer 9783733706647
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Expressionismus oder Impressionismus?“

Finn hob den Kopf und blickte in das hübsche Gesicht einer Blondine mit tiefblauen Augen, die ihre Hand auf die Rückenlehne des Sitzplatzes vor ihm gelegt hatte. Sie war groß, schlank, langbeinig und hatte eine sehr schmale Taille. Ihre hellblonden Haare fielen ihr in Wellen über die Schultern. Er hoffte inständig, dass sie auf dem langen Flug zurück nach Kapstadt nicht neben ihm sitzen würde, denn er hatte keine Lust, mit einer Fremden zu reden – auch wenn sie schön war wie ein Topmodel.

Doch in Anbetracht ihres verschmitzten Blicks musste er unwillkürlich lächeln. „Graffiti“, antwortete er schließlich.

Auch in ihren Mundwinkeln zuckte es. „Bourbon oder irischer Whiskey?“

„Bier.“

Sie legte den Kopf schief und wippte mit einem ihrer Füße, die in schwarzen Stiefeln mit flachem Absatz steckten, die unter ihren dunklen Jeans hervorlugten. „Rugby oder Cricket?“

Er hatte beides nie gespielt, weil er jede freie Minute im Dojo verbracht hatte. „Ich war in der Häkelmannschaft der UCT.“

Sie lächelte. „Du hast in Kapstadt studiert? Ich auch! Wann warst du da? Und was hast du studiert?“

„Journalismus. Verrätst du mir, was die Fragerei soll?“

„Klar. Ich will herausfinden, ob es sich lohnt, mit dir zu flirten, oder ob ich dich besser für den Rest des Fluges wie Luft behandele“, erwiderte sie mit einem Lächeln, das Finns Herz schneller schlagen ließ. Dann zeigte sie auf den freien Platz neben ihm. „Ich sitze da.“

„Ach so.“ Natürlich.

Finn sah zu, wie sie sich eine Strähne aus dem Gesicht strich, bevor sie ihren Rucksack absetzte und ihren kurzen braunen Ledermantel auszog. Unter dem knappen weißen T-Shirt zeichneten sich kleine feste Brüste ab. Hübsch.

Sie legte den Mantel zusammen und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihn im Gepäckfach über ihren Köpfen zu verstauen. Dabei rutschte ihr T-Shirt hoch und gab den Blick auf einen flachen, sonnengebräunten Bauch und ein Piercing oberhalb des Nabels frei. Gedankenverloren sah Finn zu, wie sie ihren Rucksack nahm, ihr Tablet und ihre Kopfhörer herausholte und beides auf den Sitz warf. Als sie anschließend einen Schal aus dem Rucksack zog, fiel ein wohlbekanntes kleines folienverpacktes Etwas heraus und auf Finns Schenkel.

Finn nahm es und wartete darauf, dass sie ihn ansah. Als sie es tat, errötete sie nicht, wie er es erwartet hatte, sondern lächelte wieder ihr umwerfendes Lächeln und nahm ihm das Päckchen ab.

„Upps … Vielleicht sollte ich mich dir erst mal vorstellen, bevor ich dich mit Verhütungsmitteln bewerfe. Ich bin Callie Hollis.“

„Finn Banning.“

Es schien sie nicht weiter zu schocken, dass er nicht geschockt war. Da er acht Jahre lang als Enthüllungsjournalist gearbeitet hatte, bevor er zum Reiseressort gewechselt war, schockte ihn so leicht nichts mehr. Außerdem war es nicht das erste Mal, dass eine schöne Frau ihm ein Kondom in den Schoß warf.

Callie schlängelte sich an ihm vorbei und setzte sich neben ihn. Langgliedrig wie sie war, wusste sie ihren Sitzplatz in der Businessclass sicher ebenso zu schätzen wie er. Mit seinen eins neunzig fühlte er sich in der Economyclass wie in einer Sardinenbüchse, darum zahlte er gern das wesentlich teurere Ticket.

Callie kuschelte sich in ihren Sitz und wandte sich Finn zu. „Und? Verheiratet oder Single?“

„Spielt das eine Rolle?“, fragte er zurück.

Callie grinste. „Ich fliege diese Strecke etwa einmal monatlich, und es ist Ewigkeiten her, dass ich neben jemandem saß, mit dem ich flirten wollte. Normalerweise sind meine Sitznachbarn alt, langweilig oder hässlich. Aber wenn ein Mann so heiß ist wie du, macht es Spaß, mit ihm zu flirten – und ich bin sehr gut darin.“

Das glaubte Finn ihr aufs Wort. „Bestimmt – wo du doch so schüchtern bist“, konterte er trocken.

Callie lachte ein ungekünsteltes Lachen, das ihm durch und durch ging. „Das sagt meine Freundin Rowan auch immer. Aber egal, wir sprachen gerade vom Flirten. Wenn du Single bist, bekommst du die volle Packung. Wenn du verheiratet bist, werde ich mich zurückhalten.“

„Ich bin verlobt.“

„Dein Pech. Denn ich bin wirklich richtig gut darin.“ Sie schnallte sich an. „Und? Wann heiratest du?“

„In ungefähr drei Monaten.“

„Ich kapiere diese Heiraterei nicht. Was ist dein Grund?“

Finn sah an ihrem hübschen Gesicht vorbei in die Dunkelheit hinaus und runzelte die Stirn, als ihm spontan keine Antwort einfiel. Wäre das nicht das Mindeste, wenn ich vorhabe, den Rest meines Lebens mit jemandem zu verbringen?

Diese Frage ließ all das wieder in ihm hochkommen, worüber er in letzter Zeit ständig nachdachte. Ist es richtig, Liz zu heiraten, nur weil sie seit etwa fünf Wochen schwanger ist? Immerhin leben wir im 21. Jahrhundert und müssen nicht verheiratet sein, um zusammenzuleben und ein Kind großzuziehen. Sind wir nicht drauf und dran, eine schwierige Situation zu verkomplizieren? Zwischen ihnen lief es in letzter Zeit nicht gerade toll, und Finn war klar, dass ein Kind viel Arbeit machte und damit eine zusätzliche Belastung für die ohnehin schon recht fragile Beziehung bedeutete.

Andererseits würde ein Kind sie einander vielleicht wieder näherbringen …

Ein Baby. Noch immer hatte er den Gedanken nicht ganz verarbeitet.

Er freute sich darauf, Vater zu werden. Vielleicht würde die Geburt seines Kindes die Lücke ausfüllen, die James Tod vor drei Monaten hinterlassen hatte.

Er ging auf Mitte dreißig zu und war fest entschlossen, ein guter Vater zu werden. So wie James es für ihn und seine Stiefbrüder gewesen war. Finn wollte eine eigene Familie gründen. Etwas, das er erst kannte, seitdem er und seine Mutter mit den Bakers zusammengezogen waren – einem alleinerziehenden Vater und seinen drei Söhnen. Er wollte Teil eines größeren Ganzen werden, und er und Liz waren einmal wirklich glücklich miteinander gewesen. Vielleicht würden sie es wieder werden. Es blieb ihnen ja auch nichts anderes übrig. Sie mussten sich zusammenraufen.

„Sag schon – warum heiratest du?“, fragte Callie noch einmal.

„Das geht dich nichts an“, antwortete er und sah sie ernst an, um ihr zu signalisieren, dass das Thema tabu war.

Doch sie lachte nur und erwiderte: „Natürlich nicht, aber ich finde es interessant, was Leute dazu bringt, sich für immer und ewig binden zu wollen.“

„Liebe?“

„Pfft … das ist eine billige Ausrede. Ein Mythos, der von Filmen und Romanen verbreitet wird.“

„Glaubst du nicht an die Liebe?“, fragte Finn, der, wenn er ganz ehrlich war, selbst nicht sicher war, ob er an die Liebe, wie sie im Märchenbuch vorkam, glaubte.

Für ihn bedeutete Liebe, Verantwortung zu übernehmen und sich dem anderen gegenüber kameradschaftlich und loyal zu verhalten. Außerdem war Liz nicht allein schwanger geworden, und als Mitverursacher des Problems würde er sich an der Lösung desselben beteiligen.

Und es sah so aus, als sei eine Heirat eben diese Lösung.

Ein wehmütiger Ausdruck huschte über Callies Gesicht. „Ich glaube, dass die einzige reine Liebe die zu den eigenen Kindern ist, und selbst die geht manchen Leuten ab. Nein, Liebe ist einfach nur ein Wort, das wir verwenden, wenn wir uns sicher bei jemandem fühlen. Wohlfühlen. Oder womöglich voneinander abhängig sind.“

„Du siehst also Liebe und Ehe als Abhängigkeit voneinander an?“ Er fragte sich, wie er dazu kam, mit einer Wildfremden über seine bevorstehende Hochzeit zu reden. Normalerweise erzählte er nichts über sich; er war reserviert und verschlossen. Im Regelfall war er derjenige, der die Fragen stellte, und nicht derjenige, der sie beantwortete.

Callie zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, dass viele Manschen versuchen, mithilfe von Liebe und Ehe Zuständen zu entkommen, die sie irgendwie fertigmachen. So wie manche Leute Drogen nehmen, um sich besser zu fühlen, flüchten diese Menschen sich in die Liebe.“

Auch Finn äußerte sich gelegentlich zynisch über die Liebe und über Beziehungen, aber das hier war eine andere Liga. Er war vorsichtig, was Liebesdinge betraf, wartete ab, bevor er sich voll auf eine Beziehung einließ, und traf nie voreilig Entscheidungen. Was wahrscheinlich der Grund dafür war, dass ihn die Sache mit der Hochzeit so nervös machte – er hatte kaum Zeit gehabt, die Situation zu verarbeiten, geschweige denn gründlich zu überdenken. Und er hatte den Tod des einzigen Menschen, der je ein Vater für ihn gewesen war, noch nicht verwunden.

Callie legte ihm eine Hand auf den Unterarm. „Entschuldige. Ich wollte dir nicht die Laune verderben. Es ist nur so, dass ich der Liebe, der Ehe und auch den meisten anderen Beziehungen misstrauisch gegenüberstehe. Das alles sind Glücksspiele, und ich gehe lieber auf Nummer sicher.“ Mit einem theatralischen Seufzer fuhr sie fort: „Sowohl mein Vater als auch mein Bruder, beides Menschen, von denen ich nie geglaubt hätte, dass sie je ihr Junggesellendasein aufgeben würden, werden in den nächsten Monaten heiraten. Darum sollte ich mir meine zynischen Bemerkungen über die Ehe wohl langsam abgewöhnen.“

Obwohl er sie erst seit zwanzig Minuten kannte, wusste Finn, dass das unmöglich war.

„Zum Glück ist Rowan nicht nur meine beste Freundin und die Braut meines Bruders, sondern außerdem noch Eventmanagerin. Sie organisiert beide Hochzeiten. Ich muss einfach nur hingehen und hübsch aussehen.“

Was ihr nicht weiter schwerfallen durfte. Selbst in einem schwarzen Müllsack hätte sie noch umwerfend ausgesehen. Die Augen, die hohen Wangenknochen, die rosafarbene Zunge, die ab und zu zwischen ihren vollen Lippen hervorlugte … Finn fragte sich, wie sie wohl schmeckte, wie sich ihre Brüste anfühlten, die weiche Haut an der Innenseite ihrer schlanken Schenkel …

Was ist nur mit mir los? Reiß dich zusammen, Kollege, du bist verlobt, schon vergessen? Und wirst Vater …

Auf einmal wurde ihm bewusst, dass er so damit beschäftigt gewesen war, darüber nachzudenken, wie es wäre, sie zu berühren, dass er ihr gar nicht richtig zugehört hatte. „Warte mal … was hast du gerade gesagt? Deine beste Freundin ist Hochzeitsplanerin?“

„Sie organisiert alle möglichen Veranstaltungen, unter anderem Hochzeiten. Und das macht sie großartig.“

„Meine Freundin – also meine Verlobte – ist nämlich schon am Durchdrehen. Anscheinend ist keine Hochzeitsplanerin in ganz Kapstadt bereit, so kurzfristig eine Hochzeit zu organisieren.“

„Wann heiratet ihr denn? Morgen?“

„In etwa drei Monaten.“ Liz wollte heiraten, bevor man ihr die Schwangerschaft zu deutlich ansah, damit ihre konservativen Verwandten nichts merkten. „Und ich muss in den nächsten Tagen eine Hochzeitsplanerin finden.“

„Warum kümmert sich deine Zukünftige nicht darum? Ist das nicht ihr Job?“

„Liz ist in den kommenden sechs Wochen in Nigeria, darum übernehme ich das.“

„Was macht sie denn in Nigeria?“

Noch nie war er einer Person begegnet, die so unverfroren so viele Fragen stellte. „Sie arbeitet dort auf einer Erdölförderanlage – als beratende Ingenieurin.“

Als Finn sah, wie Callie den Mund öffnete, hob er beschwichtigend die Hand, um zu verhindern, dass sie eine weitere Salve von Fragen auf ihn abfeuerte. „Diese Freundin von dir … die ist richtig gut als Hochzeitsplanerin?“

Callie nickte. „Allerdings.“

„Würdest du mir ihre Nummer geben?“

„Klar. Aber nur, wenn du mir noch einen Satz über die Ehe erlaubst.“

„Da ich dich sicher ohnehin nicht davon abhalten kann …“, erwiderte Finn „Nur ein Satz? Erstaunlich.“

Sie ignorierte die Spitze. „Er ist nicht von mir, sondern von Nietzsche.“

Unfassbar! Diese Frau sah nicht nur super aus, sondern war obendrein noch gebildet?

„Von Nietzsche also. Dann schieß mal los.“

„Er sagt: Viele kurze Torheiten – das heißt bei euch Liebe. Und eure Ehe macht vielen kurzen Torheiten ein Ende, als eine lange Dummheit.“

Manche deutsche Philosophen und gewisse blauäugige Blondinen waren einfach schlauer, als gut für sie war.

„Ich brauche einen Drink“, erklärte Finn.

Callie grinste. „Das sagen die Leute oft, wenn sie mit mir zusammen sind.“

Was er nicht weiter erstaunlich fand.

1. KAPITEL

Drei Monate später

Callie, die gerade ihre Lieblingskneipe betreten wollte, runzelte die Stirn, als ihre Freundin Rowan sie daran hinderte, die Tür zu öffnen.

„Was ist?“

Rowan kniff die Augen zusammen. „Bitte vergiss nicht, dass das ein geschäftliches Treffen ist. Und auch wenn mein Klient und seine Verlobte, zwei Wochen bevor sie sich das Jawort geben wollten, ihre Hochzeit abgeblasen haben – wag es nicht, mit ihm zu flirten!“

Callie setzte ein zuckersüßes Lächeln auf. „Aber warum denn nicht? Vielleicht würde ihn das aufheitern!“

„Wehe! Ich warne dich, Cal. Benimm dich. Verstanden?“

„Ich benehme mich immer!“, protestierte Callie und kreuzte hinter ihrem Rücken die Finger. Sie war oft in dieser Kneipe. Die Besitzer Jim und Ali liebten sie, weil sie den Laden regelmäßig zum Kochen brachte und damit die Einnahmen in die Höhe trieb.

„Bitte tanz einfach nur nicht auf dem Tisch oder so. Und wenn du nicht anders kannst, dann tu wenigstens so, als würdest du mich nicht kennen.“

„Na komm! So schlimm bin ich nicht.“ Rowan dachte an die Person, die Callie mit Anfang zwanzig gewesen war. Na gut, vielleicht auch noch vor einem halben Jahr. Aber es war tatsächlich ein Weilchen her, dass sie zum letzten Mal für Aufruhr in einer Kneipe oder anderswo gesorgt hatte.

Normalerweise ging Callie gern in Bars und Clubs, wenn sie sich allein fühlte oder nicht gut drauf war. Dabei ging es ihr nicht ums Trinken – sie hatte schon einige Partys geschmissen und war im Morgengrauen stocknüchtern nach Hause gegangen –, sondern um die Gesellschaft und die Stimmung und die Aufmerksamkeit, die ihr zuteil wurde.

Warum fand sie auf einmal keinen Gefallen mehr am Ausgehen? Habe ich jetzt gar nichts mehr von dem wilden Mädchen, das ich einmal war? Von der lustigen, verrückten, zahnlückigen Siebenjährigen, die in alles und jeden vernarrt gewesen ist? Von dem Mädchen, das ich gewesen bin, bevor meine Welt zu Bruch gegangen ist?

Ihr stieg ein Kloß in den Hals. Wie gut es sich angefühlt hatte, vor nichts und niemandem Angst zu haben! Und genau so hatte sie sich beim Feiern immer gefühlt: stark, überlegen und furchtlos.

Vielleicht musste sie es heute einfach nur richtig krachen lassen, um sich zu beweisen, dass sie noch immer Spaß haben konnte.

Als sie diesen Gedanken laut aussprach, sah Rowan sie entsetzt an.

„Du bist schrecklich“, brummte Rowan.

„Und du warst wesentlich lustiger, bevor du dich mit meinem Bruder verlobt hast“, gab Callie zurück und betrat den großen Gastraum mit Hafenblick. Sie winkte Jim zu, der hinter dem Tresen stand. „Wo ist meine wilde, verrückte Globetrotterin geblieben?“

„Ich arbeite“, brummte Rowan. „Ich bin gerade im Dienst.“

Da sie ihrer besten Freundin ansah, dass gerade nicht mit ihr zu spaßen war, umarmte Callie sie: „Schon gut, mach dich locker. Ich werde brav sein.“ Doch sie konnte es sich nicht verkneifen hinzuzufügen: „Ich werde es zumindest versuchen.“

„Es war verrückt von mir, dich mitzunehmen“, sagte Rowan, steuerte auf einen freien Tisch zu und setzte sich.

Callie nahm gegenüber von ihr Platz. Als sie sah, wie wütend Rowan aussah, wurde ihr klar, dass sie vielleicht ein wenig zu weit gegangen war. Spontan ergriff sie die Hand ihrer Freundin. „Keine Sorge, Ro. Ich werd mich benehmen. Versprochen.“

Rowan seufzte tief. „Entschuldige. Mir tut der Typ einfach so leid. Ich meine, stell dir mal vor, dir gibt jemand so kurz vor der Hochzeit den Laufpass. Was muss denn da Schlimmes passiert sein?“

Callie hörte die unausgesprochene Frage, die Rowan in diesem Moment im Kopf herumging. Und wenn uns das passiert?

„Mach dir keinen Kopf, Ro. Seb betet dich an. Dir passiert so etwas nicht.“

„Das dachte Finn sicher auch.“

Finn? Callie starrte Rowan an. Finn Banning? Der Typ, den sie auf dem Rückflug von New York kennengelernt hatte? Den sie nicht vergessen konnte? Und dem sie Rowan als Hochzeitsplanerin empfohlen hatte? Mit dem kurzen, schwarzen Haar und diesen verwunschenen hellgrünen Augen? Der große, schlanke Mann mit den breiten Schultern, der in letzter Zeit in einigen ihrer geheimsten Vorstellungen vorgekommen war?

„Finn? Willst du mich ver…“ Callie verkniff sich den Kraftausdruck. Neuerdings arbeitete sie mit Rowans Unterstützung an ihrer Sprache. Was bedeutete, dass Callie bei jedem Verstoß zehn Cent an ihre Freundin entrichten musste – ein teures Unterfangen. „Du willst mich wohl veräppeln.“

Rowan bestellte eine Flasche Weißwein, bevor sie antwortete. „Leider nicht. Aber er ist eher der Typ, der kein Mitleid will. Also lass dir nicht anmerken, dass du Bescheid weißt.“

Bei dem Gedanken daran, Finn wiederzusehen, verspürte Callie ein wohliges Summen im Leib. Sie sah ihn noch vor sich, wie er mit seinem durchtrainierten Körper in Jeans und schwarzem T-Shirt neben ihr gesessen hatte. Mit diesen sehnigen Händen, diesem Lächeln und diesem kritischen, kompromisslosen Blick.

Beunruhigenderweise war der Flug mit ihm das letzte Mal gewesen, dass sie sich für längere Zeit auf ein männliches Gegenüber konzentriert hatte.

„Jetzt erzähl aber erst mal – wie lange bist du diesmal im Lande?“, wechselte Rowan das Thema.

Callie gab einen missmutigen Laut von sich. Sie hätte lieber weiter über den knackigen Finn geredet. Als Einkäuferin für Boutiquen im gehobenen Segment war Callie ständig in den Modemetropolen Europas sowie in New York und L. A. unterwegs. Wenn sie zwischendurch nach Hause kam, blieb sie selten länger als ein oder zwei Wochen im Land. Drei Wochen blieb sie nur, wenn eine dreimonatige Reisephase hinter ihr lag. War das nicht demnächst mal wieder fällig? „Ich muss in ein paar Tagen nach Paris und bleibe eine Woche dort.“

„Hast du nicht langsam genug davon, Cal? Von dem ewigen Rumfliegen und dem ganzen Zirkus? Ich kann mir nicht mehr vorstellen, wie früher ständig um die Welt zu reisen.“

„Ja, aber du hast auch in ziemlich runtergekommenen Absteigen gewohnt. Ich habe es angenehmer – ich fliege Business Class, wohne in erstklassigen Hotels, werde herumgefahren und gehe in teure Restaurants und Clubs.“

Rowan war ständig mit dem Rucksack auf Achse gewesen, eine echte Weltenbummlerin. Callie war nicht halb so abenteuerlustig wie ihre Freundin. Im Gegensatz zu Rowan hatte sie bislang ausschließlich westliche Industrienationen bereist.

Sie runzelte die Stirn. Rowan sah aus, als würde sie gleich etwas sagen, was Callie nicht gefallen würde. Sie kannte diesen Blick seit ihrer Kindheit. Seufzend lehnte sie sich zurück.

„Spuck’s aus. Was ist?“

Rowan atmete tief ein. „Ich weiß nicht … ich mache mir Sorgen um dich.“

Callie zwang sich, nicht die Augen zu verdrehen. „Warum denn?“

Rowan sah auf ihre Hände hinunter. „Weil … äh …“

„Nun sag schon, Rowan“, forderte Callie ungeduldig.

„Weil … also, Seb und ich machen uns Sorgen, dass dich dieses Leben auf Dauer zermürbt.“

„Warum das denn?“

„Du nimmst alles mit, was das Leben zu bieten hat. Du liebst die Menschen und weißt mit ihnen zu reden. Binnen Sekunden liegt dir jeder zu Füßen und möchte mit dir befreundet sein. Die Männer wollen dich, und die Frauen wollen so sein wie du.“

Das war zwar ein bisschen übertrieben, aber schön, dass Rowan so dachte. „Warum machst du dir dann Sorgen, dass mich das mürbe machen könnte?“

„Du warst schon immer quirlig und lustig und frech. Aber irgendwie kommt es uns in letzter Zeit aufgesetzt vor.“

„Das ist aber nicht so“, erwiderte Callie. Doch Rowans Worte hatten sie so getroffen, dass sie wusste, dass etwas Wahres an ihnen sein musste. Und hatten die vergangenen Wochen nicht gezeigt, wie sehr sie sich anstrengen musste, um das süße, feierfreudige Mädchen zu sein – was früher immer so einfach gewesen war?

Vielleicht werde ich langsam alt. Oder abgestumpft. Oder ich brauche mehr Sex. Oder alles drei.

Rowan fuhr mit dem Finger das Muster auf der Tischdecke nach. „Ich habe neulich einen Artikel darüber gelesen, dass manche Leute sich nicht so wohlfühlen, wenn sie auf die dreißig zugehen. Vielleicht liegt es daran, dass man sich fragt, ob man den richtigen Weg für sich gefunden hat und sein Leben sinnerfüllt findet.“

„Natürlich finde ich mein Leben sinnerfüllt“, antwortete Callie. Sie verdiente sehr gut – und das mit einer Arbeit, die ihr leicht von der Hand ging, bei der sie ständig neue Leute kennenlernte und von Weltstadt zu Weltstadt jettete. In Paris dinieren und am nächsten Tag in Rom zu Mittag essen. Schöne Kleidung anschauen und entscheiden, was sie für wen ordern sollte. Und mit erfolgreichen, weltgewandten Männern ausgehen.

Callie liebte ihre Arbeit. Sie hatte ihr von Anfang an Spaß gemacht. Und sie machte ihr noch immer viel Freude – meistens. Wenn man schon so lange in der Branche war, durfte man manchmal ein wenig genervt sein.

Im vergangenen halben Jahr waren ihr die Designer divenhafter vorgekommen als sonst, die Städte etwas feindseliger und die Hotelzimmer seelenloser. Und die Männer geschniegelter, als ihr lieb war – und wesentlich langweiliger.

Vielleicht brauche ich Urlaub. Oder eine Affäre …

„Und was macht dein Liebesleben, Cal? Wer ist momentan der Glückliche?“

Rowan las wieder einmal ihre Gedanken. Aber so war das eben, wenn man seit einem Vierteljahrhundert befreundet war. Callie nippte an ihrem Wein, bevor sie antwortete. „Momentan bin ich Single.“

„Du bist immer Single“, korrigierte Rowan.

„Von mir aus – dann sage ich, dass es momentan niemanden gibt, mit dem ich ins Bett gehe. Besser?“

Auch wenn sie gern feierte und flirtete, war sie doch recht wählerisch, was ihre Partner im Bett betraf. Sie verabredete sich zwar mit vielen Männern, schlief aber mit kaum einem. Denn die meisten waren verheiratet, bi, arrogant oder eingebildet. Also ging sie normalerweise allein nach Hause.

„Ein bisschen. Warum suchst du dir keinen leckeren Kerl, mit dem du ein bisschen Spaß haben kannst?“

„Weiß nicht. In letzter Zeit hat mich keiner weiter interessiert.“

„Was heißt in letzter Zeit? Seit einer Woche? Seit einem Monat?“

Callie versuchte, nicht gekränkt zu sein. Sie wusste, dass Ro sie nur aufzog, aber es klang, als hielte sie Callie für ein Flittchen, und das war sie nicht. Sicher, sie lebte nicht wie eine Nonne, aber sie war auch nicht leichtfertig. „Ich habe seit fünf, sechs Monaten mit niemandem geschlafen.“

„Tut mir leid, das sollte jetzt nicht wertend klingen“, sagte Rowan und hielt kurz inne, bevor sie weitersprach. „Warum nicht, Cal? Du magst doch Männer, und sie mögen dich.“

Callie wünschte, sie hätte eine Antwort auf diese Frage, doch das war nicht der Fall. Wie für ihre derzeitige Abneigung gegen das Ausgehen und die neuerdings gelegentlich aufkommenden Zweifel an ihrer Arbeit konnte sie keinen konkreten Grund dafür nennen. In letzter Zeit war sie einfach niemandem begegnet, mit dem sie ins Bett hätte gehen wollen. Warum das so war, wusste sie nicht. Aber langsam nervte sie die selbst auferlegte Enthaltsamkeit. Sie hatte gern Sex und brauchte ihn. „Ich weiß es wirklich nicht, Ro. Es hat sich in letzter Zeit einfach nichts ergeben, und ich will es nicht erzwingen.“

Sie zuckte mit den Schultern und lächelte. „Aber das ist ja auch kein Weltuntergang. Irgendwann wird schon jemand kommen, auf den ich Lust habe. Und bis dahin genieße ich einfach mein tolles, aufregendes Leben.“

Rowan biss sich auf die Lippe. Ein Zeichen dafür, dass sie gleich wieder etwas sagen würde, das Callie nicht gern hören würde. „Kann es sein, dass dein Leben gar nicht so toll ist?“

„Wie jetzt?“ Callie kräuselte die Nase.

„Du bist ständig beschäftigt und so übermäßig eigenständig, dass ich mich frage, ob da überhaupt Platz für jemanden wäre, der mehr ist als nur eine vorübergehende Affäre. Kann es sein, dass du eigenständiger und beschäftigter bist, als gut für dich ist? Oder ist das eine Vermeidungsstrategie?“

Hatte Rowan zur Verlobung etwa eine Zulassung als Psychologin bekommen? Was sollte das hier? „Was ist denn los mit dir? Ich bin mit dir weggegangen, um nett etwas zu trinken, nicht, um mich analysieren zu lassen.“

Ihre Freundin verzog das Gesicht. „Wir hatten beide keine leichte Kindheit. Ich, weil meine Eltern mich nicht als die anerkannt haben, die ich bin, und du, weil deine Mutter verschwunden ist, als du noch ganz klein warst. Wir haben es beide immer wilder getrieben, je älter wir wurden, bis du schließlich mit achtzehn dein Auto zu Schrott gefahren hast und ich kurze Zeit später im Kittchen gelandet bin.“

„Aber nur für ein Wochenende.“

Autor

Joss Wood

Schon mit acht Jahren schrieb Joss Wood ihr erstes Buch und hat danach eigentlich nie mehr damit aufgehört. Der Leidenschaft, die sie verspürt, wenn sie ihre Geschichten schwarz auf weiß entstehen lässt, kommt nur ihre Liebe zum Lesen gleich. Und ihre Freude an Reisen, auf denen sie, mit dem Rucksack...

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